Inhalt: Leitende Artikel: Oesterreich und Deutschland. — Eoncordat und Religionsedikt. Hl. — Vorarbeiten für die Landtage. — Ueber Steuerreform. V. Korrespondenzen: Klagenfurt. — Aus der Karner-Pellach. — Aus dem Görzerischen. — Z e i t n n g s r e v u e. — Preise: Diese 48, bis Ende des Jahres in Heften, erscheinenden Druckbogen kosten pr. Post.5 fl. — kr. ohne Post. 4 . — . n am 23. Oktober 1862. Stimmen aus X. Heft 1862. Las nächste Heft erscheint am November 1862. Klagenfurt. Druck von Johann Leon. lizllililis io univesrilötiis Ittijirmos e l.jiidflgni ZRNersstrrreich» Herausgeber und verantwortlicher Redacteur Andreas Einspieler. 112420 /<7. . WeLträge zur Durchführung der nationalen, religiösen und politischen Gleichberechtigung. Unser Pansiavismris. Das Wochenblatt „Ost und West" erzählt aus früherer Zeit fol¬ gendes Erlebniß: „In einer kleinen slavischen Provinzstadt eines großen Reiches lebte ein junger Cavalier in behaglicher Rnhe mit Studien über Wissenschaft und Kunst beschäftigt. Durch seine Reisen und seine schriftstellerische Tätigkeit war der Name Bognmils auch über den Grenzen seines Vater¬ land s bekannt und er wurde von Fremden, reisenden Gelehrten oder -lern, die der Zufall zeitweise nach seinen: Wohnsitze verschlagen hatte, vielfach ausgesucht. Ans diese Art ereignete es sich, daß einmal ein frem¬ der Diplomat ihn besuchte. Die lange und lebhafte Unterredung zwischen dem Diplomaten F. und Bognmil endete damit, daß der Gast seinem Wirthe das Wort abnahm, ihn im bevorstehenden Winter in X., einer Großstadt im fernen Westen -des civilisirten Europa's ja zu besuchen. „Sie dürfen hier in dieser Geisteswüste nicht bleiben", sagte ihm der Diplomat im Abgehen, „Sie gehören in andere Regionen." — „Ich fühle wich hier dennoch ü mon ai8s«, antwortete Bognmil, „ich lebe hier in bester Gesellschaft und wirke nach meiner Art. Sie sehen hier diese grie¬ chischen Götterbilder, diese Schütze der Tonkunst von Palestrina bis auf Beethoven, diese Schätze der Poesie und der Wissenschaft von Homer und Herodot bis ans Goethe, PuSkin, Ranke und öafarik, diese Manuscripten- haufen auf meinem Arbeitstische: ich verlange nach nichts anderem, wenn ich daheim bin. Wenn ich mich müde gearbeitet, gehe ich ans Reisen und kehre, nachdem ich mich durch neue Eindrücke davon erholt, immer wieder mit Freude zu meinen Ghpsgöttern, meinen Musikalien, meinen Büchern und Arbeiten zurück. Ich fühle mich hier so ganz Wohl, daß ich gar nicht daran denke, meinen Wohnsitz oder meinen Wirkungskreis Zu ändern!" Auf wiederholte briefliche Einladung des Diplomaten entschloß sich Bogumil zu dem Besuche in X. Nach einigen Tagen eröffnete ihm F., Serenissimus habe ihn auf den nächsten Abend zu sich befohlen. Bogumil war auf diese erste Entrevue mit einem occidentalischen Monarchen sehr gespannt. Der Fürst galt für geistreich, hochgebildet, wohlwollend, in seinen politischen Ansichten für liberal und in religiösen iiir strenggläubig, doch tolerant, kurz für einen Fürsten, wie sic alle sein sollten, es aber selten sind. Im Gespräche mit Bogumil berührte er die ii7 578 verschiedensten Gegenstände, zuletzt mit großem Interesse auch das Thema des Panslavismus und forderte Bogumil ans, sich darüber offen auszu¬ sprechen. „Läugnen Sie es nicht", sagte Serenissimus mit herablassender Freundlichkeit, „der Panslavismus geht in letzter Linie doch nur auf die politische Vereinigung aller Slavenstämme unter Rußland und folgerecht auf die Beherrschung Europa's durch einen solchen Barbarenstaat aus." — „Nachdem Ew . . . . mich aufzufordern geruhten, mich offen auszusprechen", entgegnete Bogumil, „so muß ich mir erlauben, dieser Ansicht zu widersprechen." „Im Ernste?" fragte Serenissimus mit einem Anfluge sardonische» Lächelns. — „In vollstem Ernste", erwiederte Bogumil mit Nachdruck. Er stellte dem Fürsten vor, wie Natur und Geschichte den Osten und Westen Europa's in zwei geistig ganz verschiedene Welten getheilt, wie der Osten durch die Theilnahmlosigkeit des Westens mongolischer und türkischer Bar¬ barei anheimgefallcn sei und sich durch eigene Kraft davon zu emancipire» strebe; wie das NatioualitätSbewußtsein in den verschiedenen Slaven- stämmen und die Idee ihrer genetischen und geistigen Einheit zu erwachen begann; wie nun diese Idee die Grundlage einer gemeinsamen nationalen Kultur bilden und die einzelnen Stämme vor Denationalisirung retten könne. Diese Idee möge man immerhin Panslavismus nennen; dieser geistige Panslavismus, der vielleicht einstens in einer gemeinsamen Schrift¬ sprache für die wissenschaftliche Literatur — allenfalls der russischen — seinen äußern Ausdruck finden dürfte, ohne deshalb die Eigenthümlichkeiten der einzelnen Stämme und ihrer Literaturen zu vernichten, sei neben der klassischen und der christlich-modernen Civilisation des Westens der dritte wesentliche Faktor einer Weltkultur, ein Postulat einer Humanitären Welt- ordnnng der Zukunft, die sicherste Garantie gegen ein abermaliges Ueber- fluthen neuer Barbarei nach Europa und das einzige Mittel, den Oste» und den Westen Europa's sich geistig näher zu bringen und zu versöhnen Der Panslavismus habe urit der Politik nichts zn schaffen, denn so gut wie die romanischen und germanischen Länder Europa's bei all den zahl losen Berührungspunkten ihres Kulturlebens dennoch als selbstständige Staaten neben einander bestehen und keine Neigung zeigen, politisch unt einander vereinigt zu werden, ebenso sei auch bei den Slaven keine solche Neigung und kein solches Streben vorhanden. Die Slaven Oesterreichs kämpfen um nationale und politische Gleichberechtigung im gegebene" Staate, also gegen deutsche, magyarische und italienische nationale Supre¬ matie: erreichen sie dieses ihnen durch wiederholte kaiserliche Zusagen ver¬ bürgte Ziel, so könne nur ein Toühänsler unter ihnen eine Zertrüinnw rung Oesterreichs und eine neue Staatenbildnng wünschen. Dasselbe gelte von Preußen und Sachsen. Nur in der Türkei handle es sich, aber ganz und gar ohne Zuthnn des Panslavismus, um die Zerstörung des gegen¬ wärtigen türkischen Staatswesens, innerhalb dessen die nationale, sociale, politische und religiöse Entwickelung der demselben unterworfenen slavische" 579 Volksstämme nicht möglich sei; hier streben die Slaven die Bildung auto¬ nomer Nationalstaaten an der Stelle der Türkenherrschaft, keineswegs aber die Unterwerfung unter einen andern Staat, weder unter Oesterreich noch miter Rußland an, und bei allen nationalen Sympathien für Rußland wünschen die Slaven der Türkei doch nicht unter die Herrschaft des Kai¬ sers Nikolaus — dieser lebte damals noch — zu kommen. Ein derarti¬ ger Wunsch, der indeß keineswegs im Pauslavismus, sondern in politischer Nothwendigkeit begründet wäre, könnte nur in dem Falle entstehen, wenn Oesterreich durch eine verkehrte Politik seiner Staatsmänner in nationaler Beziehung gelegentlich eines äußern Krieges in Trümmer ginge, und Deutsche, Magyaren und Italiener die Slaven nöthigten, um ihrer Selbst¬ erhaltung willen unter den Schutz Rußlands zu flüchten, oder wenn in der Türkei ganz Europa — selbstverständlich außer Rußland, welchem niemand eine solche Verkehrtheit zumuthet — den Türken gegen die Slaven bcistünde und deren Befreiung ohne anderweitige Hilfe unmöglich machte. Da aber ein und der andere Fall blos logische Voraussetzungen sind, welche hoffentlich niemals zu einer politischen Realität werden, so entfalle jedes Motiv zu einem derartigen Wunsche in Gegenwart und nächster Zukunft. Das Gespenst des politischen PanslaviSmus konnte daher nur in dem schlechten Gewissen österreichischer und türkischer Staatskünstler entstehen, und nur von deren dienstfertigen Lohnschreibern gesehen werden; die Idee des geistigen PanslaviSmus aber, endete Bogumil, ist in uns allen leben¬ dig und jeder Denkende unter uns ist ihr Zeuge und Bekenner." Serenissimus hörte die lange, doch lebendig vorgetragene Deduction aufmerksam an, ging ans mehrere Punkte derselben mit Verständniß ein und zeigte sich durch die Antworten Bogumil's befriedigt. Bald war Bogumil in den Kreisen des Hofes eine oft gesehene Erscheinung, die man, sei es wegen wohlwollender Aeußerungen des Für¬ sten über ihn, sei es aus Kuriosität — eine geistreiche Dame des diplo¬ matischen Corps nannte ihn „psutötes la seui bnmms oivilws parrui >68 b-tt-b-ri-ss cis 80N — mit einer gewissen Auszeichnung behandelte. Man sand ihn geistreich, gelehrt und liebenswürdig, nannte ihn den Cava- lier unter den Gelehrten und den Gelehrten unter den Eavalieren, und glaubte allgemein, daß ihm eine einflußreiche Stellung im Staatsdienste bestimmt sei, woran übrigens Bognmil gar nicht dachte. Allein bald sollte diese Herrlichkeit ein Ende haben. Bogumil war «n zu entschiedener und zu offener Charakter, als daß er aus seinen nationalen und politischen Anschauungen ein Hehl gemacht hätte, und daran nahm ein Mitglied des diplomatischen Corps nm so größeren An¬ stoß, als Bognmil sich um ihn niemals bekümmert hatte. In einer Ge¬ sellschaft, in welcher sich der Fürst lange nut Bogumil unterhalten hatte, flüsterte Graf H. seinem Nachbar zu: „Dieser kleine panslavistische Mira- beau macht hier Propaganda; ich werde ihr aber ein Ende machen, ehe der PanslaviSmus in X. zur Mode wird." Das Bonmot — vielleicht das Einzige des Grafen — machte Ronde im Salon und kam dem Für- 580 sten zu Ohren, endlich hörte es auch Bogumil. Er schwankte, ob er sich an dem nicht sehr geistreichen Grafen H. rächen oder ob er aus Rücksicht gegen den Fürsten, der mit dem durch Graf H. repräsentirten Hofe ohne¬ hin nicht auf dem besten Fuße stand und gelegentlich auch chikänirt wurde, abreisen sollte. Sein Freund F. riech ihm davon ab, doch entschloß sich Bogumil zur Abreise und suchte um eine Abschiedsaudienz beim Für¬ sten an. „F. sagte mir, daß Sie heimkehren wollen", redete ihn der Fürst an, „und ich bedaure es, weil Sie dadurch einen meiner Pläne zerstören. Ich denke, Sie sind zu empfindlich." — „Nicht für meine Person, Ew . . . unterbrach ihn lebhaft Bogumil. „Ja doch", sagte der Fürst lächelnd, „denn mich erreicht der Pfeil des Grafen H. nicht. Aber ich achte Ihr Motiv, weil es Ihr Attache¬ ment an mich bekundet. Meinem Vater hat man mit Demagogen und Liberalen bange zu machen gesucht, uns Lebende aber will man mit Socia- listen und Communisten und jetzt, wie Sie hörten, auch mit Panslaviste«! schrecken, bis auch dieser Knecht Ruprecht seine Schrecken verliert. Andere Zeiten andere Stichworte!" Der Fürst entließ ihn in huldvollster und zugleich herzlichster Weise. Sein Abgang wurde in den Kreisen, in denen er in L. gelebt hatte, wie es schien, aufrichtig bedauert. Bogumil kehrte heim. Nach einigen Jahren schrieb er wieder ein¬ mal ein Buch, das bei Gelehrten und Staatsmännern sehr gute Aufnahme fand, und sandte es als Zeichen dankbarer Erinnerung dem Fürsten, von dem er nach einigen Monaten ein Handschreiben erhielt, welches also anfing: „Es ist nicht meine Schuld, daß Ich Ihnen für Ihre Aufmerksam¬ keit gegen Mich und für Ihr wissenschaftliches Verdienst bloß mit Wor¬ ten danken kann. Der Schrecken vor dem Panslavismus in T'. ist zn groß, als daß es mir vergönnt gewesen wäre, Ihnen ein anderweitiges Merkmal meines Dankes schicken zu können. Nehmen Sie daher diese Zeilen u. s. w." Die Moral dieser Geschichte läßt sich in den wenigen Worten aus¬ sprechen: „Wer eine Stellung im Staatsdienste seines Vaterlandes oder des Auslandes, oder aber einen vaterländischen oder fremden Orden wünscht, hüte sich vor dem Panslavismus!" So ein diffamirender und gefährlicher Name war in früherer Zeit der Name „Panslavist! "Aber die alten Zeiten kehren wieder und das Ge¬ spenst des Panslavismus fängt wieder au in den Zeitungen — und nichi bloß in offiziellen und offiziösen, sondern auch in den sogenannten libera¬ len Zeitungen zu spuken und zu rumoren. Und was dabei das Er¬ schrecklichste ist, das Wort „Panslavist" bedeutet bei den Meisten nichts geringeres, als einen Revolutionären, Demagogen, Communisten n. dgl. 581 Dennoch — man höre und staune! — dennoch rufen wir offen und laut: „Ja! wir sind Pauslavisten." Wir wissen, daß dabei manches gut gesinnte Gemüth eine Gänsehaut überlaufen, daß sich manche polizeiliche Hand nach uns schon ansstrecken werde; aber Ruhe und Geduld, — man höre den Sinn unseres PanslaviSmns! Wir sind Panslaviste» in dem Sinne: 1. daß wir alle Slaven als unsere Brüder erkennen, lieben und mit unfern Sympathien begleiten wollen. Jedes Zeitalter hat seine Idee, für welche es schwärmt, einsteht und kämpft. Derzeit ist es die Idee der Nationalität, welche den ganzen Erdkreis erfüllt, begeistert, beherrscht. Man sehe nach Italien, man blicke nach Deutschland, man schaue nach Oesterreich, überall dieselbe Idee, die Idee der Nationalität. Der Italiener erkennt in dem Italiener seinen Stammverwandten, seinen Bruder, und ist begeistert für sein frei¬ lich erst in der Einbildung bestehendes Königreich Italien;— der Deutsche erkennt in dem Deutschen seinen Stammesverwandten, seinen Bruder, und schießt, ißt, trinkt und redet für sein einiges Deutschland; — der Ma¬ gyar erkennt in dem Magyaren seinen Stammverwandten, seinen Brnder, und schwärmt für sein großes Magyarieu; — wie sollte man es dem Slaven verübeln oder verwehren wollen, in dem Slaven seinen Stamm¬ verwandten, seinen Bruder zu erkennen? Sollten nur die Slaven im 19. Jahrhunderte, in dem Jahrhunderte der Bildung und Humanität, in dem Jahrhunderte der Gleichberechtigung allein von dem Genüsse der natürlichsten Menschenrechte ausgeschlossen sein?! Nein das kann nicht sein, und die 80 Millionen Slaven, obgleich sie in verschiedenen Staaten vertheilt leben, dürfen und sollen sich als Glieder der größten Völkerfamilie in Europa, als Kinder der einen Mutter Slava, als Brüder untereinander erkennen, lieben und mit ihren Sympathien begleiten, ohne deshalb die bestehenden Grenzen der Staaten im geringsten abäudern oder die andern Volksstämme irgendwie kränkelt zu wollen. In diesem Sinne sind wir — wie die Italiener Panitaliener, die Deutschen Pangermanisten, die Magyaren Panmagyaren sind, — sind wir Slaven Pauslavisten, und in diesem Sinne ist der vielfach besprochene und gründlich geschmähte Brief aufzufassen, den Se. Excellenz der hoch¬ würdigste Bischof Stroßmayer an das Franencomits in Agram zur Unter¬ stützung der Montenegriner mit einem Beitrage von 100 Dukaten gesendet hat und der lautet, wie folgt: „Unsere Herzegowiner und Montenegriner Helden vergießen ihr Blut sür die heiligste Sache auf dieser Welt — für den Glauben und für die Freiheit. Jener fürchterliche Sturm, der heute auf Montenegro, dieses kleine Land voll Helden, lo'sstürmt, drohte einstens der ganzen Christenheit und der