MMS IN v I.DIIM aus ZNNersstLereich^ Beiträge zur Durchführung der Nationalen, religiösen und politischen Gleichberechtigung. Herausgeber und verantwortlicher Redacteur Andreas Einspieler. I. Heft 1'862. Das nächste Heft erscheint am 8. Februar 1862. Klagenfurt Druck von Johann Leon. / M LlüMWZ Was wir wollen. Schon in dem Programme haben wir unfern Standpunkt genau bezeichnet. Auch in deu bereits erschienenen sechs Heften haben wir eine offene und entschiedene Sprache geführt. Und dennoch herrschen über unser Streben die seltsamsten und absonderlichsten Ansichten. Darum können und dürfen wir nicht schweigen, müssen wiederholt in die weite Welt hinausposaunen, was wir wollen. In dem Programme der „Stimmen aus Jnnerösterreich" heißt es wörtlich: „Fest der Ueberzeugung lebend, daß der Welt nur in der katholischen Lehre die Wahrheit gegeben ist, und daß nur aus einer im Katholizismus wurzelnden Wissenschaft die Neugestaltung der Welt, die Lösung der socialen Fragen, die wahre Freiheit und somit die Rettung der Gesellschaft hervorgehen kann: ferners fest überzeugt, daß die katholische Kirche diese großen und herrlichen Thaten nur dann hervorzubringen im Stande ist, wenn sie sich im ungestörten Besitze der vollen Freiheit befin¬ det, werden die „Stimmen" die freie Kirche im freien Staate befür¬ worten." Das ist doch eine klare und offene Sprache, aus der Jeder¬ mann in die Augen springt, daß die freie Kirche — als Rettungsanker in dieser schweren Noch — unser Ideal sei. Und wer unsere ersten sechs Hefte nur mit etwas Aufmerksamkeit durchgelesen, wird schnell und leicht bemerkt haben, daß die freie Kirche das Centrum sei, um welches sich unsere Artikel drehen. Wer aber den Zweck will, muß auch die Mittel wollen. Das aus- gibigste, ja das einzige Mittel, die Freiheit der Kirche zu retten, ist die Bekämpfung und Ueberwindung ihrer Feinde. Und sie zählt deren viele, mächtige und verwegene! Sie — die Quelle aller Bildung und Wissen¬ schaft — beschuldigen ihre Feinde der Unwissenheit und Verdummung; sie — die Beschützerin der Freiheit und des Fortschrittes — zeihen ihre Feinde der Reaction und der Knechtung; sie — die Mutter der Liebe und Dul¬ dung — schmähen ihre Feinde der Härte und Jntolleranz. Die katholische Kirche ist die Zielscheibe des Spottes und Hohnes, der Lüge und Ver¬ leumdung, geweiht dem Untergange und Verderben. Wäre es nicht Feig¬ heit und Verrath, wäre es nicht Sünde und Verbrechen, dem Gebühren dieser Menschen ruhig und ergeben, höchstens vielleicht jammernd und kopf- 1 2 schüttelnd zuzusehen, und sie ungehindert schalten und walten zu lassen? Die ersten Größen und Säulen der katholischen Kirche, vom todesmuthigen, siebenmal verbannten Bischof Athanasius angefangen bis herab zum letzten auf die Festung Minden abgeführten greisen Bischof Klemens August haben es wenigstens nicht so gethan, und haben die gefesselte Kirche nicht feige dem mächtigen Gegner überliefert. Gewiß hat auch ihr Benehmen Aufsehen, Aufregung und Mißfallen erregt; aber diese erleuchteten Helden wußten, daß es nach den Worten der heiligen Schrift einen falschen, fau¬ len Frieden und auch solche Fälle gibt, wo man Gott mehr gehorchen muß, als den Menschen. Und das gilt für jeden Menschen, jeden Katho¬ liken; jeder hat nicht blos das Recht, sondern auch die Pflicht, für seine heilige, katholische Kirche mit den gesetzlich erlaubten Mitteln so viel zu thun, als er nur immer kann. Darum, die Freiheit der Kirche ist unsere Losung, unser Ideal,—- darum muthig und entschieden gegen ihre Feinde! Zu diesen zählen wir vor allen die Bureaukraten. Diesen Feind der Kirche hat ein Witzbold vor einigen Jahren folgendermaßen geschildert: „Feindlich der Kirche gegenüber steht der Papierriese. Sein Kopf ist ein Tintenfaß, seine Haare sind Schreibfedern, seine Hände und Füße Papier¬ rollen, sein Leib eine Masse von Aktenbänden, seine Nerven Kanzleispagat,, seine Ohren sind Mißtrauen, seine Augen sind voll Streusand, seine Nah¬ rung sind Berichte, seine Lebenslust die Gunst der Machthaber, seine Gewalt sind Dekrete." So war die Kirche gebunden mit Papierketten, und festgehalten in dem Netz wunderlich zusammengeknüpfter Rubriken. Der Geist der Kirche ist das lebendige Wort, der Geist der Bureaukratie' ist der Buchstabe und Paragraph; — der Geist der Kirche ist Achtung und freie Bewegung der Einzelnperson, der Geist der Bureaukratie ist widernatürlicher Zwang und herzloser Despotismus;—der Geist der Kirche ist organische Vereinigung zu sittlich erlaubten Zwecken und zur allseitigen Vervollkommnung, der Geist der Bureaukratie ist Absonderung und Tren¬ nung, süße Ruhe, Erstarrung und Tod. Freie Kirche und Bureaukratie — weltliche und geistliche — sind sich diametral entgegengesetzt, darum unser Kampf gegen letztere, um erstere vollständig zu erobern. Ein zweiter Feind der Kirche sind die Liberalen. Es hat sich in Deutschland und leider auch in Oesterreich eine Klasse von Menschen zusammengebildet, die sich einzig und allein für liberal oder freisinnig Hal- ' ten, aber eine Freiheit predigen, die eine wahre Sklaverei wäre für die katholische Kirche und die nichtdeutschen Nationalitäten. Den Protestanten, Juden und Heiden gönnen sie die vollste Freiheit, der katholischen Kirche aber kaum einen Athemzug, kaum einen freien Tritt. Ebenso absonderliche Ansichten haben diese Liberalen bezüglich der Nationalität. Alle Völker sollten mit Aufgebung ihrer Nationalität in eine Union zusammenschmelzen, wie Metalle im Schmelztiegel, oder in einen Staatenverband zusammen¬ gekoppelt werden, in welchem eine Nation, sitzend auf dem Nacken aller andern, den Tirannen zu spielen berufen ist. Die freie Kirche will keine Vorrechte irgend einer Religion oder irgend einer Nationalität, sie gönnt 3 jeder die vollste Freiheit und vollkommene Gleichberechtigung; die freie Kirche schützt alle Völker als bestehend von Gottes Gnaden, achtet und befördert jede Nationalität und Sprache; darum kämpfen wir im Geiste der freien Kirche gegen den die Kirche knechten und die Nationalität ver¬ wischen wollenden, modernen Liberalismus. Ein dritter Feind der freien Kirche sind die Freimaurer. Diesen Leuten ist jede Religion Betrug, die Fürsten sind Usurpatoren, jeder Haus¬ vater aber ist souverän; darum geht ihr Streben dahin, die Altäre und Throne zu stürzen, die jetzige Gesellschaft in ein patriarchalisches Leben aufzulösen, jeden Standes- und Vermögensunterschied aufzuhebeu, die Uebel der Welt zu beseitigen und so diese Erde in ein Paradies zu verwandeln. Ganz im Widerspruche mit den Behauptungen dieser modernen Heilande lehrt die katholische Kirche, daß der Unterschied der Stände ein gottgewollter sei, daß die Obrigkeiten durch Gottes Anordnung bestehen, und eine Empö¬ rung gegen sie eine Verletzung der sittlichen Weltordnung sei;—sie lehrt ferners, daß der Unterschied zwischen Arm und Reich in der Geschichte eines gefallenen Geschlechtes unvermeidlich vorkommt, daß aber die christ¬ liche Liebe eine freiwillige und theilweise Ausgleichung bewirken soll;—sie lehrt endlich, daß Kreuz und Leiden, Noch und Tod Folgen der Sünde seien, und so lange nicht aufhören, als diese im Geschlechte besteht, daß die treuen Diener Gottes erst jenseits ein ungetrübtes Glück und ewige Freude erwarte. Aus diesem prinzipiellen Widerspruche zwischen Kirche und Freimaurerei ist der glühende Haß erklärlich, welchen diese gesammte Sippschaft gegen die katholische Kirche hegt, in Folge dessen sie jedes Entgegentreten oder Hindern in der Ausführung ihrer schwarzen Pläne als Aufreizung, Hetzerei und Wühlerei zu verdächtigen weiß, sie selbst aber ohne Unterlaß auf geheimen und öffentlichen Wegen am Untergange der Gesellschaft, an der Vernichtung der Kirche arbeitet. Darum sind wir entschiedene und geschworne Feinde dieser Leute. Noch ein Feind der freien Kirche sind endlich die Reaktionären. Es gibt Leute, die sich mit dem neuen Zeitgeiste, Mit den Ideen der Frei¬ heit durchaus nicht befreunden können und mit sehnsüchtigen Augen zurück¬ sehen nach den Fleischtöpfen Egyptens. Das ist Folge von Selbstsucht und Herrschsucht oder Verzagtheit und Schwarzseherei, nicht aber ein Aus¬ fluß wahrer und echter katholischer Ueberzeugung. Die katholische Kirche hat nicht nur das Evangelium der Gnade, sondern auch das Evangelium des Rechtes zu verkündigen, und so das Evangelium des wahren Frie¬ dens der Welt zu bringen. So aus Grundlage der Religion und des ewigen, katholischen Rechtes wird jene heilige Politik zu Stande gebracht, an welche als unausbleibliche Folge eine große Versöhnung zwischen Welt und Christenthum geknüpft ist. ' Die katholische Kirche muß die Wahrheit ihrer Religion auch durch die Wahrheit ihrer Politik, durch ihre Theorie von Recht und Freiheit der Welt zu offenbaren bestrebt sein. Die heilige, katholische Politik kann mißverstanden und mißbraucht, durch Mißverstand und Mißbrauch aber angefochten und angefeindet wer- 4 den; sie ist aber nichts destoweniger die ewig wahre und rechte, und wie die rechte und wahre, so die allzeit siegreiche. Ob die Welt im Augen¬ blicke Gebrauch von dem Rechtskodex der Kirche mache oder nicht, darauf kommt es nicht an; sie wird aber, davon Gebrauch machen müssen, sobald sie die innere Wahrheit, die gesunden Prinzipien der Freiheit und des Fortschrittes desselben eingesehen und damit zugleich begriffen haben wird, was Gerechtigkeit, Freiheit, Fürsten-, Völker- und Familienwohl auf der Grundlage der katholischen Religion sind. Gerade jetzt soll ein neues politisches uud sociales Gebäude in Oester¬ reich aufgeführt werden auf Grundlage des zwar entschiedenen, doch gesun¬ den Fortschrittes. Wir wiederholen darum unsere schon im ersten Hefte der „Stimmen" ausgesprochene Ansicht: „Möchte sich innerhalb der katholischen Kirche eine intelligente, liberale Partei bilden, die durch ihr moralisches Gewicht alle politischen Verkehrtheiten hindert. Wir sagen innerhalb der Kirche mit voller, freudiger, begeisterter, opferbereiter Hingabe an die Kirche, wir sagen innerhalb der Kirche, nicht so seitwärts schielend nach Deutschkatholizismus und Protestantismus." Die Reaktionären bringen nun mit ihren veralteten und zopfigen Ansichten und Bestrebungen die katholische Kirche in unverdienten Verdacht und Mi߬ kredit, lähmen und verderben ihre Kraft und Wirksamkeit, und sind so vielleicht unbewußt ihre Feinde; darum bekämpfen wir die Reaktionären. Wir bekämpfen also die verrottete Bureaukratie, den gleißnerischen Liberalismus, die gottlose Freimauerei und die kirchlichthuende Reaktion; das thun wir auf den gesetzlichen Wegen und mit den erlaubten Mitteln der freien Presse, und wollen so die Freiheit der katholischen Kirche. Bei so vielen und mächtigen Gegnern ist unsere Aufgabe eine große, der Weg, den wir wandeln, ein dornenvoller. Aber wir wollen dieser Aufgabe unsere ganze Kraft und Ausdauer widmen, und glauben der Unterstützung aller guten Katholiken gewiß zu sein. Sollte aber unsere edle Absicht mißlingen, und sollte uns die Last erdrücken, so wird jedenfalls nur unsere Person fallen, stehen, siegen und triumphiren wird jedoch unsere Sache, die freie katholische Kirche: „Der Miethling sieht den Wolf kommen, ver¬ läßt die Schafe und flieht: und der Wolf raubt und zerstreut die Schafe, — der gute Hirt gibt sein Leben für seine Schafe." 5 Synvdsn, Konferenzen, Vereine*). Von G. Sch. I. Eine Stelle in dem Hirtenbriefe, den die hochwürdigsten Erzbischöfe und Bischöfe Oesterreichs an die Gläubigen ihrer Diözesen erlassen, gibt uns Veranlassung, noch einmal von einem schon so oft und vielseitig besprochenen, aber noch keineswegs erschöpften, allgemein ersehnten, aber noch immer nicht gewährten, nun jedoch, wenn wir uns nicht täuschen, in nahe Aussicht gestellten Gegenstände unserer heißesten Wünsche, nämlich von den Diözesan-Synoden zu reden**). Die oben angezogene Stelle versichert nämlich, daß, was von den hochwürdigsten Bischöfen beschlossen worden, sobald es zur Reife gediehen sein wird, von ihnen in den ein¬ zelnen Diözesen „auf dem kirchlich vorgezeichneten Wege in's Leben einge¬ führt werden soll", und da wir unter dem kirchlich vorgezeichneten Wege unmöglich den bisher eingeschlagenen der allerhöchsten Entschließungen, der Ministerial-Erlässe oder Gubernial-Verordmmgen, welchen Wohl die meisten unserer Oberhirten gewiß selbst nur mit Widerwillen und nothgedrungen betreten haben, verstehen können, sondern überzeugt sind, daß dieser kirchlich vorgezeichnete Weg kein anderer sei, als der bisher gänzlich vernachlässigte, beinahe ungangbar gewordene, und selbst heute noch von Manchem sür gefährlich erachtete der Synoden, Kapitel u. dgl.; so glauben wir wohl zur schönen Hoffnung berechtigt zu sein, daß nun auch bei uns dieser anmuthige Weg, auf welchem Bischof und Priesterschaft in schöner Ein¬ tracht und heiliger Liebe über die Mittel, den Glauben und die heilige Zucht in den Herzen neu zu pflanzen und fruchtbar zu machen, zu Rathe gehen, ehestens werde betreten werden, und wir sind überzeugt, daß dieses nicht ohne großen Vortheil für die Kirche, und gewiß zum Heile der Seelen geschehen werde. Es braucht wahrlich nicht viele Worte, um den großen und uner¬ meßlichen Vortheil dieser weisen Einrichtung der Kirche in Bezug auf Glauben und Sitte Allen zur Erkenntniß zu bringen; denn die gelehrtesten und heiligsten Männer der Kirche, Bischöfe, Concilien und Päpste haben sich im Preise derselben erschöpft, und ihre Wichtigkeit und Nothwendigkeit *) Diese von einem der eifrigsten nnd würdigsten Gurker-Diözesanpricster in den „Kath. Blättern aus Tirol" im I. 1849 veröffentlichten Artikel haben auch noch jetzt ihre vollste Geltung, und werden von uns deswegen abgedruckt, um zu beweisen, daß unsere Ansichten und Wünsche nicht ganz so vereinzelt und radikal sind. Die Redaction. **) Wie sich von dieser schönen Hoffnung in zwölf Jahren auch nicht Ein Buch¬ stabe erfüllt hat, ist bekannt. Die Redaction. 6 erkannt, und die strenge Zucht früherer Zeiten, und das innige Band des Gehorsams, der Ehrfurcht und der Liebe, das damals den Bischof mit der Priesterschaft und diese mit dem Volke verband, gibt ebenso als die Auflösung oder wenigstens Lockerung aller dieser Bande, und die Zucht¬ losigkeit unserer Tage ein nur zu lautes Zeugniß für die Wichtigkeit der Synoden und den großen Einfluß, den sowohl die fleißige Abhaltung, als auch die Unterlassung derselben auf den Klerus nicht nur, sondern auch auf das Volk übt. Mit Recht nennen die Väter des im Jahre 1549 zu Köln gefeierten Provinzialconcils die Synoden die Nerven des Leibes der Kirche, dessen Einrichtung durch die Vernachlässigung der Synoden ebenso zerfällt, wie wenn in dem menschlichen Leibe die Nerven aufgelöst werden; und nur zu wahr ist, was — wie in dem Meisterwerke Benedikts XIV. cis 8^noäc> cliosossann 1. Buch 2. Kap. zu lesen ist — Otto II. Bischof von Vercelli sagt: „Nichts verscheucht mehr die Zucht und Sitte aus der Kirche Christi, als die Nachlässigkeit der Priester, welche — es versäu¬ men, Synoden zu halten." Unsere Zeit mit ihrer tiefgesunkenen Zucht, mit ihrer Geringachtung aller kirchlichen Autorität, mit ihren straflosen Uebertretungen und Verhöhnungen der wichtigsten und heiligsten Kirchen¬ gebote, mit ihrem hie und da gänzlich erstorbenen kirchlichen Bewußtsein, welches ortweise so tief gesunken ist, daß nicht nur Viele aus dem katho¬ lischen Volke wie über eine unerhörte Anmaßung empört sind, wenn irgend ein glaubenseifriger Bischof sich genöthigt sieht, von seiner apostolischen Gewalt Gebrauch zu machen, sondern daß selbst manche unter den Vor¬ stehern, Leitern und Hirten der Kirche sich dieser Gewalt wenig bewußt zu sein scheinen, die wie ein wurmstichiger und morsch gewordener Szepter in der alten Rumpelkammer des Mittelalters liegt; die Zügellosigkeit und der Hochmuth, mit welchem selbst einfältige Landgemeinden sich gekränkt und beleidigt fühlen, wenn ein Seelsorger zur Herstellung der gänzlich gesunkenen Zucht nicht etwa zu kirchlichen Strafen schreitet, sondern nur eine ernste Rüge, eine strenge Zurechtweisung für nöthig hält: dieses und noch viel anderes, das wir in unserer Zeit erleben müssen, ist ein leben¬ diger Beleg für die Wahrheit der oben angezogenen bischöflichen Worte; und — um nur noch Eins zu bemerken — wir würden gewiß keinen so großen Abfall katholischer Priester zur rongischen Erbärmlichkeit, oder katholischer Laien zum Lutherthume, wir würden alle jene unkirchlichen Bewegungen und demokratischen Gelüste auf kirchlichem Boden nicht erlebt haben, die sich zum großen Schmerz jedes wahren Katholiken in jüngster Zeit in mehrer» Ländern Deutschlands gezeigt haben, wenn die Synoden nicht so lange Zeit und so gänzlich vernachlässigt worden wären; denn „in den Synoden", sagt das oben angeführte Kölner Concil, „wird die Einheit hergestellt, und der ganze Leib in seiner Vollständigkeit zu erhalten gesucht; — da wird von dem Haupte, von den Gliedern, von dem Glauben, von der Frömmigkeit, von der Religion und dem Gottes¬ dienste, von den Sitten, von der Zucht, von dem Gehorsam, von den Gerichten und von allen Dingen, welche zu einem guten und christlichen 7 Leben dienlich oder nothwendig sind, gehandelt und das Nöthige festgesetzt, so daß mit voller Wahrheit in der Reformationssormel gesagt wird: „Das Heil der Kirche, der Schrecken ihrer Feinde und die Stütze des katholischen Glaubens sind die Synoden, die wir mit allem Rechte auch die Nerven des kirchlichen Leibes nennen möchten." Wenn wir nur einen flüchtigen Blick auf all' dasjenige werfen, was in solchen Synoden zur Verhandlung kommen soll, so kann uns der große Nutzen derselben nicht mehr zweifelhaft sein. „Da sollen — nach der Vor¬ schrift des Basler Concils 15. Sitzung — die Seelsorger zur fleißigen Seelsorge ermahnt, das Leben und die Sitten vom Bischöfe genau geprüft, diesfällige Exzesse verbessert, und die Mißbräuche, die unter dem Klerus eingerissen, aufgehoben werden; gegen Irrlehren u. s. w. soll streng ver¬ fahren, und Diözesanvisitatoren sollen ernannt werden, welche das Jahr hindurch die Diözese bereisend untersuchen, ob die Synodalbeschlüsse überall beobachtet werden; dasjenige aber, was nicht verbessert worden, sollen sie vor die nächste Synode bringen und sorgen, daß die Fehlenden die schul¬ dige Strafe erleiden." Die Synode soll nach der Angabe des heil. Karl von Borromeo gleichsam eine allgemeine Visitation sein; darin soll der Bischof seinen ganzen Klerus um sich versammeln, mit väterlicher Liebe umfangen und liebreich belehren; was zur Leitung der ganzen Diözese Noch thut, soll daselbst berathen, beschlossen und festgesetzt werden; die Fehlenden sollen von dem Bischöfe ermahnt und zurückgewiesen werden, daß sie ihre Verirrungen erkennen, ihr Leben bessern und gerettet werden. Solches und noch Größeres liegt in der Wirksamkeit der Synoden, wenn sie fleißig im Sinne der Kirche gehalten und weise geleitet werden. Solches konnten sie leisten, und werden es wieder, wenn wir so glücklich sind, unsere Hoffnungen erfüllt zu sehen. Kein Wunder also, daß so viele Concilien dieselben dringendst empfahlen, und selbst allgemeine Kirchcnver- sammlungen, wie jene von Basel und zuletzt die heilige ökumenische Synode von Trient in der fleißigen Abhaltung der Diözesansynoden einen vorzüg¬ lichen Hebel der Kirchenzucht und der Ordnung sahen; kein Wunder, daß es große und heilige Kirchenhirten gab, denen nichts so sehr am Herzen lag, als die oftmalige Feier solcher Synoden, und die jene Tage, an welchen sie sich so in der Mitte ihres Klerus befanden, zu den glücklichsten ihres Lebens zählten. Nach dem Berichte Benedikts XIV. in seinem Werke über die Diözesansynode versicherte der berühmte Bischof von Verona, Augustin Valerius, seinem Klerus, daß ihm kein Tag freudiger zu sein pflege, als der Tag der Synode, und keiner, an welchem sein Geist unter den größten Beschwerden, welche die Sorge eines solchen Amtes mit sich bringt, mehr getröstet und aufgerichtet werde; „denn an diesem Tage", schreibt er, „glaube ich — in euch — meine Augen, meine Ohren, meine Hände, meine Füße zu sehen. — Durch eure Mühe, euer Wachen, eure Wege, Arbeiten und auch Gefahren nehmet ihr einen Theil der Sorge von mir und erleichtert sie." Das ist wahrhaft die Sprache eines apost. Bischofs, nicht nur ehrenvoll für den Mann, der sie gesprochen, 8 sondern auch ermunternd und begeisternd für den Klerus, der seine Mühe so erkannt und belohnt sieht, und sich in allen seinen Arbeiten und Sorgen als das Organ seines Vaters und Bischofs weiß! Und wahrlich nichts Geringeres ist es, was wir und mit uns Viele auch für unsere Zeit sowohl in Bezug auf die Wiederherstellung der hie und da gesunkenen Kirchenzucht, als auch in Bezug auf die Befestigung des Glaubens, sowie nicht minder für die Erneuerung des vielfach gelocker¬ ten und zerrissenen innigen Bandes zwischen Bischof und Priesterschaft einer-, und zwischen den Seelsorgern und der gläubigen Herde anderseits von den Synoden erwarten. Denn wann waren dieselben ein nothwendi- geres und passenderes Mittel der Einigkeit zwischen den Häuptern der einzelnen Diözesen und ihren Gliedern gewesen, um das hie und da so schwach gewordene Vertrauen zwischen ihnen zu befestigen, als jetzt? wo die Feinde aller bürgerlichen und kirchlichen Ordnung nicht nur die Ge¬ meinden gegen ihre Seelsorger mißtrauisch zu machen, sondern auch zwi¬ schen Bischof und Klerus Zwietracht zu säen suchen, indem sie jenen nicht selten als einen Tirannen seiner Geistlichkeit darstellen, diesen aber bei der geringsten kirchlichen Regung und bei jedem leise ausgesprochenen und noch so bescheidenen Wunsche einer Reform wühlerischer Umtriebe beschul¬ digen, und so zwischen denen, welche wie die Saiten einer Zither zusam¬ menstimmen und einen schönen Accord geben sollen, vielmehr den häßlichen Mißklang des Argwohnes, des Verdachtes und des Mißtrauens hervorzu¬ bringen sich bestreben, was ihnen leider nicht allenthalben und nicht gänz¬ lich mißlungen zu sein scheint, da die von manchen Oberhirten geäußerten Besorgnisse und die Scheue vor jeder Art von Vereinen unter dem Klerus nur zu deutlich erkennen lassen, daß jene Verdächtigungen wühlerischer Tendenzen an einigen unserer Väter nicht ganz spurlos vorüber gegangen seien. Wir aber, die wir den Klerus und seine Gesinnungen zum Theil aus eigener Beobachtung und Erfahrung, zum Theil vom Hörensagen und aus den Berichten der Zeitblätter kennen, hoffen von den Synoden ganz andere Früchte, und sind überzeugt, daß sich ein Klerus, der sich in der heißesten Prüfung der jüngsten Zeit so treu und echt bewährt hat, sobald ihm Gelegenheit geboten wird, glänzend rechtfertigen und der Welt den Beweis liefern wird, daß er ungeachtet der unkirchlichen Grundsätze, die ihm studienplanmäßig eingeimvft werden sollten, dennoch vom echt kirchlichen Geiste erfüllt, und besser geworden ist, als man ihn haben wollte. Wir wollen nicht in Abrede stellen, daß es unter uns auch Einige gebe, welche die weise Einrichtung der Synoden nur darum Hervorrufen möchten, um durch dieselben schlechte Zwecke zu erreichen; es ist ja kein Stand so heilig und so rein, daß sich nicht auch schlechte in demselben fänden; aber wir wissen, daß diese vor der großen Mehrzahl der Gutge¬ sinnten werden verstummen müssen, und daß gerade die Synoden das geeignete Mittel seien, sie zum Schweigen und zur bessern Gesinnung zu bringen. Wir erwarten mit Sehnsucht die nun schon ausgeschriebene Synode von Regensburg*); denn dort soll es sich zuerst zeigen, ob jene Verdächtigungen einen Grund haben oder nicht; jene Synode, so hoffen wir zuversichtlich, wird Wohl zuerst den Beweis liefern, daß die Besorgniß eines