> 112420 Inhalt: Leitende Artikel: Die Freiheit und die Presse. — Der katho¬ lische Klerits und die Nationalität. — Reorganisation der österrei- chischen Armee. — Neuöstcrreich. V. Der Staat 1. Korrespondenzen: Klagenfurt. — Von der Gail. — Nus Ober- krain. — Ans der Grafschaft Görz. Zeitungsr evue. — Herr Doktor Alois Hussa und Mezzofauti II., oder die vakante Primararztenstelle. i Die römische Frage. Nach Rom sind jetzt aller Augen gerichtet, die „römische" Frage tritt gegenwärtig in den Vordergrund. Die „Stimmen aus Junerösterreich", als ein den katholischen Interessen gewidmetes Blatt, können und dürfen sich dieser Weltfrage nicht entschlagen, und erfüllen mit diesem Artikel ihre publizistische Pflicht. Im April des Jahres 1861 hielt der katholische Gelehrte, Stift- probst Joh. Jos. Jgn. v. Döllinger in München vor einem sehr- zahlreichen Publikum vier Vorträge, welche allgemeines Aufsehen erregten. Er hatte die Frage über die weltliche Macht des Papstes in einer von den herkömmlichen sehr abweichenden Weise besprochen. Nun erschien unter dem Titel: „Kirche und Kirchen, Papstthum und Kirchen¬ staat" von ihm ein volnminäfes Werk, welches durch die eben vier er¬ wähnten Vorträge veranlaßt wurde. Wir wollen aus diesem Buche die Beantwortung einiger die weltliche Macht des Papstes betreffen¬ den Fragen unfern geehrten Lesern vorführen. 1. Wozu diese heickle Frage überhaupt auregen und besprechen? Darauf erwiedert der Verfasser in der Vorrede von S. XIV.—XIX. Folgendes: „Diejenigen, welche cs tadelnswerth finden, daß ich Zustände und Thatsachcn, die man gerne ignorirt, oder nur flüchtigen Fußes darüber hin¬ wegeilend berührt, näher eingehend besprochen, und dieß noch dazu gerade w diesem Zeitpunkte gethau habe, begreife ich vollkommen. Habe ich doch selbst, ohngeachtet des Dranges, den ich empfand, mich über die Frage des Kirchenstaats auözusprechen, zwei Jahre laug durch solche Bedenken mich abhalten lassen, und bedurfte eS der oben erzählten Vorgänge, um mich zum öffentlichen Mitsprechen in dieser Sache — ich darf fast sagen — -u nöthigen. Ich bitte aber diese Männer, folgende Punkte zu erwägen. Erstens: wenn ein Autor Zustände,' welche ohnehin in der Zeitpresse viel- sach besprochen werden, offen darlcgt, wenn er von den Wunden, welche Pcht an der Kirche selbst, sondern nur au einem mit der Kirche in nächste Berührung gekommenen und die Kirche in die Mitleidenschaft hineinziehen- Institut klaffen, die ohnehin sehr durchsichtige Hülle wcgzieht, so thut erdieß —das darf man ihm billiger Weise zutrauen, — dem Beispiele älte- rer Freunde und großer Männer der Kirche folgend, nur um die Möglich- 322 keit und Nothwendigkeit der Heilung klar zu machen, um, so viel an ihm ist, den Vorwurf zu entkräften, als ob die Vertheidiger der Kirche nur die Splitter im fremden und nicht die Balken im eigenen Auge schm wollten, und in engherziger Befangenheit jede ihrer Sache ungünstige oder ungünstig scheinende Thatsache zu beschönigen oder zu vertuschen und abzu- läugnen bestrebt seien. Er thut es endlich, damit man erkenne, daß, wo die Ohnmacht der Menschen die Heilung zu bewirken, sichtbar wird, Gott eingreife, der nun auf seiner Tenne die Spreu vom Weizen sondern und jene mit der Feuersgluth der Katastrophen, welche nur seine Gerichte und Arzneimittel sind, verzehren will. Zweitens: Wenn ich schon als Historiker die Wirkungen nicht darstellen durfte, ohne auf die Ursachen derselben zu¬ rückzugehen, so mußte ich zugleich, wie jeder religiöse Forscher und Beob¬ achter menschlicher Dinge, einen Beitrag zur Theodicee zu liefern suchen. Wer über so hohe, das Wohl und Wehe der Kirche nahe berührende In¬ teressen zu schreiben unternimmt, der kann nicht umhin, die Weisheit und Gerechtigkeit Gottes in der Leitung der hierauf bezüglichen irdischen Ereignisse zu erforschen und zu zeigen. Das Verhängniß, das den Kirchenstaat getroffen, muß doch vor allem unter dem Gesichtspunkt einer göttlichen Veranstaltung zum Besten der Kirche aufgefaßt werden. So gefaßt, stellt es sich als eine Prüfung dar, die so lange dauern wird, bis der Zweck erreicht, das Wohl der Kirche von dieser Seite sicher gestellt ist. Es schien mir klar, daß wie überhaupt eine neue Ordnung der Dinge in Europa im Plan der Vorsehung liege, so auch der Krankheitsprozeß, in welchem sich der Kirchenstaat unverkennbar seit einem halben Jahrhun¬ derte befindet, der Uebergangsprozeß zu einer neuen Form sein möchte. Diesen Krankheitsprozeß zu beschreiben, keines der Symptome zu über¬ gehen, oder zu verdecken, wurde hiemit eine Aufgabe, der ich mich nicht entziehen durfte. Die Krankheit hat ihren Grund in dem inneren Wider¬ spruche, der Disharmonie der Einrichtungen und Zustände; denn die fran¬ zösisch-modernen Einrichtungen stehen dort unvermittelt neben den hierar¬ chisch-mittelalterlichen; keines dieser beiden Elemente ist stark genug, das andere auszustoßen, und jedes von ihnen würde, wenn es zur Alleinherr¬ schaft gelangte, doch wieder eine Krankheitsform darstellen. Doch ich er¬ kenne in der Geschichte der letzten Jahre auch bereits Symptome des Hey lungsprozesses, wie schwach und dunkel und zweideutig auch noch die Spuren desselben erscheinen mögen. Was wir sehen, ist kein hoffnungs¬ loses Hinsterben, keine Verwesung; es ist eine Läuterung, so schmerzlich, so verzehrend, so Mark und Bem durchdringend, wie Gott sie über st^e auserwählten Personen und Institutionen zu verhängen pflegt. An L:chla- cken ist kein Mangel, und es gehört Zeit dazu, bis das reine Gold aus dem Schmelzofen hervorgehe. Jin Verlaufe dieses Prozesses kann^es zu einer Unterbrechung des Besitzstandes, zu einer Auflösung des Staats oder einem Uebergang desselben in andre Hände kommen; aber er wns, wenn auch in anderer Form und Regierungöweise, wieder aufleben. 323 Einem Worte; Kanabllibns ladorninus WSÜ8, das wollte ich zeigen, das glaube ich gezeigt zu haben. Gegenwärtig und schon seit 40 Jahren ist der Zustand des Kir¬ chenstaates die Achillesferse der katholischen Kirche, der stehende Vorwurf, den die Gegner in der ganzen Welt in Amerika wie in Europa erheben, der Stein des Anstoßes für Unzählige. Nicht als ob die Einwürfe, die von dieser Thatsache einer vorübergehenden Störung und Disharmonie im socialen und politischen Gebiete hergenommen werden, irgend ein Gewicht in theologischer Beziehung hätten. Aber das ist doch nicht zu läuguen, daß sie von unermeßlichem Einflüße auf die Stimmung der ganzen außer¬ kirchlichen Welt sind. So oft krankhafte Zustände in der Kirche hervorgetreten sind, hat es nur Einen Weg der Heilung gegeben: den des geweckten, erneuerten, ge¬ sunden kirchlichen Bewußtseins, der erleuchteten öffentlichen Meinung in der Kirche. Der beste Wille der kirchlichen Häupter und Führer hat die Heilung nicht zu vollbringen vermocht, wenn sie nicht die allgemeine Stim¬ mung, die Ueberzeugung der Geistlichen wie der Laien für sich hatten. Die Heilung der großen kirchlichen Krankheit des 16. Jahrhunderts, die wahre innere Reformation der Kirche ist erst dann möglich geworden, als man aufhörte, die Uebel zu beschönigen oder abzuleugnen, zu vertuschen und schweigend darüber wegzugehen, als eine so starke und übermächtige und öffentliche Meinung in der Kirche sich gebildet hatte, daß man sich eben dem überwältigenden Einflüsse derselben nicht mehr entziehen konnte. Auch heute ist das, was uns Noth thut, vor Allem Wahrheit, nicht bloß die Erkenntniß, daß die weltliche Macht des Papstthums der Kirche nöthig sei — das leuchtet, wenigstens außerhalb Italiens, jedem ein, und es ist Alles darüber bereits gesagt, — sondern auch die Erkenntniß, unter wel¬ chen Bedingungen diese Herrschaft fernerhin möglich sei. Die Geschichte der Päpste ist voll von Beispielen, daß ihre besten Absichten unerreicht blieben, ihre festesten Entschlüsse scheiterten, weil man eben in den unte¬ ren Kreisen nicht wollte, weil die Interessen einer fest zusammenhaltenden Klasse wie eine undurchdringliche Dornenhecke widerstanden. Wie fest war Hadrian VI. entschlossen, mit der Reformation Ernst zu machen, und gleichwohl that er als Papst so gut wie nichts, fühlte er sich im Besitze der höchsten Gewalt doch gänzlich ohnmächtig gegenüber dem passiven Wi¬ derstände aller derer, die ihm als Werkzeuge dabei dienen sollten. Erst als die öffentliche Meinung auch in Italien, in Rom selbst geweckt, ge¬ reinigt und erstarkt war, als der Ruf nach Reformen von allen Seiten gebieterisch ertönte, erst dann ward es den Päpsten möglich, den Wider¬ stand in den niederen Sphären zu überwinden und allmälig, Schritt für Dchritt, gesunderen Zuständen Bahn zu brechen. Möge denn auch dem nennten Pius eine starke gesunde, emmüthige, öffentliche Meinung im katholischen Europa entgegenkommen." 21* 324 2. Was wird mit der weltlichen Macht des Papstes werden? Ueber diese die ganze Welt beschäftigende Frage äußert sich der Verfasser in der Vorrede von S. III—lX folgender Maßen: „Es traf sich, daß mehrfach Anfragen an mich gestellt wurden, wie man sich die Lage des päpstlichen Stuhles, den theils eingetretenen, theils drohenden Verlust seiner weltlichen Herrschaft zu erklären habe. Was soll man — so wurde ich wiederholt gefragt — jenen Außerkirchlichen er- wiedern, welche mit triumphireudem Hohne auf die zahlreichen bischöflichen Kundgebungen Hinweisen, in denen der Kirchenstaat für wesentlich und un¬ entbehrlich zum Bestand der Kirche erklärt wird, während doch die Ereig¬ nisse seit dreißig Jahren mit steigender Klarheit den Zerfall desselben zu verkündigen scheinen. Ich hatte eben in Blättern, Zeitschriften, Büchern mehrfach die Hoff¬ nung ausgesprochen gefunden, daß mit dem Untergänge der weltlichen Herrschaft der Päpste auch die Kirche selbst dem Schicksale der Auflösung nicht entgehen werde. Zu gleicher Zeit war mir in Chateaubriand's Me¬ moiren die Aeußerung des Cardinals Bernatti, Staatssekretärs unter Leo XII., ausgefallen: Wenn er lange lebe, habe er Aussicht, noch den Fall der weltlichen Macht des Papstthums zu sehen. Und eben hatte ich auch in dem Berichte eines Correspondenten aus Paris, dessen Name mir als der eines sehr gut unterrichteten und glaubwürdigen Mannes genannt wurde, gelesen: Der aus Rom zurückgekehrte Erzbischof von Rennes habe erzählt, daß Pius zu ihm gesagt habe: „Ich mache mir keine Illusionen; die weltliche Gewalt muß fallen. Gohon wird mich preisgeben, ich werde dann meine noch übrigen Truppen entlassen, den König, wenn er einzieht, mit dem Bann belegen, und mit Ruhe meinen Tod erwarten." Ich selber glaubte bereits im April zu erkennen, was nun im Ok¬ tober noch deutlicher sich zeigt: daß die Gegner der weltlichen Papstherr¬ schaft entschlossen, einig, übermächtig seien, und daß nirgends eine Schutz¬ macht vorhanden sei, welche mit dem Willen auch die Kraft besäße, die Katastrophe abzuwehren. Ich hielt es demnach für wahrscheinlich, daß eine Unterbrechung des weltlichen Besitzstandes in Bälde eintreten werde — eine Unterbrechung, welche, gleich andern vorausgegangenen, auch wie¬ der aufhöreu, und eine Wiedereinsetzung zur Folge haben werde. Ich be¬ schloß also, die durch die Vorträge gebotene Gelegenheit zu benützen, das Publikum auf die kommenden Dinge, die bereits ihren Schatten in die Gegenwart hereinwarfen, vorzubereiten, und so dem Aergernisse, den Zweifeln und Anstößen zu wehren, welche unvermeidlich sich ergeben mußten, wenn der Kirchenstaat in andere Hände überginge, obgleich die bischöflichen Er¬ lässe eben erst so energisch versichert hatten, daß er zur Integrität der Kirche gehöre. Ich wollte also sagen: An und für sich kann die Kirche be¬ stehen, und hat 7 Jahrhunderte bestanden ohne den Länderbesitz der Papste; später aber ist dieser Besitz durch die Weltlage nothwendig geworden, und hat, ohngeachtet große Veränderungen und Wechselfälle, seine Bestimmung, 325 der Unabhängigkeit und Freiheit der Päpste zur Grundlage zu dienen, in den meisten Fällen erfüllt. So lange die jetzige Lage und Gestaltung von Europa bleibt, können wir kein anderes Mittel, dem päpstlichen Stühle seine Freiheit, und damit das allgemeine Vertrauen zu sichern, entdecken. Aber Gottes Einsicht und Macht reicht weiter als die unsrige, und wir dürfen uns nicht herausnehmen, der göttlichen Weisheit und Allmacht Gränzpfähle stecken zu wollen, ihr zuzurufen: So und nicht anders! Wenn dennoch das drohende Ereigniß eintritt, der Papst seines Länderbesitzes beraubt wird, so wird von drei Eventualitäten sicher eine sich verwirklichen: entweder der Verlust des Kirchenstaates ist blos ein zeitweiliger, und das Land kehrt ganz oder zum Theil nach einigen Zwischenfällen zu seinem rechtmäßiaen Souverain zurück. Oder die Vorsehung führt auf uns unbe¬ kannten Wegen und durch nicht errathbare Combinationen eine Stellung des päpstlichen Stuhles herbei, durch welche der Zweck, nämlich die Selbstständiakeit und ungehinderte Bewegung dieses Stuhles, ohne das bisherige Mittel erreicht wird. Oder endlich: Wir gehen in Europa großen Katastrophen, einem Zusammenbrechen des ganzen Gebäudes der gegenwärtigen gesellschaftlichen Ordnung entgegen, Ereignissen, von denen der Untergang des Kirchenstaates dann nur der Vorläufer, so zu sagen die erste Hiobsbotschaft ist. Die Gründe, warum ich von diesen drei Möglichkeiten die erste für die wahrscheinlichere halte, habe ich in diesem Buche ausgeführt. Ueber die zweite Möglichkeit ist nichts näheres zu sagen, sie ist eben ein unbe¬ kanntes und folglich unbeschreibbares — x, es gilt nur, sie festzuhalten gegen gewisse allzu zuversichtliche Behauptungen, welche das Geheimniß der Zukunft zu wissen vorgeben, und, in die göttliche Domäne eingreifend, die Zukunft schlechthin und unbedingt den Gesetzen der jüngsten Vergan¬ genheit unterwerfen wollen. Daß auch die dritte Möglichkeit in Aussicht genommen werden müsse, werden wohl nur wenige von denen, die die Zeichen der Zeit prüfend beobachten, in Abrede stellen. Hat doch einer der scharfsinnigsten Geschichtschreiber und Staatsmänner, Niebuhr, berei's am 5. Oktober 1830 geschrieben: „Wenn Gott nicht wunderbar Hilst, so steht uns eine Zerstörung bevor, wie die römische Welt sie um die Mitte des 3. Jahrhunderts erfahren hat: Vernichtung des Wohlstandes, der Freiheit, der Bildung und der Wissenschaft." Und seitdem sind wir auf der schiefen Ebene um ein Bedeutendes weiter gerückt. Die Mächte von Europa haben die beiden Grundsäulen ihres Gebäudes, das Legitimitäts- Vriuzip und das öffentliche internationale Recht umgestürzt oder Umstürzen lassen. Jene Monarchen, welche sich der Revolution als ihre Werkzeuge W leibeigen ergeben haben, sind die handelnden Personen des welthistori¬ schen Drama's geworden, die übrigen verhalten sich als ruhige Zuschauer und, in ihrer Hoffnung, lachende Erben, wie Preußen und Rußland, oder ^eifall und Hülfe spendend wie England, oder als passive Kranke, wie Vesterreich, die am Zehrfieber siechende Türkei. Die Revolution aber ist stehend geworden, ist nun ein chronisches, bald da bald dort ausbrechendes, 326 bald mehrere Glieder zugleich ergreifendes Leiden. Die Pentarchie ist auf¬ gelöst, die heilige Allianz, immerhin eine, wenn auch mangelhafte und mißbrauchte Form europäischer Staatsordnung, ist begraben; in Europa gilt nur noch das Recht des Stärkern. Ist es ein Nmbildungsprozeß oder ein Zersetzungsprozeß, in welchem die europäische Gesellschaft begriffen ist? Ich glaube noch immer das erstere; aber ich muß, wie gesagt, die Mög¬ lichkeit der andern Alternative zugeben. Tritt diese ein, dann wird es, wenn die Mächte der Zerstörung ihr Werk vollbracht, die Sache der Kirche sein, sofort bei dem aus den Ruinen sich erhebenden Neubau gesellschaft¬ licher Ordnung als bindende, civilisirende Macht und als die Trägerin der sittlichen und religiösen Ueberlieferungen eingreifend mitzuwirken. Und hiemit ist dann auch dem Papstthume, mit oder ohne Gebiet, sein Amt angewiesen, seine Sendung gegeben. Dieß also waren die Gedanken, von denen ich ausgiug, und es be¬ greift sich, daß dabei meine Aeußernngen über die nächsten Geschicke der weltlichen Papstmacht ziemlich zweifelhaft klingen mußten, daß ich nicht wohl mit der Zuversicht, die anderen, vielleicht schärfer blickenden Män¬ nern gegeben war, vor meine Zuhörer hintreten und sagen konnte: Ver¬ laßt euch daranf: der Kirchenstaat, dieses Land von Radicofäui bis Cepe- rano, von Ravenna bis Civitavechia, soll und muß und wird unverän¬ derlich den Päpsten bleiben; eher wird Himmel und Erde vergehen, ehe der Kirchenstaat vergeht. Das konnte ich nicht, weit ich diese Zuversicht damals nicht hatte, wie ich sie denn auch jetzt nicht im geringsten habe, sondern nur die, daß dem päpstlichen Stuhle die Bedingungen zur Erfüll lung seines Berufes auf die Dauer nicht werden entzogen werden. Und demnach war die Summe meiner Worte die: Möge Niemand an der Kirche irre werden, wenn die weltliche Fürstengewalt des Papstthums, sei es zeitweilig, sei es für immer, verschwindet. Sie ist nicht Wesen, son¬ dern Beigabe, nicht Zweck, sondern Mittel, sie hat erst spät begonnen, sie war früher etwas ganz Anderes, als sie heute ist, sie erscheint uns jetzt mit Recht als unentbehrlich, und so lange die gegenwärtige Ordnung Europa's dauert, muß sie um jeden Preis erhalten, oder, wenn gewalt sam unterbrochen, wiederhergestellt werden. Es läßt sich aber auch ein politischer Zustand in Europa denken, in welchem sie entbehrlich, und dann nur noch eine hemmende Last wäre. Nebenbei wollte ich auch Papst Pius IX. und seine Regierung gegen zahlreiche Anschuldigungen verthei digen, und darauf Hinweisen, daß die allerdings vorhandenen inneren Ge brechen und Mißverhältnisse im Lande, durch welche der Staat in einen so befremdlichen Zustand von Schwäche und Hülflosigkeit versetzt worden, nicht ihm zur Last sielen, daß er vielmehr vor und nach 1848 den besten Willen, zu reformiren, gezeigt habe, und daß wirklich Vieles durch ihn und unter ihm besser geworden sei." 327 ' 3. Kann denn der Papst als Regent keine Reformen im Kirchenstaate ein führen? Ist dazu seine Vertreibung uothwendig? Darüber schreibt der Verfasser von S. 627—631, wie folgt: „Gegenwärtig wird, in Italien und Frankreich besonders, Alles auf¬ geboten, die öffentliche Meinung zu verwirren. Ein Italiener nach dem andern tritt auf, um zu beweisen, daß der päpstliche Stuhl prinzipiell außer Stande sei, die Forderungen, welche der Genius des Zeitalters, die jetzt herrschende Richtung im socialen und politischen Leben an die Regie¬ rungen stelle, zu gewähren. Dasselbe haben die englischen Minister, Gladstone namentlich, im britischen Parlamente im Jähre 1856 und seit¬ dem behauptet. Der Papst, heißt es, ist als Monarch des Kirchenstaats an das kanonische Recht, und dadurch an die Zustände und Rechtsverhält¬ nisse des Mittelalters gebunden. Da nun aber eine Umwandlung der ganzen bürgerlichen Gesellschaft eingetreten, da es offenbar unmöglich ist, ein Volk des 19. Jahrhunderts nach den Grundsätzen des 13. zu be¬ herrschen, so trägt die weltliche Regierung des Papstes den Widerspruch in sich, sie ist ein permanenter Kriegszustand, sie könnte nur durch Waffen¬ gewalt sich behaupten, das heißt sie muß früher oder später sterben. Alle Freunde der Kirche und des. päpstlichen Stuhles sind berufen, dieser Auf¬ fassung entgegenzutreten. Nur an das, was nach katholischer Lehre gött¬ lichen Rechtes ist, also für alle Zeiten wesentlich unabänderlich, ist der Papst gebunden. Glücklicher Weise ist die Souverainetät der Päpste sehr elastischer Natur; sie hat schon sehr verschiedene Formen durchlebt. Vergleicht man den Gebrauch, welchen die Päpste von ihrer Souverainetät im 13. oder 15. Jahrhundert machten, mit der Regierungsform, welche Consalvi ein¬ führte, so kann es kaum einen größeren Contrast geben. Es läßt sich daher nicht bloß denken, sondern es ist sehr wahrscheinlich, daß sie auch jetzt wieder, wenn auch erst nach einer gewaltsamen Unterbrechung, dieje¬ nige Form annehmen wird, welche dem Charakter des Jahrhunderts und den Bedürfnissen Italiens entspricht. Geschieht dieß, dann hat die päpst¬ liche Staatsgewalt vor allen andern Regierungen große Vortheile voraus, und dann werden die Bevölkerungen willig unter die päpstliche Botmäßigkeit Mückkehren. Was hindert uns denn, einen Zustand zu denken, in wel¬ chem die Wahlen zur Papstwürde nicht mehr auf abgelebte Greise, son¬ dern auf kraftvolle, noch in ihren besten Lebensjahren stehende Männer fielen, das Volk durch freie Institutionen und Theilnahme an der Ord¬ nung und Verwaltung der eigenen Angelegenheiten mit seiner Regierung ausgesöhnt, die höheren Stände durch Eröffnung eines angemessenen Wir¬ kungskreises in öffentlichen Dingen befriedigt wären. In solchem Zustande des Kirchenstaats besäße eine öffentliche und rasche Rechtspflege das Ver¬ trauen des Volkes, hätte sich unter den Beamten ein sittlicher Corpora- fionsgeist, ein Standesgefühl der Ehre und der amtlichen Integrität ent- 328 wickelt, wäre die feindliche Kluft zwischen Klerus und Laien durch Gleich¬ stellung in Rechten und Pflichten ausgefüllt, würde die Polizei nicht mehr mit religiösen Mitteln unterstützt, und schleppte die Religion nicht mehr auf polizeilichen Krücken sich fort. Der Papst nnd sein Gebiet würden unter dem Schutze der katholischen Mächte stehen, derselben Mächte, welche auch die Neutralität Belgiens und der Schweiz gewährleistet, sogar die Integrität des elenden, in sich zusammcnfallenden osmanischen Reiches unter die Bürgschaft des europäischen Rechtes gestellt haben. Gedeckt durch diesen Schild, Beherrscher eines beruhigten, zufriedenen Volkes, hätte er seine Hände völlig frei. Die Schranken des materiellen und geistigen Verkehrs, welche bisher die einzelnen italienischen Länder und Ländchen in unnatürlicher Absonderung von einander erhalten, wären gefallen; ver¬ möge der internationalen Beziehungen und einer gewissen Freizügigkeit, wie sie in Deutschland die Universitäts-Professoren genießen, würden die ehr¬ geizigeren Köpfe seines Landes im übrigen Italien zur Carriöre der staatsmännischen und militärischen Stellen zugelassen. Der Papst aber hätte weder innere noch äußere Feinde zu fürchten, seine Unterthanen wären frei von der verhaßten Conscription, das Staatsbudget frei von der Last eines Armee-Aufwandes; für die Bewahrung der öffentlichen Sicher¬ heit genügten einige Gendarmerie-Brigaden. Für Ausführung gemein¬ nütziger Unternehmungen würden die Geldmittel nicht fehlen. Es ist dieß kein leeres Phantasiegebilde. Sehen wir ab von Uebel- ständen und Gebrechen, von welchen jedes einzeln, den guten Willen und die richtige Einsicht der maßgebenden Persönlichkeiten voransgesetzt, heilbar ist, und denken wir uns in Italien einen ruhigen, geordneten Zustand, st könnte die Regierung des Kirchenstaates eine Musterregierung sein, ein Vorbild für alle andern Staaten nnd Verwaltungen. Daß sie ein solches Muster sein sollte, hat nicht nur Tommaseo ausgesprochen, auch der Bischof von Orleans, dessen Werk der Papst selbst für das beste von allen zur Vertheidigung der päpstlichen Staatsgewalt erschienenen erklärt hat, auch er hat es als eine gerechte Forderung bezeichnet, daß die Län¬ der der Kirche blühender, besser verwaltet sein sollten, als andere Länder, daß das Volk zufriedener sein sollte, als jedes andere. Auch Düpanloup erkennt an, daß diejenigen, welche „unter dem Vorwande der Dogmen behaupten, der Papst dürfe seine Regierung nicht in Harmonie setzen mit den Bedürfnissen der neueren Zeit und den legitimen 'Wünschen der Völ¬ ker, hiemit die Zerstörung der päpstlichen Gewalt für unvermeidlich er¬ klären". Erwägt man das hohe autoritative Zeugnis; welches diesem Buche von Rom aus zu Theil geworden, so liegt in diesen Worten eine hoffnungsreiche und ermnthigende Verheißung." 