112420 Inhalt Leitende Artikel: Gin Wort nn den Verfasser der Brochüre Deutschthum in Krain" und an seine Gesinnungsgenossen. — Go!! segne dus ehrbare Handwerk! IV. Die Kirche (Schluß). — Nou< österreich. IV. Das Land. — Bruchstücke aus dem Staatsvorai» schlage pro 1862. K o rr e s p o n d e n z e n : Klagenfurt. — Vom Wörthersee. — Am Karste. — Wien. Z e l t u n g s r e v u e. Preise: Diese 48, bis Ende des Znhres IN Heften erscheinende» Drnckbl'tl" kosten pr. Pest .5 st. - kl, ohne Pest.4 , — . ben am 16. Mai 1862. stimmen aus IKNerssterreich V. Heft 1862. Herausgeber und verantwortlicher Redacteur Andreas Einspieler. Klagenfurt. Druck von Johann Leon. Das nächsteHeft ers ch eint am N^J uni M2. Wertrage zur Durchführung der nationalen, religiösen und politischen Gleichberechtigung. Minos r tlssW 1L24LÜ ' Die Freiheit und die Presse. Unter dem obigen Titel bringen die in slavischer Sprache zu Prag erscheinenden „Oboous list^" folgenden Artikel: Die echte Freiheit beruht darauf, daß das Volk, gerade so wie der Einzelne, sich nach eigenem Willen Grenzen setzt, oder, wo es schon durch Grenzen eingeschränkt ist, daß es durch eigenen Willen eingeschränkt ist. Diese vollkommene politische Freiheit, die auch wir erlangen sollen, ver¬ trägt sich durch und durch mit der Ordnung und der Einheit des Staates und Reiches und nicht blos mit der allgemeinen Freiheit jedes Einzelnen, sondern auch mit allen höhern Ideen, welche auf der Aufrechthaltung des Gesetzes, der Ehrenhaftigkeit, der Loyalität und der vernunftmäßigen Unter- thänigkeit gegen das Gesetz, mit einem Worte mit dem Begriffe einer echten Selbstregierung nnd Autonomie. In diesem Begriffe der Freiheit ist mit inbegriffen die Nothwendigkeit der Preßfreiheit. Die stärkste Schutzwehre einer vernünftigen Freiheit und die gesundeste Lebenskraft einer freien Ver¬ fassung ist die Preßfreiheit. Ohne Preßfreiheit ist die Repräsentativ-Ver- fasfung eine schale Komödie, ist nichts Wirkliches, bloS eine leere Täu- schung. Die Preßfreiheit ist gerade so wichtig wie die Verhandlungen des Reichsrathes. Die Regierung, die nicht durch die Preßfreiheit eingeschränkt ist, ist blos eine zwingende und drückende Maschine, welche bald verdirbt. Aus der Geschichte Englands, dieses Heimathlandes der constitutionellen Freiheit, lernen wir, daß der Despotismus gerade durch jene Mittel, mit denen er sich erhalten will, sich selbst zu Grunde richtet. Sobald das Volk seine Gesinnungen und Gefühle nicht frei aussprechen und frei ver¬ öffentlichen kann oder darf, entsteht in ihm ein Gefühl — eine Meinung, die Alle außer dem despotischen Regenten verstehen, den gerade diese Mei¬ nung entthront. Können die feurigen Gefühle des Volkes nicht im freien i Worte ihren Ausdruck finden, so brechen sie mit einer vulkanischen unbe¬ zwingbaren Macht hervor. Die Freiheit der Presse ist auch nothwendig, sobald die Gewissens¬ freiheit und Meinungsfreiheit bestehen soll. Eine Strafe soll nur jene Facta treffen, welche in Wirklichkeit das öffentliche Wohl beeinträchtigen, °der einen Angriff gegen den Staat, gegen das Vaterland, gegen die Per¬ son des Regenten, gegen die Ehre und den guten Ruf jedes Einzelnen, oder ein Untergraben der Sittlichkeit und der Religion erkennen lassen. In der Constitutionsacte von Newhork heißt es: „Jeder Bürger kann seine ehrliche Meinung frei aussprechen und seine Gefühle über alle Angelegenheiten niederschreiben und veröffentlichen, er soll für den Mi߬ brauch dieses Rechtes verantwortlich sein, und es soll kein Gesetz gegeben werden, welches die Freiheit des Wortes und der Presse beschränken oder mindern würde." Diese Garantie der freien Aeußerung erstreckt sich über alle Religions- und politischen Angelegenheiten und man kann sich gar nicht einen Gegenstand vorstellen, über den zu verhandeln die Bürger der nordame¬ rikanischen Staaten sich scheuen oder fürchten sollten. Und die Folgen dieser Freiheit tragen in diesen Ländern die allerherrlichsten Früchte. Ist aber, wie einige behaupten, die Preßfreiheit stark im Bösen, so ist sie noch stärker im Guten. Dieß beweist die Geschichte, welche auch alle jene Verleumdungen znrückweist, welche behaupten, daß jeder Zerfall der socialen Ordnung und jede Volksaufwieglung dadurch veranlaßt worden sei, daß die Zeitschriften die politischen Fragen öffentlich verhandelten und zur allge¬ meinen Kenntniß brachten. Die Revolutionen haben eine ganz andere Quelle; und überhaupt sind die Verbrecher meistentheils gar nicht Zei¬ tungsleser, oder sie sind gar nicht fähig, eine Zeitschrift zu verstehen. Die guten Folgen der Preßfreiheit sind hingegen unermeßlich; wenn auch die Presse nicht der Führer der öffentlichen Meinung ist, so bessert oder unterdrückt sie alles öffentliche Uebel, sie ist ein Mittel, welches die öffent¬ liche Meinung gegen jene Seite feindlich auftreten läßt, von der das Uebel ausgeht; sie ist der Spiegel der Gefühle und Forderungen des Volkes, und es ist zugleich ein Ventil, bei welchen! manche Erbitterung und Unruhe herausschlüpft, anstatt daß es mit Gewalt und Wuth hervor¬ brechen würde. Mit einem Worte die Presse macht die Bildung zu einer Nothwendigkeit des Lebens. Eine besondere Aufgabe hat aber die Presse bei uns, wo noch dar¬ über gestritten wird, ans welche Art dem Staate aufgeholfen werden soll. Da, gerade da muß vollkommene Preßfreiheit bestehen, damit die Schritte der Regierung beurtheilt und alle Zweifel ausgesprochen werden können, denn, wo es sich um das Wohl des Staates handelt, wird doch nie¬ mand — ja niemand behaupten wollen, daß er alle Verhältnisse am besten kenne. Aber gerade das jetzige strenge Einschreiten gegen unsere politische Presse, beweist nicht, daß die Regierung die guten Folgen der Preßfrei¬ heit einsehen oder anerkennen würde. Die Anklage und Verurtheilung der föderalistischen Blätter will inan durch die Preßgesetz-Paragraphe rechtfertigen. In diese Paragraphe kann man jedoch nach den verschiedenen Zeitverhältnissen bald mehr Strafbares einzwängen; und der Herr Staatsminister selbst wäre wahrscheinlich der strengsten Untersuchung anheimgefallen, hätte er vor zwei Jahren etwas solches, wie sein Antrittöcircular, veröffentlicht. Daraus geht hervor, daß man nach dem Paragraphe sowohl jemand strafen, als auch nicht strafen kann: und deßwegen meinen wir, daß die Regierung besser daran thäte, die Stimme der Opposition anzuhören als zu ersticken, und dadurch die Opposition auch zu verzweifelten Schritten zu treiben. 259 Uebrigens wird es nicht lange dauern, daß die Regierung einsehen wird, ob ihr jetziges Verfahren gegen die föderalistische Presse erfolgreich gewesen oder nicht, oder ob die Haltung der föderalistischen Presse wirklich übelgemeint und verderblich gewesen ist! Unsere einzige Hoffnung ist das, daß diesem Erkennen keine Beschä¬ digungen irgend Jemandes vorangehen und die Ueberzeugung nachfolgen werde, daß niemand für die Veröffentlichung seiner, wenn auch von denen, die die Macht in den Händen haben, verschiedenen und abweichenden An¬ sichten gestraft werden solle uttd dürfe. Der katholische Klerus und die Nationalität. (Rede des Hochw. Herrn F. Kosar Spiritual in Marburg, gehalten in der Mar¬ burger Öitnvniva). Mein geehrter Herr Vorredner sagte heute vor 8 Tagen, daß Je¬ dermann am liebsten von seinem Geschäfte oder seinem Amte spricht. Die Wahrheit dieser Behauptung fühlen wir alle und auch ich will mich heute diesem Prinzipe anschließen. Mein Beruf als geistlicher Füh¬ rer der Priesteralumnen verlangt es von mir, den angehenden Seelsorgern solche Grundsätze ins Herz zu pflanzen, welche ihnen durch ihr ganzes Le¬ ben in allen Verhältnissen ihres Standes eine sichere Richtschnur bieten, auf daß sie sich nicht gegen das Ziel ihres Berufes versündigen, sondern vielmehr in allen Lagen demselben sich nähern. Unter den einflußreichsten Erscheinungen, welche die Gegenwart unter den Slovenen zu Tage gefördert, steht gewiß die Nationalität oder die Belebung unseres Volkes im nationalen Sinne oben an. Es muß daher eine meiner wichtigsten Sorgen diese sein, welche Prinzipien oder Grund¬ sätze den angehenden Geistlichen in Betreff ihres Verhältnisses zur Nationa¬ lität als Leitsterne auf der weiten und gefahrvollen Bahn ihres Hirtenamtes mitgegeben werden sollten. Denn wen» wir die verschiedenen Zeitungsblätter durchlesen, so stellen sie wahrlich so wunderbare und gegenseitig sich wider¬ sprechende Forderungen bezüglich der Nationalität an den katholischen Klerus, daß wir ihnen selbst mit dem besten Willen auf keine Weise ent¬ sprechen können. Daher sind wir genöthigt, selbst nach giltigen Grund¬ sätzen zu forschen. Indem nämlich der überwiegende Theil der Tagespresse dem katho¬ lischen Klerus in Italien zürnt und ihn denunzirt, weil er sich der nationa¬ len Sache nicht ergibt und sie durch seinen Einfluß nicht fördert, obschon jederman weiß, daß die nationale Aufregung in Italien jede Schranke des Gewissens und des Rechtes niedergerissen, ebenso und noch erbitterter ärgert man sich und verläumdet man den katholischen Klerus in den sla- vischen Ländern Oesterreichs, weil er an der Entwicklung der slavischen Rationalität Antheil nimmt und sie unterstützt, wenngleich die slavische Nationalität in Oesterreich nirgends die Grenzen des Rechtes überschritten hat. Aus dieser nur oben hin berührten Verschiedenheit der Quellen und 17* 260 des Angriffes der stavischen Nationalität in Oesterreich und der italieni¬ schen in Italien ergibt es sich klar, daß, wenn es in Italien eine Sünde für den Klerus ist, sich dem nationalen Streben zu widersetzen, es für den slovenischen Klerus z. B. keineswegs Tugend sein kann, eben derselben nationalen Entwicklung entgegen zu wirken, und daß, wenn es in Italien für den Klerus Tugend und Pflicht ist, die Nationalität zu unterstützen, es für den slovenischen Klerus nicht Sünde und Schande sein kann, die Nationalität zu fördern. Allein diese verworrene Logik der meisten Zeit¬ schriften kann dem katholischen Klerus keinen richtigen Standpunkt in Betreff der Nationalität geben. Wir müssen also auf einem andern Wege eine Ant¬ wort auf die Frage suchen: „Wie hat sich der katholische Klerus zur Entwicklung des nationalen Bewußtseins zu verhalten? I. Erstens fragen wir uns: darf sich etwa der katholische Kle¬ rus zur Weckung und Entwicklung des nationalen Bewußt¬ seins nur Passiv verhalten? Wir antworten: Keineswegs. Was ist die Nationalität? Setzt man, wie es so häufig geschieht, die Nationalität nnr in die Sprache, so lauft man große Gefahr, auf schädliche Abwege zu gerathen, besonders in Bezug auf Politik und den Glauben, da das Volk noch höhere Interessen zu wahren hat, als seine Sprache. Denn es kann ge¬ schehen und geschieht auch, daß diese oder jene Nation vermöge ihrer geographischen Lage oder wegen ihrer Unbedeutenheit mit andern Nationen in ein staatliches Bündniß zu treten genöthigt ist, nm sich äußere Ruhe zu sichern und unter dem Schutze des Friedens ihre geistige und materielle Wohlfahrt entwickeln zu können. Diese dringende Nothweudigkeit bildete Oesterreich, diesen großen Staatenbnnd verschiedener Nationen, und ist die stärkste Stütze dessen Fortbestandes, denn wie äolaöiö gesprochen, wenn Oesterreich nicht bestünde, müßten die Slaven solches schaffen. Jene aber, denen Nationalität gleich bedeutend ist mit Sprache, übersehen alle diese höhern und wichtigem Ursachen der Vereinigung verschiedener Nationen und wären zu jeder Stunde bereit, alle diese Verträge zu zerreißen, einzig nur zur Wahrung und höheren Ausbildung ihrer Sprache, bedenken aber nicht, in welch' eine verderbliche Stellung sie durch ein solches Beginnen ihre Nation drängen. Die Nationalität umfaßt demnach weit mehr, als blos die Sprache. Die vortrefflich redigirte Zeitschrift „Historisch-politische Blätter", der, was philosofische Auffassung der Geschichte vereint mit politi¬ schem Scharfsinne betrifft, keine andere gleich kommt, definirt die Nationalität also: die Nationalität im objektiven Sinne ist der gesammte Bestand eines Volkes; im subjektiven das Bewußtsein oder Gefühl davon, das innige Durchdrungensein aller Einzelnen, daß sie einem so gearteten Ganzen mit Blut, Leben, Vortheil und Pflicht angehören. (Histor. polit. Blätter XXVI. 261 B. 10. H.) Wenden wir diese Definition speziell auf die slovemsche Na¬ tionalität an. Die slovemsche Nationalität lehrt uns vor Allem, daß wir Kinder Einer Mutter find, deren Blut in den Adern aller Slovenen fließt, daß wir also durch das Band der Blutsverwandtschaft an unsere Nation ge¬ bunden sind; welches Band ein natürliches, ein göttliches ist; es daher zu achten, ist unsere Pflicht, so daß jeder, der seine Nation verläugnet, wider die göttliche Vorsehung aukämpft und kein reines Gewissen vor Gott weder hat noch haben kann. Die Nationalität lehrt uns, daß wir im Schoße unserer Nation das Leben empfingen, und daß die Nation dasselbe uns schützte, legt uns daher die Pflicht auf, auch bereit zu sein, Gut und Blut hinzu- geben fürs Vaterland, für unsere Brüder. — Die Nationalität lehrt uns, daß die gesammte Nation für uns sich abmüht, um die Schätze der geisti¬ gen Bildung und des materiellen Wohlstandes uns zu verschaffen, zu vermeh¬ ren, erhöhen und zu bewahren, und legt uns die Pflicht auf, daß wir den Egoismus unserer verderbten Natur beschränken, ihn dem allgemeinen Wohle unterordnen und unsere geistigen und leiblichen Kräfte und Fähigkeiten hinlegen auf den Altar des Vaterlandes, um es auf die entsprechende Stufe geistiger Kultur irnd materiellen Wohlstandes zu heben. Ohne Selbstver- laugnnng läßt sich die Nationalität nicht denken. Die Nationalität lehrt uns, daß das goldene Band, welches die Herzen aller Stammesgenossen umschlingt, die Muttersprache ist; in ihr theilen wir uns gegenseitig die Gefühle der Freundschaft und der Liebe mit, in ihr drücken wir Freude und Leid, Bedürfnisse, Befürchtungen und Hoffnungen aus, stärken in uns heilige Tugenden und verschaffen uns Schätze des Herzens und des Ver¬ standes. Deßhalb haben wir -auch die Pflicht, die Muttersprache, die Sprache unseres Volkes, vor jeder andern zu schätzen, zu lieben, sie gleich dem Augapfel zu hüten. Die Nationalität also ist nichts anderes als die Wechselseitigkeit von Rechten und Pflichten, von Wohlthaten und Geschen¬ ken Einzelner. Von Rechten und Pflichten, von Wohlthaten und Geschen¬ ken aber zu sprechen ohne Glauben ist, wie jederman erkennt, eitel und ver¬ nunftwidrig. Denn wer wird sich selbst verläugnen, wer seine Pflichten auch dann erfüllen, wenn sie der Eigenliebe beschwerlich oder gar hemmend entgegeutreten, und zwar standhaft bis zum Tode, wenn nicht der Glaube ihn ermuntert und entflammt, der Glaube, der ihn hinweist auf den all¬ wissenden Lenker des Weltalls und einst gerechten Richter, der uns rich¬ ten wird nach unfern Pflichten und demgemäß jedem zutheileu wird ewige Belohnung oder ewige Strafe? Die Nationalität umfaßt also auch den Glauben der Nation. Die Nationalität kann und darf sich nicht trennen vom Glauben. Der Glaube ist die einzige, richtige Grundlage der Na¬ tionalität. Mit dem Glauben steht und fällt die Nationalität. Da aber wie nur Ein Christus auch nur Ein wahrer Glaube ist, und zwar nach unserer Ueberzeugung der katholische, so ist auch der katholische Glaube die festeste Grundlage der Nationalität und ihrer Pflichten. Da nun der 262 katholische Glauben im Begriffe „Nationalität" der Grundcharakter ist, so liebt auch der wahre Patriot die katholische Lehre über Alles; er bemüht sich besonders, daß katholisches Leben in seinem Volke tiefe Wurzeln schlage und kräftig sich entwickle, er hält sorgfältig Alles fern, was immer das gläubige Bewußtsein in dem Volke trüben oder schwächen könnte. Nie und nimmer ist und kann jener ein wahrer Patriot sein, dein nicht der allein beseligende Glaube seines Volkes vor Allem am Herzen liegt. Diese Erläuterung war nothwendig zur gründlichen Beantwortung der obengestellten Behauptung: der katholische Klerus darf sich zur Natio- nalität keineswegs nur passiv verhalten. Denn 1. Die Nationalität ist das Leben der Nation. Mit dem Verschwin¬ den der Nationalität schwindet auch die Nation selbst. Diese Thatsache beweist sattsam die Geschichte der Griechen und Römer. Die Nation, welche ihre Nationalität mißachtet, verwirft und verräth, begeht an sich selbst einen Selbstmord. An dieser Frevelthat darf sich am allerwenigsten der katholische Priester betheiligen. Der Priester also, der sich um die Nationalität im besprochenen Sinne durchaus nicht kümmert, ist ein Ver- räther seines Berufes und seiner Nation. 2. Die Nationalität, welcher das Licht des hl. Glaubens mangelt, kann aus sich selbst nie die wahre Bahn finden, auf der sie die Nation zur geistigen und materiellen Kultur führen könnte. Ihr fehlt die hinreichende Bürgschaft zur Erfüllung der Pflichten, welche sie der Nation auferlegt. Der Priester versündigt sich also gegen seine Nation, wenn er die nationale Entwicklung nicht mit dem Lichte des hl. Glaubens erleuchtet und belebt. 3. Die Nationalität ohne Glauben artet immer aus, ruft die furcht¬ barsten Leidenschaften wach: Stolz, Neid und Haß; in blinder Selbst¬ überschätzung treibt sie die Nation zu gefahrvollen politischen Versuchen, rücksichtslos reißt sie alle Bande der Liebe und des Rechtes zu andern Nationen entzwei, und der blutdürstenden Hyäne gleich verfolgt, über¬ fällt und würgt sie die benachbarten Völker. Ein lebendiges Bild dieser Wahrheit liefert uns die italienische Nationalität, welche die Bahn des hl. Glaubens verlassend zum Schrecken verbreitenden Gespenste unter den europäischen Völkern wurde.. Jst's nicht klarer als die Sonne, daß der katholische Klerus Hochverrath an seiner Sendung verübt, wenn er sich nicht bemüht, zur rechten Stunde noch sich der Nationalität anzunehmen und sie mit der Kraft des hl. Glaubens zu durchdringen, damit sie nicht auf Abwege abirrt? Die Nationalität, wenn nicht christlich, ist heidnisch, wenn nicht für den Glauben, ist gegen den Glauben, wenn sie denselben nicht schützt, so verfolgt sie ihn. Klar beweist dieses die sardinische Natio¬ nalität und die neapolitanische. Doch nicht genug. Zur Bestätigung dieser Wahrheit führen wir das Beispiel und die Worte unsers Heilandes selbst an. Kräftig btühete die jüdische Nationalität, so lange sie den lebendigen Glauben, dessen 263 Grundzug die Erwartung des Messias war, als ihren wesentlichen Be- standtheil anerkannte. Aber der lebendige Glaube fing an zu erschlaffen, vergebens bemühten sich die Propheten ihn zu beleben. Den Juden galt die Nationalität nicht mehr als zeitliche Ehre und Ruhm, unerme߬ licher Reichthum und thörichte Träumerei von der Weltherrschaft. Wohl erwarteten sie noch den Messias, aber nur einen solchen, der ihre Träume verwirklichen sollte. Um etwas anderes kümmerten sie sich nicht. Aber mit dem wahren und lebendigen Glauben sank auch die zum Tode ver¬ wundete Nationalität dahin und mit ihr die Stärke des Volkes. Die Ju¬ den seufzten unter dem drückenden Joche der heidnischen Römer. Der Mes¬ sias erschien. Dem auserwählten Volke verheißen wollte er vor Allem dessen entartete Nationalität neubeleben im Geiste des christlichen Glaubens. So liebte er seine Nation, daß er selbst die Grenzen seines Vaterlandes nicht überschritt, indem er so schön erklärt: „Ich bin nur gesandt zu den verlorenen Schafen Israels" (Math. 25, 24). Hätte die jüdische Natio¬ nalität den christlichen Glauben in sich ausgenommen, nie hätte sie ein so trauriges Ende gesunden. Da sie verblendet von Trotz und Starrsinn den Erlöser und seine Lehre von sich stieß, näherte sich Christus eines TageS Jerusalem und als er die Stadt erblickte, weinte er über sie und sprach: „O! daß du es doch erkannt hättest und zwar an diesem Tage, was dir zum Frieden dient. Jetzt aber ist es verborgen vor deinen Augen; denn es werden über dich Tage kommen, deine Feinde werden dich mit einem Walle umgeben und werden dich einschließen und von allen Sei¬ ten bedrängen; dich und deine Kinder werden sie zu Boden schmettern und es wird kein Stein auf dem andern gelassen werden, weil du die Zeit deiner Heimsuchung nicht erkanntest." (Luk. 19,41—44.) Ausdrücklich lehrt hier Christus: die jüdische Nationalität wäre nicht zu Grunde ge¬ gangen, hätte sie seinen Glauben angenommen, und alle die Strafen, welche von der Kreuzigung des Messias an bis zur gänzlichen Verwerfung die jüdische Nation trafen, wurden nur deßhalb über sie gesandt, weil sie m ihr nationales Bewußtsein die allein und allgemein beseligende Lehre Jesu Christi nicht aufnahm: „Weil du die Zeit deiner Heimsuchung nicht erkanntest." Der politische Untergang der Juden ging also hervor aus der Ent¬ artung ihrer Nationalität, die Entartung ihrer Nationalität aber folgte aus der Verwerfung des wahren Glaubens. Diese Erscheinung wiederholt sich in der Folge bei dem Untergänge aller andern orientalisch-christlichen Völker. Immer stellte sich die Nationalität zuerst dem christlichen Glauben feindlich entgegen, von dem Glauben getrennt schwächte und ver¬ finsterte sie sich, in dieser Finsternis aber versank sie in immer weitere und schlimmere politische und sociale Verirrungen, bis sie sich zuletzt selbst den Todesstoß gab. Unaufhaltsam drang der Halbmond, Schrecken ver¬ breitend, von einem Lande ins andere; wie das Gras unter der Sense, also sanken die christlichen Völker unter den türkischen Waffen dahin. Ein Volk nach dem anderen schwand spurlos vom Schauplatze der Geschichte. 264 Dieß Alles zeigt uns klar, daß, wie unser Erlöser nicht unbekümmert um seine Nationalität war, auch der katholische Priester gegen seine Na¬ tionalität nicht gleichgültig sein dürfe, wenn ihn nicht vor dem Richter¬ stuhle der Geschichte, seines Gewissens und des ewigen Gottes die Ver¬ antwortung treffen sollte für all das Unheil, das die Nationalität vom Glauben getrennt anrichtet. II. Der katholische Klerus ist verpflichtet, an der nationalen Entwicklung thätigen Antheil zu nehmen. Doch nicht negative Motive allein führen den katholischen Klerus auf das Gebiet der Nationalität, sondern auch positive von ganz beson¬ derer Wichtigkeit. 1. Wenn schon jedem Menschen die Liebe zu jenen nothwendig ist, für welche zu sorgen sein Beruf von ihm fordert, damit er um so freudi¬ ger und opferwilliger die Pflichten seines Standes erfüllt, so ist diese Liebe dem Seelsorger ganz besonders nothwendig. Die Liebe zur Nation ist eins mit der Liebe zur Nationalität. Der Seelsorger, welcher der Sprache seiner Nation nicht vollkommen mächtig ist, wird ganz sicher keine Vor¬ liebe fühlen weder für die Schule noch für das Lesen nationaler Bücher; es wird ihm eben deßhalb gleichgültig sein, ob seine Stammesgenossen etwas lesen oder nichts, ob sie in der Bildung fortschreiten oder in Un¬ wissenheit und Rohheit dahinleben. Er wird nicht im Stande sein, ihnen die nöthigen Bücher anzuempfehlen weder zur Belebung des religiösen Eifers noch zur Förderung der Bildung; er kennt sie ja selbst nicht! — Der Seelsorger, der die Blutsverwandtschaft mit seiner Nation nicht ach¬ tet, kümmert sich auch nicht um die Ehre noch um die Schande, um das Ansehen noch um die Verachtung seiner Nation; ist ihm ja die eigene Nation etwas Fremdes. Lästig, ja ganz verächtlich scheint es ihm, für seine Nation zu wirken, lieber vergeudet er die Zeit ohne Nutzen und Vor- theil in vornehmen Gesellschaften, die längst ihrer Nation entfremdet die¬ selbe verachten, als daß er sich mit dem slovenischen Bauer über gemein¬ nützige Gegenstände bespricht und in Wort und Schrift für dessen bessere Bildung sorgt. Wie nothwendig also dem Seelsorger die Liebe zur Na¬ tion ist, ebenso nothwendig muß ihn auch die Liebe zur Nationalität leiten. 