ganzen westlichen Civilisation, welche ihren Ursprung im Christen- thum hat. In den alten Zeiten hatte einigermaßen die Eintracht der christlichen Herrscher dem wilden Angriffe widerstanden. Belgrad und Pest hatten ihren Nacken unter das fremde Joch beugen müssen, während Wien 582 durch Sobieski befreit und Agram durch seine heldenmüthigen Vorfahren gerettet wurde. Wäre dies nicht geschehen, Gott weiß, wie jetzt die west¬ lichen Länder Europa's aussehen würden! Gegenwärtig ist es anders. Gegenwärtig findet man leider ans der Welt keine Spur von Liebe und Eintracht. Die Völker und Nationen sind verweichlicht, geschwächt und ohnmächtig geworden. Einer gewissen Knlturbildnng, welche stol; in den Gasthäusern und auf den öffentlichen Orten hernmgeht, Kaffee und Tabak saugt, ist gar nichts am Kreuze und heiligen Glauben gelegen. Eine andere Knlturbildnng, mit dem Zwicker im Auge, hält die Ungetauf¬ ten für gebildeter und ihrer Unterstützung für würdiger, als die christlichen Slaven, weil sie dumm und roh sein sollen; sie vergißt aber zu erwägen, was aus ihr geworden wäre, wenn nicht die Slaven den andringenden Feind anfgehalten hätten, so daß im Westen die Bildung ruhig fortschm- ten konnte. Es grenzt an den Wahnsinn, den Tyrannen und Blutfeind, der die Kerkerschlüssel besitzt und die Fesseln schmiedet, zu unterstützen und den armen Gefangenen dafür verantwortlich zu machen, daß er im dunkeln Gefängniß schmachtet. Die Geschichte wird sich einmal wundern, daß es berühmte Versammlungen gab, welche über Verschiedenes berathen, über das wichtigste und lebendigste Ereigniß aber kein Wort verloren haben. Welch' durchgesiebte Weisheit, welch' ein Kommentar der schönen brüder¬ lichen Wechselseitigkeit und Gleichberechtigung! Sei dem aber wie immer, wahre Sache wird das Herz Gottes, welches alle Völker mit gleicher Liebe umfaßt, rühren und zu Gunsten jenes Volkes stimmen, welches seit Jahrhunderten so viel leiden muß. Uns Kroaten wird es Niemand übel nehmen können, daß wir den Schmer; unserer alten Wunden empfinden; daß wir uns über unsere Zerstücklung, und zwar ohne daß wir sie selbst verschuldet hätten, beklagen; daß wir nicht rnhig znsehen können, wie unsere Brüder geschlachtet werden. Ich sage, uns Kroaten wird es kein Rechtschaffener verübeln, wenn wir dem Bruder und Freund in seinem Kampfe und seiner Bedrängniß, da es nicht anders sein kann, wenigstens inbrünstig wünschen, daß er mit GottcS Hilfe ein für allemal von seinen Feinden befreit werde; wir Kroaten wären wie Kain oder wie die blutdürstigen Bestien, wenn wir neben dem verwundeten Bruder gleichgiltig Vorbeigehen würden, während uns alles, was dem Christen heilig ist, anffordert, daß wir ihm Samaritaner wer¬ den, die ihm seine Wunden mit Wein und Oel waschen, und daß wir ihn nach Möglichkeit beruhigen und erretten. Ich danke Gott, daß er mich gesegnet hat und überschicke den darbenden Brüdern in der Herzegowina und in Montenegro 100 Dukaten in Gold." Wir sind Panslavisten in dem Sinne: 2. daß wir Slaven in der Sprache uns nähern und nach und nach auf Eine Schriftsprache vereinigen wollen. Auch in diesem Sinne ist der PanslavismuS eben so wenig etwas neues und außergewöhnliches, als etwas revolutionäres und staatsgefahl' 583 liches. Die Italiener standen Jahrhunderte hindurch unter verschiedenen Regenten, gehörten zu mehreren Neichen, und haben doch alle die eine und dieselbe Schriftsprache. Die Deutschen bilden die Bestaudtheile von verschiedenen, nahe die Zahl 40 erreichenden Ländern und Reichen, und haben doch Jahrhunderte hindurch alle die eine und dieselbe Schriftsprache. Warum sollten nicht auch die Slaven zu drei oder vier verschiedenen Reichen gehören, und doch die eine und dieselbe Schriftsprache haben? Wir können daher das Aufsehen, ja die Aufregung nicht begreifen, welche der Aufruf des vr. E. I. v. Tkalac zu einer Versammlung slavischer Gelehrten gelegentlich des Millenniums der Slaveuapostel Kyrill und Method hervorrief. Dieser Aufruf lautet wörtlich: „Die Monate August und September sind als Universitätsferienzeit beinahe in ganz Europa den sogenannten Wanderversammlnngen von Ge¬ lehrten aller Fächer des menschlichen Wissens gewidmet. Die Aerzte nnd Naturforscher, die Philologen nnd Schulmänner, die Land- und Forst- wirthe, die historischen Vereine, die Nationalökonomen, die Juristen n. s. w. Deutschlands, der französische Gelehrtcncongreß, die englische r^oeiackon lnr ll>s inorongs kinll itilku^nu ok U8etul KnnvllNAö, die seandiuavischeu literarischen Vereine, dann die internationalen Wohlthätigkeits- und stati¬ stischen Congresse halten ihre Versammlungen theils jährlich, theils nach Periodischer Wiederkehr zweier oder dreier Jahre zu dieser Zeit ab. In dieser Aufzählung fehlen, wie gewöhnlich — die Slaven nack- all ihren Stämmen, so gut, wie wenn sie gar nicht existirten, wie wenn es bei einem Volke von 80 Millionen Menschen gar keinen Sinn nnd keine Thätigkeit für Wissenschaft und ihren Ausdruck in der Literatur gäbe, und wie wenn wir neben den einzigen Alliirten Oesterreichs, den Türken, die einzigen Barbaren Europa's wären. Von uns spricht man höchstens, wenn es gilt, unsere Nationalität und unsere Kulturbestrebun- geu zu verunglimpfen und unsere Kämpfe um nationale und politische Existenz als anmaßende Eingriffe in die Rechte nuferer, übrigens mit uns Mi Papiere — gleichberechtigten Civilisatoren zu verdächtigen und zu begeifern. Lxsm-üa rmnt oäio.-m — wir verzichten daher auf ihre An¬ führung. Doch läugnen wir nicht, daß ein Theil der Schuld hievon uns selbst trifft, namentlich in literarischer Beziehung. Wir alle, Russen, Polen, Böhmen, Serben, Kroaten u. s. w. studieren unser Leben lang fremde Literaturen als Vorbereitung zu eigener literarischer Thätigkeit, und schreiben Bücher, die blos für unsere Stammgenosseu bestimmt, der übrigen Welt aber schon der Sprache wegen verschlossen sind, nnd begnü¬ gen uns endlich mit dem Bewußtsein, für unser Volk etwas geleistet zu haben. Obgleich es auch bei uns an literarischer Kameraderie nicht fehlt, so beschränkt sich ihre Wirksamkeit blos auf das heimische Nest, und es fällt ihr gar nicht bei, im Auslande und bei andern Nationen für die Kenntnißnahme der heimischen literarischen Bestrebungen zu wirken. Was wir daran tadeln, ist nicht' der Mangel an literarisch-industriösem Sinne, 584 soncem die Indolenz gegenüber den übrigen Nationen, die mit uns — neben uns leben; so wie sie, so haben auch wir das Recht der Welt zu sagen, was, wie und warum wir literarisch wirken. Außer diesem gibt es noch einen Umstand, der für uns selbst einc» harten, aber gerechten Tadel in sich schließt. Trotzdem, daß schon ein Menschenalter verflossen ist, seit unser große ßafarik, und nach ihm Kollär den Grundsatz der literarischen Wechsel seitigkeit aller Zweige unseres Bolksstammes als eine absolute Kulturbedi«- gung aufgestellt haben, wird derselbe noch immer wenig geübt. Die Litera- ! turen unserer einzelnen Stämme haben sich bisher gegenseitig wenig beein¬ flußt, und wenn sie sich auf einem bestimmten Gebiete begegneten, so war es mehr der Instinkt, als ein bestimmtes Ziel, was sie zusammenfnhrtc. Wir verkennen keineswegs den Fortschritt, der darin liegt, daß heute der Gebildete jedes slavischen Volkes wenigstens die vier Haupt-Dialecte der slaviichen Sprache so weit studirt, daß er außer der Literatur seines auch die aller übrigen Stämme unseres Volkes im Originale liest, und besser kennt, als unsere Väter die Literatur der eigenen Heimath; da aber der persönliche und schriftliche Verkehr der literarisch wirkenden Kräfte unserct Volkes wegen der ungünstigen politischen Verhältnisse, in denen wir weist leben, dann wegen der ungeheuer» räumlichen Entfernung unserer Wohii- sitze und wegen des Abganges eines geregelten Buchhandels sich blos aus einzelne Persönlichkeiten der verschiedenen slavischen Völkerschaften beschränkt, so übte er bisher ans die literarische Thätigkeit im Allgemeinen nnr einen sehr untergeordneten Einfluß ans. Eines der richtigsten Mittel zur Begründung dieses Verkehrs, die persönliche Annäherung der literarische" Kräfte unseres gejammten Volkes, wozu den übrigen Völkern in dc" gelehrten Wanderversammlnngeu die Gelegenheit dargeboten ist, wurdet zur Stunde gar nicht versucht. Zu diesem Zwecke beantragen wir periodisch wieder¬ kehrende Wanderversammlnngen slavischer Gelehrte« aller S tämme n n sereS V olk es, hauptsächlich der Philo¬ logen und Historiker, bebnfs d er Erörterung der wichtil sten schwebenden sprachlichen und historischen Streitfrage« > des Slaventhums und ihrer literarischen Behandlung, s o w i e der pers ö n li che n Annäherung der Gelehrten der einzelnen slavischen Volksstämme. Hiezu ist uns im Jahre 1863 auch ein äußerer Anlaß gegeben. Unser Volk feiert im nächsten Jahre (1863) das Millennium unserer j Glaubensapostel Khrill und Method, ein Fest des Friedens und der Ler söhnung, die für uns alle in dem großen Bildungselemente des Christel thums liegt. Es ist zu erwarten, daß alle Stämme des slavischen Volke» ohne Unterschied der Konfession sich an dieser Feier betheiligen werde«. Welche Gelegenheit wäre wohl geeigneter, die Vertreter slavischer Wissen¬ schaft an Einem Orte brüderlich zu vereinigen, als eben diese christliche und nationale Feier? Wir schlagen daher die Abhaltung der erste" 585 gelehrten Wanderversammlnng des Slaventhnms für das Jahr 1863, als Ort derselben die Stadt Wien sowohl wegen der Nähe WelehradS als auch als Hauptstadt desjenigen Reiches, welches von größer« oder kleinern Theilen aller slavischen Bolköstämme bewohnt wird, als Zeitpunkt der Versammlung aber das Kirchenfest der Slavenapostel vor. Wir beabsichtigen damit keineswegs eine politische Demonstration, nnd überhaupt nichts, was bei einer der Regierungen, unter denen wir Slaven zerstreut leben, irgend einen politischen Anstoß erregen könnte, sondern einzig und allein die Anbahnung periodisch wiederkehrender Wander¬ versammlungen slavischcr Gelehrten nach den Statuten derjenigen deut¬ schen Versammlungen, gegen welche selbst die illiberalsten deutschen Regie¬ rungen weder vor nxch nach 1848 irgend welche Einwände erho¬ ben haben. Wir laden daher alle literarischen Vereine nnd die Schriftsteller, namentlich Philologen nnd Historiker aller slavischen Länder, so wie auch alle mit slavischer Sprache nnd Literatur fachmäßig sich beschäftigenden Schriftsteller fremder Nationen zur Theilnahme an dieser Versamm¬ lung ein. Die Aufnahmsbedingungen könnten dieselben sein, wie bei den deut¬ schen Philologen- nnd Naturforscher-Versammlungen; da diese ans den zahlreichen Publikationen der letzter» bekannt sind, so sei hier blos bemerkt, daß die an die Redaction von „Ost und West" zu adressireuden Beitritts¬ erklärungen mit je einem Exemplare der im Drucke veröffentlichten Schrif¬ ten des Theilnehmers belegt sein mußten. Sobald sich hundert Theil- nehmer werden gemeldet haben, werden wir sowohl bei der k. k. österrei¬ chischen, als bei der kais. russischen, k. preußischen, k. sächsischen und fürst¬ lich serbischen Regierung, hinsichtlich der Bewilligung zur Abhaltung, resp. zur Beschickung der Versammlung die erforderlichen Schritte macken, und hoffen, indem wir ihnen jede Garantie für die strenge Einhaltung der aufznstellenden Statuten bieten werden, auf keinen Widerstand gegen die Gewährung unseres Wunsches zu stoßen. Wir wollen diesmal kein genaues Programm für die Versammlung formnlircn, um nicht damit den uns erst bekannt zu gebenden Ansichten und Wünschen der Theilnehmer vorzngreifcn nnd geben uns keineswegs der sanguinischen Hoffnung hin, daß diese Versammlung die eben ange- dentetcn Fragen lösen oder überhaupt für die Wissenschaft mehr leisten werde, als die fremdländischen gelehrten Wanderverfanunlungen; dagegen aber sind wir überzeugt, daß diese Versammlung Europa den Beweis lie¬ fern werde, daß in uns Slaven ein so reger Sinn nnd Eifer für die Wissenschaft lebt wie bei irgend einem andern Volkostamme, daß wir, trotz aller Ungunst unserer nationalen nnd politischen Verhältnisse, hiefür mehr geleistet haben, als man bisher im Auslande davon weiß, nnd daß wir uns nicht zu scheuen brauchen, damit vor die Welt zu treten; ferner, daß wir als Angehörige Eines Volksstammes die Verhandlungen in den verschiedenen Dialekten unserer Sprache führen und uns darin einander 586 vollkommen verständlich machen können, ohne, wie man es mit dem hinsicht¬ lich des Prager Slavencongresses 1848 colportirten Mährchen der Welt glauben machen wollte, einer fremden Sprache als Verstäudiguugsmittcl zu bedürfen,- und endlich, daß wir auf dem Gebiete der nationalen Kultur- bestrebnngen trotz der Verschiedenheit einzelner Richtungen uns der natür¬ lichen und historischen Einheit unseres Volksstammes bewußt, und dieses Bewußtsein vor Europa thatsächlich zu constatireu bereit sind. Gelingt uns dies und wir hoffen, daß eS uns gelingen werde — so wird die prcjektirte Versammlung, die allenfalls heute noch von man¬ chen „Freunden" unseres Volkes blos als ein baroker Einfall angesehen werden dürfte, des Guten genug bewirkt haben, und sie wird sich bei ihrer Wiederkehr ohne Selbstüberhebung den erfolgreichsten Versammlungen dieser Art anschließen dürfen. Wir ersuchen die Redaktionen sämmtlicher slavischer und befreundeter nichtslavischer Journale und Zeitschriften um gefällige Aufnahme und Ver¬ breitung dieses Aufrufes. Wien, 27. Juli 1862. Or. E. I. v. Tkalac. Die Deutschen erheben jene großen Männer, z. B. vr. Martin Luther, Lessing, Schiller, Goethe, die Gebrüder Grimm u. s. w., welche die Vereinigung der deutschen Stämme auf Eine Schriftsprache anbahnteu und durchsetzten, und so zur Hebung der deutschen Literatur auf ihren gegenwärtigen hohen, beneidenswerthen Standpunkt wesentlich beitrugen, mit vollem Recht bis in den Himmel. Auch wir Slaven haben solche Männer schon mehrere; z. B. Kol-ir, 8afarik, vr. Miklosiö, öelakovsky u. s. w. Diesen und ähnlichen Bestre¬ bungen wird es gewiß gelingen, die verschiedenen slavischen Dialekte sich immer näher zu bringen, sie in Folge der Zeit ans vier, und endlich nur auf Eine Schriftsprache zu verschmelzen. Dieses Bemühen begleiten die Slaven mit der größten Aufmerksamkeit und den heißesten Segenswünschen, und sind so in diesem Sinne Panslavisten; aber es sind es alle, auch nichtslavischen edlen Herzen, denen die Hebung der slavischen Literatur, der Fortschritt der Bildung der Slaven und somit die Kultur des Men¬ schengeschlechtes kein leeres Wort ist. Wir sind endlich Panslavisten in dem Sinne: 3. daß wir österreichische Slaven alle in dem Einen österreichischen Staate und unter dem Einen österreichischen Kaiser vereint bleiben wollen. Oesterreich war und ist das