4. Was wird der Papst thnn, wenn Rom wirklich fällt? Auch diesen möglichen Fall beschreibt das Buch und sagt hierüber von S. 659-66S: 329 „Kommt es wirklich dahin, daß der Papst nur zu wähle» hat zwi¬ schen dem Unterthan und dem Verbannten, so wird er, wir hoffen es mit aller Zuversicht, das letztere wählen. Doch — der Papst ist in der ganzen katholischen Welt zu Hause. Nur unter Bekennern eines andern Glau¬ bens wäre er in der Fremde. Wo er auch sich hinwenden möge, er wird überall Kinder finden, überall als ein Vater verehrt werden. Dn bist unser und wir sind dein — mit diesem Gruße wird man ihn empfangen. Möge man sich in Rom erinnern, welchen Jnbelrausch seiner Zeit die Erscheinung des aus der französischen Haft heimgekehrten siebenten Pins in Italien weckte. Es wird auch dießmal seine guten Folgen haben, wenn dem religiösen Theile der Nation recht handgreiflich klar gemacht wird: Unsere Ünitarier sind es, sie, die uns das dreifache Joch der Con- scription, unerschwinglicher Steuern und fremder Beamten aufgebürdet haben, die nun auch den Papst aus unserer Mitte hinweg über die Alpen in's Exil getrieben haben. Freilich es wird bei einer solchen temporären Scheidung zwischen Mann und Weib, zwischen dem Papste und Rom, nicht ohne mannigfaltige Störungen des kirchlichen Geschäftsganges abgehen; das Personal der Kurie, der vielen kirchlichen Congregationen ist zu zahl¬ reich, um sich in Masse in ein fremdes Land verpflanzen zu lassen. In früheren Jahrhunderten war die Maschinerie der kirchlichen Verwaltung diel einfacher, und wenn der Papst, was damals so häufig geschah, seinen Aufenthalt in einer andern Stadt nahm oder über die Alpen ging, folgte ihm das ganze Personal der Kurie, und fand Raum in einer einzigen fran¬ zösischen Abtei. Das ist nun ganz anders geworden. Auch könnten ein¬ zelne Mächte wähnen, der bedrängten, aus ihrem angestammten Boden herausgerissenen Kurie sei leichter etwas abzngewinnen. Es wird also, wenn die Nothwendigkeit, Rom zu verlassen, eintritt, an Schwierigkeiten und peinlichen Situationen nicht mangeln. Es muß eben das kleinere don zwei Nebeln gewählt werden, und da kann kein Zweifel darüber be¬ stehen, daß die zeitweilige Verlegung des päpstlichen Sitzes das geringere Uebel ist im Vergleiche mit einer prinzipiellen Entsagung, die nie wieder zurückgenommen werden könnte. Eine Verlegung des päpstlichen Stuhles nach Frankreich würde unter den gegenwärtigen Verhältnissen so viel sein, als eine förmliche Heraus¬ forderung des Schisma, würde mindestens Allen, denen an Beschränkung der päpstlichen Rechte oder der Lockerung der Beziehungen zwischen der Kurie und den Einzelukirchen gelegen ist, willkommne Vorwände bieten, würde den Regierungen, welche die Einwirkung der päpstlichen Autorität Mf die Kirchen und'Bevölkerungen ihrer Länder überhaupt oder in gege¬ benen Fällen zu hemmen und zu erschweren wünschen, scharfe Waffen in die Hand geben. Und welche Demüthigungen stehen Papst und Cardinälen bevor, welches Joch wird ihnen auferlegt werden, wenn sie einmal auf Frank¬ seichs Erde ganz in der Gewalt jener Männer an der Seine sind, welche jetzt bereits sich rühmen, beim nächsten Conclave über eine Anzahl von 330 Stimmen zu verfügen. Als Spanien, von den Absichten Piemonts auf Umbrien und die Marken in Kenntniß gesetzt, in Paris sich bereit erklärte, ein Truppencorps zum Schutze des päpstlichen Gebiets nach Mittelitalien zu senden, und zugleich die französische Regierung eiulud, ihre Besatzung in gleicher Absicht zu verstärken, da ward in Paris eine abschlägige Ant¬ wort ertheilt, „weil England dieß nicht wolle." So weit also ist es ge¬ kommen, daß das französische Volk, welches im Jahre 1849 die Wieder¬ einsetzung des Papstes mit dem Blute seiner Krieger erkauft hat, zehn, zwölf Jahre später den Papst preisgeben muß, weil England es so will. Sollte die Kurie eine Zeit lang in Deutschland verweilen, so wer¬ den die römischen Prälaten, ohne Zweifel mit angenehmer Ueberraschung, sich da überzeugen, daß unser Volk, um religiös und katholisch zu sein und zu bleiben, der Krücke der Polizei nicht bedarf, daß bei uns der reli¬ giöse Sinn des Volkes der Kirche besseren Schutz gewährt, als es die Carceri unsrer Bischöfe thun könnten, die, Gott sei Dank, nicht existiren. Sie werden finden, daß die Kirche in Deutschland sich ganz gut ohne das Sant' Uffizio zu behelfen weiß, daß unsere Bischöfe, obgleich oder weil sie keine physischen Zwangsmittel anweuden, von dem Volke geehrt werden wie Fürsten, daß man ihnen Ehrenpforten errichtet, daß ihre Ankunft in einem Orte ein Festtag für die Einwohnerschaft ist. Sie werden wahr, nehmen, wie bei uns die Kirche auf der breiten, starken und gesunden Basis eines wohlgeordneten Pfarreien- und Seelsorgershstems und religi¬ ösen Volksunterrichts ruht. Sie werden erkennen, daß wir Katholiken den jahrelangen Kampf über die Erlösung der Kirche ans den Banden der Bureaukratie aufrichtig und ohne Rückhalt geführt haben, daß wir uns nicht beikommen lassen, dem Italiener zu versagen, was wir für uns in Anspruch genommen, daß wir also weit entfernt sind, die Bewaffnung der Kirche mit dem Arm der Polizei und mit der bureaukratifchen Gewalt irgendwo für einen Vorzug zu halten. Im ganzen katholischen Deutsch¬ land ist mau, durch die Erfahrung belehrt, mit Fänslon's Ausspruch ein¬ verstanden, daß die geistliche Gewalt sorgfältig von der weltlichen zu trennen sei, weil ihre Vermischung verderblich sei. Sie werden ferner finden, daß der ganze deutsche Klerus bereit ist, den Tag zu segnen, au welchem er vernimmt, daß die freie, souveraine Stellung des Papstes ge sichert sei, ohne daß Geistliche fernerhin Todesurtheile fällen, Geistliche als Finanzbeamte und Polizeidirektoren fungiren oder Lotteriegeschäfte be¬ sorgen. Und endlich werden sie entdecken, daß alle deutschen Katholiken einmüthig einstehen für die Unabhängigkeit des päpstlichen Stuhls und den legitimen Besitz des Papstes, daß sie aber gerade nicht Bewunderer einer noch sehr jungen Staatsordnung sind, welche zuletzt doch nichts anderes ist, als das Produkt Napoleonischer Staatsmechanik im Bunde mit einer geistlichen Administration. Und solche Erfahrungen werden gute Früchte tragen, wenn die Stunde der Heimkehr schlägt, wenn die Restitution er folgt. Diese wird erfolgen, mag das italienische Königreich sich befestigen- oder mag es, was allerdings wahrscheinlicher ist, wieder zerfallen. DW 331 Zeit wird kommen, wo das italienische Volk seinen Frieden mit dem Papstthmne zu machen begehren wird, wo es erkennen wird, wie wahr einer seiner hervorragendsten Geister, Tommaseo, gesprochen hat: „Für Italien wäre es eine Thorheit, wenn es diesen seinen Schild und sein Schwert, das Papstthum, von sich, und einer andern Nation hinwerfen wollte". Und doch meint Tommaseo selber, es könne nur gut sein, wenn das Papstthum sich auf kurze Zeit von Italien entfernte, dadurch würden die heutigen Italiener am besten lernen, welchen Schatz sie an demselben besäßen. Inzwischen aber werden Pius und die Männer seines Rathes „der Borzeit Tagest die Jahre der Vergangenheit überdenken." Sie werden aus der früheren Geschichte des Papstthumes, welches schon so manches Exil und so manche Restauration erlebt hat, auf die Zukunft schließen. Das Beispiel der entschlossenen, muthigen Päpste des Mittelalters wird ihnen vorleuchten. Es handelt sich jetzt nicht darum, ein Martyrium zu erdulden, bei den Gräbern der Apostel auSzuharren oder in die Katakom¬ ben hinabzusteigen, sondern darum handelt es sich: den Boden der Knecht¬ schaft zu verlassen, und auf freiem Boden auszurufen: der Strick ist ent¬ zwei, und wir sind frei. Für das Nebrige sorgt Gott, sorgen die nicht versiegenden Gaben und lauten Sympathien der katholischen Welt, sorgen die Parteien in Italien. Wenn diese sich in dem zum Schlachtfelde ge¬ wordenen Lande zerfleischt und erschöpft haben werden, wenn das ernüch¬ terte Volk der Soldaten- und Advokatenherrschaft müde, den hohen Werth einer geistigen und moralischen Autorität wieder begriffen haben wird, dann ist es Zeit, an die Rückkehr in die ewige Stadt zu denken. Unter¬ des werden aber die Dinge verschwunden sein, mit deren Beibehaltung man sich jetzt quält, und mit besserem Rechte, als Consalvi in der Vor¬ rede zum Motuproprio vom 6. Juli 1816, wird man dann sagen können: »Die göttliche Vorsehung, welche die menschlichen Dinge dergestalt leitet, daß aus dein größten Unglück zahlreiche Vortheile entspringen, scheint ge¬ sollt zu haben, daß die Unterbrechung der päpstlichen Regierung zu einer vollkommeneren Form derselben den Weg bahnen solle." Wir können diesen so wichtige Zeitfragen behandelnden Artikel nicht vflstr und würdiger schließen, als mit den Schlußworten des hochgelehrten Derrn Verfassers selbst: „Der Papst kann nnd darf nichts anderes lehren, als was diese -00 Millionen glauben und längst geglaubt haben. Und diese Millionen Zollen, müssen einen Papst haben und werden sich ihn nicht nehmen lassen, werden ihn nicht fallen lassen. Sie beweisen jetzt schon, daß sie zu sedem Opfer für seine Erhaltung, seine Freiheit bereit sind. Deutsches, "'ländisches, französisches Blut ist geflossen zu seiner Vertheidigung, für v"ie edle und gerechte Sache. Wir werden auch in den nächsten Zeiten, vor Wem der Klerus iu Europa wie in Amerika, willig und freudig und reichlich unsere Beiträge entrichten, um unserm Oberhaupte und gemein¬ schaftlichem Vater seine Lage zu erleichtern, ihm die Mittel zur freien und 332 kräftigen Handhabung seines erhabenen Amtes darzureichen. Aber im wollen uns auch nicht anklammern an etwas Vergängliches und Zufäl¬ liges, wir wollen nicht begehren, daß einem Volke etwas aufgenöthigkt werde, was wir selbst nicht tragen würden, nicht einstehcn wollen wir für eine Regierungsmethode, die im Grunde erst 45 Jahre alt ist, dem Mängel der Papst selbst erkannt hat, und die seit dieser Zeit nur Aus rühr und tiefe Mißstimmung in der Mehrzahl der Bevölkerung erzeugt hat. Wer sich durchaus auf diesen Stab stützen will, der läuft Gefahr, wem der Stab nun dennoch morsch sein sollte, zu Boden zn fallen. Die griechische Mythe sagt: Als ein neuer Gott, Appolo, habe ge¬ boren werden sollen, da sei die Insel Delos aus dem Meere emporge¬ stiegen, um dem Gott als Geburtsstätte zu dienen. Wir können zuversicht¬ lich ewarten, daß, was auch kommen möge, dem Stuhle Petri sein DeloS nicht fehlen werde, und sollte es erst aus dem Meere emporsteigen." Der Advokatenzwang! kl. k. Die Freigebuug der Advokatur — im Reichsrathe auf der Antrag des Herrn I)r. Mörtl, eines gebornen Kärntners, prinzipiell aus¬ gesprochen, — wird noch lauge nicht die Ketten und Bande lösen, mit welchen die Völker Oesterreichs an ein Verhältnis; geschmiedet sind, wel¬ ches der Würde und Stellung eines konstitutionellen Staatsbürgers ge¬ radezu widerspricht. Nicht mit Unrecht hat das Volk sich gesehnt aus der Zwangsjacke bureaukratischer Bevormundung herauszukommen, aber das Volk welches für reif erklärt wurde zum Selfgouvernement, steckt mit gebundenen Händen in einer noch viel ärgeren Zwangsjacke gegenüber einem einzigen Staude, dem es auf Gnade und Ungnade gesetzlich über liefert ist, der das unerhörte Privilegium besitzt, dem gejammten Publikum zurufen zu dürfen: „Du bist unmündig, deßhalb mußt du dich meiner bedienen." Wahrlich vom Erhabenen bis zum Hochkomischen ist nur ein Schritt! — Derselbe Staatsbürger, der für fähig gehalten wird, heute als Mitglied einer Jury über Freiheit und Leben seiner Mitbürger zu ent¬ scheiden,— der heute als Vertreter des Volkes an der Gesetzgebung Theu zu nehmen beabsichtigt ist, — derselbe Staatsbürger wird für unmün¬ dig gehalten, eine intabulirte Schuldforderung von 201 st. selbst eiuzu- klagen oder sich gegen einen ungerechten Wechselanspruch von 30 st- stll'I zu Vertheidigen! — Ihm bleibt keine andere Alternative: er muß ent¬ weder auf sein Recht verzichten, oder sich eines Advokaten bedienen. ' Er kann Kontrolle üben über den Säckel des Staates, seinen eigenen 333 Säckel aber muß er der Geschicklichkeit und Ehrlichkeit eines Dritten anver- trauen. Dieser Zustand ist so anomal als lächerlich. Bor 80 Jahren, als die Josefinische Gerichtsordnung in das Leben trat, mag der Advokatenzwang gerechtsertiget, ja sogar nothwendig gewesen ft sein; aber heute, wo die Völker so weit vorgeschritten sind an Bildung ir und Kenntnissen, ist dieser Zwang eine unnölhige, drückende Beschränkung s" der Freiheit des Willens, eine Bevorzugung Eines Standes zum Nach- l theile aller übrigen. Oder glaubt man vielleicht, daß der Kaufmann, Fabrikant rc. heute noch nicht fähig ist, ein lithografirtes Wechselklag- " Uanquet regelrecht auszufüllen, oder eine ungerechte Forderung mit der einfachen Erklärung zurückzuweisen, daß die Unterschrift falsch ist? rc. Wozu also einen Zwang noch länger aufrecht erhalten, der gleich ungerechtfertigt Wie kostspielig ist. Man kann annehmen, daß unter zehn Zahlungsauflagen bezüglich Wechsel und Hipothekarforderungen kaum eine bestreitbare ist, daß also Einwendungen gegen derlei Klagen zu den Seltenheiten gehören und dort wo sie vorkommen, höchst einfacher Natur sind; wozu also hier die Signa¬ tur eines Avvokaten? Eben so steht es mit den so einfachen monotonen Exekutionsgesuchen. Ein Prozeß wird beendet mit der Rechtskräfkigwer- dimg eines Endurtheiles; die Verfassung der Gesuche zur Exekutionsdurch führung ist eine so rein materielle, simple Sache, daß sie ein jeder Ge¬ schäftsmann mit voller Beruhigung seinem Sohne aus der ersten Unter¬ realschule «»vertrauen kann. — Und dennoch besteht auch hier der Advo- latenzwang zum Nachtheile des Publikums! Nicht selten sind die Expensen höher als die Forderung, und nur zu oft fällt der Gläubiger durch, weil Alles auf Gerichtskosten aufgegangen ist, die zum großen Theile, zum Vortheile des Gläubigers wie Schuld¬ ners, erspart werden könnten. Allgemein und berechtigt ist die. Klage, daß in Oesterreich die Been¬ digungen der Prozesse über alle Gebühr in die Länge gezogen werden und der Unverstand gibt diesfalls den Gerichten die Schuld, während dieser llebelstand wieder zumeist lediglich im Advokatenzwange zu suchen ist. Unser alter, durch zwei Generationen in Gebrauch stehender, durch und durch morscher Rechtswagen mit seinen sechseckigen Rädern, -— Ge¬ richtsordnung — gestattet den Kutschern ein so langsames, vorsichti- gcs — Fahren, daß die Fracht schon an und für sich nur ganz mühsam weiter befördert wird; aber die Reißketten und Hemmschuhe, welche sich die , Herren Kutscher gegenseitig zuwerfen können, — in der Expensensprache i »ristgesuche und T a g satz ung s er streck u n g en benamset, hindern °as schwerfällige Fuhrwerk noch überdies in seinem schneckenartigen Laufe u»d bringen es Monate lang zum Stehen. Diese Fristwerbungen, welche gleich Saugmaschienen am Geldbeutel der Partheien zehren, würden mit der Aufhebung des Advokatenzwanges Mentheils verschwinden; denn, wenn von zwei streitenden Theilen nur einer 334 sich selbst vertritt, so wird er gegen die ihm Nachtheil bringenden Ver. zögerungen ganz gewiß feierlichst protestiren. Die Würde des konstitutionellen Staatsbürgers verlangt vor allem Andern die persönliche Freiheit, in so weit selbe nicht die Rechte eines Dr tten verletzt, die Bevormundung, sei es die einer Behörde oder eines Standes, widerstrebt dein konstitutionellen Prinzip. Die Verpflichtung, mein Recht ausschließlich durch einen Andern geltend machen zu lassen oder zu vertheidigen, ist aber eine drückende und entehrende Gewaltmaßregel, welche wohl in der absolutistischen Lehre „vom beschränkten Unterthansver- stand" einen Stützpunkt findet, nach dem Prinzips des SelfgouvernementS aber unbedingt verwerflich ist; und zwar um so mehr, als die heutige Volksbildung diesen Zwang höchst überflüssig macht. Man wird uns einwenden, daß der Advokatenzwang eine unbedingte Nothwendigkeit zur Existenz dieses allerdings unentbehrlichen Standes sei allein dieser Einwurf ist schon aus dem Grunde unzuläßig, weil die Ge sammtheit des Volkes nicht zu Gunsten eines einzelnen Standes ausge beutet werden soll und es noch der Mittel viele gibt, diese Calanütät z« verhindern. Man fordere zum Beispiel zur Erlangung einer Richteramts' stelle eine mehrjährige Praxis in der Advokatur, so wird diese einfache, in England schon längst bestehende Einführung die nachtheilige Wirkung der Zwangsaufhebung hinlänglich paralisireu und zwar die Zahl der Advokaten vermindern, aber ihre gesellschaftliche Stellung jedenfalls erheben, wodurch nicht nur allein der Advokatenstand selbst, sondern was die Hauptsache ist, auch das Publikum gewinnen würde. .Misere der Landschullehrer^)! Jede vermehrte sittlich- Aufklärung «leA tert den Regierungen die Sorge für die öffeM«? Glückseligkeit. Die Wahrheit dieser These wird schwerlich Jemand angreifen wollen Das ist ja handgreiflich, daß leichter ein humanes, über seine PfliaM aufgeklärtes Volk regiert wird, als ein rohes, barbarisches. Das geweM Volk erhält die nöthige Bildung durch Volksschulen. Diese sind,, wie sagt, „die Schöpferinnen der moralischen Haltung des Volkes, die der geistigen und körperlichen Betriebsamkeit, der Ordnung und des Weh *) Gilt — mutstis mutLlläis — wohl für dm ganzen Lehr stand. ° Die Redaction, 335 standes in zweckmäßig eingerichteten Staaten." Die Erziehung der Staats« bewohner (wir haben hier vorzüglich Landleute vor Augen) zu dem, was sie sein sollen, zn frommen Christen und zu brauchbaren Mitgliedern des Staates, ist sehr nothwendig. Die Glückseligkeit des Staates wird von der gemeinen Glückseligkeit der Bewohner, die wieder mit der öffentlichen Tugend in Proportion steht, nicht unterschieden. Die Staatsbehörden, die Nothwendigkeit der Volkserziehung einsehend, ließen Volksschulen errichten und es wurden dahin Lehrer angestellt. Wir wollen nun kurz den Beruf des Lehrers ansehen, dann aber auf dessen Lebensunterhalt übergehen. Der Beruf eines Erziehers und Lehrers, dem die Veredlung des Menschen, des edelsten Objektes auf der Erde, anvertraut ist, ist gewiß einer der erhabensten. Dieser Beruf ist kein anderer, als alle geistigen und körperlichen Kräfte des Menschen immer mehr und mehr auszubilden, um sie dem Ideale der Vollendung immer näher zu bringen und so das zeitliche und ewige Wohl nicht nur für den einzelnen Menschen, sondern für ganze Generationen zu begründen. Die Schulen sollen Pflanzstätten der Kirchen, Staaten und Familien sein. Viele und schwere Pflichten hat ein Lehrer. Eine Menge physischer und moralischer Anforderungen werden an ihn gestellt. Und wie groß ist sein Lohn? — Der Gehalt der meisten Landschullehrer ist, was schon sprichwörtlich geworden, zum Sterben zu groß, zum Leben zu klein. Man tröstet sie zwar mit dem Bibelsprüche: „Diejenigen, welche andere in der Gerechtigkeit unterweisen, werden wie die Sterne am Firmaments glänzen in Ewigkeit." Leider helfen salbungsvolle Reden dem darbenden Magen nichts. - Es gibt in Kärnten noch viele Schnlstationen, wo der ver¬ einigte Lehrer-, Meßner- und Organistendienst (also 3 Dienste) nicht ein¬ mal 200 fl. eintragen. Das Jahr hat 365 Tage; an jedem Tage for¬ dert die Natur ihren Tribut. Kann sich der arme Lehrer mit 50 kr. österr. Währ.*) des Tages dreimal satt essen? „Wenn auch der Lehrer seinen und der Seimgen' Magen sokratisch mit dem Ehrensold beschwichtigen wollte, so hätten die Herrn Normspender doch auch daran denken sollen, daß der Schullehrer nicht in xuris nutursllbus erscheinen, seine Kartoffeln nicht an der Sonne kochen, und sich im Winter nicht am kalten Ofen wärmen kann, der andern Bedürfnisse gar nicht zu gedenken. Sollte man denn nicht glauben, gewisse Leute hätten in ihrer Begeisterung für das Wohl des Volkes das Einmaleins vergessen und gingen damit um, die ganze Schulmeisterei über Bord zu werfen?!"**) Wegen Aufbesserung der , *) Dies wäre ein jährliches Einkommen von 182'/2 fl. Es gibt wohl einige bessere Lehrerdienste, aber — auch schlechtere. Wir nahmen deßhalb obigen Betrag »ls Mittelding an. **) Repertorium der pädagogischen Journalistik und Literatur. München. Her- "»«gegeben von Iw. I. B. He in dl. 336 Lehrergehalte wurde schon manches geschrieben; die Lage der Lehrer aber ist dessen ungeachtet noch immer dieselbe, bemitleidenswerthe. Man scheint lieber zu sehen, daß der Lehrer sich an Geist aufreibt, als daß man ihm einige Kreuzer für die Leibesbedürfnisse geben würde. Die Ursache der Melancholie mancher Lehrer ist in nichts anderem als in deren Armuth und Noch zu suchen. Melancholie aber ist für die Schule geisttödteud, verder¬ bend, wo der Lehrer mit heiterem Gemüthe, mit Liebe und Freude in seinem Berufe wirken sollte. Was anderes, als die schlechte Besoldung, ist daran Schuld, daß mancher Lehrer seine Pflichten vernachlässiget, daß er, um für sich und die Seinigen hinreichend Brot zu bekommen, zu Ge¬ schäften Zuflucht nimmt, die sich mit seinem erhabenen Berufe wenig oder gar nicht vertragen. Was ist die Ursache, daß Lehrer auf gemeinen Tanzböden musizieren? „Veredlung der Tugend" hat der Lehrer auf seiner Fahne, und da sehen wir ihn oft an Orten musizieren, deren Aus Hängschild wohl nicht jene Devise trägt. Für so manches unschuldige Herz ist vielleicht sein Musikinstrument der Kakodämon, der die Schamhaf¬ tigkeit betäubt, demselben die Ruhe und nicht selten die Unschuld raubt, es der Tugend entfremdet und der Sünde öffnet! Der schlechte Gehalt ist Schuld, daß mancher Lehrer seinen erhabenen Beruf vergißt und sich wegwirft! Die pol. Schulverfassung stellt an den Lehrer eine Menge Anfor derungen; —- was aber den Gehalt betrifft, so lesen wir H. 167 darüber Folgendes: „Nach der a. h. Bestimmung vom I. 1785 soll ein jeweili¬ ger Schullehrer auf dem Laude niebt weniger als jährliche 130 Gulden... empfangen...." Zu diesen 130 fl. sollen, wie tz. 168 d. pol. Schulv. sagt: „alle Einkünfte des Schullehrers, die er von seinem Dienste bezieht, ge¬ rechnet, folglich soll genau (!) erhoben werden, was der Schuldienst sowohl an sichern und fixirten Einkünften vom Kirchen- und Meßnerdienste, von Stiftungen und s. f. als am Schulgelde, ferners an Körnern, Most und andern Naturalien ertrage." Diese Normen gelten noch in unserer Zeit bei der stets nur steigenden Theucrung! Wenn alle obgenannten Einkünfte zusammen nicht den Betrag von 130 fl. CM. erreichen, dann kann der Lehrer erst einen Beitrag aus dem Schulfonde hoffen. Arme Lehrer! Warum könnet ihr nicht blos von der Lnft leben? Auf welche Weise bezieht der Lehrer seinen kargen Gehalt? Was er von der Kirche bezieht, das bekommt er am Jahresab¬ schlüsse unbeirrt. Ganz anders geht es mit dem Einheben des Schulgeldes. Zweimal iin Jahre soll es bezahlt werden. „Zahlen" aber ist das unre¬ gelmäßigste regelmäßige Zeitwort. Diese Unregelmäßigkeit zeigt sich beim Einheben des Schulgeldes ziemlich fühlbar. So mancherLehrer hat mir geklagt,daß er von etlichen Schülern dasSchul- geld noch nicht erhalten hat, welche nun schon selbst Besitzer sind und schul Pflichtige Kinder haben (!). Der Eine zahlt mit Unwillen der Andere glaubt wieder bei dieser Gelegenheit dem Lehrer allerlei Sottisen sagen zu dürfen. Manche bittere Thräne mag nach solchen Erfahrungen auf die sauer ver- 337 dienten Kreuzer aus den Augen jenes Mannes fallen, der durch 5 Mo¬ nate bemüht war, in die Kinderherzen manches Gute zu pflanzen. Unter die himmelschreienden Sünden könnte man füglich einreihen: „Wenn man die Lehrer nur für ein halbes Leben besoldet und sie überdies noch von dem Einbetteln des Schulgeldes nicht befreit." Wohl darf der Lehrer den Gemeindevorstand um das Einheben des Schulgeldes ersuchen; denn das Gesetz räumt ihm dies Recht ein. Allein es gibt nur einzelne Bürgermeister, welche dieses Geschäft übernehmen, die meisten wollen sich damit nicht abgeben oder glauben dem Gesetze schon dadurch genug zu thun, daß sie durch den Gemeindediener das Einzahlen des Schulgeldes (an den Lehrer) den betreffenden Partheien ansagen lassen. So steht der Lehrer meist verlassen und auf sich selbst angewiesen da. Die meisten Landschullehrer bekommen ihren kargen Gehalt von der Kirche, von den Eltern der Schüler oder von den Insassen der Schulge¬ meinden. Der Staatssäckel ist für die armen Bolksschullehrer meist ge¬ schlossen. Nun fragen wir aber: Baut auf die Schule nur die Kirche mW die Gesellschaft? Sind nicht auch dem Staate die Volksschulen nütz¬ lich, ja nothwendig? Wir ersuchen die einleitenden Worte unseres Aufsatzes nochmals ansehen zu wollen. „Die Regierungen können es nicht über sich gewinnen, die Volksbildung auf die Liste der Nationalangelegenheiten zu schreiben, sondern rubrizieren dieselbe unter die Gemeindeangelegenheiten hart neben das Viehhirtenamt." „Wie die Staatsregierung das Recht hat zu verlangen, daß die Volks- erziehcr in allen Stücken ans die ihnen anvertraute Jugend so einwirken, damit endlich die Staatszwecke *) erreicht werden, so hat auch der Jugend- erziehcr das Recht zu verlangen, daß ihm seitens der hohen oder höchsten Behörde keine Hindernisse in den Weg gelegt werden, damit er sein Amt ungetrübt, nach seinem besten Wissen und Gewissen zu verwalten im Stande ist. Es ergeben sich also auf beiden Seiten Rechte und Pflichten, damit auf einer wie auf der andern Seite Genüge geschieht!" °) Es wäre zu wünschen, daß der Staat oder die Landesregierung sich M Pflicht machen würde, den Volksschullehrer an jene Stufe zu setzen, die seinem erhabenen Berufe zweckdienlich wäre, daß er oder sie ihm dem¬ nach eine von der Gemeinde und den Eltern der Kinder unabhängige Stellung geben, ihm somit einen angemessenen Gehalt 3) aus der Staatskasse oder aus einem zu hoffenden Landesbud- get anweisen würde. Dies ginge sehr leicht und wäre sehr zweck¬ mäßig. Wir wollen die geehrten Leser nicht mit einer weitläufigen Aus- h nämlich: Gesetzlich'eit, Ordnung, Vaterlandsliebe, Handel, Industrie, Kunst, Wissenschaft -c. 2) Repertorium der päd. Journalistik Md Literatur. , ') Wir glauben als Minimum -»'einen gewöhnlichen Taglöhnerlohn — 80 kr. täglich anschlagen zu dürfen (bei 40—60 Schülern). Nach der Anzahl der Schulpflich¬ tigen sollte dann auch der Gehalt verhAtrißmäßig erhöht werden. 