2. Jeder Erzieher, demnach ganz besonders der Seelsorger, muß sich bemühen, die Liebe jener sich zu verschaffen, auf deren Herz und Willen er veredelnd einwirken soll; denn nur aus dem Munde desjenigen, dem wir in Bebe anhängen, empfangen wir freudig die Lehren. Nun aber ist gewiß das wirksamste Mittel, welches die Herzen unserer Stammesge¬ nossen uns geneigt macht, die Liebe zu ihrer Nationalität. Nimmt näm¬ lich das Volk wahr, daß der Seelsorger die Laute seiner Muttersprache liebt und 'diese gern spricht, daß er Vorliebe hat für die Literatur seines Volkes, daß er dessen Sitten und Gebräuche schätzt und sich für 265 die Denkmäler seiner Geschichte interessirt, daß er ein Mitgefühl besitzt für dessen Ehre und Ansehen, aber auch ein Mitgefühl für dessen Leiden, dann eröffnet es ihm das Herz voll Ergebung und Anhänglichkeit. So oft das Volk vor ihn tritt, sei es in oder außer der Kirche, so fühlt es warm in seinem Innern, daß es nicht vor einem fremden Herrn, sondern vor seinem geliebten und liebevollen Vater steht. 3. Jedem Redner, also ganz besonders dem Kanzelredner, ist vor Allem die gute Kenntniß, der leichte Fluß und die vollständige Beherrschung der Sprache seiner Zuhörer nothwendig. Der mangelhafte Ausdruck ist größtentheils unverständlich, er vermag nicht alle die zarten Gefühle und ihre verschiedenen Abstufungen zu bezeichnen; bei mangelhafter Kenntniß der Sprache wagt sich der Redner nicht in die tiefere Erörterung verbor¬ gener Wahrheiten einzugehen, er tappt nur an der Oberfläche herum, nagt an der Schale, dringt nicht bis an den Kern, welchen er eben deßhalb den Zuhörern auch nicht darreichen kann. Ist endlich die Rede mangel¬ haft im Ausdrucke und nebenbei schwerfällig und holperig, so kann sie unmöglich auf das Gemüth der Zuhörer den gewünschten Eindruck üben. Ein solcher Redner spricht ohne Ruhm und Erfolg. 4. Fängt die Nation an ihrer selbst bewußt zu werden und entfal¬ tet sich dieses Selbstbewußtsein, da nehmen die Patrioten eifrig verschie¬ dene Stoffe in Angriff, bearbeiten sie sorgfältig in der Sprache ihres Volkes und in wenigen Jahren bringen sie dieselbe auf eine hohe Stufe der Vollkommenheit, wie wir dieß au unfern ethischen Brüdern sehen. Wäre es nun billig, wenn die Religionslehre allein, unter allen Gegen¬ ständen gewiß der wichtigste, allen übrigen zurückbliebe, so daß wir z. B. bei uns durch mehrere Jahre hindurch auf dem religiösen Gebiete nichts anders zu lesen hätten, als Gebetbücher und andere Erbauungsbüchlein? Wäre es billig, daß während man schon in den Schulen und Aemtern fließend und richtig slovenisch schriebe und spräche, von den geistlichen Aemtern die slovenische Amtssprache fern bliebe, und nur in der Kirche noch ganz ungebildet und roh gesprochen würde? Was würden z. B. die Deutschen sagen, wenn ein Prediger vor sie träte und an sie eine Rede hielte in jener Sprache, in welcher man vor 60 oder 80 Jahren schrieb und redete? Der Prediger darf sich nie und niemals in der Rede zur gemeinen Volkssprache herablassen, noch weniger unter diese sich erniedri¬ gen, wie dieß leider so häufig geschieht; der Prediger muß vielmehr an Wohlklang und Richtigkeit höher als das Volk stehen, damit er dasselbe zu immer größerer Bildung des Verstandes, des Herzens und des Ge¬ fühles führe. Davon überzeugt uns das Volk selbst. Denn auch dort, >uo die slovenische Sprache, wie an den Grenzen, stark verdorben ist, hört es recht gern, lobt und versteht ohne Anstand Prediger, welche in grammatikalisch richtiger, schön gerundeter d. i. in der Schriftsprache das Wort Gottes verkünden. Daher, geehrte geistliche Brüder! die ich zahlreich hier versammelt erblicke, ist es die höchste Zeit, daß wir uns 266 mit aller Kraft und mit vollem Ernste auf die slovenische Literatur verle¬ ben, damit wir den Wackern Patrioten weltlichen Standes in Bezug aus die geistlichen Gegenstände nicht nachstehen. Daher ist es die höchste Zeit, daß vor Allem wir Professoren der Priesterzöglinge bei dem Vortrage der verschiedenen theologischen Wissenschaften uns so viel als möglich der slo- venischen Sprache bedienen, damit wir durch mannigfache Versuche bald die nothwendige slovenische Terminologie der theologischen Wissenschaften schaffen: — daher ist es die höchste Zeit, daß wir kräftig die Feder ergrei¬ fen und sie auch in den höher» theologischen Fächern gewandt zu führen uns üben, damit es auch den höher Gebildeten an entsprechender geistiger Nahrung nicht mangeln wird. 6. Die gläubige Nationalität weckt mit besonderer Macht die edelsten Gefühle und die erhabensten Tugenden im christlichen Gemürhe. Sie ver¬ nichtet den Egoismus und pflanzt ans dessen Grab die christliche Liebe. Sie vernichtet die Verweichlichung und pflanzt ans deren Grab die Selbst- verläugnung. Sie vernichtet die Furchtsamkeit und pflanzt auf deren Ruinen Unerschrockenheit und christlichen Muth. Sie vernichtet die Sorglosigkeit und pflanzt auf deren Grab rastlose Thätigkeit selbst mit Dahingabe von Gut und Blut. Die Wahrbeit dieser Behauptung bestätiget gerade seht die neapolitanische Nationalität. Denn als sie durch die bittersten Erfahrun¬ gen belehrt im katholischen Geiste wieder zum Selbstbewußtsein gelangte, wie lieblich entfaltet sie sich, wie großartig schreitet sie vorwärts, wie um¬ sichtig zeigt sie sich, wie ruhmvoll siegt sie, welche Heldentugenden weiset sie auf und ruht nicht offenbar Gottes Segen über ihr. Erlauben Sie, zur Bestätigung dieser meiner Worte eine Thatsache zu erwähnen, welche würdig ist, daß jeder Patriot sie im Andenken behalte und tief in seinem Herzen bewahre. Piemontesische Soldaten fordern einen gemeinen neapo¬ litanischen Bauer auf, sie zu jenem Orte zu führen, wo die neapolitani¬ schen Helden sich anfhielten. Der muthige Patriot aber weigert sich standhaft. Sie drohen nun, ihm beide Airgen auszustechen, wenn er sich nicht füge, doch der Patriot wankt nicht. Wirklich ergreifen ihn die Un¬ menschen und stechen ihm die Augen aus: der blinde Mann lebt nun in Rom. O geliebter christlicher Patriot! wie schön sind deine Augen, wie ruhmvoll deine Belohnung! Die Nationalität belebt vom Glauben begeisterte dich, daß du, nneingedenk der traurigen zeitlichen Folgen, muthig das Ge¬ bot Christi erfülltest: „Wenn dich dein Auge ärgert, so wirf es von dir," lMath. 5, 29.) und lieber beide Augen dahingabst, als daß du dich des Berrathes an deiner Nation schuldig gemacht hättest: Vertraue, deine Augen werden einst Gottes Antlitz schauen! — Oder ist nicht des Seelsorgers Berns, das Volk zu edlen Gefühlen und Tilgenden zu erheben und sich deß- balb zur Erreichung dieses Zweckes auch der christlichen Nationalität zu bedienen, welche gerade in dieser Beziehung solchen Einfluß übt? 6. Die verscküedenen Nationalitäten sind das Werk der unendlich weisen göttlichen Weltregierung. Damit nicht wieder Sünde und Ver- 267 derbniß, religiöse, soziale und politische Verirrungen den gesammten Erd¬ kreis überfluthen, hat Gott die Sprache des Menschengeschlechtes verwirrt und über den Erdkreis verschiedene Nationalitäten gesetzt, als ebenso viel Schutzmauern gegen Verführung und Verderbniß. Wenn eine Nation aus¬ artet und ihrem Berufe untreu wird, so können die benachbarten Nationen noch kräftig, an Herz und Seele unverdorben bleiben. Warum? Weil sie die Nationalität trennt: Sitten, Gewohnheiten und die Sprache. Sehen wir auf uns Slovenen. Wie mächtig drängt sich zu uns der Protestan¬ tismus, und was bereitet ihm den Weg? Die Germanisatiou. Und was versperrt ihm den Zugang? Die slovenische Nationalität. 7. Am stärksten aber bindet endlich den katholischen Klerus an die Nationalität die Idee des Katholizismus. Gott hat den Menschen als Einheit erschaffen; nur der Sündenfall des Menschenpaares machte ver¬ schiedene Nationalitäten nothwendig, wie wir schon oben erwähnten. Der Welterlöser aber kam auf die Erde herab, um zu heilen die dem Men- schengeschlechte durch die Sünde geschlagene Wunde, um zu tilgen die Sünde und ihre Folgen zu beseitigen. In seiner Aufgabe lag es demnach auch die unheilvolle Uneinigkeit der Nationen zu besänftigen und zu be¬ ruhigen, und die Menschheit zur ursprünglichen Einheit zurückzuführeu, zwar nicht zur natürlichen Einheit der Nationalität und der Sprache, sondern zur übernatürlichen Einheit im Glauben und in der Liebe. Diese über¬ natürliche Einheit der erlösten Menschheit aber ist die katholische Kirche, deren Bestimmung die allgemeine Vereinigung aller Nationen in dem Einen Glauben und in der Einen Liebe ist. Deßhalb sprach Christus, bevor er die Apostel aussandte, zu ihnen: „Gehet in die ganze Welt und lehret alle Völker" (Mark. 16, 15). Deßhalb kündete Christus eine Zeit an, in der nur „Eine Heerde und Ein Hirte sein wird" (Joh. 10, 16). De߬ halb heiligte er am Pfingstsonntage alle Sprachen und einigte sie, damit eine jede Sprache erkennen würde unfern Herrn Jesus Christus (Phil. 2, 11). Deßhalb schreibt der Völkcrlehrer, daß in der katholischen Kirche weder Heide noch Jude, weder der Beschnittene noch der Unbeschnittene, weder der Barbar noch der Scythe, weder der Sklave noch der Freige¬ lassene etwas sei, sondern Alles und in Allem Christus." (Kol. 3, 11). Hat sich aber die Kirche schon ihrem Ziele: der Vereinigung aller Na¬ tionen genähert? Ich spreche nicht von den andern Welttheilm, nur von Europa sage ich, daß schon lange lange nicht mehr die europäischen Völ¬ ker mit solchem Mißtrauen auf einander blickten, so verächtlich eines vom Andern sprachen und sich gegenseitig so unversöhnlich anfeindeten als in der Gegenwart. Nicht nur die Pessimisten, welche alles zu schwarz an¬ sehen und zu düster bcurtheilen, selbst die Optimisten, welche kaltblütig die jetzigen politischen Verhältnisse Europas beobachten, sind der Ansicht, daß, wenn die gegenseitige Aufhetzung und Anfeindung der europäischen Völker in dem Maße fortschreitet, in Kürze eine Periode^ eintrcten müsse, in welcher ein allgemeiner europäischer Krieg entbrennen müsse, dessen 268 Folge eine allgemeine Vernichtung unter den Nationen und der Einsturz des bisherigen politischen Gebäudes sein würde, auf dessen Trümmern sich eine neue jetzt noch unbekannte Gestaltung bilden würde. Welchem Men¬ schenfreund bebt nicht das Herz, wenn er in den drohenden Abgrund blickt, der den europäischen Nationen entgegen gähnt? Wenn aber gerade der katholische Klerus berufen ist, diese gegenseitige Erbitterung der Völker mit der Religion der Liebe zu besänftigen und mit der Leuchte des Glaubens diese heidnische Finsterniß nationaler Verirrungen zu erleuchten, ist nicht daher eben des katholischen Klerus höchste, wichtigste und heiligste Pflicht, so viel als möglich die Leitung jeder Nationalität zu übernehmem, damit sie nicht in diesen furchtbare!: Abgrund stürzt, und mit aller Energie auf Vereinigung aller Nationen hinzuarbeiten, wie Christus sie beabsichtigte? Alles dieses beweist klar und deutlich, daß der katholische Klerus sich zur Nationalität nicht passiv verhalten darf, sondern daß er thätig in die¬ selbe eingehen und sie im Geiste des Christenthums leiten müsse. Wer die Kraft, das Gewicht dieser Beweise nicht erkennt, ist freiwillig blind und böswillig zugleich. Wenn wir aber dieß behaupten, meinen wir keineswegs, daß die Theilnahme des katholischen Klerus eine überstürzte, unüberlegte und ma߬ lose sein dürfe; vielmehr sagen wir, daß in dieser Beziehung dnrch Ver¬ nunft und Offenbarung bestimmte Grenzen angewiesen sind, wie im All gemeinen für jeden Patrioten, so ganz besonders für den katholischen Klerus. III. Ueber diese Grenzen nur noch einige Worte. Die erste Grenze, welche der katholische Klerus iu Betreff der Na¬ tionalität niemals überschreiten darf, ist die Wahrheit. Wornach seh¬ nen sich in der Gegenwart alle Nationalitäten so sehr? 'Ihre Parole ist: Freiheit und wieder Freiheit! Die Grundlage der Freiheit aber ist du Wahrheit. „Wenn ihr in meiner Lehre verharret, werdet ihr die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird euch frei machen." (Joh. 8, 31). Ei"e Nationalität also, welche nur in Lügen und Verdrehungen ihre Stütze sucht wie jetzt die Italienische oder bei uns auch die unheilvolle Deutschthüm- lerei, ist schon gerichtet vor dem Richterstuhl des Christenthums, sie trägt schon an der Stirne das Siegel der Verwerfung, im Herzen aber den Keim des Zerfalles und des Unterganges. Niemandem, am allerwenigsten aber dem patriotischen Geistlichen darf daher ein Wörtchen ans dem Munde, ein Buchstabe aus der Feder entschlüpfen, der nicht allseitig der Wahrheit getreu und durch die Wahrheit bestätigt ist. Würde einmal die Nationalität die Grenze der Wahrheit, insbesondere irgend einer Glan- benswahrheit, überschreiten, dann muß jeder ehrliche Patriot, vor Allen wber katholische Geistliche feststehen wie ein unverrückbarer Fels und am Grenzsteine die Worte lesen, welche die göttliche Hand eingeschrieben: 269 „Bis hieher und nicht weiter." Eben hierin erweist sich die aufrichtige Loyalität und Treue gegen den allerhöchsten Herrscherthron. Die zweite Grenze ist das Recht. „Jedem daß Seine", „gleiches Recht für Alle" sind Axiome begründet in den Worten Christi: „Was ihr wollt, daß euch die Menschen thun, das thnet auch ihr ihnen. (Luk. 6, 31). Fordern und stützen wir unser Recht gesetzmäßig, energisch, standhaft, doch so, daß wir nie das Recht Anderer verletzen, noch weniger aber dar¬ nach trachten, auf den Trümmern der Rechte unserer Nachbarn unfern Ruhm zu gründen. Wenn uns auch die Nachbarstämme Unrecht zufügen würden, vergelten wir nicht Böses mit Bösem, überwinden wir vielmehr das Böse durch das Gute. (Kor. 12, 21). Eine Nationalität, welche die Nationen unterdrückt, hat sich schon an der Bestimmung des Christenthums versündigt, sie ist zugleich des göttlichen Segens unwürdig geworden; und früher oder später wird die Stunde kommen, in welcher sie mit demsel¬ ben Gerichte, wie sie gerichtet hat, mm selbst gerichtet wird, und ihr in demselben Maße, mit dem sie ausgemessen, auch wieder vergolten wird. (Math. 7, 2). Diese göttliche Wiedervergeltung finden wir an jedem Blatte der Weltgeschichte bestätigt. Die dritte Grenze ist die Liebe. Diese ist enger als die Grenze der Wahrheit und des Rechtes. Wohl manchmal könnten wir nämlich leicht ein Wörtchen sprechen, ohne die Grenzen der Wahrheit und des Rechtes zu übertreten, aber die Liebe wird uns rathen, lieber auch ein solches Wort öfters zu verschweigen, um nicht ohne Bedürfniß und ohne Vortheil die Gemüther zu kränken, die feindseligen Leidenschaften zu wecken und die Geg¬ ner noch heftiger zu erbittern. Die Grenze der Liebe verlangt die hl. Schrift ausdrücklich: „Wer nicht liebt, der bleibt im Zustande des Todes." (1. Joh. 3, 14). Die Nationalität ohne Liebe ist daher todt und kann ihre Angehörigen nicht zum Leben führen. Legen wir daher jedes Wort auf die Wage der Liebe, und sprechen und schreiben wir so, „daß sich der Gegner schämen wird, da er nichts Böses wird von uns sagen können." (Tit. 2, 8). Die vierte nnd letzte Grenze möge aber die Demuth sein. „Nicht Ichön ist eigenes Lob", sagt schon das Sprichwort; Christus aber lehrt: »Jeder der sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden." (Luk. 14, 11). Es Mb und gibt noch immer Menschen, die verblendet von überschätzender Selbstliebe niemals müde werden, sich selbst zu erhöhen, und die Vorzüge ihres Volkes bis zu den Sternen erheben, während sie die Nachbarstämme w den Koth herabziehen und verächtlich gleich dein Kothe sie zertreten. Das christliche Gemüth bemitleidet sie nnd denkt: „Stolz geht vor dem Falle." Ju der That! sag uns du einst so übermüthige römische Nationalität, die i stolz und mit verächtlichem Lächeln schautest, wie fremde Fürsten und Molker unter das Joch deiner Sklaverei sich beugten, wo ist jetzt dein ge¬ istiger Ruhm? Wie hoch du dich erhobest, ebenso tief und noch tiefer stürztest du in den Abgrund deiner Vernichtung, nicht einmal deinen Na- 270 men liest man mehr auf der Karte Europas! — Betreten wir niemals, meine Herren, diese verderbliche Bahn des Nationalstolzes, erkennen wir vielmehr in Demuth mit dem Apostel Paulus, dem Lehrer der Völker, daß auch wir der Natur nach Kinder des Zornes Gottes sind, gleich wie es alle andern Völker sind, (Ephes. 2, 3) d. h. erkennen wir, daß wir aus uns selbst nichts Gutes haben, und haben wir etwas, daß es em Geschenk der göttlichen Barmherzigkeit, insbesondere eine Frucht der christ¬ lichen Bildung ist, welche nach dem Zeugnisse der Geschichte selbst die rohesten Völker veredelt, indem sie solche noch in ihrer Wildheit wie in den himmlischen Weinstock Jesus Christus Pflanzt. Was haben wir also theure Brüder, das wir nicht empfangen, haben wir es aber empfangen, wozu rühmen wir uns, als hätten wir es nicht empfangen? (1. Kor. 4, 7.) Lassen wir daher ab von allem eitlen Selbstlobe, betragen wir uns aber so gebildet, menschenfreund¬ lich, ehrbar und arbeiten wir in der That, im Worte und in der Schrift so kräftig, muthig, trefflich und standhaft, damit andere Nationen, wenn es ihnen gefällt, unsere Tugenden und guten Thaten preisen werden, und solch ein Lob unserer Nation wird ein Wohlgeruch sein vor den Menschen und vor Gott. Blicken wir nur hin auf unsere Brüder die Oechen. Ihre ausgezeichnete Literatur hat schon vor Jahren die Aufmerksamkeit der be¬ züglich der Literatur gewiß reichen Deutschen erweckt und so manches ins deutsche übertragene Werk lesen die Deutschen mit Befriedigung und Nu¬ tzen. Ich erwähne hier nur die Dogmatik des Hochw. Bischofs Jirsik und die Alterthümer von Safarik. Ahmen auch wir solche Beispiele nach und wir werden so erfüllen den Auftrag Christi: „Lasset euer Licht leuchten vor den Menschen, auf daß sie eure guten Werke sehen und den Vater prei¬ sen, der im Himmel ist." (Math. 5, 16). Gestaltet der katholische Klerus sein Verhältniß zur Nationalität in diesen Grenzen und nach diesen Prin¬ zipien, dann kann er versichert sein, daß er im Geiste des Christenthnms handelt. Gott ist gewiß, mit ihm und wer wird dann wider ihn sein? (Röm. 8, 31). Er wird dem weisen Manne gleichen, welcher sein auf einem Felsen gebaut; es fiel ein Platzregen, es kamen Wassergüße, es brausten die Winde und stießen an das Haus; aber es fiel nicht, denn es war auf einen Felsen gegründet. (Math. 7, 24—25). Reorganisation der österreichischen Armee. In dem letzten Hefte dieser „Stimmen" haben wir in der Bespre¬ chung des für das laufende Jahr beantragten Budgets des Kriegs¬ ministeriums folgende Worte niedergeschrieben: „Es muß ein bedeutender Fehler im Militärorganismus sein, daß eine so kleine Militär-Macht so bedeutende Summen kostet" Bei der gegenwärtigen Weltlage, wo wegen der inner» Politik we Armee in der einen Hälfte des Reiches auf dem Kriegsfuße stehen und w allen Provinzen wenigstens eine Ehrfurcht gebietende Stellung einnehmen 2?1 muß, — wo Krieg und Empörung ringsherum cm unfern Reichsgrenzen entweder in Hellen Flammen lodert, oder doch jede Stunde ausbrechen kann; — wo die zahlreichen Feinde Oesterreichs mit allen Kräften und allen Mitteln auf dessen Zerfall und Untergang hinarbeiten, — bei einer solchen Weltlage kann von einer Reduktion unserer Armee vernünftiger Weise keine Rede sein. Der Finanzminister war also in seinem vollen Rechte, als er dem Reichsrathe offen und geradezu erklärte, daß im Armee¬ budget nichts herabgehandelt werden könne. Wie jeder vernünftige und aufrichtige Freund Oesterreichs ebenso wenig können auch wir unmöglich eine Verminderung der Armee in den gegenwärtigen Verhältnissen befürworten und beantragen; wir wiederholen nur unsere obige Beschwerde: „Es muß ein bedeutender Fehler im Mi¬ litärorganismus sein, daß eine so kleine Militär-Macht so bedeutende Summen kostet." Glücklicher Weise kam uns nun dieser Tage ein Buch in die Hand mit dem Titel: „Entwurf einer Reorganisation der österreichischen Armee." Es ist zu Wien in diesem Jahre gedruckt und von einem k. k. Rittmeister, dem Grafen I. Schweinitz, verfaßt. Ein solches Buch von einem solchen Verfasser kam uns wie gerufen! Wir müssen offen gestehen, daß wir uns nur mit einer gewissen Scheu und nur mit einem bangen Herzen auf dieses neue Feld, in das soldatische Heiligthum begaben. Aber je weiter wir vordrangen, desto größer war unsere Freude, desto fühlbarer der dar¬ aus gezogene Gewinn. Es freute uns bis ins Innerste unsers Herzens, einen ebenso volksfreundlichen, freisinnigen und echt konstitutionellen Geist, als einen wohl durchdachten und ausführlichen Plan zu finden, wie näm¬ lich unsere Armee ohne Lockerung der Disciplin, ohne Beeinträchtigung der Kraft und Schlagfertigkeit, ohne Verletzung oder auch nur Gefährdung der deni Kaiser, als obersten Kriegsherrn, schuldigen Ergebenheit und Treue in ein wahres Nolksheer zu verwandeln sei. Der Herr Verfasser gibt einen bis ins kleinste Detail ausgearbei¬ teten Entwurf für die Reorganisation unserer Armee in kriegerischer, tech¬ nischer und administrativer Beziehung. Wir glauben uns um die gute Sache und um unser Lesepublikum ein Verdienst zu verschaffen, wenn wir einige, für das praktische Leben besonders wichtige Parthien in unfern „Stimmen" zur Beurtheilung und Beherzigung vorführen. In der „Einleitung" stellt der Verfasser das Wehrgesetz auf, As dessen Prinzip die allgemeine Wehrpflicht und zwar mit der größten Strenge angenommen wird. Darüber heißt im K. 20 „Kein Staatsbür- 8sr kann irgend eine Stelle bekleiden oder Wähler sein, außer er hat der Wehrpflicht Genüge geleistet, er ist noch in den Listen derselben eingetra¬ gen, oder er war befreit vom Dienst nach KZ. 18, 19." — Ueber die Wenigen Ausnahmen heißt es in den KZ. 18 und 19: „Die in der Na- »ur der Sache liegenden Befreiungen der einzigen Söhne von Witwen 272 oder der Ernährer von Greisen rc. bleiben wie natürlich aufrecht. — Die Geistlichkeit ist vom Militärdienst befreit." Der Herr Verfasser verhehlt sich nicht, daß man gegen die allge¬ meine Wehrpflicht mit Einwürfen anrücken werde. Ein Einwurf besteht darin, „daß man sagt, wenn der Loskauf aufhört, dann haben wir keine Chargen, keine alten Soldaten." Einen weitern Einwurf bildet die Frage, „wie das vorgeschlagene System denn eigentlich die bei 160 Linien- und Reserve-Regimentern nö- thigen Offiziere herbeischaffen will?" Nachdem diese Einwürfe ebenso interessant und gründlich widerlegt sind, kommt ein dritter an die Reihe: „die Aristokratie wird gegen die ausnahmslose Wehrpflicht gestimmt sein, nicht minder die Geldaristokratie, und so wird daß System an dieser Klippe scheitern." Dagegen erwiedert der Herr Verfasser: „Die Aristokratie der Geburt hat gewisse Traditionen, die sie nicht antasten kann, ohne eben ihr ganzes Wesen, ihre ganze Vergangenheit zu verläugnen. Dient der Pair von England auf Ihrer Majestät Flotte und iu dem britischen Heere oder nicht? Wenn der Aristokrat den Militärstand als Beruf sich erwählt, warum soll er nicht der allen Staatsangehörigen gleichmäßig auferlegten Wehrpflicht Genüge leisten? In dem System des' Loskaufes lag eine Härte gegenüber dem Un¬ bemittelten, aber jeder Bemittelte ohne Unterschied des Standes konnte sich loskaufen, wenn sich der Adel also dem Loskauf gefügt hat, warum soll er sich der allgemeinen Wehrpflicht nicht unterwerfen, die ihm nicht einmal besonders schwer gemacht wird, übrigens ist das Waffenhandwerk des adeligen Standes schöner, wenn auch nicht ausschließlicher Beruf. Indem der Adel in die Reihen des Heeres eintritt, und gleich jedem anderen Staatsbürger an dem ehrenvollen Beruf, Thron und Vaterland zu vertheidigen, Theil nimmt, erfüllt er eben nur eine Pflicht, die er von jeher hatte, und wir halten unseren Adel für viel zu ritterlich, als daß er auch nur daran denken sollte, sich diesem Beruf entziehen