Ideal aller denkenden österreichischen Slaven. Seit den Märztagen 1848, wo den Völkern die Zungen gelöst wurden, bis zur gegenwärtigen Stunde schwärmen alle österreichischen Slaven in loyalster und aufrichtigster Weise für Oesterreich. In Frank¬ furt, Pest und selbst in Wien hat man es ihnen vor 13—14 Jahren sehr übel vermerkt, daß sie von einem Zerreißen Oesterreichs in zwei Hälften, deren eine in Deutschland aufgehen, die andere Ors-nz 587 bilden sollte, nichts wissen wollten. Von allen Seiten wurde ihnen dafür der entehrende Vorwurf ins Antlitz geschlendert: „Slaven sind Sklaven"; trotzdem blieben die Slaven treue Ocsterreicher, eingefleischte Panslaviste«, und wollten um keinen Preis in die Abtrennung auch nur des kleinsten Theiles von Oesterreich einwilligen. Des großen Geschichtsforschers und begeisterten Patrioten Palacky bekannte Worte: „Wahrlich! existirte der österreichische Kaistrstaat nicht schon längst, man müßte im Interesse Europa's, im Interesse der Humanität selbst sich beeilen, ihn zu schaffen," — diese patriotischen Worte des berühmten Slavisten waren in die Her¬ zen aller österreichischen Slaven tief tief eingedrungen und gelten ihnen überall als Richtschnur ihres ganzen Thun und Lassens. Das Loos der österreichischen Slaven war zwar seit Jahrhunderten schon wahrlich kein beneidenswerthes. Leo Graf von Thun sagt hierüber in seiner Brochure: „Betrachtungen über die Zeitverhältnisse" Folgendes: „Allenthalben waren die Slaven nicht nur im Vergleiche mit den übrigen Volksstämmen von der Regierung vernachlässigt, sondern der, Andern durch die Regierung gebotene, anerkannt loyale Wirkungskreis war ihnen großentheils versagt. Die Verweigerung der freien Thatkraft, die auf ihnen lastete, hinderte die Slaven, selbst für sich zu thun, was für Andere die Regierung that. Andere Völker, zumal die Deutschen, fanden überdies jenseits der öster¬ reichischen Grenze in freierer Entwicklung ihres Stammes Beistand für ihr nationales Leben, die österreichischen Slaven hingegen mußten ihre Stammgenossen jenseits der österreichischen Grenze mindestens eben so bedrängt und gelähmt sehen, wie sie es selbst waren. Das deutsche und das magyarische Element wurde von Staatswegen begünstigt, das slavische beeinträchtigt." In diesen offenkundigen Verhältnissen dürfte auch der Grund zu suchen sein, warum man an die Aufrichtigkeit des österreichi¬ schen Patriotismus der Slaven so schwer und so ungern glauben will. Und dennoch ist der österreichische Slave mit sehr geringer Aus¬ nahme für Oesterreich in Ernst und Wahrheit ganz begeistert und dafür mit Gut und Blut einzustehen bereit. Wo ist die Erklärung dieser auf¬ fallenden Erscheinung wohl zu suchen? Nebst der den Slaven angeboruen treuen Anhänglichkeit an das erlauchte Hans Habsburg und der wirklich taubenartigen Nat-r der slavischen Nation ist es Wohl ganz vorzüglich der natürliche Erhaltungstrieb der Slaven, welcher sie für den Bestand und die Integrität Oesterreichs so wunderbar begeistert: „Mit Oesterreich stehen und fallen die Slaven Oesterreichs." Wird Oesterreich zertrüm¬ mert, so kann das Loos der österreichischen Slaven nur folgendes sein. Entweder gehen die Slaven diesseits der Leitha im einigen Deutschland und die jenseits der Leitha in Magyarien auf, oder aber, weil sich die l8 Millionen Slaven gewiß nicht so ruhig und geduldig verspeisen lassen dürften, es entsteht unter den Völkern Mitteleuropas ein Bürgerkrieg, dessen Ende und Folgen zu berechnen über der menschlichen Fassungskraft liegt und den Freund des Fortschrittes und der Freiheit nur mit Schmerz und Angst erfüllt. 588 Die österreichischen Slaven in Polen, Böhmen, Slowaken, Serben, Kroaten nnd Slovenen in mehrere Reiche aufgelöst und von einander getrennt, sind schwach und ohnmächtig, schwerlich geeignet, ihr nationales Leben zu retten; in Oesterreich unter einer Krone vereinigt, aber zählen sie 18 Millionen, sind mächtig, stark nnd ganz angethan, in dem konstitutionellen, freien, auf dem Principe der nationalen Gleichberechtigung aufgebauten Oesterreich ein freies und glückliches Leben zu führen. Darum, und in diesem Sinne sind sie Panslavisten und wollen um jeden Preis unter dem Hause Habs¬ burg in Oesterreich vereinigt bleiben. Aber auch in dieser offenen und ehrlichen Erklärung wird man ganz gespensterhafte Hintergedanken wittern, und darin den von den Slaven angelegten Plan ersehen, „Oesterreich zu slavisiren." Wir wollen uns in eine weitläufige Widerlegung dieses von den Feinden der Versöh¬ nung und Eintracht unter den Nationalitäten und der eben dadurch beding¬ ten allgemeinen Völkerfreiheit sehr schlau erfundenen Behauptung nicht einlassen, wir wollen hier nur die Erklärung anführen, welche die ärgsten Panslavisten — nämlich die Swornost-Männer in Prag — am 6. Mai 1848 an die nichtslavischen Nationalitäten erließen. In dieser Erklärung heißt es unter andern wörtlich: „Indem wir den Aufruf an alle unsere slavifchcn Brüder in Oester¬ reich, sich zur Berathung unserer gemeinschaftlichen Angelegenheit in Prag am 31. Mai d. I. zu versammeln, unterzeichnen, fühlen wir uns durch die Rücksichten, welche wir auch unfern nichtslavischen Landsleuten schuldig sind, bewogen, uns über die Gesinnungen und Grundsätze, von welchen wir dabei ausgehen, im Nachstehenden klar nnd unumwunden anszu- sprechen: 1. Wir erklären offen und feierlich, daß wir fest und unwandelbar entschlossen sind, dem angestammten, uns nach konstitutionellen Grundsätzen regierenden Hanse Habsburg-Lothringen die alte Treue unverändert zu bewahren, und die Erhaltung der Integrität und Souveränität des öster¬ reichischen Kaiserstaates mit allen uns zu Gebote stehenden Mitteln zu sichern. Wir weisen daher im Vorhinein alle von Uebelwollenden gegen uns etwa erhobenen Verdächtigungen über angeblichen Separatismus, Panslavismus, Russismus und wie alle derlei Schlagwörter sonst noch heißen mögen, dahin zurück, woher sie kommen, in das Gebiet der Lüge und Berläumdung. 2. Wir erklären eben so feierlich, daß es nie unsere Absicht gewesen ist, noch sein wird, irgend eine nichtslavische Natio¬ nalität zu beeinträchtigen oder zu bedrücken, indem unser Streben von je her nur dahin gerichtet ist, dem Grundsätze der vollen Gleichberechtigung aller Nationalitäten im öster¬ reichischen Kaiserstaate die nöthige Anerkennung und prak¬ tische Geltung zu verschaffen. 3. Endlich erklären wir, daß wir entschlossen sind, die dem-so eben ausgesprochenen Grundsätze gemäß unserer slavischen Nationalität im 589 Volks - und Staatsleben gebührenden Rechte in ihrem vollen Umfange in Anspruch zu nehmen, sie zu bewahren und gegen jeden Angriff, er komme, woher er wolle, zu schützen, und daß somit der von uns beabsich¬ tigten Slavenversammlung kein anderes Motiv zu Grunde liegt, als der Wunsch, durch freundliches Eiuverständniß der von einander getrennten Slavenstämme jenen uns heiligen Zweck auf die zugleich sicherste und friedlichste Weise zu erreichen. Da somit unsere nationale Selbstständigkeit und Einigung durch den Fortbestand der Integrität und Souveränität des österreichischen Kaiser¬ staates mitbedingt wird, so ist es einleuchtend, daß diese ganze Maßregel von wesentlich conservirender Natur ist, und nichts darbictet, was unsere gerechten und freisinnigen Mitbürger von uichtslavischem Stamme nur im Mindesten beunruhigen könnte." Möge dieser Aufsatz beitragen, die Ansichten der Regierung und Völker über die Tendenzen der Slaven aufzukläreu, von Seite der Regie¬ rung Vertrauen und von Seite der Nichtslaveu Liebe zu den Slaven zu erwecken! Wir Slaven sind Panslaviste«, aber unser Panslavismus ist ein natürlicher, literarischer, loyaler und gerechter Panslavismus. Das kathottsche Kirchenregiment. I. Dessen Geschichte. Unter dem auspruchlosen Titel: „Ein Beitrag zur Wissenschaft des katholischen Kirchenjahres, von Ferd. Boxlcr" kam uns vor Paar Jahren ein Büchlein in die Hand, welches Schätze enthält, welche wir darin wohl nicht ahnten. Wir glaubten darin die gewöhnliche Erklärung des katholi¬ schen Kirchenjahres niit seinen Festen und Eercmonien zu finden, fanden aber die wissenschaftlichsten Abhandlungen über die wichtigsten und eingreifendsten Tagesfragen. Zum Belege diene folgende Abhandlung über das Hirten¬ amt der katholischen Kirche; sic ist eben so gründlich und katholisch, wie anziehend und zeitgemäß. — „Der Sonntag Sept nage sima hat als frühesten Termin den 18. Januar, an welchem Tage das Fest Petri Stnhlfeier zu Rom ist, und als spätesten den 22. Februar — den Tag des Festes Petri Stuhlfeier zu Antiochia. 590 Diese zwei Feste heißen daher in der Kirchensprache „die Schlüssel des Sonntags Septnagesima." Es kann deswegen der Sonntag Septua- gesima geradezu der Sonntag des „Schlüsselträgers" genannt werden, j welcher Gedanke den beiden ihn bestimmenden Festen zu Grunde liegt. Diese Idee gibt aber zugleich auch zur tiefem Erfassung des Sonn¬ tags Septuagesima und seiner beiven Gefährten: des Sonntags Sexa- gesima und Quinquagesima fast wunderbaren Aufschluß. Gehen wir nun auf die Idee des Sonntags Septuagesima und ihre Geschichte näher ein. In den Lectionen der Woche Septuagesima liest die heilige Kirche die Geschichte der Schöpfung von Anfang bis Noe. Adam hatte von Gott den Auftrag erhalten, den Garten Gottes zu bauen und zu hüten. Er achtete aber das Gesetz des Herrn nicht, daher mußte er nun im Schweiße des Angesichts sein Brod essen, und die Erve trug ihm nur Disteln und Dornen — das Gleichniß des religiös-sittlichen Verfalls des Menschengeschlechts trotz der Muhen der gottgetreuen Patriarchen. Nun pflanzte Gott in seinem Sohn Jesus Christus ein neues Para¬ dies — die katholische Kirche, und auch in ihr gilt es vom frühen Morgen bis zum späten Abend: Laufen, arbeiten und wachen, um den Weinberg des Herrn zu bauen. Diese Idee harmonirt auch tiefsinnig mit dem Naturleben. Im Innern der Natur hat die organische Flüssigkeit bereits schon ihregeheim- nißvolle Entwicklung begonnen, darum beginnen auch jetzt tvDgstens die Vorarbeiten zur Bebauung der Aecker und Felder, der Gärten und Wiesen — namentlich beginnen in den südlichen Gegenden schon die Arbeiten in den Weinbergen, und werden um diese Zeit die Arbeiter gedungen. Wir werden daher schwerlich irren, wenn wir sagen: die heilige katholische Kirche wolle uns in dieser Symbolik das katholische Hir¬ tenamt sinnbilden. Das Gesetz der katholischen Kirche ist Geist und Freiheit, daher ging die beschränkte, gebundene, fleischliche Ordnung der alten Kirche über in die Freiheit und geistige Gewaltordnung der neuen, und das an einen Stamm gekettete, und also durch leibliche Zeugung mittheilbar, levitische Priesterthum verwandelte sich in das evangelische, jedem geöffnete Priesterthum, welches nur durch geistige Zeugung, durch Mittheilung des heiligen Geistes mittels der Händcanflegung der Apostel und ihrer Nachfolger fortgepslanzt wird. Die dreifache Gewalt des alttestamentlichen Priesterthums — die der Bewahrung und Auslegung der Lehre, die der Darbringung der gesetzlichen Opfer und die der Regierung war in der neuen Kirche zuerst in der Per¬ son des Stifters vereinigt. Christus übertrug dieses dreifache Amt zugleich mit seiner Sendung auf die Apostel und verband damit die Verheißung, daß er mit ihnen sein werde bis an's Ende der Welt, womit er ankün¬ digte, daß das Apostolat durch eine ununterbrochene Reihe von Lehrern, Priestern und Vorstehern fortbestehen werde bis an's Ende der Welt; daß der Dienst der Heilslehre, des Opfers und der heiligen Sakramente und der Kirchenregierung niemals aufhören solle; daß es stets eine sichtbare 591 Kirche geben solle, bei welcher er — Christus immerdar bleiben ,' in wel¬ cher seine Lehre unverfälscht bewahrt und gelehrt, sein Opfer und seine Sakramente gefeiert, und Alles von ihm Gebotene werde beobachtet wer¬ den. Daher ist schon in der göttlichen Institution der Kirche der Unter¬ schied zwischen Klerus uud Laieu begründet. Dieser Unterschied, so wesentlich er für das kirchliche Leben selbst ist, verleiht aber dennoch dem Klerus — den Auserwählten in Bezug auf ihr eigenes, persönliches Verhältniß zur Kirche kein Privilegium, noch beeinträchtigt er die Laien in ihrer Würde als das geheiligte Volk und auserwählte Geschlecht im Mindesten. Denn während dem Klerus die Würde des übernommenen Amtes noch keinen persönlichen Werth bringt, welchen sie als Jünger und Diener Christi auch durch Selbstverläuguuug und sittliche Treue zu gewinnen haben, so bleibt den Laien immerhin der Ehrenname einer königlichen Priesterschaft ungeschmälert, denn die Laien können, freilich nur mittelbar, mehr oder weniger an der Kirchen¬ verfassung sich betheiligen. Jeder kann in seinem Stande nach dem Maße seiner Kräfte, seiner Stellung und Verhältnisse rächend, ermahnend, beleh¬ rend an dem priesterlichen Lehramte Mitwirken; jeder ist auch im gewissen Sinne Priester, denn da in der Kirche alle Gläubigen geheiligt, und als lebendige Glieder zur Einheit des Leibes Christi verbunden werden sollen, so verlangen sie in dieser Beziehung Alle eine priesterliche Würde. Alle stehen durch das Gebet in geistiger Gemeinschaft unter sich und mit den Engeln und Heiligen jenseits. Selbst in Rücksicht auf das unblutige Opfer des AltareS, obgleich die Consecratiou desselben durch den eigent¬ lichen Priester statthat, und nur durch ihn geschehen kann, participirt doch jeder Gläubige dadurch, daß er Christum mit aufopfcrt, geistiger Weise wahrhaft an der heiligen OpfcrhandluW. — Endlich ist auch, und war von je her den Laien ein nicht unbedeutender Einfluß in ver¬ schiedenen Partien der Kirchenregierung, namentlich durch ihre Theilnahme an der Wahl der Kirchenvorsteher, durch Präsentation der Geistlichen auf erledigte Pfründen, in Verwaltung des kirchlichen Localvermögens wie auch durch ihre Gegenwart bei Shnoden cingeramnt. Darnach dürfte als katholischer Glaubenssatz feststchcn: „daß Chri¬ stus in derGründung seiner Kirche einen ewigen Unterschied von Klerus und Laien sesthielt; im Klerus eine Hierarchie anordnete, namentlich die Presbyter den Bischöfen und die Bischöfe dem Apostelfürsten untergeordnet habe; und daß die vomHerrn den ersten Repräsentanten des Klerus mitgetheil- ten Vollmachten in dem Episcopate durch die Ordination sich forterben.' Unentschieden aber und bestritten sind im Gebiete der Kirchenregie- rnng die Fragen: 1) ob die bischöfliche Jurisdictionsgewalt ein Ausfluß der päpstlichen oder an sich unmittelbar von Gott übertragen durch den Primat nur be¬ aufsichtiget und beschränkt sei? und 592 2) ob die Bischöfe von Anbeginn an eine von ihrem Presbyterium unbeschränkte Vollmacht bezüglich der Regierung ihrer Kirche inne hatten, oder ob sie in der Verwaltung ihrer Diocesen