sehr würdigen Oberhirten, „daß, wo noch ein ähnlicher Versuch gemacht geworden, solcher unglücklich ausgefallen sei", auf einer irrigen Voraussetzung beruhe, weil unseres Wissens noch kein solcher Versuch gemacht worden ist; denn die Privatzusammenkünfte, welche vielleicht an manchen Orten in guter oder schlechter Absicht veranstaltet worden sind, können nicht maßgebend sein und haben auch keinen kirchlichen Charakter, da sie weder von den Bischöfen ausgegangen, noch von ihnen, oder unter ihrer Autorität geleitet worden sind. Möchte also auch bei uns in Oesterreich mit den Synoden nicht länger mehr gezögert werden! Ihre Früchte werden groß sein; denn der Uebelstände, Mißbräuche und Auswüchse, die nur durch sie dauernd und mit geringeren Widerstande entfernt werden können, gibt es eine Menge, und des Guten, das neu zu pflanzen oder auszurichten, oder von dem Staub und Schutt der letzten kirchenfeindlichen Dezennien zu reinigen ist, ist eine noch größere Fülle vorhanden. Nicht blos unruhige und wühlerische Köpfe, wie dieses leider die vorgefaßte Meinung bei Manchen ist, sondern gerade die Bestgesinnten, die der Kirche und ihrem Bischof am meisten Anhänglichen, die durch Wissenschaft und Frömmigkeit Ausgezeichnetsten unter dem Klerus sind es, die sich am meisten nach dieser von den besten kirchlichen Autoritäten empfohlenen, und von dem heiligen Kirchenrathe von Trient vorgeschriebenen Einrichtung sehnen; und wir glauben, es sei ein gutes Zeichen, daß sich so Viele darnach sehnen, und — was wohl nicht übersehen werden wolle — nicht, wie es den Wühlern eigen ist, sie ertrotzen, sondern bescheiden erbitten, und dann geduldig erwarten! Endlich müssen wir auch noch die Besorgnisse derjenigen für unge¬ gründet erklären, die da fürchten und glauben, der niedere Klerus habe nur die Absicht, mittelst der Synoden den höhern zu reformiren. Diese irrige Meinung wurde durch etliche unberufene Schreier, deren es wohl überall und in allen Ständen einige gibt, veranlaßt, welche, als das Wort „Freiheit!" zum Losungswort des Tages wurde, auch auf kirchlichem Boden, sowie viele Andere auf politischem, die Freiheit mit Uugebundeuheit verwechselten, jede Schranke der Ehrfurcht und des kirchlichen Gehorsams für niedergerissen erachteten, und sich durch maßlose Forderungen, und durch ganz eigenthümliche Reformgelüste bemerkbar machten. Aber daß die Bestrebungen dieser, die übrigens höchstens hie und da, und in der allergeringsten Anzahl vorhanden sind, keineswegs zu fürchten seien, dafür bürgt der schwache Anklang, den sie seither, und selbst in der aufgeregtesten Zeit, und zwar in Diözesen, wo die eigenthümlichen und wenig erfreulichen *) Es ist bekannt, auf wessen Drängen das Zustandekommen dieser bereits aus¬ geschriebenen Synode vereitelt wurde. D- Red. 10 Verhältnisse ihnen günstig zu sein schienen, und wo höhererseits unwill¬ kürlich und indirekt ihren Absichten in die Hände gearbeitet wurde, allent¬ halben fanden, indem die Priesterschaft überall bis zum geringsten Aus¬ hilfspriester herab eine würdige Haltung bewahrte, noch immer bewahrt und fortwährend bewahren wird. Doch auch darum sind jene Besorgnisse grundlos, weil, wie Jeder weiß, nach den Bestimmungen der Kirche in den Synoden der Klerus nur eine berathende, und der Bischof allein eine entscheidende Stimme hat, daß also ohne Einwilligung des BischofeS kein Beschluß gefaßt werden, und ein solcher, wenn auch einer gefaßt würde, nicht die geringste gesetzliche Kraft in der Diözese erlangen könnte. Möchte daher jede Sorge und jeder Argwohn verschwinden, und überall das Ver¬ trauen und das herzliche Verhältniß der Liebe eines Vaters zu seinen Kindern wiederkehren, wo solches durch die Einflüsterungen kirchenfeindlicher Menschen vielleicht nicht vorhanden ist, dann wird es einen schönen Klang geben; denn alle Saiten der Zither werden zu einem schönen Accord zusammenstimmen, an welchem uns nicht nur Christus — wie Ignatius aä Lxkss. lehrt — als die Seinen erkennen, sondern der mit seinem kräf¬ tigen und lieblichen Wohllaut durch die Stürme der Zeiten dringen, und sie besänftigen und beschwichtigen wird. Wir können nicht glauben, daß, was durch so viele Jahrhunderte von den weisesten uud heiligsten Kirchenfürsten als das wirksamste Mittel, Zucht, Sitte und Glauben zu erhalten oder herzustellen, erkannt, gepriesen, und mit glänzendem Erfolge ist angewendet worden, nur wo ein einiges und kräftiges Einwirken auf die träge, gleichgiltige, von einem hochmüthi- gen, glaubens- und liebeleeren Zeitgeiste durchdrungene und verführte Masse von Seite der Kirche so Noth thut, gleichgiltig sein nnd erfolglos bleiben sollte. Wir glauben vielmehr, daß die Synoden auch heutzutage, wo sie, Gott sei Dank! wieder möglich geworden sind, und jetzt noch mehr als sonst, das nächste, kräftigste, ja das einzige Mittel sind, zuerst das fast taub gewordene Salz der Erde aufzufrischen, und dann durch dasselbe dem abgeschmackten, jämmerlich leeren, faden und würzlosen Treiben der Welt wieder die rechte Würze des Christenthums, und den schon inFäul- niß übergehenden Zuständen der Menschheit wieder frisches Leben zu geben. Wir glauben, daß in den Umwälzungen der jüngsten Zeit und in den durch dieselbe zu Tage geförderten schlechten Elementen, sowie in der eben dadurch wiedergegebenen Möglichkeit der Synoden ein Fingerzeig der Vorsehung nicht zu verkennen sei, und daß aus den Stürmen, welche die Kirche umbrausen, die Stimme Gottes zu uns rede, deren Nichtachtung sich durch noch größer» Verfall und durch noch größeres Elend strafen würde. Wir glauben, daß Europa von der schrecklich hercinbrechendcn Barbarei nur durch die Kirche gerettet werden könne, daß aber die Kirche, um diesen Feind zu bestehen, nicht nur frei, sondern kräftig und gewasfnet in geordneter Schlachtreihe dastehen müsse, was ohne aus dem hier bespro¬ chenen „kirchlich vorgezeichneten Wege" wohl kaum erreicht werden wird. Darum halten wir, und mit uns Alle, welche die Zeit, ihre Krankheit 11 und ihre Heilmittel beobachtet und kennen gelernt haben, die Synoden für so wichtig, und können nichts mehr wünschen, als daß sie allenthalben sobald als möglich und im rechten Geiste und nach den Vorschriften der Kirche mögen eingeführt und gefeiert werden. Unter denjenigen, welche über unsere kirchlichen Zustände und über ihre Ursachen und Folgen, so wie über die Mittel, dieselben zu verbessern je ernstlich nachgedacht haben, wird es, wenn wir die starren Anhänger der weltlichen Bevormundung und absoluten Regierung mittelst „hoher und höchster Entschließungen und Verordnungen", unv die bei aller Liebe zur Kirche dennoch so Zaghaften, Engbrüstigen und Furchtsamen ausnehmen, wohl Wenige oder Keinen geben, der über die unumgängliche Nothwendig- keit der Synoden, als über ein dringendes Bedürfnis der Zeit nicht mit sich selber eins geworden wäre, und daher nicht sehnlich wünschte, daß es Gott gefallen möge, dieselben zum Heile der Kirche und zur Rettung dessen, was noch gerettet werden kann aus dem Strudel des Verderbens, ehestens möglich zu machen. Aber damit diese Synoden, auf welche wir jetzt eine so große Hoffnung setzen, nicht einem unfruchtbaren Acker gleich seien, dessen Erdreich zwar gut ist, der aber aus Mangel an gehöriger Vorarbeit und nachträglicher Pflege des in ein wüstes Brachfeld ausgestreuten Samens keine sonderlichen Früchte bringt; so sieht jeder ein, daß auch sie einer fleißigen Vorbereitung, und dann einer eifrigen Pflege dessen bedürfen, was in denselben als Same ausgestreut, gepflanzt und verordnet worden ist; und da wir überzeugt sind, daß die Konferenzen dazu das taug¬ lichste und auch natürlichste Mittel sind, so können wir nicht umhin, auch hierüber unsere Ansichten und Wünsche auszusprechen. Konferenzen, gemeinschaftliche Berathungen der Geistlichkeit über Gegenstände des Glaubens und der Sitten sind, unseres Erachtens, keine Neuerung im kirchlichen Leben, sondern in der alten Disziplin der Kirche begründet, und wohl so alt, als die Synoden selber; auch sind sie aus dem nämlichen Prinzips, nämlich aus dem Geiste der Liebe und der Ein¬ tracht, der damals so lebendig war, entsprungen, wie die Synoden, und von dem Geiste der Demuth, der sich selbst für unzulänglich hält, in wich¬ tigen Dingen ohne den Rath Anderer zu entscheiden, gestützt und getragen worden. Was sind jene schönen und liebevollen Versammlungen, derer schon in den Briefen der apostolischen Väter Erwähnung geschieht, und in denen sich diese h. Männer so gerne von ihrem Priesterthume umgeben sahen, welches sie wie Väter liebten, belehrten und führten, oder jene Zu¬ sammenkünfte, aus welche in den Briefen des h. Bischofs Zyprian so oft hingewicsen wird, und auf welche er, wenn sie durch Verfolgung oder andere Unfälle verhindert waren, die Entscheidung wichtiger Fragen ver¬ legt, oder jene Versammlungen der Priester allein, aus denen so erhebende Sendschreiben an die h. Bekenner und an andere Brüder hervorgegangen sind, was sind sie anders, als eine Art geistlicher Konferenzen, denen 12 hierzu nichts als der Name fehlte? Als die Kirche, von den Verfolgungen befreit, sich ungehindert ausbreiten konnte, und allenthalben auch außer dem Sitze des Mschofes Kirchen entstanden, in denen Priester die hh. Ge¬ heimnisse feierten, nnd das ewige Heil der Gläubigen besorgten; als vor¬ züglich im Mittelalter viele Priester durch das Beispiel unll die Vortheile des Klosterlebens angeregt, sich zu einem gemeinschaftlichen -eben vereinig¬ ten, da finden wir die geistlichen Konferenzen als sogenannte Kapitel wie¬ der, und ihre Abhaltung war nicht immer dem freien Eifer des Klerus überlassen, sondern hie und da kirchlich vorgeschrieben und geordnet — ein Beweis, daß ihre Vortheile jederzeit anerkannt und gewürdiget worden sind. Sollte der Nutzen der Konferenzen, die später an die Stelle der Kapitel getreten sind, für unsere Zeit weniger groß und weniger wün- schenswerth sein? Durch die Wiedereinführung der Synoden wird uns ein Institut zurückgegeben werden, das dem Klerus durch die langjährige Vernachlässi¬ gung dieser wichtigen Einrichtung völlig fremd geworden ist; große und wichtige Gegenstände sollen darin zur Verhandlung kommen, besprochen, berathen und beschlossen werden; aber wird der Erfolg den Erwartungen und gerechten Wünschen auch entsprechen, wenn wir uns plötzlich auf einem Boden bewegen sollen, der uns gänzlich oder höchstens aus der Geschichte nur theoretisch bekannt ist, oder wenn wir auf einmal über Gegenstände von so hoher Wichtigkeit berathen sollen, über die bisher die Wenigsten ernst und reiflich nachgedacht, deren Entscheidung man vielmehr stets geduldig von Anderen erwartete und annahm, und über welche kein Urtheil oder keine berathende Stimme dem Klerus je gestattet war? Vergebens wird man von Soldaten, die nie gemeinschaftlich exercirten, Geschicklichkeit bei einem größeren Manöver erwarten; aber eben so vergebens parlamentarische Fertigkeit und Weisheit bei Shnodalverhandlungen von einem Klerus, der keine Gelegenheit hatte, sich in dergleichen zu üben. Möge man sich durch das traurige Beispiel des ersten österreichischen Reichstages belehren lassen, dessen schmähliches Verenden zum großen Theile in der parlamen¬ tarischen Unfähigkeit seiner Mitglieder, und in den daraus erfolgten Miß- und Uebergriffen seine Ursache hatte. Soll ferner bei der großen Menge der zu berathenden Gegenstände, die ohne Zweifel in den ersten Synoden Vorkommen werden und auch müssen, die kurze Zeit von wenig Tagen, welche für dergleichen Versammlungen kanonisch festgesetzt ist, genügen, um ein möglichst befriedigendes Werk hervorzubringen; soll alles unnöthige und unweise Hin- und Widerreden, alles zeitraubende Auseinandersetzen, Erklären und Berichtigen, wo es vermieden werden kann, vermieden wer¬ den; kurz, soll die Synode das Bild einer ernsten, würdigen und weisen Versammlung sein: so müssen die vorkommenden Gegenstände früher reiflich erwogen und besprochen, die falschen Begriffe, unrichtigen Ansichten und irrigen oder unreifen Urtheile unter der Leitung verständiger Männer berichtiget und geläutert, und so die vielleicht vorkommenden Parteien und ihre Widersprüche vermittelt, ausgeglichen und beseitigt werden. Dieses 13 alles kann aber nur in den geistlichen Konferenzen geschehen, die sich sohin als eine wichtige Vorschule zu den Synoden darstellen. Als nicht minder wichtig stellen sich die Konferenzen nach der Feier einer Synode dar. Da wird es sich darum handeln, die gefaßten Be¬ schlüsse allenthalben einzuführen, die bezeichneten Mißbräuche abzustellen, und die geeigneten Reformen vorzunchmen; aber dabei werden sich Hin¬ dernisse zeigen, die nicht vorausgesehen werden konnten, und zu deren Beseitigung die allgemeinen Maßregeln, auf welche allein die Synode eingehen konnte, sich als ungeeignet oder ungenügend erweisen, und zu deren Behebung die Klugheit der Einzelnen noch weniger ausreicht. Nicht allen Uebelständen kann ja auf die gleiche Weise und durch dieselben Mittel abgeholfen werden, und großen Schwierigkeiten und Hindernissen gegenüber erkaltet oft der regste Eifer, und der freudigste Muth wird zur Hoffnungs¬ losigkeit, wenn er sich nicht an der Aufmunterung und an dem Beispiele Anderer entzünden, und so neu gestärkt an das schon fast aufgegebene Werk gehen kann. Und um alles das zu leisten, sehen wir wieder kein tauglicheres Mittel, als die Konferenzen. Hier, wo sich die Seelsorger, denen es ja eigentlich obliegt, und auf die es ja doch vorzüglich ankommt, um den Geist eines neuen kirchlichen Lebens unter das Volk einzuführen und in demselben zu verbreiten; hier also, wo die Seelsorger unter der Leitung ihres Dekans, der doch gewöhnlich in Wissen und Erfahrung unter den klebrigen hervorragt, wenigstens hervorragen soll, sich versammeln, um die Einzelheiten, die in ihren Kreisen Vorkommen, zu besprechen; hier, wo jeder seine besonder» Zweifel äußern, seine Fragen stellen, die in seiner Gemeinde stattfindenden Schwierigkeiten vortragen, und um Aufklärung, Rath und Hilfe bitten kann, — hier ist die Gelegenheit geboten, im Sinn und Geist der Synode das Zweifelhafte gemeinschaftlich zu berathen und zu entscheiden, in brüderlicher Liebe Aufklärung und geeignete Rathschläge zu ertheilen, den gesunkenen Muth des Einen aufzurichten, und die Lauig¬ keit des Andern zu größerem Eifer anzuspornen, und so das schöne Werk zu vollenden, das in der Synode wohl berathen und beschlossen, aber nicht ausgeführt werden konnte. Man sieht also wohl, daß die geistlichen Kon¬ ferenzen für die Diözesansynode von nicht geringer praktischer Bedeutung sind, und daß es also, wenn anders die kirchlichen Behörden ernstlich daran denken, uns die Synoden wieder zu geben, hohe Zeit ist, auch die Kon¬ ferenzen allenthalben einzuführen, weil sonst auch jene, selbst wenn sie ver¬ wirklicht würden, kaum die gehofften Früchte bringen, und bald zu einer bloßen Ceremonie, ähnlich unseren früheren Landtagen, herabsinken würden. Eine ähnliche Handlungsweise, wie wir sie hier angegeben, hat auch die Kirche im Großen stets beobachtet. Wenn sie ein allgemeines Concilium zu feiern im Begriffe war, so wurden früher in allen Ländern Partikular- concilien gehalten, auf denen man sich über die fraglichen Gegenstände verständigte, und dasjenige besonders beriech, was dann den versammelten Vätern der Kirche noch insonderheit vorgelegt werden sollte. Nach Vol¬ lendung der allgemeinen Kirchenversammlung wurden aber wieder allent- 14 halben Provinzialsynoden abgehalten, um die gefaßten Beschlüsse mittelst derselben in allen Provinzen und Diözesen einzuführen, und so in's Leben zu bringen. Sollte diese weise Einrichtung, die im Großen so gute Dienste geleistet, im Kleinen so nutzlos und unbedeutend sein? Endlich sind die Konferenzen nothwendig, weil nicht alles, was besprochen und gemeinschaftlich erwogen werden soll, in der Synode ver¬ handelt werden kann; ja es gibt Materien, die in der Synode nicht ein¬ mal zur Verhandlung kommen dürfen oder sollen, und für deren richtigere Beurtheilung und klarere Erkcnntniß ein Austausch der Gedanken von unbezweifeltem Nutzen ist, weshalb auch Benedikt XIV. den Bischöfen den Rath ertheilt, die Untersuchung über dergleichen Streitpunkte den „Kon¬ ferenzen, welche von ihrer Geistlichkeit gehalten werden, zu überlassen." So wäre also die Wichtigkeit der geistlichen Konferenzen in ihrer Beziehung zu den Synoden dargethan, und schon deshalb der allgemeine Wunsch, daß sie allenthalben eingeführt werden möchten, ein gerechter; aber sie haben auch noch eine andere Seite des Nutzens, und sind, für sich allein betrachtet, nicht weniger Wünschenswerth. Wer die Seelsorge und das geistliche Leben kennt, der wird wissen, wie dringend sich oft das Bedürsniß gemeinschaftlicher Gcrathuug herausstellt. Zn der Seelsorge gibt es so Vieles, was man in Büchern nicht findet, und aus denselben nicht lernen kann, was auch den erfahrensten Seelsorger augenblicklich in Verlegenheit bringt, und worüber mau so gerne die Erfahrung und Klug¬ heit seiner Brüder zu Rathe ziehen möchte. Auch in der äußerlichen Ver¬ waltung der Seelsorge und des Gottesdienstes wäre an so vielen Orten eine freundliche Besprechung und Übereinkunft so nothwendig, um größeren Einklang in die Verrichtung dieser heiligen Handlungen zu bringen. Wenn man die Willkür, mit welcher einzelne Seelsorger in der Pastorirung ver¬ fahren, kennt und beobachten konnte, wie verschieden oft benachbarte Prie¬ ster, ja Seelsorger der nämlichen Gemeinde in ihrem heiligen Amte vor¬ gehen, so darf man sich wahrlich weder wundern noch beklagen, wenn Protestanten und schlechte Katholiken mit der Einheit in der katholischen Kirche, die wir ihnen immer entgegenhalten, ihren Spott treiben; und was kann es auch auf denkende gute Katholiken für einen Eindruck machen, wenn z. B. von mehrern Seelsorgern einer und derselben Pfarrkirche jeder nach einem andern Ritus tauft, und jeder in einer andern Sprache und Weise die Wöchenerinnen vorsegnet, wenn an einem Friedhöfe, in welchem die Todten zweier Gemeinden beerdigt werden, der Eine nach dem vorge¬ schriebenen Diözesanrituale in lateinischer Sprache, der Andere nach einer deutschen Uebersetzung, ein Dritter gar nach dem Wessenberg'schen Kling¬ klang mit willkürlich eingeschobenen Gebeten u. dgl. die Einsegnung vor¬ nimmt; wenn bei Verwaltung des Bußsakramenteö der Eine streng zu Werke geht, während der Andere leichtfertig auch über Todsünden hinweg¬ sieht, und ohne Umstände die Lossprechung auch von jenen Sünden ertheilt, welche jener noch vorzubehalten für gut fand. Und so gibt es gar Manches, worüber zwar die kirchliche Gesetzgebung längst schon das Geeignete vor- 15 geschrieben, worin aber in manchen Orten wegen Unkenntniß dieser Vor¬ schriften, oder wegen Gleichgiltigkeit der Seelsorger in x>-axi der traurigste Widerspruch herrscht, und worin eine Uebereinstimmung längst schon höchst Wünschenswerth war. Wir wissen Wohl, daß es Sache der Synoden, und in deren Ermanglung der Consistorien ist, in solchen Dingen das Noth- wendige zu verordnen; aber wenn jene unmöglich sind, wie bisher, und auch vielleicht in der nächsten Zukunft noch, und wenn diese schweigen, wie soll dann dem immer mehr einreißenden Uebel abgeholfen werden, wenn nicht durch Berathung und gegenseitiges Uebereinkommen in den geistlichen Konferenzen, die überhaupt in gar vielen Stücken ein nothwen- diges Ersatzmittel der Synoden sind? Dadurch würde auch den kirchlichen Behörden, denen es oft wohl nicht so fast am Willen, als vielmehr an Zeit mangeln mag, aus so wichtige Gegenstände ihr Augenmerk zu richten, die Bürde erleichtert; sie dürften dann das in solchen Versammlungen als heilsam oder nothwendig Erkannte ja nur nochmal prüfen, gutheißen, und zur allgemeinen Richtschnur erheben. Ohnehin läßt sich nicht alles am besten und genauesten blos vom Mittelpunkte einer Obrigkeit aus ordnen; gar Vieles gibt es, was nur dann mit Segen eingeführt und verbessert wird, wenn dabei die besonderen Bedürfnisse des christlichen Volkes, die nicht immer und überall dieselben sind, berücksichtiget werden; die Bedürf¬ nisse des Volkes aber wird wohl Niemand besser erkennen und zu würdi¬ gen verstehen, als der Seelsorger, der täglich mit dem Volke verkehrt, sein Seelenfreund, sein Lehrer und sein Vater ist, dessen Rath und Mei¬ nung also in solchen Fällen gewiß nicht gleichgiltig sein kann. Und was sollen wir von dem Nutzen dieser Einrichtung für das geistliche und geistige Leben sagen? Jeder Priester wird vielleicht öfter schon die Erfahrung gemacht haben, daß sich seines Gemüthes zuweilen ein Gefühl der Verlassenheit, der Geistesöde, der Muthlosigkeit, das ihm wie ein Alp ans der Seele liegt, und ihn darniederdrückt, bemächtigt, namentlich in Zeiten, wo irgend ein lange und mit Eifer verfolgter Plan fehlgeschlagen, oder ein mit Liebe und Begeisterung unternommenes Werk mißglückt, oder das reinste Wirken und alle Aufopferung verkannt und mit Undank gelohnt worden ist. Solche Stunden gibt es im Leben des Seel¬ sorgers, dessen Sorge und Mühen die Welt selten begreift und zu wür¬ digen versteht, oft, und nicht jeder hat die geistige Kraft, sich über die Welt zu erheben, oder die Weisheit, durch die Kraft des Glaubens und des Gebetes sich aufrecht zu erhalten, sondern Manche sind vielmehr schon in Folge solcher Erlebnisse ihren schönen Vorsätzen und dem vorgesteckten Ideale untreu geworden, und entweder in Gleichgiltigkeit, zur Pflichtver¬ gessenheit, und auf noch viel traurigere Abwege gerathen, zumal wenn die Abgeschiedenheit einer einsamen Seelsorgsstation, oder die beschränkten ökonomischen Verhältnisse es unmöglich machen, öfter die Gesellschaft weiser Freunde zu suchen, oder den Geist durch angemessene Lektüre rege zu erhalten oder aufzufrischen. Wie erquickend, wie ein kühler, sanfter Regen für die ausgetrocknete Sommerlandschaft, müßte für solche Gemüther eine 16 geistliche Konferenz sein, wo sich der sinkende Muth an dem Muthe und der Ausdauer Anderer erheben, der Zaghafte an der Freudigkeit und unge¬ brochenen Hoffnung kräftigerer Geister stärken, durch ihre Erfahrungen sich belehren und leiten, und an ihren Siegen sich begeistern kann! Mancher würde dann neugestärkt, belehrt, und frischer Hoffnung voll an sein heili¬ ges Werk gehen; mancher, der vielleicht schon mit einem Fuße den Abweg betreten, würde noch zeitlich genug seinen Jrrthum erkennen, sich ermannen und zurückkehren; mancher würde nicht verloren gehen, und eine Stütze der Kirche werden, während er so vielleicht ein unglücklicher Mensch, das bedanernswerthe Opfer einer Leidenschaft, und seiner Gemeinde zum Aergernisse wird. Vorzüglich für junge Priester, die gewöhnlich mit gutem Willen, oft mit einem heiligen Eifer und einer schönen Begeisterung, aber ohne Kenntniß des praktischen Lebens, und kaum genügend theoretisch geschult, in die Seelsorge treten, mit schwankenden Grundsätzen und für alle Eindrücke empfänglich, wie es eben dem jugendlichen Gemüthe eigen ist, für sie müßten die geistlichen Konferenzen eine wahre Schule sein, in welcher ihre Bildung durch die Lehren und Rathschläge erprobter Seelen¬ hirten erst vollendet würde. Hier würde ihr Eifer erstarken, ihre Begei¬ sterung sich immer wieder neu entzünden, ihre Grundsätze fest werden, die üblen Eindrücke, die ans dem Verkehre mit der Welt, oder auch wohl aus dem Beispiele verkommener Priester in dem jungen Herzen zurück¬ geblieben, würden durch das Beispiel und die Lehren, die in solchen Ver¬ sammlungen vor ihrer Seele stünden, verdrängt, und diese würden zum Heile der sonst vielleicht Verirrten die Oberhand erhalten. Wenn man weiß, wie