zu wollen, übrigens dient er ja auch jetzt und jeder Feldzug hat der Armee genug Mitglieder desselben zugeführt. Endlich glauben wir, daß die Gleichheit in dem Gesetz zu sehr von allen Elasten der Bevölkerung anerkannt wird, als daß sich erwarten ließe, es könnte gegen das Prinzip der ausnahmslosen Wehrpflicht irgend welche Einwendung gemacht werden. Was die Aristokratie des Geldes dagegen anberifft, so war es vielleicht manchen jüngeren Mitgliedern der jsuuegss ä'm-äs sehr genehm sich durch das Geld von der Verpflichtung loszukaufen, die so wichtigen Interessen des Kapitals zu vertheidigen, und den Schutz des gewonnenen 273 Gutes jenen zu überlassen, die bereit waren, für das Einstandskapital diese Verpflichtung zu übernehmen. Der Loskauf ist also nichts als eine dem Kapital gemachte Concession, dem entgegen steht der einjährige freiwillige Dienst und der weitere — in den Reihen der beurlaubten Offiziere nach zurückgelegten Studien oder nach abgelegten wissenschaftlichen und militärisch-praktischen Prüfungen. Wir fragen, was ist denn moralischer und zweckmäßiger, die der Intelligenz gemachte Concession oder die dem Kapital gewährte? Wenn die Jugend der reichsten Klassen der Bevölkerung Theil nimmt an der Vertheidigung der materiellen Güter, so läßt sich viel¬ leicht annehmen, daß sie in dem Genuß derselben mäßig ist, und daß die allgemeinen Interessen nicht von den Besitzern jener Güter ausge- Leutet werden. Ein gesundes Staatsgebäude ruht unerschütterlich fest auf dem Boden des Rechtes, nie aber auf den Interessen einer allmächtig werden wollenden Bourgeoisie, diese letztere muß und darf nicht aufkommen, wohl aber ein kräftiger Bürger- und Bauernstand und eine den Zeitverhält¬ nissen Rechnung tragende unabhängige Aristokratie, die voranleuchtet auf allen jenen Wegen, die eingeschlagen werden müssen, um die socialen Fra¬ gen der Gegenwart zu lösen." Auf die Frage endlich: „Wie soll aber und wie kann dieses Sy¬ stem in unserer gegenwärtigen, so ernsten Zeit durchgeführt werden, wie kann man auch nur daran denken, jetzt mit einem solchen Vorschläge zu Tage zu treten ?" antwortet der Herr Verfasser, „daß gerade die gegenwärtige Zeit uns auffordert, Hand an die Lösung der Frage vom Wehrwesen zu legen, und ist denn überhaupt die Lösung gar so schwer? Das Infanterie-Regiment hat im Ergänzungsbezirk Mannschaft genug, um sich in der angegebenen Art zu formtreu. Wir concentriren ferner die Armee und vereinigen dort, wo es nur irgend thunlich ist, auch die Kavallerie in größeren Körpern, wer kann die Vortheile dieser Maßregeln unterschätzen wollen? Ueberhaupt wird durch die gegenwärtige Dislocation jede militä¬ rische Ueberwachung erschwert, wie soll die tactische Ausbildung zweckent¬ sprechend geleitet werden, wenn z. B. ein siebenbürgisches Regiment mit 2 Bataillonen in Galizien, mit 6 Kompagnien in Mantua und mit 2 in der Bukovina dislocirt ist, muß darunter nicht die Administration leiden, und wie soll sich denn der so nöthige Corpsgeist im Regiment entwickeln, tvenu der Körper, der zusammengehört, dermaßen zerstückelt wird? Man verzeihe uns, daß wir diese Punkte berühren, aber wir halten es für nöthig, denn die Frage der Reduktion und der Reorganisation der llrinee ist wichtig." In der Abhandlung über die allgemeine Wehrpflicht hat der edle Gras auch ein liebevolles Herz für unsere arme Militärgrenze und er — selbst ein Elitär! — schreibt gegen den gewöhnlichen Gebrauch darüber Folgendes: „In dem ganzen alten Militärgrenz-Gebiet mit Civil-Croatien rc. 18 274 sind nach unserer Organisation die Ergänzungsbezirke von 12 Linien- Regimentern und 6 Jägerbataillonen, also haben wir in diesem Gebiet 12 Linien-, 12 Reserve-Regimenter, 6 Linien- und 6 Reserve-Jäger- Bataillone, endlich 36 Miliz-Bataillone; sollten nicht die letzteren (im Falle des Ausmarsches der 3 Divisionen Agram, Esseg und Temesvar) hinreichend sein, um jene Grenzen zu besetzen? — Es sind 12 Miliz- Regimenter oder 32.400 Mann, um wie viel mehr Mann hat denn jetzt dieses Gebiet, wenn die Linien-Grenz-Bataillone ausmarschirt sind? Nach dem projectirten System haben wir im Banat, Syrmien, Slavonien und Croatien Wut sn Wut 75.600 Mann Infanterie ohne Miliz, mit dieser 108.000 Mann, ohne den Depot-Truppen, gewährt das System also hinreichende Kraft? Es würden die 80 Ergänzungsbezirke ihr Gebiet entsprechend ver¬ größern, und eine Bevölkerung, die sehr gesunde Elemente der Entwick¬ lung in sich birgt, würde endlich den bürgerlichen Verhältnissen zurückge¬ geben; es ist Thatsache, daß in der Militärgrenze einige und 30.000 Witwen existiren, nach dem letzten Feldzug wird diese Zahl wohl noch größer geworden sein, wir fragen, wohin soll das mit der Zeit führen? Die Militärgrenze mochte zweckmäßig sein zu einer Zeit, wo stets Einfälle der Türken zu befürchten waren, wo durch den immerwährenden Kampf mit jenen wilden Nachbarstämmen sich unendlich verwendbare leichte Truppen bildeten, der lange Frieden, der an jenen Grenzen mit nur geringen Unterbrechungen herrschte, hat im Gefolge gehabt, daß die Cultur auch Wohl drüben ihre naturgemäßen Fortschritte machte, That¬ sache ist, daß, weil inan den Grenztruppen eben jenen Charakter nahm, den sie einst hatten, die einstige Leistungsfähigkeit dieser Truppengattung abgenommen hat, und daß die Jäger ganz andere Thaten aufznweisen haben als das beste Grenzbataillon, man hat deßhalb gegenwärtig Linien- Truppen aus ihnen gemacht. Man hob im Jahre 1850 die Militärgrenzen in Siebenbürgen auf, und wir glauben nicht, daß man diese Maßregel zu beklagen hat, in volkswirthschaftlicher Hinsicht haben jene Gegenden, die früher ausschließ- i lieh unter Militär-Jurisdiction standen, sicher gewonnen. Ist die militärische Bewachung unserer langgestreckten südlichen Grenze noth wendig, so halten wir dafür, daß der Cordonsdienst eben¬ sogut von Linien- und Jäger-Truppen wird versehen werden können, wir meinen, daß die Pflicht der Grenzbewachung nicht ausschließlich einer Bevölkerung, sondern dem Heere des Reiches zusteht. In der Bukowina bestandeu ganz vorzügliche Cordons-Bataillone, die eben so gefahrlos auf¬ gehoben werden konnten, und nicht einmal Grenz-Truppen im eigentlichen Sinne des Wortes waren. Wir glauben ferner, daß ein zeitweiser angestrengter Grenzdienß eine gute Uebung für unsere Linien-Truppen sein dürfte, diese Uebung aber zum ausschließlichen Lebenszweck der ganzen männlichen Bevölkerung 275 eines Landes, bis zu einem gewissen Lebensabschnitt zu machen, halten wir für nicht angemessen; noch weniger aber dürfte man wegen diesem Dienst die Bevölkerung unter eine militärische Administration stellen, die ihrem ganzen Wesen nach heutigen Tages sich nicht mehr mit den Forde¬ rungen der Cultur vereinigt. Es mag allerdings für die Offiziere vom Hauptmann aufwärts dieser Dienst viel Angenehmes haben, aber die patriarchalischen Verhältnisse haben sich eben überlebt. Das Prinzip der Gleichheit vor dem Gesetze, die bürgerliche durch das Gesetz und nur durch dieses beschränkte Freiheit erlaubt nicht das Fortbestehen dieser ver¬ alteten Institution. Der wichtigste Umstand, der aber bei der Grenz-Truppen-Frage in Betracht kömmt, ist der, daß eine Bevölkerung, die nach Millionen zählt, unstreitig dieselben Rechte hat, wie die Bewohner der anderen Theile der Monarchie; wie kann man es also verantworten, diese Länder fort¬ während unter einer Militärverwaltung zu belassen, und wenn ferner die Autonomie der Gemeinden, das System der Selbstregierung, zur Geltung kommen sollte, warum soll die treue Bevölkerung der Militärgrenze dieser Wohlthaten entbehren? Der gegenwärtige Zustand des Militärgrenz¬ gebietes mag sein wie er will, gut oder schlecht, eine so in die Augen springende Ungleichheit der bürgerlichen Verhältnisse kann nicht fortbestehen, ohne daß man sich der Gefahr aussetzt, daß diese Gegenden weit hinter den anderen Provinzen der Monarchie zurückbleiben, und endlich selbst ihren Zustand unerträglich finden; Anzeigen liegen vor, daß dieß jetzt we¬ nigstens schon theilweise der Fall ist. Entweder der Grenzdienst kann von Linien-Truppen versehen werden oder nicht, ist ersteres der Fall, dann ist das Aufgeben der Militärgrenze eine Pflicht, der sich der Staat, ohne ungerecht zu sein, nicht entziehen kann. Am Kaukasus und bei den Kosaken des Ural und schwarzen Meeres mag eine rein militärische Verwaltung vielleicht ihrem Zweck entsprechen, fast mitten in Europa kann man einer Bevölkerung diese Last nicht mehr aufbürden, ohne die wichtigsten volkswirthschaftlichen Interessen zu ver¬ letzen. Die ungeschwächte Ausrechthaltung der productiven Kräfte des Staates ist für Oesterreich eine Lebensfrage geworden, und man kann nicht bei der jedesmaligen Mobilmachung der Grenzer die dortige wirthschaftliche Organisation, wo nicht ganz vernichten, doch jedesmal sehr bedeutend in »rage stellen." Herrliche Worte, gewiß der Beherzigung Werth! Am Schlüße der „Einleitung" steht die detailirte Reihenfolge, in welcher die Umformation der Armee vor sich zu gehen hätte. Die zweite Abtheilung führt die Aufschrift: „Die Militär-Ad¬ ministration und Verpflegung." Gerade in diesem Abschnitte wird der Verfasser besonders interessant, freimüthig und sogar beißendscharf. Gleich am Anfänge heißt es: „Wir halten die Reorganisation der Armee nicht allein für durch¬ führbar, sondern sogar für unumgänglich nöthig, denn es muß ein System, 18* 276 sei es das Unsrige, oder ein anderes, gefunden werden, welches dem Chaos unserer Militär-Verwaltung ein Ende macht. Wie im staatlichen Leben so im Heer; die Bureaukratie hat mit stetigen Verordnungen die Friktion der Heeres-Administrations-Maschine s§ vermehrt, daß es ein Wunder ist, daß sie trotz aller Hindernisse in Bewegung blieb. Oesterreichs Heere haben immer ehrlich ihre Pflicht gethan; Jeder¬ mann weiß, welche Hindernisse die Kanzleien seit Wallenstein's Zeiten den Feldherrn machten, es gehörte die ganze moralische Kraft eines Eugen's, eines Loudon, eines Erzherzog Karl, eines Radetzky dazu, um diesen Hin¬ dernissen die Spitze zu bieten. Und wie einfach ist doch die Heeresverwaltung, wenn man nicht in den Kanzleien Schwierigkeiten erfindet! Will man durchaus das Einfache nicht verstehen, so wird durch die Einführung des Complizirten eine im¬ mer größer werdende Zahl von Controlmaschinen nöthig, die neue Aus¬ lagen verursachen und nur den Papierfabrikanten Nutzen bringen. Oesterreich ist noch lange nicht morsch, es hat mehr Kraft als Manche glauben, aber die Kräfte wollen geweckt sein; — die Kanzleien sind morsch, die Bureaukratie hat sich überlebt — voila tout! Wir haben in den letzten zwölf Jahren die großartigste Vermeh¬ rung der Kriegskommissariats-Branche und eine Reorganisation des Ver- pflegswesens vorgenommen, man hat der ersteren das goldene Porteöpäe, ihnen Rangsvorzüge gegeben und doch nichts damit erreicht; wenn eine ganze Branche nichts kennt, als den todten Buchstaben des Systems und mit verknöcherter Pedanterie und schrecklicher Gewissenslosigkeit an allen Ecken und Enden Mangel und Confusionen hervorruft, so ist es wohl natürlich, daß die Operationen sehr bedeutend durch diese Vorgänge beein¬ flußt werden." Als Mittel schlägt der Verfasser vor, den einzelnen Truppenkörpern in administrativer Hinsicht eine größere Selbstständigkeit zu geben und das System der Verwaltungsräthe sowohl für die Naturalverpflegung als für das Bekleidungswesen einzuführen. Hierüber lesen wir: „Indem man den Truppen selbst diese Zweige der Administration übergibt und überall verantwortliche Verwaltungsräthe einführt, dürfte zahllosen Unterschleifen vorgebeugt und ein solideres System möglich ge¬ macht werden. Die Unterschleife bei den Monturs-Commissionen und Verpflegs- ämtern sind bekannt, alle Organisationen, die bis jetzt vorgenommen wurden, erwiesen sich als unzureichend, den Unterschleifen beugen keine neuen Stellen vor, und wo einmal das Uebel so um sich gegriffen hat, wie bei uns, da helfen nur Systeme, die weniger pedantische Formen ent¬ halten, dagegen auf Basen der Verantwortlichkeit und einfacher Rechts- formen beruhen. Die jüngste Vergangenheit hat uns sehr traurige Beispiele gegeben, daß alle Vielschreiberei und alle Controls den Staat nicht vor Betrug schützt- 277 Feldmarschatt-Lieutenant Eynatteu hatte schon in Italien einen anrüchigen Ruf, wie konnte er General-Direktor für ökonomische Ange¬ legenheiten werden, und wie konnte man einer Anstalt das Monopol der Lieferungen übergeben? Angenommen, die Creditanstalt hat durchaus solid ihre Geschäfte geführt, wie konnte man es verhindern, daß bei Ver¬ handlungen zwischen einem und dem anderen nicht ein ganz einfaches Sensal-Geschäft gemacht wurde, welches sich der Natur der Sache nach in die Tausende belaufen mußte. Zahler ist eben wie natürlich der Steuer¬ zahler, nicht das sogenannte Aerar, denn das verwaltet eben nur die Gelder der Ersteren, die Sensalie kann bei einem geheimen Protokoll- Verfahren erst recht eintreten, dagegen bei einem verantwortlichen Verwal¬ tungsrath nie, und der Natur des Handels nach würde das wieder statt¬ finden, weil große Lieferungen meist nur durch das große Capital bewerk¬ stelligt werden können, sie können nur dann billig erzielt werden, wenn die freie Concurrenz eintritt und der unabhängige verantwortliche Verwal¬ tungsrath die Lieferungs-Operationen beherrscht. Als die Creditanstalt die Lieferungen in Früchten übernahm, ent¬ stand ganz einfach ein Monopol, und zwar ein sehr drückendes, denn sie norinirte die Fruchtpreise. Da die Creditanstalt als einziger Käufer auftrat, drückte sie die Preise herunter, und zu einer Zeit, wo der Steuerzahler ohnehin durch die Kriegskosten enorm in Anspruch genommen war, konnte er nicht einmal seine Früchte zu Preisen verwerthen, die mit dem damaligen Cours des Geldes, den Steuern, welche doch auf das Produkt geschlagen werden mußten, in Einklang standen. Jeder Fruchtpreis-Ausweis der damaligen Zeit gibt den sprechenden Beleg. Die Creditanstalt kaufte z. B. den Metzen Hafer beim Producente» »m 1 fl. 80 kr., schlug die Sensalie, den Transport, anderweitige Spesen und ihren Profit dazu, wie hoch kam Wohl dann der Metzen Hafer inclu¬ sive Transport und gewissenlose Beamtenwirthschaft? Und wie hoch wäre er gekommen, wenn der Verwaltungsrath Offerte ausgeschrieben und Minuendo-Licitationen Partienweise oder in Losen vor¬ genommen hätte? Das Aerar zahlte jedoch, wie natürlich, an die Creditanstalt den llnkaufspreis, Spesen, Profit und Sensalie, der Producent seinerseits uwßte also Spesen, Profit und Sensalie ans den Steuern zahlen, und konnte sein Product nicht zu naturgemäßen Preisen verwerthen, hatte also einen doppelten Verlust. Wie wäre es endlich gewesen, wenn ein Verwaltungsrath oder eine Kommission, bestehend aus einem Präses, hohen Generalen, hohen Militär- -Lerwaltungsbeamteu, höchstbesteuerten Gutsbesitzern, Abgeordneten des Reichstages, der Handelskammern, Fabrikanten, Banquiers, ferner einem ^taatsauditor behufs Wahrung der Rechtsverhältnisse unter ihrer Ver¬ antwortlichkeit die Armee-Verpflegung d. h. die Beschaffung der Bedürf- 278 nisse s» Aw» übernommen, und unter Controls vermittelt hätten? Wir dächten, daß durch diese Commission der Staat vor Betrug, der Produ¬ cent vor Preisen bewahrt worden wäre, die ihm nur eine Anstalt abdrücken konnte, die das Monopol hatte, und die Spesen und Prosit eben von der Staatsverwaltung vergütet erhalten mußte. Bei dem System der Minuendo - Lizitationen und Offerten, über¬ wacht von jener vorgeschlagenen Commission, dagegen hätte der Staat vielleicht einen etwas höheren Anschaffungspreis als in gewöhnlichen Jah¬ ren, sicher aber keine Sensalie, keinen Profit und keine Unterschleife gezahlt. Ja aber die Creditanstalt hatte Fonds, der Staat nicht und konnten, fragen wir bei einer solchen Gelegenheit, die Preise für Früchte nicht den liefernden Producenten in die Steuer eingerechnet werden, konnten ihnen selbst nicht Bons für künftige Steuerzahlungen gegeben werden, und hätte man endlich nicht in Banknoten zahlen können, da dieselben ohnehin Zwangscours haben? Wir sind nicht berufen, in finanzieller Hinsicht die letzten zwölf Jahre einer Kritik zu unterziehen, das aber wissen wir, daß es mit unserer Geldwirthschast nie anders wird, so lange nicht die Controle der Steuer¬ zahler eintritt. Wir sind als Soldat kein Finanzkundiger, wir beurtheilen als Laie. Man redet immer von Vermehrung der Einnahmen durch Steuern, während doch hauptsächlich zuerst eine Verminderung der Aus¬ gaben eintreten muß, die Einnahmen muß endlich einmal auch ein freierer Handel bringen, Schutz braucht höchstens noch das inländische Eisen, ein Aufgeben aller Monopole, die dem Staat nur scheinbaren Nutzen bringen. In Allem und Jedem, was auf die Natural-Verpflegung und Be¬ kleidung der Armee Bezug hat, muß die freie Concurrenz eintreten, die Selbstverwaltung des Staates in Monturs-Commissionen, Bäckereien rc. muß so viel als thunlich beseitigt, dafür der Privat-Jndustrie, der Selbst¬ erzeugung bei den Truppen der möglichst freie Spielraum gegeben werden. Wenn Verwaltungsräthe z. B. die Verpflegung einleiten, so tritt die Haftbarkeit Mehrerer an die Stelle der Veranwortlichkeit Einzelner, mithin ist die Controle vereinfacht. Die Monturs-Commissionen erfor¬ dern z. B. Kriegs-Commiffäre, Rechnungsführer, -Stabs- und Ober- offiziere, und doch geschahen vor einigen Jahren Unterschleife, welche die umfassendsten Untersuchungen verursachten. Jedes Monturstück muß ferner umgearbeitet werden, weil nichts paßt, und ein zu Carlsburg in Sieben¬ bürgen stationirtes Bataillon bezieht seine Monturs-Augmentationen aus Jaroslaw in Galizien, und doch besteht in' Carlsburg eine Monturs- Commission — berechnet man nun die Fracht, die enormen Regie-Kosten der Commissionen, und wie hoch wird sich der Preis irgend eines Mou- turstückes denn eigentlich beziffern? Wird die Bekleidung eines Regi¬ mentes diesem selbst überlassen, bei jedem Regiment eine Handwerker-Abthef- lung errichtet, die Geschäftsführung nach einfachen Normen geführt, die Anschaffungen durch das Plenum des Verwaltungsratheö eingeleitet, das 27S Material durch eine Commission und beeidigte Experten geprüft, so können wohl nur Unterschleife sehr untergeordneter Natur eintreten, die bei stren¬ ger Controle des Verwaltungsrathes gegenüber den manipulirenden Or¬ ganen leicht ganz vermieden werden können. Ferner wird dadurch die Privat-Jndustrie gehoben, denn der Bedarf wird mehr vertheilt, mithin auch die Erzeugung. So lange als Aemter und nicht beeidigte Experten die Annahme der Produkte besorgen, ist es natürlich, daß sich der Preis derselben steigert. Betrachten wir aber einmal die Natur der Handelsbeziehungen näher: Der ökonomische Effekt des Handelsgewerbes besteht eben darin, daß es 1. mit mehr Sorgfalt, als dies durch den Consumenten geschehen würde, diejenigen Producenten anfsncht, welche die begehrten Erzeugnisse am besten und wohlfeilsten zu liefern im Stande sind; — daher eine ausgedehntere Produktion des Erzeugnisses an jenem Orte veranlaßt, wo sie am vortheilhaftesten geschehen kann, und hiedurch die vollkommenste Befriedigung der Bedürfnisse des Consumenten, mittelst des möglichst kleinen Aufwandes, bewirkt; 2. daß es die Arbeit vermindert, welche mit der Herbeischaffung des Bedürfnisses durch den Consumenten (hier der Staat) verbunden sein würde: denn das Handelsgewerbe schafft große Quantitäten jeder Gat¬ tung der Erzeugnisse herbei, wogegen der Consument mit derselben Mühe und größeren Kosten seinen Bedarf hätte anschaffen müssen. Ganz einfach würden sich also auch die Lieferungen gestalten, wenn der Staat als Consument ähnliche Contrakte schließen würde, die der Kauf¬ mann eben auch abschließt; entscheidet nämlich bei der Ablieferung nicht die Willkür eines Beamten, der nach Gutdünken „Schwierigkeiten" machen kann, so ist das Liefergeschäft erleichtert, denn beeidigte sachverständig« Experten sprechen ihr Votum — ohne den Lieferanten vielleicht auch nur Zu kennen, an die Stelle des „Ermessens" der Beamten tritt „das Recht," kw das „allein" waltet, ist jedes Geschäft erleichtert; was endlich die Billigkeit anbetrifft, so gibt es ein sehr einfaches Mittel — „die freie Eoncurrenz!" Die Regimenter schließen die Contracte — der Lieferant hält sie ein, vor Beeinträchtigungen schützt beide das Gesetz! Wie es bei Lieferungen zugeht, zeigt der Herr Verfasser in den 2 folgenden Geschichten: „In einer gewissen Stadt lieferte einmal ein gutmüthiger Pächter x Centner Heu — es wurde beanständet; — am Ende der Verhand¬ lungen äußerte der Heu-Abnehmer, den ich weiter nicht näher nennen will, „ich hätte auch Heu zu liefern, kann es aber in meiner Stellung nicht, wollten Sie nicht eine Quittung schreiben über x 4- meine * Centner Heu und mir das Geld auszahlen, Sie bekommen es bei der 280 Cassa zurück, Ihnen schadet das also nichts, lind ich kann mein Heu ver¬ kaufen. Der gutmüthige Pächter schlug ein, das Heil war plötzlich gut und der Handel war gemacht. Woher mögen Wohl die allerdings vor¬ handenen x Centner Heu des Abnehmenden gekommen sein? Die Ge¬ schichte ist wahr und trug sich vor mehreren Jahren zu, die Moral mag sich jeder selbst daraus ziehen. Wäre es daher nicht zweckmäßig, auf unser System einzugehen und die Verwaltungsräthe bei den Regimentern und Garnisonen zu organisiren, die Lieferungen dann dem Handel zu überlassen, sicher würde der Staat nicht so viele Centner Heu zu zahlen haben, die dem Staat auf eine so gutmüthige Art abgeschwindelt werden." Ueber den großartigen Unterschleifprozeß vom I. 1859 verlautet im Buche: „Die Firmen Leopold Weiß nnd Ignaz Weil-Weiß, wenn auch in den Registern der Veroneser Handelskammer als getrennt sungirend aufge¬ führt, bilden dennoch in Wirklichkeit nur ein einziges Haus mit gemein¬ schaftlichen Gütern, Registern und Agenten. Dieses Haus bewirkte seit mehreren Jahren den größten Theil der Lieferungen, namentlich von Getreide, Reis, Holz und Heu, für die im lombardisch - venetianischen Königreiche dislocirte zweite Armee. Jede dieser Lieferungen wurde regel¬ mäßig contrahirt und die bezüglichen Contracte bald von einem, bald vom andern der Firmaführer unterzeichnet. Der mit der Beaufsichtigung des Verpflegswesens der zweiten Armee betraute Oberkriegskommissär Schle¬ singer entdeckte bei seinen im August oder Oktober 1859 vorgenommenen Visitirungen mehrere grobe Unterschleife, namentlich daß das Brod nicht das vorgeschriebene Gewicht habe, und daß bei Verfertigung desselben nicht die gehörige Portion Salz verwendet werde, sowie auch, daß die ärari¬ schen Maaren alterirt seien und nicht das richtige Gewicht bezeichnen. Auf die hierüber erstattete dienstliche Anzeige wurde die gerichtliche Untersu¬ chung eingeleitet, welche bald wichtige Resultate zu Tage förderte. So gestand z. B. der Verpflegs-Jntendant in Verona, Franz König, daß ihm schon bei seiner Amtsübernahme am 1. September 1857 von seinem Vorgänger Carl Hofer entdeckt worden sei, daß die Gepflogenheit seit Jahren bestehe, daß die Lieferanten bei Einkassirung ihrer Gelder dem Intendanten 1 pCt. ihrer Einnahme zukommen ließen. Da vom Ium 1858 bis Mai 1859 die Firma Weiß allein für ihre Lieferungen die Summe von 2,034.806 fl. 82 kr. bezog, so betrug die unrechtmäßige Einnahme des Intendanten allein über 20.000 fl. in diesem Geschäfte, ungerechnet die andern Bestechungen und Veruntreuungen, welche zusam¬ men beinahe das Doppelte ausmachten. Dafür wurden natürlich ä eonto des hohen Aerars dem Lieferanten so manche Gefälligkeiten erwiesen, wie z. B. demselben dazu verhelfen, daß er die verschiedenen Pönale, in die er verfallen war, und welche sich auf mehr als 50.000 fl. beliefen, nicht