22 338 einandersetzung dieser Zweckmäßigkeit ermüden. Wir bemerken nur, daß dadurch der Lehrer bedeutend an Ansehen der der Gemeinde, was er zu seinem Berufe sehr nothwendig braucht, gewinnen würde, daß man tüch¬ tige Lehrer hoffen und fordern könnte, und daß sich die Lehrer, befreit von drückenden Sorgen und dem Einbetteln des Schulgeldes, mit Lust und Liebe nur ihrem Berufe widmen würden. Dadurch gewinnt auch die Volksschule und durch sie die Kirche und der Staat. Der hohe Landesausschuß in Kärnten hat diesen Gegenstand, nämlich die Aufbesserung der Lehrergehalte, im verflossenen Jahre schon ausgenom¬ men, aber — wir wissen es zwar nicht, wieder fallen gelassen oder ver¬ schoben. Wenn sich doch auch die Bedürfnisse der Lehrer verschieben ließen. Wir könnten auch noch den Ruhegehalt des Lehrers, die Versorgung der Witwen rc. in's Ange fassen, könnten wir hoffen, daß unsere Worte geeigneten Ortes Eingang und ein gnädiges Ohr finden würden. Es ist eine unläugbare Thatsache, daß die Volksschullehrer einen erhabenen Beruf haben. Sie arbeiten an dem Grnndbaue der Kirche und des Staates. Dafür aber werden Sie sehr karg besoldet. Sie haben viele und schwere Pflichten, zudem — einen schlechten Gehalt, nicht selten ein sieches Alter und Lungenkrankheiten; die Welt aber macht sich über deren Misäre und nnbelohnte Mühe lustig, wirft ans sie Satyren, Auel- todeu, ja sogar Knittelverse. Im Hinblicke auf die Nothwendigkeit der Volksschulen hoffen wir für die Volksschullehrer eine bessere Epoche. Gott gebe sie bald! Untergaithal, Ende April 1862. 1?. IV. Anmerkung der Redaction. Keine vernünftige, edle Seele zweifelt an der dringenden Nothwendigkeit, daß sowohl die Besoldung als auch die Stellung der Lehrer einer gründlichen Heilung bedürfe. Ueber die Stellung der Lehrer haben wir unsere Ansichten im I. JahrgangeS. 333 in dem Artikel: „Die Lehranstalten und deren Lei tung" bereits ausgesprochen. Ueber deren Besoldung werden wir in einem der nächsten Hefte unsere Meinung abgeben; soviel können wir aber heute schon sagen, daß wir eS im Interesse der Lehrer und der Schule sehr bedauern würden, wenn man die Volks¬ schullehrer rein ans einem öffentlichen Fonde bezahlen und sie zu Staatsbeamten er klären würde. Die Leidensgeschichte eines Volkes. Der österreichische Kaiserstaat zählt 17 — 18 Millionen Slaven. Diese stehen irgend einein der übrigen Volksstämme, weder an geistigen noch körperlichen Eigenschaften, weder an Loyalität und Patriotismus noch an Tapferkeit und Opferwilligkeit nach. 339 Und dennoch ist die Geschichte des slavischen Volksstammes schon seit jeher eine wahre Leidensgeschichte. Die Slaven in Ungarn haben ihre Klagestimme schon im Jahre 1848 mächtig erhoben und sogar den Erd¬ boden mit Blutströmen gedüngt. Die Polen und öechen machen schon seit Jahren in nationaler Beziehung die größten Anstrengungen, bringen die glänzendsten Opfer und ihr Schmerzensschrei erschallte auch in dem gegenwärtigen Reichsrathe schon zu wiederholten Malen. Auch die Rust- nen, Dalmatiner und Slovenen stimmten schon öfters ihre Trauerlieder an, besonders bei der Berathnng des Budgets für das Justizministerium. Die deutschen Zeitungen bringen die betreffenden Reden entweder gar nicht oder nur einzelne Sätze derselben. Die „Stimmen aus Jnner- österreich" halten es ihrem aufgestellten Prinzips gemäß für eine Pflicht, diese Reden vollständig zu bringen. 1. Rede des Abgeordneten Anton Oerne: Dieser soeben von meinem Herrn Vorredner vorgelesene Antrag der Minorität des Finanzausschusses beruht zwar aus gerechten und anerken- mnswerthen Prinzipien, allein er wird bei dem Umstande, daß derselbe blos die gleichmäßige Berücksichtigung der nördlichen Königreiche und Länder anträgt, hingegen aber die Berücksichtigung der südlichen Königreiche und Ander,> als da sind: Dalmatien, Küstenland, Kram, Kärnten und Steier¬ mark mit ihrer slavischen Bevölkerung unberührt läßt, einseitig und unvoll¬ kommen. Deßwegen habe ich geglaubt, diesem Antrag einen andern sub- stitmrcn zu sollen, welcher in einer allgemeinen Fassung dahin lauten würde: „Ein hohes Haus wolle die Erwartung aussprechen, die Regierung werde bei sich ergebenden Gelegenheiten zur Herstellung einer gleichmäßigen Berücksichtigung aller im engeren Reichsrathe vertretenen Königreiche und Ander die entsprechende Zahl von Stellen im Obersten Gerichtshöfe mit Männern besetzen, welche nebst sonstiger Eignung in diesen Ländern gedient haben und der betreffenden Landessprachen kundig sind". Bei Begrün- Ang dieses meines Antrages werde ich mir zugleich erlauben, eine alte persönliche Schuld abzutragen, mit welcher ich aus der Ursache so lange M Rückstände geblieben bin, weil ich es nicht für zweckmäßig hielt, mit einem ganz fremdartigen Gegenstände vor das Haus zu kommen. Se. Äcellenz der Herr Minister v. Lasser fand es nämlich für gut, bei Ge¬ legenheit der Debatte über die Lern- und Lehrfreiheit mich über meine Amalige Rede anfzusordern, ich möge diejenigen Facta und Thatsachen ^führen, aus denen hervorgehe, daß die Beamten im Küstenlande die Artige slavische Bevölkerung als Heloten behandeln. Jene meine Rede war hauptsächlich gegen die gänzliche Ausschlie- M'g der slovcnischen Sprache in Schule und Amt gerichtet, welche Aus- Ichließung meiner Ansicht nach selbst unter der Herrschaft des aufgeklärten Absolutismus unbedingt verwerflich, bei einer constitntionellen, das ist, vom ^vlke ihre Impulse empfangenden Regierungswcise aber absolut unhaltbar Mannt werden muß. Meine Absicht war es, die schweren Nachtheile zu 22^ 340 schildern, welche diese gänzliche Unberücksichtigung der Sprache des slove- nischen Volkes für dessen Bildung und Wohlfahrt, wie nicht minder für die Zwecke der Verwaltung und Justizpflege im Gefolge hat; und nachdem eines Theils die von mir vorgebrachten Thatsachen unbestreitbar vor der ganzen Welt liegend und offenkundig sind, anderen Theils aber dieselben dem hohen Ministerium bekannt sein müssen, so habe ich mich in eine un¬ erquickliche, nie zu erschöpfende Aufzählung einzelner Beispiele und Tat¬ sachen nicht einzulassen, und zwar um so weniger, als ich für meine hier im Angesichte des hohen Reichsrathes vor der ganzen Welt pflicht- und überzeugungsgemäß und im Interesse des Gesammtstaates und des Volkes, dem ich angehöre, gesprochenen Worte nur Gott und meinem Gewissen verantwortlich bin. Um jedoch alle Jene, welche Freunde der Wahrheit sind, aber die thatsächlichen Verhältnisse meines Vaterlandes nicht kennen, darüber aufzuklären, und um den von mir eben gestellten Antrag zu begrün¬ den, muß ich mir erlauben, Einiges über das bei den Slovenen herrschende System in Bezug auf das Beamten- und Schulwesen folgen zu lassen, ohne jedoch damit weder auf den Beamten- und Lehrstand als solchen, noch weniger aber auf einzelne Personen desselben eine Mackel werfen zu wollen, welche einzig und allein das System trifft. Die Slovenen be¬ wohnen das noch vor Kurzem bestandene Königreich Illyrien nebst der südlichen Steiermark und Theile des lombardisch-venetianischen König¬ reichs nebst Ungarns, und bilden in einer Anzahl von beiläufig 1'/- Million Seelen ein zusammenhängendes, durch kein fremdes Enclave ge¬ trenntes Ganze, in unmittelbarer Nachbarschaft der stammverwandten Kroaten im Süden und Ostens .der Deutschen im Norden und der Italiener im Westen. Bis zum Jahre 1848, wie gesagt, das Königreich Illyrien bildend, unterstanden sie in gerichtlicher Beziehung mit Einschluß der im südli¬ chen Steiermark Wohnenden dem vorbestandenen Appellatiousgerichte zu Klagenfurt. Nach der heutigen Eintheilung aber erscheinen die Slovenen unge¬ mein zerstückelt; denn, wenn man auch von denjenigen, welche im lombar¬ disch-venetianischen Königreiche und in Ungarn wohnen, ganz absieht, so sind dieselben in vier verschiedene Verwaltungsgebiete, nämlich Steiermark, Kärnten, Kram und das Küstenland abgetheilt und müssen bei sechs ver¬ schiedenen Vertretungskörpern, nämlich bei den Landtagen von Steiermark, Kärnten, Kram, Görz, Triest und Istrien ihre Vertretung suchen, während sie in gerichtlicher Beziehung den zwei Oberlandesgerichten in Triest und in Gratz untergestellt sind. In allen diesen Gebietstheilen nun gibt cs, sei es auf dem flachen Lande oder in den Städten, kaum eine, sei cs höhere oder niedere, sei es Einzeln- oder Collegialstelle, deren gehörige Versorgung nicht auch die Kenntniß der slovenischeu Sprache erheischs» würde, und dennoch gibt es insbesondere im Küstenlande, aber auch m Kärnten und Steiermark nicht leicht eine Behörde, bei der nicht wenig¬ stens einige oder auch mehrere des Slovenischeu total unkundige Beamte 341 zu finden wären, welche nicht im Stande sind, mit slovenischen Parteien unmittelbar zu verkehren und zu verhandeln, und dieses ungünstige Verhält- niß stellt sich für die slovenische Bevölkerung um so ungünstiger heraus, je höher die betreffenden Stellen sind, daher bei den Statthaltereien und Oberlaudesgerichten am ungünstigsten. Für allen schriftlichen Verkehr und inneren Dienst aber ist trotz der ausgesprochenen Gleichberechtigung der Nationalitäten, trotz der vielen Bit¬ ten und Petitionen und trotz dem, daß die slovenische Sprache vollkommen geeignet ist, noch immer die deutsche oder beziehungsweise im Kustenlande die italienische als die allein berechtigte Geschäftssprache in Geltung, wäh- gend die Sprache des Volkes, die slovenische, vollkommen etiminirt ist. Was aber die Besetzung der Beamtenstellen anbelangt, so werden insbesondere im Küstenlande dazu vorzugsweise Italiener aus dem lombardisch venetia- nischeu Königreiche und Südtirol nebst Deutschen verwendet. Diese letz¬ teren Pflegen sich zwar die Kenntuiß der italienischen nicht aber der slo- venischen Sprache entweder in den ersten Jahren ihrer Dienstleistung an¬ zueignen, oder dieselbe schon mitznbringen, und sie sind bestimmt, die höch¬ sten, die besten, einträglichsten und comodesten Stellen einzunehmen. Von den Beamten italienischer Nationalität aber und namentlich solchen, die keine Landeskinder sind, gibt es eine solche Menge im Lande, daß nicht nur die meisten Stellen in den Städten von ihnen occnpirt sind, sondern daß sie auch bei den meisten Behörden auf dem flachen Lande anzutreffen sind. Weder die ersteren noch die zweiten halten es aber der Mühe werth, sich die slovenische Sprache anzueignen, und zwar auch dann nicht, wenn sie in Gegenden dienen, wo die Bevölkerung rein slovenisch ist. Die Beamten aber, welche aus den eigenen Landeskindern hervorgehen, werden unter dem Vorwande, den unmittelbaren Amtlichen Verkehr mit den Parteien zu befördern, vorzugsweise für die Besetzung der Stellen auf dem flachen Lande verwendet, um sodann bei Besetzung höherer Posten aus der Ursache unberücksichtigt zu bleiben, weil sie, obwohl dreier Spra¬ chen mächtig, auf dem Lande nothwendiger sind, weil hier die slovenische Bevölkerung compacter sei und um endlich nach Jahren als ergraute, an den Schlendrian der untersten gemischten Behörden gewöhnte Landbeamte für die Rathstellen und höhern Posten nicht mehr als tauglich befunden M werden, welche somit ihren sprachärmeren Collegen zufallen, die dazu ui der Regel noch Fremdlinge sind, so zwar, daß die ersteren allen Grund Men, mit der heiligen Schrift auszurufen: „Nnn sst donum summ-s pa- L! „rum st ckm» ullsuis.« Daher und auf diese Weise geschieht es, daß insbesondere im Küstenlande bei der Statthalterei, bei dem Oberlan- deögerichte daselbst, bei allen Collegialbehörden, bei der Oberstaatsanwalt- Uaft in Triest nicht der vierte, nicht der fünfte, ja auch nicht der sechste Dheil der Beamten im Stande ist, sich mit einem Slaven nur nothdürf- bger Weise unmittelbar zu verständigen, und daß selbst bei den 29 Be- 342 zirksämtern im Küstenlande, von denen zwei einzige bei einer rein italie¬ nischen und nur eilf bei einer gemischten und sechzehn hingegen bei einer rem flovenischen Bevölkerung bestellt sind, durchaus Conceptsbeamte sich befinden, die kein Wort slovenisch verstehen und mit Slovenen unmittelbar zu verkehren außer Stande sind, während bei dem übrigen Kanzleipersonale aller dieser Behörden keine viel günstigeren Verhältnisse obwalten. Um Ihnen, meine Herren, ein einziges Beispiel dieser Art anzu¬ führen, werde ich Ihnen sagen, daß in der unmittelbaren Nähe meiner Heimat sich ein Bezirksamt befindet, bei dem bei einer Bevölkerung von 30.000 Seelen, wovon 20.000, nämlich 'f/z Slovenen sind, 5 oder 6 Conceptsbeamte fungiren, von denen kein einziger der slovemschen Sprache mächtig ist. Aehnliche Verhältnisse sind auch in Steiermark und im südlichen Kärnten anzutreffen, allwo, um von der Statthalterei und dem Oberlan¬ desgerichte in Gratz ganz abzusehen, namentlich in den Städten Marburg, Cilli, Pettau, Klagenfurt u. s. w. eine Menge des Slovemschen total unkundige Beamte, nicht etwa aus Mangel an passenden Individuen, sondern aus der puren und principiellen Nichtberücksichtigung der slove¬ mschen Nationalität angestellt wurden und noch immer angestellt werden; nur Kram dürfte in dieser Beziehung etwas weniger Grund zu einer Beschwerde haben. Uebergehend auf die Schulen, will ich mir nur sehr wenig zu sa¬ gen erlauben. Bekanntlich hatte das Slovenische bis zum Jahre 1848 weder als Unterrichtssprache noch als Lehrgegenstand einen Platz. Der neue Unterrichtsplan hat zwar die Einführung der flovenischen Grammatik für die Gymnasien angeordnet, allein es wird nicht nur von Seite der Direktoren darauf kein besonders Gewicht gelegt, sondern auch die Dispensirung davon ist ungemein leicht zu bekommen, und dem sehn liehen Wunsche des Landes, daß zur Entwicklung der Terminologie, zu Redeübungen für Schüler und zur Heranbildung von in der slavischen Sprache bewanderten Beamten wenigstens ein paar Gegenstände in der flovenischen Sprache vorgetragen werden möchten, ist durchaus nicht will¬ fahrt worden, vielmehr wurde jede in diesem Sinne geschehene Aeußerung einzelner Lehrer gar übel ausgenommen, ja sogar auch bestraft. Während tüchtige slovenische Lehrkräfte außerhalb des Landes dienen, oder aus den ungarischen Ländern entlassen, einer Verwendung harren, find an den Gymnasien des flovenischen Landes und namentlich an jenen mit weltlichen Lehrern eine Menge Lehrer, Schulräthe und Directoren ange¬ stellt, die kein Wort slovenisch verstehen, und nicht einmal mit den slo- venischen Eltern der Kinder verkehren können. Das ist die pure und nackte Wahrheit und Wirklichkeit der Verhältnisse, das sind am Tage lie¬ gende, offenkundige Thatsachen beim flovenischen Volke. In eine nament¬ liche Personeneinführung aber kann ich nicht eingehen, weil das von mir Vorgebrachte ohnedieß an maßgebender Stelle bekannt sein muß, und weil es ohnedieß möglich ist, daß Jemand ohne seine Bewerbung an einen 343 Posten ex vika angestellt wurde, zu dem er sich nicht eignet. Es wäre übrigens schwer zu bestimmen, ob die von mir beklagte Eliminirung der slovenischen Sprache aus Schule und Amt mehr Ursache oder Wirkung jener Uebung sei, welche bei der Besetzung von Lehrerposten und Dienstes- mstellungen in den slovenischen Bezirken geübt wurde und geübt wird. Jedenfalls stehen beide in innigem Verhältnisse der Wechselwirkung zu einander; denn während die Schule die Einführung der slovenischen Unterrichtssprache unter anderem gerne damit zu bekämpfen pflügt, daß dieselbe bei dem Umstande, daß die Geschäftssprache der Behörden die deutsche und italienische und daher jene den in ihr aufgezogenen Zöglingen entbehrlich sei, pflegt die Behörde nach einem verhängnißvollen oivonln« vibo«»» gerade jenes Argument von dem Mangel der dazu nöthigen Con- cepts- und Manipulationsbeamten vorzüglich ins Feld zu führen, und so geschieht es, daß Schule und Amt, oder besser gesagt: Schrllräthe, Directoren, Beamte und Präsidenten indirect behaupten, daß das slove- uische Volk wegen ihrer da sei, daß das slovenische Volk sich < ach ihnen einrichten müsse, statt daß es umgekehrt der Fall wäre, weil sie floveni- sches Brot essen, weil sie mit siovenischem, wenn auch österreichischem Gelbe bezahlt werden. Aus all diesem geht mit Gewißheit hervor, daß die von mir be- stagte Eliminirung der slovenischen Sprache aus Schule und Amt eine traurige Wahrheit ist, daß sie unter solchen Verhältnissen bestimmt zu sein scheint, bis auf den jüngsten Tag sortdauern zu müssen, und daß das hohe Ministerium, im Widerspruche mit der von Sr. k. k. Apostolischen Ma¬ jestät feierlich proclamirten Gleichberechtigung der Nationalitäten, nicht gesonnen zu sein scheint, dießfalls dem slovenischen Volke die so gerechte eils billige Abhilfe zu verschaffen; denn sonst hätte dasselbe bei Gelegen¬ heit der Beantwortung meiner Interpellation angesichts der mit mehr als 20.000 Unterschriften ans allen Gegenden und Schichten der slovenischen Bevölkerung bedeckten Petition und angesichts der mit 23 Unterschriften von Volksvertretern versehenen Interpellation nicht an die Beamten sich gewendet, um Einholung der bezüglichen Berichte und Informationen, von Venen es vorauszusehen war, daß dieselben.... (Redner hält etwas inne). Präsident: Wollen der Herr Redner nicht doch beim Erforder- des Justizministeriums bleiben? Abgeordneter Oerne: Ich glaube, es gehört dazu und zur Antwort Herrn Ministers auf meine Interpellation. (Unruhe links und Rufe: Doch nicht zum Obersten Gerichtshof!) Präsident: Ich glaube, zum Obersten Gerichtshof gehört dieß ">cht. J« der Abtheilung für Cultns und Unterricht dürfte es angezeigter «n. (Der Redner zögert fortzufahren.) Sch bitte, ich habe mir nur er- wubt, diese Erinnerung zu machen. Abgeordneter 6erne (fährt fort): Denn sonst hätte das hohe Mini¬ sterium bei Beantwortung meiner Interpellation eine Frist bestimmt, 344 binnen welcher die Beamten verpflichtet sein sollten, die Sprache des Vol¬ kes, bei dem sie dienen, zu erlernen, wie das hohe Ministerium selbst dieses in Bezug auf Mähren und Ostgalizien verfügt hat, und wie dieses auch in Ungarn und Croatien unlängst geschehen ist, und selbst in Illyrien zur Zeit der französischen Occupation in Bezug auf die französische Sprache geschehen war, was offenbar den Beweis liefert, daß dieses kein unüberwindliches Hinderniß wäre: denn sonst hätte ferner das hohe Mi¬ nisterium den zweiten Theil meiner Interpellation nicht ganz unbeantwor¬ tet gelassen, welcher dahin geht durch eine zweckmäßige Besetzung (Unruhe links) der Dienststellen.... Ich bitte mich nicht zu unterbrechen: wenn die Redefreiheit nicht gestattet wird, so muß ich mich natürlich niedersetzen und schweigen. (Nach einer Pause).... denn sonst hätte das hohe Ministerium den zweiten Theil meiner Interpellation nicht unbeantwortet gelassen, sondern vielmehr durch eine zweckmäßige Besetzung der Dienststellen und durch allfällige Ver¬ wendung der aus Ungarn und Croatien entlassenen, und den Gehalt um¬ sonst beziehenden Beamten die Verfügung getroffen, daß bei allen Stellen der Volkssprache kundige Beamte angestellt werden, und daß so den An¬ forderungen des Gesetzes und den gerechten Erwartungen der Bevölkerung entsprochen werde. Nachdem die 105 Behörden, welche in den slovenischen Ländern am- tiren, mit Ausnahme jener fünf, die sich günstig ausgesprochen haben, gegen die Einführung der slovenischen Sprache keine gesunden und stich¬ haltigen Gründe vorzubringeu vermochten, nahmen sie ihre Zuflucht erstens zur Rechtssicherheit, zweitens zur Verhütung von Stockungen in der Rechts¬ pflege, drittens zu den vielen Dialecten der slovenischen Sprache und vier¬ tens zur Läugnung des Bedürfnisses bei der slovenischen Bevölkerung. Es liegt mir ob, diesen Punkt der Behörden oder respektive dieser Beamten in ihrem natürlichen, auf den Anschauungen des gesunden Men¬ schenverstandes und aus den positiven Gesetzen hervorgehenden Lichte dar¬ zustellen, und so dieselben über die Mittel zu enttäuschen, deren sie sich zur illusorischen Rechtfertigung ihrer leider nur zu lang gedauerten Be¬ drückung und Vorenthaltung eines der heiligsten Rechte des slovenischen Volkes bedient haben, und führe an, und zwar in Bezug auf die Rechts¬ sicherheit. Bekanntlich sind es die Kaufs- und Verkaufsverträge, Heirathsver- träge und Testamente und dann die gerichtlichen Protokolle, sei es in po¬ litischen, sei es in Civil- oder strafgerichtlichen Angelegenheiten, diejenigen Stücke, welche vorzugsweise zu Papier gebracht zu werde» pflegen, alle diese Stücke werden nun zuerst in der slovenischen Sprache dictirt und in der deutschen oder italienischen Sprache niedergeschrieben, dann werden sie wieder aus der italienischen oder deutschen in die slovenische spräche übersetzt und verdolmetscht und von der Partei neuerdings berichtigt und explizirt und dann erst unterschrieben und unterfertigt. Jedermann wird zugeben, daß bei einer solchen VerfahrungSweise, daß bei dieser zwei- 345 fachen Uebertragung und Übersetzung die Rechtssicherheit selbst dort nicht gewahrt werden kann, wo der betreffende Beamte auch der slovenischeu Sprache vollkommen mächtig ist, und daß dieses aber noch weniger dort der Fall sein kann, wo er der slovenischeu Sprache nicht mächtig ist, was gerade bei der sloveuischen Sprache dießsalls eingestandermaßen zum grö߬ ten Theile der Fall ist. Es steht also nicht den Behörden, nicht den Beamten zu, sich auf die Rechtssicherheit zu berufen, wenn es sich darum handelt, derselben als Grund gegen die Einführung der sloveuischen Sprache sich zu bedienen, sondern es steht vielmehr dem slovenischeu Volke zu, dieselbe als Grund anzuführen, wenn es sich darum handelt, dieselbe für die Einführung der sloveuischen Sprache anzuführen. In Bezug auf Verhütung von Stockungen in der Rechtspflege aber muß ich mir erlauben, von den vielen tausend und tausend Fällen, die alle Tage vorkommen, einen einzigen vorzuführen, der geeignet ist, auch diesen Punkt in das gehörige Licht zu werfen. Ein Slovene, mein Freund, der gewöhnlich sich der deutschen Sprache und eines deutschen Rechtsfreundes bedient, kam in die Lage, einige Einlagen, Klagen und Exemtionen bei einem augranzeudeu Bezirks¬ gerichte zu machen und ließ bei seinem deutschen Rechtsfreund dieselben anfertigen. Sie wurden eingereicht; allein sie wurden ihm mit dem Be¬ deuten zurückgegeben, daß daselbst nicht die deutsche, sondern die italie¬ nische Sprache die Amtssprache sei. Darüber verwundert, ergriff er den Recurs. Das Oberlandesgericht von Triest bestätigte aber die Entschei¬ dung der ersten Instanz. Die Entscheidungen der ersten Instanz trugen das Datum vom 9. und 10. Dezember 1856 und die Zahlen 7931, 7932, 7933 und die 2berlandesgerichtsentscheidung aber trägt das Datum vom 10. Februar l857 und die Zahl 173. Es blieb ihm also nichts übrig als seinen deut schm Rechtsfreund zu verlassen und sich einen italienischen suchen zu müssen. Es mußten also Unkosten für Arbeit, Stempel, Weg, Zeitversäumuiß Mn zweitenmale gezahlt werden und er mußte nebenbei die Versäumuiß seinen Geschäften und die Rechtsstockung in diesem Geschäfte sich auch gefallen lassen. Nach kurzer Zeit kam er in die Lage wieder einige Einlagen bei euiem anderen ebenfalls angränzeuden Bezirksgerichte machen zu müssen, "eß sich solche von seinem neuen italienischen Rechtsfreunde verfertigen, sie Wurden eingereicht, allein sie wurden mit dem Bedeuten zurückgestellt, daß ^selbst nicht die italienische, sondern die deutsche Sprache Amtssprache sei. wiederholte sich die nämliche Geschichte, er mußte also seinen italie- aflchen Rechtsfreund verlassen, den alten deutschen wiederum aufsuchen, und mußte die Unkosten für Arbeit, Stempel, Wege, Zeitversäumuiß zum Mitenmale tragen und sich den Verlust an Zeit und Stockung in seinem 'Rechtsgeschäfte ebenfalls gefallen lassen. 