diese jungen Arbeiter im Weinberge Gottes, ans denen doch zum großen Theile die Heileshoffnung einer ganzen Generation beruht, oft rathlos, kaum die gewöhnlichsten Gefahren des SeelsorgslebenS kennend, hinausgesendet werden, ohne Kenntniß der Welt und der Menschen, die sie aus den trockenen Kollegienheften ihrer vielleicht selbst aller Erfahrung entbehrenden Lehrer nicht erlernen konnten, unter die Leitung vielleicht eines Mannes, der sich selbst nicht zu beherrschen versteht, und selbst einer Lei¬ tung bedarf, der seinem geistlichen Mitbruder täglich seine Abhängigkeit, und, anstatt ihn zu belehren, den Mangel seiner praktischen Kenntnisse auf die demüthigendste Weise fühlen läßt, oft in Verhältnisse, wo übles Bei¬ spiel und Verführung auf das junge, unerfahrene Herz einstürmen, — wenn man das weiß, dann darf man sich nicht wundern, daß mancher hoffnungsvolle Priester, der ein mächtiger Streiter Gottes zu werden ver¬ sprach, vor der Zeit ermattet und kampfunfähig wird, da seine junge Kraft, völlig sich selbst überlassen, ohne alle geistige Stärkung, Belehrung und Aufmunterung so vielen Kämpfen nicht genügen konnte. Ueberhaupt aber müßten solche Konferenzen, von den kirchlichen Behörden zweckmäßig geord¬ net und vernünftig geleitet, nicht nur einen guten kirchlichen Geist im Klerus erwecken, sondern auch in Manchen die Liebe zur Wissenschaft anregen und nähren, und so die klerikalische Bildung auf eine höhere Stufe erheben, was gewiß in jenen Diözesen, wo diese Konferenzen in Uebung sind, anerkannt wird, 17 Wenn man diese Vortheile bedenkt, so muß man sich wundern, daß diese Einrichtung in so vielen Diözesen nicht besteht, und ungeachtet des dringenden Bedürfnisses noch immer nicht eingeführt werden will. Daß die Abhaltung der Diözesan - Synoden bisher gänzlich unterlassen wurde, und auch jetzt, wo die politischen Hindernisse, die ihrer Feier entgegen¬ standen, weggefallen sind, nicht sobald zu Stande kommen werden, das begreifen wir, weil erstlich die Synoden eine größere Vorbereitung brauchen, und dann weil Se. Heiligkeit selbst die Verlegung derselben auf ruhigere Zeiten angerathen hat; aber warum man die geistlichen Konferenzen nicht einführt, und nicht allenthalben dazu aufmuntert, sie, die zu jeder Zeit mög¬ lich waren, und jetzt so nothwendig sind, das begreifen wir nicht. Von manchen Seiten klagt man so sehr über die Verweltlichung des Klerus, und vielleicht nicht mit Unrecht; aber um sie zu verhindern, um die Prie¬ ster zu erheben, um sie von der Scholle und den zeitlichen Sorgen, die sie leider derselben auch widmen müssen, und aus der zu großen Anhäng¬ lichkeit an die Welt und ihre Genüsse auf die Höhe des geistigen Lebens zu erheben, will man diese mächtigen Hebel, Synoden, Konferenzen, geist¬ liche Uebungen nicht anwenden, und erwartet so vergebens die Heilung der Wunden, zu deren Verschlimmerung von anderer Seite so thätig gear¬ beitet wird; denn papierene Verordnungen haben bisher kein Heil gebracht, und werden es in Zukunft noch weniger bringen. Wir halten uns nicht für berufen, in die Ursachen dieser Erscheinung einzugeheu; aber wir glau¬ ben, daß es die Pflicht eines Jeden, der Gelegenheit hat, ist, seine Stimme zu erheben, und die Mittel zu bezeichnen, von denen er Heil erwartet. Wir sind aber im Innersten überzeugt von der Wirksamkeit und Noth- wcndigkeit dieser Mittel; darum sprechen wir sie offen aus, selbst auf die Gefahr hin, wieder mißverstanden, und, ungeachtet unserer treukirchlichen Gesinnung, vielleicht sogar für wühlerisch gehalten zu werden, was uns indessen nicht gar sehr erschreckt, da wir hier die Gewohnheit und die Vorschriften der Kirche für uns haben, und nur das Schicksal so vieler wackerer Kämpfer für die Kirche, die unter dem Klerus zum Troste für alle redlich Gesinnten, so wie zum Aerger und zum Schrecken aller papie¬ renen Josephiner sich erhoben haben, theilen würden. Wir glauben aber, daß es noch einen andern Gesichtspunkt gebe, von welchem aus es sehr rathsam erscheint, überall solche Priesterkonferenzen einzuführen. Es wird nämlich, in Folge der neuen Ereignisse und von so vielen Seiten aufge¬ stachelt, allenthalben ein gewisser Gemeingeist, der bisher für alle Zeiten todt geschienen, flügge, und beginnt in allen Ständen seine mächtigen Schwingen zu regen; auch im Klerus zeigt sich ein Drang, gemeinschaft¬ lich zu berathen und zu handeln. Dieser Drang hat bisher hie und da schon zu nicht ganz gesetzlichen Versammlungen geführt, deren Früchte nicht eben sehr erfreulich waren. Man hat dieses von manchen Seiten ignorirt, oder pflegt Wohl gar darauf hinzuzeigen, und zu sagen: Seht da eure Versammlungen und ihre Früchte! vergißt aber dabei, daß dieses Auswüchse sind, die eben durch die Schuld der Gärtner entstanden. Wir 2 18 aber meinen, daß es im Interesse der Kirche wäre, diesen Drang zur Vereinigung, der wohl nur ein gutes Symptom unserer kranken Zeit ist, nicht zu ignoriren, noch weniger zu unterdrücken, sondern vielmehr sich desselben zu bemächtigen, und im Geiste der Kirche zum Heile der Kirche zu leiten, sonst könnte es Wohl geschehen, daß sich solche Krankheitszustände, und zwar noch schlimmer und gefährlicher, wiederholen. Gott segne Das ehrbare Handwerk! I. Gediegene gewerbliche Bildung. Bekannt ist das alte Sprichwort: „Handwerk hat einen goldenen Boden." Aber wie haben sich die Zeiten geändert! Man kann mit Recht sagen: „Handwerk hat einen durchlöcherten Boden." Wo in aller Welt findet man noch jene Sicherheit und Einträglichkeit des Handwerksbetriebes? Dieser ist dem Handel nnd Fabriksbetriebe fast in allen Punkten gewichen, das Kapital hat die Arbeit erdrückt, Geschicklichkeit und Thätigkeit ist nicht mehr im Stande, dem glänzenden Auftreten, der blendenden Aeußerlichkeit, der anfänglich übertriebenen Wohlfeilheit und der ins Großartige gehenden Anrühmung in den öffentlichen Blättern das Gleichgewicht zu halten. Und nun erst das neue Gewerbegesetz, welches den Handwerkern und Gewerbsleuten noch größere Gefahren bereitet. Die freiere Bewegung im gewerblichen Leben wird ganz folgerichtig eine ausgebreitetere Konkur¬ renz nicht blos im Inlands, sondern auch vom Auslande her Hervorrufen. Manche bequeme und wohlhäbige Existenz wird erschüttert, mancher Schlen¬ drian, manches Monopol untergraben werden. Manchem Glücksritter wird bei der geöffneten Möglichkeit die Lust anwandeln, „sein Glück zu ver¬ suchen", um nur desto schneller „fertig zu werden." Kurz, dem Hand¬ werke und Gewerbe droht eine ungünstige Zukunft. Darum der Ruf aus dem Grunde unseres volksfreundlichen Herzens: „Gott segne das ehrbare Handwerk!" Da kommt es uns nun vor, als höreten wir eine Stimme ein anderes, ebenfalls altes Sprichwort zurufen: „Mensch hilf dir selbst, und Gott wird dir Helsen!" Wir gehören nicht zu jenen Quietisten und Fatalisten, welche der Meinung sind, man müsse sich still in die Winkel setzen, das Haupt verhüllen und so stumm der trüben, kampfreichen Zu¬ kunft entgegengehen. Wir sind Männer des Handelns und der That, und denken darum auf Mittel, durch welche dem Handwerks- und Gewerbe¬ stande geholfen, eine glückliche, oder wenigstens sorgenfreie Zukunft ange¬ bahnt und gesichert werden könnte. Wir geben die Früchte unseres Nach¬ denkens und Nachlesens hier öffentlich zum Besten und fordern Alle, welche den Ernst der socialen Fragen nach Gebühr würdigen, eindringlichst auf, 19 unsere Ansichten zu prüfen, zu ergänzen, zu berichtigen und so der Mensch¬ heit zu nützen. Damit der Uebergang von dem alten Zunftzwangs zur Gewerbefrei¬ heit ohne Störung und Nachtheil vor sich gehe, nnd damit die freiere Bewegung des industriellen Lebens in der That zum Wohle des Volkes und des Staates ausschlage, beantragen wir einige Mittel, und zwar eine tüchtige Bildung des Handwerks- und Gewerbestandes, — die Associationen oder Genossenschaften, — die Corporationen oder Körperschaften,—und als Grundlage aller Mittel, als eonckillo sias qriL non, die Rückkehr zu Gott und seiner h. Kirche. Mit eiser¬ ner Hand klopft die sociale Frage an die Pforten aller Länder Europas, daher empfehlen wir diese Artikel der besondern Beachtung. Für heute behandeln wir also das erste Diittel: 1. eine tüchtige und gediegene gewerbliche Bildung. Die österreichische Industrie ist in vielen Zweigen hinter der unserer Nachbarn im Westen zurückgeblieben. Das ist eine traurige und bittere, aber darum nicht weniger offenkundige Wahrheit. Darum ist vor allem nöthig: eine gediegene gewerbliche Bildung. Soll diese aber ihre Aufgabe lösen, so muß sie eine theoretische und eine praktische sein. Theorie und Praxis müssen sich gegenseitig unterstützen und ergän¬ zen; ein reiner theoretischer Stubengelehrter ist im wirklichen Leben sehr linkisch und unbrauchbar, während der bloße Praktiker ohne Theorie in vielen Fällen in die größte Verlegenheit versetzt wird. Die theoretische Bildung den gewerblichen Kreisen zuzuführen ist besonders Aufgabe der Schule und verläuft nach zwei Richtungen hin, die eine bezieht sich auf die Fortbildung des gegenwärtigen Ge¬ werbestandes, die andere auf die Heranbildung der künftigen Ge¬ werbsleute. Zur Fortbildung werden die Meister gedrängt und getrieben wer¬ den. Die Vortheile, die sich ein intelligenter Gewerbsmann aus der Gewerbefreiheit zu verschaffen wissen wird, die Nachtheile, die so Manchen in Folge seiner Unwissenheit und des Zurückbleibens treffen werden, diese werden drängen, zwingen und mehr helfen, als alle Gebote und Verord¬ nungen. So mancher Meister wird sich bemühen, die Vortheile sich anzu¬ eignen, die Kenntnisse sich zu verschaffen, wird nachlesen und nachfragen, mit einem Worte: Belehrung suchen. Es wird sich nun darum handeln, diesen strebsamen Meistern auch Gelegenheit zu bieten, sich zu unterrichten und zu vervollkommnen. Da sind nun populäre Bücher über Natur¬ geschichte, Physik, Mechanik, Chemie, gewerbliche Buchführung u. dgl. am rechten Platze. Da geben uns England, Nordamerika und Preußen schöne Beispiele. Dort werden solche gediegene, in einfacher und klarer Sprache verfaßte, mit guten Illustrationen ausgestattete Bücher durch Vereine, Bibliotheken u. dgl. um einen äußerst billigen Preis verbreitet. 2* 20 Weil aber das lebendige Wort besser wirkt, als der todte Buchstabe, so wären auch Vorträge zu veranlassen. Diese Vorträge sollen aber nicht wissenschaftlich und zu hoch geschraubt, und darum dem Gewerbs- manne unverständlich, sondern populär, freundschaftlich, mit praktischen Versuchen gewürzt sein, und mehr einer Besprechung als einer schulmäßi¬ gen Abhandlung gleich sehen. Darum kann man die Wichtigkeit der am hiesigen Museum stattfindenden Vorlesungen nicht genug schildern und den fleißigen Besuch derselben den Industriellen nicht genug warm an¬ empfehlen. Für die Fortbildung der Meister würden diese populären Bücher und Vorträge ausreichen, aber es muß auch für die Gesellen und Lehrlinge gesorgt werden. Für die Fortbildung der erstern haben die Gesellenvereine einen guten Grund gelegt, für die letztem sind die Sonn¬ tags- und Abendschulen bestimmt. Wir wollen die zu Klagenfurt bestehenden Lehranstalten für Gewerbe¬ treibende kurz anführen: An der Normalhauptschule wird an Sonntagen in drei Abteilungen Unterricht für Lehrlinge in den gewöhnlichen Lehrgegenständen durch eine Stunde, und in einer vierten Abtheilnng durch V4 Stunden im Zeichnen, durch '/4 Stunden aber in übrigen Fächern ertheilt. Letztere ^/4 Stunden übernahm der Herr Direktor Benisch aus eigenem Antriebe selbst, um die zeichnenden Schüler auch in den übrigen Unterrichtszweigen weiter zu führen. — Um 3 Uhr erhalten die deutschen Schüler in der Kirche, die flovenischen in der Schule Unterricht in der Religion (Christenlehre). In den Lokalitäten der Ooerrealschule findet Sonntags Nachmittags der in drei Abtheilungen ertheilte, unter dem Herrn Direktor M e rlin stehende kaufmännische Unterricht statt. Den Religionsunterricht erhalten alle drei Abtheilungen der Schüler gemeinschaftlich; den Unterricht in den merkan¬ tilen Fächern aber durch zwei Stunden gesondert. — Lehrer sind die Herren: Haderer, Kroner, KoSmazh, Dürnwirth. — Die Auslagen für diese Schule werden durch das von jedem Schüler eingehobene Schulgeld gedeckt. Sonntags Vormittags von 10—12 Uhr wird der Zeichnungsunter¬ richt für Gewerbtreibende an der Oberrealschule in drei Abtheilungen ertheilt, und zwar in der ersten Abtheilnng im elementaren Zeichnen in Verbindung mit den nöthigsten Sätzen aus der Geometrie, in der zweiten Abtheilung im Freihandzeichnen und Modelliren, in der dritten Abtheilung im Zirkelzeichnen. Dieser Unterricht wird vom kärntnerischen Jndustrie- und Gewerbevereine durch Honorirung der Lehrer und durch Betheilung der Schüler mit Zeichnungsrequisiten unterstützt. Nachmittags von 2 — 5 Uhr wird an der Oberrealschule die vom Industrie- und Gewerbevereine ins Leben gerufene sonntägige Fortbil¬ dungsschule (Gewerbeschule) für Lehrlinge gehalten, die aber auch von einigen Gesellen besucht wird. — Gegenstände: Religion, Arithmetik und später Sprachfach. — Lehrer sind die Herren: Haderer, Direktor Benisch, Kos- mazh.—Schüler: ca. 45. — Der Industriellerem honorirt die Lehrkräfte und 21 betheilt die Schüler mit Schreibrequisiten. In den kommenden Jahre« werden dieser ersten Abtheilung zwei fernere hinzngefügt, so daß die Lehr¬ linge während ihrer ganzen Lehrzeit einen fortlaufenden Unterricht erhalten. Außerdem werden zweimal in der Woche Abendvorträge für Gesellen gehalten, die übrigens von Jedermann besucht werden können, und zwar Montags von 8—9 Uhr vom Herrn Professor Hoffmann im Merkantil¬ rechnen, Buchhaltung und Wechselkunde; Donnerstags von 8—9 Uhr vom Herrn Direktor Payer in der populären Physik. Die Frequenz in diesen Vorträgen steigert sich bedeutend. Durch diese Mittel werden nun die gegenwärtig wirkenden Indu¬ striellen fortgebildet. Aber damit wäre erst der eine Theil der Aufgabe gelöst. Die Hauptsache ist erst die: eine neue Generation von Industriellen heranzubilden. Dazu ist nun ein gut eingerichtetes Schulwesen nothwendig. Schon in der Volksschule beginnt die Bildung des künftigen Gewerbestandes. Ein gediegener Religionsunterricht und der allgemeine elementare Unterricht bleibt immer der erste und vorzüglichste Zweck dieser Schule. Allein dies hindert nicht, daß man wenigstens in ihren obersten Klassen die Anfänge des Realunterrichtes aufnimmt. Ein gut eingerichtetes Sprach- und Lesebuch leistet hier ohne Nachtheil für sonst irgend einen Gegenstand die besten Dienste. Ist übrigens der Lehrer an seinem Platze und der rechte Mann, so kann er durch Erklärung und Ergänzung Bedeu¬ tendes leisten. Den Lesebüchern der neuern Zeit muß man das Lob zuer¬ kennen, daß sie schon im Hinblicke auf den Unterricht in den Realien eine sehr zweckmäßige Einrichtung erhalten haben. Nur sollte noch dahin getrachtet werden, daß in gewissen Bezirken für einen gewissen Umkreis auch Bezirksschulen mit landwirthschaftlichen und gewerblichen Kursen errichtet werden. Daß auch der Wiederholungsunterricht an Sonn- und Festtagen einen höhern Aufschwung nehme, ist ein nothwendiges Ergänzungsmittel. Von besonderer Wichtigkeit für den Handwerker- und Gewerbestaud sind die Realschulen. Schon die Unterrealschule theilt einem Schüler so viel von den mathematischen und Naturwissenschaften mit, daß er bei einem nur genügenden Fortgänge für die meisten nieder» Gewerbe als hinreichend vorgebildet betrachtet werden kann. Eine zweckmäßig einge¬ richtete Oberrealschule befähigt aber ihre Schüler mit ihrem theoretischen Wissen für viele Höhere Gewerbe. Es handelt sich nur darum, daß sich die Realschüler zu den Gewerben auch wirklich wenden. Bis jetzt war dies leider nicht der Fall, und die Ursache davon dürste in dem noch immer nicht geordneten Lehrbubenwesen zu suchen sein. Wie soll der Realschüler ein Gewerbe erlernen? In der Schule erhielt er wohl die Theorie, woher soll er die Praxis nehmen? Die derzeit gebräuchliche Behandlung der Lehrjungen ist wohl nicht geeignet, 22 einen Realschüler zu dem Eintritt in die Lehre zu bewegen. Bei schmaler Kost, bei grober Behandlung wird der Lehrjunge zu Küchengeschäften, Kinderlocken, Zimmerkehren, Holzspalten u. dgl. verwendet. Das schreckt den auf eine solide und humane Behandlung gewohnten Realschüler von dem gewerblichen Leben ab, entzieht so eine tüchtige Kraft dem Gewerbe¬ stande und schleudert ihn auf eine fremde Bahn. Darum ergeht bei die¬ sen Verhältnissen der Lehrlinge an die Realschule die Anforderung, auch den praktischen Unterricht in den Gewerben zu ertheilen. Die in dem Lehrplan der Realschulen zwar in Aussicht gestellten, aber nicht einge¬ führten praktischen Jahrgänge werden immer mehr und mehr vermißt. Darum wurde hier zu Klagenfurt durch Vermittlung der Handelskammer eine mechanische Lehrwerkstätte errichtet und mit der Oberrealschule in Verbindung gesetzt. Die Schüler sollen da selbst Hand anlegen, wirkliche Handarbeiten erlernen und ohne die sonst üblichen Plackereien der Lehr¬ lingsjahre zu tüchtigen Meistern herangebildet werden. Dadurch verlieren sie die falsche Scham vor der Arbeit, gewöhnen sich an dieselbe, lernen sie achten und lieben. Auch werden sie in den Stand gesetzt, fremde Arbeit richtiger, als es bloßen Theoretikern möglich ist, zu benrtheilen und zu würdigen. Zu dem Zwecke lernen hier die Schüler die fundamentalen Arbeiten der Maschinenbauer: das Feilen, Bohren, Drehen, Löthen, Här¬ ten der Metalle sowie auch die Modelltischlerei. Endlich erhalten die Schüler dadurch Gelegenheit, sich in der Mechanik gründlicher anszubilden. Welch ein stark gefühltes Bedürfniß die Errichtung einer solchen mechanischen Lehrwerkstätte war, beweiset der Umstand, daß schon jetzt, wo die Realschüler ohnehin 32—35 Lehrstunden in der Woche haben, diesen praktischen Unterricht 40 Schüler besuchen. Das Land Kärnten und dessen Hauptstadt Klagenfurt, insbesondere aber die kärntnerische Handelskammer, welcher diese praktische Lehranstalt das Dasein verdankt, alle können stolz sein, daß diese mechanische Lehr¬ werkstätte die erste derartige in der ganzen Monarchie ist. Die löbliche Handelskammer, welche sich bei der Zustandebringung und Einrichtung der Klagenfurter Oberrealschule sehr große Verdienste erworben, hat durch die Errichtung der gedachten Maschinenwerkstätte in ihre Krone einen neuen Edelstein eingesetzt. Jetzt erst wird die Realschule das leisten, wozu sie eigentlich bestimmt ist. Kaum aber ist diese praktische Werkstätte ins Leben getreten, als es schon wieder verlautet, daß die Handelskammer mit dem wirklich edlen und hochherzigen Plane umgehe, den technischen Unterricht an der Oberrealschule noch nach mehreren Rich¬ tungen hin zu erweitern. Wir erlauben uns, dies zur erfreulichen Wisseu- zu nehmen und unsere Ansicht kurz auszusprechcn. Die Erweiterung der Oberrealschule kann nach unserer Ansicht, wenn sie ihrer Stellung als Mittelschule nicht entrückt werden soll, nur in dem Sinne gemeint sein, daß jene technischen Fächer, die an ihr gelehrt wer¬ den, durch Hinzufügung von praktischen Kursen ihrer Bestimmung, die Schüler für die verschiedenen, im Lande bereits betriebenen Industriezweige, 23 oder für solche, die der vorhandenen Rohprodukte wegen Hoffnung auf einen günstigen Erfolg geben, gehörig vorzubereiten, noch näher gerückt werden. So wie die Maschinenlehre bereits durch die mechanische Lehr¬ werkstätte erweitert wurde, und hiedurch der theoretische Unterricht durch praktische Uebung vervollständigt und zum Theile auch vorbereitet wird, so kann 1. ein Kursus für Land- und Forstwirthschaft errichtet werden. Für diesen hätte ein absolvirter Unterrealschüler das nöthigste Vor¬ wissen; und die bereits bestehende Lehrkanzel der Landwirtschaft und der landwirthschaftliche Garten bieten schon einen Anknüpfungspunkt; 2. auch der praktisch - analitische Unterricht in der Chemie noch eine fernere Erweiterung durch Errichtung eines Laboratoriums erfahren, in dem speziellere, von den Landesbedürfnissen geforderte oder solche auch vorbereitende Richtungen wie z. B. Metallurgie rc. verfolgt werden; 3. der Unterricht in der Markscheide- und Bergbaukunde aus¬ führlicher (als bis jetzt) in einem eigenen Jahreskurse vorgetragen und in demselben eingehender die Montanindustrie Kärntens berück¬ sichtiget werden; 4. zur praktischen Ausbildung im Bau- und Zeichnungsfache das Modelliren eingeführt werden, worin jedoch nicht so fast das Figuren- und Ornamentenfach, als vielmehr auch die einfachen architektonischen Details, Steinschnitt rc. berücksichtiget würden; 5. eine commercielle Abtheilung, berechnet auf die Dauer eines Jahres, eröffnet werden, in welcher Handels- und Wechselrecht, kauf¬ männischer Geschäfts- und Korrespondenzsthl, Merkantilrechnen, ein-^ fache und vielleicht auch doppelte kaufmännische Buchführung, Han¬ delsgeographie und Waarenkunde vorgetragen würden: das nöthige Vorwissen hätte ein absolvirter Unterrealschüler. Würde es der löbl. Handelskammer gelingen, nach und nach diese Fach- und praktischen Abtheilungen und Fortbildungsschulen an die k. k. Oberrealschule anzuschließen: gewiß! das ganze Land wäre ihr zum grö߬ ten Danke verpflichtet: Unsere Interessen wären gesichert. Wird der technische Unterricht zu Klagenfurt so organisirt und aus¬ gedehnt, — wird die Zahl der Unterrealschulen im Lande vermehrt: so wird Kärnten einen gebildeten und tüchtigen Gewerbestand bekommen, welchem die Gewerbefreiheit keine Verlegenheiten bereiten wird. Allein, allein der Aufwand und die Herbeischaffnng der erforderlichen Mittel! Für den Unterricht ist bis in die neueste Zeit Wohl wenig geschehen, diese alte Schuld muß abgetragen werden. Der technischen Anstalten hätten sich in erster Reihe wohl die Genossenschaften und Gewerbevereine, dann die Gemeinden und endlich auch das ganze Land anzunehmen. Und diesen Faktoren wird es ja doch möglich werden, 24 ohne übermäßige Anstrengung die nöthigen Mittel aufzubringen: Es gilt ja die Schaffung einer gediegenen Bildung des Gewerbestandes. — Oesterreichs Industrie hat eine schöne Zukunft. Die Lage dieses großen Reiches in der Mitte von Europa, — die vielen schiffbaren Flüsse, vorzüglich die Donau, der wichtigste Strom in Europa, der überdies sowohl mit dem adriatischen Meere als auch mit der Ost- und Nordsee durch Eisenbahnen verbunden ist, — der Reichthum der einzelnen Länder an den verschiedensten Naturerzeugnissen, — dann die noch urwüchsige Kraft und hohe Befähigung der einzelnen Völkerstämme und endlich die Nachbar¬ schaft des an den mannigfaltigsten Naturprodukten gesegneten, in der indu¬ striellen Entwicklung aber zurückgebliebenen Orients sind hinreichende Bür¬ gen für eine glückliche Zukunft der österreichischen Industrie: Daruin eine gediegene gewerbliche Bildung! M s « ö ft e r r e L eh. 1. Centralisation. Wir lesen und hören: „Großösterreich", „Jungösterreich", „Klein¬ österreich", „dualistisches Oesterreich"; warum nicht auch zur Abwechslung „Neuösterreich?" Wir denken uns darunter jenes große, einheitliche, von jedem fremden Einflüsse unabhängige, im Innern freie und glückliche, nach Außen starke und mächtige Kaiserreich, welches sich unter dem Scepter des glorreich regierenden Hauses Habsburg-Lothringen befindet. Diesem herrlichen Reiche legte Se. Majestät Franz Joseph mit dem Diplome vom 20. Oktober 1860 einen neuen Grund. In diesem beständigen und unwiderruflichen Diplome ist der Grundriß dieses Staatsgebäudes neu gezeichnet: „Alle Gegenstände der Gesetzgebung, welche sich auf Rechte, Pflichten und Interessen beziehen, die allen Unfern Königreichen und Län¬ dern gemeinschaftlich find, sollen unter Mitwirkung des Reichsrathes, alle andern