durch den Rath oder die Zustimmung ihres Presbyteriumssenats gebunden waren? Die erstem offen gelassenen Fragen erzeugten nach oben hin das Papal- und Episcopalsystem. Nach dem Erstem ruht im römischen Bischof die Vollgewalt der Kirche in dem Sinne, daß die Kirchs im Papste aufgeht; nach dem Letz¬ ter» ist er nur die Spitze des Episcopates, und der Lehrkörper und das Regiment nicht in der alleinigen Person des Papstes, sondern in seiner organischen Verbindung mit dem Episcopate zu erkennen. Nach jenem ruht die volle Ncgierungsgewalt in der Person des Papstes; nach diesem im Papst und Episcopat als gemeinsamen Körper. Nach jenem sind die öcumenischen Concilien ein zufälliges und nur nützliches, nach diesem ein wesentliches und unentbehrliches Institut. Nach jenem ist der Papst für sich allein der höchste Gesetzgeber in der Kirche, nach diesem ist er es nur au der Spitze der zerstreuten und einstimmenden oder auf einer allgemeinen Synode versammelten Bischöfe. Eben deshalb sind Erstere veranlaßt, den o.x embsära sprechenden Papst als unfehlbar anzuerkennen, indessen die Letztem diese Prärogative nur dem allgemeinen Concil zusprechen. Nach Erstem haben die Bischöfe an sich keine, und durch päpstliche Gnade nur so viel Jurisdiction, als ihnen der Papst zu überlassen geneigt ist; nach Letztem haben sie an sich die volle bischöfliche Gewalt, und es ist nur ein Recht, beziehungsweise Pflicht des Papstes, unter Bezug auf die Einheit und das Wohl der ganzen Kirche die Jurisdiction der einzelnen Bischöfe zu beschranken. Nach Erstem ist die Verfassung der Kirche, insoweit der Papst sich nicht selbst beschränkt, eine absolute Monarchie; nach Letzter» ein im Episcopat bestehender und durch den Primat zusammengehaltener Freistaat. Nach den Papaliste» sind die bestehenden gesetzlichen Beschränkungen des Primates päpstliche Zugeständnisse und bischöfliche Errungenschaften; nach den Episcopalisten sind es natürliche und aus der Kirchenverfassung vou selbst hervorgehende Verhältnisse. Endlich hat nach Erstem der Papst alle Rechte, die er je besaß oder zur Zeit besitzt, aus der Natur seiner Würde; hingegen ist er nach Letz¬ tem zu sehr vielen seiner Rechte erst im Laufe der Zeit aus verschiedenen Gründen gekommen, und es ist möglich, das diese, auf historischem Wege erst begründeten und erworbenen — sogenannten unwesentlichen Rechte des Primates, durch welche die Bischöfe in ihrer natürlichen Jurisdiction zum Theil allzu sehr beschränkt sind, in die Hände ihrer früher» Inhaber — der Bischöfe wieder zurückfließen. Ganz analog dem eben verlassenen Streite erzeugten auch die nach unten hin an zweiter Stelle offen gelassenen Fragen ein zweifaches System, 593 einerseits das der bischöflichen absoluten Stellung, anderseits das der verfassungsmäßigen Beschränkung der Bischöfe durch ihr Presbyterium. Die Einen, welche der bischöflichen Unbeschränktheit von Seite seines Klerus huldigen, lassen die ganze Diözese im Bischof anfgeheu. Die ganze Regierungsgewalt ruht in ihm. Seine Priester dürfen ihn nicht beschränken, weil sie von Natur aus zur Mitregierung nicht berufen, sondern blos seine Rathgeber und Gehilfen sind. Die Andern erkennen zwar in dem Bischöfe eine höhere Stufe so¬ wohl bezüglich des oi-äo als der Jurisdiction, finden ihn jedoch in Anse¬ hung der Kircheuregierung, d. h. bezüglich der Regierung seiner Diözese durch sein Presbyterium dermaßen verfassungsmäßig beschränkt, daß viele seiner Regiernngshandlungen ohne Mitwirkung seines Presbyteriums ge¬ nommen als unerlaubte oder nngiltigc erscheinen. Diese Systeme aber, welche zwischen dem Primat und dem Episcopat, und zwischen dem Bischof und seinem Presbyterium bestimmte Grenzen ziehen und für alle Zeiten ein und dieselbe Classification fcstsetzen wollen, verkennen die Idee der organischen Rechtsbewegnug. In der Ver- fassuugsidee der katholischen Kirche liegt Primat und Episcopat als die Einheit und Vielheit repräsentirenv. Je mehr nun im geschichtlichen Fort¬ schritt nach der Seite der Vielheit hin eine Auflösung des organischen Lebens droht, desto mehr muß die Einheit an Kraft wachsen. Will aber diese Einheit Alles sein auf Kosten der Mannigfaltigkeit, dann droht die¬ selbe Gefahr. Daher ist die Eintheiluug der päpstlichen und bischöflichen Rechte in wesentliche, nicht wesentliche, menschliche und übertragene rc. total verfehlt, weil dem Gesetze organischen Lebens zuwider. Wesentlich für den Primat ist das, was die Zeit heischt zur Erhaltung der Kirche; wesentlich für das Episcopat im Allgemeinen und den Einzelbischof eben dasselbe. Daher ist das System des Papalismus wie das des Episco- Palismus zu verwerfen. Beide — Primat nud Episcopat sind die herr¬ schenden Factoren des Kirchcnlebens, und die Begrenzung ihrer Rechte ist allein durch die Vereinbarung an's Ende zu führen. Beide im Einverständniß sollen ermessen, was der Zeit Noth thut. Dasselbe Gesetz organischen Lebens wie zwischen Primat und Epis¬ copat herrscht nach unten bezüglich der Negierung der Diözese zwischen Bischof und Priestern. Daher ist auch hierin das Gesetz des lebendigen Einverständnisses in dem, was der Zeit Noth thut, maßgebend in den Rechten des Bischofs und seines Presbyteriums. Diese ausgesprochenen Grundsätze der katholischen Kircheuregierung bestätigt ihre Geschichte. l. Wie das Apostolat, durch welches der erste Ein- und Uebergang Christi in das Menschengeschlecht zu Stande kam, das lebendige Funda¬ ment bildete, über welchem sich die neue Kirche erbaute; so war der Neber- gang des Apostolates in das Episcopat die Grundbedingung ihrer Fort¬ dauer und allseitigen Verbreitung. „Anstatt deiner Väter sind dir Söhne 38 594 geboren." Daher wird auch die Fortführung der Weihe zur gesetzlichen Aufeinanderfolge der Bischöfe, sowie die von ihnen gespendete Weihe der untergeordneten Priester Ordination — „das Sakrament der Ordnung" genannt, ausgehend'von dem, der über die Himmel erhöhet ist zur Erfül¬ lung seines Werkes, zur Erbauung seines Leibes, damit Alle in der Ein¬ heit des Glaubens, und in gleicher Erkenntniß des Gottessohnes zusam¬ menstimmen, nicht mehr umhergeworfen von jedem Winde der Lehre. Zu diesem Zwecke setzten die Apostel in den einzelnen kirchlichen Gemeinden nach göttlichem Auftrage an ihre Stelle Bischöfe ein, und übertrugen denselben ihre vom Herrn empfangene Sendung, wenn auch nicht ihre spezielle Qualität der Unfehlbarkeit und des universellen Cha¬ rakters. Daher predigt in der Regel nur der Bischof vor der Gemeinde — der Presbyter nur in dessen Autorität; — feiert das eucharistische Opfer und spendet die Sakramente; und nur der Bischof konnte das Priesterthum durch Ordination fortpflanzen. Bei der engen, vertrauens¬ vollen Verbindung der Gemeinde mit ihrem Bischof pflegte dieser in allen wichtigen Angelegenheiten im Einverständnisse mit derselben zu handeln, doch war seine Auctorität eine unabhängige, welche die Gemeinde nicht willkürlich beschränken konnte; als Nachfolger der Apostel war er vom heiligen Geiste eingesetzt, die Kirche zu regieren, und im Falle einer Divergenz mußte sich die Gemeinde seiner Entscheidung fügen. Der Bischof war also der von dem Herrn in seinen Weinberg gesendete Arbeiter, doch waltete und schaltete er in demselben nicht tyran¬ nisch, sondern als Vorbild der Heerde und Gehilfe ihrer Freude, gleich¬ wohl erschien er mit höherer Beglaubigung, so daß ihm Alle wie einem Vater mit freiwilliger Ehrerbietung nnd Anerkennuug ent¬ gegen kamen. Die Presbyter (Aeltesten), welche die Apostel in den Städten eiu- setzteu, und die allmälig in allen bischöflichen Kirchengemeinden eingeführt wurden, waren die Gehilfen und Rathgeber des Bischofs. In Bezug auf das Opfer waren und hießen sie gleich dein Bischof „Priester", woher es kommen möchte, daß, da der Name „Episcopus" noch kein stereotyper Standesname war, diese zwei wesentlich verschiedenen Rangstufen in der kirchlichen Hierarchie im Anfang nicht scharf auseinander gehalten wurden. Sie — die Priester bildeten das Presbyterium, zu dem der Bischof selbst als Haupt und Vorsitzer gehörte, und mit welchem er ge¬ meinschaftlich die Negierung der Kirche führte. Wie die Presbyter „die berathenden", so waren die Diaconen, die Nachfolger der sieben von den Aposteln eingesetzten Armenpfleger, „die dienenden" Gehilfen des Bischofs, welche sich nach unten in noch fünf Stufen verzweigten. Nach dieser Idee vergleicht der heilige Ignatius den Bischof, welcher wie einst der Nasi sein Kirchenregiment in Verbindung nnd Harmonie mit dem Collegium der Aeltesten verwaltete, seinen Presbytern gegenüber mit der Cither und Letztere mit den Saiten, und nennt das Presbyterium bildlich die geistige Krone des Bischofs. 596 Da das Evangelium gewöhnlich zuerst in den Provinzial-H aupt- städten verkündet wurde, und von da in die andern Provinzialstädte sich verbreitete, so galt bald die Kirchengcmcinde der Hauptstadt als die wich¬ tigste, und der Bischof der Hauptstadt kam an die Spitze der sämintlichen Kirchengemcinden in der Provinz. Ursprung des Mctrvpolitau- s h st e m s. Unter den vielen römischen Hauptstädten bekamen sodann wiederum diejenigen, welche durch ihre Stellung zu größer» Reichsbezirken vor den andern Proviuzialstädten hervorragten, und denen schon die Apostel das Evangelium gepredigt hatten, als Apostelsitze ein besonders großes Ansehen. Ursprung des Patriarchalsystems. Anfangs standen die Kirchengemcinden mehr in einem blos zufälligen freien Verkehr durch reisende Brüder und schriftliche Mittheilungen. All- mälig aber entwickelte sich im gleichen Schritt mit der Entwicklung der hierarchischen Verfassung — Episcopcn, Metropoliten und Patriarchen — eine geregelte Gemeindcverbiudung theils durch das Bedürfnis; der gemein¬ schaftlichen Berathung in G laubensfrage u, theils zur gegenseitigen Stärkung in Ertragung des Leidensdruckes, theils zur Haudhabnug der Kirchendiscipliu, insbesondere der Excommunication, welche an¬ fänglich nichts anders gewesen, als die nätürliche Kraftäußcrung eines in gesunder Einheit bestehenden geistigen Lebens; dadurch ward hervorgerufen das Shnodalshstem. Das Institut der Synoden ist der sprechendste Aus¬ druck jenes von den frühesten Zeiten an den Gläubigen innewohnenden Bewußtseins, daß Alle zu der Einen durch die Einheit des Glaubens und der Liebe unzertrennlich verbundenen Kirche gehörten — dies war Ausdruck katholischen Bewußtseins! Die gegenseitige Unter- und Ueberordnnng des Gesammtepiscopates wurde aber einheitlich zusammengehaltm durch den Bischof der Hauptstadt der Welt, durch jenen Bischof, welcher ans dem Stuhle Petri saß, uud i» dessen Händen stiftungsgemäß der Primat der Kirche ruhte. Je weiter sich nun durch die Sendung der Bischöfe das Gebiet der Kirche ausdehute, und je mehr sie in zahlreichen Völkern Boden gewann, desto entschiedener mußte nach Maßgabe der peripherischen Wirksamkeit auch jenes Central¬ organ der einigenden Mitte seine conservative Macht erweisen. Wenn schon im Kreise der Apostel, von denen doch jeder Einzelne Träger der Fülle des heiligen Geistes und iufallibler Bevollmächtigter Christi für die gesammte Menschheit war, Simon Petrus nach ursprünglicher Anordnung des Herrn als Oberhaupt und Organ der Einheit stand, so mußte dieser Primat, den er vor wie nach der Sendung des heiligen Geistes in der apostolischen Kirche behauptete, und welchen Christus so feierlich sanctio- nirt hatte, in der Folgezeit immer kräftiger und sichtbarer hervortrcten, um die Kirche zu allen Zeiten uud unter dem buntesten Wechsel der Schicksale als die Eine, heilige, allgemeine und apostolische Kirche zu bewahren. 39* 596 II. Damit sind wir aber schon in den zweiten Zeitraum der Ge¬ schichte der Regierung der katholischen Kirche eingetreten. Der Episcopat des Orients zerfährt in sich selbst durch die Häresie, daher mußte die Einheit an Kraft wachsen; ja Rom mußte stark sein, damit die Kirche die Vielheit in einem den todten Abfall ausstoßenden Centrum rette; wer sich an Rom hielt, war in der Kirche, wer abfiel, war aus der Einheit des Organismus excernirt. Immer wenn im Oriente Häresien oder Streitpunkte sich zeigen, welche den Episcopat zu zerreißen drohen, sehen wir als haltende Mitte desselben in Glauben und Disciplin den Primat einschreiten. Die ganze Regierungsgeschichte der Kirche im Mittelalter ist nur eine weitere Anwendung dieses seit Uranfang geltenden Grundsatzes. Je mehr der Episcopat in sich gespalten wurde — und dies geschah vorzüglich durch den Arianismus — desto mehr mußte eine Centralisation der Macht vor sich gehen, damit man wisse, wo die Kirche sei. Dazu kamen im Abendlands noch ganz neue Momente hinzu als in Asien und Afrika. Von Rom aus ging die Stiftung der meisten germa¬ nischen Episcopate; von hier ans continuirten sich wie in einem beständi¬ gen Flusse die römischen Legaten; alle Abgrenzung, Theilung des Kirchen¬ gebietes ging von hier aus; wie hätten da die orientalischen Zwischen¬ stufen aufkommen können, um das Centrummachtlos zu machen? Daher die Auffassung Bezugs einiger Primaten, als ob sie nur Vicare Rom's wären. Diese Bewegung des Kirchenrechtsbewußtseins — wie diese päpstliche Herrschaft allmälig geworden war — mußte den Menschen damaliger Zeit wohl unbegreiflich sein, daher treten zwei Männer in die Geschichte ein, welche die bestehende kirchliche Rechtsordnung als urchristlich, als auf göttlicher Inspiration beruhende Einrichtung der Kirche Christi darstellteu. Denn eS ist schwer zu leugnen, daß Pseudoisidor und Gratian nicht die ganze Gesetzgebung und Macht der Particularcon- cilien einzig und allein nur vermöge Decretaleu, welche sie der ältesten Kirche in den Mund legten, auf die römische Autorität gepflanzt haben; obwohl sie die Haltung derselben anbefohlen; obwohl sie ihnen die Unter¬ suchung und Entscheidung aller Klagesacheu von Laien und nieder« Klerus, und selbst die Untersuchung in vsusis m-ftoi-ilms opis^opoium überlassen. Daher war für den factischen Stand der bischöflichen Jurisdiction und ihrer Handhabung insbesondere auf den Synoden vorderhand nirgends Gefahr vorhanden, und es entwickelte sich das System der Diöcesan- regierung, wie es die Zeit erforderte. Die Größe der Diözesen verursachte einerseits, daß der bischöfliche Senat nicht mehr alle Priester der Diözese um sich versammeln konnte, sondern derselbe nur mehr ans eine gewisse Anzahl Personen sich beschränkte, welcher Umstand die Domcapitel-Verfassung in's Leben rief. Dennoch aber stehen diese Domcapitel die erste Hälfte dieser Periode noch unter dem Bischof und seiner Synode, gleichwie anch die Klöster in S97 allen Klostersachen, was Vermögen, Klosterordnung, Wahlen u. s. w. anbe¬ traf, durchwegs dem Bischof unterworfen waren. Anderseits trieb aber