zu zahlen brauchte. Auch die andern Beamten und Bediensteten der Milrtärverpflegsverwaltungen machten sehr erbauliche Geständnisse, nämlich 881 daß sie von der Firma Weiß bedeutende Geldgeschenke theils in größeren unbestimmten Beträgen, theils sogar als förmliche fixe Zulagen bezogen, natürlich nicht ohne dafür entsprechende Gegendienste zu leisten. Mit die¬ sem immerhin ganz netten Einkommen waren jedoch die erwähnten Organe der Militärverpflegsverwaltnng noch immer nicht zufrieden, suchten ihre Einnahmsquellen noch dadurch zu vermehren, daß sie im Einverständnisse mit den Frachtbeistellern, den Arbeiteraufnehmern und Salzlieferanten Frach¬ tengebühren, Arbeiterverwendungen und Salzfassungen verrechneten, die nicht existirten, wobei natürlich der Gewinn getheilt wurde. Die Inten¬ danten König, Hofer, die Verpslegsoffiziale Reitinger, Hribar, Pogazar, die Bäckermeister Maher, Saltner u. m. a. wurden bereits durch die Militärgerichte abgeurtheilt und bestraft. Herrn Ignaz Weil-Weiß und dessen Proknraführer Neumann, welchen bei der Arretirung des Inten¬ danten König nicht Wohl zu Muthe gewesen sein muß, entzogen sich den Folgen ihrer Handlungen durch die Flucht in's Ausland, indem Weil- Weiß nach Nizza, Neumann nach Amerika sich begab. Der Compagnon des Ignaz Weil-Weiß, Leopold Weiß, sowie der Frachtenbeisteller Hin- gerle, die Arbeitsaufseher Adrogna und Gregoleri, sowie der Salzver¬ schleißer Morandini wurden jedoch verhaftet, und sie sind es eben, über welche die Schlußverhandlnngen von einem Fünfrichter-Collegium geführt werden. Das ganze Gericht ist aus fremden Beamten zusammengesetzt, weil der Umfang des Prozesses ein so großer ist, daß die vollkommene Kenntniß der deutschen und italienischen Sprache von Seite der sämmt- lichen Gerichtsmitglieder erwünscht war, und daher nur solche Personen verwendet wurden, welche beider Sprachen vollkommen mächtig sind. Die Angeklagten beobachteten bisher ein System des absoluten Leugnens, und namentlich Leopold Weiß sucht sich damit zu vertheidigen, daß er angibt, daß er wohl die meisten Liefernngscontracte unterschrieben, nie aber in die Details der Ausführung eingedrungen sei, da sein Vetter Weil-Weiß das Ganze geleitet habe. Ist es nicht klar, daß Weil-Weiß & Comp. nur deßhalb betrügen konnten, weil die Verpflegsbeamteu, die in den Prozeß verwickelt sind, eben „zugänglich" waren? Nur ein neues System kanu helfen, Controle und Conduiten-Listen allein nutzen nichts. Nach diesen Enthüllungen müssen wir erst recht auf unseren An¬ sichten beharren, es geht aus Allem hervor, daß das System völlig un¬ brauchbar ist. Verwaltungsräthe, gewählte Experte und Anwälte der Krone bieten allein die Garantie, daß es endlich besser wird. Die Verpflegung der Armee wird auch dadurch besser werden, daß die Spesen, welche mit der Verpflegung selbst verbunden sind, herunter¬ gesetzt und die Controle vereinfacht wird; je weniger Beamte, desto weni¬ ger Controle ist nöthig. Wir machen die Regimenter und Garnisonen in der Verwaltung 382 selbstständig bis zu einem gewissen Grade, es entfällt daher naturgemäß eine große Menge Geschäfte. Die Controls der Vorräthe und deren Manipulation fällt aus, denn der Lieferant manipulirt seine Vorräthe selbst. Das System der Lieferungen ist deßhalb jetzt schlecht, weil Bu¬ re au krat en es handhaben, weil der ganze Mechanismus durch buream kratische Formen beengt ist; nur Verwaltungsräthe, die selbstständig han¬ deln können, sind in der Lage, die Verpflegung praktisch zu leiten und die localen Verhältnisse entsprechend zu berücksichtigen, — Central-Organe nie, weil sie die localen Verhältnisse nicht kennen und niemals kennen lernen werden. Eine eigene Regie ist nur in den Festungen und im Kriege nöthig, sonst nicht, und warum nicht? Weil durch das System der Verwaltungsräthe und der Privat- Regie Millionen erspart werden, die völlig zwecklos verausgabt werden, und die nur in noch größerem Maße ausgegeben werden müßten, wenn große Magazine rc. aufgestellt würden. Der Lieferant schafft seine Vorräthe schon dorthin, wo er sie braucht rc. Die freie Concurrenz ist es, die ihn zwingt, dies so billig als möglich zu thun, warum soll denn der Lieferant, der direct an die Truppe liefert, schlecht liefern, während er an das große Magazin gut liefert? Dieselben Bedingungen, die das Staats-Magazin stellt, kann sich die Truppe auch stellen, und noch schärfere." Gerade in diesem Abschnitte hat der Herr Graf seine konstitutionelle Gesinnung in glänzender Weise bewiesen, indem er schreibt: „Der Steuerzahler hat das unbestreitbare Recht zu verlangen, daß das, was ohne Nachtheil des Dienstes billig hergestellt werden kann, nicht ohne Noth vertheuert werde. Der Reichsrath wird diese Sache in die Hände nehmen und ist unser parlamentarisches Verfahren zweckmäßig eingerichtet, so wird dabei das Gute zu Tage kommen. Ausschüsse nach französischem Muster werden freilich nichts helfen, diesen werden eine Anzahl größtentheils offizieller Dokumente vorgelegt, ein Minister oder sonst ein höherer Beamter wird vernommen, wenn er es nicht für gut findet, sich in den Mantel offizieller Unnahbarkeit zu hüllen, vielleicht auch irgend ein zufälliger Nachweis geliefert, alsdann, und so oft kurz genug über die Sache selbst debattirt und endlich ein Berichterstatter ernannt, der einen wohlstylisirten, im Sinne der Majorität abgefaßten Bericht nebst einigen Anlagen mittheilt, wozu dann mitunter noch ein im umgekehrten Sinne entworfenes Minoritätsgutachten kommt- Was nun bei einem solchen Verfahren die Hauptsache ist — diese Berichte und Gutachten nebst den etwa und meistentheils daran sich knü¬ pfenden Diskussionen, — das tritt im englischen Verfahren in der Regel sehr zurück, während dagegen vorzugsweise die Aufmerksamkeit dahin ge- L83 richtet ist, zur späteren Debatte oder zu den betreffenden Gesetzvorschlä¬ gen das erforderliche Material zusammen zu schaffen. Ein englischer Parlamentsausschuß hat das Recht, jeden englischen Unterthan zur Abhörung vorzuladen und diese sind bei schwerer, willkür¬ lich vom betreffenden Hause aufzuerlegenden Strafe verpflichtet zu erscheinen. Von diesem Vorladungsrecht wird nun jedesmal der ausgedehnteste Ge¬ brauch gemacht, wie jedem Zeitungsleser bekannt ist. Jeder Vorgeladene hat nun eine Reihe von Kreuz- und Querfragen durch sämmtliche Mit¬ glieder des Ausschusses zu bestehen: jedesmal wird Frage und Antwort stenographisch ausgenommen. Man begreift leicht, welche Masse des In¬ teressanten und Wissenswerthen sich durch ein solches Fragesystem eines alle Richtungen vertretenden Ausschusses zusammenhäuft. Diese ganze Masse von Fragen und Antworten wird entweder von Zeit zu Zeit durch den Druck dem Parlament und der Oeffentlichkeit zu¬ gänglich gemacht, oder erst mit Beendigung des Ausschusses einem kurzen Bericht angehängt, welcher letztere meist nur über die Thätigkeit des Ausschusses sich verbreitet, nicht selten aber auch eine Reihe von Re¬ solutionen, aber nur in Ausnahmsfällen weitläufige Raisonnements ein¬ schließt, wie sie von der Majorität beschlossen worden sind. Nur in selte¬ nen Fällen bittet der Ausschuß um Geheimhaltung des von ihm gesam¬ melten Materials und auch nur bei solchen Ausschüssen ist die Anwesen¬ heit der übrigen Mitglieder desselben Hauses ausgeschlossen. Es bedarf wohl keiner Auseinandersetzung, wie viel gründlicher ein englischer Ausschuß der Gesetzgebung vorarbeitet, als ein französischer. Die parli»w8lltsi^ rsports enthalten durchweg ein so reiches Material zur Kenntniß der Zustände, daß die einzige Verlegenheit oft die ist, wie man selbe verwenden soll. Es wird aber in den allermeisten Fällen genügen, wenn irgend ein einzelner Gegenstand auch von nur wenigen Sachkundigen durchgearbeitet wird. Vor allem wird von solchen Berichten diejenige Einseitigkeit und diejenige Schönrednerei fern gehalten, wodurch sich so viele Berichte von Continental-Ausschüssen nicht gerade zu ihrem Vortheil auszeichnen. Wenden wir dieses Verfahren auf die Regelung unseres ganzen Armee-Administrations-Wesens an, denken wir uns, daß der Reichstag durch die Masse der Untersuchungen sich eine klare Einsicht in die Dinge verschafft, wer wird leugnen wollen, daß endlich das wahrhaft Praktische zu Tage gefördert werden muß." Der geehrte Graf fühlt gar gut, daß dieser sein parlamentarischer Vorschlag auf heftigen Widerspruch stoßen wird. Sarkastisch ruft er diesen seinen Gegnern entgegen: „Ich höre meinen Gegner: Das System der Verpflegung, der Lieferungen, der Controle ist eine innere Einrichtung der Armee, dies zu entwerfen ist Sache der General-Kriegscommissäre, welche über diesen Gegegenstand referiren, mit 284 dazu kommandirten Offizieren in Berathung treten, ein Elaborat aus¬ arbeiten, sonach der hohen Genehmigung unterbreiten rc., wie kann darauf der Reichörath Einfluß nehmen? Die militärische Commission aber verwaltet oder schlägt eine Ver¬ waltungsart vor, nach welcher die Gelder des Staates verwendet werden sollen. Unstreitig hat aber eine Nation das Recht, auf diese Verwaltungs¬ art Einfluß zu nehmen, um so mehr aber, wenn Facta vorliegen, wie jene von 1859; überdies sind es nicht „ärarische Gelder," die verwaltet werden, sondern es sind die Steuern, die mit so viel Opfern von den Steuerzahlern aufgebracht werden müssen. Das Heer ist vorhanden zur Sicherstellung der Macht, des An¬ sehens der Krone, zur Beschützung des Gesetzes, zur Stütze des Thrones, es ist ein Mittel zum Zweck — wenn es aber so ist, so müssen jene, die den Zweck erreicht wissen wollen, auch das Recht haben, darauf zu sehen, daß das Mittel so billig wie möglich ist. Der Engländer ist in Allem praktisch — seien wir es auch — er frägt nicht, ob ein Zunftmeister die Schuhe gemacht, er prüft die Schuhe. Sehen wir zu, daß der Mann gutes und billiges Brod erhält, prüfen wir genau die Artikel, ehe wir sie nehmen, aber verclausuliren wir uns nicht durch schwerfällige Contrakte und stellen wir nicht ohne Noth zwischen die Truppe, „den Consmnenten," und den Producente», ein „ärarisches" Mittelglied, einen Commissionär, der die ganze Geschichte ohne Noch vertheuert. Das von uns aufgestellte Administrations-System ist so einfach wie möglich, es ist jedem Bedürfniß Rechnung getragen, drei lange Jahre wurde daran gearbeitet und die Erscheinungen der letzten Jahre gingen nicht spurlos an dem Verfasser desselben vorüber; er kann es beweisen, daß er die große unüberwindliche Friction unserer Heeres-Administrations- Maschinerie vorhergesehen." Mit dem dritten Abschnitte beginnt der rein militärische Theil und füllt den größten Theil des Buches von S. 77—303. Diesen Theil zu beurtheilen, fehlen uns die nöthigen Kenntnisse. Indem wir ihn daher begreiflicher Weise übergehen, empfehlen wir ihn dem eindringlichen Stu¬ dium von kompetenter Seite. Nur einen einzigen Punkt möchten wir be¬ sonders erwähnen, welchen der geehrte Herr Graf zwar übergeht, den wir aber für sehr bedeutungsvoll erachten. Es ist das Institut der Offiziers¬ diener. In der Armee zählt man gegenwärtig — bei der ungeheuren Zahl von Offizieren — bei 15—16 tausend solcher Diener: fast ein bedeuten¬ des Corps! Ein Offizier, der als Kavalier leben muß und kein stabiles Sein hat, braucht nothwendig einen permanenten, braven Diener, welchen ihm auch jeder billig Denkende gewiß von Herzen gönnen wird. Da haben wir in der „Reform" ein Mittel gelesen, welches „ein ehemaliger Ge- 285 meiner" über Offiziere vorgeschlagen hat, und welches wir unfern geehrten Lesern auch niittheilen. Der „ehemalige Gemeine" schreibt: „Da man schon bei der Wahl der Offiziersdiener nach den bestehenden Normen das Wort Invalidität im Munde führt und da man übrigens hin- und herschwankt, was man am Ende mit der Masse von Invaliden machen soll, ob man sie von Wien nach Padua, von da nach Prag, oder von dort nach Tyrnau, oder weiß Gott wohin transferiren soll, um ihrer endlich los zu sein — so schaffe man aus ihnen (versteht sich nicht aus den Krüppeln) und vorzüglich aus den Patentalisten und Bürger-Real- Jnvaliden das Institut der Offiziersdiener, und zwei Fliegen sind mit einem Klatsche erschlagen. Man wird mir einwenden, ja die armen In¬ validen sollen jetzt den jungen Offizier bedienen, sollen Märsche machen und sich in ihren alten Tagen plagen! rc. rc Nun diesem Vorwurf will ich gleich begegnen. Für's erste haben wir wenig alte Invaliden mehr, denn die aus den französischen Kriegen sind in ihrer Anzahl so klein ge¬ worden, daß man für selbe recht leicht ein schönes Landhaus bauen könnte, worin man sie fein verpflegen sollte, damit diese armen Teufel nicht zum Kinder- und Vögelschrecken am Kurglacis und in Gärten in oft zweifelhaf¬ ter Witterung, oder zum Hausdienste in der größten Kälte verwendet werden, sondern ihnen, die an dem großen Befreiuugswerke von ganz Europa theilgenommen haben, Ruhe gegönnt, und täglich Braten und Wein mit Weißbrot gegeben werden, damit sie sich ihre schlechten Zähne und Magen nicht an einem harten Stück Kommißbrot verderben. Dieß ist eine kleine Zahl, ihr jungen Offiziere und Soldaten, salutirt ihnen zuerst, oder dankt ihnen wenigstens freundlich, wenn sie euch grüßen. Diese Zahl würde wohl unserm riesigen Militär-Budget nichts zu schaffen ma¬ chen; auch würde sich gegen sie keine Stimme erheben. Aber diejenigen, welche eines kleinen, oft unscheinbaren körperlichen Gebrechens halber In¬ validen werden, dann diejenigen, welche wegen Simulirnng oder mit dem Titel der Realinvalidität oft mit 1—2jähriger Dienstzeit ans dem Heere entlassen werden sollen, oder gar durch Gott weiß welche Gnade mit Pa¬ tent, Dienstgratiale oder Reservations-Urkunde entlassen werden, diejenigen nehme man beim Zipfl und mache aus -ihnen Ofsiziersdiener, denn sie eignen sich um so mehr zu dieser Verrichtung, weil sie, wenn sie zu einer obigen Begünstigung vorgeschlagen werden, auch unbedingt gute Konduite haben müflen. Ob übrigens ein Einäugiger, Hinkender, schlecht Sehen¬ der oder im Dienste Ergrauter noch Stiefelputzen kann, dürfte Wohl keinem Zweifel unterliegen, denn wenn er es für Zivillisten thun kann, W kann er es auch für den Offizier thun. Es bleibt noch die Frage zu beantworten: Wie steht es mit dein Felddienst und auf dem Marsche? — Was heißt Marschieren? Mar¬ schieren heiß Terrain gewinnen, ohne zu große Ermüdung und mit mög¬ lichster Schonung des Mannes. Da nun aber, (und kämen wir mit was immer für einer Macht in Konflikt) der Marsch größtentheils mit Eisen- 286 bahnen geschieht und auf Fußmärschen die Privatdiener fortwährend beim Troß und auf den Bagagewagen Herumkugeln, so versteht sich wohl von selbst, daß man den Invaliden dieses bisher von den tüchtigen gesun¬ den Burschen in Anspruch genommene Trägheitsmittel auch nicht versagen dürfte, wozu auch kein Grund vorhanden ist. — Also zugegriffen zu dieser Maßregel und die vielen Invaliden mit gesunden Gliedern werden ver¬ schwinden, das Armeebudget wird reducirt, der wehrhafte Stand nicht ver¬ mindert werden und der Offizier erhält einen Mann von reiferen Erfah¬ rungen, der ihm in allen Stücken ersprießlichere Dienste leisten wird, als ein mit ewigen Urlaubsgedanken sich herumtragender junger Rekrut." Die Einquartirung fühlt die ganze Bevölkerung; Bitten und Kla¬ gen ertönen dießbezüglich von allen Seiten. Es dürfte daher zum Schlüße noch interessiren zu hören, was der Herr Verfasser von dem „Einquar- tirungs-Wesen" schreibt. Darüber lesen wir nun im Abschnitt XVIll. unter Anderem Folgendes: „Die stabile Bequartirung des Militärs beim Bürger ist eine Pflicht, jedoch kann sie keine Last werden; es darf daher nie eine Ueberquartirung eintreten, ferner muß die Bequartirung entsprechend bezahlt werden, da das sogssnannte Schlafgeld und Stallgeld jetzt durchaus in keinem Ver- hältniß steht zu den Auslagen, welche die Militär-Bequartirung thatsäch- lich verursacht. Die Garnisonen im österreichischen Kaiserstaat wären sämmtlich zu stabilisiren und sind Kasernen entweder vom Staat, oder von den Quartier-Bezirken gegen Miethc zu bauen und muß der Fall namentlich im Frieden vermieden werden, daß die Garnisonen und der Stand der¬ selben einem immerwährenden Wechsel unterliegen. Die Infanterie ist stabil mindestens Bataillonsweise, die Artillerie wenigstens Batterieweise, die Kavallerie immer mindestens Escadronsweise zu bequartiren. Die zum Dienstbetrieb erforderlichen Kanzleien, Wachstuben, Arrest- locale, Magazine, Schulzimmer sind, sobald sie nicht in Staats-Gebäuden untergebracht sind, immer in gcmietheten Localen zu placiren. Eine jede Bequartirung, die länger als 1 Monat dauert, ist eine stabile. Die Monarchie ist in 81 Ouartierbezirke getheilt und haben diese Bezirke die Errichtung von Kasernen gegen Miethe von der Krone zu übernehmen, die Krone ihrerseits leistet die erforderlichen Vorschüsse zum Bau gegen jährlich 5 Prozent Zinsen und eine 1'/»Percentige Amortisa¬ tion des vorgestreckten Kapitals. Ein Bezirk, der einmal die auf ihn entfallenden Garnisonen in Kasernen untergebracht hat, kann nicht eine größere stabile Bequartirung erhalten. Die Fonds der Kasern-Bauten werden unter die Controle der 287 betreffenden Königreiche und Länder gestellt und von den Quartier-Be¬ zirken verwaltet. Die Verrechnung der ausbezahlten Quartiergelder geschieht von den Rechnungslegern an die Garnisons-Verwaltungsräthe, von wo aus diese Rechnungen im Dienstwege zur höheren Controls eingesendet werden. Die 4 Generalate werden in eigenen oder gemietheten, der Würde dieser hohen Stelle entsprechenden Gebäuden untergebracht, auch hat sich die Amts-Wohnung des commandirenden Generals in diesen Gebäuden zu befinden. Die sämmtlichen activen Offiziere der Armee erhalten Quartier¬ gelder und haben für ihre Wohnungen sonach selbst zu sorgen, die Kanz¬ leien, die rc. rc. sind ebenfalls in gemietheten, oder wenn es sein kann, in Staats-Localen unterzubringen. Eine Commission hat zu bestimmen, welche Localien für die Kanz¬ leien der Armee erforderlich sind. Die Einquartirung der Offiziere im Frieden bei stabiler Bequarti- rung durch die Ortsbehörde findet nur dann statt, wenn der Offizier ab¬ solut kein Quartier findet. Stationen, die gar keine Industrie besitzen, daher auch nicht die Möglichkeit bieten, das Militär entsprechend zu ver¬ pflegen, weßhalb das letztere seine Bedürfnisse nur in den nächsten Städten findet, wodurch immer eine sehr drückende Belästigung der Einwohner durch Vorspann eintritt, sind ganz aufzulassen, ebenso jene, welche keine hinreichenden Localitäten, die zu Quartieren geeignet sind, besitzen. Die Einquartirung des Militärs im Frieden in stabilen Stationen muß dort im Expropriationswege statt haben, wo die Localien vorhanden und nicht erfolgt werden wollen; es ist aber im Frieden angezeigt, der¬ artige Stationen zu vermeiden und die anstandslose Belegung der Ort¬ schaften durch gemischte Commissionen, in welchen die Besitzer eine ange¬ messene Vertretung finden, vornehmen zu lassen, bevor der Ort selbst belegt wird, und ist ein neues Bequartirungsgesetz mit den Landtagen zu vereinbaren. Ob die standesmäßigen Quartiere für die Offiziere ohne Belästi¬ gung der Inwohner gemiethet werden können, ob überhaupt eine hinrei¬ chende Auswahl derselben vorhanden ist, muß festgestellt und durch die Gemeinde-Vertretung und eine gemischte Commission anerkannt sein, bevor ein Ort zu einer stabilen Station zu adoptiren ist. Die Landwirthschaft wird durch die Militärbcquartirung sehr be¬ deutend bcinträchtigt und ist daher die Belegung kleinerer Orte im Frie¬ ds" ganz zu vermeiden und diese nur während Concentrirungen für große ^ruppenmärsche, Manövers rc. aufzusparen — und dieß um so mehr, als d.w Bequartirung solcher Orte mit sehr zu Tage tretenden Uebelständen für den allerhöchsten Dienst verbunden ist. Hinsichtlich der Märsche und Unterbringung der Mannschaft beim Bürger würde zu bestimmen sein, daß bei der stabilen Unterbringung beim 288 Bürger täglich der Preis eines Lichtes, der Miethpreis eines Bettes sammt Wäsche, der Miethpreis des Locales, in welchem die Mannschaft wohnt, berechnet wird. Eine gemeinschaftliche stabile Bequartirung im Zimmer des Bür¬ gers dürfte im Allgemeinen nicht statthaben, nur bei Manövers und im Kriege sollte sie zulässig sein. Je nach der Größe eines Zimmers soll eine gewisse Anzahl Sol¬ daten darin untergebracht werden. 2—4 Unteroffiziere erhalten nach Thnnlichkeit eigene Zimmer, ebenso die Feldwebel. Die Berechnung der obigen Preise erfolgt für jeden Einquartirungs- bezirk durch den Verwaltungsrath der größten Garnison unter Beziehung einer Vertretung des Quartierbezirkes, diese Vertretung wird in direkter Wahl durch die Gemeinden gewählt. Die Mannschaft hat bei stabiler Bequartirung keinen Anspruch auf Essen, es ist daher dafür zu sorgen, daß die Mannschaft menagiren kann, ist dies jedoch durchaus nicht möglich, so muß Feuer, Salz, Gemüse be¬ rechnet und dem Haus- oder Herdbesitzer vergütet werden, diese Be¬ rechnung geschieht ebenfalls durch obige Commission, der Uebelstand, daß der Hausbesitzer diese Viktualien sammt Feuer umsonst herzugeben hat, hätte beseitigt zu werden. Bei vorübergehender Bequartirung bis zu einem Monat wird für Kost, Nahrung, Licht ein Pauschale gezahlt, welches diese Erfordernisse vollständig vergütet. Offiziere werden auf Märschen bequartirt und erhalten eine Marsch¬ zulage, von welcher sie das zu berichtigen haben, was der Hausbesitzer für ihre Unterkunft verlangt, das Maximum der Preise für Offiziers- Marschquartiere bestimmt das Landes-Kommissariat im Einvernehmen mit dem Landtage. Einzeln reisende Offiziere haben für ihre Unterkunft selbst zu sorgen, wofür sie bei Dienstreisen Taggelder erhalten. Bei Manövers findet eine Bequartirung statt, die Zimmer in den Gasthöfen rc. sind jedoch nach festen Preisen zu berichtigen, weßhalb früher durch den Garnisons-Verwaltungsrath ein Uebereinkommen mit den Gast- wirthen zu treffen ist, wornach die Preise ermittelt und ein Durchschnitts¬ preis festgesetzt wird. Kanzleien sind bei Manövers nicht mitzuführen, die Schreibgeschäfte haben in den Zimmern der Betreffenden verrichtet zu werden. Im Kriegsfall hat jeder Bequartirungsbezirk für eine möglichst gleiche Vertheilung der Quartierlast zu sorgen, so weit dies mit den mili¬ tärischen anderweitigen Rücksichten in Einklang zu bringen ist. Hat eine Truppe im Frieden Quartier auf längere Zeit als 1 Monat, so werden die stabilen Miethzinse gezahlt. Stroh für die Pferde und Stallrequisiten ist die Gemeinde oder 389 der Quartierträger im Frieden nur gegen Bezahlung zu geben verpflichtet, sei es nun bei stabiler oder vorübergehender Bequartirung. Die Quartiergelder für die Mannschaft, überhaupt alle für Beqnar- tirung, Kost, Stroh, Stallrequisiten entfallenden Gelder sind immer an den Gemeinderath bezüglich an den Quartier-Bezirk zu zahlen. Die Quittung muß von wenigstens drei Amts-Personen unterzeichnet sein. Quartiergelder, Quittungen mit nur einer Unterschrift sind werthlos für den Rechnungsleger, da die Behörden sie zurück weisen müssen. Das Quartiergesetz selbst hat kurz und bündig zu sein und die Rechte und Pflichten der Quartiergeber und der Bequartirten zu enthal¬ ten, damit einestheils der Bürger gegen die Uebergrisfe und Willkühr ge¬ schützt,. andererseits die k. k. Armee gut und den Gesetzen gemäß unter¬ gebracht wird. Fordern die k. k. Militär-Behörden irgend eine Leistung, die nicht vergütet werden soll oder nicht gefordert werden darf, so hat die Gemeinde den Rechtsweg zu betreten, und die Civil-Gerichte entscheiden auf Grund¬ lage des Bequartirungsgesetzes. Das Geforderte ist zwar vorläufig bei¬ zustellen, jedoch hat das Civil-Gericht sofort zu entscheiden, ob der Quar¬ tiergeber zu der Leistung verhalten werden kann. Die Administrativ- politischen) Behörden dürften, da hier Eigenthums-Rechte in Frage ge¬ stellt sind, keine Verfügung treffen. Ueberhaupt sind alle Streitfragen in dieser Hinsicht, da dabei das Ggenthums-Recht der Steuerzahler in Betracht zu ziehen ist, durch die Gerichte zu entscheiden und wird das Interesse der Krone durch einen Auditor vertreten. Lassen sich Militärs vom Gemeinen aufwärts, oder Offiziere Ueber- griffe zu Schulden kommen, so sind sie gerichtlich (beim Militär-Gericht) zu belangen." Wir glauben zum Schluffe noch einmal ausdrücklich wiederholen zu müs¬ sen, daß das von uns in so großem Umfange benützte Werk in Wien mit dem Namen des Autors erschienen ist. Der Herr Graf steht auf der Höhe der Zeit, sucht unsere Armee mit dem Geiste der Neuzeit zu beleben, und so dem großen Vaterlande und unserer tapfer« Armee zu nützen. »Bei der Verfassung unseres Werkes, schreibt der hochgebildete und frei¬ sinnige k. k. Rittmeister, leitete uns nichts anderes, als der gute Wille, auch unser Schärflein zur Reform beizutragen. Sind die gemachten Vor¬ schläge unbrauchbar, so tröstet uns dennoch das Bewußtsein, wenigstens das Gute gewollt zu haben." Ehre und Respeckt einem solchen Manne! 