Gegenstände aber in und mit den Landtagen erledigt werden." Mit dem 20. Oktober 1860 ist das Altösterreich gefallen und Neu¬ österreich erstanden. Der alte, alles uniformirende und centralisirende Absolutismus wurde zu Grabe getragen, und an dessen Stelle trat die Verfassung, welche die Erinnerungen, Rechtsanschauungen und Rechtsan¬ sprüche der Länder und Völker mit den tatsächlichen Bedürfnissen der Monarchie ausgleichend verband, die Verfassung, welche die zur Einheit der Monarchie wesentlich nothwendigen Stücke am Sitze der Centralregie¬ rung vereinigend den Ländern und Gemeinden volle Autonomie und Selbst¬ verwaltung brachte. Dieser erhabene Staatsakt wird die tiefe staatsmännische Weisheit und hohe Politik Sr. Majestät noch späten Generationen verkünden, und befreite, glückliche Völker werden den Namen Franz Joseph dafür prei¬ sen und segnen. Es dürfte sich gewiß die Mühe lohnen, ja von großem Interesse sein, die Ursachen auszusuchen, welche den Sturz des alten, auf Zentrali¬ sation und Uniformirung gestützten Staates und den Aufbau des neuen, auf Autonomie und Selbstverwaltung gegründeten Systems veranlaßt haben mögen, zugleich aber auch über die Art und Weise nachzudenken, wie sich der neu aufzubauende Staatsorganismus gestalten werde. Wir werden daher in einer Reihe von Artikeln unsere Ansichten über Centralisation und Föderation, dann über die Stellung und Rechte der freien Gemeinde und des autonomen Landes, und endlich über den Organismus des nach den Prinzipien des föderativen Grund¬ gesetzes eingerichteten Staates deutlich und ruhig entwickeln. Beginnen wir nun mit dem oft gebrauchten Worte Centralisation. Nach vr. Polit ist Centralisation jene Art der Verwaltung, vermöge welcher die aller Selbstständigkeit entkleideten Unterbehörden vom Centrum aus nicht blos überwacht und geleitet, sondern wie Drahtpup¬ pen in Bewegung gesetzt und eine Menge Angelegenheiten von mehr lokaler Beschaffenheit in das Centrum zur Entscheidung gezogen werden. So wird z. B. in Frankreich die Studienordnung für 52,000 Volksschu¬ len vom Unterrichtsminister festgestellt, und es darf ohne seine Erlaubniß nicht davon abgegangen werden! Ueber die geringfügigsten Gegenstände müssen dem Minister häufige Berichte erstattet werden! In ganz Frank¬ reich ist überall derselbe Regierungs-Mechanismus: Departement, Arron¬ dissement und Canton überall mit denselben Behörden und denselben Rech¬ ten und Pflichten. So war es zu Bachs Zeiten in Oesterreich: Statt¬ halterei, Kreis, Bezirk überall mit denselben Behörden und denselben Gewalten, sei es in der Wojewodina oder in Oberösterreich. Das ganze Leben, die ganze Gewalt war in Wien vereinigt: Wien war das Cen- krum des ganzen Verwaltungsapparates. Das ist die Centralisation, und diese Art der Verwaltung ist: 1. verdächtig in ihrem Ursprünge. Zu Zeiten, wo das Heidenthnm noch war, und in Ländern, wo es noch ist, da finden wir auf der einen Seite Despotismus, auf der andern Knechtschaft, hier den Tyrannen, welcher alle Gewalt in sich vereinigte, dort die Sklaven, welche wenige oder gar keine Rechte hatten. Dieser Centralisation der ganzen absoluten Gewalt in Einer Hand erklärte das Christenthnm den Krieg, indem es das Individuum, die Familie, die Gemeinde und das Land als frei und berechtigt erklärte. Als aber im 15. Jahrhunderte zur Zeit der Wiederherstellung der Wissenschaften die christliche Politik zugleich mit der christlichen Philosophie verdrängt wurde, und die heidnische Politik unter dem Schutze und neben der heidnischen Philosophie zu herrschen anfing, 26 in dieser Zeit erstand anch der Centralismns in der Politik; das König- thum, irregeleitet durch das heidnische Philosophenthum, suchte sich in den Besitz aller Gewalt zu setzen, und befreite die Völker von der Herrschaft der Grundherren, nur um sie der königlichen Autorität unmittelbar und vollständig zu unterwerfen, bis endlich Ludwig XIV. sagen konnte: „Der Staat bin ich." Da hatte nun Niemand ein Recht mehr, als der König. So ist also die Ceutralisation eine Schöpfung des Heidenthums und des Absolutismus, und wurde in Frankreich großgezogen, welches noch heutzu¬ tage als das Eldorado der Ceutralisation und als Musterbild für manchen Centralisator gilt. Als später die französische Revolution ausbrach, so benützte sie die Ceutralisation, um in dem furchtbaren, jedoch ungleichen Kampfe mit einem zahllosen äußern Feinde und den innern Parteien alle Macht und Gewalt zusammen zu halten. Es war ein Kampf aus Leben und Tod; es wurden darum, um die Existenz zu retten, alle besonder« Freiheiten in den Hintergrund gedrängt, und durch die Centralisation die Nivellirung der Gesellschaft bezeichnet. In der Revolution wurde die Diktatur nothwendig, und diese fand die Zügel, um 30 Millionen revolu¬ tionärer Menschen zu lenken, in der Centralisation. Nun kam Napoleon, und übernahm mit der Erbschaft der Revolution auch jene der Centralisa¬ tion, und gewiß hätte er diese geschaffen, wenn sie nicht schon in Frank¬ reich bestanden wäre. Dem Manne, dem die einzelnen Nationen nur Schachfiguren waren, der im Volke nur Ziffern sah und in sich ganz Frankreich repräsentirt wissen wollte, diesem Manne war kein System so nahe gelegen und für seine Pläne so passend, wie jenes der Centralisation. Er vollendete dieses System, indem er die Bureaukratie schnf, die sich wie das Netz einer Spinne über das ganze Land ausbreitet, und jeden Gegenstand, welcher sich in das Netz verliert, gleich nach dem Mittelpunkte schleppt. Die nachfolgenden Regierungen fügten noch die Ministerialherr- schaft hinzu, welche unter dem allgewaltsamen Kaiser nicht aufkommen konnte. Sie hat sich bis zur Februarrevolution, ja über dieselbe hinaus erhalten. Sie herrscht noch unversehrt und unverstümmelt; noch immer denken, fühlen, wollen und handeln für ganz Frankreich die Ministerial- bureaus in Paris, noch immer kann auch nicht die geringste Bewegung auf irgend einem Punkte in Frankreich vor sich gehen, ohne daß sie nicht von dem Mittelpunkte des Ministeriums aus den Anstoß erhielte. In dem gegenwärtigen Augenblicke sind aber selbst die Minister bloße Träger eines klangvollen Namens, und reine Marionetten des gewaltigen Kaisers, Napoleon repräsentirt gegenwärtig ganz Frankreich und kann rufen: „Der Staat bin ich!" Somit hat die Centralisation ihren Ursprung im Hei- denthume, im Absolutismus, im Despotismus. So verdächtig nun der Ursprung, 2. eben so traurig sind die Wirkungen der Centralisation. Will man die Wirkungen der Centralisation würdigen, so muß man nach Frankreich blicken; hier allein hat sie lange genug bestanden, 27 und hier sich in der gehörigen Ausdehnung und Reinheit erhalten. Welche sind nun ihre Wirkungen? a. Sie schwächt den Staat. Keine Regierung kann, wie man ganz richtig gesagt hat, selbst regieren, denn keine Regierung wird, so groß auch ihre Wachsamkeit, ihre Gewandtheit und ihre Kraft sein mag, allein den Ausschreitungen einer zahlreichen Bevölkerung zuvorkommen oder sie niederzuschlagen vermögen, sondern die Provinz, die Gemeinde und die Familie müssen ihr bei der Lösung dieser ebenso wichtigen als schwierigen Aufgabe hilfreich zur Seite stehen. In centralisirten Staaten hat mm die Provinz, die Gemeinde und die Familie keine Rechte und Gewalten, darum kein Interesse und keine Theilnahme an den öffentlichen Angelegenheiten, — der administrativ centralisirte Staat ist außer der Militärmacht einzig und allein auf die Beamten angewiesen. Ihre Zahl ist in solchen Staaten freilich sehr groß, jedoch wehe der Regierung, welche sich auf sie stützt zur Zeit einer Gefahr. Die Erfahrungen, welche man in Frankreich schon seit einein halben Jahrhunderte und im Jahre 1848 in fast allen Staaten Europas gemacht, haben bewiesen, wie wenig sich in Augenblicken politischer Bewegung die Regierung auf ihre Organe ver¬ lassen könne. Und wären diese Organe noch so pflichteifrig und getreu, können sie allen Verschwörungen Zuvorkommen und jeden Aufruhr verhin¬ dern? Nie war die Polizei in Europa nach einem so großen Maßstabe eingerichtet, wie in den letzten Zeiten; wo hat sie aber eine Verschwörung verhindert, wo einen Aufruhr beschworen, wo einen Thron vor dem Um¬ stürze beschützt, wo einen Fürsten gegen die gräulichsten Angriffe auf seine Person sicher gestellt? Die Nachwelt wird einst erfahren, daß das Jahr¬ hundert der Polizei auch das Jahrhundert der Revolutionen war. Ins¬ besondere sind die geheimen Gesellschaften der Gewalt und der Thätigkeit der Polizei unerreichbar; nur die örtlichen Gewalten — das Land, die Gemeinde, die Familie — vermögen diese im Dunkeln schleichenden Ver¬ bindungen aufzuspüren. Aber gerade diese Gewalten stoßt der centralisirte Staat von sich, und kann in Hinsicht der Ausführung ihrer Befehle und Absichten außer ihren Beamten auf keine Unterstützung rechnen, und ist somit geschwächt. Dieses ist aber durchaus nicht ein Uebelwollen oder eine Illoyalität der Staatsangehörigen, sondern einzig die Folge des Sy¬ stems; denn in gewöhnlichen Zeilenweisen die Beamten jede Unterstützung der Staatsangehörigen als gefährlich zurück, und veranlassen so Kränkung und Abneigung und endlich die größte Indifferenz und Apathie gegen alle öffentlichen Angelegenheiten. Hingegen braucht man, um der Unterstützung der Staatsbürger sicher zu sein, nichts, als daß man sie an den öffent¬ lichen Angelegenheiten theiluehmen lasse. Das Gefühl der Selbstachtung, wonach sich jeder gern wichtig fühlt und unentbehrlich dünkt, das Streben nach nützlicher Thätigkeit und der Trieb nach Herrschaft erklären uns die Bereitwilligkeit, mit welcher sich einzelne selbst lästigen Dingen unterziehen, wenn sie dasjenige, was von ihnen als Pflicht gefordert wird, zugleich 28 als Recht betrachten können. Einen sprechenden Beweis dafür liefert England. Es ist allgemein anerkannt, daß die englische Regierung im Verhältniß der ihr scheinbar zu Gebote stehenden Mittel und der geringen Zahl ihrer unmittelbaren Organe bei jeder wichtigem Veranlassung eine fast wunderbare Thätigkeit zu entwickeln versteht. So hat z. B. während der vor einigen Jahren stattgefnndenen Weltausstellung und der Beerdigung Wellingtons nichts die Bewunderung aller Fremden mehr erregt, als eben jene Ordnung, welche mit scheinbar so geringen Mitteln und doch besser aufrecht erhalten wurde, als in Paris, trotz aller Virtuosität, welche man hier in der Polizeiordnung erreicht hat. Das ist die Frucht jener Ver¬ fassung, welche auf Autonomie und Selbstverwaltung gegründet ist. Da ist Theilnahme und Kraft und Leben, während die administrative Centra- lisation die Lethargie, Schwäche und der Tod ist. Zur Zeit der französischen Kriege war Oesterreich nicht centralisirt, die Länder hatten noch mehr oder weniger ihre Statute und Selbstver¬ waltungen. Wie oft wurde dieses Oesterreich verlassen und verrathen, besiegt und zu Boden getreten; — aber es erhob sich wieder, erholte sich und erstarkte bald und ruhte nicht eher, bis der Erbfeind besiegt war. Nie war Oesterreich mehr centralisirt und scheinbar stärker, als im Jahre 1859, wo der Bach'sche Absolutismus alle Kraft und Gewalt, alle Rechte und Freiheiten in Wien vereinigt hatte. Und ein einziger kurzer Feldzug, eine einzige bedeutendere Schlacht war genug, um diesen zusammengeschnür¬ ten und zusammengekoppelten Koloß zu stürzen und das ganze fast 12 Jahre gebaute Kartenhaus über den Haufen zu werfen. Unnatürliche Centralisation schwächt den Staat. d. Centralisation macht den Staat auch verhaßt. Alles Fehlerhafte und Schlechte, was im Staate geschieht, fällt auf die Regie¬ rung zurück. Sie thut ja alles und jedes, darum ist sie auch für Alles verantwortlich, und man hält sich an ihr als der Ursache nicht nur aller moralischen Unordnungen, sondern auch alles physischen Elendes. Nehmen wir auch an, daß die Unterrichtsangelegenheiten, die Rechtspflege, die Finanzen, der Handel und die Verwaltung der Provinzen und Gemeinden einsichtsvoll, unbescholten und eifrig besorgt werden, so ist doch selbst bei dieser Voraussetzung geradezu unmöglich, daß die Regierung Alles selbst thun könne, und daß Alles nach den Gesetzen der Gerechtigkeit seinen Gang gehe. Hat man z. B. Hunderttausende von Beamten zu überwachen, und 50—60,000 Stellen zu vergeben und ebenso viele Angelegenheiten zu ent¬ scheiden, so ist es bei einer so unermeßlichen, so vielfachen und so ver¬ wickelten Thätigkeit durchaus unmöglich, zu verhüten, daß nicht sehr häufig die Ränke über das Verdienst, die Willkür über das Recht, die Gunst über die Gerechtigkeit und der Betrug über die Wahrheit den Sieg davon trage. Es ist eben darum auch nicht zu verhüten, daß die Gewalt selbst mit dem aufrichtigsten und festesten Willen, stets gerecht zu sein, und ohne ks im entferntesten zu beabsichtigen, sich jeden Tag zur unschuldigen Urhe- 29 berin hundertfältiger Ungerechtigkeiten mache, deren ganze Verantwortlich¬ keit und ganze Gehässigkeit aber dennoch auf sie zurückfällt. Da man ganz natürlich der Meinung ist, daß eine solche centralisirte Regierung Alles weiß und Alles thut, so muß sie auch der öffentlichen Meinung über jeden Mißbrauch und über jede Unordnung, welche in der Regierungs- thätigkeit stattfiudet, Rechenschaft geben, und wird für Alles verantwortlich gemacht. Alles dies nützt sie unbemerkt ab, schwächt ihr Ansehen, setzt sie immer mehr in der Achtung des Volkes herab, entfremdet sich sogar ihre ergebensten Freunde, steigert den Widerspruchsgeist ihrer Feinde, macht sie verhaßt, lästig und unerträglich, und vernichtet endlich ihre ganze Auto¬ rität. Beweis dessen sind die furchtbaren Anklagen, welche in dem ver¬ stärkten Reichsrathe, in dem ungarischen und kroatischen Landtage und schon in dem gegenwärtig tagenden Reichsrathe gegen das Centralisations- shstem des Bach erhoben wurden und eine schauderhafte Erbitterung gegen dies gefallene System bekunden. e. Die Centralisation macht die Regierung theuer und kostspielig. Die Verwaltungskosten des Staates können durch nichts so sehr vermindert werden, als wenn man die Pflicht, für die Verwaltung zu sorgen, denjenigen übergibt, die dadurch zunächst betroffen werden. Um die Wirksamkeit dieses Mittels zu beobachten, braucht man nicht gerade auf jene Länder zu sehen, wo wie z. B. in Amerika, Schweiz die Selbst¬ verwaltung den höchsten, die Besteurung den geringsten Grad erreicht, sondern man braucht blos das Budget der innern Verwaltung Englands mit jenem Frankreichs zu vergleichen, oder eine der Jahresrechnungen des österreichischen Staates vor der Revolution durchzusehen/ um sich zu über¬ zeugen, um wie viel kostspieliger das System der administrativen Centra¬ lisation ist. So z. B. betrug nach C. Freih. v. Czoernig statistischem Handbüchlein I. Jahrgang 1861 die Staatsausgabe für Civilverwaltung bis zum I. 1850 immer zwischen 50—60 Millionen, im I. 1851 schon über 111 Millionen, im I. 1857 sogar über 162 Millionen; darum stiegen aber auch die Steuern, welche im I. 1849 nur 86 Millionen betrugen, von Jahr zu Jahr und erreichten im I. 1851 die Höhe von mehr als 183 Mill.; im I. 1856 schon 240 Mill., und endlich im I. 1858 gar 253 Mill. Gulden. Was haben wir noch zu erwarten, wenn mit diesem iLysicme nicht vollständig gebrochen wird. sit. in finanzieller Beziehung ganz gleichgiltig, ob sich das centra- lisirende -System offen und aufrichtig in eine absolutistische Form kleidet, wie zu Bachs Zeiten, oder eine konstitutionelle, scheinbar liberale Gestalt annimmt, wie gegenwärtig in Frankreich, Preußen und andern Staaten. Ja! die Centralisation mit konstitutionellen Formen muß den Staatsauf¬ wand noch vermehren, indem zur alten Ausgabe für das nothwendiae ungeheure Beamtenheer noch die gewiß nicht unbedeutenden Kosten für den Reichsrath und die zahlreichen Landtage hinzukommen. Die ungeheure Vermehrung der Verwaltungskosten ist als eine noth- wendrge Folge des Systems der administrativen Centralisation zu betrach- 30 ten und von demselben untrennbar, weil in einem solchen Staate alle Geschäfte durch Individuen besorgt werden, welche sich ausschließlich mit dem Staatsdienste beschäftigen, und daher durch den Staat erhalten wer¬ den nüssen; weil ferner die Kontrole, welche da, wo ein bedeutender Theil der eschäfte dem Bezirke und der Gemeinde überlassen ist, ohne Schwie- rigkc t und fast ohne Ausgaben geschieht, in centralisirten Staaten eine ungeheure Menge von Beamten nothwendig macht, die sich gegenseitig über¬ wachen, und, so vollkommen man diesen Theil der Verwaltung auch einrich¬ ten mag, am Ende doch höchstens für die Richtigkeit der Rechnungen eine Garantie bieten; und endlich, weil sehr viele Geschäfte, welche durch einen einfachen Vergleich oder die Entscheidung der Ortsbehörden abgethan wer¬ den könnten, in solchen bureaukratischen Staaten eine Masse von Förm¬ lichkeiten erfordern, welche schon wegen der den Parteien zu bietenden Garantie nicht zu vermeiden sind. Centralisation macht die Regierung nothwendig theuer und kostspielig. 3. Die Centralisation ist auch von den größten Politikern bereits verurtheilt. Wie schon bemerkt, hat die Centralisation in Frankreich die tiefsten und ausgedehntesten Wurzeln geschlagen, ihre Tätig¬ keit am längsten und ausgiebigsten entfalten und ihre Wirkungen am deut¬ lichsten äußern können. Darum ist es am sichersten und richtigsten, das Nrtheil der Franzosen über die Centralisation zu hören und zu beherzigen. Es läßt sich zwar nicht läugnen, daß die Centralisation in Frankreich noch zahlreiche Anhänger zählt und die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung für sich hat. Aber darüber darf man sich nicht wundern, wenn man bedenkt, daß an die Centralisation die glorreichen Erinnerungen des Kaiser¬ reiches sich knüpfen, und daß in keinem Volke der Erde das Gefühl der Einheit und das Streben nach Macht so scharf ausgeprägt ist, wie in dem französischen. Doch beginnen sich auch da Stimmen gegen die Centrali¬ sation zu erheben, und besonders seit der letzten Revolution für die Decen- tralisation, für die alten Provinzen und ihre Rechte, für die Autonomie und Selbstverwaltung von Tag zu Tag immer zahlreicher zu werden. Und wenn man sich die Männer beschaut, welche für die Centralisation und welche gegen sie ihre Stimme erheben, so muß sich das Urtheil jeden¬ falls zu Gunsten der letzten: gestalten. Zu den Anhängern der Centrali¬ sation zählen vorzüglich die Ehrgeizigen, welche sich schon am Ministertische träumen und in dem Gedanken überglücklich fühlen, daß nach ihrem Takte Millionen Menschen an allen Enden des Reiches sich richten werden, und daß auch nicht die geringste Pfütze in einem Winkel des Staates gereinigt werden kann, ohne daß sie nicht davon wüßten und es billigten; — dann die Furchtsamen, welche den Einsturz der Welt befürchten, wenn nicht die Präfekten allgegenwärtig und die Minister allwissend wären, und überall und alles leiten und beschützen, berathen und bestätigen würden; — dann jene ins Papierregiment so verliebten Leute, daß sie selbst den Himmel ohne Registraturen und Protokolle sich unmöglich denken können; — und jene kalten, herzlosen Menschen, die gleichgiltig zusehen würden, wenn auch 31 die Steuern und Abgaben ins Unerschwingliche sich steigern würden, ! ' nur ihre Macht und Herrlichkeit im alten Strahlenglanze erscheint, sind bie Freunde der Centralisation in Frankreich, wer aber sind Gegner? Die konsequenten Liberalen, welche die Freiheit nicht blo sich, sondern für Alle wollen; — die edlen Menschenfreunde, welch Staatsaufwand herabsetzen und so die «Ltaatslasten vermindern wm und endlich die ehrlichen Konservativen, welche laut der Geschichte Centralisation als den Grund aller Unzufriedenheit, und somit als Quelle jener immer wiederkehrenden konvulsivischen Bewegungen des Sta> erkennen. Und wie lautet nun das Urtheil dieser Männer über die Cen lisation? „Die Centralisation macht aus der Freiheit eine Abstraction; Freiheit ist unter ihrer Herrschaft kein greifbares, wirkliches Ding, s dern ein Luftgebilde." „Die Centralisation vereinigt Alles auf einen einzigen Punkt: c Rechte und Interessen, alle Macht und allen Einfluß; sie zwingt dal auch jeden Einzelnen, sich unaufhörlich, auch bei dem geringsten Anlas nm diesen Punkt — die Regierung — zu bekümmern, sie zu beunruhigt aufzustören, zu gewinnen oder zu verderben." „Um das Recht einer einzelnen Gemeinde zu vertreten, muß nu sich im Centralisationssysteme erst mit der Regierung vieler Millionen Widerspruch setzen." „Die Centralisation regiert zu viel und verwaltet schlecht." „Ein centralisirter Staat von vielen Millionen Einwohnern ht denselben Sinn, wie Behaglichkeit mitten im dicken Gedränge." „Das Centralisationsshstcm und die Herrschaft der Bureaukratie sin gleichbedeutend." „Die Centralisation macht aus den Beamten gleichzeitig Götter uw Marionetten, Götter mit Rücksicht auf die Bürger, Marionetten in Bezuc auf die Minister." „Die Centralisation gewöhnt alle Beamte an Willenlosigkeit. Ohm höhere Instruktionen wagen sie sich kaum zu bewegen. In gewöhnlichen Zeiten machen sie den Geschäftsgang schleppend und kostspielig, in Tagen der Gefahr, wo es gilt, rasch und auf eigene Verantwortlichkeit zu han¬ deln, sind sie unnütz." „Im Centralisationssysteme müssen sich die Beamten mit Allem und Jedem beschäftigen, und haben daher für gar nichts rechte Zeit und Ernst." „Die Centralisation ist die Hauptquelle der Corruption, besonders bei den Kammerwahlcn. Deputirte und Regierung bedürfen einander gegen¬ seitig und verständigen sich auf Kosten — des Volkes." „Die Centralisation verewigt die Revolutionen. Weil die Regierung die Prätension hat, Alles zu thun, wird sie auch für Alles, selbst das Unverschuldete und Zufällige verantwortlich." 