2ch glaube, es brauche keiner weiteren Deducirung, um zur lieber - Fügung zu gelangen, daß dieser Grund: „Verhütung der Stockung in 346 Rechtsgeschäften" nicht geeignet ist, von den Beamten oder Behörden ins Feld geführt zu werden, wenn es sich darum handelt, denselben gegen die Einführung der slovenischen Sprache geltend zu machen, sondern daß daö Umgekehrte der Fall ist. In Bezug auf die vielen Dialekte, die bei der slovenischen Sprache bestehen sollen, muß ich bemerken, daß es wirklich zu verwundern ist, wie es möglich sei, daß diese ganz neue Entdeckung von denjenigen Beam¬ ten ausgegangen ist, die eingestandenermaßen der slovenischen Sprache gar nicht kündig sind und daher gar nicht in der Lage fein können, zu beur- theilen, ob es überhaupt Dialekte gibt oder nicht. Wenn diese einzige Betrachtung hinreicht, über dieses Argument den Stab zu brechen, so wird man, wenn man ferner erwägt, daß bei den Beamten all die Vorsehbarkeit besteht und sie auch wirklich aus einem Orte in den anderen versetzt werden, daß sie trotzdem mit den geringen Kenntnissen, die sie im Sprechen der slovenischen Sprache besitzen, überall amtiren können, was aber, wenn wirklich verschiedene Dialecte der slove- nischen Sprache, und zwar so, daß der Sprecher des einen den Sprecher des andern nicht verstehen könnte, bestehen möchten, gewiß nicht der Fall sein würde, zur Ueberzeugung gelangen, daß dieser Grund ebenfalls von jenen Behörden nicht angeführt werden kann. Ich muß wohl noch über den vierten Punkt, über die Läugnung des dießfälligen Bedürfnisses, einige Worte sprechen. Es ist unbegreiflich, wie dieses angesichts der schon mehrmals an¬ geführten Petition, die mit 20.000 Unterschriften bedeckt war, und ange¬ sichts der von 23 Unterschriften von Volksvertretern versehenen Interpella¬ tion, von denen sieben aus Ländern slavischer Gegenden gewählt worden sind, und eine Bevölkerung von wenigstens 700.000 Seelen repräsentiren, und in einem constitutionellen Staate die einzigen dazu berechtigten Stimm¬ abgeber sind, wie es also möglich ist, noch behaupten zu können, daß dieß- falls bei dem slavischen Volke kein Bedürfniß vorhanden sei. Es werden sogar die menschliche Natur, die menschlichen Bedürfnisse und die menschliche Beschaffenheit dem slovenischen Volke abgesprochen. Dem Durstigen wird das Bedürfniß des Trankes, dem Hungrigen wird das Bedürfniß der Speise abgesprochen; oder sollte vielleicht in die¬ sem Läugnen des Bedürfnisses für das slovenische Volk ein Wink oder eine Aufforderung enthalten sein, dießfalls das Beispiel, welches in Un¬ garn und Croatien gegeben wurde, nachzuahmen, wo alle fremden und der Nationalsprache unkundigen Beamten einfach fortgeschickt wurden (Ohs! Unruhe) und das glaube ich denn doch nicht. Das ist aber das System, welches bei dem slovenischen Volke beob¬ achtet wird. Soll ich nun die Übeln Folgen dieses Systems schildern, das wäre eine schwer zu bewältigende Aufgabe, deßhalb will ich mich begnügen, nur sehr Weniges zu sagen. sind, sowie jeder Einsichtsvolle sofort erkennen muß, für die Bildung und Wohlfahrt des Volkes äußerst ungünstig, weil die Schulen 347 und das gesammte öffentliche Leben auf dasselbe keine wohlthätige Wir¬ kung üben kann, und ziehen sowohl in materieller, als auch in nationaler, in moralischer und geistiger Beziehung eine Menge unberechenbarer Nach¬ theile nach sich. Zu den Nachtheilen in materieller Beziehung gehört vorzugsweise die allgemeine Verarmung und sie ist die natürliche Folge dieses Systems. Denn, wenn es wahr ist, daß Wissen Macht ist, so stehen die Slo- venen mit Ausnahme jener Wenigen, die sich fremde Bildung angeeignet haben, gegenüber ihren, in jeder Beziehung begünstigten und in der Cultur vorgeschrittenen Nachbarn, den Italienern und den Deutschen, ganz macht¬ los da. Sie werden immer und überall, wo sie init ihnen in Berührung kommen, uothwendigerweise weniger Bortheile erringen, als dieselben. Dieses macht sich insbesondere in Istrien geltend, allwo nicht nur das Vermögen, sondern auch der Grund und Boden aus den Händen der Slovenen in jene der Italiener übergeht, sondern allwo auch die Bevöl kerung immer mehr und mehr italienisirt wird. Man frage dort einen jungen Slovenen, was er für eine Sprache spreche, so wird er sagen: slovenisch oder illyrisch. Man sage ihm weiter: Du bist also ein Illyrier oder Slave? Nein, wird er sagen. Ich bin ein Italiener. So stehen die Sachen in nationaler Beziehung. In geistiger und moralischer Beziehung aber springen die Nachtheile des bei den Slovenen befolgten Systems von selbst in die Angen, wenn man sich das, was man hier in diesem hohen Hause zum Theile gehört und gesagt und gesehen, zum Theile gelesen hat, vergegenwärtigt. (Fortwäh¬ rende Unruhe.) Denn wie könnte man sich anders das Verhalten des «Fürstbischofs und des fürstbischöflichen Consistoriums zu Laibach erklären, Menn dasselbe zu einer Zeit, als der ungarische Cardinal Scitofsky für die ungarische, der croatische Bischof Stroßmaier für die kroatische, der stovakische Bischof Moises für die slovakische, der ruthenische Bischof utwinowitz für die ruthenische, der böhmische Bischof Iirsik für die böh¬ mische Nationalität einstehen; wenn zu einer Zeit, wo sämmtliche Nationalitä- ien Oesterreichs ihre Geistlichkeit an ihrer Spitze haben, der in nationa- Beziehung und in dieser Frage wenigstens renegate Fürstbischof von i'aibach dem hohen Ministerium die Worte in den Mnnd legt, „die Ver- haltnisse der slovenischen Schulbücher und der slovenischen Sprache seien iur schulmäßigen Behandlung keines anderen Gegenstandes, mit Ausnahme etwa der Religion, geeignet,", und er so das slovenische Volk, dem er ent¬ rungen ist, verläugnet, dessen erster Hort zu sein er vorzugsweise be- ^ufm ist; oder wie könnte man sich es anders erklären, daß der hochwür- mge Bischof von Triest für die Erlassung seines Hirtenbriefes für die ^"ugstvergangene Fastenzeit sich blos der italienischen Sprache bediente, unbekümmert darum, ob ihn der größere Theil seiner Heerde, der slove- "nche, verstehe oder nicht, so zwar, daß letztere mit Recht fragen kann, 348 ob denn der geistliche Hirt von sich auch sagen könne: Ich bin ein guter Hirt, ich verstehe meine Schafe und meine Schafe verstehen mich. Oder wie könnte man es sich erklären, wenn das hohe Mini¬ sterium recht gut weiß, daß nicht nur Tausende, sondern Millionen vom Staate ausgestellte Urkunden in den Händen des österreichischen und übrigen europäischen Publikums sich befinden — ich meine hier die Zehukreuzer-Müuzscheine und die Staatsobligationen vom Nationalanlehen vom Jahre 1854, in denen die sloveuische Sprache auch als eine gleich¬ berechtigte und gleichgestellte figurirt—wenn es ferner weiß, daß alle seit dem Jahre 1848 in Oesterreich erschienenen Gesetze auch in slove nischer Sprache übersetzt worden sind, daß daher diese Sprache die nöthige juri¬ dische Terminologie besitzt und daß sie für alle Zweige des öffentlichen Lebens vollkommen geeignet ist; wenn es ferner weiß, daß in Wien bei dem Obersten Justizhofe selbst ein zu diesem Behufe eingesetztes Ueber- setzungsbureau existirt; wie soll man sich es erklären, wenn das hohe Ministerium alles dieses weiß und wissen muß, jedoch nicht wissen will, daß die sloveuische Sprache zur Einführung in Schule und Amt vollkom¬ men befähiget und berechtiget ist? Wie sollte man es sich erklären, wenn das hohe Ministerium zur Zeit, als es weiß, daß für die Anschaffung der Schulbücher in deutscher, italienischer und in den übrigen Sprachen in Oesterreich von Staatswegen gesorgt wird, das Verlangen um Einfüh¬ rung der slovenischen Sprache in der Schule mit dem Bemerken zurllck- weist, das es keine solche Schulbücher gebe, so daß also die Slovenen verurtheilt sind, zur Verbreitung der deutschen und italienischen Sprache und Cultur aus eigenem Säckel beizutragen, während ihre eigene Sprache und ihre eigene Cultur systematisch niedergehalten wird. Die Wahrheit dieser Behauptung erhellt aus den Worten des Mi¬ nisteriums selbst, welche bei Gelegenheit der Beantwortung der Interpel¬ lation des Abgeordneten Ur. Porenta gesprochen wurden, wo constatirt war, daß im Küstenlands der größte Theil der Bevölkerung slovenisch seh während blos für die Herstellung deutscher und italienischer Gvmnasien gesorgt wurde, in welcher Handlungweise also nicht blos ein Vergeben gehen die Logik, sondern auch gegen die Rechte des slovenischen Volkes enthalten ist. Die Wahrheit meiner Worte geht ferner aus den Worten des Mi¬ nisteriums hervor, welche bei der nämlichen Gelegenheit gesprochen wur¬ den, wo die Nothwendigkeit der Einführung eines deutschen Gymnasiums in Triest damit begründet werden wollte, daß im Centralseminar von Görz neben der lateinischen auch die deutsche Sprache Unterrichtssprache sei, was aber durchaus nicht wahr ist. Die Wahrheit der obigen Behauptung geht ferner aus dem Umstaude hervor, daß einige geistliche Herren Semina¬ risten aus Görz, welche sich erlaubt hatten, die dießfällige ministerielle Aeußerung in Zeitungsblättern zu berichtigen, aus diesem Anlasse in den Lattennoten herabgesetzt wurden. Wie solle man nun alle diese Verhält¬ nisse bei dem slovenischen Volke anders nennen, als mit den Worten: 349 Ungerechtigkeit und Geringschätzung und Mißachtung der ganzen sloveni- schen Nation, welche dieselbe in der Gesammtheit, wie auch in den ein¬ zelnen Theilen von allen Seiten und nach allen Seiten auszustehen hat? Denn nur auf diese Art läßt sich erklären und ist es möglich, daß eines der verbreitetsten und gelesensten deutschen Blätter, ich meine das¬ jenige, welches an seiner Stirne die Devise: „Gleiches Recht für Alle" trägt und welches sich als Hauptbeförderer der deutschen Bildung gerirt, sich zu den niedrigsten Beschimpfungen und Beleidigungen der slovenischen Sprache und des slovenischen Volkes hinreißen läßt, und auf diese Art die eigene Devise Lügen straft und den deutschen Spruch bewahrheitet, der da lautet: „Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen," während der größte Theil der übrigen deutschen Presse keine viel bessere Haltung dem slovenischen Volke gegenüber bewahrt. Ob aber durch eine solche Handlungsweise die deutsche Bildung und Cultur bei den übrigen Völkern Oesterreichs an Credit gewinnt, will ich nicht untersuchen, will ich dahin gestellt sein lassen. Darüber mag die Welt entscheiden, darüber wird der Erfolg uns lehren. Die Folgen des bei den Slovenen befolgten Systems sind ferner ungünstig für die Zwecke der Verwaltung, weil durch die häufige Unmög¬ lichkeit des richtigen Verständnisses zwischen Regieruugsorganen und Re¬ gierten die Geschäftsbehandlnng erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht, und dadurch Mißtrauen und Unzufriedenheit bei der Bevölkerung erweckt und genährt wird; ferner ungünstig für die Zwecke der Justiz, weil in Folge derselben jede Garantie eines richtigen Verständnisses zwischen Rich¬ ter und Partei abgeht; sie sind ferner ungünstig für die Finanzen, weil deren Hebung der Wohlstand, diesen aber die Hebung und Bildung des Volkes bedingt; sie sind ferner ungünstig für den Staat selbst, weil nur das selbstbewußte und gebildete Volk sich zu wahrem Patriotismus empor- zuschwiugen vermag. Wenn ich hingegen die wenigen für das slovenische Volk bestehenden Schulen betrachte, so sind diese nur Anstalten, welche dem slovenischen Volke als solchem seine befähigtesten und begabtesten Söhne entfremden und aus ihnen obligate Renegaten erziehen, anstatt daß sie zur Hebung und M Wohlfahrt ihres Volkes unter Benützung der slovenischen Unterrichts¬ sprache beitragen und zur Heranbildung der so nothwendigen, der Volks¬ sprache kundigen Beamten dienen würden, Vortheile welche der Deutsche und der Italiener unstreitig von seinen Unterrichtsanstalten genießt; wenn die auf slovenischem Boden errichteten und mit slovenischem, wenn auch mit österreichischem Gelde bezahlten Behörden und Aemter aller Art die slovenische Sprache bis zur Zurückweisung in slovenischer Sprache geschrie¬ bener Eingaben perhorresciren und dieß nur nach Thunlichkeit oder Mög- Meit anders werden soll, wenn alle von diesen Behörden erlassenen Edicte, Vorladungen, Weisungen und Entscheidungen, sei es in politischen, s" es in civil- oder in strafrechtlichen, sei es in criminalen, Finanz- oder anderen Angelegenheiten u. s. w., den Angehörigen des slovenischen Stam- 350 mes statt in slovenischer blos in deutscher oder beziehungsweise im Küsten- lande italienischer, also in einer derselben unverständlichen Sprache erge¬ hen, und dadurch dem Betheiligten allerhand Nachtheile und Beirrungen: Fristversäumniß und deren Rechtsfolgen, Geldnachtheile, Uebervortheilung durch Winkelschreiber rc. rc. erleiden lassen, während für die Deutschen und Italiener eine ganz andere Behandlung besteht und dieß für die Slo¬ vencu nur nach ^hunlichkeit oder Möglichkeit anders werden soll, wenn ferner jede behördliche Einrichtung schon den Stämpel der Nichtanerken¬ nung der slovenischen Nationalität an sich trägt, indem beispielsweise alle vorgedruckten Formulare, alle in den Gerichtsstuben angeschlagenen oder in den Zeitungsblättern eingeschalteten Edicte und gerichtlichen Weisungen, alle vormundschaftlichen Decrete, mit den bezüglichen Belehrungen für die Vormünder deutsch oder italienisch sind.... (wird unterbrochen von:) Präsident: Ich bitte ernstlich, bei der Sache zu bleiben, oder eigentlich zur Sache zurückzukehren. Abgeordneter Lerne: Ich glaube ich bin bei der Sache. (Heiter¬ keit und Unruhe.) Präsident: In dieser Beziehung darf ich Wohl nur an das hohe Haus appelliren. Abgeordneter Lerne: Wenn ich die Verhältnisse des slovenischen Volksstammes nicht besprechen darf, um die Deduction auf die Nothwen- digkeit einer gleichmäßigen Organisirung deS Obersten Gerichtshofes dar¬ aus zu ziehen Präsident: Es handelt sich aber eben nur um den Obersten Gerichtshof. Abgeordneter Lerne: Das ist es eben, wovon ich glaube, daß cs nothwendig ist, anzuführen, um den Beweis zu liefern, daß es nöthig ist, den Obersten Gerichtshof nach allgemein gleichmäßigen Principien zu¬ sammen zu setzen. Wenn ich aber nicht weiter sprechen darf... (wird unterbrochen vom) Präsident: Ich habe mir nur erlaubt, das zweite Mal darauf hinzuweisen, daß der Herr Redner nicht bei der Sache ist. Ich bitte fortzufahren. Abgeordneter Lerne: Wenn das Berhältniß der slovenischen Na¬ tionalität nicht zur Sache gehört, so haben der Herr Präsident allerdings Recht..... Präsident: Ich bitte, mit mir keine Discussion anzusangen, son¬ dern sortzufahren. Abgeordneter Lerne: Wenn bei Recrutirungen (Heiterkeit) die ver¬ schiedenen gedruckten Formularien, die verschiedenen Classifications- und Widmungslisten und die verschiedenen Zeugnisse durchaus nur deutsch oder italienisch sind, und dadurch den betheiligten Slovenen (Rufe: Lauter,i sei es die Erlangung der nöthigen Einsicht in die Classificationslisten, sei es die Erlangung der nöthigen Unterschrift in die Zeugnisse u. dgl. un¬ endlich schwieriger und kostspieliger gemacht wird, als den Italienern und 351 Deutschen; wenn nicht einmal die Zahlungsaufträge und Besteuerungs¬ listen und Büchel in slovenischer Sprache verfaßt sind, und wenn der Slo- vene dadurch nicht einmal in der Lage ist, sich die Neberzeugung zu ver¬ schaffen, ob das, was man von ihm forderte, richtig, die Zahlungsforde¬ rung gerecht war, noch ob die Abquittirnng über das von ihm Abgeführte vollzogen ist — von den Urbarien, Grundbüchern und Katastern ganz ab¬ gesehen — während doch für die Deutschen und Italiener das Umgekehrte der Fall ist; wenn alle von politischen Behörden und Aemtern an die Vor¬ stände rein slovenischer Gemeinden ergehenden Aufträge blos in deutscher oder italienischer Sprache, Weiche sie nicht verstehen, zuzukommen Pflegen, ein Gebrauch der nach dem Zeugnisse der Erfahrung so häufig brave, ein¬ sichtsvolle und das Vertrauen der Bevölkerung, nicht jedoch die Kennt¬ nis der Kanzleisprache besitzende Männer von der Annahme der Vorstands¬ ämter abhält oder zur Zurücklegung derselben zwingt, welche Wür¬ den sodann Leute, die sich nicht durch Charakter und Erfahrung, sondern nur durch Kenntuiß der Amtssprache auszeichncn, in Besitz nehmen, Leute, die sodann aus Egoismus Agitatoren für eine fremde, ihnen ein Amt sichernde Sprache werden und die sodann — nicht zum Frommen der Ge¬ meinden — deutsche und italienische, aber nicht slovenische Gesetzcstexte bestellen; wenn der Slovenc so häufig, sei cs vor Verwaltungsbehörden, sei cs vor Civil- oder Strafgerichten, nicht in der Lage ist, unmittelbar Persönlichen Verkehr mit dem gerade für dieses Geschäft angestellten und beeideten Beamten zu treten, sondern dieser Verkehr auch in den wichtigsten Angelegenheiten durch größtentheils unselbstständige und unbeeidete Zwischen¬ personen, als: Protokollisten, Praktikanten, Diurnisten, Winkelschreiber, oft blos Amtsdiener vermittelt wird, wenn der nur seine Sprache redende Slo¬ wene nicht in der Lage ist, sei es beim Statthalter, sei es beim Präsidenten des Oberlandesgerichtes oder beim Landes- oder Kreisgerichte oder beim Oberstaatsanwälte, oder bei den Vorstehern des Bezirksgerichtes in unmit- ülbaren und persönlichen Verkehr zu treten, während der Deutsche und ^aliener in allen diesen und ähnlichen Fällen die Besorgniß, nicht ver¬ standen zu werden, gar nicht kennt; wenn im Küstenlande die meisten Advokaten und Notare, fast alle Aerzte, und in den Städten Istriens W alle Geistlichen Italiener sind, und ver Slovenc, der ihnen sein Hab und Gut, sein Leben und seine Gesundheit, seine Ehre und sein Seelenheil obendrauf anvertraucn muß, und jedesmal selbstverständlich gegen gute Bezahlung anvertrauen muß, ohne die Bürgschaft zu haben, den ihnen verstanden zu werden; wenn allen Völkern, die ringsum die Slo- senen umgeben, es vergönnt ist, in derselben Sprache, die sie zuerst von Mr Mutter gehört und gelernt haben, in der sie ihre heiligsten und "ungslen Gefühle zu Gott senden, und in der sie die Verkündigung des Wortes Gottes von den Kanzeln in der Kirche hören, in derselben Sprache sichtet zu werden und sie in den Schulen zu lernen, und dieses heiligste Recht den Slovenen nicht gegönnt ist; wenn selbst in diesem hohen Hause M bei Gelegenheit, als ich um die Erledigung der von mir gestellten 352 und die Abschaffung dieses Mißstandes bezweckenden Interpellation ansuchte, das Wort entzogen wurde, während einem anderen Herrn Abgeordneten dieses hohen Hauses in einem ganz analogen Falle, nicht nur seine Rede bis zu Ende zu führen gestattet war, sondern ihm auch dießfalls die Ver¬ wendung an das bezügliche Ministerium zugesagt wurde; wenn mit Einem Worte die Slovenen als eine andere oder niedrigere Race angesehen werden und nach allen Seiten und Momenten des öffentlichen Lebens hin weniger Rechte genießen und weniger Vortheile ernten als die Italiener oder Deutschen, mit denen sie doch zur Erhaltung und Verthcidignng des Vaterlandes mindestens gleiche Lasten tragen, so frage ich jeden edel und bil¬ lig Denkenden, ob der Slovene als solcher in Beziehung auf Volksbildung, Schule und Justizpflege nicht unter allen hier vertretenen Nationalitäten Oesterreichs wie ein Paria ist, ob der Slovene als solcher nicht immer noch ein Paria ist, trotz Dolliner und allen dergleichen glücklichen Parve¬ nüs der Intelligenz, welche übrigens mit ihren, in einer fremden Sprache geschriebenen Werken nicht den mindesten Einfluß auf die Hebung ihrer Mutternation geäußert haben? Ich vertraue übrigens ans die Macht der Wahrheit und gestützt auf das kaiserliche Wort, auf das Wort unseres edlen und ritterlichen Mo¬ narchen bin ich der sicheren Hoffnung, es werde in Bälde die Zeit kom¬ men, in der die österreichischen Staatsmänner zu einer besseren Einsicht gelangen und zur Erhaltung des großen Vaterlandes in Bezug auf dessen wahre Interessen den bis jetzt verfolgten Weg der Unterdrückung, Tren¬ nung und Schwächung des slovenischen VolksstammeS zu Gunsten des Deutschthnms einerseits und des Jtalianismus anderseits verlassen und den entgegengesetzten Weg der Volkserziehung und Volksbildung einschlagen werden. Diese meine lebhafte Hoffnung ist um so begründeter, als das slovcnische Volk, Dank der ihm innewohnenden Kraft und der ihm stets treu und schützend zur Seite stehenden katholischen Kirche und insbesondere der niederen Geistlichkeit, allen diesen verderblichen Einflüssen bis nun zu widerstehen vermochte. Se. Excellenz der Herr Minister v. Lasser hat übrigens bei dersel¬ ben Gelegenheit uns gewürdigt, seinerseits die Versicherung auszusprechen, das Ministerium habe die Macht und den Willen, diese Mißstände abzu¬ schaffen, und ich nehme mir nun die Freiheit Se. Excellenz den Herrn Minister an die Lösung dieses seines Versprechens zu erinnern und mei¬ nerseits die Versicherung zu geben, daß dadurch bei einer Bevölkerung von 11/2 Millionen die Anhänglichkeit an das Gesammtvaterland und die Opferwilligkeit und die Opferfähigkeit für dasselbe verdoppelt werden wird. Nur durch die vollkommene Durchführung des immer wahren Grund¬ satzes: „Gleiche Lasten gleiche Rechte" von dem ersten Bezirksgerichte bi» zum Obersten Gerichtshöfe wird es möglich sein, in den österreichischen Finanzen eine dauernde Abhilfe zu verschaffen. (Einzelne Bravo.) 