19 290 Neuösterreich. V. Der Staat. Im Südosten Mitteleuropa's breitet sich ein großes Reich aus, welches unter den Staaten unseres Erdtheiles eine hervorragende Stellung einnimmt. Es ist dies unser Vaterland: der Kaiserstaat Oesterreich. Die äußern Verhältnisse dieses Staates sind ganz eigenthümlicher Art. Oesterreich ist an die Grenzen der westlichen Civilisation hingestellt, zwischen eine Macht, welche sichtlich und unaufhaltsam dem Untergange entgegengeht, und einen Staat, welcher seit mehr als einem Jahrhundert konsequent die Politik territorialer Vergrößerung befolgt; — Oesterreich besteht aus Theilen, deren mehrere, wie z. B. Polen, Italien ihrer gan¬ zen Geschichte und Stellung nach gegen andere Mittelpunkte schweren; Oesterreich ist durch seine Vergangenheit und den Ursprung seiner Dynastie mit Deutschland innig verbunden. In Folge dieser Verhältnisse gibt es kaum einen Staat, dessen Bestehen so mit allen europäischen Interessen verknüpft wäre, als unser Oesterreich. Wie die äußern so sind auch die innern Verhältnisse Oesterreichs von der Art, wie sie in keinem Staate Europa's augetroffen werden. Da leben unter dem erlauchten Kaiserhause Habsburg - Lothringen Slaven, Deutsche, Magyaren, Romanen und Italiener. So verschieden diese Völ¬ ker in Hinsicht ihrer Nationalität und Sprache sind, eben so verschieden sind sie in Hinsicht ihrer Religion und Kulturstufe. So ein ganz'eigenthümlicher Staat bedarf nothwendig auch einer ganz eigenthümlichen Staatsform, und nicht jener wäre der größte und erste Staatsmann in Oesterreich, welcher überhaupt die möglichst beste Staatsform, sondern jener, welcher die für unsere bestehenden Verhält¬ nisse zweckmäßigste erfinden würde. Wir haben es wiederholt ausgesprochen, daß in dem allerhöchsten Diplome von 20. Oktober 1860 die Grundzüge dieser für die gegenwär¬ tigen österreichischen Verhältnisse zweckmäßigsten und besten Staatssorm mit wahrer Meisterschaft gezeichnet worden sind. Nur die Ausführung dieses herrlichen Entwurfes harret noch bis zur Stunde auf den großen glücklichen Meister. Im Gefühle unserer publizistischen Pflicht und aufrichtigen Vater¬ landsliebe waren wir bemüht, zu dem glücklichen Ausbaue unseres Staats¬ gebäudes nach unfern schwachen Kräften auch ein Schärflein beizutrageu, und haben in den vorhergehenden Artikeln der Gemeinde und dem Lande die Stellung und Berechtigung in dem neuen, auf Grundlage des un¬ widerruflichen Oktoberdiplomes aufgebauten Oesterreich angewiesen. Heute kommen wir nun zu der Stellung und Berechtigung unseres Gesauunt- vaterlandes, des Staates Oesterreich. Unser Wunsch und Bestreben geht dahin, daß unser Oesterreich von Außen unabhängig, iw Innern einig, und nach Außen und Innen stark sei. 291 1. Oesterreich sei ein von Außen unabhängiger, selbstständiger Staat. Aber wie? höre ich fragen, ist Oesterreich nicht eine Großmacht, nicht unabhängig, nicht selbstständig? Wir antworten darauf mit einem kurzen, entschiedenen Nein! Wir weisen auf den deutschen Bund hin und sprechen die Ueberzeugung aus, daß unser Kaiser in einem Theile der österreichischen Monarchie, nämlich in den sogenannten deutsch-slavischen Andern nicht selbstständig und unabhängig ist; es ist dem Kenner der deutschen Bundesakte bekannt, daß der Kaiser unter dem Bundestage steht, und daß die Bnndesbeschlüsse in den eben genannten Ländern vollzogen werden müssen. Dieß führt uns nun zur „deutschen Frage" oder zu der Stellung Oesterreichs zu Deutschland. Wir gestehen ehrlich und offen, daß wir eine hohe Verehrung für die deutsche Bildung, eine herzliche Liebe zu dem deutschen Volke, und eine innige, aufrichtige Theilnahme für die deutschen Einheitsbestrebungen im Herzen tragen. Aber höher noch als Deutschland steht uns unser liebes, theures Oesterreich, und von diesem österreichischen Stand¬ punkte aus erfassen und beantworten wir auch die „deutsche Frage." Selbst aber — ob mit Recht oder Unrecht bleibe dahin gestellt — Panslavistischer, deutschfeindlicher Gesinnungen und Tendenzen verdächtigt wollen wir bei der Beantwortung dieser interessanten, heicklen Frage lieber sinige andere Männer sprechen lassen. Zwei dieser Männer sind wegen ihrer durch und durch deutschen Gesinnung allgemein bekannt und geachtet; der dritte ist ein Slovene aus Oberkrain und der vierte endlich ein Kroate aus Agram. s) Der von uns oft genannte Publizist Baron Adriani schreibt hinsichtlich der deutschen Frage Folgendes: „Was aber in der Verfassung vom 4. März keinen Platz findet, das ist das Hinüberschielen nach Deutschland — das künstliche Ernähren schwarzrothgoldener Träume in Deutschösterreich, welche nicht realisirt werden können, nicht realisirt werben dürfen, wenn Oesterreich ein eini¬ ges selbstständiges Reich bleiben soll. — Soll es dieses bleiben, so darf es weder seine gesetzgebende Gewalt, noch seine exekutive, und wäre es wich nur zum allerkleinsten Theile in fremde Hände geben, und den Schwerpunkt des Reiches außerhalb Oesterreich verlegen. Beides aber ge¬ schieht, sobald ein Bundesdirectorium, eine Bundeskommission rc. in Oesterreich auch nur die geringste imperative oder vollziehende Gewalt hat — sobald einer aus Oesterreichern und Nichtösterreichern zusam¬ mengesetzten Versammlung (mag diese nun auf was immer für einem Wege gebildet sein, auf direktem durch Volkswahlen, auf indirektem durch Ausschüsse der verschiedenen Abgeordnetenkammern, ober sonst wie immer) irgend eine legislative Gewalt in Oesterreich eingcräumt wird. — Die Bundesacte von 1815, nach welcher Bundesbeschlüsse ipso laeto im ganzen Bundesgebiete, also auch in den österreichischen Bundesländern 292 Gesetzkraft hatten, ist heutzutage für Oesterreich eben so unmöglich, als die Frankfurter Verfassung, das Drei- und in jüngster Zeit das Vier- königsbündniß; denn eine jede dieser Aufstellungen spaltet die vollziehende Gewalt in Oesterreich, welche allein und untheilbar in dem Kaiser von Oesterreich ruhen muß, — spaltet die gesetzgebende Gewalt, welche allein und untheilbar dem Kaiser im Vereine mit dein österreichischen Reichs¬ tage und den österreichischen Kronlandtagen zustehen muß. — Es ist kein Paradoxon, sondern volle Wahrheit, daß der Kaiser von Oesterreich bis zum 4. März 1849 in den deutsch-österreichischen Ländern nicht souverän war, denn er stand unter dem Bundestage — Bundesbeschlüsse mußten in Deutsch-Oesterreich vollzogen werden. Die Ereignisse des Jahres 1848 haben die Bundesverfassung um¬ gestürzt, und Oesterreich für seinen Theil hat mit der Verfassung vom 4. März die Bundesakte zerrissen — es konnte nicht anders kommen, und hätte es auch keine deutsche Revolution im Jahre 1848 gegeben, sobald Oesterreich ein einheitlicher, daher in allen seinen Theilen souveräner Staat werden wollte — und es mußte dieses wollen. An die Stelle dieses staatsrechtlichen Bundes von 1815, welcher nunmehr und für immer zerrissen ist, ist es nun die Ausgabe unserer Regierung mit Deutschland einen möglichst engen völkerrechtlichen Bund zu schließen. Einigung in materiellen Fragen, militärische Uebereinkommen, Offen¬ siv- und Defensiv-Bündnisse rc. werden immer und überall im Prinzips als annehmbar und wünschenswerth erscheinen. — Zollkongresse, ge¬ meinschaftliche Berathungen über spezielle Fragen rc. werden im beidersei¬ tigen Interesse Beifall und Anklang finden — jedoch immer nur so lange, als sie blos vorbcrathend ohne irgend eine imperative Befugniß, daher eigent¬ lich nichts anderes als vorbereitende, begutachtende Kommissionen sein werden. So sehr ich es im Interesse des europäischen Friedens wünschen muß, daß den deutschen Einheitsbestrebungcu vernünftige Rechnung ge¬ tragen, und damit endlich die Revolution geschlossen werden möge, so sehr ich eben deswegen alles dasjenige bedauere und mißbillige, was dar¬ auf hinausgeht, diese Bestrebungen zu vereiteln und Deutschlands Zer¬ stückelung zu verewigen, eben so sehr muß ich im österreichischen Interesse wünschen, daß man nicht aus kurzsichtiger Schlauheit, aus traditionellen Sympathieen in Oesterreichs Namen Zugeständnisse mache, welche Oester¬ reich, will es anders Oesterreich bleiben, nie erfüllen kann noch wird. Es liegt in Oesterreichs Interesse, daß sich Deutschland einig und kräftig konstituire, aber auch eben so sehr, daß es sich mit diesem neuen Deutschland aus einen klaren Fuß setze, wodurch allein Reibung und Feindschaft vermieden werden kann; dieser aber ist einzig und allein der eines innigen völkerrechtlichen Verhältnisses. Mit frommen Wünschen und sentimentalen Anschauungen regiert man nicht — am allerwenigsten in Zeiten wie die unsrigen sind." b) Vincenz Rizzi bespricht in seiner „deutschen Monatschrift 293 aus Känrten" unter dem Titel „Oesterreich und Deutschland" die deutsche Frage und sagt unter anderem Folgendes: „Es lag im Frühjahre 1848 ein unendlich täuschendes Dämmerlicht über Oesterreich ausgegossen. Es sollte anders werden, das Wie wußte Niemand! Niemand! und wir fordern Jene, die jetzt so ruhig selbstzufrie¬ den, so unerträglich hochmüthig sich selbst das Zeugniß eines unverrückten Fcsthaltens an Altösterreich ausstellen, einfach auf, anzugeben, wo denn ini Frühjahre und Sommer 1848 ihre Weisheit sich verborgen hielt, nur müssen wir bitten, einige mehr oder minder energische Ausbrüche altöster¬ reichischen Patriotismus nicht mit einem durchdachten Plane zu verwech¬ seln. Umrungen nun von feindlichen Nationalitäten, die gleiche National¬ liebe im eigenen Herzen, gedenkend ihrer deutschen Geschichte, was blieb den Deutschen in Oesterreich übrig, als sich an das deutsche „Ausland" anznschließen. Da wurde die deutsche Tricolore aufgehißt, aus der Burg seiner Ahnen, der deutschen Kaiser, schwenkte Ferdinand die schwarz-roth- goldene Fahne, und zum deutschen Nationalparlamente wanderten unsere Abgeordneten „große deutsche Cocarden an der Brust", wie sich ein deut¬ scher Novellist später mit so edlem Spotte auszudrücken beliebt. Es muß bemerkt werden, daß unter Tausenden der Wähler zum deutschen Parlament kaum Einer sich den Gedanken klar machte, daß mit der Beschickung des deutschen Parlamentes die Stellung Oesterreich's als Großmacht aufgegeben sei, indem hiefür die Großmacht Deutschland an die Stelle von Oesterreich und Preußen zu treten gehabt hätte. Man lebte so des süßen Glaubens, man werde fortan ein guter Oesterreicher sein, und nur so als Zugabe eine Machtvermehrung und Bürgschaft durch das „innigste" Bündniß mit Deutschland erhalten. Das Schwär¬ men für Deutschland ging in rührender Naivetät mit der Hoffnung auf Oesterreich's Zukunft Hand in Hand. Als es aber darauf ankam eine Form des Verbandes zwischen Oesterreich und Deutschland zu finden, da stieß man auf die ungeheuren Schwierigkeiten. Unter den verschiedenen Versuchen diese Frage zu lösen, wie sie in und außer dem Parlamente zur Sprache kamen, sind genau drei Haupt- nchtungen zu unterscheiden, von denen alle Vorschläge, mögen sie anschei¬ nend noch so verschieden sein, ausästen; zwei derselben fußen auf der Grundlage des deutschen Nationalparlamentes; der dritte fordert oder be¬ willigt bloß ein Staatenhaus. Zu den ersten zwei gehören das Gagern'sche Programm, und das Projekt der consequenten Großdeutschen. Das Gagern'sche Projekt will die Constituirung Deutschlands mit Ausschluß Oesterreich's zu einem Bundesstaate, welcher hernach mit dem ganzen unversehrten Oesterreich in einen „nähern" Bund zu treten hätte. Es anerkennt die Integrität der österreichischen Monarchie, beschränkt je- ^pch den Einfluß Oesterreich's auf Deutschland, in dessen Volkshause kein Oesterreicher Platz hätte. 294 Das Program der consequenteu Großdeutschen, die das Motto - Das ganze Deutschland soll es sein, zur Wahrheit machen wollten, ver¬ langte den unbedingten Anschluß, das Aufgehen der deutschösterreichischen Länder im deutschen Bundesstaat, es konnte daher das Verhältniß der deutsch- und außerdentsch-österreichischen Provinzen nur unter der Form der Personal-Union festgestellt werden. Dieses Projekt macht Deutschland ganz, aber zertheilt Oesterreich, auch machte man ihm den Vorwurf, daß es die deutschen Interessen an der untern Donau und gegen Wälschland zu bloßstelle. Das Projekt der Parthei „Gagern" erlag im Parlamente bei der ersten Lesung, und es wurden jene ZK. angenommen, die die Theilung Oesterreichs und die Personal-Union aussprachen. Das war zuviel, das wollte man in Oesterreich nicht, vor den nothwendigen Cousequenzen er¬ schrak der politische — Instinkt. Dieser witterte nämlich, es sei sehr gefährlich und unthunlich obendrein, Oesterreich dermal so zu halbiren um so mehr, da unter den deutsch-österreichischen Ländern einige mit vor¬ wiegend slavischer Bevölkerung sich befinden, welche von einem solchen Ausgehen in Deutschland platterdings nichts wissen wollten. Als nun das Projekt der Großdeutschen beseitigt werden mußte, und als alle Versuche die Härte der Forderung durch Conzessionen und Aus- nahmöstelluugen, Uebergangsperioden rc. abzuschleifeu, ihrer innern Halt¬ losigkeit wegen in sich zerfielen, da kam wieder das Projekt Gagern's zu Ehren, welches auch österreichischer Seits durch das Programm des Mini¬ steriums Schwarzenberg-Stadion adoptirt zu sein schien, da dieses die Festsetzung des Bandes zwischen Oesterreich und Deutschland von der frü¬ her zu verwirklichenden selbstständigen Constituirung Oesterreich's wie Deutsch- land's abhängig erklärte. Wie es nun geschah, daß auch dieses Projekt in sich zerfiel, wie es geschah, das die glorreiche deutsche Volkserhebung durch Fehler hüben und drüben in ein so schmähliches trauriges Ende verlief, dies zu schildern er¬ lassen uns Wohl die Leser. Niedergeschlagen aber nicht entmuthigt halten wir in fester Liebe und Hoffnung am Vaterlande, nichts verloren achtend, als die kostbare Zeit. Und als nun das deutsche Parlament machtlos zerstäubte, papierne Grundrechte und eine papierne Verfassung hinter¬ lassend, als die deutsche Erhebung in die Hände von Leuten gerathen war, die nicht die Freiheit, sondern die Thranei ihrer Parthei wollten, einer Parthei, welcher die wahren Freiheitsfreunde unthätig zuschauten, und die nur dem preußischen Degen unterlag, als wieder eine Zeit der tiefsten Betrübniß und Schmach über Deutschland heraugebrochen war, da — und dieses da ist die Gegenwart — steht die Idee der deutschen Einheit eben so als unumgängliche Forderung vor uns, eine verhängniß- volle Sphhnx, harrend aus das Wort des Räthsels Das ist der Troll der Deutschen, daß alle mißlungenen Versuche, das einige Deutschland zu construiren, nur immer dringender die Nothwendigkeit dieser Forderung darthun, daran bewährt es sich, daß die deutsche Erhebung mehr als ein 295 Freiheitstaumel, daß sie das einzige Rettungsmittel der Nation ist. Jetzt trat aber die Thätigkeit des Volkes zurück und es bemächtigten sich die Diplomaten der Frage, nm sie zu lösen. Eine Fluth von Vorschlägen und Versuchen — das Dreikönigsbündniß das wichtigste — tauchte ^auf, und jetzt wagte sich auch von Oesterreich aus — nicht direkt von Seite der Regierung — ein Vorschlag an das Tageslicht, den wir oben berührten, als wir die Hauptrichtung aller Vorschläge bezeichneten und von dem wir sagten, daß er von einer allgemein deutschen Volksvertretung absehe. Es wurde nämlich angeregt, daß die Leitung der allgemeinen Bun- desangelegenheiten — nicht die Exekutivgewalt, sondern die gesetzgebende — den Vertretern der einzelnen Regierungen überwiesen werden sollte, wobei man, um den Unterschied dieser Einrichtung von dem alten Bundes¬ tage nachzuweisen, aufmerksam machte, daß bei der allgemeinen Durch¬ führung des constitutionellen Prinzipes in den einzelnen deutschen Staa¬ ten, in diesen die Regierung und somit auch der Regierungsabgeordnete bei der Centralgewalt, nur im Sinne der Majorität der Landeskammern handeln könne, die Leitung der Bundesangelegenheiten also doch in den Händen des Volkes, wenn auch indirekt, ruhe. Es liegt etwas Täuschen¬ des in diesem Vorschläge, der sich in ganz Deutschland Wohl kaum irgend bedeutender Simpathieen zu erfreuen haben wird. Abgesehen davon, daß das constitutionelle Prinzip auch in den grö- ßern Staaten oft nur ein Scheinleben führt, abgesehen davon, daß in kleinern Staaten dasselbe offenbar nur eine Täuschung ist, abgesehen davon, daß in den Zwischenräumen von einer Kammersession zur andern auch ein Ministerium der Minorität leicht möglich ist, wollen wir das größte Ge¬ wicht blos daraus legen, daß, wenn eine unmittelbare Betheiligung des Volkes bei der Regierung überhaupt ersprießlich ist, diese Beteiligung Wohl eben dort am nothwendigsten sein wird, wo es sich um die Lösung seiner wichtigsten Fragen handelt, dort wo das gereifteste Wissen und die größte Thatkraft, so wie die größte Autorität erforderlich ist, und dies alles kann nur in der imponirenden Gesammtvertretung des deutschen Volkes gefunden werden. Diese Wahrheit im Auge und in Berücksichti¬ gung der durch ganz Deutschland in allen Volksklassen verbreiteten Forde¬ rung eines deutschen Volkshauses, wird man leicht zur Ueberzeugung ge¬ langen, daß jede Constituirung Deutschlands, die von dieser unerläßlichen Forderung Umgang nimmt, nur eine sehr — sehr provisorische sein kann. Wir haben schon oben darauf aufmerksam gemacht, daß Preußen als rein deutscher Staat durch Gewährung dieser Forderung nichts zu verlieren hat; daß aber für Oesterreich mit Beziehung auf seine deutschen Länder diese Forderung geradezu eine Unmöglichkeit enthält, darüber können nur noch politische Kinder und jene sogenannten Staatsmänner, die an verwickelten Formen eine unendliche Freude haben, zweifeln. Es wird sich wohl eine Form finden lassen — wenn man nur die Sache will, die Mittel werden sich wohl erdenken lassen — nur Vertrauen und guter Wille — so lauten die Phrasen dieser vermittelnden Politiker, nur schade, 296 schade, daß die Dinge so eigensinnig sind, daß sie innerlich widerstrebend, sich nicht aneinander fügen lassen, nur schade, daß schwarz schwarz bleibt, und weiß weiß, und daß an Gran weder die Schwarzen noch die Weißen eine Freude haben. Oesterreich hat sich durch die Verfassung vom 4. März eine Ver¬ fassung, die wir, nachdem sie so viel Blut gekostet, wahrlich nicht leichten Sinns aufzugeben gewillt wären, die Beschickung eines deutschen Volks¬ hauses unmöglich gemacht, wir anerkennen die Macht der Ereignisse, und trotz jedem Diplomaten, nicken wir der stolzen Dame kack aonmxlis unfern Verehrungsgruß zu, aber was wir als deutsche Oesterreicher, ohne den Oesterreicher zu Schaden kommen zu lassen, fordern können, ist: daß Neu-Oesterreich kein Hinderniß für Neu-Deutschland sei. Wir glauben, daß das Gagern'sche Projekt dermal das einzig heilsame für Oesterreich wie für Deutschland sei, es hemmt weder Oesterreich noch Deutschland, und bindet sie doch so innig — als es eben angeht. Nur durch das Gagern'sche Projekt wird von Deutschland der Fluch, daß der Dualismus zweier Großmächte an demselben zerrt, beseitigt, es ist heilsam für die Gegenwart, und tröstet uns deutsche Oesterreicher für die Zukunft." e) Aus Oberkrain wurde uns dieser Tage folgender Artikel mit der Aufschrift: „Oesterreich und der deutsche Bund" eingesendet: „Der Mensch fühlt sich heut zu Tage oft unwillkürlich in politische Betrachtungen hineingezogen. Man denkt auf dieß und jenes, forschet Manchem nach und kommt manchmal zu recht angenehmen Schlußfolge¬ rungen; allein oft verliert man sich aber auch in so ein Labirinth des Unerklärlichen, daß mau sich trotz größter Anstrengungen nicht ans dem¬ selben herausarbeiten kann. So eine unerklärliche Sache ist uns auch Oesterreich iu seinem Verhältnisse zum sogenannten „deutschen Bunde." Schon vergangenes Jahr sprach ich bei Gelegenheit, als es sich darum handelte, die Protestanten nach Tirol zu bringen und man zu diesem Zwecke den K. 16 der Bundesakte zu Hilfe nahm, schon damals sprach ich ein Wort darüber; allein — die magere Weisheit eines Herrn Re¬ dakteurs fand meine Worte nicht zeitgemäß und sie marschirten act aeta. Nachdem aber des Bullens nm Deutschlands Gunst kein Ende ist, ver¬ suchen wir uns nochmals mit einem Studium über den lieben deutschen Bund und dessen Vortheile für uns Oesterreicher; man kann uns dieses Studium um so weniger verargen, da wir ja laut alten Landkarten uns auch unter jene Glücklichen zählen, welchen die Segnungen des „Bundes" beschieden zu sein scheinen. Wenn man uns Slovenen die Begriffe der deutschen Sprache recht eingeblänt hat, so verstehen wir unter dem Worte „Bund" einen Vertrag, den Zwei oder Mehrere schließen, um sich in ge¬ genseitigen Gefahren zu schützen und zu beschirmen. Wenn einer zu schwach ist, hilft ihm natürlicher Weise sein Bundesgenosse aus. Oesterreich ist seit den unheilvollen französischen Kriegen mit ganz Deutschland im Bunde, seit jener Zeit unterhält es auch Garnisonstruppeu in den deutschen Bun¬ desfestungen, und nun fragen wir ganz in Demuth und Bescheidenheit, 2S7 welchen Gewinn haben wir davon? Warum wanderten durch so viele Jahre her so schöne Summen zur Erhaltung dieser deutschen Paradetrnp- pm (wir können sie durchaus nicht anders nennen) ins Reich hinaus? Wenn wir uns auch noch so den Kopf zerbrechen und Hunderte von Frage¬ zeichen setzen, wir kommen zu keiner vernünftigen Antwort, wohl aber zum Schlüße, daß durch die Beurlaubung dieser Mannschaften unserm stets in Finanzklemmen schwebenden Staate schon enorme Gelder erspart worden waren. — Halt! höre ich da auf einmal tausende deutscher Stimmen mir von allen weiten und breiten Gauen des deutschen Reiches entgegendonnern. Der „deutsche Bund", höre ich sagen, half den großen Weltbezwinger bändi¬ gen, durch Deutschland ist Oesterreich seinem alten Regentenhause wieder zunickgegeben worden. Schon gut, meine Braven! wir wollen nicht in Ab¬ rede stellen, daß Oesterreich durch den „deutschen Bund" in Tagen der allgemeinen, unter Frankreichs Tyrannei schmachtenden Noch nicht geholfen worden wäre; aber was ihr Deutsche uns Oesterreicher damals gethau habet, das haben wir euch redlich, vielleicht dreifach vergolten. Auf den Schlachtfeldern Deutschlands, Italiens und Frankreichs wurde in den Freiheitskämpfen gegen Napoleon k. unsere Schuldigkeit dem deutschen Bunde gegenüber mit Blut abbezahlt, wovon die Geschichte Zeugniß ab¬ leget auf immerwährende Zeiten. Schon damals konnten unsere Verbindlichkeiten dem deutschen Bunde gegenüber als gleich von gleich aufgehend angesehen werden. — Und nun fühlen wir uns neuerdings