32 „Man vergiftet auf einmal viele Millionen, nur weil man sie zwingt, aus einem Brunnen zu trinken." „Der Preis der Regierung im centralisirten Frankreich beträgt für n einzelnen Kopf 40 Franks. Nicht weniger als 530,000 Beamte bilden das owerk der Centralisation! Jeder zehnte Franzose lebt immer auf ? -Uen des Budgets, d. h. auf Kosten des Volkes." Besonders scharf und klar hat sich der berühmte Redner D Joachim ntura in seinen vor dem Kaiser Napoleon im I. 1857 gehaltenen o mit ungeheurem Beifalle aufgenommeuen Konferenzreden über die Centralisation ausgesprochen. Cr sagt: „Das Heidenthum in der philoso¬ phischen Welt ist nichts anders, als der Rationalismus oder die Ver¬ neinung aller Vernunft, alles Glaubens und aller Wahrheit; — in der moralischen Welt nichts anders, als der Sensualismus oder die Auf¬ hebung aller Tugend und aller Pflicht; — in der häuslichen Welt nichts anders, als der Individualismus oder die Zerstörung aller häuslichen Bande oder die Sklaverei der Familie, welche früher oder später auch im Staate zum Vorscheine kommt; —- in der ökonomischen Welt nicht anders, als Kommunismus oder vielmehr die Zerstückelung der Ländereien, das agrarische Gesetz und die Vernichtung alles Eigenthums; — in der bürgerlichen Welt nichts anders, als der Centralismus oder die Ver¬ schlingung aller untergeordneten Gewalten durch eine einzige höchste Ge¬ walt, welche sagt: „Der Staat bin ich"; — in der politischen Welt nichts anders, als der Despotismus oder die Laune, welche die Gerechtigkeit und die Kraft des Rechtes ersetzt; — in der internationalen Welt nichts anders, als der Vandalismus oder der Straßenraub nach einem gro¬ ßen Maßstabc, die Unterdrückung der schwachen Staaten durch die stär¬ ker« und die Vertilgung aller Nationalität; — und endlich in der reli¬ giösen Welt nichts anders, als der Cäsarismus oder die politische Ge¬ walt, welche sich aller Religion und alles Glaubens bemächtigt und dar¬ über nach Belieben verfügt, den Gedanken und das Gewissen beherrscht, alle menschliche Persönlichkeit erstickt und die Barbarei heraufbeschwört." Aber nicht blos die Gegner der Centralisation führen über sie eine solche Sprache, selbst Corin en in, ein enthusiastischer Anhänger des Centralisa- tionsshstems, mußte, als er ihre Wirkungen in Frankreich zusammenfaßte, gestehen, „daß sie in der Feudalzeit nur der Aristokratie, in der absoluten Monarchie dem Hofe, in der Republik dem Terrorismus, in der Kai¬ serzeit dem Despotismus, und seit der Restauration der ministerielle« Allmacht gedient habe." Wir übergehen die Stimmen der ersten Politi¬ ker aller übrigen Staaten und halten schon das Gesagte für hinreichend zur Verurtheiluug der Centralisation. Sie besteht zwar noch, aber nicht etwa aus innerer Nothwendigkeit, oder getragen von dem Vertrauen und der Liebe der Völker, sondern weil eine zähe Natur allem Bestehenden inwohlst das ihm das Leben fristet, wenn auch sein Lebenskern schon ausgehöhlt ist Somit ist über die Centralisation das Urtheil gesprochen, und der Stab gebrochen, und zwar nicht von einzelnen Theoretikern, sondern von 33 der Geschichte: Die Centralisation in der Verwaltung ist verdächtig in ihrem Ursprünge, traurig in ihren Wirkungen und verurtheilt von den größten Politikern. Gilt dies Urtheil in Rücksicht auf die Staaten im Allgemeinen, was sollen wir erst sagen in der Anwendung auf Oesterreich? Der österrei¬ chische Staat ist ein Ergebniß der Geschichte und wird nicht durch den Begriff der Einheit des Staates, sondern durch jene Macht zusammen¬ gehalten, welche das monarchische Prinzip in den einzelnen Provin¬ zen besitzt. Diese Macht des monarchischen Prinzips hängt mit der Ach¬ tung vor dem historischen Rechte zusammen. Jede Einrichtung also, wo¬ durch das Ansehen des historischen Rechtes untergraben wird, ist für Oester¬ reich unpassend, ein Unglück, ein Ruin. Nun aber hat sich in den ein¬ zelnen Theilen der Monarchie das Bewußtsein ihrer einstmaligen Selbst¬ ständigkeit lebhafter erhalten, als in den Provinzen anderer Staaten, und dieses Bewußtsein wurde bis in die neueste Zeit herab durch Institutionen genährt und befestiget, wie z. B. durch die besondere Krönung und Huldi¬ gung in den einzelnen Ländern, durch eigene Hofämtcr, durch Land¬ stände u. s. w. Wer also an diesem eingewurzelten und berechtigten Be¬ wußtsein der provinziellen Autonomie und Selbstständigkeit rüttelt, der unterwühlt das historische Recht, worauf eben das monarchische Prinzip sich stützt, und ist somit ein Hauptfeind der Monarchie. Ferners hat Oesterreich in seinem Umfange viele durch Sprache, Gebräuche, Bildung und Religion verschiedene Nationalitäten und es dürfte, wenn nicht eine reine Unmöglichkeit, so doch gewiß eine riesenhaste Arbeit und ein sehr gewagtes, schon öfters versuchtes, aber immer noch mi߬ glücktes Experiment sein, alle diese verschiedenen, und eben jetzt in neuester Zeit zum Bewußtsein und Leben erwachten Nationalitäten niederzuhalten, in einen großen Schmelztiegel zu werfen, und ein neues Volk daraus zu fabriziren. In Oesterreich ist eine administrative Centralisation unge¬ schichtlich und geradezu unmöglich. Hören wir, was darüber ein im kon¬ servativen, katholischen und gut österreichischen Sinne redigirtes Wiener Blatt schreibt. Die „Volksstimme" (nicht die Grazer-, sondern die Wiener) schreibt am 3. Dezember 1861 unter dem Titel: „Ist wirk¬ lich nur die Centralis«: 'on die Rettung Oesterreichs?" „Wir lassen einen Sc>r nzer Republikaner auf diese unsere Lebens¬ frage antworten, nämlich den Grafen Scherer von Luzern, und Jeder, der seine Antwort gelesen und überlegt haben wird, wird sich auch geste¬ hen müssen, daß seine Worte in Wahrheit mehr denn leere Fräsen oder beißendes Gespötte eines Liberalen stien, mittelst welchen man in jüngster Zeit ebenfalls angefangen hat, den Widerstand zu brechen, der sich in Oesterreich allerwärts gegen die Gleichmacherei zeigt. Allerdings, wer den gesunden Sinn der Völker Oesterreichs, vermöge welchen sie aus sich selbst, jedes in seiner Weise, zur Wohlfahrt des Ganzen auch etwas bei¬ tragen können und werden, für eine Chimäre hält; wer in den: sich Regen und Streben der verschiedenen Völker Oesterreichs und in der Unzusrieden- 3 34 heit derselben mit dem einen Theile der Reichsraths-Abgeordneten nur Nationalitätenschwindel zu sehen vermag, dem mag es freilich bei den starken Lebensäußerungen so unheimlich werden, daß er gleich der inspi- rirten Seherin von Delphi bei solchen Erscheinungen nur das Ausein- anderfalleu Oesterreichs zu verkünden vermag, und darum im Uebermaß von „Patriotismus aus dem Jahre 1861" die Staatsgewalt, wenn auch nicht in der Form Bachs, sondern in der einer Reichsrathsmajorität auf¬ ruft, damit doch endlich die große Schaar von „Agitatoren" niedergehalteu werde. Will man daran nicht glauben, daß auch in einem andern Reiche und nicht nur in Oesterreich, nach zehnjährigem Drucke ein starker Gegen¬ druck erfolgen müsse; daß kein absolutistisch regiertes Volk, wenn einmal mit der Verfassung beglückt, sich alsogleich des rechten Maßes im Ge¬ brauche seiner Freiheit bewußt sei, will man auch nicht daran glauben, daß selbst eine Verfassung nicht abseits vom Volke erlassen und nicht ohne Würdigung und Anerkennung der Bedürfnisse eines Volkes ausgebaut werden könne, und kann sich mit dem Grundsätze nicht vertraut machen, daß selbst eine Verfassung nothwendig Widerwillen erzeugen müsse, die nicht an's Leben, an die Ueberzeugungen und Bedürfnisse des Volkes sich lehnt, so müßte man doch zugeben, daß auch diese neue Art von Centra- lisation, die so viele Lobredner findet, nicht auf heimischem Boden gewachsen ist, sondern gerade von dort herstammt, von wo man den Nationalitäten¬ schwindel kommen läßt — von Frankreich; ja in Frankreich steht die Centralisation in vollster Blüte, und wir stehen nicht an zu behaupten, daß es in Oesterreich nicht so schlimm stünde, hätte man sich nicht gar so sehr ins Centralistom verliebt. Vor diesen Uniformirungsgelüsten oder Schwin¬ del warnt der Graf Scherer; er schreibt: Habsburg, der ritterliche Sitz des österreichischen Kaiserhauses, und das Grütli, die Wiege der Schweizer Eidgenossenschaft, liegen beide am Ufer des wunderschönen Vierwaldstädter-See's, die denkwürdigen Geburts¬ stätten der großen Monarchie und der kleinen Republik werden von de» Wogen des gleichen See's bespült; in der Natur und Geschichte beider Staaten, obschon sie in ihrem Ursprung feindlich sich gegenüber standen und bis lang entgegengesetzte Richtungen verfolgten, besteht dennoch eine lehrreiche Verwandtschaft. Die Natur und Geschichte beider Staaten lehrt, daß Einheit mit Einigkeit nicht zu verwechseln, ja daß es oft kein größeres Hinderniß für die Einigkeit eines Staates gibt, als die erzwungene Einförmigkeit. Die schweizerische Einigkeit gegenüber dem Ausland ist sprüchwort lich; wenn wir auch unsere innern Differenzen haben, so findet uns das Ausland sich gegenüber doch einig. Und diese Einigkeit hat bestanden und sie besteht, obschon die Schweiz dem Prinzip des Föderalismus hul¬ digt, obschon unser Staatsgebäude aus 22 selbstständigen Kantonen zusam¬ mengesetzt ist, von denen jeder seine eigene Regierung, seine eigene Civil-, Kriminal- und Polizeigesetzgebung, seine eigene Gerichtsbarkeit, seine eigenen Finanzen, sein eigenes Steuerwesen, sogar seine eigene Sprache (Idiom) 35 und seine eigene Volkstracht rc. rc. besitzt. Diese Einigkeit hat bestanden zur Wiegenzeit, als keine Centralbehörde die einzelnen Kantone umschlang, sondern nur in Tagen der Noch vorübergehende Zusammentritte der Eid¬ genossen stattfanden, ja gerade zu dieser Zeit war die Kraft der schweizeri¬ schen Einigkeit am größten, wie dies die Schlachtfelder zu Morgarten, Sempach, Näfels, Laupen, Dornek, St. Jakob rc. bewiesen. Diese Einig¬ keit hat bestanden zur Zeit, als periodisch wiederkehrende Tagsatzungen und Vororte dem föderalen Staatsleben mehr Form gaben. Diese Einig¬ keit besteht auch zur Stunde, wo ein permanenter Bundesrath die Rechte und Interessen der Schweiz dem Ausland gegenüber, also in diplomati¬ scher, militärischer, handelspolitischer, internationaler Beziehung vertritt, wo aber die Souveränitätsrechte den einzelnen Kantonen bezüglich der innern Verwaltung gewahrt sind. Einigkeit hat nur in einer Epoche nicht bestan¬ den, es war, als die Schweiz, dem Schwindel des XVIII. Jahrhunderts und dem Drucke der einen und untheilbarcn französischen Republik folgend, dem Föderalismus untreu wurde, die fünfhundertjährige Souveränität und Autonomie der Kantone umstürzte, und auf deren Trümmern den Einheits¬ staat, die „eine unthcilbare, helvetische Republik" cinführte; und in dieser Epoche der sogenannten „Einheit" der erzwungenen, erkünstelten „Einför¬ migkeit" des „Unitarismus", da war die Schweiz uneinig im Innern und nach Außen, da wurde ihr jungfräulicher Boden durch französische Bajonette entehrt, da fiel die Schweizer-Republik zur Vasalliu Frankreichs herab. Auch Oesterreich bildet gemäß seiner Natur und Geschichte eine Föderativ-Monarchie, die ihr Grütli in Habsburg hat. Trotz der Ver¬ schiedenheit der Sprache, der Sitten, des Charakters, der Kultur seiner Völker, trotz seiner Vielförmigkeit hat es Oesterreich doch nicht an der Einigkeit gefehlt, um sich nach und nach durch Verträge und Allianzen auf rechtlichem, föderativem Wege zur europäischen Großmacht zu erschwin¬ gen. Ja gerade in dieser föderativen Grundlage bestand die Möglichkeit und Kraft seiner Ausdehnung, seines Aufschwungs, seiner Gipfelung zum h. römischen Reich, weil „in diesem Reiche, wie Geheimrath von Ringeis in seinem Spruche zu München treffend bemerkte, „das angeborne Recht eines Jeden geachtet und daher in demselben Platz für Alle, selbst für Republiken war." Die Kraft und die Einigkeit Oesterreichs hat dagegen immer Ein¬ buße gelitten, wenn dasselbe an die Stelle der innern Einigkeit eine for¬ melle Einheit, an die Stelle der naturwüchsigen Selbstgestaltung eine künstliche Einförmigkeit, an die Stelle des Föderalismus den Unitarismus setzen wollte. — Warum hat, um ein Beispiel anzuführen, Oesterreich seinen Stammsitz, seine Habsburgen am Vierwaldstättersee und im Aargau verloren? Weil es die Waldstätter unitarisiren wollte. — Warum hat es im verflossenen Jahrhundert die Niederlande eingebüßt und Tirol sich ent¬ fremdet? Weil es aus Unitarismus alle seine Völker gleichförmig machen wollte. — Und wenn heutzutage eine Gefahr den österreichischen Kaiser¬ staat bedroht, so liegt diese nicht in äußeren Verhältnissen, selbst nicht in 3« 36 seiner inneren Finanzlage, der wahre Feind steckt in dem Unitarismus, welcher absichtlich oder unabsichtlich, bewußt oder unbewußt, die durch Natur und Geschichte, oder richtiger zu sprechen, die durch die göttliche Vorsehung dem Kaiserstaat gegebene rechtliche Grundlage zerstört, um an dessen Stelle ein erkünsteltes, erzwungenes Staats-Phantom zu setzen, das, indem es aus allen Völkern des Kaiserstaates nur eiu Volk machen will, alle diese Völker dem Kaiser und dem Kaiserstaate entfremdet, und im Namen der Einheit nur Uneinigkeit in die Monarchie wirft. Wo in aller Welt stecken vernünftige, gewissenhafte Männer eine Stadt in Brand, nur um auf den Trümmern gleichförmige Häuser und gleichförmige Gassen erbauen zu können? Der vernünftige Baukünstler sucht allerdings die Unregelmäßigkeiten einer Stadt nach Umständen zu heben, er sucht auch die äußere Form und Gestalt derselben nach dem Bedürfnisse der Zeit zu verbessern; aber er hütet sich, deswegen zur Brandfackel zu greifen und zum Mordbrenner am Leben und Gut der Bürger zu werden. Wie mit dem Städtebau, so verhält es sich gewisser¬ maßen mit dem Staatsbau; oder was wagt der Unitarismus anderes, als die historischen Rechte, das Leben und Heil der einzelnen Stämme, Völkerschaften, Korporationen eines Reiches zu zerstören, um auf deren Ruinen seinen Einheitsstaat zu erbauen, in welchem nur Gleichförmigkeit der Unzufriedenheit und Einheit des Elends herrschen kann? „Viribus uuitis!" Wahrlich in diesem Wahlspruch, den Franz Jo¬ seph I. sich erkoren, liegt eine große Bedeutung und ein tiefer Sinn. „Viribus«, nicht „viris uuitis", „mit vereinigten Kräften", nicht „mit ver- einförmigten Männern", lautet der kaiserliche Spruch. Die Kräfte der Monarchie sollen geeinigt, aber nicht die Menschen und Völker vereinför- migt werden. Der gesunde Sinn des jugendlich-ritterlichen Kaisers hat durchschaut, daß, gleichwie es unzweckmäßig wäre, die Köpfe aller Men¬ schen unter einen Hut zu bringen, und Alle, Groß und Klein, mit einem und demselben Kleide bedecken zu wollen, es ebenso unzweckmäßig wäre, alle Völker, Stämme, Korporationen, Gemeinden, Individuen des Kaiser¬ reiches unter den gleichen Hut eines gleichförmigen unitaristischen Regi¬ ments stecken zu wollen. Das wäre eine Zwangsjacke, wie sie allenfalls für Bösewichte und Irrsinnige, aber nicht für die getreuen Völker eines väterlich gesinnten Fürsten passen könnte. Daher „viribus" und nicht „viris uuitis.« Ruhm und Ehre dem erhabenen Kaiser für den Staatsakt vow 20. Oktober 1860, Heil und Segen dem Kaiserreiche, das auf einer neuen, geschichtlichen und natürlichen Grundlage aufgebaut wird! 37 Das Budget und der Reichsrath. Seit langer Zeit brachten die Wiener-Blätter die verschiedensten Gerüchte über die Vorlage des Staats-Budgets vor den Reichs-Rath. Es gibt kein Blatt, das nicht irgend ein Gerücht in dieser Angelegenheit gebracht hätte, und zwar Jedes aus der „besten Quelle". Es hat den Anschein, daß sich das Ministerium selbst in dieser Frage lange nicht einigen konnte. — Viel Wahrscheinlichkeit hat das Ge¬ rücht, daß der Finanzminister Herr Plen er selbst sich sträubte, seine Finanz- Voranschläge dem Reichsrathe vorzulegen, da hingegen der Staatsminister Herr Schmerling auf jeden Fall das Staatsbudget unserem Parlament vorgelegt wissen wollte. Wir glauben es gerne, daß der Finanzminister wenig Behagen darin findet, im Reichsrathe den Standpunkt der Regierung mit Rücksicht auf die finanzielle Gebarung zu vertheidigen; denn bereits im verstärkten Reichsrathe vom Jahre 1860 mußte er es erfahren, wie undankbar diese Aufgabe ist und hat deßhalb allen Grund, einer wiederholten öffentlichen Beleuchtung unserer traurigen Finanzlage der ständigen Defizite und des verlorenen Vertrauens auszuweichen. Das leidige Defizit steckt wie ein veraltetes unheilbares Siechthum im österreichischen Staatskörper; denn vom Jahre 1782 an gingen alle Staas-Rechnungs-Abschlüße auf ein De¬ fizit hinaus. Eine ehrenvolle Ausnahme machte nur das Jahr 1817, welches in der Staatskasse einen Ueberschuß von 11 Millionen Gulden aufwies. Unsere Finanzminister zeichneten sehr häufig unsere Finanzen im rosigsten Lichte, und sprachen stets von unerschöpflichen Finanzquellen, welche Oesterreich in seinem Schooße birgt; nur schade, daß es bisher noch Niemanden gelang, jenes Zauberstäbchen zu finden, welches die uner¬ schöpflichen Finanzquellen in den Staatsschatz zauberte. Trotz diesen un- versieglichen Quellen war die Staatskasse in den letzteu Jahren sehr häu¬ fig leer und die Rechnungs-Ausweise endigten immer mit namhaftem De¬ fizit, zu Metternichs-Zeiten im jährlichen Durchschnitte bei 20 Millionen Gulden und in den letzten Jahren, wo von der „Neugestaltung" Oester¬ reichs so viel die Rede war, wuchs auch der jährliche Abgang und er betrug im Jahre 1848 81 Mill, fl., 1849 154 Mill, fl., 1850 71 Mill, fl., 1851 71. Mill, fl., 1852 79 Mill, fl., 1853 83 Mill, fl., 1854 157 Mill, fl., 1855 158 Mill, fl., 1856 81 Mill, fl., 1857 53 Mill, fl., 1858 51 Mill, fl., 1859 280 Mill.fl., 1860 65 Mill, fl., 1861 110 Mill, fl., 1862 110 Mill. fl. Wie es die Commission des verstärkten Reichsrathes nachgewiesen hat, wurden in den abgelaufenen 10 Jahren um 800 Mill. fl. mehr an Steuern eingehoben, die Staatsschulden um 1300 Mill, erhöht und um 100 Mill. Staats-Güter verkauft. 38 Welche ungeheure Summen die Völker Oesterreichs in dieser Periode durch die unglückliche Finanzlage und hauptsächlich durch das Agio ver¬ loren, läßt sich gar nicht berechnen. Bach's Centralisirungs- und Germa- nisirungs - Versuche haben einen schönen Theil der Staats-Einnahmen verschlungen. Aus diesem Grunde dürfen wir uns nicht wundern, daß unser Mi¬ nisterium mit den Finanz-Vorlagen in Verlegenheit war, daß es sich in dieser Angelegenheit nicht einigen konnte und sich auch nicht sonderlich beeilen wollte, das ganze Bild unserer Finanzen in seiner unverhüllten Blöße vor den Augen Europa's zu enthüllen. Dieser wichtige Schritt geschah nun am 17. Dezember l. I., die vielbesprochenen Finanzvorlagen sind erfolgt. Staatsminister v. Schmer¬ ling leitete die Budgetvorlage mit einer Botschaft im Namen Sr. Majestät ein. Es herrschte während des ganzen Vortrages eine tiefe Stille, die nur bei zwei Stellen durch schüchterne Beifallszeichen ans dem linken Centrum unterbrochen wurde. Es ist lehrreich und interessant, wie der Herr Staatsminister diesen Schritt der Regierung vom staatsrecht¬ lichen Gesichtspunkte aus rechtfertigte. Nachdem er dargethan, daß der im Z. 13 des Grundgesetzes vor¬ gesehene Fall vorhanden sei, woraus für die Regierung das Recht ent¬ springt, den Staatsvoranschlag für das Jahr 1862 im Verordnungswege festznstellen, fährt er weiter fort: „Das Ministerium kann nicht umhin, dieses verfassungsmäßige Recht Sr. Majestät mittelst unumwundener und offener Erklärung aus¬ drücklich und förmlich zu constatiren. Se. Majestät wollen jedoch in Angelegenheiten, die in der Regel der Mitwirkung eines anderen Factors der Gesetzgebung bedürfen, aus der zeitweiligen Verzögerung in der Vervollständigung jenes Organes, welches bei der Feststellung des Staatsvoranschlages seine Zustimmung als eine grundgesetzliche Befugniß ansprechen könnte, nicht die Consequenz der Berechtigung uneingeschränkten Vorgehens, wenngleich dasselbe ver¬ fassungsmäßig wohlbegründet wäre, ziehen; — vielmehr legen Se. Ma¬ jestät hohen Werth darauf, daß, nachdem die constitutionelle Bahn betre¬ ten worden ist, nunmehr auch schon bei dem ersten, seitdem in Wirksam¬ keit tretenden Staatsvoranschlage jene öffentliche und freie Prüfung statt¬ finde, aus welcher einerseits jede mögliche Garantie sorgfältiger Wahr¬ nehmung der verschiedenartigen Interessen Aller entspringen, andererseits der Regierung ein Zuwachs an Vertrauen in die Aufrichtigkeit ihrer Ab¬ sichten und Bestrebungen zu Gute kommen soll. Insbesondere wurde der Umstand erwogen, daß sich unsere verfas¬ sungsmäßigen Zustände im Stadium der ersten Entwicklung befinden, und daß, insofern die Behandlung des Voranschlages von Seite des vollstän¬ dig constituirten Reichsrathes noch durch unerläßliche Vorbereitungen anf- gehalten ist, doch wenigstens nicht unterlassen werden soll, das zu thun, was nach der Lage der Dinge zweckmäßig gethan werden kann. 39 Da demnach Sr. Majestät getreue Völker jener Königreiche und Länder, deren Abgeordnete verfassungsmäßig und vertrauensvoll entsendet worden sind, mit gutem Grunde, gestützt sowohl auf das Einberufungs¬ patent vom 26. Februar, als auch auf Sr. Majestät Thronrede vom 1. Mai V. I. der Erwartung Raum geben dürfen, daß sie nicht um solcher Hindernisse willen, welche außerhalb ihres Verschuldens liegen, in der Ausübung ihrer wichtigsten, durch die Grundgesetze übertragenen und mit dem Wohlstände des Einzelnen wie mit der Macht des Gesammtstaates in gleich naher Beziehung stehenden Rechte eine empfindliche Beeinträchti¬ gung erleiden und dadurch jenen Königreichen und Ländern gleichgestellt werden, in welchen, nach Lage der Dinge, Sr. Majestät Vorbehalten blei¬ ben muß, im Verordnungswege vorzugehen, und da die Regierung von der Ueberzengung ausgeht, daß weder in den Worten, noch im Geiste der Verfassung eine Bestimmung liege, welche Se. Majestät hinderte, in dem auö dem K. 13 des Grundgesetzes entspringenden subsidiarischen Rechte der Feststellung des fraglichen Budgets eine freiwillige Einschränkung für den einzelnen vorliegenden Fall eintreten zu lassen; indem diese freiwillige Einschränkung vielmehr eine neuerliche Bethätigung des allerhöchsten Wil¬ lens ist, selbst dann im Geiste des constitutionellen Princips vorzugehen, wenn die grundgesetzlichen Bestimmungen eine Ausnahme von der Regel gestatten würden: haben Se. Majestät, diese Betrachtungen rechtlicher und politischer Natur als vollkommen gegründet anerkennend, Allerhöchst Ihr Ministerium zu ermächtigen und zu beauftragen geruht: Den Staatsvor¬ anschlag für das Jahr 1862 und die Resultate der Finanzgebarung im Jahre 1860 nebst den damit in Zusammenhang stehenden Finanzvorlagen ausnahmweise dem gegenwärtig tagenden Reichsrathe ohne Gefährde rück¬ sichtlich der künftigen Behandlung der finanziellen Reichsangelegenheiten und mit dem Beifügen vorzulegen, daß Se. Majestät der verfassungs¬ mäßigen Behandlung dieser Vorlagen bezüglich der hier vertretenen König¬ reiche und Länder für den jetzigen Ansnahmsfall dieselbe Wirkung ein¬ räumen wollen, welche den Beschlüßen des vollständig constituirten Reichs- rathes verfassungsmäßig zukommen würde." In dieser Mittheilung ist die Persönlichkeit des Monarchen in einer Weise in den Vordergrund gestellt, welche jede Kritik darüber auch in dem freisinnigst-constitutionellen Staate ausschließt. Wir konstatiren somit bloß die Thatfache, die vollzogen worden ist. Nach diesem Prolog des Staatsministers sprach nun der Finanzmi¬ nister, und entwickelte in einem über eine Stunde langen Vortrage das ernste Drama der österreichischen Finanzlage. Aus diesem Vortrage ersehen wir, daß sich das Deficit des Jahres 1860 auf 65 Millionen und jenes für das Jahr 1861 auf 110 Millionen Gulden belief. Nach dem Voranschlag für das Jahr 1862 beläuft sich das Erforderniß auf 354'/, Millionen Gulden, die Einnahme auf 296'/, Millionen, und das Deficit 110 Millionen. Diese Ziffern können natürlich auf keinen österreichischen 40 Unterthanen einen guten Eindruck machen; allein es mußte so kommen und gegen die Nothweudigkeit kämpft man vergebens. In der Erörterung der Frage über das Deficit machte die Erklärung des Finanzministers, daß weder eine Steuerreform, noch die Abschaffung gewisser Steuern und ihre Ersetzung durch andere, noch Ersparnisse und Reduktionen, noch eine Verminderung oder Beseitigung des Deficits in der laufenden Finanz-Periode möglich sei, einen peinlichen Eindruck. Darüber sagte der Herr Minister wörtlich: „Ich glaube hier die Erklärung vorausschicken zu müssen, daß ich die Maxime der ausschlie߬ lichen Bedeckung der Staats-Deficite durch fortwährendes neues Schul¬ denmachen für eine verderbliche halte (Bravo, Bewegung rechts), welche die Anbahnung der Ordnung im Staatshaushalte unmöglich macht, das allgemeine Vertrauen untergräbt, weil man damit das Vertrauen in die eigene Kraft und in die darin gelegene eigene Hilfe verläßt und sich da¬ durch selbst aufgibt. (Allgemeines Bravo.) Sparsamkeit, und wo diese ihre vernünftige Grenze gefunden hat, Bringung von Opfern, wie sie einem Patriotismus der That und nicht blos des Wortes ansteht, sind die Mittel, durch welche wir von der Krankheit unseres Staatsdeficits gesunden werden. (Bravo links und im Centrum.) Auch hier wird die Heilung nicht das Werk einer kurzen Zeit sein können; wir haben jedoch die Pflicht, keine Zeit zu verlieren, um die nach der Lage der Verhält¬ nisse möglichen Fortschritte zur Besserung einzuschlagen. Was nun die Bringung von Opfern durch die Staats-Angehörigen zur Deckung des Staatsdeficits anbelangt, so muß ich von vornherein mit aller Entschie¬ denheit jener gewissen Theorie entgegentreten, welche uns über das Ein¬ reißen einer allgemeinen