353 2. Rede des Abgeordneten vr. Lovre Toman: Herr Präsident! Ich habe einen Antrag zum Schluß dieser Abtei¬ lung IH. überhaupt, „Justizverwaltung in den Kronländern," einzubringen. Wenn mir Herr Präsident das Wort ertheilen, so werde ich dasselbe sofort ergreifen und meinen Antrag begründen. Es hat mein hochverehrter Landsmann, Abgeordneter Herr Oerne, neulich einen Antrag in gleicher Rich¬ tung gestellt und denselben" weitläufig begründet. Das hohe Haus hat die Rede des Herrn Abgeordneten Oerne vielleicht in manchen Theilcn überhört. Er hat die Principien der Gleichberechtigung der Völker nnd ins¬ besondere jenes Volkes, aus dem er stammt, zum Gegenstände seiner Rede gemacht. Ich weiß, meine Herren, dieser Gegenstand ist eine esus-o ivArst» in diesem Hause. (Oho! links.) Aber nichtsdestoweniger werde ich diese causa Wersts, und zwar deßhalb, weil sie eine osusa just-» ist, nochmals von einem solchen Standpunkte aufnehmen, daß ich glaube, daß das hohe Hans mit meinem Vortrage sich schließlich versöhnen und auch denselben annehmen und votiren werde. Ich stelle einen Antrag zum Schlüsse dieser Abtheilung, der^ aus demselben Principe fließt, wie jener, den der Herr Abgeordnete Oerne gestellt hat. Ich stelle nämlich den Antrag: Das hohe Haus wolle die Erwartung aussprechen: „Die Regierung werde für die Iustizstellen bei den Oberlandes-, Landes-, Bezirks- und anderen Gerichten aller im engeren Reichsrathe ver¬ tretenen Königreiche und Länder mit Berücksichtigung der Berechtigung der dabei beteiligten Völkerstämme nur solche Männer wählen und be¬ stätigen, welche bei sonstiger Eignung der bezüglichen Nationalsprachen vollkommen kundig sind." Wäre der Antrag des Herrn Abgeordneten Oerne neulich nicht ver¬ worfen worden, so würde ich, glaube ich, denselben nicht zu moliviren brauchen, denn ich glaube, es ist das eine Sache, die sich auch von selbst versteht. Allein eben zur Beruhigung der Völker, glaube ich, daß dieser Antrag motivirt und sofort angenommen werden soll. Denn wenn auch im Staatsgrundprincip, im Diplome vom 20. Oktober, das gleiche Recht aller Völker ausgesprochen, wenn in dem Mi- nisterialrundschreiben dieses Princip ausdrücklich bestätigt ist, wenn in der Thronrede unseres Herrn und Kaisers diese Worte ausdrücklich betont sind, wenn die Herren Minister uns so oft versichert haben, daß sie diesen Grundsatz als den ihren annehmen, so ist doch sehr viel vorhanden, was der Realisirung cntgegensteht. ., Der Grundsatz der nationalen Gleichberechtigung ist, glaube ich, ein konstitutioneller Grundsatz, welchen das hohe Ministerium an seine Fahne ^schrieben hat. In einem constitutionellen Staate müssen alle Behörden nnd alle unteren Diener dem Principe folgen, welches das Ministerium vufstellt. Mich veranlaßt aber eben der Umstand, daß in den Königreichen und Ländern die Grundsätze, welche die Herren Minister aussprechen, nicht befolgt werden, sondern daß denselben, ob in nationaler oder überhaupt iu 23 354 constitutioneller Beziehung, Widerstand entgegengesetzt wird, mein Wort darüber zu erheben. Ich glaube, daß, wenn das hohe Ministerium, die Regierung oder sonst das hohe Haus Votum ausgesprochen hat, alles Mögliche ange¬ wendet werden müsse, daß die bezüglichen Anträge und Principien zur Geltung kommen. Es ist ein Erlaß vom 15. März l. I. von Sr. Ex- cellenz dem Herrn Verwaltungsminister als derzeitigen Leiter des Justiz¬ ministeriums über eine Interpellation des Herrn öerne im Hause ver¬ kündet worden. Dieser Erlaß ging an die Oberlandesgerichte Gratz, Triest und Zara. Ich werde später die Gelegenheit haben zu beweisen, daß diese so enge gehaltene Befriedigung unserer Ansprüche hinsichtlich der slavischen Gerichtssprache dennoch nicht befolgt wird. Ich werde in der Lage sein, Thatsachen, Akten dem hohen Hause vorzulegeu. Ein anderes großes Motiv für den Antrag, welchen ich als kleine Ableitung, als Consequenz vorgelegt habe, gibt wohl die Rechtspflege an und für sich selbst. Ist die Rechtspflege bei einem Volke anders möglich als in der Muttersprache desselben? Darüber halte ich mich aller Beweise enthoben, aber ich möchte vom negativen Standpunkte aus nur ein paar Beispiele aus meinem Baterlande zum Beweise anführen, wie unmöglich es ist, in einer anderen Sprache, als in der Sprache des Volkes, die Civil- oder die Strafjustiz zu üben. Als ich letzthin zu Hause war, kam Jemand zu mir, der in dem Falle einer possessorischen Klage war ; die¬ selbe wurde in deutscher Sprache erledigt, und es hieß darin, daß die Verhandlung darüber in toro rsi kätns stattfinden werde. Er ging zu sch nem deutschen Consulenten, wie sie bei uns zu Lande sich befinden, die die deutsche Sprache nicht hinlänglich verstehen, und wie er auf den Aus¬ druck kam in toro rm sitao, hat seine Sprachkenntniß auch nicht ausge reicht, und so gab er zur Auskunft, daß die Verhandlung am Sitze des Gerichtes sei. Er geht nun dahin, und die Verhandlung wird inzwischen in toro rsi sims gepflogen, er wird contumacirt, seinem Restitutionsbegehr ist keine Folge gegeben worden und so befindet sich der Gegner im facw schen Besitz, und er wird trachten müssen, wie er mit seinem guten Recht den Gegner aus dem Besitze bringt. Ein anderer wichtiger Fall aus der Strafjustiz: „Im Jahre 1849 oder 1850 kam vor die Assissen in Laibach ein eigenthümlicher Fall. war ein Mädchen des Kindesmordes angeklagt. Deutsche Aufnahme des Protokolls hat zu Mißverständnissen Veranlassung gegeben. „Ich das Kind, sagte die Beschuldigte, mit Heu bedeckt, und habe mich nach dem (nach diesem Acte nämlich) nieder gelegt." Protokollirt aber war- „und legte mich darauf." Diese Aussagen, das Parere der Aerzte, dnp Anzeichen für eine Erstickung beim Kinde vorhanden sind, war HM' länglich, um sie in den Anklagestand wegen Kindesmordes zu ver¬ setzen; und erst als die slovenische Uebersetzung bei der Verhandlung gegeben wurde, wo wörtlich aus dem Deutschen übersetzt wa> 355 „und ich legte mich darauf" (nämlich auf das Kind) trat das Mädchen dem entgegen und sagte: „Das habe ich nicht gesagt; ich habe mich aufs Heu und nicht auf das Kind, ich habe mich schlafen gelegt nach diesem Acte." So meine Herren, ist es in der Civil- nnd Strafjustiz, so kommt Ehre, Sicherheit, Freiheit und das Leben des Menschen in Gefahr, wenn die Justiz in einer fremden Sprache geübt wird. Dieses führe ich deßhalb vor, meine Herren, weil Se. Excellenz der Herr Minister v. Lasser neulich in seiner Rede angeführt hat, „daß nur ein Versuch" gemacht worden ist mit dem Zugeständnisse, daß in unserer Muttersprache die Rechtspflege geübt wird, und daß dieser Versuch ihn vielleicht zu großer Verantwortlichkeit führen werde, obwohl hinzugesetzt wurde, daß dieses alles zum Besten des Justizdieustes geschieht. Meine Herren! Ich habe die Ueberzeuguug, daß Seine Excellenz der Herr Minister es ebenso zum Besten des Justizdienstes gemeint hat; aber es ist eben ein Mißverständniß, wenn man glaubt, daß die Justizpflege bei einem Volke in einer anderen Sprache als der Sprache des Volkes möglich ist. Es kann das nicht ein Versuch genannt werden, und soll nicht ein Versuch bleiben. Wir sind fest überzeugt, daß nur, wenn die Gerichtspflege voll¬ ständig in unserer Sprache geübt wird, nur dann wir eine gerechte und reine Justiz haben, und nur dann, wenn der mysteriöse Schleier zwischen den Parteien und Gerichtspersonen hinsichtlich der Sprache fällt, nicht Parteilichkeit, Schwachsinnigkeit, Unkenntniß und Comodität sich dahinter verstecken kann, und daß es dann möglich sein wird, auch die Behörden an ihre Pflichterfüllung zu mahnen, und sie daran zu erinnern. Ich will nicht auf die Bekämpfung der Gründe, aus welchen Se. Excellenz der Herr Minister nur ein so kleines Zugestäudniß unserer Sprache gemacht hat, zurückkommen, nur das sei bemerkt, ein Grund liegt in dem Gut¬ achten der Gerichte, welche weder dazu kompetent, noch gut unterrichtet sind, competent dazu sind nur die Vertreter des Volkes. Die Vertretung des Volkes bilden wir in den Reichsrath Gesende¬ ten und die Landtagsabgeordneten und alle Herren aus meinem Vater- iande, wie sie hier sitzen, haben die Petition an Se. Excellenz den Herrn Aaatsminister unterschrieben, in welcher die Anforderung der sloveuischen Gerichtssprache und die Einführung derselben in den Schulen über¬ haupt zum Gegenstände gesetzt war. Die Stände von Kram haben schon »n Jahre 1848 dasselbe begehrt, und haben die Niedersetzung einer Com¬ mission im Lande verlangt, damit die Beamten sich einer Prüfung unter¬ nehm müssen, daß sie der Sprache kundig sind. Der slovenische Verein hat in demselben Jahre ebenfalls seinen Wünschen einen Ausdruck gegeben, ^ie Petition, welche ich erwähnt, wurde von 20.000 Slovenen aus allen Massen gestellt, und wenn Sie mir erlauben und mich nicht unbescheiden schelten, so werde ich sagen, daß die Vertretung derjenigen Prinzipien, die A stets offen ausgesprochen habe, mir das Zutrauen des sloveuischen Kalkes in allen seinen Theilen zugeführt hat. Auf dieses Alles gestützt, glaubte ich hoffen zu können, daß doch ein 23* 356 solcher Erlaß, den Se. Excellenz der Herr Verwaltungsminister in der Sitzung vom 17. März d. I. uns mitgetheilt hat, wofür wir dankbar sind, daß doch ein solcher Erlaß, sage ich, bei den Behörden meines Vaterlan¬ des die gehörige Würdigung und Uebung finden werde, aber nichts desto- weniger geschieht es. Es wird so oft von der Kenntniß der slovenischen Sprache bei den Gerichtsbeamten gesprochen, wird immer darauf gewiesen, daß alle dersel¬ ben mächtig find. Der Herr Berichterstatter Ritter v. Tschabuschnigg sagte neulich, daß bei dem Obersten Gerichtshöfe, dem Oberlandesgerichte u. s. f. eine ganze Menge der Herren Räthe der Sprache mächtig sind. Wenn sie der Sprache mächtig sind, so sollten keine Schwierigkeiten mehr der vollen Einführung der Gerichtssprache entgegengesetzt werden. Aber es scheint, daß nicht einmal bei den Bezirksgerichten, bei den Landesämtern, die Herren Beamten der slovenischen Sprache mäch¬ tig sind oder sein wollen, denn sonst wäre ich nicht in der Lage, hier eine ganze Menge Klagen und Bittschriften vorzuweisen, welche unter dem 28. März 1862 an das städtisch-delegirte Bezirksgericht in Neustadt! überreicht und mit einer besonderen Bittschrift um Erledigung in slove- nischer Sprache begleitet waren, welche aber alle mit deutscher Erledigung zurückgekommen sind. (Der Redner zeigt die Akten vor.) Das, meine Herren, ist eine Mißachtung des Ministerialerlasses und wir müssen wünschen, daß das hohe Ministerium den Behörden auftrage, daß sie die Erlässe der Regierung respectiren. Werden sie die nationalen Erlässe nicht respectiren, so werden sie es auch mit den constitutionellen überhaupt so thun. Der Herr Berichterstatter hat neulich gewissermaßen die Motivirung meines heutigen Antrages anticipirt, er sagte, daß, wenn den Wünschen derjenigen, welche die Gerichtssprache eingeführt haben wollen, entsprochen würde, der Reichsrath gewissermaßen der Liebhaberei von Philologen an¬ heimfallen möchte, das glaube ich wohl nicht. Ich halte diesen Ausspruch mehr für einen Witz, und dem will ich nicht folgen, denn sonst müßte ich bitter werden. In dieser Rücksicht will ich aber bemerken, daß unsere Sprache eme noch lebende Sprache ist, daß sie die Sprache eines lebenden kräftigen Wsi kes ist, daß sie nicht blos ein Gegenstand des Studiums für Philologe ist. Ich habe früher dargethan, daß berechtigte Körperschaften die Einfüh¬ rung der slovenischen Sprache als Gerichts- und Unterrichtssprache ver¬ langt haben, und damit ist dieser Passus doch vollständig widerlegt. Wenn der Herr Berichterstatter weiter gesagt hat, daß er in se>K Praxis, während seiner Verwendung in den bezüglichen Theilen von Kla¬ genfurt und Triest keine Erfahrung des Bedürfnisses nach der slovemM Gerichtssprache gemacht hat, so möchte ich darauf nur Folgendes bemerken Wer hat sich in jener Zeit getraut ein Bedürfniß auszusprechen na, Preßfreiheit, nach Lernfreiheit, nach Ministerverantwortlichkeit, nach einsrecht und überhaupt den Grundlagen einer constitutionellen Verfassung' 357 Doch würde ich auch dem widersprechen, daß sich damals gar kein Be¬ dürfnis kundgegeben habe. Ich war fast kein einzigesmal bei Gericht, wo nicht von einer oder der anderen Partei die Unterschrift eines deutschen Protokolles verweigert worden wäre, die Unterschrift eines ProtokolleS, welches ein k. k. beeideter Beamter ausgenommen hatte. Ist das nicht Mißtrauen und könnte es ein Gesetz geben, einen solchen Renitenten zu einer Strafe zu ziehen, war es nicht möglich, daß er im Rechte war, einem in fremder Sprache aufgenommenen Protokoll die Unterschrift zu versagen? Ich glaube, meine Herren, keiner von uns wird ein in einer fremden, uns unverständlichen Sprache anfgenommenes Protokoll einen Ver¬ trag oder sonst etwas, was ihn rechtsverbindlich macht, unterschreiben. In dieser Verweigerung der Protokollsunterschrift liegt ja schon das negative Verlangen des Volkes, daß die Justiz in der Sprache geübt werde, die es versteht. Ich bedaure, daß gerade wir Slaven, die wir dem hohen Kaiser« Hause stets anhänglich und treu sind, die wir die Regierung in allen ge¬ rechten Bestrebungen unterstützen, fortan für unsere Rechte, für jeden Zoll unserer Rechte kämpfen müssen. Nun wohlan, wir werden mit allen lega¬ len Mitteln kämpfen. Es haben unsere Söhne auch für den Bestand Oester¬ reichs auf allen Schlachtfeldern gegen die Napoleoniden, gegen Preußen und die Türken gekämpft, und so werden wir mit geistigen Mitteln auf legalem Boden stets kämpfen, und möge man über uns sagen, was man wolle. Eines aber rufe ich noch (mit erhobener Stimme): Als unser erhabener Monarch unser allergnädigster Kaiser und Herr vor etlichen Monaten und Wochen in Borgoforte und Laibach die Söhne unserer armen Landsleute gesehen hat, hat er sie in ihrer Muttersprache belobt und es ging wie ein Jubel durch das ganze Volk. So thnt unser Herr und Kaiser, aber die Beamten schämen sich unserer Sprache und treten sie nieder! (Bravo! Bravo!) 3. Rede des Abgeorneten vr. Litwinowicz: Erwarten sie nicht, meine Herren, daß ich, indem ich zur Unter¬ stützung des Antrages von Seite meines Herrn College» vr. Toman das Wort ergreife, Sie mit einem langgedehnten sogenannten Schmerzensschrei ermüden werde. Ich habe nur einiges an Sie zu richten, mehr um Ihr Gemüth anzusprechen, obwohl Gemüthspoliti! im Parlamente zu den außer¬ ordentlichen Mitteln gehört. Sie haben mir übrigens das Wort leicht gemacht durch die zahlreiche Unterstützung, die Sie dem erwähnten An¬ lage zu Theil werden ließen. Ich muß nun vor allem constatiren, daß sowohl mich als auch meine Freunde auf dieser Seite Ihre letzte Abstim¬ mung über den Minoritätsantrag des l)>-. Taschek sehr betrübt hat. War es doch nur ein Wunsch, dem Sie Ausdruck verleihen sollten, und war es em Wunsch von Seite Ihrer Freunde, die Ihnen treu zur Seite stehen, m einer Zeit, wo so manche Sie verlassen haben. Es war übrigens ein Wunsch nach Gestaltung des höchsten Tribu¬ nals in unserem Kaiserstaate, auf daß er ein treues Abbild Oesterreichs 358 werde, damit der oberste Gerichtshof Oesterreichs aus denjenigen Elemen¬ ten zusammengestellt werde, aus welchen Oesterreich zusammengestellt und groß geworden ist. (Bravo! Bravo! rechts.) Sie haben dem keine Folge gegeben. Ich finde das zum Theile erklärlich. Die meisten von Ihnen, meine Herren, wissen nicht, was es bedeutet, wenn das Volk gegenüber den Vertretern Sr. Majestät unseres allergnädigsten Kaisers so zu sagen stumm ist. Sie haben das nie erfahren, danken Sie Gott und mögen Sie es nie erfahren. (Bravo!) Aber die Slaven haben das empfunden und tief empfunden und das ist ein Zustand, den ich nicht anders charakterisiren kann, als mit der Vergleichung eines Kindes, dem die beste, schönste und heiligste Gabe, die Sprache, genommen ist, das taubstumm gegenüber seinen Eltern steht. Denn im Namen Sr. Majestät unseres allergnä¬ digsten Kaisers wird Recht gesprochen in Oesterreich, es wird ge¬ sprochen zu den Völkern durch die Organe des Kaisers, es muß also in einer Sprache gesprochen werden, daß Jedermann weiß, es sei ihm Recht geschehen. Das ist bis jetzt nicht der Fall. Hoffen wir, daß es besser wird, es ist die höchste Zeit. Ich will die Einzelnheiten, die meine verehr¬ ten Collegen Ihnen auf diesem Gebiete zu Gemüthe geführt haben, nicht noch vermehren, denn sie sind zahllos auch in meinem Heimatlande. Es wird nicht nachgelebt, auch in Galizien, dem segensreichen Grund¬ sätze der Wiedergeburt Oesterreichs, nämlich der Gleichberechtigung der Nationalitäten und Sprachen. Und was noch trauriger ist, es sind Fälle vorgekommen, daß dieser Grundsatz sogar verhöhnt wird, denn es ist eine Thatsache, daß letzthin bei einem Bezirksamte eine Eingabe in ruthemscher Sprache von einem zum anderen der Herren Beamten herumgetragen und verhöhnt und verspottet wurde. (Rufe im Centrum: Ja! Ja!) Ebenso ist es eine, wenigstens was uns Ruthenen anbelangt, schmerz¬ liche und von uns kaum geahnte Erscheinung, daß die officielle deutsche Lemberger Zeitung seit Monaten gegen uns polemisirt und uns Separa¬ tismus und alles Mögliche an den Hals wirft, weil wir fort und fort bitten und betteln, daß man unserer Sprache bei Amt und Gericht Gel¬ tung verschaffe. Dem gegenüber, meine Herren, glauben Sie mir sicher, daß ich der letzte wäre, der Ihnen irgend etwas zu Gemüthe führen wollte, was nicht auf Wahrheit beruht, aber schmerzlich berührt hat mich 3hre letzte Abstimmung. Ich glaube aber, daß Sie geneigt sein werden, dieses wieder gut zu machen. Wenn Sie den Antrag meines verehrten Colle¬ gen vr. Toman zum Beschlüsse des Hauses erheben werden, so wird das doch erfolgen, was sie uns letzthin, wenn auch nur als Wunsch aus¬ gesprochen, nicht gewähren zu wollen schienen; denn dann wird die Justll wahrhaft dem Volke gegenüber als Vertreterin der Gedanken unseres Kaisers dastehen, dann werden die Justizstellen in der That das sein, was sie ftw sollen, und dann werden auch unsere Obersten Justizstellen, wie wir in dem Obersten Gerichts- und Cassationshofe haben, nach und nach werden, was wir wünschen. Das wäre aber schmerzlich, wenn wir vou 3SS einem slavischen Volksstamme, die wir hier geblieben sind, um über die höchsten Angelegenheiten des Reiches noch fort zu verhandeln, daß wir den Vorwurf hinnehmen müßten, in diesem Hause minder beachtet zu werden, daß wir es nicht erbitten könnten, für so wichtige Angelegenheiten, wie das Volksleben eine ist, von Ihnen auch selbst das Votum eines Wun¬ sches zu erlangen. Meine Herren! wenn Seine Majestät unser allergnä¬ digster Kaiser, wenn sämmtliche Prinzen unseres Allerdurchlauchtigsten Kaiserhauses mehrere Volkssprachen verstehen und dieselben zu unseren Kindern, zu den Kindern Oesterreichs, zum Militär sprechen, so frage ich Sie, wie soll es denn werden, damit die Organe, sowohl der Administra¬ tion als der Justiz dem erhabenen Beispiele unseres Monarchen folgen und zu den Völkern auch in ihren Sprachen reden. Das muß sein, das ist echt österreichisch, und weil dieser Gedanke echt österreichisch ist, darum bitte ich Sie, stimmen Sie für den Antrag des Herrn vr. Toman. 4. Rede des Abgeordneten Ritter von Mogelnicki. Ich finde mich veranlaßt, den Antrag des Herrn Abgeordneten vr. Toman in meinem und meiner Collegen Namen und im Namen der drei Millionen Ruthenen, welche Ostgalizien bewohnen und die uns hierher zum Reichsrathe geschickt haben, zu unterstützen, und dazu haben wir unsere speziellen Beweggründe. Ich gehöre einer Partei an, die in der Dauer des Reichsrathes ge¬ wiß durch unzeitige Competenzanfechtungen oder stundenlange Reden das hohe Haus und das Präsidium am mindesten erschöpft und infestirt hat; ich gehöre einer Partei an, welche, wie das hohe Haus und die Regierung einsieht, ihnen treu zur Seite steht, um die Competenz des Reichsrathes aufrecht zu erhalten, und durch ihn die Constituirung und Einheit Oester¬ reichs ins Werk zu setzen. Aber wir verkennen das große Unrecht nicht, das uns in unserer Heimat tagtäglich geschieht und fast an der Tages¬ ordnung ist. Die so oft im Octoberdiplome, in der Thronrede und von den Herren Ministern ausgesprochene Gleichberechtigung wird bei uns in Ost- galizien durchaus nicht befolgt, und unsere Sprache, die mündlichen oder schriftlichen Eingaben in den Bezirksämtern u. s. w. werden verhöhnt, zu¬ rückgestoßen, zurückgewiesen. Wir können es uns nicht erklären, daß Beamte, welche die österreichische Amtsuniform tragen, daß Beamte, welche dem Kaiser von Oesterreich Treue geschworen, daß Beamte, welche aus den Staatscasscn ihre Gehalte beziehen, doch Propaganda machen für eine andere Sprache, die nicht einmal die Regierungssprache ist, — denn wenn dieß geschehen würde, so würden wir zuletzt auch das zugeben und es mit Stillschweigen übergehen. Solange vor dem Jahre 1848 die deutsche Sprache als alleinige Amtssprache angesehen wurde, haben wir uns gefügt und dazu geschwie¬ gen. Aber jetzt, wo das Princip der Gleichberechtigung ausgesprochen wird — daß jetzt die unterstehenden Behörden es sich noch erlauben könn- 360 ten, wider den Sinn des Octoberdiploms, wider den Sinn der Thronrede und wider die so oftmals wiederholten Versicherungen der Herren Mini¬ ster dieses Princip der Gleichberechtigung der Sprachen so stark zu ver¬ letzen, das erscheint uns endlich unbegreiflich. Ich will zum Beispiele anführen, daß ich einem Amtsbezirke angehöre, wo nach statistischen Zäh¬ lungen 60—70 Deutsche, etwa 9—10 Polen und 25.000 Ruthenen leben, und doch wird im Bezirksamte keine einzige ruthenische Eingabe angenom¬ men, jeder Einbringer wird mit Hohn und Spott zurückgewieseu, so daß wir zuletzt gar nicht wissen, wofür? ob für unsere Treue, die wir durch die 90 Jahre, seit wir die österreichische Monarchie mit drei Millionen Seelen integriren, ob für Tapferkeit und Anhänglichkeit unserer Brüder und Kinder, der österreichischen Soldaten, ob für die Treue und Anhäng¬ lichkeit unseres Volkes, wir so malträtirt und mißhandelt werden. Ich unterstütze daher noch einmal den Toman'schen Antrag, und bitte, das hohe Haus möchte an uns diesen Act der Gerechtigkeit nicht uner¬ hört vorübergehen lassen. Unsere Bestrebungen gefährden gewiß die Einheit Oesterreichs nicht, obgleich uns unsere Gegner andere Tendenzen, etwa eine Hinneigung zu Rußland und ähnliche monströse Insinuation in die Schuhe zu schieben trachten. Davon sind wir weit entfernt. Die österreichische Regierung hat seit den 90 Jahren, seit wir zu Oesterreich gehören, Gelegenheit gehabt, sich zu überzeugen, daß wir kein einzigesmal als Widersacher der österreichi¬ schen Einheit aufgetreten sind, daß wir vielmehr diejenigen sind, welche so oftmals den Beweis gegeben haben, daß die, welche unablässig an Oester¬ reichs Ruin arbeiten, nichts als leere Beschuldigungen gegen uns ausge¬ streut haben. Und wenn ich mit Schmerz die Aeußerung von der Tribune vernommen habe, daß durch die Zulassung der verschiedenen slavischen Mundarten in den Aemtern und Gerichten etwa die Einheit Oester¬ reichs gefährdet würde — so bitte ich, meine Herren, die Versicherung entgegenzunehmem, daß durch unsere Forderung, welche nur eine Forde¬ rung der Gerechtigkeit ist, Oesterreich gewiß nicht gefährdet, sondern daß eben damit nur dieser Gerechtigkeit Genüge gethan wird." Das sind doch wahre Jeremiaden, nnd bleiben Wohl begründete Jeremiaden. Mögen auch die Herren ans der Linken bei deren Anhörung vor Galle und Aerger zerplatzen, mögen Präsidenten darüber mit Hohn und Spott wohlfeile Witze reißen und die wohlbekannten Mittel dagegen in Anwendung bringen, mögen Hofräthe die alltäglichsten Thatsachen ver¬ drehen und die schreiendsten Uebelstände schönfärben wollen, und möge» Herz- und treulose Ueberläufer die Schaar der nationalen Gegner ver¬ mehren. Diese Jeremiaden, in denen sich die Leidensgeschichte eines Volkes abspiegelt, finden bei der gegenwärtigen Volksvertretung wenig Anklang und Befriedigung. Die Völker Oesterreichs werden su aber gewiß nicht über hören. Die Völker werden sich gegenseitig die Herzen öffnen, sich brüderlich die Hände reichen und mit vereinten Kräften den gemeinschaftlichen Feind ihrer Freiheit bekämpfen. 