zur Frage gedrängt, welche Vortheile brachte uns später der deutsche Bund? — Ja! Vortheile, daß sich Gott erbarme. Forschen wir ihnen ein wenig nach. Im Jahre 1848 waren beim Beginne des italienischen Feldzuges nach so vielen Friedensjahren die österreichischen Kriegskräfte unentwickelt; kam damals in Tagen der gewiß nicht kleinen Noch, kam vielleicht damals eine Hilfe von Deutschland? ja, sie kam, — eine kuriose, eine traurige Hilfe kam — jedoch wem? Oesterreichs Gegnern, Un Italienern kam Hilfe, über unsere Armee auf die niederträchtigste der niederträchtigsten Arten zu schimpfen. Noch find uns im lebhaften, aber traurigen Andenken jene Worte, welche bei dem aus strategischen Gründen ^'folgten Rückzüge Radetzki's von Mailand auf Verona die hervorragendste deutsche Zeitung über diese Retirade sprach. Aus Achtung gegen unsere brave Armee will ich jene Worte hier nicht wiedergeben, aber schämen kann sich jenes Journal seiner damaligen Ausdrücke immer und ewig rind erröthen aus tiefster Scham jederzeit vor sich selbst, wenn es auf seine damalige Feindschaft gegen das verkannte Oesterreich denkt. Oesterreich hatte im Jahre 1849 auf 2 Seiten die blutigsten Kriege M führen, — war sich damals der deutsche Bund seiner Pflicht bewußt? Gerechte Weltgeschichte: richte du und rede! Und das Jahr 1859! üblich «ach 10 unglücklichen Jahren war Oesterreichs materielles Wohl am Wege seiner Entwicklung, als sich Gewitter schwangere Wolken am politischen Horizonte zusammen zogen, welche es sicher nicht selbst her- auf beschworen hatte. Was that da der liebe deutsche Bund? Oesterreich mußte herhalten, die Bundesgenossen aber zitterten wie Espenlaub und bewunderten — die Thaten der Feinde Oesterreichs. Die Rückerinnerung an jene Tage erweckt uns viel zu traurige Gefühle in der gewiß loyalen Brust, als daß wir uns noch fernem Betrachtungen hingeben dürften; statt dessen aber wünschen wir mit Posaunenstößen zu rufen: Oesterreich er¬ manne dich und suche dein Heil nicht in dem Bunde mit Deutschland, denn von dort hast du nichts, aber gar nichts, aber rein nichts zu erwar¬ ten, höchstens Sympathien für deine Feinde s la Vinke. Wie einst Kaiser Franz I. freiwillig die römische Kaiserwürde ablegte, möge auch unser ritterlicher Monarch Franz Josef I. feierlich dem deutschen Bunde vor der ganzen Welt entsagen, umsomehr aber auf seine treuen Unterthanen bauen und auf genaue Befolgung der den Völkern verliehenen Wohlthaten sei¬ tens der untergeordneten Behörden dringen. Wir sagen gewiß nicht zu viel, wenn wir behaupten, daß sich unser gute Monarch auf jedes ein¬ zelne Kronland mehr verlassen kann, als auf den ganzen deutschen Bund. Lxompla 8unt oäiosa. Möge Oesterreich seine deutschen Bundesgenossen das sein lassen, was sie sind (die Geschichte richtet und wird sie richten) und nebenbei trachten, seine innern Kräfte zu beleben und zu stärken. Nur einzig in diesem Falle ist es in der Lage, jedem Ungewitter Hohn und Trotz biethen zu können, im Bunde mit Deutschland kann es neuen Nieder¬ lagen » I» UgAsntk» ot Solksrino mit sicherster Erwartung entgegensehen, und statt eines Bedauerns nur der Schadenfreude, nur einem schmachvollen Schmunzeln entgegensehen. Zeigt uns der Feldzug von 1859 nicht die pure Wahrheit des Gesagten? Wir meinen, und mit uns gewiß jeder biedere Oesterreicher: Schütze Jeder gut seinen eigenen Herd und lasse Andere ebenfalls für sich selber sorgen. Jeder für sich, Gott für Alle soll ein für allemal gelten! Ein ans loyalen Herzen gesprochenes Wort, möge es nicht verdreht und mißdeutet werden." 6) Aus Croatien erhielten wir, als wir unser Manuskript eben in Druck geben wollten, unter dem Titel: „Die deutsche Frage vom öster- reichisch-slavischen Standpunkte" nachstehenden Artikel: „Nicht nur die, deutsche Juteressen vertretenden, sondern auch die magyarischen Blätter beschäftigen sich mit der, wie die letzteren gaP richtig bemerken, auch für Ungarn nicht ganz gleichgiltigen, und wie die „Donau-Zeitung" in der Nummer 52 hervorhebt, eine allen Völkern Oesterreichs gemeinsame Angelegenheit bildenden, deutschen Frage. Der Standpunkt, von dem die Ungarn heute die Frage betrachten, wurde mit besonderer Klarheit von dem bekannten ungarischen Publizisten, und Mitgliede des jüngsten ungarischen Landtages, August Trefort im dargestellt. , „Preußen — sagt er — will die deutschen Staaten mit Ausschum Oesterreichs, unter einen Hut bringen; will unter eigener UeZemoms einen solchen neuen Staat in Deutschland bilden, welcher mit Recht Groß- S9g Preußen oder Preußisch-Deutschland genannt werden müßte. Eine der¬ artige Durchführung der Einigung wäre ja aber nichts anderes, als die Zweitheilung des historischen deutschen Reiches, ein Ausschluß Oesterreichs aus Deutschland, welches sodann nothgedrungen sein würde, jene in ihren Elementen verschiedenen Länder mit Anwendung aller Mittel durch das Land der schroffsten Centralisation zu vereinen. Das wäre ja aber nichts anderes, als die Vernichtung der autono¬ men Selbstständigkeit Ungarns für ewige Zeiten. Eine Sympathie für das preußische Programm, welches Oesterreich aus Deutschland ausschließen will, wäre daher von ungarischer Seite nichts anderes, als eine offene Desavouirung der Politik des jüngsten ungarischen Landtages; und das preußische Programm hatte als unerläßliche Folge, die unbedingte Durchführung der Einheitsidee und der angestrebten Cen¬ tralisation des österreichischen Kaiserstaates. Wenn dem entgegengesetzt der deutsche Bund auf Grund der Note des Grafen Rechberg reformirt wird, und wenn nebst der gemeinsamen Exekutive auch die Gesammtheit der Völker aller den deutschen Bund bil¬ denden Staaten eine Vertretung findet; dann ist in Oesterreich an und für sich der Dualismus zur Wirklichkeit geworden, und es sind alle die Schwierigkeiten, welche von Seite der österreichischen Staats-Männer ge¬ gen die Selbstständigkeit Ungarns zur Geltung gebracht werden, von selbst entfallen." So der ungarische Publizist, der hierbei, wie deutlich zu ersehen, das spezifisch ungarische, oder richtiger gesagt, magyarische Interesse vor Augen hat. Welchen Standpunkt die andern Oesterreich constituirenden Völker, die bei dem konstitutionellen Leben denn doch auch ein Wort mitzusprechen haben werden, einnehmen, wird hier ganz übergangen, und wird dies von keiner andern Seite ausgesprochen; es wäre denn, man wollte aus dem beharrlichen Stillschweigen selbst irgend eine unsichere Beantwortung her¬ ausklügeln. Und doch sind außer den zunächst betheiligten Deutschen und den Magyaren, auch die andern, und insbesondere die slavischen Völker bei der Lösung der deutschen Frage unmittelbar interessirt, nicht nur weil sie. ge¬ genüber den Ersteren die bedeutende Majorität der Bevölkerung Oester¬ reichs, um dessen Verhältniß zu Deutschland es sich handelt, bilden, son¬ dern auch, weil ein großer Theil derselben faktisch ziun deutschen Bunde gehört, während der'andere, wenn er auch mit demselben historisch nie bereinigt war, schon durch seinen engen Zusammenhang mit dem zum deutschen Bunde gehörigen Theile in Mitleidenschaft gezogen werden muß. Daß der Standpunkt der Slaven bei Beurtheilung der deutschen Frage, insofern es sich überhaupt um die Entwicklung ihrer nationalen Interessen handelt, weder mit dem einen, noch mit dem andern der oben von Trefort angedeuteten identisch sein kann, ist Wohl überflüssig näher auszuführen, wenn man erwägt, daß alle österreichischen Slaven ohne 300 Unterschied sich aufs entschiedenste gegen den von Trefort für den ersten Fall gefolgerten schroffen Centralismns und eben so entschieden gegen den im zweiten Fall angestrebten Dualismus ausgesprochen haben. Wie entschieden auch die Sonderinteressen und Parteigestaltungen der Nord- und Südslaven, oder der einzelnen Stämme derselben gedacht werden wollen, in dem Einen sieht man sie stets nicht nur unter sich selbst übereinstimmen, sondern, wenn es Noth thnt, sich selbst mit ihren Gegnern vereinen; mit den Magyaren, wenn es sich handelt die schroffe Centralisation zu bekämpfen; mit den Deutschen, wenn es sich handelt dem von den Magyaren angestrebten Dualismus entgegenzntreten. Wenn daher die Lösung der deutschen Frage im Sinne der jetzigen preußischen Politik die Centralisation, im Sinne der Graf Rechberg'schen Note hingegen den Dualismus in Oesterreich zur Folge haben muß, so ist es einleuchtend, daß weder die eine noch die andere der oben erwähn¬ ten Arten, dieselbe zu lösen, den Bestrebungen der österreichischen Slaven entspreche, daß vielmehr beide bei denselben die entschiedenste Opposition finden müssen. Um zu sehen, von welchen Anschauungen die Slaven, und insbe¬ sondere die Südslaven in der Frage des Verhältnisses Oesterreichs zu Deutschland ausgehen, erscheint es am angemessensten, den Inhalt der von dem Ausschüsse des kroatisch-slavonischen Landtages vom I. 1848 in die¬ ser Frage abgesandten, heute eben so wie damals als zeitgemäß zu be¬ trachtenden Adresse mitzntheilen, welche in der Agramer Zeitung vom 6. September 1849 veröffentlicht Nnwde, und in der Sammlung der Akten¬ stücke des kroatisch-slavonischen Landtages vom I. 1848 von Pejakovio Seite 145 bis 148 enthalten ist, wie folgt: Euer Majestät! Die deutsche NeichSversammlung zu Frankfurt hat in den M 2 und 3 des Verfassungs-Entwurfes, das Reich betreffend, als Grundsatz ausgesprochen, daß kein Theil des deutschen Reiches mit nicht deutschen Ländern zu einem Staate vereinigt werden dürfe, und daß, wenn ein deutsches Land, mit einem nicht deutschen Lande dasselbe Staatsober¬ haupt hat, das Berhältniß zwischen zwei solchen Ländern nach dem Grund¬ sätze der reinen Personal-Union zu ordnen sei. In so ferne die obgedachte Versammlung in Frankfurt beabsichtigt, daß die deutschen Provinzen von Oesterreich dem deutschen Reichsverbande sich anschließen, würde sonach zwischen ihnen und den übrigen Län¬ dern, die im Vereine nut denselben bisher den österreichischen Kaiserstaat, die österr. Gesammt-Monarchie bilden, jede andere Verbindung aufzuhören haben, als jene, welche darin besteht, daß sich die Kronen der sämmtlichen Königreiche und Länder dieser Monarchie ans einem und demselben ge¬ heiligten Haupte vereinigen. Die Euerer Majestät treu ergebenen Königreiche Kroatien, Dalma¬ tien und Slavonien würden den Erfolg jener Beschlüsse, welche sie be¬ drohen, ans einem mchrhundertjährigen Realverbande mit den übrigen Ländern der österreichischen Gesammt-Monarchie verdrängt zu werden, 301 unbesorgt und stillschweigend abwarten, da sie der deutschen Reichsver¬ sammlung weder die Befugnis, noch die Macht zuerkennen, über die künftigen Geschicke und völkerrechtlichen Verbindungen dieser Königreiche Monomisch zu dekretiren; doch da das bisher von der Versammlung in der Paulskirche und insbesondere von mehreren österreichischen Mitglie¬ dern derselben in dieser Angelegenheit beobachtete Verfahren dem Beden¬ ken Raum gibt, daß man in dem Eifer für die Bildung eines großen nnd mächtigen Deutschlands über Rechte und Pflichten leicht Hinwegschlüpfen möchte, welche nichtdeutscheu Ländern aus ihrer Verbindung mit deutschen Staaten völkerrechtlich erwachsen sind, so können diese Königreiche nicht ohne aller Besorgnis sein. In den Eingangs erwähnten Beschlüssen der deutschen Reichsversamm¬ lung erkennen diese Königreiche bezüglich des österr. Gesammtstaates die Folgen einer Auffassung der pragmatischen Sanktion, wie selbe schon frü¬ her von Seite der einen ungarischen Fraktion stattgefunden hat, deren Endzweck die Zersplitterung und Zerfall der Monarchie war, und welcher mit aller Kraft entgegenzutreten, diese Königreiche als ihre hei¬ ligste Pflicht erachten. Es ist denselben nicht einleuchtend, daß zur Kräf¬ tigung und Sicherstellung des politischen Bestandes von Oesterreich dessen Verschmelzung mit seinen auswärtigen deutschen Stammgenossen im Sinne der mehrgedachten Beschlüsse der Reichsversammlung nöthig sein sollte; sie sehen nicht ein, daß es nöthig sein sollte, das Band gegenseitiger Unterstützung im friedlichen Verkehre sowohl, als in Kriegs- zeitcn, mit welchem die pragmatische Sanktion die Völker aller Zungen im Kaiserstaate umschlingt, zu lösen, und an dessen Stelle sich lediglich auf den Grundsatz der Personal-Union zu beschränken, der auch bisher schon neben dem Bestände des Realverbandes von Niemand in Zweifel gezogen werden konnte. Weder die Geschichte der Vorzeit, noch die Er¬ lebnisse der Gegenwart bevorworten eine solche Maßregel, sie bestätigen dielmehr, daß Oesterreich zu allen Zeiten in sich selbst, in dem Zusam¬ menwirken seiner deutschen und nichtdeutschen Länder, in der treuen Anhänglichkeit all dieser verschiedenen Völkerfamilien an das regierende Kaiserhaus, in dem stolzen patriotischen Gefühle, eben durch diesen innigen Verband seiner verschiedenartigen Bestandtheile eine der Großmächte Europa's zu bilden, Entschlossenheit und Kraft genug fand, seinen aus¬ wärtigen Feinden, und einer durch fremde Emissäre im Innern gebildeten Umsturzpartei mit Erfolg die Stirne zu bieten und sie zu bekämpfen. Bewußtsein des guten Rechtes erweckt Selbstvertrauen, Selbstver¬ trauen erzeugt den Muth, Muth ist gedoppelte Krast — nur wer an sich selbst verzweifelt, sucht von Außen den Schutz und Stützen. Dahin — Dank sei der Vorsehung! ist Oesterreich noch nicht gekommen! Es liebt bm Frieden, es bedarf ihn in seiner organischen Entwicklung, allein es trägt die sicherste Bürgschaft desselben in den Freiheiten, die seinen Völ¬ kern von dem gütigsten Herscher gewährt worden sind, — in der Gleichbe¬ rechtigung seiner Nationalitäten, — und es wird diese Errungenschaft zu 302 wahren wissen, ohne die guten Dienste der Paulskirche hiezu anrufen zu müssen. Liegt es aber im Interesse der deutschen Reichsversammlung, zur Kräftigung ihrer Central-Gewalt mit irgend welcher Großmacht in einen Bund zu treten, dann gebührt der Natur eines derartigen Verhält¬ nisses nach nicht der Ersteren mehr das Recht, die Bedingungen eines solchen Bündnisses einseitig und bindend vorzuzeichnen, sondern diese dürf¬ ten wohl nur durch einen Staatsvertrag normirt werden, bei welchem ein Einfluß der dabei mittelbar oder unmittelbar betheiligten Länder nach völkerrechtlichen Grundsätzen nicht umgangen werden darf. Dieß, Eure Majestät! sind die Betrachtungen und Ansichten, zu welchen die mehrerwähnten Beschlüsse der Reichsversammlung zu Frank¬ furt den Königreichen Croatien, Dalmatien und Slavonien Veranlassung gegeben haben. Mit altgewohnter kindlicher Ehrfurcht, aber auch mit vertrauens¬ voller Freimüthigkeit, die einem treuen Volke ziemt, glauben sie, Euerer Majestät nicht verhehlen zu dürfen, daß jener Vorgang ihnen nicht geeignet erscheine, die Sympathien für Deutschland zu steigern, daß vielmehr die Abneigung der deutschen Reichsversammlung, sich mit der österreichischen Monarchie als solcher in ein freundschaftliches Bündniß einzulassen, und die Anforderung, daß die nicht deutschen Bestandtheile derselben aus ihrem durch Gesetze und Herkommen geheiligten brüderlichen Verbände ausschei¬ den sollen, der betrübenden Vermuthung Raum gibt, daß das biedere deutsche Volk oder vielmehr dessen Vertreter in Frankfurt für jene Hin¬ gebung und heldenmüthige Anstrengungen keine Erinnerung bewahren, durch welche die Söhne der nicht deutschen Länder Oesterreichs im treuen Ver¬ eine mit ihren deutschen Waffenbrüdern ihnen stets beistehend, das drü¬ ckende und schmachvolle Joch der Fremdherrschaft abschütteln halfen, unter welchem Deutschland Jahre lang schmachtete. Wenn ein solches Vergessen aber auch mit Gleichmuth hingenom- men werden mag, so kann dies doch nicht der Fall sein mit der Zumuthung der deutschen Abgeordneten, daß unser Verband mit Oesterreich nur nach den Grundsätzen der reinen Personal-Union zu ordnen sei. Folgerecht mit den schon im Beginne dieses Jahres von uns vor aller Welt kundgegebenen Grundsätzen, und der Handlungsweise, die übereinstimmend mit denselben von Seite der deutschen Länder selbst beobachtet wurde, protestne» wir, unter Bewahrung der zugesicherten Selbstständigkeit unserer Nationa¬ lität, feierlichste gegen die durch die deutsche Reichsversammlung unseren Ländern zugemuthete Trennung von der österreichischen Gesammtmonarchn. Wir haben für die Integrität auf deu Schlachtfeldern Italiens, w'.r haben in Ungarn, und vor den Mauern der durch Fraktionen in Anarchie gestürzten Haupt- und Residenzstadt Wien unser Blut vergossen, und unser Leben eingesetzt, wir haben demnach durch die That beurkundet, daß ww die durch die pragmatische Sanktion uns auferlegten Pflichten mit strenger Gewissenhaftigkeit zu erfüllen immer bereit sind, wir sind uns aber E klar bewußt, daß wir bei der Gegenseitigkeit der Rechte und Pflichten, welche 303 jene Fundamental-Urkunde des österreichischen Gesammtstaates allen seinen Böllern gewährleistet, ein volles unzweifelhaftes Recht haben zu fordern, daß die deutschen Länder Oesterreichs keinen Treubruch an uns begehen, indem sie sich nach. dem Verlangen der Reichsversammlung zu Frankfurt einseitig von uns lossagen, ein neues, unserer materiellen und geistigen Ent¬ wicklung geringe Bürgschaft biethendes Büudniß eingehen, und die durch Jahr¬ hunderte ihnen treu verbündeten Gefährten aller ihrer Schicksale auf neue Bahnen drängen würden, auf welchen sie ihre Wohlfahrt nach Innen und die Wahrung ihrer Selbstständigkeit nach Außen zu suchen bemüssiget wären. Wir erlauben uns Euerer Majestät die ehrfurchtsvolle Bitte hiemit vorzutragen, bei der allfälligen weiteren Verhandlung des fraglichen Ge¬ genstandes auf die von Seite dieser Königreiche dargelegten und in der pragmatischen Sanktion begründeten Rechte, wie auch auf die zur Wah¬ rung derselben geeigneten Mittel a. g. Bedacht nehmen zu wollen. Im Uebrigen etc. Agram, den 31. Dezember 1848. Dieß waren die Anschauungen und Gesinnungen der loyal denkenden österreichischen Slaven im I. 1848, dies sind sie es auch heute. Diesel¬ ben fanden im Jahre 1848 und 1849, als die Lösung der deutschen Frage faktisch versucht wurde, den lebhaftesten Anklang nicht nur in Croatien, sondern auch in allen von den Slaven bewohnten, wenngleich zum Theil deutsches Buudesgebieth bildenden Ländern. Der Ausdruck dieser Gesin¬ nungen dürfte auch, sobald es sich wieder um die praktische Lösung der deutschen Frage handeln wird, ohne Zweifel abermals, und zwar desto lebhafter und energischer zum Vorschein kommen, je größer der Cultur- fortschritt ist, den die Slaven inzwischen gemacht haben, und je allgemei¬ ner sich hei ihnen das Bewußtsein regt, daß kein Volk die Bestimmung habe, dem andern als Werkzeug für seine Zwecke zu dienen, sondern daß die Entwicklung und der Schutz jedes einzelnen Volkes gegen die Ueber- Sriffe eines andern nur durch den höheren, die gegenseitigen Differenzen ausgleichenden Völkervcrein in einem Rechtsstaate, wie das constitutioncll verjüngte Oesterreich möglich ist, wo der oberste Verfassungs-Grundsatz »der nationalen Gleichberechtigung" vor allem heilig gehalten, und m der praktischen Durchführung zur vollen Wahrheit werden soll. Die in der obigen Adresse ausgesprochenen Gesinnungen sind sowohl m der historischen Entwicklung und Verkettung der österr. Slaven mit den übrigen Völkern, wie auch in ihren geographischen, nationalen und poli- llsch-socialen Verhältnissen begründet. Man müßte diese, thatsächlich be¬ uchenden und nicht zu ändernden Verhältnisse, gänzlich verkennen, wenn man die österreichisch-slavischen Bestrebungen überhaupt, und den Stand¬ punkt, den sie Deutschland gegenüber unabweisbar eiuznuehmen haben, ins¬ besondere, sei es in der einen, oder in der andern Richtung, verrücken sollte. Und eben darum waren es gerade die Besonnensten und Loyal¬ en unter den Slaven in Oesterreich, die im Jahre 1848 den in der kroatischen Adresse ausgesprochenen, von den Ansichten der „Donau-Zeitung" 304 wesentlich abweichenden, Standpunkt einnehmen zu sollen geglaubt haben, und daran, wenn sie nicht auf jeden Fortschritt ihres Volkes verzichten wollen, auch in der Folge unerschütterlich festhalten müssen. Es handelt sich hier in der That um einen Selbsterhaltungskampf der Slaven, in welchem dieselben nicht erlahmen und noch viel weniger die Waffen stre¬ cken dürfen; dies letztere erwarten sie im Gcgentheil von ihren bisherigen Gegnern, sobald ihr Sinn, durch den ehrlichen und loyalen Kampf der Slaven geläutert, das Bedürfnis fühlen wird, auch den, früher stets be¬ drückt gewesenen slavischen Brüdern in Oesterreich gerecht zu werden. Zp dieser Hoffnung berechtiget die Slaven auch der Umstand, daß sie es in der Länge nicht für möglich halten, Männer, die sich zu freisinnigen Grund¬ sätzen bekennen, den slavischen Ansprüchen, von deren vollen Berechtigung sie selbst in ihrem Innern überzeugt sein müssen, in diesem humanen Zeitalter anders als mit einer aufrichtigen Versöhnlichkeit begegnen zu sehen, weil nur dann, wenn einmal der echt christliche Geilt der Versöh¬ nung die Anführer der verschiedenen, sich gegenüber stehenden, nationalen Partheien in Oesterreich beseelen wird, aber auch nur dann — für die Völker des großen österreichischen Ländercomplexes die Morgenröthe einer schöneren und erfreulicheren Aera heranbrechen kann, welche gewiß von allen Menschenfreunden, und um so mehr von jedem wahren Freunde Oester¬ reichs heiß ersehnt werden muß." U. Wir fürchten nicht ohne Grund, daß man unsere Ansichten als Preußen freundlich und Oesterreich feindlich verschreien, und uns vielleicht einen Nationalvereinler schelten wird. Aber wir wissen zu unserer Beru¬ higung und zu unserm Troste, daß sich unsere Ansichten immer mehr und mehr Bahn brechen, daß selbst ein großer Theil der Reichsrathsdeputirten unsere Ansichten theilt, daß das gewiß gut österreichisch gesinnte Ministe¬ rium „Schwarzenberg-Stadion" eben eine solche Ausfassung und Lösung der deutschen Frage wiederholt und öffentlich kundgab, und daß nur ein solches Verhältniß der gegenwärtigen Lage Deutschlands und Oesterreichs entspricht: Ein einiges Deutschland und ein selbstständiges unabhängiges Oesterreich im innigsten, völkerrechtlichen Bunde! Korrespondenzen. * Klagenfurt. Ueber unfern Landtagsabgeordneten waltet ein eigenes Verhängniß. Zwei davon sind bereits gestorben; und beide aus demselben Wahlbezirke. Darum findet in dem Wahlbezirke Umgebung Klagenfurt eben bereits die dritte Urwahl statt. Das constitu- 305 tionelle Leben ist bei uns noch im primitiven Zustande, das Interesse dafür noch nicht erwacht, die Erfolge und Früchte desselben fast gar nicht bemerkbar; darum müssen wir die Nothwendigkeit der so häufigen Vor¬ nahme von Urwahlen im Interesse der guten Sache bedauern. Die Ur¬ wähler werden zu oft von ihrer eigentlichen Beschäftigung abgezogen, müssen zu oft weite Wege und namhafte Auslagen machen, und bekom¬ men so nur das Bittere des neuen constitutionellen Lebens zu verkosten; die Gefahr liegt darum sehr nahe, daß sich eine gewisse Abneigung dage¬ gen in ihnen festsetzt. Wir erlauben uns daher, die Herren Wähler zu ersuchen, daß sie ihr Augenmerk mehr auf jüngere Personen richten. Männer, welche Liebe zum entschiedenen, jedoch nicht überstürzten Fort¬ schritt, Sinn und Muth für Recht und Wahrheit, Achtung vor Religion und Nationalität bewiesen haben, dabei eine unabhängige Stellung ein¬ nehmen, solche Männer würden wir ihnen anempfehlen. Hingegen war¬ nen, ernstlich warnen wollen wir die Herren vor Personen, welche sich Partheilichkeit nnd Feigheit zu Schulden kommen ließen. Auf diese Weise werden die Wahlen glücklich ausfallen, und auch Wiederwahlen nicht noth- wendig werden. Wir können daher aus guten Gründen auch die Anordnung nicht billigen, daß bei jeder neuen Wahl eines Landtags-Abgeordneten