das Bedürfnis;, nicht blos den mehrständigen Körper des Doincapitels, sondern auch den Klerus der Diözese nm den Bischof sich versammeln zu lassen auf der Synode im Interesse der Landesseelsorge; deswegen gingen den Synoden die bischöflichen Sendgerichte vorher, vom Bischof unter Begleitung des Archidiacous auf seinen Msitatiousreisen für einzelne Sprengel abgehalten als Vorbereitung auf die Diözesansynode. Daß die Verschwisterung, welche der germanische Staat mit der Kirche einging, den Wirkungskreis der Diözesansynode enorm erweiterte, versteht sich wohl von selbst, da der Bischof in allen Punkten, die jetzt als rein weltliche oder gemischte bezeichnet werden, die gesetzgebende Auto¬ rität bildete. Daher sowohl der Staat als die Privatpersonen an den Synoden den lebhaftesten Antheil nehmen; theils Recht suchend in Civil- und strafrichterlichen Klagefällen, theils znhörend, theils mitredend. Diese kirchliche Rechtsbewegung der Diözesanregierung wird aber durch die in ihr höchstes Stadium hineingetriebcne Macht des Primates, die seit Gratiau mehr als früher und besonders durch die jener Macht entsprungenen Decretalen noch mehr ermöglichte und herbeigeführte Ein¬ heit der Disciplinargesetzgebung und die systematische Verarbeitung dieses Rechts gänzlich umgebildet. Die Provinzialconcilien haben eine wesentlich andere Stellung, als in der vorigen Epoche. Früher hatten sic den Pri¬ mat und die kirchliche Nation oberhalb sich stehen — nun regiert Rom die Welt vermöge seiner Legate und seiner Decrete. Die Nationalpri- inatieu werden mehr zum Schatten; die Nationalepiscopate sind im Abend¬ lande allmälig um ihr in einheitlicher Versammlung und einheitlicher Gesetzgebung sich kundgebendes Natioualbewußtseiu gekommen, und nirgends ist zu lesen, daß der Primat während dieser Epoche aus die Ausbildung des nationalen Rechts hingedrängt hätte; nun sind die Provinzialconcilien allein und nach der höher» Richtschnur des Primatialrechts noch in regel¬ mäßiger Geltung; die oausas m-sinrss opiscopoi-iim bilden nun keinen Apfel der Eris mehr zwischen den Metropoliten und Rom, nachdem in Hincmar der letzte Kämpfer unterlegen; die Einzelbischöfe sind vom Papst nun nicht mehr durch Mitteliustanzen getrennt in den wichtigen Sachen, und durch sie behindert; aber umgekehrt ist Rom auch uicht mehr gehin¬ dert, die Bisthümer beliebig zu zerreißen, zu verengern, Capitel, Colle- giate und Klöster thcilweise oder völlig zusammt ihrem Gebiete von der bischöflichen Jurisdiction oder gar dem Diözesansprengel und der Synodal- Pflicht loszubinden. Der Hauptsache nach gibt es in dieser Epoche nur dreierlei Recht: das Decretale, Provinzial- und Diözesanrecht. Zu diesem Stadium der Entwicklung war nun die Kirchenrechts¬ verfassung hingedrängt; nach oben hin war ein mächtiges Eentrum, nach unten hin zu viel Mannigfaltigkeit, zu viel Exemptionen ohne die gehöri¬ gen Mittelcentren; denn unmittelbar unter Rom wollte Alles stehen. 598 Welcher Geist der Centralisation auf Seite Roms einerseits und der die eigene Unbeengtheit suchenden Verflüchtigung anderseits! Es mußte anders werden; denn die Weltgeschichte ist auch das Weltgericht. Zu weit vorangetriebene Principien werden in ihr Gegen- theil umschlägig. Das Schisma macht die kirchlichen Nationen wach; in Constanz und Basel gibt sich dieses wachgewordene Bewußtsein schon zu erken¬ nen durch die Sonderung nach — Nationen, und nach Verlauf dersel¬ ben sind es wieder die Einzelnationen, mit welchen der Papst paciscirt und Concordate abschließt. Ewig denkwürdig ist diese Bewegung. Wie in verwichener Epoche sich der Papst als alleiniges Ceutrum zu betrachten schien, um die bischöf¬ liche Jurisdiction beliebig einzuschränken, sowohl der Extension nach durch verliehene Privilegien der Exemption, als der Jntension nach durch belie¬ bige Reservate und directe und indirecte Steuerauflegung rc.; so setzte nun in Constanz und Basel das versammelte, hanptlose Episcopat sich als Centrum ein anstatt des Papstes, nm nun umgekehrt mit dem Primat zu verfahren, wie dieser an ihm gethau. War auf der einen Seite Monarchie ohne Constitntionalismns ge¬ wesen, so wollte man hier den Constitutionalismus ohne wahre Monarchie; aber die Wahrheit der kirchlichen Rechtsbewegung ruht nicht in diesen staatsrechtlichen Extremen. Die Concilien gingen auseinander, und was war das Resultat? Weder eine principielle Vereinigung über die Ver¬ fassungsrechtsfrage L>er Kirche, noch eine factische. Und was war hievon wieder das Resultat? Daß der Papst doch in etwas herabsteigen mußte, um mit den Einzelnationen sich sactisch zu verständigen. Also stimmten diese Concilien nicht die Macht des Papstes herab, sondern nur ihren Gebrauch. Letzteres geschah aber allmälig noch viel mehr durch die Rich¬ tung, welche der Staat nabm. So schritt die Berfassungsrechtsgeschichte fort bis zum Concil von Trient. III. Mit der großen Kirchenversammlung zu Trient sind wir zu jener Wende im kirchlichen Nechtsbewnßtsein gekommen, welche eine große Epoche kirchenrechtsgeschichtlicher Bewegung sactisch abschließt und princi- piell die Idee zu einer noch größer» Kirchenrechtöentwicklung in sich trägt. Das „Trient" hat mich immer au Dreieinigung erinnert, so oft ich mich mit dem Studium dieses Concils befaßte. Die drei Mächte, welche hier pacificiren, sind der Primat, der EpiScopat und der Staat. Der Schritt, welcher hier über Constanz und Basel hinaus geschah, war dieser, daß man sich sactisch vereinigte über das JuriSdictionsvcr- hältniß von Primat und Episcopat, und daß man in den Verhandlungen namentlich über die „Reformation", wie die Geschichte des Tridentinmns sattsam darthut, auch die Stimme der Fürsten hörte. 599 Durch das Tridentinum wurde der Papst iu seinem Rechte erkannt, die ganze Kirche zu regieren, und ihm alle Rechte zuerkannt, welche zur Führung dieses Amtes nothweudig. Ebenso wurden durch das Tridentinum auch die Bischöfe in dem Rechte erkannt, in nothwendiger Unterordnung unter den Papst unbescha¬ det ihrer Selbstständigkeit ihre Diözesen zu regieren ohne alle Exemtionen. Wie so das Rechtsverhältniß von Primat und Episcopat festgestellt wurde, so auch das Rechtsverhältniß von Staat und Kirche, indem die das Regiment der Kirche betreffenden Punkte, in welchen sich Staat und Kirche berühren, bestimmt wurden, in wie weit ein Hinein¬ greifen des Staates erlaubt sei, und in wiefern es zurückzuweisen. Nach dieser Beziehung hin bildet das Tridentinum den Abschluß einer tausend¬ jährigen Kirchenrechtsentwicklnng und legt sactisch das Zeugniß ab, daß der iu der letzten Epoche gekämpfte Kampf zwischen Primat, Episcopat und Staat eine glückliche Mitte gefunden habe. Das Concilium Tridentinum trägt aber eben deswegen auch nach vorwärts das Princip zu einer noch großem Entwicklung des kirchlichen Rechtslebeus in sich. Dieses Princip ist eben diese glückliche Mitte, d. h. die Idee der Vermittlung. Dieser Geist der Vermittlung ist es denn auch, welcher schon seit bereits dreihundert Jahren in der Ausbil¬ dung der Kirchenregierung sowohl nach innen als nach außen wirkt. Ohne zu Grundelegung dieses Lebensgedankens dürfte das Tridentinum und dessen ganze nachfolgende Geschichte in seiner Tiefe und Kraft wohl nicht erfaßt werden. Wie nun dieses System zwischen den vereinbarenden Mächten nach Oben, unmittelbar von Christus mit der Jurisdiction seiner Kirche betraut, die Kirchenregierung im Geiste des Tridentinnms — im Geiste Gottes wirkt, und gleichwie dieselben Mächte, sich vereinbarend mit der weltlichen Macht, alle jene Hindernisse — das sogenannte StaatSki rcheu regi¬ ment — entfernen, welche der Entwicklung des Kirchenrechts nach Außen und im Großen noch hindernd im Wege stehen; so wirkt dieselbe Idee der Vermittlung auch nach unten zwischen Bischof rind Klerus, jene Nechts- bewegung schaffend, welche der Zeit frommt. In diesem Sinne dürften die anklagenden Worte eines großen Kirchenhistorikers mildernd zu ver¬ stehen sein: „würde Alles befolgt, d. h. würde dem Geiste deö Tridenti- nums keine Schranke gesetzt — die Kirche würde wahrlich in einen sol¬ chen Zustand erhoben, in dem ihre besten Repräsentanten sie so sehnlichst zu sehen verlangten!" In den folgenden Aufsätzen werden wir die Fragen erörtern, ob es möglich und räthlich, nützlich und zeitgemäß sei, zur alten kirchlichen Praxis zurückzukchren und dem niederu Klerus und den Laien eine größere Theil- uahme in verschiedenen Zweigen des Kirchenregimentö zn gestatten. 600 lieber Steuerreform. VII. Das Tabakmonopol. D. U. Seit Jahrzehenden kämpfen die Anhänger für und gegen das System des Tabakmonopols, die eine Hälfte Europa's prakticirt das eine, — die zweite das andere System. Es ist für und wider schon so diel geschrieben worden, daß wir nns füglich einer nähern Detaillirnng dieser Systeme enthalten können. Wäre Oesterreich ein centralisirter Ein¬ heitsstaat, dann würden wir uns bedingungsweise für Beibehaltung des Tabakmonopols aussprechen; weil er es aber nicht ist, und weil die staat¬ lichen Verhältnisse schon aus politischen Rücksichten die Aufhebung drin¬ gend verlangen, so sind wir sür letztere. Bezüglich der Industrie und des Handels bleibt Oesterreich auch nach dem Oktober-Diplom ein Einheitsstaat. Ist es also nicht eine Anomalie, daß die Pflegung eines Productions,zweiges, des Tabakbaues näm¬ lich, jenseits der Leitha erlaubt, diesseits aber nur ansuahmsweise ge¬ stattet ist? — Nebst der Verzehrungsstener hat das Tabakgefälle die meisten Ge- fällscontraventionen, nämlich 56,506 im Jahre 1857, der sicherste Beleg, daß die Einführung des Tabakmonopols in Ungarn ans fortdauernden ent¬ schiedenen Widerwillen der Bevölkerung stößt. Die statistischen Nachwei¬ sungen zeigen zwar, daß der Tabakbau in Ungarn seit Einführung des Monopols zugenommen hat, allein diese Thatsache kann nicht dem Mono¬ pole, sondern den geänderten Zeitverhältnissen seit dem Jahre 1848 und der bis in die untersten Schichten des Volkes gedrungenen Mode des Cigarren-Rauchens, so wie überhaupt der von Jahr zu Jahr zunehmenden Rauchlust zugeschriebeu werden. Auch ist das Tabakmouopol, so wie es jetzt in Oesterreich besteht, die ungerechtes! vertheilte Steuer; denn vergleicht man das Netto-Erträg- niß des Tabakgefälls diesseits und jenseits der Leitha, welches pro 1862 in den sogenannten erbländischen Provinzen mit dem Betrag von fl. 33,669,056 für Ungarn und Nebenländer aber mit fl. 13,729,974 präliminirt erscheint, so ergibt sich, daß die Länder dies¬ seits der Leitha blos zu dieser einzigen Finauzqnelle um fl. 19,939,079 mehr steuern, als unsere jenseitigen Brüder, bei denen doch bekanntlich die Sitte des Tabakrauchens weit allgemeiner verbreitet ist, als in den deutsch-slavischen Ländern. Hiezu kommt noch, daß die ungarische Agri¬ kultur aus dem Tabakanbaue eine» bedeutenden Nutzen schöpft, wahrend diesseits der Leitha diese Steuer nur ein Opfer ohne allen Gegen- gewinn ist und bleibt; dies erweiset sich unleugbar durch die statistische 601 Nachweisung des Freiherrn von Czoernig, welcher in seinem schon erwähn¬ ten Werke, Seite 171, sagt: „Ungarn nahm in der neunjährigen Periode 1851—1859 für rohe Tabakblätter 45,225.070 sl. von der Regie ein, während der Monopolsbctrag daselbst in derselben Zeit sich auf 32,658.722 fl. belief, wonach das Land um 12,566.348 fl. mehr aus dem Tabakmono- pol gezogen, als dazu beigesteucrl hat." — Dies heißt mit andern Worten: die Völker diesseits der Leitha haben in dieser neunjährigen Periode außerdem Gewinn des Staatsschatzes noch überdies ihren Brüdern jenseits der Leitha einen Tribut von mehr als 12^ Millionen geleistet, welcher ganz gewiß ent¬ fallen wäre, wenn der Tabakbau diesseits nicht verboten wäre. Wenn wir gar keinen andern Grund hätten über die Monopole im Allgemeinen den Stab zu brechen, so wäre schon einfach der genügend, daß sie noch Ueberbleibsel des Feudalstaates sind, mithin wie man sich auch dagegen stemmen mag, über kurz oder laug, weil mit dem Zeitgeist unverträglich, fallen müssen. Allein beim Tabakmonopole kommen noch die wichtigsten volkswirthschaftlichen und politischen Gründe hinzu. Es ist bekannt, daß in Ungarn und seinen Nebenländeru das Tabakmonopol nur mit dem größten Widerwillen ausgenommen wurde und ein Jahrzehent diesen Widerwillen nicht überwinden konnte; denn kaum waren durch das Oktoberdiplom den ungarischen Völkern ihre Rechte wiedergegeben, als sie ihren Uumuth vor Allem gegen das Tabakmonopol beurkundeten, und durch Zertrümmerung der äußern Abzeichen der Trafiken das Monopol selbst zu vernichten glaubten. Jetzt herrscht in den Ländern jenseits der Leitha zwar auch wieder Ruhe und Ordnung, allein diese durch Bajonette gehaltene Ordnung der Dinge ist, das sieht Jedermann ein, auf die Dauer nicht möglich, und wenn auch dort wieder constitutiouelle Zustände eintre- ten werden, wird sich die öffentliche Meinung, wenn auch nicht gewalt¬ sam, so doch mit ganzer intensiver moralischer Kraft gegen dieses verhaßte Monopol wenden. Man möge sich diesfalls keiner Täuschung hiugebeu, Ungarn wird sich nie und nimmermehr in die Zwangsjacke dieses Mono¬ pols hineiufügen. Wenn also unsere Staatsmänner diese klar am Tage liegende Thatsache beherzigen wollten, würden sie nicht so verpiflt ein verrottetes Monopolsshstem festhalten wollen, das in der einen Hälfte Europas schon längst in volkswirthschaftlicher und national-ökonomischer Veziehnug als verwerflich anerkannt ist. In letzterer Hinsicht haben die Monopolsauhänger leider den Schein des Rechtes für sich; denn es ist cine unlengbare Thatsache, daß sich seit Einführung des Monopols in Ungarn der Tabakbau unglaublich schnell gehoben hat. Allein dieser Auf¬ schwung ist nicht der Einführung des Monopols, sondern — wie schon oben bemerkt — ganz anderen Ursachen znzuschreiben. Die Geschichte des Tabakmonopols ist höchst lehrreich für Denker und für — Staatsmänner. Anfangs eingeführt, um die allgemeine Ver¬ breitung der damals vielseitig verpönten Sitte des TabakrauchcnS hem- wend in den Weg zu treten, hat der Zeitgeist in zweifacher Richtung 602 diese Schranke durchbrochen. Der Gebrauch der Tabakpflanze vermehrte sich trotz aller gesetzlichen Hemmnisse — oder vielleicht gerade wegen der- selben, — von Jahr zu Jahr, und das Monopol wurde im Verlaufe der Zeit eine so ergiebige Staatseinnahmsquelle, daß man endlich den Ursprung ' des Monopols und dessen beabsichtigten Zweck vergaß, und nunmehr, gerade dem Zweck entgegengesetzt, die größtmöglichste Verbreitung und Ausdehnung des Tabak-Verschleißes anstrebt! Ungeachtet wir also entschieden für die Aufhebung des Tabakmsiio- pols sprechen, halten wir doch dafür, daß sowohl der Tabakbau, als auch die Fabricaticn und der Verschleiß einer möglichst hochgegriffenen Steuer unterliegen soll, weil der Genuß deö Tabakes kein Lebensbedürf¬ nis;, sondern Luxnssache ist und Luxnsgegenslände am höchsten besteuert werden sollen. Durch Aufhebung des Tabakmonopols würde der Staat allerdings eine ergiebige Einnahmequelle scheinbar verliere», allein durch die prc- jectirte Erhöhung der Grundsteuer nach dem Werthkataster, so wie durch Einführung einer Tabakfabrikatious-Verschleißstener würde dieselbe reichlich ersetzt werden, als selbstständige Uuterabtheiluug der Erwerbstener. VIII. Das Salzmonopol. „Oesterreich, das reichste Land an Salz hat das theuerste Salz!" Diese in der 152. und 153. Sitzung des Abgeordnetenhauses konstatiere Thatsache wirft ein ganz eigenthümliches Licht- auf unsere finanziellen und volkswirthschaftlichen Zustände. Kein Zw-cig der Produktion ist für das allgemeine Wohl von solcher Wichtigkeit als das Salz, und die Völker Oesterreichs, wer sollte es glauben? —ersticken in ihrem Rcichthumc und leiden Mangel an Salz. Dießfalls sagte der kärntnerische Abgeordnete von Rosthorn: „Leider hindert der hohe Salzprcis den Aufschwung der Industrie und Landwirthschaft, im Jahre 1861 wurden über 1 Million Salzpräparate aus dem Auslände bezogen und die Viehzucht leidet geradezu Mangel an Salz. In Oesterreich sind 10 Millionen Stück Hornvieh und jedes Stück erfordert zu seiner gesunden Ernährung im Jahre mindestens 40 Pfund Salz, das macht ans 10 Millionen Stück Vieh 4 Millionen Ceutner jährlich. Es sind ferner in Oesterreich Millionen Schafe, deren jedes 2 Pfund im Jahre erfordert. Das macht 340,000 Etr., die Viehzucht würde daher 4,340.000 Ceutner Salz jährlich benöthigen, erhält aber nur 96.000 Etr. nach den ämtlichen Ausweisen, daher nm 4,244.000 Ceutner Vieh-Salz jährlich weniger als zur gesunden Ernährung dieser Thiere erforder¬ lich wäre."