361 Vor 70 Jahren sprach der französische RevolutionSmann SieyeS die gewichtigen Worte: „Ihr wollet frei sein, und wisset nicht gerecht zu sein." Völker Oesterreichs! seid gegenseitig gerecht, und ihr werdet frei sein! Es ist wahr — und wir anerkennen es mit dem herzlichsten Danke! — das Loos des slavischen Volkes ist in der neuesten Zeit um vieles ein besseres, ein glücklicheres geworden. Aber wir verdanken diese Errungen¬ schaften nicht dem Bestreben der Majorität des Reichsrathes, sondern den wirklich staunenswerten Bemühungen einiger wenigen Deputirten und dem Gerechtigkeitssinne unsers hohen Ministeriums. Neuöfterreich V. Der Staat. Ungarn und seine einstigen Nebenländer: Croatien, Slavonien und Siebenbürgen waren von den andern Theilen des Reiches sowohl durch ihre Verfassung als auch durch eine eigene Zollinie getrennt. Die Länder jenseits der Leitha galten für die Länder diesseits der Leitha beinahe für Ausland. Zu den größten Errungenschaften, welche sich Oesterreich aus dem verhängnißvollen Jahre 1848 gerettet, gehört wohl gewiß der Fall d e r Z w i s ch e n z o llin ie, und das größte Verdienst der oktroyrten März¬ verfassung war ohneweiters dieß, daß die Einheit der Monarchie als leitender Grundgedanke darin erscheint. Auch in dem Diplome vom 20. Oktober 1860 spricht Se. Majestät der Kaiser von der „Untheil- darkeit und Unzertrennlich keit der verschiedenen Bestand- kheile der österreichischen Monarchie." Wie glauben daher nur sehr loyal und patriotisch zu handeln, wenn >vir über unfern Kaiserstaat den Wunsch äußern: 2. Oesterreich sei ein im Innern einheitlicher, ungetheilter Staat. Die Debatte über die ungarische Adresse in dem letzten Landtage hat die Welt belehrt, wie weit die Bestrebungen der Ungarn gehen. Es liegt klar zu Tage, daß sie von der Beschickung des Reichsrathes, von einer andern Verbindung mit der österreichischen Monarchie als auf die Grundlage der Personalunion, Nichts wissen wollen. Selbst Bar. Eötvös ist im Jahre 1861 dieser Ansicht geworden. Und doch war cs der näm¬ liche Eötvös, welcher im Jahre 1859 in seiner, unter dem Titel: „Die Garantien der Macht und Einheit Oesterreichs" erschienenen Brochüre gründlich die Ursachen darlegte, warum im Interesse Ungarns selbst die 362 Einheit der Monarchie begründet und nach den später im Oktoberdiplome ausgesprochenen Grundsätzen durchgeführt werden soll. Nun erklärte der¬ selbe Mann in seiner im Landtage gehaltenen Rede das für unmöglich und unberechtigt, was er nur zwei Jahre früher als nothwendig und voll¬ berechtigt angesehen. Wer politische Charaktere schätzt und wahren Patrio¬ tismus im Herzen trägt, muß die Schwänkung dieses Staatsmannes auf¬ richtig bedauern. Aber nicht nur jenseits, sondern auch vießseits der Leitha gibt es Freunde und Verehrer der Personalunion, des Dualismus. Wir appe- liren an die Ereignisse des Jahres 1848, wo ein großer Theil von Oester¬ reich Wohl für das große, einige Deutschland sehr begeistert schwärmte, für das liebe Oesterreich aber wenig oder gar nicht besorgt war. Die Frank- furtisten sind noch nicht ausgestorben; und nach den Aeußerungen im Reichsrathe zu schließen, dürften deren etliche sogar in dieser hohen Ver¬ sammlung sitzen. Gegen diese Tendenzen muß sich jeder österreichische Patriot mit allen Kräften stemmen. Denn diese ungarischen und frankfurtistischen Träumereien sind: eine Verletzung des bestehenden Rechtes. Darüber ließ sich in den eine Stimme aus Böhmen folgender Maßen vernehmen: Die Ungarn gründen ihre Bestrebungen nach Losreißung von der österreichischen Monarchie auf die Theorie von der sogenannten Personal¬ union. Diese Bezeichnung ist neuen Ursprungs; in älteren Zeiten, selbst in dem vorigen Jahrhunderte, kam sie noch nicht vor. Schon dieß muß zur Überwachung auffordern, ob bei aller Sicherheit, mit welcher die Wortführer der ungarischen Bewegung aus diesem Worte alles ihnen Be¬ liebige ableiten, nicht doch irgend ein Hacken dahinter stecke, ob nicht die Sache selbst eben so neuen Ursprungs sei, wie das Wort. Die Vereinigung zwischen den Ländern der ungarischen Krone und der böhmischen und altösterreichischen dauert bis nun über drei Jahrhun¬ derte, gerechnet von der Thronbesteigung Ferdinands I., Erzherzogs von Oesterreich, in den Königreichen Böhmen und Ungarn in Folge der Schlacht bei Mohacs. Zur Zeit, als diese noch dauernde Vereinigung eintrat, befanden sich diese Länder sämmtlich noch mehr oder weniger in einem solchen Verfassungszustande, welcher im Mittelalter beinahe in ganz Europa bestanden hatte, in einem Verfassungszustande, bei welchem die monarchische Gewalt durch Volksvertretungen (Stände) eingeschränkt war, aber in einer von den modernen constitutionellen Verfassungen wesentlich verschiedenen Weise. Bei diesen theilt der Monarch die gesetzgebende Gewalt in ihrem ganzen Umfange mit der Volksvertretung, und er verfügt über keine an¬ deren Einkünfte des Staates, als welche von der Volksvertretung geneh¬ migt werden. Im Mittelalter war dies anders. Der Monarch verfügte über große Einkünfte, welche von der Bewilligung von Seite der Volks¬ vertretung durchaus nicht abhingen. Er besaß ausgedehnte Krongüter, er bezog ansehnliche Einkünfte aus den Gütern der Geistlichkeit, mannigfal' 363 tige Abgaben von den Städten; er gebot über einträgliche Zölle und an- dere Regalien; dies waren Einkünfte, welche in einer älteren Periode für sich allein zur Deckung der Bedürfnisse des Hofes und der Staatsver¬ waltung hinreichten. Eben in Folge dessen verfügte der Monarch über eine bedeutende Kriegsmacht, in deren Aufstellung er durchaus nicht durch die Volksvertretung beschränkt war: er hatte eine so starke Kriegsmacht zu seinen Diensten, als er aus jenen seinen freien Einkünften zu unterhalten im Stande war; er hatte nämlich seine aus den Gütern der Krone be¬ lehnten Vasallen, und er warb im Falle eines großem Bedarfes so viel Söldner, als er eben für angemessen erkannte. Aus diesem Verhältniß ergab sich zugleich, daß der Monarch in manchen Zweigen der Verwal¬ tung selbst Gesetze erließ, für welche er die Einwilligung des Landtages nicht brauchte. Wir wollen dies nicht des nähern behandeln, da es uns hier nicht um eine gelehrte Abhandlung aus dem Gebiete der Rechts- und Vewaltungsgeschichte zu thun ist. Erst wenn die freien Einkünfte der Krone in außerodentlichen Fällen nicht zureichten, pflegte sich der Monarch an den Landtag zu wenden um Bewilligung einer außerordentlichen Steuer, und wenn es sich um ein größeres Kriegsunternehmen im Interesse der Nation handelte, verlangte er vom Landtage das allgemeine Kriegsauf¬ gebot, die Einberufung des Volkes zu den Waffen in dem Maaße, als es nöthig war; handelte es sich um die Vertheidigung des Landes gegen einen feindlichen Einfall, so stand es dem Monarchen zu, auch das allgemeine Aufgebot selbst, ohne den Landtag, anzuordnen. In Gesetzgebungs-Angele¬ genheiten erstreckte sich die Gewalt des Landtages im allgemeinen so weit, als es Angelegenheiten des ganzen Volkes waren, und nicht blos gewisser Stände, welche in Folge jenes Zustandes der Finanzverhältnisse unmittel¬ bar vom Monarchen abhingen. Denken wir uns in diese Zustände hinein, und fragen wir dann, ob die Böhmen und die Ungarn damals, als sie die österreichische Dy¬ nastie auf ihre Throne beriefen, eine Personal- oder eine Realunion einzugehen beabsichtigten. So konnte damals niemand die Frage auch nur stellen. Von so einem gemeinsamen Monarchen, der besondere Ministerien in Böhmen, besondere in Ungarn, besondere in Oesterreich gehabt hätte, der über keinen Groschen zum gemeinsamen Besten aller seiner Länder hätte verfügen können, außer wenn er von Fall zu Fall von sämmtlichen Landtagen derselben bewilligt wurde; der als König von Ungarn die Türken bekriegen, als König von Böhmen oder als Erzherzog von Oester« chich mit denselben gegen Ungarn zum Vortheil seiner andern Länder sich hätte Verbünden können; von einer reinen Personalunion dieser Art wußte man damals nichts in der Welt. Als die Böhmen und die Ungarn den Erzherzog Ferdinand wählten, wußten sie gar wohl, daß sie einen Herrn nahmen, der sowohl in ihnen als in seinen andern Ländern frei über große Einkünfte und über eine ansehnliche Kriegsmacht zu verfügen hatte, die er zu ihrem gemeinsamen Besten ganz nach seinem eigenen Ermessen, wenn gleich allerdings mit dem Beirathe ihrer aller und 364 nach Anhörung ihrer Wünsche und Begehren verwenden konnte. Da ha- den wir, wenn wir in der Sprache unseres Jahrhundertes reden wollen, eine Realunion. Gemeinsamkeit in der Führung der auswärtigen Angele¬ genheiten, Gemeinsamkeit der Finanzen und des Heerwesens in einem wenigstens bedeutenden Maaße, die Möglichkeit einer gemeinsamen Behand¬ lung selbst in einigen andern Zweigen der Gesetzgebung, so weit nämlich einige Dinge in dieser Hinsicht in den einzelnen Ländern blos von den Monar¬ chen abhingen; hieher gehören z.B. namentlich Angelegenheiten des Handels. Meine und behaupte Niemand, daß unsere Vorfahren, das ist die Vorfahren der österreichischen Völker, als sie sich zu einem Reiche unter der gemeinsamen österreichischen Dynastie vereinigten, nicht wußten, waS sie thaten. Es handelte sich um eine derartige Vereinigung Böhmens, Ungarns und Oesterreichs zwischen den Fürsten und den Völkern vor der endlichen Thronbesteigung Ferdinand I. mehr als anderthalb Jahrhun¬ derte lang, seit den Zeiten Carls IV. in Böhmen und Ludwig des Großen in Ungarn nämlich, durch die sogenannten Erbeinigungen unter ihnen und ihren Nachfolgern, welche vielfach bestätigt und wieder verworfen, zuletzt doch zu dem gewünschten Ziele führten. Die vertragschließenden Theile wußt en, daß es sich bei dieser Vereinigung um ihren gegenseitigen Vortheil handelte: und ein solcher Vortheil konnte keinesfalls durch eine Personal¬ union nach jetziger Fayon erwirkt werden, sondern nur durch eine solche Union, welche in dem damaligen Verhältniß zwischen der Herr¬ schergewalt und den Vertretungen der einzelnen Länder wurzelte. Bei diesem Vortheil der kräftigen gemeinsamen Vertheidigung gegen außen nämlich, meinten die Länder allerdings nicht, sich ihrer individuellen Be¬ rechtigung, ihres selbstständigen nationalen Lebens zu begeben, und dafür gewährten ihnen ihre besonderen althergebrachten Verfassungen hinreichende Bürgschaft. Ungarn war es, welches in der ersten Zeit nach der Vereinigung mit Böhmen und Oesterreich jenen gemeinsamen Vortheil am meisten genoß. Ungarn, durch innere Zwiste tief verfallen, bedurfte damals fremder Hilfe zu seinem Schutze gegen Unterjochung durch die Türkei. Unter dem ge¬ meinsamen Herrscher kämpften vereint mit ihnen die Böhmen und die Deutschen gegen Soliman und dessen Nachfolger. Die Partei, welche in Ungarn damals der Vereinigung mit Oesterreich widerstrebte, erschwerte diesen Kampf über die Massen: sie verschuldete die Zerstückelung des Kö¬ nigreichs und die Unterwerfung des größer» Theils desselben unter die Gewalt der Türken; die übrigen österreichischen Völker, unter dem Scepter des Habsburg'schen Herrscherhauses, retteten endlich nach zweihundertjähri¬ gen blutigen Kriegen Ungarn aus diesem schrecklichen Verderben, die Wie¬ derherstellung der ungarischen Krone in ihrer Integrität, in ihrem frühern Glanze, ist ein Werk, an welchem eben die übrigen österreichischen Völker den größern Theil haben. An allem Guten und Ueblen, was seitdem dem großen Oesterreich begegnet ist, waren die Ungarn mit den übrigen Völ¬ kern gleichbetheiligt, und sogar noch in geringerem Maaße an den Lasten als an den Vortheilen. 365 Und jetzt, wenn die Monarchie in argen Verlegenheiten im Innern, in bedrohter Lage gegenüber mächtigen Feinden von Außen besteht, möchten die Ungarn ihr Schicksal von dem der übrigen Länder trennen wollen, weil es ihnen scheint, daß sie für sich allein besser bestehen könnten und dieß unter dem Vorgeben, daß sie mit den übrigen Ländern nichts gemein hätten, als die Person des Monarchen. Dieß war niemals und ist nicht so. Glauben die Ungarn, daß der Zustand der Dinge, wie er unter dem jüngsten zwölfjährigen Absolutismus war, in Zukunft nicht bestehen könne (und hierin stimmen alle Völker mit ihnen überein), wollen sie blos in dasjenige Verhältniß zu den übrigen Völkern zurücktreten, wozu sie von Rechtswegen gehalten sind, so mögen sie, wenn sie können, zu dem Zu¬ stande der Verfassung in den Ländern der ungarischen Krone zurückkehren,wel- cher zur Zeit des Königs Ferdinand I. bestand, zu demjenigen Zustand der Dinge, bei welchem allein die übrigen Länder ohne ihren Nachtheil mit ihnen unter die Herrschaft eines gemeinsamen Regenteuhauses sich begeben konnten. Das ist nun allerdings nicht möglich. Die mittelalterliche Staats¬ form veränderte sich durch den Drang der Geschichte; sie paßt nicht mehr zu unserer Zeit. Statt der Einkünfte aus den Krondomänen, aus den Gütern der Geistlichkeit, aus Abgaben des Bürgerstandes u.s.w. wurden die allgemeinen Steuern und indirekten Abgaben verschiedener Art die Haupt¬ quelle des Staatseinkommens; die mittelalterlichen Einkommenquellen ver¬ siegten allmälig, und was damals Ausnahme war, ist nun Regel gewor¬ den; die Krone hat kein freies von dem Volke unabhängiges Einkommen, außer in bescheidenem Maße; die Bedürfnisse des Staates werden also durch Leistungen aus dem Vermögen der Nation bestritten. An die Stelle der Mannen und der Söldner, welche der Monarch sonst aus seinen Kron- eiukünften unterhielt, sind nun die stehenden Heere getreten, das ist eine beständige allgemeine Kriegsbereitschaft des Volkes, anders eingerichtet als im Mittelalter. Wenn in den Ländern der österreichischen Monarchie seit ihrer Ver¬ einigung unter Ferdinand I. ununterbrochen eine freie Verfassung bestan¬ den haben würde, das heißt, wenn sich aus den ständischen Einrichtungen der einzelnen Länder allmälig die moderne konstitutionelle Verfassung etwa >vie in England entwickelt hätte: so hätte sich unzweifelhaft in demselben Maße, als sich das Verhältniß des Kronvermögens zu dem Volksver- mögen und der aus dem letzteren geleisteten Steuern in den einzelnen Län¬ dern änderte, zugleich auch auf dem Wege der positiven, klaren Gesetzge¬ bung das Verhältniß zwischen den Ländern als Theilen eines gemeinsamen Staates modisizirt. Sobald der Herrscher an seinem freien Einkommen allmälig so viel einbüßte, daß dasselbe nie wieder zur Bestreitung der öffentlichen Bedürfnisse ausreichte, sobald, um diese Bedürfnisse zu be¬ streiten, von den Landtagen bewilligte Steuern nothwendig wurden, wäre für die Landtage der einzelnen Länder die Nöthigung erwachsen, sich über das Maß der Steuern und die Zahl der Soldaten, welche von den ein¬ zelnen Ländern für das gemeinsame Erforderniß, d. h. namentlich für die 366 Vertheidigung des Gesammtreiches zu leisten waren, wechselseitig zu ver¬ ständigen. Es hätte sich ein gemeinsames Reichsorgan für die gemein¬ samen Angelegenheiten allmälig von selbst gebildet. In Zeiten, wo die Ungarn zu ihrer Erhaltung der Hülfe anderer Länder bedurften, hätten sie sich dagegen nicht so gewehrt, wie sie es heutzutage thun. Ja wir wissen aus der Geschichte, daß ein solches gemeinsames Organ einmal schon im Werke war. Im Jahre 1614, in demselben, in welchem zum letzten Male vor der Revolution des Jahres 1789 die Generalstände aller Provinzen Frank¬ reichs zusammengetreten waren, wurde auf Andringen aller Länder des österreichischen Hauses der vor 1848 einzige österreichische Reichstag in Linz gehalten, an welchem die Ungarn, Croaten und Siebenbürger bereit¬ willig mit den Böhmen, Mährern, Schlesiern und den Ständen der alt¬ österreichischen Länder theilnahmen. Der Zweck war die Umlegung einer gemeinsamen Steuer, welche Kaiser Mathias zum Kriege gegen die Tür¬ ken begehrte. Dieser Reichstag ging erfolglos auseinander in Folge der ränkevollen Haltung der Stände aller Länder, zu der sie sich dort gegen den Herrscher verständigten, und sechs Jahre später machte die Katastrophe am weißen Berge ein Ende den volksthümlichen Freiheiten in den böhmi¬ schen und altösterreichischen Ländern. Wer seit jener Zeit mit den Ungarn um eine Annäherung, wie sie die geänderten Zeitverhältnisse erheischten, unterhandeln konnte, war einzig und allein die absolute Gewalt, wodurch die Verhandlung allerdings er¬ schwert war, indem die Ungarn ihr nicht vertrauen konnten. Aber die Rechte der außerungarischen Länder konnten darum ihrer Geltung nicht be¬ raubt werden, weil kein genügend fähiger Vertreter für sie einstand. Aus der Thatsache, daß die böhmischen und altösterreichischen Länder unter einer beschränkten Alleinherrschaft standen, konnte den Ungarn kein Recht erwach sen, zu den gemeinsamen Bedürfnissen des Reiches, als dessen Mitglied sie da standen, nur mit so viel Geld und Soldaten beizusteuern, als ihnen aus Gnaden zu bewilligen beliebte. Der Absolutismus hatte, obwohl er der Form nach ein solches Recht gewissermaßen anerkannte, seine Mittel, womit er doch stets dafür sorgte, daß jenes Recht nicht eine solche Gel¬ tung erlangte, als die Ungarn anstrebten. Während der absoluten Alleinherrschaft in dem westlichen Theile Oesterreichs wurde mit Ungarn nur ein Vertrag geschlossen, der sich auf den Verband dieses Landes mit den anderen Ländern bezieht. Das war die pragmatische Sanction, wodurch die Untheilbarkeit der Monarchie aus¬ gesprochen ward, als die Stände von Ungarn ebenso wie die Stände Böhmens und anderer Länder sich verpflichteten, der Herrschaft des Hauses Habsburg für die Dauer nicht blos seiner männlichen, sondern auch der weiblichen Descendenz unterworfen zu bleiben. Auf diesen Vertrag thun sich die gegenwärtigen Führerder politischen Bewegung in Oesterreich viel zu viel zu Gute, indem sie denselben so auslegen, als ob darum, wen dies der einzige geschriebene Vertrag war, zwischen ihnen und den anderen 367 Ländern nichts zu Recht bestünde, als das, was durch ihn verbrieft ist. Aber neben dem verbrieften Rechte der Dynastie haben auch die nicht ver¬ brieften, nichts destoweniger aber Wohl erworbenen Rechte der Völker ihre Geltung. Durch die pragmatische Sanction wurde an den alten Verhält¬ nissen nichts anderes geändert, als daß nach dem Aussterben der männli¬ chen Descendenz des Hanfes Habsburg künftighin auch die weibliche Des- cendeuz das Recht der Nachfolge haben solle. Die pragmatische Sanction hat nirgends ausgesprochen, daß in Hinkunft zwischen Ungarn und den übrigen Ländern nur eine Personalunion nach moderner Sprachweise bestehen solle. Die pragmatische Sanction hat alles beim Alten belassen, sie hat die Selbst¬ ständigkeit Ungarns in der Weise bestätigt, wie sie bis dahin bestanden hatte. Wäre die pragmatische Sanction nicht gewesen, so hätten sich die ungarischen Länder, die böhmischen Länder, und die Länder der altösterrei- chischen Herrschaft von einander getrennt, und jedes dieser drei politi¬ schen Ganzen hätte einen anderen Herrscher gewählt oder angenommen, falls sie in dem bisherigen Verbände keinen rechten Vortheil gefunden hätten. Ob diese Trennung eine ganz einfache Sache gewesen wäre und ob dieselbe ohne alle gegenseitige Abrechnung hätte stattfinden können, daran ist hier wenig gelegen. Aber die Länder haben anerkannt, daß sie in dem bisherigen Verbände ihren Vortheil finden; denn eben deßhalb haben sie ja die pragmatische Sanction beschlossen, ehe noch der Mannesstamm des Hauses Habsburg ausgestorben war. Die Länder verlängerten die Dauer jenes Verbandes bis zu dem Aussterben der weiblichen Descedenz und setzten demselben keine neuen Bedingungen für die Zukunft. Darum steht dieser Verband ganz in derselben Weise aufrecht, wie er ursprünglich geschlossen war, und Niemanden steht es zu, sich nach seinem Belieben dem allen zu entziehen. Der ursprüngliche Verband der Länder der ungarischen, böhmischen und altösterreichischen Herrschaft war aber, wie bereits nach gewiesen worden ist, keine Personalunion, wie man dieses Wort zu unserer Zeit zu verstehen pflegt, und kann es daher ohne Rechtsverletzung auch künftighin nicht sein. Selbst Eötvös gibt in seinem obengenannten Werke diese Realunion Wischen Ungarn und Oesterreich zu, indem er S. 41 schreibt: „Es ist bekannt, daß trotz der nationellen Selbstständigkeit Ungarns Vie besondere Gesetzgebung des Landes auf die auswärtigen und Handelsverhältnisse der Monarchie keinen Einfluß geübt hat, und daß die direkte Steuer, welche durch den Landtag votirt ward, nur einen geringen Theil der gesummten Staatseinnahmen ausmachte, so daß es sich füglich behaupten läßt, daß in Hinsicht der auswärtigen Angelegenheiten, des Krieges, der Finanzen und des Handels Ungarn vor dem Jahre 1848 fast ebenso absolut regiert wurde, als die übrigen Provinzen." Der durch die bloße Personalunion angestrebte Dualismus ist auch: Schwächung und Untergang Oesterreichs. Darüber äußert sich die „Stimme aus Böhmen" wie folgt: Wenn das, was der ungarische Landtag anstrebt, gelingt — aber 368 wir hoffen, bis dahin ist es noch immer weit — dann werden in der östlichen Hälfte der österreichischen Monarchie die Magyaren unbehindert ihre gewaltthätige Herrschaft über Slaven und Rumänen ausüben, in der westlichen Hälfte hingegen werden die Deutschen in ihren Bemühungen um Unterdrückung des Slaventhums fortfahren, allerdings nur so lange, als es die zum neuen Leben erwachten Völker geduldig werden ertragen wollen. Aber mögen die jetzigen Leiter Oesterreichs Wohl bedenken, daß eS sich dabei nicht allein um das Loos von 16 Millionen Slaven und 3 Millionen Rumänen handelt, welche die größere Hälfte der Bevölkerung unseres Reichs ausmachen. Wir möchten sagen, es handle sich um die Existenz der österreichischen Monarchie, wenn wir uns nicht gegenwärtig hielten, daß damit nicht viel Ergreifendes gesagt wäre. Uebrr den Untergang Oesterreichs wird sich der Ungar leicht trösten, wenn nur aus den Trümmern desselben das längst geträumte großungarische Reich emporsteigt, und der Deutsche wird beglückt sein in dem An¬ schlüsse an das große deutsche Vaterland, welches er mit einem Male durch die Beiziehung der seiner Herrschaft unterworfenen westslavischen Länder bereichern wird. Sagen wir es daher offen, so lange dazu noch Zeit ist, es handelt sich um die Spaltung, Erniedrigung, ja um die endliche Vernichtung der Herrschaft des Hauses Habsburg-Lothringen im mittleren Europa. Die Ungarn wollen, daß ihr Verhältniß zu der übrigen Monarchie auf der Grundlage einer bloseu Personal-Union geregelt werde, erstens, weil es so ihr altes unantastbares Recht fordert, zweitens — Baron Eötvös sagt es mit klaren Worten — weil sie Deutschland nicht hindern wollen, daß es sich ganz, also mit Inbegriff der österreichischen Län¬ der, welche zum deutschen Bunde zählen, aus einem bloßen Staatenbunde in einen Bundesstaat verwandle. Was verstehen die Ungarn unter einer Personal-Union? Eine solche Einheit, bei welcher sie Alles von der übrigen Monarchie abgesondert hätten, ein eigenes Heer, eigene Reichsfinanzen, folglich auch ihre abge¬ sonderte Leitung der auswärtigen Angelegenheiten, weil ohne gemeinsames Heer und ohne gemeinsame Finanzen eine Einheit gegenüber auswärtigen Nachbarn nicht Wohl denkbar ist, und dabei nur die gemeinsame Person des Herrschers, neben welcher auf der einen Seite ein ungarisches Mi¬ nisterium, auf der andern ein Wiener Ministerium stünde, die wechsel¬ seitig Verträge schließen oder aber wechselseitig sich bekriegen könnten; und zwar Alles unter dem Schatten des Thrones eines und desselben gemeinsamen Herrschers. Was verstehen die Deutschen unter dem einigen Deutschland oder unter dem deutschen Bundesstaate? Einen solchen Verband, worin alle m dem jetzigen deutschen Fürstenbunde inbegriffenen Länder eine gemeinsame