wieder neue Urwahlen stattzufinden haben. Gilt für die Abgeordneten der Turnus auf 6 Jahre, warum soll er nicht auch für die Urwähler gelten? Warum sollen für die Urwähler nicht Ersatzmänner für etwa sich erge¬ bende Veränderungen gewählt werden? Man suche das neue Verfassungs¬ leben möglichst leicht, angenehm und so beliebt zu machen! Aber nicht bloß der Tod, sondern auch die freiwillige Resignation der Abgeordneten macht öftere Wahlen nothwendig. So haben in der neuesten Zeit wieder drei Landtagsabgeordnete u. z. die Herren: Spitzer, Niederrist und Siegt, von denen der letztere zugleich Reichsraths-Abgeordneter in Wien dmr, ihre Mandate zurückgelegt und neue Wahlen in Aussicht gestellt. Wie verkämet sollen noch mehrere Deputirte mit dem gleichen Plane um¬ gehen. Die Ursachen dieser bedauerlichen Erscheinung sind uns nicht bekannt; aber wir haben zu dem bekannten Patriotismus unserer Depu- lifien das gegründete Vertrauen, sie hätten für die gute Sache das aller¬ dings große Opfer gebracht, und sich den Mühen und Arbeiten, Auslagen und Verdrüßlichkeiten eines Abgeordneten unterzogen, wenn für die Land¬ lage eine baldige, ersprießliche Wirksamkeit in Aussicht stände. Wir glau- bsu, es wäre für die gute Sache weit vortheilhafter gewesen, wenn man die Landtage einberufen, die vielen Landesangelegenhciten in Verhandlung genommen, und die segensreichen Früchte des neuen konstitutionellen Lebens der Bevölkerung recht deutlich vor die Augen gestellt hätte. Unterdessen Men die Verhandlungen zur Zustandebringung eines Gesa mmt- lleichsrathes zum Abschlüße gebracht werden können und sollen — um jeden — die Einheit und Stärke der Gesammtmonarchie nicht unter¬ grabenden Preis. So aber haben wir keine Landtage, die Landesange¬ legenheiten sind noch ungeordnet; der Reichsrath in seinem bald engen, 306^ bald weiteren, bald weitesten Wirkungskreise kostet sehr viel, leistet aber sehr wenig, und wird in dieser Gestalt nie viel leisten auch bei dem be¬ sten Willen der Regierung und der Abgeordneten. * Klagenfurt. Der im letzten Hefte gebrachte Artikel: „Aus dem Beamtenleben" hat voraussichtlich uns manches Unangenehme aber auch viele Freuden gebracht. Von mehreren Seiten wurde uns für diesen Artikel förmlich gedankt, ein Beweis, daß er nur Wahres enthalte und tief in das Beamtenleben eingreife. Große Freude gewährt cs uns auch zu versichern, daß der Herr Landeschef bald nach Erscheinen des Hef¬ tes sich den Namen des bezeichneten Beamten angeben und eine Untersu¬ chung einleiten ließ. Wir hoffen, daß die Untersuchung das allgemein bekannte Gerede des Publikums bestätigen und die armen Unterbeamten vor derlei Benachtheiliguugen bewahren werde. Schließlich wollen wir noch erklären, daß ver im obgedachten Artikel erwähnte Anwurf der Bor¬ enthaltung der Kanzlei- und jBeleuchtungs - Pauschalien weder auf die k. k. Steuer-Direktion, noch auf die k. k. Finanz-Bezirks-Direktion und k. k. Finanzprokuratur gemünzt gewesen sei. Der ganze Vorfall ist aber auch ein Beweis, von welch unbere¬ chenbaren, wohlthätigen Einfluß die freie Presse sei, wenn sie einerseits die wirklichen Uebelstände offen und gerade, doch ruhig und anständig aufdeckt, andererseits aber auch — wie es in dem genannten Falle von unserem Herrn Landeschef geschah, nicht Erbitterung erregt, vielmehr geneigte Be¬ rücksichtigung findet: Soll die Wunde geheilt werden, muß sie gezeigt werden. * Klagenfurt. (Geldaushülfen für Beamte). Die be¬ kannte Vorschrift ist allerdings als sehr weise und lobenswerth zu nennen, vermöge welcher es den betreffenden Organen unserer Regierung gestattet ist, den unverschuldeter Weise in mißliche Vermögensverhältnisse gerathen- den Beamten, zumal als Familienvätern, die nur geringe Besoldungen genießen und durch das Obwalten für sie ungünstiger Umstände an dein Aufrücken oder überhaupt an der Verbesserung ihrer Lage gehindert sind, dann den armen Praktikanten, welche oft mehrere Jahre unentgeltlich die¬ nen und ihren Eltern noch fortan zur Last fallen müssen, über ihr gehö¬ rig dokumentirtes Ansuchen angemessene Unterstützungen zuflicßen zu lassen, so wie ferner den schon besoldeten Beamten unter gewissen Bedin¬ gungen auch Gehaltsvorschüsse anzuweisen, und ihnen derart helfend unter die Arme zu greifen. Als tadelnswerth hingegen, ja nach Umständen sogar als eine Art schändlichen Betruges müßte wohl jedem ein Mißbrauch der obengedachten Vorschrift erscheinen, mögen sich diesen die besagten Organe oder die ohne Vorhandensein der nothwendigen Bedingungen oder ohne Eintritt eines wirklichen Nothfalles die Betheilung mit einer Geldaushülfe oder die An« Weisung eines Gehaltsvorschusses erwirkenden Beamten zu Schulden kommen lassen. Als ein solcher Mißbrauch erscheint beispielsweise ohne Zweifel auch die unlängst irgendwo in Klagenfurt zur Sprache gebrachte, angeblich schon seit mehreren Jahren datirende Gewohnheit eines hier angestellten ledigen, mit strengster Oekonomie lebenden Beamten, Jahr aus Jahr ein um eine Geldaushülfe, dann jeden zwanzigsten Monat um einen Gehaltsvorschuß ciuzuschreiten, dann aber die ihm angewiesenen Summen sogleich — in die Sparkassa zu tragen. Ist es doch möglich, daß so etwas bisher noch nicht zur Kenntniß seiner Vorgesetzten gelangt ist? Ist es nicht unbarm¬ herzig, so die gesetzlich bestimmte Summe zu erschöpfen und Dürftigen eine dringend nothwendige Unterstützung vielleicht unmöglich zu machen? * Klagenfurt. (Ein Pfarrer, der von der Luft lebt). Dieser Tage ging hier ein Pfarrer von einem seiner Freunde zum andern, um doch das zur Existenz nothwendigste Geld aufzntreiben. Dieser näm¬ liche Pfarrer trat am 1. Jänner l, I. seine nun erlangte Pfarre an, und wartete von Woche zu Woche auf seine Gehaltöanwcisung. Aber die sehnlichst erwartete kam leider nicht! Die Reiseauslagen sind bekanntlich bedeutend, die Vorauslagen zur Einrichtung einer neuen Wirthschaft groß, die Lebensmittel sehr theuer. Dazu ist die gute Gemeinde arm und durch wiederholte Feuerunglücke und durch wahrhaft großartige Beiträge zur Verschönerung der Kirchen erschöpft. Die zufälligen Einkünfte sind darum natürlich äußerst gering. Woher soll nun dieser Pfarrer leben? Die kleine Meierei trägt im Winter nichts, im Frühlinge macht sie bedeutende Vor¬ auslagen nöthig; — die kleine Grundentlastungs-Rente wird erst mit Ende Juni fällig; — die Anweisung der Congruaergänzung kommt aber dennoch nicht. Doch am 1. April l. I. langt endlich ein Aktenstück ein, die Freude darüber war groß, doch sie — fällt in den Bach. Statt der Gehalts¬ anweisung kommt nach 3 ganzen Monaten erst der Auftrag, eine Pfrün- dcnfassion zu legen, nach deren Adjustirung erst die Höhe der Congrua- Ergänzung bemessen und dann erst angewiesen werden kann. Wer den Gang bei derlei Aktenstücken kennt, wird den armen Pfarrer herzlich be¬ dauern, weil er noch lange, lange Zeit von der Luft oder von der Unter¬ stützung guter Freunde wird leben müssen. Wir wissen, daß bei einem jeden Pfründenwechsel nach den bestehenden Normen eine neue Fassion gelegt werden muß, damit ja kein Kreuzer der buchhalterischen Scheere ent¬ schlüpfe; — aber wir fragen ob in solchen Fällen nicht wenigstens Vor¬ schüsse bewilligt, und nach erfolgter Adjustirung der Fassion beglichen wer¬ den sollen. In einem solchen Vorgehen bei der Lebensfrage des Klerus Mrd wohl Niemand ein fröhliches Zeichen der vielgepriesenen Autonomie und Selbstverwaltung der Kirche erkennen. —t. (Klagenfurt im Mai). Unsere heimische Gemeinde ist es, der wir in nachfolgenden Zeilen die Blicke zuwenden. Bereits ein Jahr 308 ist verstrichen, seit der neugewählte Gemeinde-Rath thätig ist, wir können dieses Wort um so mehr auwenden, als wir die Ueberzeugung erlangt haben, daß selber durch eine rege Theiluahme an den Sitzungen den Gemeinde-Interessen eine weit größere Aufmerksamkeit schenkt, als es beim srühern Gemeinde-Rath der Fall war, von dem es allgemein bekannt ist, daß er eine nicht zu rechtfertigende Lauigkeit an den Tag gelegt, indem bei manchen Sitzungen oft nur 2 bis 3 Gemeinde-Räthe erschienen, ja ein Mitglied sogar jahrelang von selbem ferne geblieben ist. Die Theiluahme oder Nichttheilnahme am öffentlichen Leben ist eine entscheidende Frage, die gewichtig in die Wagschale fällt. An den Früchten erkennt man den Baum und während der frühere Gemeinde-Rath durch die Zeit seines zehnjährigen Bestehens nur wenige Lebenszeichen von sich gab, haben wir von der Thätigkeit des gegenwärtigen während der kurzen Dauer eines Jahres schon so manche löbliche und erfreuliche Erfolge aufzuweisen. Wenden wir uns dem Süden der Stadt zu, so sieht man hart an dem Kanale gleich hinter der Platz'schen Allee mehrere Gebäude mit Riesen¬ schritten ihrer Vollendung entgegen gehen, es ist der Gasometer mit seinen Nebengebäuden, dessen rascher Fortschritt uns Bürge genug ist, daß wir noch im Spätherbste statt der bisherigen wirklich Eckel erregenden Stadt-Beleuchtung, die trotz aller verfügten Strafen gegen die Pächterin nie um ein Haarbreit besser geworden ist, viel Geld gekostet und uns fast nichts genützt har, die Hellen Gasflammen in den Straßen der Stadt, in den Gast- und Kaffeehäusern und sonstigen öffentlichen Etablissements ringsum lichtverbreitend werden schimmern sehen. Möge der Ausspruch des Gemeinde-Rathes „es werde Licht", den er mit der raschen Durch¬ führung der Gasbeleuchtung gethan, doch durchgehends zur Geltung ge¬ bracht, und wir so in jeder Beziehung dem hellaufleuchtenden Fortschritte zugeführt werden. Wenden wir uns von dem Gasometer gegen Westen zu, so sehen wir viele Hände rührig beschäftigt mit der Anlegung der neuen Bahnhofstraße in Verlängerung der Kanalgasse. Was vor wenigen Wochen noch ein sehr in Frage gestellter Gegenstand war, der so manche lebhafte Debatte im Gemeinde-Rathe hervor rief und den lebendigsten Beweis lieferte, wie ersprießlich es ist, wenn Vertretungskör¬ per Mitglieder in ihrer Mitte besitzen, die unabhängig sind und Muth genug haben persönlichen Interessen ferne, dem anerkannt Besten und der öffentlichen Meinung Geltung zu verschaffen, — verkörpert sich nunmehr vor unfern Augen. Die herrliche Bahnhofstraße in Verlängerung der Kanal¬ gasse ist zur unumstößlichen Gewißheit geworden und schon in wenigen Wochen ist die Verbindung der Stadt mit der Platz-Allee hergestellt.. Ein weiteres Verdienst des gegenwärtigen Gemeinde-Rathes ist es, daß das Ferdinand Kaufmann'sche Stiftungs-Kapital endlich seiner Be¬ stimmung zugesührt wird. Das Defensions-Werk bei Waidmannsdors wurde von Sr. Majestät der Stadt-Gemeinde zu Errichtung einer Rettungs-Anstalt für verwahrloste Jugend geschenkt; ein aus dem Gemeinde-Rathe erwähltes Comitä, welches sich durch Fachmännner von 309 Außen verstärkte, stellte den Antrag, die über das ursprüngliche zur Auf¬ rechthaltung der Anstalt bestimmte Stift-Kapital vorhandenen Gelder zur sogleichen Inangriffnahme der Rettungs-Anstalt im kleinen zu verwenden und sohin die Hälfte des Forts, welches dem k. k. Militär vermiethet ist, durch Aufknndung seiner Bestimmung zuzuführen. Obschon diesfalls aus theilweise übertriebener Furcht vor einer Militär-Einquartirung kein Be¬ schluß zu Stande kam, so Warman doch nachträglich thätig dafür besorgt, die Ueberlassnng der Hälfte des Defensions-Werkes von Seite des k. k. Militärs im gütlichen Wege zu erwirken, was auch gelang, und bereits am 1. Mai wurde die nordwestliche Seite desselben der Gemeinde zur Verfügung gestellt. Das obenerwähnte Comitö wird schon in der nächsten Sitzung wegen sogleicher Inangriffnahme der Rettungs-Anstalt die geeig¬ neten Anträge stellen. Sind diese erzielten Erfolge ganz geeignet, unse¬ rem Gemeinde-Rathe eine lobenswertste Thätigkeit zuzuerkennen, so, müssen wir doch unser Befremden darüber ansdrücken, daß in jüngster Zeit einem gut besoldeten Beamten freilich nicht ohne Widerspruch eine namhafte Remuneration gegeben wurde, ohne daß er darum ansuchte, während gering besoldeteUnterbeamte mit ihrem Ansuchen nm Vor¬ rückung und Gehalts-Erhöhung auf eine allgemeine Or- ganisirung vertröstet wurden. „Gleiches. Recht für Alle", ist und bleibt unser Wahlspruch und wir finden es sehr bedauerlich, wenn auch bei der Gemeinde das Sparshstem gerade nur bei den Subaltern- Beamten angewendet werden will. Die Zeiten sind theuer, der niedere Beamte bedarf gerade am meisten einer Aufbesserung und es wäre wahr¬ lich an der Zeit, nunmehr mit Ernst an die so oft besprochene Gehalts- Rcgulirnng Hand anznlegen. Wir werden der Gemeinde von nun an ein wachsames Auge zuwcnden und es wird uns stets zum Vergnügen gerei¬ chen, von den Vätern der Stadt lobenswerthes berichten zu können. — (Von der Gail). Unlängst verfaßte Jemand ein Paar kurze Berichte an das k. k. Bezirksamt Arnoldstein in slovenischer Sprache. Da wurde Abends an der Wirthstafel von einigen deutschen Beamten und den einigen intimen Slavenfreunden über jene Slaven geschimpft, die für chr Volk Gleichberechtigung anstreben. Der Verfasser jener Berichte wurde wit „einer der exaltirtesten Köpfe" bezeichnet. Ich fragte mich: Wen kann wan mit mehr Recht exaltirt nennen, denjenigen, der seine Muttersprache Mch schreibt oder denjenigen, der an einer Idee (Weltgermanisirung) hängt und quasi den Slovenen das Recht zu bestehen abstreitet? Es ist durchaus unzweckmäßig, daß wir in slovenischen Orten sentschc Beamte haben. Die Beamten sind, was auch Ludwig Hoffmann w seinen Schriften „Betrachtungen über die Gefahren der Throne wegen Berkennnng und Nichtachtung der öffentlichen Meinung und des Zeitgei¬ stes" den Deutschen fagt, des Volkes wegen hier, das sie besoldet und sich durch sie repräsentirt wissen will. Deshalb für slovenisches Volk 310 slovemsche Beamte, slovenische Aemter. Ich sage slovenische Beamte und rechne dazu nicht jene, welche über die Kenntniß der slovenischen Sprache zwar ein Zeugniß haben, aber nicht einmal 30 slovenische Worte wissen, welche in Folge dessen in slovenischen Orten dienen, aber die Slovenen und ihre Sprache verspotten. Dies ist keine Verläumdung! — Man stelle Beamte dort an, wo sie an ihrem Platze sind. Daß in slovenischen Orten slovenische Aemter und slovenische Beamte sein sollen, ist gewiß eine gerechte Forderung der Slovenen, nnd wir hoffen auch von unseren hohen Behörden zuversichtlich deren Erfüllung. Ihr Beamten aber verspottet nicht jenes Volk, unter dem ihr dient, verhöhnt nicht jene, welche keine Ueberläufer, sondern ihrer Fahne, ihrem Volke, getreu sind, welche für den geistigen Aufschwung ihres Volkes arbeiten und sich für dessen Wohl bemühen! Dies ist wahrlich nicht der Wille unseres edlen und gnädigen Monarchen, welcher die Völkerrechte ehrt und alle Nationen als gleich¬ berechtigt erklärt hat*). *) 1. Anmerkung der Redaction: In der Konkursausschreibungum dieNc- tarsstellen zu Bleiburg, Klagenfurt, Rosegg und Villach wurde insbesonders die voll¬ kommene Kenntniß der slovenischen Sprache von Seite der Kompetenten gefordert. Wenn irgend ein Amt, so ist es wohl das Notariatsamt, wo die Kenntniß der Landessprachen unbedingt und unumgänglich nothwendig ist. Das hiesige k. k. Landes¬ gericht handelte also nur gerecht und christlich, da es für die gedachten Notarstellen nur Männer in Vorschlag brachte, welche die vollkommene Kenntniß der slovenischen Sprache nachgewiesen. Dafür erntete es wohlverdientes Lob und großen Beifall von slovenischer, wie auch von deutscher Seite. Allein es verlauten nun ganz eigenthümliche Gerüchte, und man will wissen, daß das k. k. Oberlandesgericht in Graz von dem hiesigen Vorschläge abgegangen sei und andere Männer — mögen sie die ausgezeichnetsten und edelsten Juristen sein, aber für diese Posten taugen sie einmal nicht weder nach Vernunft noch Gesetz—dem hohen Ministerium empfohlen habe. Wir können diesen beunruhigenden Gerüchten keinen Glauben schenken, und erwarten von dem hohen Ministerium, daß cs ein Hauptprinzip des Staatsgrundgesetzes nicht verletzen, sondern wie bei vielen andern so auch bei dieser Gelegenheit wieder beweisen werde, daß es ihm um die wirkliche Durchführung der allerhöchst garantirten Gleichberechtigung der Nationalitäten voller Ernst sei. 2. Anmerkung der Redaction: Im 3. Hefte unserer „Stimmen" erzähl¬ ten wir folgenden Fall: „Zum Bezirksamte B. kommt ein slovenischer Bauer zu einer Tagsatzung, er kommt aber um einen Tag später, als anberaumt war. Auf die Frage: „Warum er erst heute komme" erwiedert er: „Ich kann nicht deutsch lesen; der mir die deutsche Vorladung gelesen, nannte mir den heutigen Tag." — „Es macht nichts, daß du heute kommst, zahlst blos 3 fl. mehr, nämlich der Partei den Weg," antwortete der menschenfreundliche Beamte ironisch." Das Faktum ist wahr, nur hat der Erzähler das Amt nicht recht benannt, es war das Bezirksamt nicht. — Aber ein anderes Ereig- niß aus dem Bezirke B. macht die Runde durch das Land. Der Gemeindevorstand von Feistritz bei Bleiburg wollte eine deutsche Zuschrift des Bezirksamtes NM annehmen und schickte sie zurück. Dafür soll der Gemeinde ein Pönale von 100 st- sage hundert Gulden diktirt worden sein. . Es ist angeordnet, daß die Aemter slovenische Eingaben der Partheien annehmen müssen und den Partheien darüber slovenische Erledigungen soweit es thunlich ist, hinausgegeben werden sollen. Ob aber den Partheien auch das Recht zustehe, deutscheZuschristen der Behörden zurückzuweisen, getrauen wir uns man zu entscheiden. Jedenfalls wird das Bezirksamt B. die Gemeinde hierüber belehrt haben. Die Gemeinde Feistritz muß sich doch sehr ungebührlich und widerspenstig benommen haben, daß man ihr eine so hoch gegriffene Strafe auferlegen mußte. Vielleicht sollen hicmit die slovenischen Gelüste vollständig zum Schweigen gebracht werden. 311 (Aus Oberkrain). Während meines bisherigen öfteren Verwei¬ lens in der benachbarten Provinz Kärnten hatte ich mehrmals Gelegenheit, hie und da die Behauptung einiger Herren (Sie wissen schon recht wohl, welche ich da meine) zu vernehmen, daß die sogenannte windische Sprache*) dieser Provinz, in der sie bekanntermaßen von mehr als einem Drittel der Bevölkerung gesprochen wird, und übrigens nicht die Win bi¬ sche, sondern wie hier bei uns, dann in der Untersteiermark und im ita¬ lienischen Küstenlande die slovenische heißt, von jener, die man hier in Krain spricht, ganz abweiche, und daß sich somit die Krainer und die Windischen (Slovenen) in Kärnten durchaus nicht verstehen. Nun obwaltet aber, so viel ich bemerkte, eine wesentliche Verschie¬ denheit zwischen diesen zwei slavischen Sprachen oder eigentlich Dialekten in der Thal gar nicht. Es ist ja bekannt, daß für die Slovenen in Kärn¬ ten, Steiermark, Krain und das Küstenland das Gesetzblatt und die Schul¬ bücher in einer und derselben Sprache verfaßt wurden und werden; — es ist bekannt, daß alle Zeitungen, Brochuren und Bücher, welche für die Slovenen bestimmt sind, sie mögen wo immer erscheinen, eine und die¬ selbe Sprache haben; — Sie könnten es als Redacteur des „Slovenski krümel" mit Ziffern Nachweisen, wie sich die Zahl der Pränumeranten ans die verschiedenen Länder Jnnerösterreichs vertheilt.**) Ueberall dieselbe slovenische Sprache! Eine Abweichung von einander ist, was die erwähn¬ ten Herren entweder noch gar nicht wissen, oder aber sich stellen, als ob sie es nicht wüßten, hauptsächlich nur darin vernehmbar, daß einige Slo¬ wenen Kärntens, und namentlich jene der Umgebung Klagenfurts das K und in vielen Fällen auch das Z nicht, das A wie K, statt des l und nicht selten das ü vor s, o und u aber wie ein v aussprechen. Daher es beispielsweise dort *) Einige, d. i. die bekannten Gegner der Slovenen, Pflegen dort die sloveni- brache, wie zufälligerweise öfters auch iw hörte, oft mitden kränkendsten veräckt- Namen zu belegen, bedenken aber dabei nicht im geringsten, daß auch die futschen ihrx Sprache in vielen Ländern, ja sogar in einer Haupt- und Residenzstadt -am furchtbar entstellen, und dieselbe oft so auffallend schlecht sprechen, daß sie als ein cs Kandcrw Lisch erscheint; oder wie sollte man z. B. die von mir unlängst aus "i Vkunde eines deutschen Beamten Kärntens, sage sogar aus dem Muude eines eaniten vernommenen, mir erst in Folge einer Erläuterung verständlich gewordenen dem m bot no ka Patz kopt.... na, goa kani" und andere, zumal unter " ^?tke noch auffallender lautende nennen? — „Heuchler! ziehe zuvor den Balken 2 deinem eigenen Auge; dann magst du sehen, daß du den Splitter aus deines Bruders Auge ziehest." ° . Da, wo eine Sprache wirklich schlecht gesprochen wird, kann aber diesem Uebel- I nve bekanntermaßen nur durch einen angemessenen Unterricht gesteuert werden (stehe len, aus Jnnerösterreich" Nr. M. d. I. Seite 131); und die irgendwo vor- ?B'be, gegen die Ansicht einiger Herren, welche nur von der absoluten Nothwen- tunifti der deutschen Schulen für die Slovenen so gern sprechen, auch in dieser Rich- ... - anwendbare Bemerkung.... „wir wissen sehr wohl, wie Vieles (in Kärnten) noch ' "Äs"» 'st zweifelsohne ganz richtig. -n „ ) stsut Protokoll find in Krain 203, in Steiermark 198 und im Küstenlandc Pranumeranten. Red. des 8Iov. krijatel. 