!!! Die wenigen Worte sind genügend den Standpunkt zu kennzeichnen, von welchem die Finanzverwaltung auch bezüglich dieser Steuer bisher 603 auSging: Es war nämlich abermals wieder der rein fiskalische. Und doch war kein Monopol so sehr geeignet ans Hebung des Nationalreichthums segenbringend einzuwirken, als gerade das Salzmonopol, wenn die Regierung statt des fiskalischen den national-ökonomischen, volkswirthschast- lichen Standpunkt eingenommen hätte. Wäre der Grundsatz: „wohlfeiles Salz znr Hebung der Viehzucht und Industrie" in den höheren Regionen der Regierung maßgebend gewesen, so wären Kapitalien geschaffen worden, die den Ausfall an der Salz- stener mehr als ausgewogen hätten; Oesterreich wäre in seinem Viehbedarf und so manchem Industriezweig unabhängig vom Auslande, und unsere Finanzen wären gewiß nicht in der traurigen Lage, in der sie sich heute befinden. ES ist ein wahrhaft trauriger Zustand, daß, ungeachtet man im Reichsrathe die unheilschwaugeren Schwächen dieses Monopols klar zu Tage legte, man dennoch aus zwingender Nothwendigkeit die Aufrecht¬ erhaltung desselben votireu mußte; denn die Motive des Herrn Finanz- Ministers waren leider entscheidend und in dieser Beziehung müssen wir gerne zugcben, daß ohne eine radikale Steuerreform an die Aufhebung des Salzmouopols nicht zu denken ist. Der Herr Minister sagt: „Es ist der Regierung keineswegs unbekannt, daß das Monopol in seinen äußersten Eonsequeuzen immerhin im Einzelnen drückende Folgen, Belästigungen, Unebenheiten mit sich führt, allein auf der andern Seite ist eS eine Nothweudig- keit und ich würde es für sehr gewagt halten, ein sicheres Einkommen von 32—33 Millionen Gulden netto der Eventualität einer erst einzuführenden, erst zu erfindenden Personalstcucr Weichen zu lassen; es dürfte dies wahr¬ scheinlich das traurige Resultat haben, daß das Aerar in seiner gegen¬ wärtig bedrängten Finanzlage um den größten Theil seines Einkommens ans diesem Zweige gebracht würde." Dies ist nun freilich ganz richtig, aber wenn der Herr Minister weiter plaidirt: „Gegenwärtig die Auf¬ lassung des Monopols vorznnehmen und andere ganz unsichere Maßregeln substitniren zu wollen, dürste als ein höchst gewagtes, ja unverantwort¬ liches Experiment zu bezeichnen sein," — so scheint uns in diesem Satze so ziemlich ein selbst gegebenes Armuthszeugniß an schöpferischen Ideen Zn liegen. — Eben weil die Finanz-Verwaltung mit keinen Reformpläueu, wst keinem sichern Projekte vor den Reichsrath trat und lediglich die Erhö¬ hung von offenkundig auf „unsicherer" Basis ruhenden Stenern forderte, oben deßhalb mußten und müssen nothgedruugen die alten Stenern bci- behalteu bleiben, obschon viele derselben lediglich mit ihrer ganzen Wucht »nr auf der ärmeren, ja wie bei der Salzsteucr auf der ärmsten Volks¬ klasse drücken. Diesfalls sagt der Abgeordnete vi-. Stamm aus Böhmen ganz richtig: „Unter allen Steuern ist die Besteuerung des Salzes die drückendste für die große Masse des Volkes, und zwar, weil sie den Armen weit böher besteuert als den Reicben, und weil sie der Staatsverwaltung kein Mittel übrig läßt, diese unbillige Besteuerung auch nur einigermaßen aus¬ zugleichen. Ein Arbeiter braucht, um gesund und kräftig zu bleiben, jähr- 604 lich bis 25 Pfund Salz, das kostet bei einem Preise wie in Kroatien 9 fl. 20 kr. oder gar 10 sl. 93 kr., wie in der Lombardei, das gibt für den Arbeiter (pr. Kopf) eine Bestenrnng mit 2 fl., ja 2V„ fl." „Der Reiche, der statt des Salzes andere Gewürze nimmt, kann das Salzconsnmmo gleichsam in das Extreme herunterdrängen bis auf 6 Pfund; er zahlt also Steuer jährlich ungefähr 85 kr., der Unterschied der Bestenrnng zwischen beiden macht also 160 "/g, um welche der Arme mehr besteuert ist, als der Reiche."!!! — Alle Steuern Oesterreichs bedürfen einer genauen Prüfung, ob sie zum Heile des Staates noch länger sortbestehen dürfen, und es müsse» vorerst diejenigen aufgehoben werden, welche staatsgefährlich sind, wie z. B. Verzehrungssteuer und Tabakmonopol. Die Aufhebung des Salzmonopols unterliegt aber vielen Schwierigkeiten, und ist nicht so dringend geboten, weil sie nicht staatsgefährlich ist. Die Aufhebung des Monopols mW Hand in Hand gehen entweder mit dem Verkauf oder der Verpachtung der Salinen und Salzwerke. Ersteres ist schon nicht ausführbar wegen Mangel an Kapitalien und den gegenwärtigen Geldverhältnissen, und es bliebe daher nur die Verpachtung. Allein dadurch würde das Volk wenig gewinnen, denn das Monopol ginge nur aus den Händen der Finanz- Verwaltung in jene einiger Privaten über, und die Erfahrung lehrt, daß die Monopole der Privaten, wenn nicht drückender, doch um kein Haar besser sind, als jene des Staates. Es ist also sogar Wünschenswerth, daß das Salzmonopol noch län¬ gere Zeit aufrecht erhalten bleibt, allein der fiskalische Stand¬ punkt desselben muß anfgegeben werden, und durch wohlfeiles Speise-, Vieh- und Jndustriesalz, durch einen gleichmäßigen Preis >» allen Theilen der Monarchie soll es segenbringend ans die Hebung des Nationalreichthums wirken. Dies kann und wird es, wenn der votks- wirthschaftliche Standpunkt allein im Auge behalten und in allen größere» Orten ärarische Salzmagazine errichtet und das Salz ans diesen MW zinen für das Publikum in Handel gesetzt wird, ohne daß die Transport¬ kosten in Anschlag zu bringen wären. Dadurch würden freilich an manchen Orten nicht viel mehr als die Erstehungskosteil durch den Salzabsatz gedeckt werden, das Salzgefäll, welches jetzt „einen gewiß sehr glänzenden Posten in unserm Bedeckung bndget bildet" — würde bei Weitem nicht mehr so „glänzend" im Budget Vorkommen, aber Einkommen-, Erwerb- und Grundsteuer würden sich erhö¬ hen, der Abfluß edler Metalle für Vieheinfuhr und selbst für Salzeinfuhr würde aufhören, und der Reichthum der Nationen und des Staates jeden¬ falls zunehmen. Und diese überwiegenden Vortheile werden die fiskalischen Nachtheiu bald paralisiren. 605 IX. Das Weg- und Brüjckenmauthgefälle. Nach dem Staatsvoranschlage für das Jahr 1862 soll das Netto- erträgniß der Weg- und Brückenmäuthe mit Einschluß der Wasser- und Ueberfahrtsgcbührcn 2,843.000 sl. abwerfen, und das Erträgniß ist wohl der einzige Rechtfertigungögrund, daß diese lästige, den Verkehr hemmende Steuer noch besteht. Zwar sagt Freiherr von Czörnig, Seite 191, seines Werkes über den Staatsvoranschlag: „Die Manche sind als Entgelt für die Benützung der Verkehrsanstalten, welche theilS vom Staate, theils von Gemeinden oder Privatpersonen erhalten werden müssen, zu betrach¬ ten." Allein wir werden sogleich beweisen, daß diese Begründung der Steuer nicht vielmehr als eine Phrase ist. Der vor einigen Jahren halb vollendete Umbau einer zwei Meilen langen Straßenstrecke bei Tarvis kostete dem Aerar circa 800.000 fl., also die SpCt. Zinsen für ewige Zeiten hievon sind 40.000 fl.; mm aber ist das Mautherträguiß von ganz Kärnten nur 63.000 fl. jährlich, also kaum V« mehr, als die Zin¬ sen für eine einzige Straßen-Umlegung pr. 2 Meilen anstragen; cs steht sonach dieses sogenannte „Entgelt" für die Erhaltung der Straßen in keinem Verhältnisse mit dem Erfordernisse. Bedenkt man aber noch, welche kostspielige Manipulation bei den Lizitationsausschreibungen und Verhandlungen, Verfassung der Pachtcontratte, der Einhebung und Con- trole beobachtet wird, so kann man füglich annehmen, daß das Netto- Erträgniß für die Staatscasse noch ein weit geringeres ist. DerVortheil, welchen die Manche finanziell abwerfen, ist also ein ganz verhältnißmäßig unbedeutender, die Nachtheile hingegen, welche das Volk durch dieselben erleidet, sehr empfindlich. Vorerst hemmen die Manche im hohen Grade den freien Verkehr und geben nicht selten, vorzüglich au Wochen-und Jahrmärkten zu Stockun¬ gen Veranlassung; dann entziehen sie dem Lande eine Masse Arbeitskräfte, welche weit nützlicher verwendet werden könnten, als im geschäftigen Nichtsthun beim Schrankenziehen; endlich geben sie fortwährend Veran¬ lassung zum Streite zwischen den Parteien und Mauthbestellteu, da letztere sehr selten ihre Obliegenheiten vollständig inne haben und daher sehr oft ungebührliche Anforderungen stellen. Auch ist die Vertheilung der Steuer auch hier keine gerechte; denn offenbar sind die Bewohner geschlossener Ortschaften gegen jene des flachen Landes im Nachtheile; denn erstere müssen nämlich die Mauthgebühr so oft entrichten, als sie beim Hinaus- und Hereinfahren den Mauthschranken pussiren, das heißt, so oft sie nur das Pomcrinm der Stadt überschreiten, während die Bewohner des flachen Landes oft die Straßen meilenweit unentgeltlich benützen. So braucht z. B. ei» Bewohner von St. Beit, der nach Klagenfurt fährt, wenn er außer der Linie eiukehrt, für die 2'°/lk Meilen benützte Straße keine Steuer zn zahlen, während ein Kla- 606 genfurter, wenn er auch eine noch so kurze Strecke fährt, der Maü?hgebühr nicht zu entgehen vermag. — Wo liegt da die gleichmäßige Stcucrverthei- luug, eine gleiche Pflicht für Alle? — Aber nicht einmal für alle Wirthschaftsfuhren, welche bekanntlich mauthfrei sein sollen, können die Bewohner Klagenfurts die Gebührenfrci- heit ansprechen, weil das Mauthgesetz zu undeutlich ist, und die Pächter dasselbe so wie die Nachtragsverordnungen ganz natürlich nur zu ihren Gunsten auslegen. Folgende Auseinandersetzung wird den Sachverhalt näher beleuchte»; Jin Allgemeinen unterscheiden sich die die Klagenfurterlinien-Mauth- schranken passirendcn, von den Parteien als Wirthschaftsfuhren bezeichneten Fuhrgattuugen sehr von einander; und haben nach Meinung der Mauth- Pachtungen nicht immer die Mauthbefreiung zugewicsen. Es gibt nämlich g) Partheien, welche in der Stadt oder den Vorstädten domiziliren uni innerhalb des Stadtpomeriums Realitäten besitzen, von welchen aus sie ihre eigenthümlicheu oder gepachteten Grundstücke bewirthschaften, die daher, wenn die Grundstücke außerhalb ein oder des andern Mauthschrankeus liegen, bemüßigt sind, zum Behufe der Wirthschast den Mauthschranken zu passiren. b) Partheicn, welche iu den nächsten Ortschaften, domiziliren und in ihrem außerhalb des Stadtpomeriums befindlichen Domizil solche Rea¬ litäten besitzen, welchen Grundstücke innerhalb des Stadtpomeriums an¬ kleben, die daher zum Behufe der Bcwirthschaftnng dieser Grundstücke von: Domizil aus, ebenfalls, jedoch in verkehrter Richtung, bemüssiget sind, ein oder den andern Mauthschranken zu passiren. v) Die Bewohner der nächsten Ortschaften, deren Realitäten außer¬ halb des Stadtpomeriums liegen, die zwar keine Grundstücke innerhalb des Stadtpomeriums, wohl aber jenseits einer oder der andern Straße besitzen, die daher zum Behufe der Bewirthschaftung dieser Grundstücke ebenfalls bemüssiget sind, einen Mauthschranken zu passiren. r Gräfe in seinem ausgezeich¬ neten Werke: „Die Bürger- und Landschule*)", „die Liebe zum Berufe, der Eifer und die Treue des Wirkens steht mit der äußern Stellung mehr oder weniger in Wechselwirkung. Wer durch Gesetz und Herkommen in einer niedrigern, untergeordneten: Stellung festgehalten wird, als wozu ihn seine Bildung und die von ihm geforderte Wirksamkeit berechtigt, wird sich bald entmnthigt, innerlich niedergedrückt fühlen; die Spannkraft seines Geistes erschlafft nach und nach, sein Eifer vermindert sich, und er sinkt unvermerkt und sich selbst unbewußt auch innerlich auf eine tiefere Stnfe hinab. Wer dagegen eine seiner Bildung und seinem Wirken angemessene Stellung einnimmt, fühlt sich gehoben, und zur Entfaltung aller seiner Anlagen gereizt, wenn er nur die Anlage zu etwas Tüchtigem iu sich trägt. Das Amt macht nicht den Mann, d. h. gibt dem Manne keinen innern wahren Werth, sondern nur einen äußern; aber dennoch trägt die äußere Stellung viel dazu bei, daß der Mann seine Kraft kennen lernt, sie ausbildet und sich als tüchtig zeigt. *) Heraus gegeben in Leipzig von der „Vereins-Verlagsbuchhandlung", 2. Aus¬ lage, 1850. 