Centralgewalt, das heißt, einen gemeinsamen deutschen Kaiser hätten (ob er sich dann nicht gleich so nennen, sondern für einige Zeit sich noch mit einem andern Titel begnügen würde), und an seiner Seite ein deutsches Parlament, welche zusammen allen deutschen Ländern und Fürsten Gesetze zu geben, über ihre Kräfte zu verfügen hätten. Und wer soll es sein, der 369 neue deutsche Kaiser? Der Kaiser von Oesterreich kann es nicht sein. Das beweist Eötvös recht wohl; denn die übrigen europäischen Großmächte, wie er meint, würden die Entstehung eines Reiches mit 70 Millionen Einwohnern im Herzen Europas nicht zugeben, welches vorhanden wäre, wenn der deutsche Kaiser, zugleich auch über die Länder der ungarischen Krone, wenn gleich aber nur auf Grundlage der Personalunion herrschen würde. Wenn wir aber die Entstehung eines einigen deutschen Bundes¬ staates zugeben, so versteht es sich von selbst, daß an seiner Spitze der König von Preußen stehen würde; und wenn nach der Rechtsanschauung des Eötvös die westliche Hälfte Oesterreichs dem deutschen Bundes¬ staate verfallen muß, so wird der jetzige Kaiser von Oesterreich künftig allerdings ein Untergeordneter des jetzigen Königs von Preußen sein, so wie alle andern deutschen Könige und Fürsten. Denken wir uns die deutsche Centralgewalt im Anfang wie wir wollen; denken wir uns beiläufig, wie es die preußische Regierung seit einigen Jahren anstrebt, daß diese vorläufig nur den Oberbefehl über die ganze Kriegsmacht des Bundes in ihre Gewalt bekäme. Eines wird sich aus dem andern geben; wer sich zu dem ersten Schritte entschließen wird, der wird sich allem Folgenden unterwerfen müssen. Das deutsche Par¬ lament, welches die Truppen bewilligen wird, wird auch die Reichssteuern zn dessen Unterhaltung bewilligen; es wird sie auf die einzelnen Länder um¬ legen, es wird sie je nach Bedarf durch Militärexecution eintreiben lassen. Der deutsche Kaiser, welchem solchergestalt die Kriegsmacht und die Finan¬ zen des Reiches in dem deutschen Bundesstaate zur Verfügung stehen werden, wird seiner Zeit im Stande sein, alles unter seine Gewalt zu bringen, bis die goldene Zeit herankommt, da es den deutschen Centra- listen möglich sein wird, über die papiernen uralten Rechte des Königs von Baiern, des Königs von Sachsen, des Erzherzogs von Oesterreich zu spotten, so wie jetzt die österreichischen Centralisten über die Königreiche und Länder im Bereiche der Februarverfassung — wir hoffen, daß noch allzu früh — spotten. Bis diese Zeit gekommen sein wird, und ehe sie kommt, wird es Wohl dem österreichischen Kaiser möglich sein, sich mit der Macht seiner ganzen Monarchie, wie sie jetzt besteht, gegen die Benachtheiligungen von Teile des neuen deutschen Kaisers zu wehren? Wird er dazu die Streit¬ kräfte der ungarischen Krone benützen können? Keineswegs! Denn zwischen Ur ungarischen Krone und seinen übrigen Ländern gibt es nur eine Per¬ sonalunion: die Ungarn geht cs nichts an, was in den übrigen österrei¬ chischen Ländern geschieht; Baron Eötvös sagt es ausdrücklich, daß die Ungarn den Rechten des deutschen Volks, den Rechten, welche Deutschland auf die österreichischen Länder als untrennbare Theile des deutschen Rei¬ ches besitzt, sich nicht widersetzen dürsten. Ohne die Mithilfe Ungarns wird aber der österreichische Monarch der Uebermacht des übrigen Deutschlands "icht zu widerstehen vermögen, und daher kann es dann nicht anders kom¬ men, als daß der Kaiser von Oesterreich, sobald er die Rechte der unga- 370 rischen Krone auf Grundlage der bloßen Personalunion anerkennt, sich den Bestrebungen der deutschen Nation nach der Errichtung eines einigen deut¬ schen Reiches auf Gnade und Ungnade wird ergeben müssen. In der west¬ lichen Hälfte des jetzigen österreichischen Kaiserstaates wird er der souve¬ ränen Gewalt verlustig werden, er wird zuerst ein abhängiger Fürst (Souve¬ rän), dann wahrscheinlich seiner Zeit vollends mediatisirt werden; in der östli¬ chen Hälfte wird er allerdings König von Ungarn sein; wie lange jedoch, das wird von den Schicksalen des künftigen ungarischen Reiches abhängen, von welchen zu prophezeien wir auf diesem Orte unterlassen können. Das durch die Reden auf dem ungarischen Landtage enthüllte Geheimniß ist demnach, daß eine große Gefahr für die österreichischen Slaven und eine große Gefahr für die österreichische Dynastie vorbe¬ reitet wird. Bis jetzt hat daS Haus Habsburg-Lothringen über die österreichischen Völker geherrscht, als Erbe der Könige von Böhmen, der Könige von Ungarn und der Fristen der deutsch-österreichischen Länder, allen seinen Völkern in gleicher Weise angehörig, in alter echter patriarchalischer Legitimität. In Zukunft soll es anders sein. Das Haus Oesterreich soll nur in Ungarn herrschen, natürlich nur unter der Bedingung, daß es als Werkzeug zur Ausübung der Herrschaft des magyarischen Volksstammes über die übrigen Nationalitäten in den Ländern der ungarischen Krone wird dienen wollen, denn die Magyaren wollen künftig die eigentlichen Herrscher sein über dieselben. In den übrigen Ländern ihrer Herrschaft sollen die Nachkommen Rudolphs von Habsburg gehorsam abwarten, wie das Parlament zu Frankfurt über ihr Schicksal noch entscheiden werbe; sie sollen ohne Widerspruch ein Stück ihrer Souverenitätsrechte nach dem andern sich entziehen lassen, bis diese gänzlich verschwinden werden; dem diese Rechte soll in Zukunft das deutsche Volk ausüben. Darum handelt es sich! Das ist der von den Ungarn und Frankfnrtisten angestrebte Dm lismus: Er ist eine Rechtsverletzung — der Untergang Oesterreichs! Oesterreich hat das Recht und die Pflicht, alles, was es besitzt, zu behaupten, alle seine Rechte und Länder zu beanspruchen, und alle verschie¬ denartigen Theile zu einem harmonischen, zeitwürdigen Ganzen, zn der Einheit einerGroßmacht zu vereinigen. Oesterreich ist eine europäische Nothwendigkeü, ja es ist mehr noch: Oesterreich ist eine geografische, politische, nationale und sociale Nothwendigkeit. Wehe Europa ohne Oesterreich! Darum hin¬ weg mit dem dasselbe lähmenden und gefährdenden Dualismus! Was wir wollen: „Die Einheit Oesterreichs," das haben wir klar und offen ausgesprochen; aber nun das Wie? da sitzt — eben der Hast im Pfeffer, das ist eben jene Frage, worüber sich die ersten Staatsmänner schon lange -— und wie es den Anschein hat — leider ohne bemerkbaren Erfolg den Kopf zerbrechen. Dieses „Wie" ist aber nicht blos eine schM rige, sondern auch eine halsbrecherische Frage, — sic ist es ja eben, welche bei den letzten Preßprozessen und schweren Vernrtheilungen die Hauptrolle spielte. Auch ist es sehr leicht, sich hinter dem Schreibpnlte über die un 371 garische Frage einen Plan auszudenken, der sich am Papiere köstlich ans- nimmt, und leicht ausführbar erscheint. Aber ganz anders ist es in der wirklichen Praxis. Endlich wurde dießbezüglich schon so viel geschrieben und gesagt, daß man nichts mehr Neues sagen kann: und doch scheint Alles in den Wind hinein geschrieben und gesprochen worden zu sein. Weil wir indessen schon unsere Gedanken über den Aufbau von „Neuösterreich" da-rzulegen begannen, so wollen und können wir auch hin¬ sichtlich der ungarischen Frage nicht hinter dem Berge halten, und wollen bündig und aufrichtig unsere Ansichten mittheilcn. Zuerst müssen wir unsere feste Ueberzeugung aussprechcn, daß die ungarische Frage so weit gekommen ist, daß sie Niemand rasch und fried¬ lich anSgleichen kann, als nur Se. Majestät der Kaiser selber. Wären wir also der Kaiser, so würden wir die Landtage in Pest, Agram und Siebenbürgen so schnell als möglich einbernfen, und würden mit ihnen direkt und persönlich über die Erzielung der Einheit verkehren. Als Ausgangspunkt würden wir die Grnndzüge des unwiderruflichen Atobcrdiploms erklären und uns und den Landtagen die in der Antwort uns die Adresse des Abgeordnetenhauses enthaltenen Worte als ein unab¬ änderliches Prinzip gegenwärtig halten: „Die Autonomie (der Königreiche md Länder) ist an eine Bedingung ihrer Möglichkeit, an die gewissenhafte Erfüllung der gemeinsamen Pflichten gegen das mächtige Ganze gebunden. Die Anwendung dieses Prinzips auf diejenigen, welche dasselbe verkennen oder mißachten wollen, ist allerdings eine Nothwendigkeit; aber ich hoffe, sie wird sich auf möglichst enge Grenzen beschränken lassen." Nach den Prinzipien der möglichst großen Autonomie der einzelnen Ander würden wir also in den Verhandlungen vorgehen. Wir würden Aher den gedachten Landtagen folgende Propositionen vorlegen: Revision der Gesetze von 1848 ans Grundlage der Einheit und Nntheilbarkeit der Monarchie. Als nothwendige Bedingung jedes Ausgleiches würden wir fordern: n) Einheitliche Vertretung nach außen und ungeteilte Behandlung aller Fragen der auswärtigen Angelegenheiten; — nach außen gibt es kein Ungarn, kein Böhmen, kein Kärnten, es ist mir ein Oesterreich. b) Einheit und Nntheilbarkeit des Reichsheeres und des ausschließlich 'n den Händen des Monarchen ruhenden Oberbefehles über das ganze nngetheilte österreichische Heer. «) Gemeinsame Behandlung des Staatskreditswesens und der Reichs- Inicnizen. DaS ist einer der heicklichstcn Punkte; aber es steht von der ^uisicht der ungarischen Staatsmänner zu erwarten, daß sie die nothwen- °>ge Nachgiebigkeit an den Tag legen werden! Wir würden also die Be Schmig des Budgets für die Reichserfordcrnisse im wahren und wirklichen «ume des Wortes als einen Gegenstand der genieinsamen Bcrathnng der ^Eer, also des Reichsrathes, erklären, die Steucrumlage und die Einbrin- gung per repartirten Beträge würden wir jedoch den Landtagen überlassen. 24* ' 372 So wird das Steuersystem im Lande den thatsächlichen Verhältnissen des¬ selben angepaßt, und auch dem alten Rechte dieser Landtage Genüge ge¬ leistet ; denn keine außerhalb des Landtages ausgeschriebene Steuer dürfte und könnte dann im Lande zur Einhebung kommen. tung, welche die Majorität des Landtages im I. 1861 einschlagen uu die ganze Bewegung des I. 1848 und 1849 desavouiren zu müssen erachf hat, höchlichst bedauern. Aber wir hoffen von dem gesunden und pra tischen Sinne des kroatischen Volkes, es werde die ohnehin bedeutende norität des Landtages vom I. 1861 zur Majorität drängen und unter Garantie der Autonomie und Nationalität die so hochherzig dargebotheu Hand des Königs mit Freuden erfassen. 373 Bezüglich des ungarischen Landtages appelliren wir auf die politische Charakterfestigkeit der einflußreichsten Männer Deak und Eötvös. Dieser möge die in seinem obzitirten Buche niedergelegten Grundsätze wieder auf- nehmen und seinen großen, wohlverdienten Einfluß aus den ungarischen Landtag dahin geltend machen, daß Oesterreich nach dem Programm ein¬ gerichtet werde, dessen Umrisse er so meisterhaft gezeichnet. Deak aber erklärt in der von ihm verfaßten Adresse, daß die ungarische Nation bereit sei, in gemeinsamen Angelegenheiten von Fall zu Fall als freie Nation mit den übrigen Völkern Oesterreichs als ebenfalls freien Völkern in ge¬ meinsame Berathung zu treten. Sollte jedoch gegen alle vernünftige und gegründete Erwartung auch auf Grund so hoch- und freisinniger Propositionen mit dem einberufenen Landtage keine Vereinbarung erzielt werden können, so wäre derselbe un¬ verweilt aufzulösen, und durch unverweilt auszuschreibende Neuwahlen das Land noch einmal zu befragen. Im Falle auch dieser neue Landtag ohne Erfolg aufgelöst werden müßte, wäre jeder weitere Weg zur Ausleichung auf dem Boden der un¬ garischen Verfassung erschöpft, und dadurch vor Europa der klare Beweis geliefert, daß Ungarn von einem Vergleiche nichts wissen wolle. In diesem traurigen Falle müßte die Negierung an die einzelnen Nationalitäten Ungarns appelliren, und ungesäumt unmittelbare Wahlen einleiten. Wenn nicht alle Anzeichen trügen, so werden die Slaven, Ro¬ manen und Deutschen Ungarns — bei dieser von der Krone offen erwie¬ senen äußersten Nachgiebigkeit ihrer alten Politik getreu und ihren Vor- theil sehr wohl erkennend, — gewiß geneigt sein, im Wege der unmittel¬ baren Wahlen von den ihnen eingeräumten Rechten Gebrauch zu machen und den Gesammtreichsrath zu beschicken. Es kann jedenfalls die traurige Nothwendiqkeit eintreten, einen oder den andern, nach Erschöpfung aller möglichen Mittel dennoch widerspensti¬ ge Theil der Monarchie zeitweilig zu kontumaziren. Bei Durchführung dieser wohlverdienten Züchtigung würde jedoch die Regierung auf die kräf¬ tigste Unterstützung aller übrigen Nationalitäten mit Zuversicht rechnen kennen und dadurch in der Lage sein, die Opponenten zur Erfüllung ihrer Pflichten gegen die Gesammtmonarchie mit Nachdruck zu verhalten. Schon steht die ungarische Frage über Jahr und Tag immer auf demselben Flecke und hemmt die gedeihliche Entwicklung unsers jungen konstitutionellen Lebens. Das erfüllt jeden Patrioten mit tiefer Betrübniß. Sie muß gelöst werden im Sinne der Einheit und Unzertheilbarkeit der österreichischen Monarchie. Jeder österreichische Patriot hofft mit Zuver¬ sicht: Se. Majestät wird zur rechten Stunde — und möchte diese glückliche Stunde recht bald schlagen! — in seiner angebornen Geistesschärfe und Herzensgüte und erprobten staatsmännischen Weisheit als Versöhnungs¬ engel zwischen die Länder dieß- und jenseits der Leitha hintreten, auf dem Wege der größtmöglichen Nachgiebigkeit und der größtmöglichen Autonomie die nothwendige Einheit ^und Unzertheilbarkeit Oesterreichs zu Stande 374 bringen. Durch diese Einigkeit wird Oesterreich zu einer Kraft und Machi und durch die Kraft und Macht zu einein Glanze und Einflüße gelangen, wie in der Geschichte kein Beispiel davon zu finden, wie er aber einer Großmacht im Mittelpunkte und Herzen Europas mit Recht gebührt. Gott gebe hiezu seinen Segeu! Korrespondenzen. * Klagenfurt. (Wahlen der Abgeordneten.) Wir müssen schon wieder von den Wahlen ein Wörtlein sagen. Einmal ist das Wahlrecht eines der schönsten und ehrenvollsten Rechte eines Staatsbürgers: auch ich — und wäre ich der letzte und ärmste der Wähler — kann durch eine glückliche Wahl Mitarbeiten an dem Aufbaue meines theuern Vaterlandes. Eben darum ist es aber auch eine wichtige und wesentliche Pflicht, und derjenige rede ja nicht von Vaterlandsliebe und Patriotismus, der sich ohne den wichtigsten Grund an der Wahl nicht betheiliget oder nicht wählt nach bestem Wissen und Gewissen. Endlich möge man das ja nie vergessen, daß sich die Gegner der jungen constitntionellen Freiheit — und deren Zahl ist groß und ihr tLinfluß mächtig — über die Kälte und die Teilnahms¬ losigkeit an den Wahlen ganz selig die Hände reiben, fleißig alle Fehler ins schwarze Buch einschreiben, um vielleicht seiner Zeit mit dem Sünden¬ register hervorzutreten und zu sagen: Es geht bei uns noch nicht, das Volk ist für die Selbstständigkeit bei weitem noch nicht reif: also! Aber nicht das ist es, was uns veranlaßt, diese Zeilen über die Wahlen zu schreiben, sondern die beiden letzten Wahlakte zu Klagenfurt und Hermagor fordern uns dazu auf. Ehrend für die Herrn Wähler in Klagenfurt war es, daß sic so >>> geschlossenen Reihen in die Wahlschlacht zogen, und so den Beweis für eine geschehene Vereinbarung auf 2—3 Vertrauensmänner lieferten. Ge¬ wiß hätten sie sich auf Einen Mann geeinigt, wenn das für den Wahlakt bestimmte Lokale nicht jede Besprechung geradezu unmöglich gemacht hatte. Während die schönen Landhauslokalitäten sich anstandslos und häufig blo¬ ßen Unterhaltungen öffnen, mußten die 130-140 Wähler, wie eine Heerde Schafe zusammengepfercht, sammt der hohen Wahlkommissiou mit dem Vorzimmer eines Saales vorlieb nehmen. Von einer Ansprache eines Kanditaten an die Wähler oder von einer Wahlbesprechnng gerade unmit¬ telbar vor der Wahlhandlung konnte keine Rede sein. Ans der Wahl zu Klagenfurt und Hermagor gingen Männer hervor, welche beide dem 37S Aeamtenstande angehören. Wir haben gegen keinen Stand eine vor¬ gefaßte Meinung, am allerwenigsten gegen den geehrten Beamtenstand. Wir kennen die beiden gewählten Herren nnd müssen sowohl den Wählern als auch dem Lande wegen der wirklich glücklichen Wahl nur herzlich gratulieren. Indessen das hindert uns nicht, über die Wahl der Beamten zu Depntirten unsere Meinung offen auszusprechen. Der Fall ist nicht selten, daß sich die Ansichten der -Regierung und der Volksvertretung wider¬ sprechen. An welche Seite wird sich der Beamte schlagen? Der Justiz- Beamte ist noch am meisten von der Regierung unabhängig; der politische Beamte hingegen ist ganz in den Händen derselben. Von ihr hat er seinen Gehalt, von ihr hofft er Beförderung, von ihr befürchtet er seine Ent¬ lassung; und dazu steht er nicht allein da, sondern hat eine zahlreiche Familie und vielleicht gar kein Vermögen. Welch peinliche Stellung für dm Ehrenmann! Daher geschieht es nicht selten, daß gerade die einsichts¬ vollsten und ehrenhaftesten Charaktere die Wahlen gar nicht annehmen oder dann ihre Mandate niederlegen und das evangelische Wort bestäti¬ gen : „Niemand kann zweien Herren dienen." Möchten das die Herren Wähler ja beherzigen! Auch die Frage kam bei beiden Wahlen vor: „Sollen wir nicht auch einmal einen Geistlichen W ätz- len?" Da läßt sich's denken, wie es von gewisser Seite erscholl: Bei Leibe nicht: nur keinen Pfaffen. Wie gesagt, wir haben gegen keinen Stand eine vorgefaßte Meinung, also auch gegen den Priesterstand nicht, lleberall sind für die Wahl taugliche, überall auch untaugliche Männer. Wir stellen uns ganz auf den objektiven Standpunkt nnd fragen einfach: Welche Eigenschaften soll vernünftiger Weise ein Abgeordneter haben? Er sei gebildet! Bildung kann man dem Klerus nicht absprechen; die Buchhändler und Zeitungsverleger müssen Zeugniß ablegen, daß ge¬ rade der Klerus bei seinem schwachen Gehalte große Auslagen macht. Er sei Volks freundlich gesinnt! Wo ist eine wohlthätige, eine nützliche oder auch nur eine schöne Einrichtung, bei der sich der Klerus nicht glänzend betheiligen würde? Er sei ein Mann des Fortschrittes nnd der Freiheit. Wo Bildung, dort ist auch der Sinn für Fortschritt und Freiheit, na¬ türlich für christliche Freiheit nnd nur für diese kann jeder wahre Volks- niann sein, — und mancher Priester ist Manchen zu liberal. Er kenne das Volk nnd seine Bedürfnisse!! Wenn Je¬ mand so ist wieder der Priester, welche das Volk und seine Zustände am besten kennt. Selbst meistentheils aus dem Volke stammend, lebt er unter bem Volke, theilt mit ihm Leiden und Freuden, Erleichterungen und Lasten, »ud der soll das Volk nicht kennen?! Er sei selbstständig und unabhängig! Der Priester ist der unabhängigste, freieste Mann der Welt, vorausgesetzt, daß er nichts in der Welt sucht als Recht und Wahrheit. Allein steht er da, reißt Niemanden ins Unglück mit, nnd hat immerhin das Nothwendigste für den Lebensunterhalt. 376 Nebst diesen nothwendigen Eigenschaften ist es vom große» Vortheile, wenn der Abgeordnete die Gabe der Rede hat. Diese Gabe wird sich größtentheils erst durch die Uebung erworben. Darum ist der Priester, welcher vermöge seines Berufes oft öffentlich auftreten und rede» muß, eben wieder derjenige, bei welchem man auch diese Eigenschaft mit Recht erwarten kann. Bei solcher Sachlage ist es wahrlich kein Wunder, daß in Ga¬ lizien, Böhmen, Ungarn, Siebenbürgen, Croatien und Italien der Kle¬ rus auch in politischer Beziehung eine große Rolle spielt, und nur dort der Klerus zum Schweigen verurtheilt wird, wo die Angriffe auf die Kirche an der Tagesordnung sind. Es wird aber die Zeit auch in dieser Hinsicht das Dunkel zer¬ streuen und Recht und Wahrheit an das Licht bringen. Darum Kärntner! wählet, wählet zahlreich, wählet ohne Vorurtheil nach bestem Wissen und Gewissen! * Klagenfurt.Der zahlreichen Preß proz esse und die großartige» Strafurtheile müssen jeden konstitutionell gesinnten Staatsbürger mit Be- sorgniß und Furcht erfüllen. Wir haben das Strafgesetz aus den Zeiten des Bach'schen Absolutismus, haben aber keine Schwurgerichte, haben den Grundsatz der Unab setz bark eit des Richterstandes noch nicht aus¬ gesprochen. Und doch ist dieß Alles ein nothwendiges Erforderniß des wahren Constitutionalismus, daher wir alles dieß in konstitutionellen Staa¬ ten z.B. Schweiz, Belgien, England n.s.w. auch wirklich vorfinden. Wir müssen es daher tief bedauern, daß die Entwicklung des konstitutionellen Lebens noch nicht so weit gediehen ist, daß konstitutionelle Staatsbürger wenigstens wegen Preßvergehen von ihren Mitbürgern könnten gerichtet werden. Es dürfte sich inimer klarer Herausstellen, daß der hohe Reichs¬ rath einen großen Fehlgriff that, als er auf den Antrag und die Bemühun¬ gen des freisinnigen Herrn Hofrathes Ritter v. Tschabuschniggdie theilweise Einführung der Schwurgerichte für Preßangelegenheiten ver¬ warf. Wir hätten eine Preßjurh, und wir zweifeln sehr, ob über einen der Verurtheilten das „Schuldig" ausgesprochen worden wäre. Indessen das Mitleiden mit den Unglücklichen kann Niemand verbiethen und kann Niemand gerichtlich verfolgen, — und wir können mit Trost und Beru¬ higung sagen, daß diese unglücklichen Verurtheilten die Achtung und die Liebe ihrer Mitbürger auch in den Kerker hinein begleiten. Das traurigste dabei ist nur dieß, daß auch die berechtigtste Oppe sition dadurch eingeschüchterr und die ganze öffentliche Meinung, zum Nach¬ theile der Regierung selbst, nur nach einer Seite hin bearbeitet wird. Furchtsame Seelen stellen schon die Vermuthung auf, daß man, nachdem die oppositionelle Presse in den großen Städten Wien, Prag, Pest und Lemberg recht zahm oder wohl gar unmöglich gemacht worden iff ,daft man, so sagen diese falschen Profeten, die Aufmerksamkeit der kleinstädü schen Presse zuwenden und so die Länder, wie man zu sagen pflegt, in den normalen Zustand bringen wird. Es ist zu bedauern, daß diese alarmi' 877 - renden Gerüchte sogar noch Glauben finden können! Wir unserseits hegen diese Besorgniß nicht; wir haben eine zu hohe Meinung von der consti- tutionellen, liberalen Gesinnung unsers Ministeriums. Sollten wir uns jedoch irren und sich die Stimmen unserer Gegner erwahren und erfüllen, so ist unsere Ansicht folgende- Wie in den großen, so wird eö auch in den kleinern Städten Manner von Muth, Charakterstärke und politischer Bildung geben, Männer, welche in den Tagen der Prüfung für ihre gewiß nur bestge¬ meinten und loyalsten Grundsätze einzustehen und nötigenfalls auch Opfer zu bringen bereu sind. L. k. Klagenfurt. (Eine Petition an den Landesausschuß.) Wir sind in der Lage, unseren Lesern eine wichtige, den gesummten Grund¬ besitz Kärntens interessirende Nachricht mitzutheilen; die Gemeinden des Bezirkes: Umgebung Klagenfurt haben nämlich beim hohen Landes-Aus- schuße eine Petition überreicht, welche nm Jntervenirnng des h. Landes- Ausschusses wegen Aufhebung des Gebühren-Aequivalents und Rückerstattung der bereits eiugezahlten Beträge bezüglich der Jagd und der sogenannten Gemeiuweidcn, Waldungen :c. nachsucht. Wir können heute wegen zu großem Umfang der Petition dieselbe aus Mangel an Raum nicht registriren, werden dieselbe jedoch im näch¬ sten Hefte vollständig bringen; und deuten daher für heute nur an, daß in diesem Aktenstücke*) mit deutlicher und logischer Sprache unumstößlich nachgewiesen wird, daß die fraglichen Objekte keine Gemeinde- sondern Privatgüter sind, und als solche dem Gebühren-Aequivalente nach I. P. 106 U. s. pes a. h. Patentes nicht unterliegen. Da von dem Erfolge dieser Petition die Rückzahlung vieler tausende Gulden an sämmtliche Grundbesitzer Kärntens abhängt, so wäre sehr zu wünschen, daß auch die Gemeinden der übrigen Bezirke Kärntens ähnliche Petitionen beim hohen Landesausschuße möglichst schnell überreichen. Lob— t Klagenfurt. Der vor zwei Monaten begonnene Bau der Gasfabrik im Süden der Stadt schreitet rüstig der Vollendung ent¬ gegen und schon werden in Privat-Lokalitäten GaSröhren gelegt. Leider ist die Betheiligung von Seite der Privaten bisher nur eine spärliche zu nennen, was um so unbegreiflicher erscheint, als nach der binnen Kurzem beginnenden Legung der Hauptröhreu die Auschaffuugskostcn für Privat- Häuser bedeutend höher zu stehen kommen, als vor derselben und die Kosten einer Gasbeleuchtung, die immensen Vorthcilc eines reiner» und stärker« Lichtes abgerechnet, sich viel billiger Herausstellen, als die aller übrigen Beleuchtungs-Arten. Es herrscht noch ein gewisses Vornrheil iin Publi¬ kum, das sich auf die Gefährlichkeit des Gases stützt; allein, wenn man *) Die Adresse des Verfassers desselben ist bei der Redaktion der „Stimmen" M erfragen. 