812 nj statt Ir Lj (was)? am liros statt kam ArsS (wohin gehst du)? -Ian (in Kram eigentlich jsst) SSM biva, npva, äsvavs, Laava u. s. w. statt jsr SSM bllg, kupilg, äslala, Lakai a (wenn ein Weib spricht), d. i. „ich bin gewesen, habe gekauft, gearbeitet, gewartet." — Solches mm, dann der durch die fortwährende Berührung und den häufigen Verkehr mit Deut¬ schen erklärbare Gebrauch von deutschen, meistens entstellten Ausdrücken läßt allerdings eine Abweichung zum Vorschein kommen; allein dies kann der gegenseitigen Verständigung zwischen den Slovenen Krams und Kärn¬ tens nur in einem sehr geringen Grade, und wenn sie nach und nach mit dem gedachten Unterschiede in der Aussprache bekannt werden, was doch kaum schwierig sein kann, sogar nicht im geringsten hinderlich sein. Daß sie aber einander wirklich verstehen, beweist unter Andern auch schon der Umstand ziemlich klar, daß, so viel ich gehört, alle die vielen jungen Leute aus Kram, welche in Waarenhandlungen zu Klagenfurt wegen der Kenntniß der slovenischen Sprache als Commis u. dgl. verwendet werden, sich mit den dortigen Slovenen (Windischen) gut verstehen. Zum diesfälligen mehreren Beweise, oder um überhaupt darzuthun, daß oben gedachte Behauptung als lediglich aus der Luft gegriffen ange¬ sehen werden müßte, will ich hier weiter Folgendes in Erwähnung brin¬ gen. Als ich mich nämlich vor einiger. Zeit in einer mich betreffenden Angelegenheit zu Ferlach, welches, wie bekannt, nur zwei Meilen von Klagenfurt liegt, und wo man gleichfalls die oben gedachte Aussprache vernimmt, an einem Sonntag befand, hatte man mir gerathen, der Pre¬ digt des dortigen Herrn Pfarrers Legat, welcher in Ferlach allgemein als ein ausgezeichneter Redner gilt, und so auch der heil. Messe (dem Hochamte) beizuwohnen, wobei man mich versicherte, daß ich ein beson¬ deres Wohlgefallen daran finden werde. Obwohl ich in Ferlach überall, wo ich hinkam, nur slovenisch («in¬ disch) sprechen hörte, so war ich, zumal bei dem Umstande, als unter denjenigen, welche mir den besagten Rath ertheilt hatten, meistens nur deutschsprechende, und zwar auch sogar Beamte waren, dennoch der Mei¬ nung, daß die Predigt ohne weiters deutsch sein dürfte. Um es aber ganz bestimmt zu erfahren, fragte ich mich diesfalls an. Hierauf erhielt ich nun zu meinem Erstaunen die Antwort, daß in Ferlach nicht deutsch, son¬ dern echt slovenisch, oder wie man dort zu sagen Pflegt, in einer echt krainerischen Sprache gepredigt werde, indem auch der Prediger (d. i. der Pfarrer) ein Kramer sei (als der auch ich damals angesehen wurde). aber wie verstehen denn doch die Ferlacher den echt slovenischen (krainm- schen) Vortrag? Ich habe ja schon oft in Kärnten unter den Deutschen gehört, daß die Krainer von den sogenannten Windischen in Kärnten gt« nicht verstanden werden, und daß überhaupt den Letzteren das echte Slo- venische als etwas ganz Fremdes vorkomme" fragte ich darauf. „O die Ferlacher verstehen den Prediger sehr gut, wenn er sich auch recht krcu- nerisch ausdrückt. Sie werde» schon sehen, wie stark da die Anzahl dcr Zuhörer sei. Zudem sind ja die Lesenskuudigen bei der Messe mit krau 313 iierischm Gebetbüchern versehen, die ihnen nichts weniger als fremd sind", war die Antwort. Ich befolgte nnn den Rath, und überzeugte mich vollkommen von der Wahrheit des mir Gesagten. Auf die schöne und kräftige Predigt folgte das Hochamt, wobei vortrefflich slovemsch gesungen wurde, in wel¬ cher Beziehung ohne Zweifel dem Herrn Pfarrer Legat, der selbst als ein ausgezeichneter Kirchensänger bekannt ist, und diesfalls als ein Muster überall nachgeahmt werden sollte, wegen Anwendung der in gedachter Hin¬ sicht nöthigen Sorge das meiste Verdienst gebühren dürfte. — Ich kann Ihnen wahrhaft nicht beschreiben, welch einen Eindruck so etwas auf mich gemacht hat. Einige Tage darauf redete ich davon in einem deutschen Zirkel: „Ja", hieß es da, „die Slaven singen überhaupt schöner, als wir Deutschen. Das ist eine schon längst bekannte Sache." Ich frage Sie nun bei diesem An lasse, ob sich denn in Klagenfurt, wo bekanntermaßen für die dortigen Slovenen, und respektive für die In¬ sassen der Umgebung dieser Stadt an den Sonn- und Feiertagen ohnehin schon slovemsch gepredigt wird, hinsichtlich der heil. Messe nicht auch etwas ganz Gleiches nach und nach veranstalten ließe? §. (Aus der Grafschaft Görz. Ende März.) Steuerer¬ höhungen und Ersparnisse sind die Losungsworte, welche der Calamität unserer Finanzverhältnisse aufhelfen sollen. Die Erhöhung der ohnehin nicht geringen Stenern wünscht wohl Niemand, obgleich dieselbe, ungeachtet der vielen Finanzpläne, das einzige Arcanum bleiben dürfte, — doch die Mittel und Wege anzuzeigen, auf welchen Ersparnisse, mögen diese, ohne die Staatszwecke zu verletzen, noch so gering sein, erzielt werden können, ist die Pflicht jedes VaterlandSfrenndes. Geleitet von diesem Gedanken glauben wir ein Schärflein beizutra¬ gen, indem wir die Auslagen für die Kundmachung der Gesetze durch das Reichsgesetz und die Verordnungsblätter der Landesbehörden einer Besprechung unterziehen. Die Verordnung des Ministeriums des Innern und der Justiz vom 2. April 1849 hatte im Einklänge mit dem von Sr. Majestät am 2. Dezember 1848 erlassenen Regierungsantritts-Manifeste ausgesprochenen erhabenen Gedanken „einer heilbringenden Umgestaltung und Verjüngung der Gesammtmonarchie auf den Grundlagen der wahren Gleichberechti¬ gung aller Völker des Reiches und der Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetze" die Einführung eines allgemeinen Reichsgesetz- und Regie¬ rungsblattes in allen (10) landesüblichen Sprachen und des Landesgesetz- und Regierungsblattes nach gleichen Grundsätzen angeordnet. Mehrere Nachtragsgesetze haben die Gleichzeitigkeit der Herausgabe des R. G. B., die Autenticität der zehn Sprachentexte u. s. w. geändert, bis endlich mit dem kais. Patente von 1. Jänner 1860 zur „Vereinfachung der Kundmachung der Gesetze und zur Vermeidung des Kostenaufwandes für den Staatsschatz und die Gemeinden" angeordnet wurde, daß das 314 Neichsgesetzblatt nur in der deutschen Sprache zu erscheinen, die bisheri¬ gen Landesgesetzblätter aber auszuhören haben — und es den Central¬ behörden überlassen sei, zu bestimmen, welche Gesetze und Verordnungen, für welche Kronländer nnd in welchen Landessprachen „zum Zwecke einer- weiteren Verlautbarung" (!) mittelst besonderer Abdrücke auch den Gemein¬ den bekannt zu machen sind. In Folge dieses k. Patentes wurden von den Centralbehörden nur einzelne Gesetze und Verordnungen zur Verlautbarung in den Landes¬ sprachen, insbesonders aber sehr wenige in der slovenischen Sprache be¬ stimmt, und erst die neueste Zeit beurkundete diesfalls eine größere doch leider noch immer nur eine theilweise bereitwillige Fürsorge der Central¬ behörden. Der Grundsatz, daß Niemand mit der Unkcnntniß eines gehörig (d. i. für jede Nationalität verständlichen, daher in der Sprache derselben) kundgemachten Gesetzes sich entschuldigen könne und die neuerdings ver¬ heißene Gleichberechtigung aller Nationalitäten müssen uns zu den Bestim¬ mungen der obgedachten Verordnung vom 2. April 1849 zurückführen. Sollen die Prinzipien eines wahren constitutionellen Staatsrechtes und des Rechtsstaates Geltung erlangen, so muß die Kundmachung aller Gesetze in allen Landessprachen zur Wahrheit werden. Die Kundmacbung der Gesetze in allen Landessprachen insbesonders durch die Landesgesetzblätter für jedes Königreich, Herzogthum oder Ver- waltungsgebieth in besonderen Abdrücken, wie selbe bis zum I. 1860 bestand und wie auch die gegenwärtige obgleich mangelhaft gepflogen wird, ist mit überflüssigen Kosten verbunden, welche nicht nur im Interesse des Staatshaushaltes erspart werden können, sondern auch den Bezug der¬ selben für Rechtskundige und Private vertheuern und einen größer» Ab¬ satz, wodurch die Auslagen für die Drucklegung vermindert werden können, erschweren. Zur Begründung wollen wir die früher geübte Verlautba¬ rung der Landesgesetze in dem italienischen und slovenischen Texte in Betracht ziehen. Die vom bestandenen Reichsgesetz-Redactionsbureau in Wien (dessen Wiedereinsetzung wir schon wegen der Gleichartigkeit der übersetzten Ge¬ setze wünschen müssen) in den eben erwähnten Sprachen übersetzten Gesetze wurden und Mar die italienischen Uebersetzungen an die Statthallungen in Venedig, Triest, Zara und Innsbruck, die slovenischen aber an jene in Triest, Laibach, Klagenfurt und Graz versendet. Jede der ebengenannten Statthaltungen besorgte nun die Drucklegung der erhaltenen Übersetzung nut gegenüberstehendem deutschem Texte, sowohl der Reichsgesetze als der übrigen Landesgesetze, für das eigene Verwaltungsgebieth in seinem Landesgesetzblatte. Jedes Gesetz, das doch in der Uebersetzung gleichlautend war, wurde daher in der italienischen und slovenischen Sprache in vier verschiedenen Landes¬ gesetzblättern, in Druck gelegt, redigirt, corrigirt und expedirt und selbst die wenigen nach dem Patente vom 1. Jänner 1860 von den Centralbe¬ hörden zur Verlautbarung bestimmten Gesetze erscheinen in gleichartigen 315 Auflagen. Die Drucklegung und Auflage des nämlichen Gesetzes in vier italienischen und vier slovenischen Ausgaben ist mit bedeutenden Kosten, die bei einer Auflage allein erspart werden, verbunden, und daß bedeutende Summen bei einer Auflage allein in Ersparung gebracht werden können, erweiset zur Genüge die Thatsache, das jedes der erwähnten vier italieni¬ schen und vier slovenischen Landesgesetzblätter der Jahrgänge 1856, 1857, 1858 und 1859 zwischen 600 bis 800 Druckseiten enthält und die Kosten voluminöser Druckwerke schon für eine, geschweige denn vier Auflagen keinesfalls sich als unbedeutend darstellen. Da diese Landesgesetzblätter in jedem VerwaltungsgebiHhe in besonderer Auflage erscheinen, so entstehen in der Reihenfolge der Kundmachung einzelner Gesetze Verschiedenheiten und sie können demnach weder in der chronologischen Ordnung der veröffent¬ lichten Verordnungen, noch in der Stück- und Seiten Numerirung über¬ einstimmen, wodurch die Ucbersicht und Handhabung dieser Gesetze nament¬ lich für Beamte wie z. B. für die Justiz- und Landbeamten des Grazer Oberlandesgerichtssprengels, welche von Steiermark nach Krain oder Körn¬ chen und umgekehrt übersetzt werden können, sehr erschwert wird. Andern- theils ist es für Advokaten, Notare u. s. w., obgleich sie bei der ge¬ ringen Ausdehnung der von Slovenen bewohnten Landesgebiete, namentlich in den Gränzbezirken nur zu oft in die Lage kommen, die Landesgesetz¬ blätter des Nachbarlandes gebrauchen zu müssen, nicht möglich, sich die verschiedenen Auflagen der Landesgesetze zu verschaffen, da schon die An¬ schaffung einer Auflage hoch zu stehen kommt. Die Kundmachung der für alle slovenischen Ländergebiethe gleichlau¬ tenden Gesetze in einer slovenischen Auflage, der besonderen nur für das eine oder andere Gebieth aber allenfalls in besonderen von der betreffen¬ den Landesstelle herauszugebenden Auflagen wird demnach nicht nur zur Ersparung bedeutender Kosten und Arbeiten beitragen, sondern auch in manch' anderer Beziehung von Vortheil und Nutzen sein. Mögen unsere Betrachtungen zum gewünschten Zwecke beitragen und auch bei der Erwägung der Frage, ob für die slovenischen Landesgebiethe nur ein slovenisches Amtsblatt (in welchem die Verordnungen, Erlässe, Edikte u. s. w. bei wahrer Ausführung der Gleichberechtigung veröffent¬ licht werden müssen) oder für jeden Landestheil besondere Amtsblätter her¬ nuszugeben seien, berücksichtiget werden. Aeitungsrevue. (Offener Brief an Herrn Redacteur der „Zeitung Nir Kärnten") Sie haben in Nr. 32 Ihrer Zeitung für Kärnten bei Gelegenheit eines Ausfalles gegen Herrn Andreas Einspieler meine Person 316 auf eine Weise in Berührung gebracht, die ich mir um so weniger ge¬ fallen lassen kann, als Sie durchwegs Unwahrheiten als Waffen gegen mich gebrauchten. Was schwarz ist, läßt sich nicht rein waschen, dieß hätten Sie vor Allem beherzigen und über eine Geschichte schweigen sollen, hei der Sie eine so jämmerliche Rolle gespielt haben. — Ich will von Ihren Absurditäten, die in dieser sein sollenden Entgegnung vorkommen, schweigen, und finde nur zu bemerken, daß Sie Ihrem Professor der Logik das Lehrgeld zurückgehen können, — denn durch den Widerspruch, Herr Einspieler habe die vorhandene Mißstimmung ausgebeutet, deren Vorhandensein Sie gleich darauf ganz abläugnen, «haben Sie zur Genüge bewiesen, daß Sie in diesem Gegenstände nichts profitirten. Was die direkten Anwürfe wider meine Person anbelangt, so habe ich Ihnen darauf Folgendes zu erwidern. Meine Berichtigung stützte sich auf durchaus wahre Daten, die sich urkundlich nachweisen lassen, und die Wahrheit, mag sie auch noch so lütter schmecken, ist keine Gehässigkeit. — Ich muß Sie ferner fragen, wie Sie es zu erweisen im Stande sind, daß aus Ihrer Er¬ fahrung meine Artikel wegen tendenziöser Entstellungen und thatsächlicher Unrichtigkeiten eine strenge Sichtung bedürften?*) Dieser Pfeil, der mich nicht trifft, fällt auf den zurück, der eben durch ten¬ denziöse Entstellungen diesen Aufsatz veranlaßt.—Jchmuß Sie endlich fragen, wie Sie es mir beweisen können, daß meiner thatsächli- chen Berichtigung, Mäßigung und Würde fehlten; jedes Wort in selber ist sonnenklare Wahrheit, und in der Wahrheit liegt Mäßigung und Würde. In solange, als Sie über diese von Ihnen angeführten Punkte keine Beweise liefern, was Sie nun und nimmer können, muß ich diese An¬ würfe entschieden zurückweisen. Sie Wundern sich, daß ich der einzige war, der sich an Sie mit dem Ansinnen der Veröffentlichung einer Ent¬ gegnung wandte; Sie sagen, daß ich allein Ihnen zu wenig Bürge war; hätte denn die ganze Stadt Artikel schreiben sollen, oder muß hei Ihnen eine großartige Demonstration ins Leben treten, um Ihnen die Schlafhaube von den Ohren zu ziehen, die den allgemeinen Schrei der Entrüstung nicht hören wollten, oder haben Sie vor lauter Muth und Festigkeit von All' dem nichts gehört, was doch laut genug von Oben bis Unten von Mund zu Munde ging? Sie führen an, daß ich frü¬ herer Mitarbeiter Ihres Blattes war, aber Sie haben zu bemerken *) Wie Sie übrigens zu sichten Pflegen, mögen folgende, aus einem am 2u. November 1861 von Ihnen nach Völkermarkt eigenhändig geschriebenen Briefe genom¬ menen Worte beweisen: „Wenn ich Sie versichere, daß es mir sehr leid ist, daß jener Correspondenz- Artikel in der Zt. f. K. erschienen, wenn ich Ihnen sage, daß ich im Drange meiner vielen Geschäfte jenen Artikel, im Vertrauen auf den Takt meines Correspondenten, leider nicht mit der nöthigen Aufmerksamkeit vor seiner Drucklegung gelesen habe, daß ich ferner von dem Geiste, der denselben durchweht, selbst erst zu" spät unangenehm 317 vergessen, daß ich bei Ihrem unfreien Vorgehen die schriftliche Er¬ klärung abgegeben habe, daß ich an Ihrem Blatte ferner mitzuarbeiten mit meiner Ehre unvereinbar finde, das Warum ist leicht erklärlich und im Briefe angegeben; daß selbst nach dieser Erklärung noch zweimal in jüngster Zeit und zwar wenige Tage vor Erscheinen ihrer Entgeg¬ nung zu mir um Artikel für die Zeitung für Kärnten geschickt wurde, welche Anforderung ich natürlich zurückwies, und worüber ich den Zeugen¬ beweis anbiethe. Was die Nichtaufnahme eines Artikels über diese Angelegenheit von Seite der „Presse" anbelangt, so entschuldigte sich die Redaction damit, daß dieser Gegenstand, der schon in andern Zei¬ tungen besprochen war, bereits etwas veraltet sei. — Auf Druck folgt Gegendruck und so hat man jede weitere Besprechung dieser mißlichen Geschichte nur ihrer offenen Dementirung zu danken. Sie haben damit das Publikum herausgefordert, Sie haben schon früher Haß und Zwietracht zwischen friedlichen Deutschen und Slovenen anstatt zu beschwichtigen zu mehren versucht, in Ihnen dürfte nach diesen Prämissen vielleicht bald der Reaction ein herrliches Werkzeug erblühen. Wer Wind säet, wird Sturm ärnten, wer zum Journalisten nicht geboren, der lasse dieß Hand¬ werk bleiben. Ruhig mögen Deutsche und Slovenen wie bisher sich neben¬ einander brüderlich kräftigen und geistig entwickeln; — aber vor solchen Deutschen, die der Wahrheit und der öffentlichen Meinung geradezu ius Gesicht schlagen, die eine Sache heute öffentlich für schneeweiß erklären und vertheidigen und später wieder als kohlschwarz ihre Mißbilligung dar¬ über aussprechen, vor solchen Deutschen möge der Himmel das liebe deutsche Volk bewahren." Klagenfurt am 22. April 1862. I. M. Schleichert. Herr Doktor Alois Hujsa und MeWfanti II., oder: Die vakante Primararztcnstelle. Nach dem bekannten Sprichworts: „Auf einen groben Klotz gehört "n grober Keil" — könnten wir in den nachfolgenden Zeilen sehr bitter u»d derb werden. Die geehrten Leser würden die Erklärung und die Entschuldigung dafür sehr leicht in dem Vorgehen unserer Gegner finden. In der Zeit eines schönen, langen Jahres hat sich die „Zeitung sur Kärnten" noch keine honette Schreibweise angewöhnt. Was sie 318 da in ihrem letzten Artikel gegen uns vorgebracht, bezieht sich fast gar nicht auf die Sache, aber desto mehr auf die Person. Wir" pflegen in unfern Angriffen nur auf die Sache loszugehen, die Personen M dem Spiele zu lassen und sie nur insoweit zu erwähnen, als es unum¬ gänglich nothwendig und unausweichlich ist. Diese Kampfweise wünschten wir auch von den Herren Gegnern befolgt, und bitten wiederholt und schönstens darum!—Müssen wir über die Kampfweise unserer Herren Gegner klagen, so müssen wir über die vielen und großen Blößen in dem gegen uns gebrachten Artikel lachen. So z. B. werden darin — wahrscheinlich um Vertrauen und Ansehen beim Publikum zu gewinnen — Thatsachen geläugnet, von denen die Spatzen auf den Dächern zwitscherten. In dem Titel des Aufsatzes wird der Zorn und die Erbitterung des Volkes lächerlich gemacht und in Abrede gestellt. Wenige Zeilen später wird jedoch — wahrscheinlich um den gesunden Sinn und die herrliche Logik zu beweisen — wieder behauptet, wir hätten die vorhandene Mi߬ stimmung ausgebeutet. Die Citate aus der „Wiener-Presse" und aus unserm Artikel wer¬ den so angeführt, daß ganz etwas anders, ja das Gegentheil von dem zum Vorschein kommt, was die „Presse" und wir eigentlich wollten. Wahr¬ lich eine ehrenhafte Kunst das! Es wird uns Hascherei nach Volksgunst und Popularität, so wie auch Gutheißung der Ausstellung des viel besprochenen Zeugnisses — ohne allen Grund, ja gegen unsere Behauptung — in die Schuhe ge¬ schoben. Das heißt ja doch Jemanden ohne Grund Schlechtes und Un¬ ehrenhaftes andichten! Wir haben die ganz christlichen Worte „Fügung Gottes" nicht als Beweis, sondern ganz einfach angeführt. Das nimmt uns die „Zeitung für Kärnten" höchlichst übel, vergißt sich aber allsogleich, und geht uns mit zweien Geboten Gottes und mit langen katechetischen Vorlesungen zn Leibe. Wahrscheinlich nach dem einfachen Grundsätze: „Gleiches Recht für Alle"! Ganz abscheuliche, fast für unfern Kopf gefährliche Verbrechen hängt die „Zeitung für Kärnten" uns an, und zwar schon zu wiederholten Malen und immer ohne allen Grund. Das scheint somit ihre vorzüg¬ lichste, wollen nicht sagen, einzige Waffe in dem Kampfe gegen uns zn sein. Bei jeder Gelegenheit, und sei sie auch noch so vom Zaune gebro¬ chen, wird uns Mangel an Friedfertigkeit, Duldung und Nächstenliebe, hingegen Ueberfluß an Leidenschaft, Gehässigkeit und Aufhetzerei vorgewor- fen, gleichsam als wollte man sagen: „Polizei! wo steckst du denn, P«ac und kastle diesen Wühler doch ein!" Wir haben noch nie solche Hilfe angc- rufen, wir hoffen mit unfern Gegnern schon mit Anwendung ehrlicher Waffen fertig zu werden. Wir schämen uns der Spizelei und Verdächtigung. Wir wissen ferners, daß die Redaction der „Zeitung für Kärn¬ ten" die gründlichsten Studien in der Politik gemacht, und darum viel, 319 sehr viel wisse. Das schlimme Publikum will freilich in Erfahrung gebracht haben, daß der Herr Redakteur selbst sehr wenig — natürlich nur das Interessanteste und Ausgezeichnetste — schreibe, ja die abscheulichen Leute erzählen sich sogar auch das noch, daß in dringenden Fällen ganze Re- dactions-Komitäs einberufen werden. Wir glauben dergleichen verläumde- rische Gerüchte durchaus nicht; also die oft gedachte Redaction weiß viel, sehr viel, aber Alles weiß sie denn doch nicht. Dessenungeachtet will sie Wind von den innersten Regungen unseres Herzens bekommen haben, und sie — die Allwissende! ist so indiskret, selbe ihrem ganzen, doch zum Glück nicht gar so großen Lesepubliküm Preis zu geben: die „Zeitung für Kärnten„ plaudert nämlich aus, daß wir das heißeste Verlangen nach Ex¬ cesfen und Demonstrationen im Herzen getragen haben, daß aber unsere Wünsche den Thatsachen um ein Wesentliches vorausgeeilt sein dürften. Alles das wird behauptet wahrscheinlich aus lauter Demuth und Beschei¬ denheit ! Diese und noch einige andere Blößen würden uns Angriffspunkte genug darbiethen, um gegen unsere Herren Gegner recht bitter und derb werden zu können. Allein wir wollen diese Schwächen nicht ausbeuten, halten es auch mit unserem christlichen Sinne unvereinbarlich die für diese Blößen und Schwachheiten passenden Ausdrücke u n d B e n e n n u n g e n in unsere Erwiederung aufzunehmen, sondern verweisen die Her¬ ren Gegner ganz einfach auf jenen Herrn Sprachmeister, welcher so naiv und so gütig war, auf unsere Leimruthe so recht nobel aufzusitzen und in seinem „Eingesendet" seinen Sprachreichthum so bescheiden auszukra¬ men — vor uns elenden Stümpern; dieser Herr — wahrscheinlich ein zweiter Mezzofanti oder Grimm — möge den Herren Gegnern nur zwischen vier Wänden die passenden Ausdrücke und Benennungen dafür sagen, da¬ mit sich die Herren über ihre Kampfweise desto ungenirter und vollstän¬ diger ausschämen können. Damit aber dieses unser Verschweigen nicht verdreht und Schonung und Rücksicht nicht etwa als Unkenntniß der Sprache erklärt werde: so wollen wir den für den letzten Passus des gegnerischen Artikels passenden Ausdruck doch auch selbst anführen. Zu guter Letzt weisen uns nämlich die Hermen Gegner einen uns verdächtigen und iufamiren sollenden Posten au, wahrscheinlich aus lauter Wuth, uns gründlich zu ruiniren. Meine geehrten Herren! wir können Sie versichern, daß dieser Ausfall nicht uns, sondern ganz Jemanden andern getroffen habe; dieser in Gift getauchte Pfeil prallte nur auf die Schützen zurück, die ihn losgedrückt. Das ist die allergewöhnlichste Plumpeste Gemeinheit und diese kann und wird bei denkenden und fühlenden Menschen gewiß nicht verfangen. Wir, 7- von den Gegnern mit dem Titel „Demokrat reinsten Wassers" im schlechten Sinne bezeichnet, — wir glauben wirklich auf eine Gleichbe¬ rechtigung Aller vor dem Gesetze, wir sind in der That bereit, auch für den letzten in seinen Rechten gekränkten Staatsbürger nach Kräften einzu- 320 stehen, wir legen viel, sehr viel Gewicht auf die Achtung des Volles: aber wir wollen und können unsere Herren Gegner nicht zwingen, sich auch zu dieser erhabenen Idee von der Demokratie zu erschwingen, und in deren Geiste zu schreiben und zu wirken. Jedoch Eines wollen und können wir thun und zwar im Interesse der Herren Gegner selbst: Wir wollen Sie schönstens gebethen haben, alle Ausfälle gegen die von uns oben beschriebene Demokratie zu vermeiden, damit deren Freunde und Verehrer — und ihre Zahl ist groß, sehr groß, — nicht beleidigt und herausgefordert werden. Es könnte sonst geschehen, daß die Redactionsgeschäfte der „Zeitung für Kärnten" doch nicht mehr lange blühen dürften und daß das kaum ein Jahr alte Blatt an allgemeiner Schwindsucht verenden könnte. Für diesen traurigen Fall haben wir fnr den Hauptredacteur genannter Zeitung auch schon einen Posten ausfindig gemacht, und ernennen den Herrn Doktor, der die Güte hatte, uns zum Feldkaplan in der fahrenden Demokratie zu befördern, zum Pri¬ marärzte bei der zopfigen Camarilla. Andr. Einspieler. Bekanntmachung. (Petitionen der Serben und Slovaken vom Jahre 1861). Unter diesem Titel sind die vorjährigen öffentlichen Kundgebungen der serbischen und s l o v a k i s ch e n nationalen Wünsche in einem Sepa¬ ratabdrucke in Wien erschienen. Die Redaction ist in der angenehmen Lage, selbe allen ihren Abonennten als eine schätzbare Beigabe zukommen zu lassen. Dieselben dürften ihnen um so willkommener sein, wenn sie erwägen, daß dadurch Jedermann ein über die brennende Frage der Gleichbe¬ rechtigung der Nationalitäten, welche gegenwärtig alle denkenden Oesterreicher mit Recht beschäftigt, praktisch belehrender und zu den ern¬ stesten Betrachtungen anregender Behelf gebothen wird. Die geehrten Bewohner JnnerösterrreichS insbesondere mögen daraus ersehen, wie eben nur Gerechtigkeit, Achtung und Brüderlichkeit der verschiedenen, ein Land bewohnenden Nationalitäten untereinander die ruhige und glückliche Entwicklung, ja den Fortbestand der Selbstständigkeit und Integrität eines Landes bedingen. Die Lage der Magyaren in Ungarn sei eine Lehrerin, respektive Warnerin für die Deutschen nnd Italiener Jnnerösterreichs. Wir empfehlen die „Petitionen der Serben und Slova¬ ken" der fleißigen Lektüre und dem eindringlichen Studium unserer ge¬ ehrten Abonnenten. NW- Jedem Exemplare liegt als Beilage beir „Petitionen der Serben nnd Slovaken vom I. 1861." Einladung zur Pränumeration für die zweite Jahreshälfte 1862. Die „Stimmen aus Jnnerösierreich" werden in ihrem bisherigen Geiste auch in Zukunft erscheinen: Beförderung der politischen Bildung, des sozialen Fortschrittes, der kirchlichen und natio¬ nalen Gleichberechtigung bleibt wie bisher das Ziel ihrer Thätigkeit. Vorläufig erscheinen die „Stimmen" jeden 32. Tag, werden aber sogleich nach der nahe bevorstehenden Einführung des neuen PreßgesetzcS in jedem Monate dreimal und zwar immer am 10. 20. und 30. einen ganzen und einen halben Bogen stark erscheinen. Sie kosten halbjährig ohne Post 2 fl., mit Postversendnng 2 fl. SO kr. ö.W. Wir haben noch einige vollständige Exemplare vom Jahre 1861, und geben alle 24 Bogen um 1 fl. Das erste Halbjahr des I. 1862 kostet 2 fl., und ist auch noch vollständig zu haben. Um die portofreie Einsendung der neuen, wie auch der noch »as- ständigen Pränumerationsgelder wird höflichst gebeten. Die Zahl der geehrten Mitarbeiter, wie nicht minder der Herrn Abonnenten mehrt sich in erfreulicher Weise. Die Redaction.