616 Unter der äußern Stellung des Lehrers begreifen wir hier Dreierlei: seine Besoldung, seine amtliche Stellung nach außen und seine Nebenämter und Nebenbeschäftigungen." Daß die Besoldungen der Lehrer sehr karg sind, darüber ist schon viel geklagt worden. Auch wir haben in dieser Zeitschrift im 6. Hefte d. I. ein Wort über das Misere der Lehrer gesagt. Da solche Klagen nichts Seltenes, sondern beinahe allgemein sind, so hoffen wir, daß die hohen Landtage, denen doch die Schulen besonders auf dem Herzen liegen sollten (somit auch die mit denselben in naher Verbindung stehenden Lehrer), auch diesen Gegenstand zur Besprechung und Entscheidung ziehen werden. Wir haben auch gehört, daß einige Herrn Landtagsabgeordneteu sich die Regelung der Schnlangelegenheiten zur besonderen Pflicht gemacht haben. Wir hoffen deshalb, daß unsere Worte diese edlen Herren nicht überhören werden. Unsere Meinung ist: die Besoldung der Lehrer soll ausreichend sein. Sie brauchen nichts Ueberflüßiges. Der Volksschullehrer muß schon von vornherein darauf verzichten, dem Reichen gleich zu thun. Wohlleben und den Genuß mannigfaltiger geselliger Vergnügungen muß er gern An¬ dern überlassen, Einfachheit und Bescheidenheit soll den Mann des Vol¬ kes kennzeichnen. Aber jeder Arbeiter ist seines Lohnes Werth. Derjenige, welcher die öffentliche Erziehung der Jugend des Volkes leitet, der seine edelsten Kräfte der Bildung zarter Kinderseelen widmet, soll nicht der Sorge um's tägliche Brod hingegeben sein. Die Sorge drückt den Geist nieder, und raubt die Freudigkeit des Gemüths, die Niemand nöthiger braucht, als der Lehrer. Er soll mit Lust und Liebe seinem Berufe obliegen; er soll seine Pflichten genau und unverdrossen erfüllen: er soll alle Unarten der Kinder mit englischer Geduld zu beseitigen suchen: er soll sich auf jeden Unterricht vorbereiten; er soll mit heiterem Antlitze und fröhlichem Her¬ zen in der Schule erscheinen. Nun prüfet; prüfet! ob er dies thun könne, wenn er mit Noth und Elend zu kämpfe» hat? Wie kann er seinem Be¬ rufe unverdrossen und mit Liebe obliegen, wenn sein Gemüth von bittern Sorgen darniedergedrückt wird? wenn er sieht, daß noch die wenigen, sauer verdienten Kreuzer ihm nicht regelmäßig ausbezahlt, oder wohl hie und da ihm noch abgebrochen werden?! Wie soll er im Stande sein, mit heite¬ rem Antlitze die Kinder zu lehren, wenn ihm dafür überall nur Undank begegnet? wenn seine Stirn von Jammer gefurcht ist, und Noth sein Herz zusammenschnürt? Wie soll er unter solchen Umständen wohl Lust haben, sich auf den Unterricht vorzubereiten, für seine Weiterbildung zu sorgen? Womit soll er sich neue pädagogische Werke, um die Erfahrungen anderer Schulmänner auf dem weiten pädagogischen Felde kennen zu lernen, an¬ schaffen, wenn seine Besoldung nicht einmal so weit reicht, damit er alle seine Leibesbedürfniffe gehörig bestreiten könnte?! Glücklich ist noch Jener, welcher unter solchen Umständen noch den Glauben an seinen inner» Werth aufrecht erhält. 617 Diese Schilderung ist nicht aus der Phantasie gegriffen. Wer sich in unserem Ländchen umsieht, wird gewiß mehrere solche Erfahrungen machen. Die geehrten Leser werden mir erlauben, hier nur ein einziges Beispiel anzuführen. Noch lebt der Mann, aus dessen Lebenserfahrung ich hier eine ge¬ drängte Skizze liefern werde. Der Lehrerdieust, dem unser Manu Vor¬ stand, war in so weit gut, daß von dessen Einkünften ein einzelner Mensch sich ernähren konnte. „Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei", so sagte Gott im Paradiese, und so dachte auch unser Mann. Bei zwei Menschen blieb es jedoch nicht. Die Familie mehrte sich und mit ihr auch die Bedürfnisse und Sorgen des Ernährers. Von dem kärglichen Dienste konnte die Familie nicht leben. Der Mann sah dieses ein. Er nahm zu einem Handwerke Zuflucht. Trotzdem konnte er die Bedürfnisse seiner Familie nicht bestreiten, weil er, da der Lehrer- und Meßnerdienst seine Zeit ziemlich in Anspruch nahm, seine Nebenbeschäftigung nicht ordentlich betreiben konnte. Mehrere Mägen mußten jeden Tag befrie¬ diget werden. Es wurde geborgt. Die Schulden mehrten sich jede Woche. Da der Mann außer Stande war, die drängenden Gläubiger zu bezahlen, so gab man ihm ohne Geld Nichts mehr. Der Mann konnte seine Kin¬ der nicht darben sehen, er konnte aber auch ihre Bitte um ein Stückchen Brod nicht befriedigen; er schickte sie — betteln! Wie konnte es auch an¬ ders sein. Kann sich in unserer theuern Zeit eche Familie mit jährlichen IM—200 fl. anständig ernähren und bekleiden? — Betteln also mußten die Kinder Desjenigen, welcher vielleicht für Hunderte den Grundstein des Glückes gelegt hat! Leider sank unser Mann, geprüft durch solche Noth, auch innerlich auf eine immer tiefere Stufe hinab. Deshalb wiederholen wir es noch einmal, die Besoldung der Lehrer soll ausreichend sein. Nun kommen wir zu der Frage: Wie hoch soll die Besoldung der Lehrer sein? Blicken wir zuerst auf die Nachbarländer, wie dort die Volksschul- Lehrer besoldet sind. — In Baiern ist Heuer das Gesetz erlassen worden, daß der mindeste Gehalt eines Lehrers auf dem Pande 350 fl. betragen soll. Größere Gemeinden haben 450 fl., und Gemeinden von mehr als lO.000 Seelen 500 fl. an ihre Lehrer zu zahlen. — In der Schweiz sind in neuester Zeit, so berichtet die „Volksschule", urit Rücksicht auf die geänderten Lebensverhältnisse die Lehrerbesoldungeu bedeutend aufgebesscrt worden. Ein Primarlehrer bekommt 550 bis 800 Franken (beiläufig 324—472 fl. Oe. W.). — Eine Verbesserung der Gehalte der Volks- schullchrer im Großherzogthume Sachsen-Weimar ist am 11. März l. I. Mischen der Regierung und dem Landtage dahin vereinbart worden, daß der mindeste Satz des Jahresgehaltes eines Landschul-Lehrers 175 Thlr. (beiläufig 262'/, fl. Oe. WO, in Städten 250 bis 300 Thlr. (beiläufig 375 bis 450 fll) betragen soll. Alle sechs Jahre gewährt die Staatskasse dein Lehrer eine Zulage von 25 Thlr. — Die Stadt Nürnberg hat das Minimum ihrer Lehrergehalte auf 400 fl. festgesetzt; alle drei Jahre gibt 618 man 50 fl. Zulage, so daß der Lehrer nach 24 Dienstjahren das Maxi¬ mum von 800 fl. erreicht. — Auch in Frankreich und selbst in Rußland sind in neuester Zeit die Lehrerbesoldungen bis zur ausreichenden Höhe aufgebessert worden. — Und in dem hochherzigen Oesterreich sollen die Lehrer so stiefmütterlich bedacht sein? Wenn man bedenkt, wie thener gegenwärtig selbst ans dem Lande Alles ist; wenn man die Nothwendigkeit und Wichtigkeit der Schulen, somit auch die Nothwendigkeit tüchtiger Lehrkräfte in Erwägung zieht, wenn man ferner die jetzige Existenz der Lehrer in Augenschein nimmt, so wird man unsere Bitte um Gehaltsaufbesserung gewiß nicht außer Acht lassen und uns nicht, wie es nicht selten geschieht, begehrlich nennen. Unsere Ansicht ist, daß es an der Zeit wäre, eine bestimmte für unsere Zeit anpassende Congrna für Lehrer festzusetzen. Dazu sind die hohen Landtage competent. Sie kennen am besten die Bedürfnisse und die Ver¬ hältnisse der einzelnen Länder. Daß die ZZ. 167 und 168 d. p. Sch. m der Jetztzeit nicht mehr als Norm für Lehrer-Congrua gelten können, liegt an der Hand. Im Jahre 1785*) mag man mit 130 fl. leicht aus¬ gekommen sein, vielleicht leichter als man gegenwärtig mit 300 fl. aus¬ kommen kann. — Die hohe k. k. Landesregierung für Kärnten hat unten» 16. Oktober 1854, Z. 8874 unter Anderem auch Folgendes an das hoch¬ würdigste fürstb. Gurker-Consistorinm bekannt gegeben **): „Eine bestimmte Congrna für Lehrer läßt sich bei den stets schwankenden Preisen aller Lebensbedürfnisse für jetzt noch nicht festsetzen, indessen ist das Bestrebe» bei den in Rede stehenden Verbesserungen dahin zu richten, dichLehrer vor Noth und Bedrängniß zu sichern und ihnen auf dein Lande wenigstens ein Einkommen von 200 fl. C. M. zu verschaffen." In einigen Orten hat man auch wirklich die Lehrerdotation bis ans 200 fl. erhoben. Aber bestimmte Congrna haben wir (außer der im Jahre 1785 festgesetzten) keine für unsere theuere Zeit anpassende. Und dann jährliche 200 fl-- Wollten wir nach den seit 1854 bis dato bestehenden Preisen allerLebcnö- bedürsnisse rechnen, so könnten wir einen augenscheinlichen Beweis liefern, daß sich von täglichen und blanken 57kr. mit harter Mühe und nur noch- dürftig kaum ein einzelner Mensch ernähren und bekleiden kann. Wie aber muß erst eine Familie mit so vielen Kreuzern umgehen, nm sich nur halb¬ wegs zn ernähren! Wie hoch aber die Congrna festgesetzt werden soll, lasten wir ga»i der gesunden Einsicht und gütigsten Entscheidung der hohen Landtage üben Nur etwas Allgemeines wollen wir darüber noch sagen. Doch lassen wir darüber den weit gewiegteren Mann, den Hsw> Dr. Gräfe, für uns sprechen. Er sagt: Wie viel dem Lehrer gebührt, *) Aus diesen, Jahre datirt sich nämlich die Norm für die Lehrer-Congrua. **) Siehe Consistorial - Verordnungs - Blatt. Staatsvermögenö verhütet, vielmehr ein wesentliches Ersparniß erzielt wer¬ den wird. Arnoldstein am 14. Oktober 1862. Wir könnten noch von der Servituten-Ablösnngs-Frage, welche auffallend langsam fortschreitct, im Kanalthale aber, wo die Herr¬ schaft — wie verlautet, — alle Wälder niederschlagen und den ganze» Holzbezug für zwei Generationen vernichten läßt, geradezu eine bedenkliche Gestalt annimmt; — dann über den in großer Ausdehnung fast durch zwei Jahre verheerenden Wurmfraß, wogegen auch die löbl. Landwirth- fchaftsgesellschaft ans eine schon vor langer Zeit an sie gestellte Anfrage kein Mittel anzugeben weiß; — ferners von der Umlegung der Ein¬ mündung deö Nötsch- und Feistritzer-Baches in die Gail, welche Verbesserung mit nicht so bedeutenden Unkosten bewerkstelliget werden könnte; — Weilers von den Schulangelegenheiten, welche — wie es der über ein Jahr schon ruhende Bau des Schulhauses zu Hermagor, dann 633 die Errichtung eines zweiten Lehrzimmers in Arnoldstein beweisen — nur stiefmütterlich behandelt und besorgt werden: — auch über eine öftere Postverbindung zwischen Arnoldstein und Hermagor, indem die Post gegenwärtig nur viermal wöchentlich auf diesem Wege verkehrt, und dabei sich noch die gegenwärtige Postcxpedition in Arnoldstein bei Zustel¬ lung von Briefschaften und Zeitungen an Private im Gailthalc nicht so gefällig zeigt, wie es bei etwas gutem Wille leicht sein könnte; — endlich über die Drau- und Gailregnlirung — von allem diesem und noch vielem anderm könnten wir sprechen, aber der Raum dieses Heftes gestattet es nicht, und es sind dankbare und dringende Arbeiten für den künftigen Land¬ tag schon damit einstweilen genug. — Korrespondenzen. * Klagenfurt. (Die Sistiruug der Wahl des Landtags abgeordueten der Landgemeinden im Wahlbezirke Herma¬ gor.) Wie schon auswärtige Blätter besprochen, wurde die auf den 15. September l. I. anberanmte Wahl des Landtagsabgeordneten für die Land¬ gemeinden des Wahlbezirkes Hermagor durch das hohe Landespräsidium sistirt. Bereits waren die Urwahlen der Wahlmänner vollzogen, die Be¬ sprechungen über die etwaigen Wahlkaudidaten gepflogen, als auf einmal wie ein Blitz ans hciterm Himmel der Erlaß über die Wahlsistirung her¬ ablangte. Als Ursache dieser Verfügung sollen eingetrctene „Elemcntar- ereignissc" angegeben worden sein. Es ist allerdings wahr, daß die am 5., 6. und 7. September stattgehabten Regengüsse in den Thälern Ober¬ kärntens die Wege und Straßen einzelner Stellen beschädigten. Allein sie konnten doch nicht so zerstörender Art gewesen sein, daß sie die Passage auf ganze acht — neun Tage unmöglich machten; — wenigstens hat der gerade auf einer kirchlichen Visitationsreise befindliche hochwürdigste Fürstbischof von Gurk vom 8. bis 11. September den Weg von Luggau bis Feistritz an der Gail — also durch das ganze Lesach - und Gailthal herab — mit seinem schweren Reiseivagen ohne besondere Gefahr gemacht "nd die für die einzelnen Pfarren anberanmten Visitations- und Firmungs- tage ohne die geringste Störung genau eingehakten. Darum wollte der angebliche Grund zur Sistiruug der Wahl Niemanden weder im Gail- und Kanalthale, noch sonst irgendwo recht einlenchtcn, und mau witterte allgemein ganz andere Beweggründe. Wir unsererseits wollen die Gerüchte von der Furcht ciucr in Aussicht stehenden mißliebigen Wahl, von den enormen, fast schon ans Komische streifenden Agitationen gegen die zu 634 befürchtende Wahl einer bekannten Persönlichkeit als böswillige Erdichtung gen annehmen, — aber wir stellen dagegen der Regierung das Recht zur Sistirung einer bereits ausgeschriebenen Wahl gänzlich in Abrede, wenig¬ stens ist in der ganzen Wahlordnung von ß. 1 bis K. 53 von diesem Rechte nicht die mindeste Spur, vielmehr sagt der Z. 37, daß an dem Tage der Wahl, zur festgesetzten Stunde und in deni dazu bestimmten Versammlungsorte die Wahlhandlung „ohne Rücksicht auf die Zahl der erschienenen Wähler" begonnen wird. Es ist somit Sache der Wahlmänner, ob, in welcher Zahl und auf welchen Wegen sie am Wahl orte eintreffen werden, die Regierung hat blos zur bestimmten Frist die Wahlhandlung zu beginnen, und zwar „ohne Rücksicht auf die Zahl der erschienenen Wähler." Wollte man der Regierung das Sistirungsrecht einrüumen, so würde damit das ganze Wahlrecht der Staatsbürger m Frage gestellt sein. Im Falle, daß ihr die in Aussicht stehende Erwäh¬ lung einer mißliebigen Person zu Ohren kommt, oder im Falle, daß beim Wahlakte selbst die Stimmen nicht dem Regierungskandidaten zufalleu, könnte die Regierung einfach die Wahl aufheben und auf künftige bessere Zeiten verschieben, und dies Manöver so lange fortsetzen, bis eine ihr gefällige Wahl zu Stande gebracht wird. Wir sind überzeugt, daß dies der Wille der Regierung nicht ist, nicht sein kann, — aber wir ziehen ans der einmal geschehenen Wahlsistirung nur ganz logisch die möglichen Konsequenzen. Darum bitten wir die Regierung, die Wahltage festzu¬ setzen, sie dann nicht blos durch Plakate in den Wahlgemeinden, wie es leider der Z. 20 der Wahlordnung bestimmt, -— sondern durch die Lan¬ deszeitung öffentlich kundzumachen, und dann unwiderruflich auch vor¬ zunehmen. — Bei dieser Veranlassung sei zugleich bemerkt, daß drei neue Wahlen bereits ausgeschrieben sind, und eine vierte noch in Aussicht steht. Wer sich noch an die Zusammenstellung und auf die Verhandlungen nnsers ersten Landtages erinnert, der wird es tief bedauern, daß der Landtag gerade lauter unabhängige Mitglieder theils durch das Absterben, theils freiwilliges Ausscheiden verloren hat. Wenn die Herren Wähler sich nicht bald besinnen und ermannen, um auch ihrerseits für die Erwählung unabhängiger und erprobt freisinniger Männer mit aller Kraft zu agitirein so werden in dem Laudtagssaale mit sehr geringer Ausnahme bald lauter Regierungsmänner sitzen, und der Landtagssaal wird nur ein neues Bu¬ reau, eine neue Kanzlei sein. * Klagenfurt. (Erfreuliche Nachricht.) Bei den nun aufgelösten Gestüten in Arnoldstein und Ossiach befinden sich bedeutende Grundcomplexe, deren Bewirthschaftung ebenso mannigfache Ackergeräth- schaften bedingt, als die namhafte Anzahl von Pferden beständig bedeutende Borräthe an Hafer, Heu und Stroh erheischte. Bei der Auflassung des Militärgestüts in Ossiach war nun ein zählenswerthes Quantum von Geräthschaften und Fourageartikeln vorhanden, welche allerdings im öffent- 635 licheu Lizitationswege veräußert wurden, allem, "wie es schon bei derlei Lizitationen, sei es nnn im mündlichen oder im Offertwege, zu geschehen pflegt, einen sehr spärlichen Erlös einbrachtcn. Namentlich gingen die Futtervorrälhe zu sehr nicdern Preisen ab und wurden zum. großen Theile von dem Lieferanten der in nächster Nähe stanouirten Cavallerie-Division erstanden und werden, wie natürlicher Weise zu erwarten steht, in Kürze dieselben vom Militärärar