378 die massiven Einrichtungen überblickt, so erscheint eine solche Furcht wohl durchaus ungegründet und wollte man aus zufällige, nur durch besondere Unachtsamkeit der Parteien entstandene Nnglücksfälle Rücksicht nehmen, so müßten Eisenbahnen, Dampfschiffe, Telegrafen, alle Brenn-Apparate und mit ihnen die Gasbeleuchtung von der Erde verschwinden. Wer möchte aber dieß bevorworten? — Gewiß Niemand, denn der Fortschritt in Allem, der unaufhaltbar durch die Länder der Erde schreitet, läßt sich die geistbefiederten Schwingen durch engherzige Furcht nimmer mehr lähmen. In Betreff der Bahnhof-Straße nahmen in jüngster Zeit zwei Fragen die Thätigkeit des Gemeinde-Raches in Anspruch. Der Landes¬ ausschuß hatte den zum Straßenbau nöthigen landschaftlichen Grund von beiläufig 200 w Klafter der Stadtgemeinde zuerst unbedingt geschenkt, später aber für diese Schenkung die kostspielige Eindeckung des Feuerbaches vom Schulhause an, sowie die Abreißung des dort befindlichen Thores und das Eigenthumsrecht auf die Böschungsflächen von Seite der Ge¬ meinde angesprochen; wenn man bedenkt, daß die vormaligen Stände in Folge rechtskräftigen Erkenntnisses znr Abtragung des Kassamaten-Gewöl- bes aus Sicherheits-Rücksichten verpflichtet waren und das ständische Bau¬ amt mit Note vom 17 Juni 1858 Z. 187 erklärt hat, daß von ständi¬ scher Seite dagegen kein Anstand obwalte; wenn man ferner bedenkt, daß die Einwölbung des landschaftlichen Feuerbaches gleichfalls in der Ver¬ pflichtung der Landschaft gelegen wäre; wenn man endlich bedenkt, daß das Eigenthumsrecht der Landschaft auf die Böschungsflächen einer neuen Straße die Gemeinde in ihren Operationen nothwendig hindern muß, so scheint das Eingehen auf diese Verpflichtungen von Seite der Gemeinde geradezu unerklärlich, da letztere hiebei mit der einen Hand mehr vergibt, als sie mit der anderen durch Abtretung, eines kleinen unproduktiven Terrains erhält. Die zweite Frage berührt die Platz'sche Allee. Es kömmt nämlich die Bahnhofstraße in Verlängerung der Kanalgasse um 4 Schuh tiefer zu liegen, als oberwähnte Allee und es bildeten sich im Gemeinde-Rathe zwei Parteien, wovon die eine die Steigung der Straße und die unbedingte Erhaltung der Allee auf Kosten der Letzteren, die andere aber eine ebene Straße und die 8uees8iv6 Steigerung der Allee auf beiden Seiten befürwortete. Wenn man bedenkt, daß bei einem so wichtigen Baue, wie die Bahnhofstraße, an deren beiden Seiten sich Ge¬ bäude erheben werden, die Allee wohl nur als Nebensache erscheint, so müssen wir uns unbedingt für die Ansicht der letzteren Partei aussprechen. Es wäre ein großartiger technischer Fehler und die späte Nachwelt könnte es uns nicht verzeihen, wenn wir in Mitte dieser Straße einen Hügel hinstellen wollten, der den ganzen Ban verunstaltet und der umso unver »leidlicher ist, als sich die bis znr Allee gesteigerte Straße von dort ab sogleich wieder um beinahe 5 Schuh senkt. Jeder Vernünftige wird es zugeben müssen, daß die Bahnhofstraße gegenüber der Allee Hauptsache ist und bleiben muß, so wie er es nicht minder befürworten wird, daß die hübsche schaltenreihe Allee hiebei nach Möglichkeit, aber auch nur nach 379 Möglichkeit, geschont wird. Jedermann spricht gewiß sein Bedauern darüber aus, daß Basteien und Gräben unter dem vorigen ständischen Regimente theilweise verbaut wurden und hiedurch bei Anlegung von Neubauten und Rcguliruugen zahlreiche Hindernisse geboten sind, wir dürfen daher durch eine buckliche Straße, welche ganz leicht eben sein kann, dein Alleeshsteme nicht das Wort reden, wenn wir überhaupt Schön¬ heitssinn an den Tag legen wollen. — Der Umstand, daß wir in Kärnten, welches Vieh in Menge ausführt, das Ri n d fl e is ch viel theuerer haben, als in Provinzen und Städten, die nur von der Einfuhr leben, gab in jüngster Zeit im Gemeinde-Rathe Anlaß zu einer längeren Debatte, die von hoher Wichtigkeit ist, aber auch eine grelle Jnconsequenz zur Schau stellte. Der für Gemeinde-Interessen besonders thätige Gemeinde-Rath Haderer hatte nämlich, als sich bei der Feststellung des Fleischpreises gw Juni nach dem bisherigen Schlüssel der Preis für 1 Pfund Rind¬ fleisch auf den enormen, noch nie dagewesenen Betrag von sünf und zwanzig Kreuzer entzifferte, mit Hinweisung auf die Unrichtigkeit des bisherigen Schlüssels, den Antrag gestellt, künftighin die Fleisch-Satzung wieder nach dem vorigen Schlüssel, laut welchem sich das Pfund Rindfleisch nm 1-/2 kr. billiger herausstellt, zu bestimmen; diesen Antrag ergänzte der Gemeinderath bw. Edlmann dahin, daß dieser Schlüssel schon vom 1. Juni an in Anwendung zu bringen sei und eine große Majorität des Gemeinde-Rathes stimmte bei. In der deshalb anberaumten außer¬ ordentlichen Sitzung stellte sich das Pfund Rindfleisch wirklich mn 1'/, Kreuzer billiger heraus, allein dessen ungeachtet wurde der frühere Be¬ schluß gegen alle Geschäftsordnung unbeachtet gelassen und Gemeinde-Rath Ur. Edlmann bekämpfte nunmehr sein eigenes bereits zum Beschlüsse erho¬ benes Amendement, was wir jedenfalls als Curiosnm verzeichnen zu müssen glauben. Der Preis für 1 Pfund Rindfleisch wurde sohin provisorisch bis »um 15. Juni 24 V» kr. festgesetzt, bis wohin nach dem Anträge des Ge- meiude-Rathes v. Hueber ein verbesserter Schlüssel zur Geltung kommt, der uns jedenfalls billigeres Fleisch liefern wird. Die Lösung der Fleisch- Preisfrage in Klagenfurt, so unbedeutend sie Manchem erscheinen mag, ist und bleibt ein Gegenstand von höchster Wichtigkeit, der tiefins Leben umgreift und namentlich die Interessen der ärmeren Volksklassen schnei¬ dend berührt. Noch haben wir den Bau einer Zigarrenfabrik in südlicher Verlängerung des Landwirthschastsgartens zu verzeichnen. Um die Erhal¬ tung dieser Fabrik zu ermöglichen, hat die Stadtgemeinde das lobcns- werthe Opfer gebracht, den Baugrund ans eigenen Mitteln auzukanfen; dieses Opfer erscheint umsomehr gerechtfertigt, als die Stadt nebst Umge¬ bung durch die ehrliche Versorgung von mehr als 600 Mädchen, dnrch ben gesteigerten Verkehr von mehr als 50.000 fl., welche diese Mädchen verdienen und durch die Rnckerlangung der Waisenhaus-Kaserne zu Mi- litär-Beqnartirungszwecken bedeutend gewinnt und die Last der Einqnar- tirung jedenfalls beschränkt wird. — Unser Vaterländisches Regi- 380 ment ist nach 16jähriger Abwesenheit in seine Heimath zurückgekehrt, es ist bereits eine bekannte Sache, daß der Empfang von der Grenze Kärn¬ tens an ein herzlicher war, daß fast jedes Dorf eine Ehrenpforte errichtete und daß Klagenfurt nichts verabsäumte, seine tapfern Söhne würdig zu empfangen. Die Regiments-Kapelle hat sich bereits zweimal im Maßt- und im Ochsengarten unter großem Volkszudrange öffentlich pro- duzirt und der allgemeine Beifall ist der sicherste Bürge für die Vor¬ trefflichkeit ihrer Leistungen. Hat der höhere Eintrittspreis von 20 kr. sowie die mindere Güte von Speisen im Maßlgarten, dem Besuche dort einigen Eintrag gethan, so müßen wir die Soirse im Ochsengarten mit einem Eintritte von nur 10 kr. als ein wahres Volksfest bezeichnen. Bei 1500 Menschen haben an diesem Tage die schönen Garten-Lokalitäten des oberwähnten Gasthauses besucht, die Getränke waren gut und frisch, die Speisen ebenbürtig und was wir vor Allem lobenswerth anerkennen müssen, die Bedienung durch beiläufig 15 Personen war eine derart überraschend schnelle, daß wirklich nichts zu wünschen übrig blieb. Der Pächter Johann Grünanger hat sich hiebei als ein Wirth von Takt bewiesen, der selbst dem größten Menschenzudrange ans allen Schichten der Bevölkerung zu genügen versteht. Mögen solch' heitere Abende viele wiederkehren! Zeitungsrevne. Wo es eine kirchliche oder nationale Frage gilt, da ist die „Zei¬ tung für Kärnten" immer an der Seite unserer Gegner. Ganz natürlich! Gehört ja doch Haß gegen alles Kirchliche, Schmähung und Unterdrückung der Nationalität zu den charakteristischen Kennzeichen des modernen Liberalismus. Und zu diesem Liberalismus bekennt sich die „Zeitung für Kärnten" und sie würde sich noch offener bekennen, wenn ihr nicht die Besorgnis um die Pränumerauten aus der „schwarzen Partei" Mäßigung gebie¬ ten würde. Sie mag aber immerhin gegen Kirche und Nationalität ankämpfen, nur um Eines bitten wir: Ehrlichen Kampf meine Herren! In der Sitzung vom 23. Mai hat im Reichsrathe die Linke ihrer Erbitterung gegen die weiblichen Ordensgesellschaften Luft gemacht und gegen die armen wehrlosen Frauen alle möglichen Waffen gerichtet. Diesen Bericht schließt die Zeitung für Kärnten mit den Worten: „Nicht einer der in der Sitzung anwesenden Prälaten erhob sich, um für die „from¬ men Schwestern" in die Schranken zu treten." Ist das ehrlich, wenn man die Sitzungs-Berichte des Reichsrathes seinen Lesern verfälscht? Der Prälat vr. Alb. Eder hat sogleich für die barmherzigen Schwestern das Wort ergriffen. Die „Ztg. für Kärnten würde nur einfache Gerechtigkeit üben, wenn sie diese thatsächliche Be¬ richtigung bringen würde: Lüge „ist eines anständigen Blattes unwürdig. 381 Herr Hofrath Ritter v. T s ch a b n s ch n ig g, Abgeordneter von Kärn¬ ten, zeigt sich im Reichsrathe als einen besonderen Feind der wahren Durchführung der nationalen Gleichberechtigung, vr. Toman hat seine Einwürfe gebührend gewürdigt und „siegreich" widerlegt: denn der I)r. Toman'sche Antrag wurde ungeachtet aller Tschabuschnigg'schen Beredsam¬ keit im Reichsrathe angenommen, die „Zeitung für Kärnten" sagt: leider angenommen. Wir sind also der Mühe überhoben, die Gründe des Be¬ richterstatters Tschabuschuigg zu widerlegen; wir fragen blos: Was versteht der Herr Hofrath unter der „vollkommenen" Kennt- niß der slovenischen Sprache? Wir fürchten, daß die ganze sprachliche Voll¬ kommenheit darin bestehen wird, daß die gemeinten Herren eine slove- nische Mutter hatten, und etwa slovenisch so reden, wie ein deutscher Bauer deutsch spricht, der deutsch weder lesen noch schreiben gelernt hat. Oder aber, daß sie von wem immer ein Zeugniß erhalten haben, daß sie einmal die slowenische Sprachlehre in die Hände genommen haben. — Wir fragen ferners: Wenn der Herr Hofrath schon über 30 Jahre als Justiz- beamte in dem Sprengel der Oberlandesgerichte Graz und Triest fnngirt und eine solche Achtung vor der slovenischen Nationalität hat, warum er sich doch die slovenische Sprache in diesem großen Zeitraum nicht angeeignet hat? — Wir fragen weiters: Wenn der Hofrath in der Sprachenfrage nach seinem eigenen Gestandniß: „Ich habe allerdings nicht vorausgesetzt, daß die Sprachenfrage auf jedes Kapitel des Ausschuß-Berichtes ihre Schatten werfen werde" — nicht besonders orientirt zu sein scheint, wie er sich gerade in Hinsicht der Spracheufrage ein so gewichtiges, so ent¬ schiedenes und so entscheidendes Wort mitzureden getraut? Endlich fragen wir: wo er denn seine statistischen Daten über die Beamten Kärntens geholt hat, laut deren in Kärnten allenthalben, wo die Bevölkerung slovenisch spricht, auch die genügende Anzahl slovenischer Beamten vorhanden ist. Wahr ist es, daß es dießbezüglich in der neuern Zeit besser ist, daß aber dennoch vieles zu wünschen übrig bleibt. Möge die „Zeitung für Kärnten" und Compagnie die Kirche und Nationalität immerhin bekämpfen, und vielleicht sogar darin ihren erha¬ benen Beruf: „deutsche Bildung in alle Gauen Kärntens fortzupflanzen und zu verbreiten" zu finden und am ausgiebigsten zu realisircn vormei¬ nen: wir unserseits werden für die Kirche und Nationalität kräftig einstehen, Brüderlichkeit und Liebe aller Religionen und Nationalitäten mit Wärme anempfehlen und so dem theureu Vaterlande gewiß am meisten nützen. * „Reichsrath und Concord at". Unter diesem Titel bringt die „Reform" des Franz Schuselka in Nr. 23 folgenden Artikel: „Das Concordat hat im Reichsrath gesiegt; und das war vom ersten Moment der großen Debatte au vorauszusehen. Das Concordat ist in riesigem Verhältnis mächtiger als unser Reichsrath. Das Concordat beruht auf einer großen, kühnen, ja sogar poetischen Idee, es ist der Aus¬ druck eines gewaltigen welthistorischen Princips, es hat begeisterte Anhän¬ ger, welche 'm strenger Parteidisciplm mit unbedingtem Gehorsam, mit 382 aufopfernngsfähiger Hingebung ihrer Sache dienen. Der Reichsrath dage¬ gen hat seiner Entstehung und Zusammensetzung nach einen vorwiegend bu- reaukratischen Charakter, er ist nicht von schwungvollen Ideen bewegt, er tritt nicht für große Principien in die Schranken, er arbeitet blos nach Ge¬ legenheitsrücksichten und Utilitätsgründen, er hat kein einiges zuversichtliches Bewußtsein, er ist in Parteien zerklüftet, unter denen leider eine princi- piell freisinnige fast gänzlich fehlt. Dieser Reichsrath wird das Concordat nicht überwinden. Gleichwohl war die Concordats-Debatte eine von den sehr seltenen interessanten und wichtigen und herrschte am ersten Tage eine gehobene Stimmung, ein Schwung, wie sie in dem zweiten österreichischen Parla¬ mente leider in der Regel vermißt werden. Die Palme gebührt den beiden gegnerischen Hauptrednern, Bischof Litwinowics und l>. Giskra. Ersterer verdient den Dank aller Gegner des Concordates dafür, daß er die Gele¬ genheit ergriff, um den ernsten Gegenstand direkt in voller Schärfe zur Sprache zu bringen. Die Liberalen des NeichSrathes hätten dieß wahr¬ scheinlich auch diesmal noch nicht gewagt. Sie haben sich immer dar¬ auf beschränkt, um das Concordat in gemessener Ferne herumzugehen und nur im Vorbeigehen gelegentlich einmal mit abgewandtem Gesicht von der Seite her leise zu berühren. Auf die Herausforderung des Bischofes nun ist Or. Giskra nut offenen: Visir in den Kampf gestürzt, und hat sich wa¬ cker geschlagen — aber er hat den Gegner nicht besiegt. Er hat ihn eben nicht auf dem eigentlichen wesentlichen Gebiete des Concordates angegriffen, er hat nicht das Princip desselben angegriffen, sondern nur die gefährlichen Folgen geschildert, er hat nicht den Rechtsanspruch der römischen Kirche wider¬ legt. So lange so gekämpft wirr, bleibt der Sieg des Concordates gesichert. Die Kirche schlägt ihre Gegner mit deren eigenen Waffen. Sie sagt: „Ihr wollt, daß alle Corporationen und Vereine im Staate frei sein sollen, ja ihr verlangt sogar ausdrücklich als ein Rechtsaxiom die Freiheit der Kirche vom Staate. Diese Freiheit besteht aber darin, daß jede Kirche sich nach ihren eigenen Satzungen selbst regiere, sich ihre Würden¬ träger frei wähle, ihr Vermögen selbstständig verwalte n. s. w. Diese Freiheit nun, und nichts mehr als sie, nimmt auch die katholische Kirche für sich in Anspruch. Die Satzungen der katholischen Kirche aber sind die canonischen Gesetze, die Decretalen, schließlich die Acte des tridenti- nischen Concils. Wer ein wahrer Katholik ist, muß diesen Gesetzen gehorchen, kann und darf sich durch dieselben nicht genirt fühlen. Durch das Concordat aber ist der Kirche nichts eingeräumt, als was in eben diesen Gesetzen vorgeschrieben ist, aber bei weitem nicht Alles, denn die Kirche hat in ihrer Nachsicht und Milde um des Friedens willen auf Vieles verzichtet, was nach göttlichem Gesetz ihr Recht wäre." So spricht die Kirche, und zwar von ihrem Standpunkt aus mit vollem Rechte. Man muß den Gegnern des Concordats zurufen: Ilio iNwäu», iüo salta! Auf diesem Ge¬ biete muß gekämpft werden. Dieser unläugbaren Wahrheit gegenüber er¬ scheint es also eine furchtsame Ausflucht, wenn die Gegner des Concordats sagen, daß sie eben nur gegen das Concordat, durchaus aber nicht gegen die 383 katholiche Kirche austreten. Das ist falsch. Man muß aufrichtig sein in jedem Kampfe, wenn man zu einem wirklichen redlichen Sieg gelangen will. Man muß wirklich gar manche Satzung der katholischen Kirche an- greifen, wenn das Concordat beseitigt werden, oder doch wenigstens bis zur Unschädlichkeit revidirt werden soll. Für solchen Kampf ist natürlich unser Rcichsrath nicht geeignet. Wenn auch ein Führer aufgestanden wäre, so hätte er keine Kämpfer hinter sich gehabt. Dennoch war die Debatte interessant und lehrreich, obwohl sie sich schon am zweiten Tage bedeutend abschwächte, und schließlich nach der Erklärung des Staatsministers vollends in Sand verrann." Wir theilen diesen Artikel der „Reform" mit, cinestheils um das Frendenge- hkul und Triumpsgeschrci der Concordatsstiirmer über die Rede des vr. Giskra etwas hnabzustimmen, anderseits nm die wahre Tendenz dieser Partei anfzudecken. Schnselka, dm wir als eines der größten politischen Talente hoch verehren, aber als einen in reli¬ giöser Richtung Irrenden tief bedauern, sagt offen und ehrlich, wohin man eigentlich zick: Nicht dem Concordate, nein! der katholischen Kirche gilt der Sturm. Darum Katholiken! waffnen wir uns zu dem unausbleiblichen Kampfe! Johann Karner -s. Wir haben heute eiueu Mann zu Grabe getragen, der den gerechtesten Anspruch auf die Achtung Aller hat und dessen Verlust ganz Kärnten bedauern sollte. Er ist der Landtagsabgeord- nete Johann Karner, welcher nach längerem Unwohlsein das Zeitliche segnete, gewiß zur tiefsten Betrübniß Aller, die ihn näher kannten, die die Fülle seines Geistes, seinen lebendigen Freimuth und seinen durchaus rechtlichen Charakter zu bewundern Gelegenheit hatten. Karner kam aus der Steiermark, seiner Heimat, nach Kärnten und bekleidete hier zuerst die Stelle eines Pflegers in Tentschach: seine strenge Rechtlichkeit, sein aus¬ gezeichnetes juridisches Talent, das seines Gleichen in Kärnten wohl vergeblich suchen dürste, machten ihn bald zum Liebling Aller, die theils mit ihm in näherm Umgänge standen, theils sich bei ihm Raths erholten. Er war freundlich und zuvorkommend gegen Jedermann, versäumte gewiß nie eine Gefälligkeit zu erweisen, wo sich ihm die Gelegenheit both und arbeitete vielen Unbemittelten die schwierigsten Prozesse, deren er wohl nur wenige verlor, unentgeltlich aus. Das Jahr 1848 fand diesen strcngrechtlichen Mann als Vorkämpfer der Freiheit und die Folge davon war, daß er schon damals in den kärnt. Landtag gewählt wurde. Manche Aussicht both sich ihm, einträgliche Stellen anuehmen zu können, aber er wollte seine Freiheit und seine Ueberzeugung nicht aufopfern, er verschmähte cs ün fremden Solde zu stehen, zog sich vielmehr ganz in's Privatleben Muck und wirkte nunmehr als Jurist und als Mitglied der Grnndent- lastungs-Landes-Commission, so wie des bestandenen prov. kärnt. Landtags- Msschusses. Sein Schlüssel zur Bemessung der Entschädigungsgebühren bei Ablösung der Grnndlastcn ist allein hinreichend, um das Genie dieses Mannes außer allen Zweifel zu stellen. Im prov. Landtagsausschusse wirkte er über ein Decennium auf das unermüdlichste und unentgeltlich, er war der Führer der leider schwachen Oppositions-Parthei, der mit seiner Unerschrockenheit, mit seiner herrlichen Rednergabe und seinem fließenden Style oftmals noch so fein angezcttelten Plänen seiner bekannten Gegner als Hemmschuh entgegentrat. Selbst in jenen finstersten Zeiten 384 des Absolutismus, die nach dem Jahre 1848 über Oesterreich hereinbrachen, wo niedere Kriecherei und willfährige Gefälligkeitssucht für einen freund¬ lichen Blick von Oben an der Tagesordnung waren, wo die Scheinlibera¬ len des Jahres 1848 wieder in ihr reactionäres Geleise traten, scheute sich Karner nicht, ein freies Wort zu sprechen und für die Sache des Volkes nach Kräften einzustehen. Die vollste Achtung aller Freunde und Gesinnungsgenossen ward ihm zu Theil, und daß ihn seine Gegner, die gemeinsamen Feinde des Fortschritt's, die im Finstern tappen und in Wahlintriguen nur allein Heil für die Dauer ihres Regimentes finden, daß ihn diese mißachteten, und seinen hellsehenden Geist, wie das böse Gewissen, fürchteten, das ihnen fortwährend den Spiegel ihrer Selbstsucht entgegenhält, dieß ist gewiß die schönste Lorbeerkrone, die wir neben vielen anderen Verdiensten auf das Grab dieses ausgezeichneten Mannes legen können. Wohl nur den eifrigsten Jntriguen einer ewig thätigen, genug bekannten Partei mag es zuznschreiben sein, daß Karner im Jahre 1861 bei der ersten Landtagswahl, wo doch so mancher bisher ganz unbekannte Mann zum Volksvertreter ward, völlig umgangen wurde und erst vor wenigen Wochen, wo die tödtliche Krankheit ihn bereits ergriffen hatte, fand seine Wiederwahl in den Landtag statt. Große Hoffnungen knüpften sich an diese Wahl und das Bewußtsein, wenigstens Einen energischen Oppositionsmann im Landtage zu haben, der mit durchgreifender Kenntnis aller Verhältnisse, Muth und Rednertalent verbindet, wirkte erhebend auf die Fortschrittspartei. Der Tod dieses Ehrenmannes, der ,nicht nach Amt und Würde trachtete, dem Geld eine Nebensache war, die just zum Leben nothwendig ist, trägt auch unsere besseren Hoffnungen zu Grabe; mögen übrigens seine Gegner frohlockend sich die Hände reiben, daß sic des tüch¬ tigsten Widersachers losgeworden, Karners Geist wird seine wenigen Gesinnungs-Genossen mit feuriger Zunge um¬ schweben und aus ihrem Munde sprechen. Das Leichenbegängniß war nach seiner eigenen Anordnung einfach mw seine Freunde von Nah und Fern gaben ihm das Geleite bis zur letzten Ruhestätte. Bemcrkenswerth ist es, daß nur zwei Landtagsabgeordnete zur Einsegnung erschienen, während vom gegenwärtigen Landesausschussc, sowie von den übrigen hier anwesenden Landtagsabgeordneten sich Niemand sehen ließ. War dieß eine Strafe für den Oppositionsgeist dieses Herr liehen Volksmannes, nach dem wir in Kärnten vergebens suchen werden, oder war cs nur ein gewöhnliches Zeichen vorherrschender Unkollegialität? Wie dem auch sei, Karner wird als Jurist, als Ehrenmann durch und durch und als der wärmste Vorfechter für Recht und Wahrheit Allen, ja selbst seinen erbittertsten Gegnern unvergeßlich bleiben. Möge es den Wahlmännern der Bezirke St. Beit, Friesach, Gurk, Eberstein mw Althofen, die schon öfters durch die Wahl tüchtiger und u nab Han giger Abgeordneten in den Landtag ihren Frciheitssiun, ihre Liebe stu Recht und Wahrheit so glänzend bethätigten, auch dießmal gelingen, einen solchen Vorkämpfer für ihre heiligsten Interessen zu wählen, der den Ber blichenen würdig ersetzt. Klagenfurt am 9. Juni 1862. J. M. Schikichert. Einladung zur Pränumeration für die zweite Jahreshälfte 1862. Die „StittttMen aus Janeröfterreich" werden in ihrem bisherigen Geiste auch in Zukunft erscheinen: Beförderung der politischen Bildung, des sozialen Fortschrittes, der kirchlichen und natio¬ nalen Gleichberechtigung bleibt wie bisher das Ziel ihrer Thätigkeit. Vorläufig erscheinen die „Stimmen" jeden ,32. Tag, werden aber sogleich nach der nahe bevorstehenden Einführung des neuen Preßgcsetzes in jedem Monate dreimal und zwar immer am 10. 20. und 30. einen ganzen und einen halben Bogen stark erscheinen. Sie kosten halbjährig ohne Post 2 st., mit Postversendung 2 st. 50 kr. ö.W. Wir haben noch einige vollständige Exemplare vom Jahre 1881, und geben alle 24 Bogen um 1 fl. Das erste Halbjahr des I. 1862 kostet 2 fl., und ist auch noch vollständig zu haben. Um die portofreie Einsendung der neuen, wie auch der noch aus¬ ständigen Prännmcrationsgelder wird höflichst gebeten. Die Zahl der geehrten Mitarbeiter, wie nicht minder der Herrn Abonnenten mehrt sich in erfreulicher Weise. Die Redaction.