Verarmung in Oesterreich belehren will, und ich vermag vielmehr die von allen Freunden und Kennern der Wahrheit ge¬ wiß getheilte Ueberzeugung auszusprechen, daß in den letzten zwei Decen- nien die Production, der Wohlstand und die Vermögenskraft in Oester¬ reich einen sehr erfreulichen Aufschwung genommen, und daß die Fähig¬ keit vorhanden ist, eine erhöhte Steuerleistung bei zweckmäßiger Anlage und gerechter Vertheilung zu vertragen. (Rufe links und im Cen¬ trum: „Ja!") Im Verlause seines Vortrages erklärte der Finanzminister, daß der Uebergang aus einer streng centralistischen in eine mehr autonome Ver¬ waltung die Fixirung eines Normal-Budgets unmöglich machte; diese Versicherung nahm die Rechte mit großer Verwunderung auf. Mit grö- ßerm Beifall wurde die Mittheilung der Grundsätze ausgenommen, welche bei der Erneuerung des Bankprivilegiums festgehalten werden sollen. Nach dem Vortrage wählte das Haus aus den Antrag des Freih. v. Pillersdorf einen Ausschuß aus neun Mitgliedern; von der rechten Seite wurden nur zwei Mitglieder in diesen Ausschuß gewählt, und einer davon, vr. PraLak, meldete seinen Austritt an. Nun haben wir somit eine Lebensfrage Oesterreichs vor dem hohen Abgeorduetenhause. Wir fragen vor Allem, was soll damit erreicht 41 werden, wenn der Neichsrath das Staats-Budget pro 1862 zur Berathung bringt? So viel uns bekannt, sind die Steuern pro 1862 mit Aller¬ höchstem Patent schon ausgeschrieben, von den niedern Stellen bereits berechnet, und werden von den Steuerämtern schon behoben. Wenn unser Reichsrath über die Einnahmen und Ausgaben vom 1.1862 Berathungen pflegt, so kommt er, wie das Sprichwort sagt, „mit dem Kreuze hinter der Leiches; während der zu diesem Zwecke zusammengesetzte Ausschuß diese Vorlage in Angriff nimmt, werden indessen einige Wochen verstreichen, die Debatte im Reichsrathe wird sich noch durch einige Wochen, vielleicht Monate hinausziehen, desgleichen auch im Herrenhause, so daß der Reichsraths¬ beschluß erst damals zur allerhöchsten Sanction unterbreitet werden kann, wenn schon die Steuern für den zweiten Semester 1862 nach den betref¬ fenden Allerhöchsten Patenten eingehoben werden; sonach ist nach unserem Dafürhalten die Berathung des Reichsrathes über diese Angelegenheit ganz fruchtlos. Schließlich wird auch der Reichsrath mit aller Gründ¬ lichkeit über das Budget berathen, wer bürgt dafür, daß seine Stimme auch gehört und sein Beschluß beachtet wird? Das Ministerium kann vermöge des Patentes, gestützt auf den Z. 13, ganz nach eigenem Ermessen handeln. Für die Finanzen Oesterreichs ist nach unserer Meinung nur auf zweifache Weise Heilung möglich: 1. müssen die Staatseinnahmen mit den Ausgaben ins Gleichgewicht gebracht werden, und 2. muß unserem Staat der Kredit zurückgewonnen werden. In beiden Fällen wird unser Reichsrath wenig wirken können. Die erste Frage ließe sich lösen entweder durch die Erhöhung der Steuern, oder durch Verminderung der Ausgaben. Bezüglich des. ersten Mittels halten wir es geradezu für unmöglich, daß unsere Steuern noch erhöht werden können, besonders jetzt, da die Kriegssteuerznschläge vom Jahre 1859 schon ganz in der Regel eingehoben werden, die doch ausdrücklich nur für die Dauer des Krieges eingeführt wurden und eine Summe von jährlich 36 Millionen Gulden ausmachen. Unsere Abgeordneten dürften sich kaum für eine Steuererhöhung entscheiden, auch würde ein solcher Beschluß mehr dem Reichsrathe schaden, als unfern Finanzverhältnissen auf die Beine helfen. Der Herr Finanzminister hat über die Leistungsfähigkeit Oesterreichs sehr optimistische Ansichten entwickelt, ja unter deni Beifallsrufe der Lin¬ ken und des Centrums entwickelt. Es ist uns sehr leid, daß wir diese rosenfarbene Anschauung nicht theilen können. Es ist schon diesseits der Leitha die Klage über große Lasten und Auflagen allgemein; doch nehmen wir an, daß hier noch mehr ertragen werden könnte, aber wie in den ungarischen Ländern, wo die landwirthschaftliche Produktion wegen Mangel an Kapital und Arbeitskräften, so wie durch die Höhe und unrichtige Ver¬ teilung der Grundsteuer in den letzten Jahren nicht zu-, sondern abge¬ nommen hat, und die Branntweinbrennerei, der Tabakbau und die Vieh¬ zucht einen großen Rückschritt gemacht hat. Es wird jedenfalls sehr schwer 42 gehen, für die Länge der Zeit auf diesem Wege Bedeutendes zu erzielen. Auch bezüglich der Verminderung der Ausgaben wird unser Reichs¬ rath kaum etwas Nachhaltiges bewirken können. Von den jährlichen Staats¬ einkünften pr. 300 Mill. fl. werden 120 Mill, auf Interessen und Tilgung der Staatsschulden verwendet; fast die Hälfte der Einnahmen consummirt das Militäretat, das sich im Jahre 1859 auf 300 Mill., im I. 1860 auf 108 Mill, und im I. 1862 auf 134 Mill. fl. bezifferte. Diese beiden Rubriken verschlingen den größten Theil aller Einkünfte. Die übrigen Ausgaben, und zwar für den kaiserlichen Hof und die Civilliste 6 Mill.; Ministerium des Aeußern 2'/, Mill.; des Innern 37 Mill.; Finanzen 24 Mill.; Justiz 14 Mill.; Unterricht 5 Mill.; Polizei 8'/, Mill.; Controllsbehörden 3^ Mill.; im Ganzen beiläufig 100 Mill., lassen sich kaum mehr erniedrigen; denn die Beamtengehalte sind schon ohnehin so niedrig gestellt, daß eine Aufbesserung dringender wäre, als eine Herab¬ setzung; wollte man auch in einzelnen Zweigen Ersparnisse erzielen, Ware gewiß der Erfolg kaum der Rede Werth. Nur eine administrative Decen- tralisation und eine wahre Selbstverwaltung hätte eine Reduction des Beamtenheeres und somit eine Verminderung der Staatsausgaben zur Folge, wie es die gewiegtesten Männer auch in Kärnten erst unlängst offen ausgesprochen und veröffentlicht haben. Als Hauptrubriken stehen somit: Staatsschulden und der Krieg. Bei Staatsschulden geschieht manchmal eine Verminderung der Zin¬ sen, doch ist solches Gebühren nur dann gerecht und zu rechtfertigen, wenn den Gläubigern entweder das volle Kapital rückgezahlt wird, oder wenn sie dieses nicht wollten, wie es in England der Fall war, ihnen geringere Zinsen gegeben werden. Bei uns kann von einer Rückzahlung der Kapi¬ talien nicht die Rede sein, sowie auch nicht von einer Herabsetzung der Zinsen; bei den Staatsschulden ist keine Ersparung möglich. Im Militäretat sind allerdings Ersparnisse möglich; doch diese kann das Ministerium allein ohne Reichsrath einführen; in dieser Hinsicht dürfte ein guter Rath des Reichsrathes wenig verfangen. Schon im Jahre 1860 wurde im verstärkten Reichsrathe auf die großen Auslagen für das Mili¬ täretat hingewiesen, namentlich auf die allzu häufigen Pensionirungen der hohen Offiziere (denn nach der Berechnung des Grafen Barkoczy wurden auf Pensionen und Friedensanstellungen der Militär-Personen 17 Mill, verausgabt) und häufiger Truppendislocirungen. Aber der Vertreter des Armee-Obercommando hat diesem entgegen den Grundsatz vertheidigt, daß es zur Erhaltung des militärischen Geistes oft nothwendig ist, einen Offi¬ zier oft vor der Zeit zu pensiouiren und daß man die Standquartiere der Truppen auch öfter wechseln müsse; das Endresultat war eine Commission, welche die möglichen Ersparungen beantragen und die gegebenen guten Räche reiflich prüfen sollte. 43 Hatte nun der verstärkte Reichsrath mit allen Anträgen auf Ver¬ minderung der Auslagen für das Militäretat keinen Erfolg, wird es auch unser jetziger Reichsrath nicht um ein Haar weiter bringen; und das Endresultat dürfte wieder eine Commission sein, die unfern Finanzen so wenig aufhelfen wird, als die bereits zusammengestellten, deren Zahl bedeutend ist. Bezüglich der andern Frage, wie unserm Staate wieder Kredit zu verschaffen, bietet unser gegenwärtiger Reichsrath keine günstigen Auspicien. Nach den eigenen Worten des Herrn Finanzministers „können nur glück¬ liche politische Institutionen wieder dem Staatscredite auf¬ helfen", und unsere Finanzvcrlegenheiten werden sich nur dann günstiger gestalten, wenn es der Regierung gelingt, bei andern Mächten Sympathien und Allianzen zu gewinnen und die eigenen Völler im Innern zu befrie¬ digen, daß sie sich auf ihre patriotischen Gefühle verlassen darf. Mein unsere auswärtige Politik hat uns dahin gebracht, daß wir außer dem altersschwachen Sultan keinen Verbündeten mehr haben und im italieni¬ schen Kriege auch Deutschland uns im Stiche ließ, so daß wir im euro¬ päischen Concerte vereinzelt dastehen. Die innere Lage bedarf keiner Beschreibung. Nach allem bisher Erlebten müssen wir leider zweifeln, ob das Februar-Patent jene glückliche politische Institution ist, in welcher sich die Mehrzahl, der Völker Oesterreichs glücklich fühlt —- und welches deshalb auch auf den Stand der Finanzen keinen Einfluß hatte, obwohl es schon drei Viertel Jahr in Anwendung ist. Am Tage der Kundmachung des Februar-Patentes stand das Agio auf 37 Prozent und das Staatsanlehen 77, — heute ist das Agio 40—41 und das Nationalanlehen 81—82. Wenn sich die Anschauungsweise der nichtdeutschen Völker oder die Idee der Regierung betreffs des Februar-Patentes nicht vollkommen ändert, kann uns der gegenwärtige Reichsrath auch mit den Herren Brinz und Mühlfeld weder Kredit verschaffen, noch die Zwanziger zurückkehren machen, würden auch die Herren der Linken das Budget loben, die Steuern erhö¬ hen und eine Anleihe von 2000 Millionen beschließen. Möchte es doch gelingen, eine Vereinbarung zwischen der Regierung und den nichtdeutschen Völkern zu erzielen! Sonst bleibt die Lage unserer Finanzen ungeändert dieselbe. Liebe und Vertrauen der Völker rettet und hebt die Finanzen Oesterreichs. 44 Reichsrathsverhandlrmgerr. Nach einmonatlicher Vertagung trat am 4. November das Abge¬ ordnetenhaus wieder zusammen. Aber leider ist es wieder nur ein Bruch¬ stück der ganzen Volksvertretung, immer noch nur der engere Reichsrath, und nicht berechtigt, die wichtigsten, die Lebensfragen Oesterreichs in Verhandlung zu nehmen. Obenan steht Wohl die Finanzfrage, und bezüg¬ lich dieser brennenden Frage machte der Herr Finanzminister die „offizielle Mittheilung", daß die Steuerausschreibung für das Jahr 1862 ohne Mitwirkung des Reichsrathes geschehen mußte, und hatte für das hohe Haus nur den Trost beizusügen, daß der verfassungsmäßige Weg wenigstens insoweit nicht verlassen worden sei, als nur die alten, bisher bestandenen, und keine neuen Steuern ausgeschrieben wurden. Ein besserer Trost wäre freilich der gewesen, wenn der Herr Minister in der erfreuli¬ chen Lage gewesen wäre, zu sagen, daß der Kriegszuschlag im Jahre 1862 nicht mehr eingehoben wird. Dazu sind die Verhältnisse leider nicht angethan. An der Tagesordnung war Skene's Antrag auf Beseitigung des Genossenschaftszwanges. Das Gewerbegesetz vom LO.Dezem- ber 1859 macht den Eintritt in die Genossenschaft den Gewerbtreibenden zur Pflicht. Skene stellt nun den Antrag: daß die auf die Genossenschaf¬ ten bezüglichen KK. der Gewerbeordnung vom 20. Dezember 1859 und des damit zusammenhängenden Ministerial-Erlasses vom 17. Dez. 1860 außer Wirksamkeit zu treten haben, und daß dafür folgende Bestimmungen zur Geltung kommen sollen: 1. Den Gewerbetreibenden steht es frei, innerhalb der gesetzlichen Schranken zur Beförderung gewerblicher, wohlthätiger und gemeinnütziger Zwecke Genossenschaften zu bilden. 2. Durch die Errichtung von Genossenschaften darf für niemand der Antritt oder der Betrieb eines Gewerbes beschränkt werden. Im Verlaufe der Debatte zeigte sich das Haus in drei Lager ge¬ spalten: die einen — die Freiheitshelden um jeden Preis — waren für die Aufhebung jeden Zwanges; die zweiten waren für den Zunftzwang; die dritten waren für die Verweisung dieser Frage an die Landtage. Der Kampf war ein heißer, doch der Ausgang ein ganz eigenthümlicher. Nach Schluß der Generaldebatte hatte Skene einen Modifikationsantrag einge¬ bracht und das Haus ihn angenommen; so bekam die Spezialdebatte ein anderes Substrat, als auf welchem sich die Generaldebatte bewegt hatte; das Ergebniß am 12. November war nun, daß die Gewerbeordnung von dem für den Skene'schen Antrag ernannten Ausschuß revidirt, und die Genossenschaftsfrage nach dieser revidirten Gewerbeordnung behandelt wer- dm soll. — Die Genossenschaften sind bestimmt, die Ehre und die Sicherheit der Arbeit gegen die mächtigen Feinde der Freiheit und 45 Würde des Arbeiters zu wahren. Wenn die Arbeiter nicht eng zusam¬ menhalten, so werden die Feinde des Handwerkes ohne weiters Sieger. Das wäre ein Unglück für den Handwerkerstand und den Staat; darum scheint sich der Zunftzwang zu empfehlen. Doch wir werden diesen wich¬ tigen Gegenstand in besonder» leitenden Artikeln behandeln unter dem Titel: „Gott segne das ehrbare Handwerk!" In der Sitzung vom 30. November verlas der Herr Staats¬ minister das königliche Rescript auf die Adresse des kroatisch - slavonischen Landtages, dessen Inhalt bekannt ist. Hierauf motivirte Tüschek seinen Antrag auf die Un absetz bar- keit der Mitglieder des Richterstandes; wogegen der Herr Staats- ministcr erklärte, dem Antrag nicht eutgegentreten zu wollen, machte jedoch das Haus aufmerksam, daß es sich vor Kurzem gegen die stückweise Erle¬ digung der Gerichtsorganisationsfrage ausgesprochen habe. IU-. Mühl¬ feld betritt die Tribune und bringt einen Gesetzentwurf für die Wie¬ dereinführung der Schwurgerichte ein. Das Interesse der praktischen Strafgerichtspflege, die Rechtsbildung im Volke und die Erhaltung der politischen Rechte sind die Gründe für seinen Entwurf. Fast das ganze Haus zollte ihm Beifall. Minister Schmerling bezeichnet den Stand¬ punkt der Regierung in dieser Angelegenheit. Es sei fraglich, ob das Geschworneushstem in die Strafgesetzgebung vom I. 1853 passe. Die Regierung sei nicht gegen die Einführung der Schwurgerichte; doch müsse zuerst ein neues Strafgesetz ausgearbeitet werden, und dann sollen die einzelnen Landtage gefragt werden, ob sie Geschwornengerichte in ihren betreffenden Ländern für praktisch halten. Ueber diese föderalistische Aeuße- rung des Staatöministers hatte die Rechte natürlich ein schallendes Bravo. — Beide Anträge wurden je einem Ausschüsse überwiesen. Am 18. November kam das Gesetz zum Schutze des Brief¬ geheimnisses an die Tagesordnung. Es gibt wirklich noch Leute, die da zweifeln, und ganz im Ernste zweifeln, daß die Briese von andern Händen, als von den des Adressaten geöffnet worden sind. Staatsanwalt Mende gehört zu diesen glücklichen Gläubigen. Aber Kuranda belehrte ihn eines andern durch Anführung flagranter Beispiele. In der heuti¬ gen Sitzung entspann sich ein Kompetenzstreit und zwar nicht, wie gewöhn¬ lich, von der rechten Seite. Herr Ritter v. Tschadnsch nigg bestritt die Kompetenz des Hauses, den tz. 9 zu votiren, weil derselbe in die Grund¬ rechte gehöre. Die Verletzung des Briefgeheimnisses wird, wenn sie ab¬ sichtlich geschieht und nicht ohnehin unter das bestehende allgemeine Straf gesetz fällt, als eine Uebertretung, jedoch nur auf Verlangen des Bethei¬ ligten, mit Arrest bis zu 3 Monaten oder mit einer Geldstrafe bis 500 fl. bestraft. Ist der Thäter ein öffentlicher Beamter oder Diener rc. und hat er die Verletzung bei Ausübung seines Amtes oder Dienstes verübt, so wird die Handlung als Vergehen mit Arrest bis zu 6 Monaten bestraft, 46 und hat sie bei wiederholter Verurteilung noch kraft des Gesetzes die Amts- oder Dienstesentsetzung zur Folge. — Die Bestimmungen der Brief¬ postordnung bezüglich der Briefe, die den Adressaten nicht zugestellt werden können, desgleichen die Normen zu Gunsten des Lottogefälls und gegen Einschmuggelung auswärtiger Lose bleiben aufrecht. Es wird gewiß kein Verletzer des Briefgeheimnisses so perfid und unehrlich sein, und wird diese Umstände zu seiner Entschuldigung benützen, — und das „schwarze Bureau" ist nun für immer abgeschafft. Nachdem man nun die Sicherheit und Unverletzlichkeit der Briefe gewahrt, kommt am 20. November das Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit an die Tagesordnung. Dies Gesetz — eine Grundbedingung eines jeden wahrhaft konstitutionellen Staates, besteht in England unter dem Titel: „LubsuZ-Oorxus-^ets", und ist eine Schranke gegen die Willkür einzelner Menschen. Der ß. 1 wird nach kurzer Debatte in folgender Fassung ange¬ nommen : Die Freiheit der Person ist gegen alle Uebergriffe der Gewalt unter den Schutz der Gesetze gestellt. Abgeordneter Kl audi beantragt, daß zwischen §. 1 und 2 ein neuer Z. eingefügt werde, welcher lauten soll: Niemand kann seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Ausnahmsgerichte dürfen nicht stattfinden. lieber diesen Zusatz entspann sich eine heftige Debatte, welche die bereits bekannte Thatsache neuerdings bestätigte, daß die urit ihrem Libera¬ lismus so großthuende Linke nur scheinbar liberal ist; denn sie stimmte für den Ausnahmszustand, und vr. Brinz war fo offen und ehrlich, es gerade zu sagen, daß er den Antrag deshalb nicht unterstütze, weil er von der Rechten kommt. Sogar das vermittelnde Amendement des vr. Pracheusky, daß durch ein Gesetz bestimmt werden soll, inwiefern die Wirksamkeit der ordentlichen Gerichte suspendirt werden kann, fand vor der belagerungs¬ süchtigen, aber doch liberalen Linken keine Gnade und fiel. Die zwei ersten Paragraphe werden nun in folgender Fassung angenommen: Z. 1. Die Verhaftung einer Person darf daher nur kraft eines richterlichen, mit Gründen versehenen Befehls erfolgen. Dieser Befehl muß sogleich bei der Verhaftung oder doch innerhalb der nächste» 24 Stunden dem Verhafteten zugestellt werden. A. 2. Die zur Anhaltung berechtigten Organe der öffentlichen Gewalt dürfe» zwar in den vom Gesetze bestimmten Fällen eine Person in Verwahrung nehmen; sie müssen aber Jeden, den sic in Verwahrung genommen haben, innerhalb der nächste» 48 Stunden entweder frei lassen oder an die zuständige Behörde abliefern. Nach Z. 3 müssen die öffentlichen Organe jeden in BerwahrsaS Genommenen in den nächsten 48 Stunden entweder frei lassen, oder der zuständigen Behörde übergeben. Die zuständige Behörde ist jene, welcher nach Maßgabe des Falles die weitere Verhandlung zusteht. 47 Die M. 4 und 5 werden nach dem Ausschnßantrage angenommen und lauten: - . Z. 4. Niemand kann zum Aufenthalte in einem bestimmten Orte oder Gebrete ohne rechtlich begründete Verpflichtung verhalten (internirt, confinirt) werden. Ebenso darf Niemand außer den durch ein Gesetz bezeichneten Fällen aus cmem bestimmten Orte oder Gebiete ansgewiesen werden. z. 5. Jede in Ausübung des Amtes oder Dienstes gegen die vorstehenden Be¬ stimmungen vorgenommene Beschränkung der persönlichen Freiheit ist im Falle des bösen Vorsatzes als Verbrechen des Mißbrauches der Amtsgewalt, außerdem aber als ein Vergehen mit Arrest bis zu Einem Jahre und im Wiederholungsfälle auch mit Amts- vder Dienstentsetzung an dem Schuldtragenden zu bestrafen. Die nicht gehörige Mittheilung des richterlichen Befehles wird als Uebertretung mit Arrest bis zu einem Monate oder mit Geldstrafe bis 100 fl. ö. W. bestraft. Zu dem 8- 6, welcher nach dem Anträge des Ausschusses lautet: Jeder Angeschuldigte muß gegen Kaution oder Bürgschaft für eine vom Gerichte mit Rücksicht auf die Folgen der strafbaren Handlung, die Verhältnisse der Person des Verhafteten und das Vermögen des Sicherheitleistenden zu bestimmende Summe aus der Untersuchungshaft entlassen werden, in soferne nicht dringende Anzeichen eines Ver¬ brechens, dessen Begehung wenigstens mit fünfjähriger Kerkcrstrafe bedroht ist, vorliegen. Der höhere Gerichtshof kann auch im letzteren Falle die Versetzung aus freien Fuß verfügen, wurde der Zusatz des vr. Rechbauer angenommen: Die für die Fälle des tz. 156 lit. Id. St.-P.-O. bestimmte Untersuchungshaft kann durch die Leistung einer Kaution nicht beseitigt werden, dieselbe darf jedoch nie¬ mals die Dauer von 20 Tagen überschreiten, und ist nach Ablauf dieses Termins jeden¬ falls aufzuheben. Die Minister stimmten immer mit der Minorität. Die übrigen 88- werden in der Fassung des Ausschusses angenom¬ men und lauten: ß. 7. Die nur wegen des Verdachtes der Flucht (St.-P.-O. 151. a. 156 o.) verhängte vorläufige Verwahrung oder Untersuchungshaft muß gegen Kaution oder Bürgschaft für eine vom Gerichte mit Rücksicht auf die Folgen der strafbaren Handlung, die Verhält¬ nisse der Person des Verhafteten und das Vermögen des Sicherheitleistenden zu bestim¬ mende Summe unterbleiben oder aufgehoben werden, wenn der Angeschuldigte cs ver¬ langt und zugleich mittelst Handgelöbnisses verspricht, daß er sich bis zur Kundmachung des rechtskräftigen Enderkenntnisses von seinem Wohnorte ohne Genehmigung des Unter¬ suchungsrichters nicht entfernen, noch verborgen halten, noch auch die Untersuchung zu vereiteln suchen werde. Die Kautions- oder Bürgschaftssumme ist entweder in barem Gelde oder in auf den Ueberbringer lautenden österreichischen Staatsschuldverschreibungen, nach dem Bör- sencourse des Erlagstages berechnet, gerichtlich zu hinterlegen oder durch Pfandbestellung auf unbewegliche Güter oder durch taugliche Bürgen (A. 13,174. A. B. G.-B.), welche sich zugleich als Zahler verpflichten, sicherznstellen. ß. 8. Die Kautions- oder Bürgschaftssumme ist vom Gerichte für verfallen zn erklären, wenn sich der Angeschuldigte ohne Erlaubniß des Untersuchungsrichters von seinem Wohnorte entfernt und über die an ihn ergangene Vorladung, welche im Falle seiner Nichtauffindung in seiner Wohnung anzuschlagen ist, binnen 3 Tagen vor Gericht nicht erscheint. Dieses Erkenntnis; ist, sobald cs rechtskräftig geworden, gleich jedem Civilurtheile executionsfähig. Die verfallenen Sicherheitsbeträge sind an die Staatscasse abzuführen, doch hat der durch das Verbrechen oder Vergehen Beschädigte das Recht, zu verlangen, daß vor allem seine Entschädigungsansprüche darans befriedigt werden. 48 Z. 9. Wenn der Angeschulbigte nach gestatteter Freilassung Anstalten zur Flucht trifft, oder wenn neue Umstände Vorkommen, die seine Verhaftung erfordern, so hat ungeachtet der Sicherheitsleistung die Verhaftung desselben cinzutreten. Ist die Verhaftung in diesen Fällen erfolgt, so wird die Kautions- oder Bürg¬ schaftssumme frei. Dasselbe ist der Fall, sobald dem Angeschuldigten das rechtskräftige Erkenntniß kuudgemacbt ist. K. 10. Unter Beobachtung der vorstehenden, die Kauüons- oder Bürgschaftslei¬ stungen betreffenden Vorschriften kann die Belassung auf freiem Fuße oder die Versetzung auf denselben auch bei dringenden Anzeichen eines Verbrechens, welches wenigstens mit fünfjährigem Kerker bedroht ist, jedoch nur von dem höheren Gerichtshöfe bewilligt werden. Darauf beginnt die Berathung des Gesetzes zum Schutze des Hausrechtes. Bei der Generaldebatte betheiligten sich nur zwei Reduer, worauf die Spezialdebatte beginnt. ß. 1 lautet: Das Hausrecht ist gegen Uebergriffe der öffentlichen Gewalt unter den Schutz der Gesetze gestellt. Wird durch Majorität angeuonimen. Z. 2. Eine Hausdurchsuchung, d. i. die Durchsuchung der Wohnung oder sonsti¬ ger zum Hauswesen gehörigen Räumlichkeiten, darf daher nur kraft eines mit Gründen versehenen richterlichen Befehles unternommen werden. Dieser Befehl ist dem Bethei¬ ligten sogleich, oder doch innerhalb der nächsten 24 Stunden zuzustellen. Wird angenommen. K. 3. Zum Zwecke der Strafgerichtspflege kann bei Gefahr im Verzüge auch ohne richterlichen Befehl eine Hausdurchsuchung von Beamten der Sicherheitsbehörden oder Gemeindevorstehern angeordnet werden. Der zur Vornahme Abgeordnete ist mit einer schriftlichen Ermächtigung zu ver¬ sehen, welche er dem Betheiligten vorzuweisen hat. Zu demselben Zwecke kann eine Hausdurchsuchung auch durch die Sicherheits- behörde aus eigener Macht vorgenommen werden, wenn jemand auf der That betreten, durch öffentliche Nachtheile oder öffentlichen Ruf einer strafbaren Handlung verdächtig bezeichnet, oder im Besitze von Gegenständen betreten wird, welche auf die Betheiligung an einer solchen Hinweisen. In beiden Fällen ist dem Betheiligten sogleich, oder doch binnen der nächsten 24 Stunden die Bescheinigung über die Vornahme der Hausdurchsuchung und deren Gründe zuznstellen. vr. Haßmann glaubt, daß Alinea 3 zu eng gefaßt erscheint, weil sie nicht den Fall bezeichnet, daß die Sicherheitsbehörde in ein Haus dringen soll, wenn jemand, gegen den ein Verhafts- oder Vorführungs¬ befehl vorliegt, sich dort befinde, daher dieser Punkt einzuschalten ist. Der Z. 3 wird mit dem Amendement Haßmann's angenommen. ß. 4. Zum Behufe der polizeilichen und finanziellen Aussicht dürfen von den Organen derselben Hausdurchsuchungen nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen vorgenommen werden. Jedoch gelten auch hier die Vorschriften des vorhergehenden Paragraphes bezüglich der Ermächtigung zur Hausdurchsuchung und der Bescheinigung über deren Vornahme. Tasek findet, daß die bisherigen Anordnungen liberaler, als das vorgeschlagene Gesetz seien, daher sei auch nach den Worten „in den Fällen" 49 m sagen: „in dort vorgesehenen Modalitäten." Auch sei der zweite Satz des H. 4 nur auf die polizeiliche, nicht auf die finanzielle Durchsuchung zu beziehen. Der ß. 4 wird mit Tasek's Amendement angenommen. 