zu geringem Preise angekauften Artikel wieder an besagte Cavallerie-Division zn dem vertragsmäßigen bedeutend höheren Lieferungs- Preise abgegeben. Obschon dieses Vorgehen auf gesetzlicher Basis beruht, so erlauben wir uns doch die bescheidene Bemerkung, ob es nicht weit zuträglicher gewesen wäre, die vorhandenen Geräthschasteu bis zu der in Kürze erfolgenden Verpachtung der Gestüts-Grundstücke aufzubewahren, und die eintretenden Pächter zu verpflichten, einen bestimmten Theil der Geräthschasteu, die sie ohnehin beuöthigen werden, zu annehmbaren Preisen übernehmen zu müssen. Es wäre hiedurch ein weit höherer Verkaufspreis erzielt worden. Bezüglich der Fnttervorräthe hätten selbe wohl sehr leicht an die dieselben benöthigende Husaren-Division in Feldkirchen und Him- melberg gegen Verrechnung abgegeben werden können, und dem Militärärar wäre ein nicht zu mißachtender Verlust erspart gewesen. Billig verkaufen und thener wieder einkaufen ist gewiß nicht der Weg, nm unser Deficit einer Verringerung zuzuführen. Wir erfahren nun aus guter Quelle die erfreuliche Nachricht, daß der diesbezügliche Lizitationsakt theilweise nicht bestätigt worden sei. ** Klagenfurt. (Zur Lage der k. k. Beamten.) Die Noth- lage der Staatsbeamten in Oesterreich ist sprüchwörtlicb geworden. Mau hat zwar in Zeituugsblätteru und Brochüreu diese Angelegenheit nach allen Richtungen erörtert und besprochen, Vorschläge zur Linderung der Noth wurden gemacht, ohne jedoch irgend welches bedeutende Resultat M erzielen. Eines geschah von Seite der Regierung, wenn ich nicht irre, über Anregung der RcichSverlretung, aber es genügte aus dem Grunde nicht, weil inan dabei eine alte verfehlte Gepflogenheit in alter Gewohn¬ heit anwendete. Durch reichlichere Aushilfen auch ohne Beibringung von Krankheitszenguißen und Apothekerkonten bemühte sich die Staatsverwal¬ tung die größte Nothlage jener Beamten zu mildern, die so glücklich wa- >eu, nicht" unter jene zu gehören, denen wegen Erschöpfung des AushilfS- fondes oder wegen Abgang von Beilagen keine Betheiluug zukam. Der Grundsatz: „Je höher der Gehalt, desto höher soll auch die Geldaushilfe verabfolgt werden," kann zu vielen Mißgriffen und eigen¬ nützigen Handlungen führen und gelangt in konsequenter Verfolgung zum gewiß richtigen Schlüße: der Beamte mit 315 fl. Gehalt bedürfe der kleinsten oder besser gar keiner Unterstützung, vollends wenn er so ver¬ nünftig war, ledig zu" bleiben. Dieser Fall ist nicht einmal vorgekommen, sondern ereignet sich fast täglich, ohne daß es Jemanden eingefallen wäre, trüber »achzudenkcn, wie cs eigentlich mit der Existenz eines so karg besoldeten Beamten aussieht. 636 Nehmen wir beispielsweise die Lebensmittelpreise in Klagenfurt an. Das Zimmer sammt Bedienung kostet monatlich gering gerechnet . ,.' . . 6 fl. — kr. für den Schneider, um sich ordentlich zu kleiden, braucht man .5 „ — „ für Wäschereinigung und Nachschaffung.1 „ 50 „ für Kopfbedeckung und andere kleine Utensilien . . . . 1 „ — „ für Beleuchtung und Beheizung.1 „ 50 „ zusammen monatlich 15 fl. — kr. Diese Zifferansätze sind die möglichst kleinsten, die nur unter beson¬ ders günstigen Umständen zur Bestreitung jener Auslagen hinreicheu, die der Beamte machen muß. Uebertreibung wird man uns gewiß nicht vor¬ werfen können. Von monatlichen 26 fl. 25 kr. bleiben sonach noch 11 fl. 25 kr.; somit täglich 37'/2 kr. Oe. W. Mit diesen 37'/„ kr. soll Frühstück, Mittagsmahl und Abendessen, mit diesen 37'/« kr. noch dazu auch em Vergnügen, wenn überhaupt ein solches zugestanden wird, bezahlt werden! Wir überlassen es den geehrten Lesern, zu beurtheilen, ob und wie es möglich ist, mit einem so kleinen Betrage auszukommen, und dabei muthig und kräftig die Berufspflichten zu erfüllen, besonders wenn inan bedenkt, daß in Kärnten in vielen Orten für die Verpflegung eines Häft¬ lings mehr als 30 kr. täglich beausgabt werden. Die Lage dieser Beamten soll und muß anders, sie muß gebessert werden, um das Einreißen einer großen Demoralisation zu vermeiden. Den geringsten Gehalt, mit dem ein Staatsbeamte, wenn er spar¬ sam zu gebahren gewohnt ist, auskommen kann, stellen wir mit 400 fl. Oe. W. auf. Diesen für alle jene Beamte zu erwirken, die in den Gehaltsklassen von 315 fl. — 367 fl. 50 kr. stehen, erachten wir als Pflicht unserer Reichsvertretung im Interesse der Humanität, im Interesse der Staats¬ ehre gegenüber dem Auslande. Gäbe es selbst 10.000 solcher Staatsbeamten, so würde die Aufbes¬ serung durchschnittlich mit 54 fl. angenommen, jährlich nur 540.000 fl. betragen, eine Summe, die sehr leicht durch Verminderung der Beamten¬ zahl, durch Reduzirung des Aushilfsfondes so wie durch andere Erspa¬ rungen hereingebracht werden kann. Wir legen diese Angelegenheit unseren Herren Reichsräthen an's Herz, mit dem Wunsche, sie mögen die Initiative ergreifen und die nöthi- geu weiteren Schritte zu einem Akte einleiten, der denselben nicht nur den Dank der Beamten, sondern auch die Zustimmung der Gesammtbevölke- rung verschaffen wird. * Klagenfurt. (Eine Rundschau.) Durch die von derGas- beleuchtungsaustalt vollführten Erdbewegungen in der Stadt, wobei die Energie in Vollführung der Arbeiten zum Muster bei künftigen Bauten dienen dürste, wurden große Strecken des für Fußgeher so lästigen Pf la- 637 sters aufgebrochen und damit ein Fingerzeig zur Beseitigung desselben gegeben. Besonders unbequem ist das ausgedehnte Pflaster am viel besuchten Obstplatze, wo auch schon lange der fromme Wunsch herrscht, daß ein Paar Hausherren Rücksicht auf ihre nicht unerheblichen Zinsparteien und das Publikum haben nnd die Stadt mit einem Trottoire beschenken möch¬ ten. Aber vorzüglich lästig für alle wandernden und domizilirenden Per¬ sonen ist das Pflaster in der zumeist freqncnten Kram mergasse, das nicht allein in seiner unglücklichen concaven Anlage beständiger Reparaturen be- nöthigt, sondern auch die Gasse entstellt, und wo das Gerassel der Fuhr¬ werke oft unerträglich wird. Würde hier in der Weise, wie am alten Platze oder in der Prie¬ sterhausgasse, mit dem als vortrefflich sich bewährten Deckmateriale eine Vorkehrung getroffen werden, es wäre dadurch die Passage viel bequemer, nnd die Gaffe selbst würde sich freundlicher gestalten. Ein Gleiches wünschen wir auch der Herrengasse, dem Hofe im Landhause und den Seitentheilen des neuen Platzes, nm nebstbei den schwer auszurottenden lästigen Graswuchs aufhören zu machen. Eine convexe Form könnte auch in die Wien ergässe, wo uns der freudige Wuchs eiuer türkischen Weizenpflanze an einer Dachrinne zur angenehmen Hoffnung berechtiget, es werde das Hans nun endlich mit einer sehr nöthigcn und schon lange ersehnten Restauration oder wenigstens einem Berputze von Außen bedacht, leicht angebracht werden, wodurch Koth und Staub mehr verhindert wird. — Ueberhaupt war es einst eine un¬ glückliche Idee, die aber noch fortwuchert, alle Straßen, besonders jene in Vorstädten und zu den Ortschaften hinaus einseitig ablehnend herzu- stelleu, wodurch der Nässe und damit dem Kothe und Staub mehr Spiel¬ raum gegeben wird. Auch kann man nicht übergehen die besondere Wuth in Ausführung durchaus geschlossener und besonders recht hoher Gartenmauern, die vorzüglich in Klagenfurt herrscht, zu rügen, wodurch nicht nur allein Licht uud Luft den Wegen genommen, jede Aussicht beschränkt nnd manche schnellere Hilfe bei Feuersbrünsten verhindert wird, sondern es dient auch M nichts; wer einsteigen will, läßt sich von einem oder zwei Schuhen ver¬ mehrter Höhe gewiß keinen Abbruch thnu. — Besonders fällt uns eine in neuester Zeit aufgeführte Mauer auf, die ohne Rücksicht auf ein früher erleb¬ te, so lobeuswerthes Beispiel in ihrer Nähe hergestellt ward und nach unserm Bedünken gar keinen Zweck hat. Wir möchten dabei blos auf unen. von den Stadtbewohnern Jahrhunderte lang in Ehren gehaltenen ^elustignngsort Hinweisen; wie herrlich nimmt sich der Garten und das Schloßgebäude aus, seitdem die dieselben einfriedenden Manern gefallen sind, wie freundlich wurde dadurch die Umgebung, und wir wünschen nur, vaß der in allen Handlungen hervortretende Kunstsinn uud wahrhafte ^emeinsinn des Eigenthümers, dessen Gärten auch dem Publikum nie ab- 638 gesperrt wurden, mehrere Nachahmer finden würde, und die Veranlassung wäre, daß der mehr hervortretende Wunsch auf Beseitigung mehrerer, eine der schönsten Gasse» verstellender Gärten nicht an unübersteigliche Hinder¬ nisse stoßen möchte. So wie die jahrelang bestandene Wüste vor der Reitschule durch die Energie eines allgemein geachteten Mitgliedes unseres verehrten Gemeinde- rathes, dessen Thätigkcit in neuerer Zeit immer mehr und mehr hervor¬ tritt, fast plötzlich in eine lachende Flur verwandelt wnrde, so hoffen wir vom kräftigen Zusammenwirken sämmtlicher Mitglieder mit mancher, bei einiger Beharrlichkeit so leicht auSznfnhrender Zierde bald wieder erfreut zu werden, und erlauben uns dabei auch die den Frömuügkeits- und Kunst¬ sinn unserer Borfahren beurkundenden Statuen, besonders aber jene schon ans den Fugen tretende am Heuplatze und die kunstvolle Johannesstatue am alten Platze in Erinnernng zu bringen. Ans der Karner-Vellach. ZK. Im Bade Vellach kam mir folgende Petition zu Gesichte: Löbliches k. k. Bezirksgericht! Festhaltend an der von Sr. Allerhöchsten Majestät, unserem erha¬ bensten und gnädigsten Kaiser gegebenen Gleichberechtigung aller Nationen und Wissenschaft nehmend von der Verfügung deö h. Justizministeriums an die Oberlandesgerichte Graz und Triest laut ämtl. Erklärung im öster¬ reichischen Reichsrathe am 17. März 1862 bittet die unterstehende slo- vcnische Gemeinde Vellach: Ein löbl. k. k. Bezirksamt wolle die Ver¬ höre der Angeschuldigten und die Vernehmungen von Zeugen in Straf¬ sachen in slov. Sprache aufnehmen, so wie die Aussagen des Beschuldig¬ ten oder des Zeugen in slov. Sprache zu Protokoll bringen; ferner wolle das löbl. Bezirksamt jedwede schriftliche Erledigung der slov. Insassen be¬ sagter Gemeinde in slov. Sprache herausgebcn, sowie Vorladungen aller Art, Vorinundschaftödekrete, Angelobungsprotokolle, Todfallsaufnahmcii, Edikte rc. nur in dieser Sprache den slovenischen Partheien dieser Ge¬ meinde machen. Folgen die Unterschriften. Diese Petition wird von der Gemeinde Vellach abgesendct und wie ich höre, werden sich selber noch andere Gemeinden z. B. Seeland au- schließen. Sie sehen also, daß das slovenische Volk immer mehr und mehr erwacht und der slovenische Geist erstarkt: Nur ein gewecktes Voll ist reif für die Freiheit. ZK Ans Triest. (Eine Baute bei Miramar.) Wie ich unlängst nach meiner Ankunft in dieser Stadt an einem Sonntage in der Frühe von da auf der schönen neuen Straße längs des Meerufers zur Erholung bis in die Nähe des Palastes und Gartens Miramar, wo sich bekanntermaßen Se. kais. Hoheit der Erzherzog Max anfzuhalten pflegt, wenn er in Triest weilt, einen Gang machte, nahm ich wahr, daß knapp an der dortigen Eisenbahn links, wenn man nach Triest fährt, eine Menge Leute an einem kleinen Gebäude arbeiten, welches nach meiner Beurthci- 639 lung äußerst elegant, übrigens aber auch ziemlich kostspielig sein wird. Ueber die eigentliche Bestimmung dieses Gebäudes konnte mir keiner der Arbeiter einen ganz genügenden Aufschluß geben. Man sagte mir nur, daß dasselbe mit aller Schnelligkeit der Beendigung zugeführt werden müsse, und daß man eben deshalb auch an Sonn- und Feiertagen den Bau betreibe. Erst während meiner Rückkehr erfuhr ich durch Jemanden in Barcola, daß dieses auf Kosten der Südeisenbahn-Gesellschaft geschehe, und daß das erwähnte Gebäude als ein — Geschenk derselben für Se. kais. Hoheit zum dortigen Absteigen bestimmt sei. Durch den Bau eines derartigen prächtigen Werkes zeigt die genannte Gesellschaft, daß auch sie eine ungemein große Achtung gegen Se. kais. Hoheit den Erzherzog Max hege, — ganz natürlich ohne Eigennutz oder irgend ein Interesse! 7 Aus Oberkrain. (Plackereien an den Eisenbahnsta¬ tionen.) Es hat den Anschein, als ob die Kassen an den Südeisenbahn- Stationen entweder wirklich nicht mit hinreichendem kleinem Gelds ver¬ sehen werden, nm es den Paßagieren bei Einzahlungen in Nothfällen her¬ auszugeben, oder aber solches zur Aufbewahrung oder zu welchem Ende immer in jedem Falle den Reisenden mit aller Strenge abverlangen wol¬ len, wenn es sich um Zahlungen auch unter einem Gulden handelt. In dieser Hinsicht will ich hier zwei Beispiele anführen. 1. Für die Fahrt von Laibach bis Sessana gab ich unlängst dem betreffenden Kassier, eben wie sich der Zug hätte in Bewegung setzen sollen, eine Banknote ü 5 fl. hin. „Geben Sie mir 47 kr." hieß es da. »Warum doch?" erwiederte ich darauf. „Geben Sie mir nur die 47 kr. her," war die Antwort. Zum Glück hatte ich die 47 kr. bei mir, und sah mich nun gerettet, widrigens ich für den zur Abreise bestimmten Tag diese ohnewciters hätte verschieben und eben durch die für mich ganz über- flüßige Verlängerung meines Aufenthaltes in Laibach verursachten Mehr¬ auslagen für meine Reise bestreiten müssen. 2. Für die Fahrt von Loitsch bis Laibach hatte ich 1 fl. 9 kr. zu berichtigen. Ich gab dem Kassier eine Banknote ä 1 fl. und einen Münz¬ schein ü 10 kr. hin. Nun warf er mir aber dieses Geld mit einer auf¬ fallenden Barschheit zurück, und bemerkte, daß er mir nichts herausgeben könne. Erst nachdem ich ihm sein barsches Benehmen gegen mich mit allem Nachdrucke und Ernste vorgerügt, und ihn mit einer Anzeige be¬ drohet, zugleich aber auch von der strengen Pflicht der Stationskassen ge¬ sprochen hatte, sich mit einem angemessenen Borrathe an kleinem Gelbe zu versehen, damit Reisende, die doch nicht immer wissen können, wie viel eigentlich jedesmal zu zahlen sei, und wie viel an kleinem Gelbe sic bei sich haben müßten, auf ihrer Reise nicht zurückgehalten werden u. d. gl., gab er mir endlich zwei alte Kreuzer zurück, und ich ihm zwei neue hin, die ich zufälligerweise bei mir hatte. So etwas ist allerdings traurig, und müßte durchaus beseitiget werden. 640 Trcmerkmide. Wie benachbarte Lavanter Diözese verlor den besten Hirten, die Armen den größten Wohlthäter, die Slovenen den ersten Schriftsteller, Dichter und Redner, der Staat den getreuesten Unterthan, die katholische Kirche einen ihrer eifrigsten und erleuchtetsten Bischöfe: der hochgeborne, hochwürdigste Fürstbischof vou Lavallist Allton MM ist am 24. September Abends um 8 Uhr nach einem kann: dreißigstündigen Krankenlager, versehen mit den hl. Sakramenten, gestorben. Der Verblichene war geboren zu Ponickl in Steier¬ mark am 26. November 1800, zum Priester geweiht am 8. September 1824, zum Fürstbischöfe ernannt am 30. Mai 1846, am 2. Juli zu Salzburg confirmirt und am 5. Juli consecrirt. O>errl gib ihw die ewige Mrhel