8. 5 lautet nach dem Amendement Herbst: ß. 5. Jede in Ausübung des Amtes oder Dienstes gegen die vorstehenden Be¬ stimmungen'vorgenommene Verletzung des Hausrechtes ist im Falle des bösen Vorsatzes als das Verbrechen des Mißbrauches der Amtsgewalt, außerdem aber als Vergehen mit Arrest bis zu sechs Monaten zu bestrafen, die wiederholte Berurtheilung zieht Amts¬ und Dienstentlassung nach sich. Die Nichtbeobachtung der Vorschriften über die Mittherlung des richterlichen Be¬ fehles, über die Ermächtigung und deren Vorweisung, endlich über die Bescheinigung und deren Einhändigung wird als Uebertretung mit Arrest bis zu Einem Monate oder mit Geldstrafe bis 100 st. ö. W. bestraft. ß. 5 wird in dieser Fassung angenommen. 8. 6. Die Hausdurchsuchungen zum Behufe der Polizeilichen Aufsicht sind so wie jene zum Zwecke der Strafgcrichtspflege nach den Vorschriften der Strasprozeßordnnng vorzunehmen. Die Vornahme der Hausdurchsuchungen zum Behufe der finanziellen Aufsicht hat nach den Bestimmungen des Gefällsstrafgesetzes zu geschehen. K. 7. Bei jeder Hausdurchsuchung, bei welcher nichts Verdächtiges ermittelt wurde, ist dem Betheiligten auf sein Verlangen eine Bestätigung hierüber zu ertheilen. Zu diesen KZ. stellte der Abgeordnete Helcel folgenden Antrag: Keine öffentliche Behörde darf bei Nacht in irgend Jemands Haus eindringen, außer in folgenden Fällen: 1) wenn dem Hause Gefahr (z. B. Feuersgefahr) droht, 2) wenn ein Hilferuf ans demselben erschallt, 3) wenn ein auf frischer That ertappter Verbrecher sich in ein Haus geflüchtet hat. Gegen die Uebertretung dieser Bestimmung will der Antragsteller die Strafe des Mißbrauchs der Amtsgewalt androhen. Lieber bleibe ein kleiner Diebstahl unentdeckt, als daß durch eine nächtliche Hausdurchsuchung vieles Wehe in eine Familie kommt. Ich weiß Fälle, daß arme Frauen, Mütter und Töchter vor Schreck über eine solche nächtliche Hausdurchsuchung gestorben oder wahnsinnig geworden sind, wenn man Personen bei ihnen suchte, die vielleicht 40 Meilen vom Hause entfernt waren. Ferner wünscht Helcel, daß bei einer Hausdurchsuchung nicht blos der Grund, sondern auch der Gegenstand einer Hausdurchsuchung angegeben werden soll. Diese beiden gewiß humanen Anträge fanden nur auf der rechten Seite des Hauses Unterstützung. Es ist wirklich sehr bezeichnend, daß, sobald es sich um Einschränkung der Willkür und der im alten Systeme so oft mißbrauchten Polizeigewalt handelt, die als reactionär verschriene Rechte wie Ein Mann einsteht, die als liberal ausgeschriene Linke diese im Stich läßt. In der Sitzung vom 29. November stand an der Tagesordnung der Bericht des Gemeindeausschusses. Dieser hat der Dringlichkeit wegen die vom Herrenhause beantragten Aeuderungeu anzuuehmen befunden bis auf zwei, die ihm den wesentlichen Prinzipien des Gesetzes nahe zu treten schienen. Die eine Aenderung betrifft den Großgrundbesitz, die 4 50 andere die Berufung der Parteien gegen gesetzwidrige Verfügungen des Gemeindevorstandes an die Staatsbehörde. In der nächsten Sitzung vom 2. Dezember gelangte der Bericht des zur Vorberathung des Gesetzentwurfes über die Gerichts¬ organisation eingesetzten Ausschusses zur Tagesordnung; dieser Bericht enthält zwei Theile, in deren erstem er die gesetzliche Trennung der Justiz von der Verwaltung, im zweiten rücksichtlich der Uebertretungen die Zurück¬ gabe der Zuständigkeit an die Gerichte verlangt. In der Debatte über den ersten Theil standen sich auf dem Schlacht¬ felde zwei Heere von Juristen gegen einander. Auf der einen Seite stan¬ den die gelehrten Theoretiker und Professoren Herbst, Brinz, der größte Theil ihrer politischen Freunde und ein großer Theil der Polen; auf der andern Seite waren die in Kanzleien und Bureaux ergrauten Fachmänner: die Beamten der Linken und ein großer Theil der Adelspartei. Im Ver¬ laufe der Debatte wurde durch zahlreiche Beispiele und Fälle aus dem praktischen Leben das geheimnißvolle Dunkel der Bureaukratie-Wirthschaft beleuchtet. Zwischen diesen beiden in der Mitte stehen die Böhmen mit einem Theile der echt consequenten Linken. Als Redner dieser Letztem trat der Abgeordnete Hawelka von der Rechten auf. Er sprach ernste und tiefgefühlte Worte für den traurigen Stand der Justizmänner, belobte die bisherige Justiz, äußerte sich für das Princip der Trennung der Justiz von der Administration, erkannte jedoch in dem Ausschußantrage nur ein Palliativ, eine Halbheit, ein Provisorium, deren es ohnehin schon viele gibt; er beantragte eine gänzliche Organisation des Gerichtswesens, darum schlug er derzeit den Uebergang zur Tagesordnung vor. Auch Herr Minister Lasser sprach und befand sich dabei in seinem eigentlichen Fahrwasser. In seiner Rede bedauerte er, daß er die in Un; garn disponibel gewordenen fünfhundert Beamten diesseits der Leitha noch nicht unterbringen konnte. Wir haben schon oft die Lage aller Be¬ amten bedauert und unsere Stimme für sie erhoben; hier müssen wir wieder bemerken, daß die Lage unserer Beamten hiedurch noch bedauerungs- würdiger gemacht wird. Manchen dieser ungarischen, kroatischen rc. Beam¬ ten hat nur allzu ost eine auf schnelles, oft auch wirklich nur durch reine Protektion oder knechtische Wohldienerei erzieltes Avancement berechnete Speculation nach den-verschiedensten Ländern getrieben. Wenn nun diese unglücklichen Glücksritter wieder zurückkommen und unsere Beamten im Fortkommen hindern, so erscheint uns das nicht blos ein Unrecht, sondern auch als ein großes Unglück. Die Abstimmung über den ersten Theil erfolgte in der Sitzung vom 6. Dezember; da ereignete sich der Fall, daß die Böhmen mit den Ministeriellen stimmten. Darauf schritt man zur Behandlung des zweiten Theiles des Ent¬ wurfes, betreffend die Zuständigkeit der Gerichte bei Uebertretungen, wobei nach kurzer Debatte der Ausschußantrag in folgender Fassung angenom¬ men wurde: L. 1. Die Gerichtsbarkeit über alle im allgemeinen Strafgesetze vom 27. Mar 1852 als Übertretungen erklärten strafbaren Handlungen — mit Ausnahme der in der Ministerialverordnung von, 2. April 1858, Z. 51 R. G. Bl. bezeichneten — steht den Gerichten zu, und ist dabei nach Vorschrift der Strafprozeßordnung vom 29. Juli 18c>3 zu verfahren. gxgMwärtige Verordnung den Gerichten zugewiesene Com- petenz ist auch auf früher begangene Uebertretungen anwendbar, in so ferne letztere beim Beginne der Wirksamkeit dieser Verordnung den politischen ober Polizeibehörden nicht angezcigt waren oder in so ferne über die geschehene Anzeige noch keine Vorladung erfolgt war. .... K. 3. Das Staatsmiuisterium, das Justiz- und Pokzenmmstermm werden mit der Durchführung dieses Gesetzes beauftragt. Am 9. Dezember kam wieder ein Fundamentalgesetz des konsti¬ tutionellen Lebens an die Tagesordnung, nämlich das Preßgesetz. Bei der Debatte über das Gesetz erlag das Ministerium vollkommen, nicht ein ein¬ ziges ministerielles Amendement konnte durchgebracht werden; hingegen wurden die vorzüglich von der rechten Seite eingcbrachten Verbesserungs- anträge mit großer Majorität angenommen. Mit sichtbarer Eile und ent¬ schiedener Haltung wurde am 13. Dezember die Debatte über das Preßgesetz zu Ende gebracht. Glück aus im Herrenhause! Nach Erledigung des Preßgesetzes kam das Gemeind egesetz zur dritten Lesung. Bekanntlich hat das Herrenhaus zu Artikel 16 einen Zusatz beschlossen, welcher der Regierung das Recht zuerkennt, gegen gesetz¬ widrige Verfügungen der Gemeindebehörden, sie mögen auf was immer für eine Art zu ihrer Kenntniß kommen, von sich aus einzuschreiten. Der Ausschuß des Abgeordnetenhauses hat die Ablehnung dieses Zusatzes ein¬ stimmig beschlossen; aber was dafür zu setzen, darüber bildeten sich zwei Parteien. Die Minorität wollte, daß der Art. 16 wie er vom Abgeord¬ netenhaus beschlossen wurde, aufrecht erhalten werde. Die Majorität des Ausschusses beantragte, um das Zustandekommen des Gesetzes nicht zu verzögern, folgenden Zusatz: Die Staatsbehörde ist berechtigt und verpflichtet, gegen Verfügungen, wodurch bestehende Gesetze verletzt werden, im gesetzlichen Wege durch die Gemeindevertretung, und nur wenn Gefahr im Verzüge ist — unmittelbar Abhilfe zu treffen. Das Abgeordnetenhaus hat den Majoritätsautrag angenommen und so seinen früher«, einstimmig gefaßten Beschluß umgestoßen, aber gewiß nicht zum Wohle der freien Gemeinde. Es wird der Behörde in Zukunft leicht werden, in die Gemeinde nach Belieben einzugreifen. Die rechte Seite des Hauses und Wenige der Linken blieben sich consequeut, und jene Herren, welche mit der freien Gemeinde so viel Lärm machten, haben sie ausgeliefert. Aber das Gemeindegesetz gehört vor den Landtag; hoffen wir, daß dieser die Fehler des Reichsrathes gut machen wird. Am 17. Dezember erfolgte die bekannte Mittheilung über die Finanzlage Oesterreichs, welche den Gegenstand der Besprechung in allen europäischen Blättern bildet. — Das Abgeordnetenhaus wählte einen Ausschuß für die Finauzfrage und vertagte sich hierauf bis zum 4. Februar. Aus Wiedersehen! 52 Korrespondenzen. * Klagenfurt. (Das freie Wort.) Unser constitutionelles Leben liegt wohl noch in der Kindheit oder ist vielmehr in den Geburts¬ wehen. Beweis dessen ist das Schicksal der freien Presse, des freien Wortes. Das hohe Ministerium hat sich oft über die Wichtigkeit und den Nutzen der freien Presse ausgesprochen und erklärt, daß es die ungeschminkte, reine Wahrheit hören wolle. So hat sich der Herr Staatsminister in der neuesten Debatte über die Finanzvorlage wieder geäußert. Darum führen aber auch in Wien, Prag und in andern großen Städten die Blät¬ ter aller Farben und Richtungen eine Sprache, daß manchem Kleinstädter Sehen und Hören darüber vergeht, und ihn darüber die Lust anwandelt, aus der Haut zu fahren. Die Größe eines Mannes kann man auch dar¬ nach bemessen, ob er auch Entgegengesetztes, ja ihn Beleidigendes mit Ruhe und Würde zu ertragen vermag. Diese Eigenschaft gehört zu den Haupterfordernissen eines Ministers. Darum sehen wir auch die beiden Herren Minister, v. Schmerling und v. Plener, gegenwärtig mit wahrer Seelengröße und bewunderungswürdiger Ruhe die bittersten Wahrheiten dahin nehmen. So in Wien, — aber wie steht es in den kleinen Provinzialstädten mit der freien Presse, mit dem freien Worte?! Bringt ein Blatt ganz allgemein gehaltene Abhandlungen ohne absichtlicher Zielung auf irgend eine Person, wehe ihm! gleich beziehen nicht einer, sondern zehn die ganze Sache auf sich, und Zorn und Verdruß ist in allen Ecken. — Erzählt ein Redacteur ganz offenkundige Thatsachen, erzählt sie ganz objectiv ohne die geringste Beigabe einer Färbung, wehe ihm! er wird mit Katzenmusi¬ ken, Durchprügelungen, ja noch ärgern Beweismitteln dieser Gattung be¬ droht. — Legt Jemand in einem Blatte Schäden, Mißbräuche und Uebel- stände in der guten Absicht offen zu Tage, durch die Hinweisung deren Beseitigung zu veranlassen, wehe ihm! er ist ein äußerst gefährlicher Wüh¬ ler, Hetzer und Unruhstifter, den man gründlich vernichten muß. — Bringt eine Zeitung ein wichtiges Thema öfters zur Sprache, bemerkt sie, daß ungeachtet des gemachten Versprechens Alles noch beim Alten sei, wehe ihr! gleich ist man Pessemist und unzufriedener Kopf, der nichts aner¬ kennen und den veralteten Brei auswärmen will, um den Samen des Un¬ friedens auszustreuen. — Wagt sich ein Blatt, in politischen Dingen an¬ derer Ansicht zu sein, nicht Alles, was jetzt geschieht, unbedingt zu loben, oder wohl gar im Februarpatent nicht das Heil Oesterreichs zu erblicken, wehe ihm! es ist ein gefährliches, wühlerisches Parteiblatt. So könnten wir noch lange forterzählen und die traurige Lage der freien Presse schil¬ dern, veranlaßt nicht durch die freisinnige hohe Regierung, sondern durch ein der politischen Bildung bares Publikum. Wir Alle — Hche und Nie¬ dere, Geistliche und Weltliche, Bürger und Beamte, Civilisten und Sol- 53 baten, wir Alle müssen uns auf den freien Luftzug der freien Presse ohne Pardon gewöhnen, wenn die Konstitution mit ihren Früchten ernstlich ins Leben treten soll. * Klagenfurt. (Gleiche Rechte, gleiche Lasten). Wohl nicht so leicht ist in neuerer Zeit ein Wort öfter genannt worden, als Gleichberechtigung, — Gleichberechtigung aller Konfessionen, aller Nationa¬ litäten und Sprachen. Heute reden wir einmal von einer andern, eben¬ falls in's Leben tief einschneidenden Gleichberechtigung, nämlich Gleichbe¬ rechtigung in der Steuerfrage: Gleiche Rechte, — gleiche Lasten. Zur Behandlung dieser Frage veranlassen uns die letzten Finanz- Vorlagen des Herrn Finanzministers v. Plener. Bon dem sich auf 110 Millionen Gulden belaufenden Defizit sollen 58 Millionen nach dem Plane des Herrn Finanzministers durch Steuern gedeckt werden. Der Herr v. Plener nennt die Steuern nicht, welche diese Summe aufbringen sollen. Vielleicht weiß er keine? Es ist wirklich keine Kleinigkeit bei der ohnehin sehr hohen Steuerlast noch 58 Millionen aufzubringen. Möchte doch der Reichsrath erfinderischer sein, und eine Quelle entdecken, aus der die 58 Millionen fließen sollten. Er wird gewiß auf allerhand Gedanken gerathen, und auf allerhand Mittel sinnen, — möge er glücklich sein; aber vor einem Mittel möchten wir ihn warnen! Möge er das arme Volk, das vom Gruudertrage lebt, — die bekannte missra oontribusus plabi! möglichst verschonen; denn Grund und Boden ist ohnehin schwer, fast will es uns scheinen, zu schwer und ungleich belastet. Wir erlauben uns hier das vom Herrn Grafen Elam - Marti¬ nih im verstärkten Reichsrathe vom Jahre 1860 über Böhmen Gesagte mit dem Bemerken anzuführeu, daß es auch auf andere Länder mit eini¬ gen unwesentlichen Abänderungen seine Anwendung findet. Der Herr Graf sagt: „Der dritte Punkt betrifft das Verhältniß der Besteuerung des Grundes und Bodens zu dem beweglichen Capitale. Hier würden vielleicht einige Ziffern einen schlagenden Beweis liefern. Das gewerbliche Capital zahlt z. B. in Böhmen im Ganzen 1.577,000 st., die dritte Classe der Einkommensteuer beträgt 2.010,000 st., zusam- sE^also 3.587,000 st., der Realbesitz aber zahlt allein an Kriegszuschlag Dies ist das Verhältniß der Besteuerung von Grund und Boden zu derjenigen des beweglichen Capitals, und ich glaube, man wird doch nicht behaupten, daß das bewegliche Capital in Böhmen zu dem Realbe¬ sitze im Verhältnisse wie 1 zu 50 stehe? Ich kann dieß Beispiel noch mehr ausführen in Anwendung auf den einzelnen Fall. Nehmen wir z. B. einen Rentenbesitzer, der ein reines Einkommen von tausend Gulden hat, gegenüber einem Grundbe¬ sitzer, der dasselbe Einkommen besitzt. Der Grundbesitzer, mit seiner Ein¬ nahme von 1000 st. zahlt: 213'/z sl. an directen Stenern, 26 V, st. an Knegszuschlag, dann 42 Vz sl. als Landeszuschlag, also in Summa: 2827, fl. 54 — Der Capitalist von 1000 fl. hingegen zahlt an Einkommensteuer 50 fl., an Kriegszuschlag 10 fl., Landeszuschlag 10 fl., Summe 70 fl., also gerade den vierten Theil von dem, was der Grundbesitzer zu leisten hat. Dieser zahlt daher 400 Percent von dem, was der Kapitalbe¬ sitzer zahlt. Ich sage dies nicht, um dem beweglichen Capital gleichfalls die Segnungen zuzuwenden, die dem Grundbesitze erwiesen worden sind, aber ich glaube, auf diese Unbilligkeit Hinweisen zu sollen. Diese Unbilligkeit wurzelt wesentlich im Besteuerungsshsteme." So der Herr Graf; wir setzen noch weiters bei, daß jede Parzelle im Grundbuche verzeichnet ist und nicht eine Spanne verheimlicht werden kann; wie aber steht es mit den Kapitalien? Wie viel Geld ist ausge¬ liehen, wovon keine fremde Seele etwas weiß! Aber wird Jemand einwen¬ den, die Behörden müßten allwissend sein, um jedes ausgeliehene Kapital ausfindig zu machen, und der Einkommensteuer zu unterziehen. Doch wir wissen ein anderes, wenigstens für Viele ausgiebiges Mittel, ohne die Allwissenheit der Behörden vorauszusetzen. Der Staat entziehe allen Kapitalien, für welche der Darleiher keine Einkommensteuer entrichtete, den gesetzlichen Schutz, und gewiß ist es, daß so manches Geheimniß an das Tageslicht kommt. Nun erhöhe man die Einkommensteuer für die Interessen eines jeden Kapitals (daß die Besoldung der Beamten, Offiziere, Priester u. dgl. kein Kapital sind, liegt am Tage) von 5°/„ auf 25"/o, die der Grundbesitzer von seinem Grunderträgnisse zahlt. Weil jedoch der Grund vielmehr Werth ist, als das Kapital, so werden wir, dem Verhältnisse des Werthes von Grund und Kapital angemessen, dem Kapitalisten 15°/« nachlassen und uns mit 10°/„ begnügen. DaS wäre so eine Gleichberechtigung, die schon ziemlich für das Deficit ein- tragen würde. An dieser Stelle ließe sich manches Wort über das Gold und Silber sagen, welches in ausländische Banken spaziert ist, und doch seine Procente abwirft, -— aber es wäre vergebliche Mühe; vielleicht wäre der Neichsrath glücklicher und mächtiger; wir bitten bloß um mög¬ lichste Schonung des schwer belasteten Grundbesitzes, wir bitten aber um kein Privilegium, sondern wir wollen gleiche Rechte — gleiche Lasten! Vom Dobraö. Auch wir brachten in Erfahrung, wovon schott im 6. Hefte der „Stimmen" eine Korrespondenz „Vom Wörther-See" erwähnt, daß an einige k. k. Aemter die Anfrage bezüglich der sloveni- schen Amtssprache gestellt wurde. Daß die Berichte einiger (vielleicht der meisten) k. k. Aemter für die Slovenen ungünstig lauten werden, läßt sich in einigen Orten den Aeußerungen nichtslovenischer oder die slovenische Sprache ignorirender, wohl aber unter Slovenen dienender Beamten folgern. Solche Gesinnun¬ gen sind diesen aber auch nicht zu verargen. Eine solche Einrichtung wäre ja ihrer Existenz oder ihrer Commodität gefährlich. 55 Es kommt dann auch viel an den Frager, den Befragten und die Art der Frage an. Ist der Befragte von dem Frager abhängig, so kann man bereits mit Sicherheit eine Antwort erwarten, die der Absicht des Fragers zu entsprechen scheint. — In meiner Gegenwart fragte ein nie¬ derer Beamter einige slovenische Bauern so: „Nicht wahr, in den Kanzleien soll auch künftighin deutsch amtirt werden?" -— Die Bauern glaubten in ihrer Einfalt, daß sie „Ja" sagen müssen. „Mein Herr!" fing nun ich zu sprechen an, „Sie haben den Bauern eine Frage zum Bejahen gestellt; nun will ich ihnen eine zum Urtheilen, zum Wählen vorgeben. Ich (zu den Bauern): „Freunde! antwortet mir ganz ungescheut. Wie denket ihr, daß es vernünftiger wäre, daß die Kanzleien so eingerichtet wären, daß man darin eine fremde Sprache, oder so, daß man darin jene Sprache sprechen würde, die man zu Hause mit seinem Weibe, seinen Kindern und seinen Dienstboten spricht?" Daß die Mehrzahl der slovenischen Bauern die Kanzleien so einge¬ richtet wünscht, daß sie darin mit den Herren in jener Sprache verkehren könnte, wie im eigenen Hause, kann sich Jedermann selbst überzeugen, wenn er den gemeinen slovenischen Bauern meine genannte Frage vorlegt, ohne einen Sermon über die Präeminenz der deutschen und über die „Siebartigkeit, Verkommenheit und Gemeinheit der windischen" Sprache vorauszuschicken. Wir hoffen, daß die Leiter des Staates Alles bestmöglichst und vernünftig ordnen werden. Man soll vernünftige Worte anhören und über¬ legen und nicht, wenn z. B. in den Häusern des ReichSrathes ein Abge¬ ordneter für irgend eine Nation die Lanze erhebt, aus Vorurtheilen gleich Sturm läuten! In Dingen, welche die Vernunft und die Nothwendigkeit erheischen, soll man nicht lange herum fragen. Oder fragt man Wohl, ob die Ge¬ meinden Steuern zahlen und Rekruten stellen wollen? O nein! Die Ver¬ nunft sagt: „Damit du die Früchte deines Fleißes ungestört genießen kannst und dich Niemand in deinem Rechte störe, mußt du Schutz haben. Die Obrigkeit und die Kriegsmacht sind deines Schutzes wegen hier; des¬ halb sorge du für dieselben und — zahle und stelle Rekruten!" Daß aber die Volkssprache auch die Amtssprache sein solle, dafür spricht ebenfalls die Vernunft und in vielen Fällen sehr dringend die Nothwendigkeit. Nach unserem einfachen Hausverstande erachten wir es für vernünf¬ tiger, zu fragen: „Welche Nation hat bei diesem oder jenem Amte zu thun?" — Darauf aber zu befehlen: „So müssen auch Beamte jener Nation dort augestellt werden!" Einige Herren sagen freilich: „Wie könnte man etwa im „„Kauder- windisch"" amtiren!" — Mit solchen Recensenten wollen wir hier nicht streiten. Wir rathen diesen Herren nur, sich in der slavischen Literatur gefälligst etwas besser umsehen zu wollen, dieselbe zu studiren, und her¬ nach zu sprechen. S6 Bezüglich des Verständnisses ist in den „Stimmen" schon einmal geschrieben worden. Ich will hier nnr noch etwas erwähnen, was mir im verflossenen Sommer in einem deutschen Orte begegnete. Ich holte auf dem Kirchwege zwei Frauenspersonen ein. „Mir scheint es, wir wer¬ den die Predigt versäumen?" redete ich dieselben an. „'S mocht nix", erhielt ich zur Antwort, „uns'r Hearr Pforr'r thuat oll's z'hoachdeutsch prödigen; wir thuan ihn oll's z'hoart vasteahn." Ich ging weiter und dachte mir: „Wann werden die Menschen erkennen, daß es in allen Na¬ tionen mehr oder weniger Gebildete, eine gewöhnliche und eine Schrift¬ sprache gebe, daß aber die ganze Menschheit nur Ein und dasselbe Band der unendlichen Liebe umschlingt! Gibt es noch eine Weisheit unter den Menschen? Warum will man den Slovenen nicht den freien Gebrauch ihrer Sprache gönnen?" f Aus dem Küstenlande, Ende Dezember 1861. Unter den 28,000 Einwohnern des Bezirkes Capodistria gehören mehr als zwei Dritttheile znm slovenischen Volksstamme, und doch wurde bei Besetzung der Beamtenstellen des Bezirksamtes keine Rücksicht auf die Kenntniß der slovenischen Sprache genommen, obgleich von der Bevölkerung diesfalls wiederholt Beschwerden vorgebracht, ja von einzelnen Gemeinden selbst um die Ausscheidung aus dem Bezirke und die Zutheilung zu andern Bezirks¬ ämtern, bei welchen sich der slovenischen Sprache kundige Beamte befinden, gebeten wurde. Hinsichtlich des Verfahrens mit den Parteien bin ich in der Lage, Ihnen aus verläßlicher Quelle nachstehende Thatsache mitzutheilen. Zwischen den in dem Bezirke Capodistria gelegenen Gemeinden Draga und Borst wurden im Manate April l. I. die Verhandlungen wegen Ablösung der gemeinschaftlichen Weiderechte in Gemäßheit des kais. Patentes vom 5. Juli 1853 eingeleitet. Diese Verhandlungen und Kommissionen wurden von einem der slovenischen Sprache unkundigen Beamten mit Zuziehung der gleichfalls dieser Sprache unkundigen Sach¬ verständigen geleitet. Vergebens waren die Bitten der Gemeindemänner, man möge ihnen einen ihrer Sprache kundigen Beamten absenden, verge¬ bens ihre diesfälligen Einwendungen bei der am 1. Mai 1861 abgehal¬ tenen Kommission an Ort und Stelle, ja als sie sich von der Kommission mit der Beschwerde entfernten, daß sie solches Verfahren nicht billigen können, wurde auf dieses gerechte Verlangen keine Rücksicht genommen. Dies veranlaßte die Repräsentanten der Gemeiude Draga, eine Beschwerdeschrift am 5. Juni 1861 an die Grundlasten-Ablösungs-Landes- Kommission in Triest zu überreichen, in welchem sie das Verfahren dar¬ stellten und die Bitte stellten, daß zur fernem Verhandlung ein der Sprache kundiger Beamte abgeordnet werde. Doch vergebens war auch diese Bitte — ohne mindeste Berücksichtigung der in der Beschwerde angeführten Umstände, welche die Recurenten mittelst Zeugen erweisen zu können erklär- 57 ten, wurde auf Grund der frühern Erhebungen das Urtheil am 19. Juli 1861 gefällt. Gegen dieses Urtheil steht zwar den Parteien der Recurs an das hohe Ministerium offen — ob man jedoch auch dort deu Willen haben wird, solche Unzukömmlichkeiten zu beseitigen, wird die diesfalls zu gewär¬ tigende Entscheidung zeigen! Akitungsrevue. * Die Schulmesse an der k. k. Oberrealschule zu Kla¬ genfurt. „Die Zeitung für Kärnten" vom 16. Oktober v. I. sowie die „Klagenfurter-Zeitung" vom 18. Oktober bringen einen Protokolls- Auszug der ordentlichen Sitzung der Kärntner Handels- und Gewerbe- Kammer am 2. September 1861. Darin heißt es wörtlich: „Das Realschul-Komitä macht auf die Unzukömmlichkeiten aufmerk¬ sam, die sich für die Professoren der Ober-Realschule und die Schüler aus der Nöthigung zum täglichen Kirchenbesuche ergeben. Die Schüler sind mehr als bei den meisten andern Ober-Realschu¬ len mit Lehrgegenständen in der Schule und mit Aufgaben über Haus in Anspruch genommen, und mehrere Professoren haben unmittelbar vor ihren Lehrstunden Vorbereitungen für Experimente und Darstellungen zu treffen; in beiden Fällen ergeben sich Collisionen mit der Pflicht des Kir¬ chenbesuches. , Nachdem diese Anordnung übrigens bei großen Ober-Realschulen, wie jenen von Wien, nicht besteht, auch nicht in dem Organisations- Gesetze für Ober-Realschulen vorgeschrieben ist, und nachdem eine Nöthi¬ gung zur Befolgung dieser Anordnung mindestens gegenüber den Profes¬ soren nicht zu rechtfertigen wäre, und zur Folge haben dürfte, daß so manche vorzügliche Lehrkraft, womit die hiesige Ober-Realschule ausge¬ zeichnet ist, ihr verloren ginge, daß das Bestreben ganz natürlich wäre, an eine Lehranstalt zu gelangen, bei der eine solche Einrichtung nicht ^steht und sicher nicht eingeführt wird, so glaubt das Komits, diesen Gegenstand der Aufmerksamkeit des Herrn Landes-Chefs empfehlen zu sollen. Beschluß nach dem Anträge." , Nachdem nun auf diese Weise die Schulmeffe-Angelegenheit an der hu'sigen Ober-Realschule den Weg in die Oeffentlichkeit gefunden: glaube uh als Katechet an der genannten Schule, und eben darum als der bei der fraglichen, Angelegenheit meist Betheiligte nicht schweigen zu dürfen. Bei der allgemeinen Haltung des obigen Citates könnte einerseits unter dem Publikum leicht die meine Priesterehre und mein Pflichtgefühl 58 verletzende Ansicht Platz greifen, daß etwa eine Berathung über die werk- tägliche Schulmesse stattgefunden und dabei auch ich für die Auflassung derselben gestimmt habe: anderseits könnte viele katholische Eltern und Vormünder die Besorgniß und Furcht befallen, daß die Schulmesse nach solchen Schritten wirklich aufgelassen worden fei. Also die Sorge für meine Ehre und die Beruhigung der Angehörigen der Schüler veranlaßen mich zu nachstehenden Zeilen. Seit dem Jahre 1852 — somit feit der Errichtung der Realschule — wurde nebst der hl. Messe und Exhorte an Sonn- und Festtagen auch an allen Werktagen — mit Ausnahme der Wintermonate November, Dezem¬ ber, Jänner und Februar — die hl. Schulmesse gehalten. Die Schüler wohnten der heiligen Handlung unter einem gemeinschaftlichen Gesänge bei, nur an Freitagen wurde ein gemeinschaftliches Meßgebeth verrichtet. Von den Lehrern wohnten 4 —5 immer der hl. Messe bei; sie vereinbar¬ ten unter sich einen Turnus, nach welchem den Direktor und Katecheten täglich, jeden andern Lehrer in 4 — 5 Wochen die Reihe traf, die Schüler zur hl. Schulmesse zu begleiten. Dieser, ohne den mindesten Nachtheil für den Unterricht, von den Schülern mit Lust und Freude, und von den Leh¬ rern mit Genauigkeit eingehaltene Gebrauch bezüglich der hl. Schulmesse hat sich die Zufriedenheit und Anerkennung der hohen geistlichen und welt¬ lichen Behörden, der ganzen Stadtgemeinde, ja des ganzen Landes erwor¬ ben. Darum hat mich der veröffentlichte Auszug des Protokolls der Han¬ delskammer überrascht, umsomehr da über die Auflassung der hl. Schul¬ messe an den Werktagen noch nie eine förmliche Verhandlung und Abstim¬ mung in der Lehrerkonserenz stattgefnnden hat. Allerdings hat sich bei der Bedachung einer neuen Disciplinarordnung für die hiesige Realschule be¬ züglich der religiösen Hebungen überhaupt, welche der Lehrkörper unter seine Jurisdiction bringen wollte, eine fast einstimmige Opposition gegen meine nachstehende Behauptung gezeigt: daß dem Lehrkörper bezüglich der religiösen Uebungen nur das Recht zusteht, zu fordern, daß diese den regelmäßi¬ gen Unterricht nicht stören und den Lehrern keine Zumuthungen, denselben etwa beizuwohnen, gemacht werden. Wäre die Verhandlung über die Auflassung der werktägigen Schulmesse an die Tagesordnung gekommen, so hätte ich mit aller Entschiedenheit dagegen gekämpft, obgleich höchst wahrscheinlich ohne Erfolg. Ich hätte hiemit gethan, was in meinem Rechte und in der Möglichkeit liegt und glaubte meine Pflicht erfüllt und meine Ehre als Katechet und Priester gerettet zu haben. Zur Beruhigung der katholischen Eltern und Vormünder, denen eine christkatholische Erziehung ihrer Söhne und Mündel eben so viel, weB nicht mehr als der Unterricht am Herzen liegt, sei es aber gesagt, daß die hl. Schulmesse wie alljährlich, so auch in diesem Jahre bis U dst vember noch gehalten, von den Schülern ohne Ausnahme sehr fleW besucht und durch erhebenden Gesang verherrlichet wurde. Und sollte s» Zukunft geschehen, was da immer wolle, so lange ich Katechet an der Read schule bin, werde ich immer die Einleitung und Vorsorge treffen, daß de» 59 Realschülern das Anwohnen bei der hl. Schulmesse ohne Störung des Unterrichtes wie bisher immer ermöglicht wird. Und ich hoffe, daß die Kirche auch da nicht leer stehen wird: Ich baue und vertraue einerseits auf den kirchlichen Sinn und den religiösen Eifer der weit größern Mehr¬ zahl meiner Schüler, andererseits ans die etwa nothwendige Aufmunterung und Unterstützung von Seite der vielen christkatholischen, besorgten und pflichtgetreuen Eltern und Vormünder. Ucbrigens will ich aber die Ueberbürdung der Lehrer, insbesondere aber der Schüler an der hiesigen k. k. Oberrealschule durchaus nicht in Abrede stellen oder sie in Schutz nehmen; man lese zur Güte meinen in einem der vorigen Hefte der „Stimmen aus Jnnerösterreich" für die Mittelschulen in Vorschlag gebrachten Lehrplan. Die Zahl der Schul¬ stunden soll vermindert werden, dies ist mein innigster Wunsch; dabei aber kann ich die freilich liberal und modern klingende Ansicht nicht thei- len, daß man gerade mit der Auflassung der hl. Schulmesse beginnen soll. Diese Zeilen mögen auch eine Antwort auf die „Gegenstimmen aus Jnnerösterreich" sein, welche meine kirchliche Gesinnung und katechetische Thätigkeit in ein so schiefes Licht zu stellen suchten. And. Einspieler. * Die „Zeitung für Kärnten" brachte in Nr-. 48—51 eine Reihe gegen die „Stimmen aus Jnnerösterreich" gerichteter Artikel. Die ganze öffentliche Meinung hat das Urtheil darüber bereits gesprochen: „Freund und Feind" bezeichnen die „Gegenstimmen aus Jnneröster- reich" als schülerhafte Sthlübungen sowohl der Form als dem In¬ halte nach. Unsere hohe Achtung gegen die amtliche Stellung, gegen das ehr¬ würdige Alter und gegen die bisherigen literarischen Arbeiten des Herrn Gegners gestattet uns nicht, in eine weitläufigere Polemik eiuzugehen — der Sieg wäre unserseits zu leicht, die Niederlage gegnerischerseits zu vollständig. Was unsere zahlreichen Freunde und Gesinnungsgenossen dar¬ über schreiben dürften, wird die Zukunft lehren. Wir haben zum Schluffe nur diese eine Bemerkung beizufügen: Der geehrte Herr Gegner muß es wissen, ja vielleicht hat er es selbst schon gefühlt, wie es einem Menschen wehe thut, besiegt und beschämt den Kampfplatz verlassen zu müssen, — so wie es z. B. einigen Herren im Kampfe mit dem als gründlichen Geschichtsforscher und ausgezeichneten Gelehrten in ganz Europa berühm¬ ten Herrn Baron Ankershofen vor nicht gar langer Zeit erging, und doch hat sie dieser mit Gründen und Beweisen geschlagen. Nun möge es der Herr Gegner ermessen, wie es einem Menschen erst zu Muthe sein muß, den man nicht mit Gründen und Beweisen, sondern mit ganz andern, freilich wohlfeilern und leichtern Waffen nicht blos schlagen und besiegen, sondern geradezu zertreten und vernichten will: Krümmt sich doch auch der Wurm im Staube, wenn er getreten wird. 60 Eingefendet. 0°. V. Der m der „Zeitung für Kärnten" unter den Num¬ mern 48—51 vorkommende Artikel, welcher eine Kritik über den Inhalt der bis nun erschienenen sechs Hefte der „Stimmen aus Jnnerösterreich" enthält, hat mich nicht im geringsten überrascht. Ich hatte ja schon vor etlichen Monaten aus dem Inhalte dieser Zeitung, dann auf Grund eini¬ ger, Sie und den Herrn Redacteur derselben betreffenden Prämissen pro¬ phezeit, daß ein solcher Artikel ungefähr im Monate Dezember ihre Spal¬ ten zieren werde und müsse. Die Redaction der „Zeitung für Kärnten" war, wie ich mir wenigstens nicht anders vorstellen kann, nothgedrungen, sich nach Artikeln über etwas Interessanteres umzusehen, oder solche zu schreiben, um sich durch dessen Publiziruug für den nächsten Jahrgang anzuempfehlen! Was kann aber für dieses Blatt interessanter erschei¬ nen, als eben — allenfalls nebst einigen Erzählungen, z. B. von Mord- thaten, Schlägereien u. dgl. —- eine Fortsetzung der bekanntermaßen schon längst (ganz unnöthiger Weise) angefangcnen Polemik, was erwünschter, als die Bekrittlung einer Zeitschrift, die gleichwohl ganz gründliche und nur zur Hervorbringung von wohl Jedermann erwünschten Vortheileu geeignete Besprechungen umfaßt, oder was angenehmer, als überhaupt die Bekämpfung der auch noch so richtigen Ansichten eines Mannes, den hier in Kärnten Viele nur aus Prinzip nicht mögen, weil er nämlich — ein Slovene ist, woran er aber nicht die geringste Schuld trägt: und weil er als solcher, was ihm doch Niemand verargen kann, auch von Interessen seiner Mitnationalen handelnde Aufsätze in seine Zeitschrift aufzunehmen pflegt, — ohne daß man sonst nach meiner Meinung in was immer für einer Beziehung gegen ihn mit Grund etwas vorzubringen vermöchte. Um zu zeigen, wie mühsam der Anlaß zu der oben gedachten, zur Erreichung der besprochenen Absicht berechneten Kritik gesucht, oder daß dieselbe eigentlich, wie man zu sagen pflegt, nur bei den Haaren herbei¬ gezogen sein müssen, will ich hier blos Einiges berühren, indem alles Uebrige, was in dem famosen Artikel geschrieben ist, sich auf eine ganz gleiche Art begründet (sie) darstellt. Ich setze übrigens voraus, daß Sie ohnehin selbst auf diesen Artikel etwas Angemessenes erwidern werden*). Die in den „Stimmen aus Jnuerösterreich" enthaltenen Aeußerun- gen über die vielen und unnöthigen Schreibereien bei den Aemtern deuten doch ganz unzweideutig auf die Art der Maßregeln hin, die zur Beseiti¬ gung des Nebels, d. i. zur Verminderung der ämtlichen Schreibereien, mithin natürlich auch zur Verminderung der Anzahl der Beamten und hiedurch — der eben jetzt den Gegenstand einer äußerst wichtigen Be- rathung bildenden Staatsauslagen ergriffen werden müßten. Daß aber derlei Aeußerungen nichts weniger als unnöthig und über¬ flüssig seien, beweist auf eine ziemlich genügende Art schon der Umstand, daß sicherem Vernehmen nach in dieser Hinsicht seit einiger Zeit bei den *) Siehe unfern obigen Artikel, P, R, 61 .Staatsämtern Vieles, und zwar ohne Zweifel meistens nur in Folge der khie und da in den Zeitungsblättern dießfalls bisher wiederholt vorgekom¬ menen Bemerkungen abgestellt worden ist. Ebenso bezielt auch die Be¬ sprechung der Verwendung, Behandlung und Besoldung der Staatsbeam¬ ten, dann der Creirung möglichst vieler und überflüßiger Aemter, und endlich der so kostspieligen unnöthigen Dienstreisen der Beamten offenbar ja bloß eine Verminderung der Staatsauslagen. Und was insbeson¬ dere die Wuth in Errichtung von Aemtern anbelangt, so wurde dießfalls in neuester Zeit durch die Wiedereinführung der erst vor Kurzem aufge¬ lösten Steuer-Directionen ein eklatanter Beweis geliefert. Wie man allge¬ mein hört, hatte ja der Dienst betreffend die directen Steuern ein Jahr hindurch d. i. seit der gedachten Auflösung auch ohne diese Direktionen nicht im Geringsten gelitten. (Dieß soll mindestens hier in Kärnten der Fall gewesen sein, und es ist kein Grund zur Annahme des Gegentheils für andere Provinzen vorhanden). Aber dennoch mußten dieselben wieder ins Leben treten, um — wie früher einen Kostenaufwand in An¬ spruch zu nehmen, der doch auf eine sehr leichte Art vermieden werden könnte! —> Nach meinem Erachten könnte wohl kaum Jemand, der sich für das Beste des Staates aufrichtig eingenommen fühlt, dergleichen Besprechun¬ gen unnöthig und überflüßig oder gar schädlich finden, als welche sie die „Zeitung für Kärnten" und respective der Herr « -— co ohne irgend einen haltbaren Grund anzusühren, auf eine unzweideutige Art erklären zu müssen glaubt. Die Aeßerung könnte höchstens in einer Beamten-Zeitung" (wenn eine solche wirklich bestünde, wie zu wünschen wäre) angetroffen werden. Eine gründliche Darstellung der Verhältnisse von welcher Art immer, welche die Erwirkung einer möglichsten Verminderung der Staats¬ ausgaben und mithin die Herabsetzung der Steuern bezweckt, kann wohl niemals schädlich genannt werden. In dieser Hinsicht hat sich ja der Herr Staatsminister v. Schmerling selbst im Reichsrathe am 18. des eben verflossenen Monats Dezember ausgesprochen: „. ... die offene und unumwundene Prüfung der Finanzvorlage wird das Vertrauen in die Zukunft Oesterreichs stärken: man wird die ?s"ukheit kennen lernen und das Mittel finden, sie zu heilen; man wird fich überzeugen, daß Oesterreich ewig stehen kann, wenn es nur ewig stehen will." , Da aber die Mitglieder des Reichsrathes zum Behufs der gedachten Prüfung auch die öffentlichen Blätter benützen können und sollen, so sehe wh wahrhaft nicht ein, warum denn doch nicht auch die Redactionen sol¬ cher Blätter die Frage über die erwähnten Verhältnisse ventiliren sollten? so etwas negiren zu wollen, wird zweifelsohne ein hoher Grad von de-denschaftlichkeit erfordert! . Zu dem oben besprochenen Ende glaubte ich nur noch von einem zweiten das Studium der lebenden und todten Sprachen an den Ghmna- 62 sien betreffenden Falle Erwähnung thun zu muffen, da dieser gleichfalls einen Gegenstand der Kritik des Herrn «—abgibt. Es kommt nämlich daselbst Folgendes in dieser Hinsicht vor: „Seite 138: „„Der Zweck des Studiums der erstern, welcher doch *) wäre offenbar kaum ein anderer, als der, der Schuljugend einen kleinen Begriff von der Sprache und Literatur der alten Griechen und Römer beizubringen." " „Eine Behauptung, welche das ganze bisherige Studium auf den Kopf stellt. War und ist doch vas Lateinische die Kirchensprache und blieb die lateinische Sprache nicht noch großentheils die der Aerzte und jene der Juristen, denen das römische Recht noch gilt oder doch Quelle ist. Selbst die Staatsverträge werden noch vielfach in dieser Sprache abgefaßt, die nebenbei die Wurzel aller romanischen Sprache ist. Oder ist nicht das Sprach en studi um noch anerkannt das beste Mittel zur formellen Bildung? oder soll etwa die windische Sprache die der fein gebildeten Griechen ersetzen?" Eine schöne, unumstößliche Widerlegung fürwahr! In den „Stimmen aus Jnnerösterreich" ist auch gesagt, daß trotz eines acht-und respective sechsjährigen Studiums der lateinischen und altgriechischen Sprache, zu welchem man wöchentlich mindestens fünf Stunden in Anspruch nimmt, die Schuljugend auf das durch dieses Studium Gewonnene nach dein Austritte aus den Schulen gewöhnlich kaum mehr denkt, und es daher aus dem Gedächtnisse entschlüpfen läßt? Das ist eine Thatsache, die durchaus nicht in Abrede gestellt werden kann, sie ist von Bedeutung und entscheidend für die Lösung der Frage, ob die in den „Stimmen aus Jnnerösterreich" vorkommende Behauptung richtig sei oder nicht; alles Uebrige, was der Herr °e—o> vorbringt, heißt nichts, insofern jene dadurch als albern und absurd erscheinen soll. Wer zu dem von dem Herrn «—eo in seiner Kritik erwähnten Zwecke von der lateinischen Sprache (HL. von dem Nutzen der griechische» geschieht da keine Erwähnung — sonderbar!) einen Gebrauch machen soll oder will, der hätte sich wohl nach meiner Ansicht nicht nur schon ans dst in den „Stimmen aus Jnnerösterreich" angedeutete Art und in dem daselbst erwähnten Maße, sondern auch außerdem eigens auf das Studium der¬ selben zu verlegen, was übrigens ungeachtet des jetzigen langen und müh¬ samen Studiums dieser Sprache in der That auch geschieht und noth- wendigerwcise geschehen muß, da sich sonst der gedachte Zweck nicht st leicht erreichen ließe. Wenn die in der Kritik enthaltenen Worte: „Eine Behauptung, welche das ganze bisherige Studium (IW. welches doch? — wahrscheinlich *) Der Herr «—co hätte doch so gescheidt sein sollen, wenigstens die Erkll rung beizurücken, „d. i. der lateinischen und altgriechischen Sprache", da der Leser, hier sonst nichts vorausgeht, sich unmöglich denken könne, nm was es sich eiHentM handle, ohne das betreffende Heft der „St. a. I." erst, Gott weiß wo, mit Mühe? suchen, zumal wenn er es selber nicht besitzen sollte. 63 der fraglichen zwei tobten Sprachen!) auf den Kops stellt", sagen wollen, daß blos eine Reform dieses Studiums erwirkt werden wolle, so stehen sie ohne alle Bedeutung da, indem ja in den „St. a. I." ausdrücklich einer solchen (übrigens angemessenen) Reform das Wort geredet wird; wollen sie aber sagen, daß von den „St. a. I." eine gänzliche Abschaffung dieses Studiums angestrebt werde, so stehen sie offenbar im Widerspruche mit der diesfalls in den „St. a. I." ausgesprochenen Ansicht, und erschei¬ nen somit als eine reine — Lüge! Was ferner die Bemerkung anbelangt, daß die lateinische Sprache die Wurzel aller romanischen Sprachen ist (worunter die italienische, französische, spanische und portugiesische verstanden werden), so ist dieselbe, insofern, wie es scheint, damit gemeint ist, daß die lateinische Sprache deswegen auch weiterhin, wie bis jetzt gelernt werden müsse, um dann auf Grundlage derselben auch die genannten romanischen Sprachen lernen zu können, zur Widerlegung der oben gedachten Behauptung nichts weni¬ ger, als haltbar. Dies wird ganz begreiflich, wenn man erwägt, daß diese Sprachen, wie die Erfahrung zeigt, meistens nur von solchen Leuten gelernt und erlernt zu werden Pflegen, welche sich dem Studium der latei¬ nischen Sprache nie in ihrem Leben gewidmet haben, z. B. in den Real- und nautischen Schulen, dann in andern Civil- und Militär-Instituten und auch sonst, wie wir täglich zu sehen oder uns zu überzeugen Gelegenheit haben. Ueberdieß muß weiter noch bedacht werden, daß es wohl etwas zu langsam herginge, wenn man erst durch acht Jahre an den Gymna¬ sien das Lateinische (auf die jetzt übliche Art!) und erst dann die eine oder die andere der romanischen Sprachen lernen müßte. — Bedeuten aber die oben angeführten Worte bloß, daß die romanischen Sprachen aus der lateinischen entstanden sind, so wäre das nichts Neues, indem es wohl schon längst allgemein bekannt ist, und bewiese gar nichts gegen die fragliche Behauptung. Wie sonderbar klingen ferner auch die Worte: „Oder ist nicht das sprachenstudium noch immer (als) das beste Mittel zur formellen Bil¬ dung? oder soll die windische Sprache die der feiugebildeten Griechen (also der Römer nicht!), ersetzen?" —! Sprachenstudium wird im Deutschen doch auch heißen können: „Studium der Sprachen". Da aber der Ausdruck „Sprachen" von dem Herrn « -— co nicht näher bezeichnet ^scheint, so müssen darunter offenbar auch die jetzt lebenden Sprachen verstanden werken. Nun aber wird weiter — höhnisch —- von der hier- y^ch gleichsam als von diesem Studium ausgeschlossenen windischen Sprache (von der der Herr « — co sagen zu wollen scheint, daß durch iw nach der Ansicht der „St. a. I." das Studium der todten Sprachen M>z beseitigt werden müßte, was doch ganz unwahr ist) Erwähnung gethan — Welch' eine Logik! Überhaupt der ganze Inhalt der Kritik zwingt mich zum Ausrufe: »8i iaetaeuisses, xbilosopkus munsissss!" 64 * Klagenfurt. Auch die liebe „Klagenfurter Zeitung' hat für die geliebten Slovenen wieder einige freundliche Worte. Mi> der nur als Amts-Zeitung einigen Werth habenden „Klagenfurterin" werden wir uns ganz kurz fassen. In ihrem Feuilleton vom 28. Dezember berichtet sie von Laibach schauderliche Geschichten: Zwistigkeiten in den Häusern, Unfriede in den engsten Familienkreisen, Unbehaglichkeit iin ganzen geselli- ( gen, Leben (keine Morithaten noch? wie herrlich könnte so was aufgeputzt ! werden) und alles dieses ob des schrecklichen Slovenismus. Wir haben « Briefe und Zeitungen aus Laibach, welche uns wohl von dem angenehmen I Leben in den neukreirten Vereinen, von Fackelzügen u. dgl. aber keine k Silbe von den in der „Klagenfurter Zeitung" erwähnten Vorfällen zu E erzählen wissen. Der Berichterstatter dürfte somit in die Kategorie jener I ' undankbaren Persönlichkeiten gehören, welche, nachdem sie als eingewanderte, D dem Volke der Nationalität und Religion nach fremde Individuen in Kram i freundliche Ausnahme gefunden, Land und Volk, Religion und Sprache r in der „Presse", „Oesterr. Zeitung", „Grazer-Tagespost", „Triester Zei- D tung" und „Klagenfurterin" in den Koth herabziehen. Wenn also an dem Berichte etwas Wahres ist, so ist die Ursache x, dergleichen Erscheinungen bei den ruhigen, gegen Niemanden ungerechten o Slovenen nicht zu suchen, sondern ganz anderswo. Die Fabel vom Wolfe k-s und Lamm am Bache wiederholt sich heutzutage sehr häufig. * Klagenfurt. In der neuesten Zeit geben uns unsere heimischen 8 und fremden Zeitungen so viel zu thun, daß wir wahrlich nicht wissen, Hs wo wir die Herkules-Arbeit beginnen sollen. Bei dem beschränkten Raum / unseres Blattes wollen wir für heute nur noch von der bekannten Freundin s der Slovenen, von der „Triester Zeitung" ein Wörtchen sagen. In ihrer Einladung zur Pränumeration verspricht sie sub dir. 29k I s unter andern auch Inschutznahme der Nationalitäten: /I'imso Danaos st» clons lorovtss." Es steht zu erwarten, daß sie diese Inschutznahme der Nationalitäten« ebenso wie bisher betreiben werde: Alle Slovenen sind ihr dafür schon« seit langer Zeit zum größten Danke verpflichtet. Diese Vertretung der! - Nationalitäten beginnt schon in demselben Blatte, in welchem obige Eiiuk, ladung vorkommt. Sie schreibt über die Slovenen Krams auf eine Weise.« die nicht blos einer Vertretung, sondern einer wahren Zertretung auf ein« Haar gleichsieht. Darauf scheinen die Worte eines jungen Tschitschen passen, der einmal zu seiner Mutter gesagt haben soll: ,4» osöa mkow»« rsöi Vi, N6A0 tebi msjlm" — „ich werde Niemanden „Sie" sagen, „Dir" Mutter."