Die directe Verbindung von Triest mit der Hudolfsbahn. G3 $ £2> » ■ _ C4.J liOJie Interessen des Handels und der Industrie un¬ seres Kaiserstaates gravitiren mit hochster Gewichtigkeit gegen die Iliifen des adriatischen Meeres und insbesonders gegen Triest als den See-Ausgangspunct wel- cher in stidlieher Richtung am tiefsten in das Land eingeschoben ist. Dieser commerciellen Noth- wendigkeit hat die Sudbahn ibre Entstehung zu verdanken. Bei eingetretener Potencirung des industriellen und com¬ merciellen Lebens drangt es nach Vervollkommnung des Organismus, Nebenarterien entstanden und entstehen, die sicb zum Tbeile unmittelbar von der Hauptader der Sud¬ bahn abzweigen, cder die mehr oder minder selbststiindig die Circulation in dem grossen Korper des Staates ver- mitteln. Circulation ist Leben, und die Verviel- fiiltigung derselben ist der Ausfluss eines in der moralischen und materiellen Welt gil- tigen Naturgesetzes. Sowie diesfalls die Gravitation von Seite der Binnen- lander insbesonders gegen Triest stattfindet, so gebt andererseits von Triest die analoge Action aus , und dadurch identificiren sich dieTendenzen jenes grdssten Emporiums des osterr. Handels mit jenen der H interiander. Als die Rudolfs bahn durch die gesegneten westlichen Alpenlander ihre Schienen bis Villach vorschob, kam das Bediirfniss zum scharfen Bewusstsein, dass eine directe Verbindung derselben mit Triest nothwendig sei, ein Bewusstsein, welches in den Nachbarprovin- zen so lebhaft als in Triest selbst empfunden wird. Man ging an die Arbeit, die Mittel dieser Ver¬ bindung aufzusuchen, wobei das Project der Predilbahn entstand. Dasselbe wurde zu einer Zeit entworfen, als von der Tarvis-Laibacher Verbindungsbahn noch keine Rede war oder dieselbe in das Reich der Traume verwiesen wurde. Nachdem jedoch dieselbe sich factisch bereits im Baue befindet, und thatsiichlich im heurigen Jahre vollendet und hiemit eine directe Ver¬ bindung mit der Rudolfsbahn erzielt sein wird, und dieser neue Schienenweg den von Triest moglichen Linien be- deutend naher geriickt wird, als es die Linie Triest-Predil andeutet, so erscheint es zeit- und sachgemass, zu priifen, ob die Laibach - Tarviser Bahn zu einer directen Verbindung mit der Rudolfs¬ bahn nicht vortheilhaf t er beniitzt werden konnte als die Predilbahn. Eine derlei Verbindung wurde die Linie Lack-Polland-Idria - Wippach - Sessana- Servola-Triest darstellen. Da wir, wie Eingangs erwahnt, das gleiche Interesse mit Triest verfolgen und es sich bei beiden nur darum handelt, das gleiche oder ahnliche Ziel auf die vortheil- hafteste Art zu erreichen, so zweifeln wir nicht, dass die erh uchteten Manner, welche in Triest die diesfalligen Interessen vertreten und fordern, gerne in eine offentliche und unpartheiische Discussion eingehen werden, welcher wir eben so ehrlich zu folgen bereit sind, denn wir sind schlichte Anhanger des Resultates des Calculs, und dieses zu entziffern sei unsere ernste Bemlihung. Nur in diesem unsern Bestreben erwahnen wir bier einiger Bedenken, die sich uns bei Beurtheilung des Pro- jectes der Predilbahn aufdrangen. Als seinerzeit das Project der Siidbahn entstand, fiihlte es insbesonders Venedig, welchen grossen Vortheil die Schwesterstadt Triest aus derselben vorausbekommen sollte, und alsbald horte man von dem Projecte einer Bahn liber Ponteba nach Tarvis reden. Wiewohl unsere Regierung der Stadt Venedig gerne eine so wichtige Pulsader ver- schafft hatte, so waren es, so viel uns bekannt, die enor- men Terrainschwierigkeiten und die damit verbundenen Geldopfer, welche das Project nicht zur Ausfiihrung ge- langen liessen. Minister Brack hatte vorerst die Wien-Triester Balm ins Auge gefasst und hielt unerschiitterlich an der moglichst directen Linie fest. Selbst das Project des verstorbenen Obersten Catinelli, nach welchem die Bahn yon Laibach iiber Lack - Idria-St. Luzia-Gorz-Triest hatte gefiihrt wer- den sollen, konnte keineBilligung finden. Gegen das damals in Triest als Axiom giiltige Prinzip, die Siidbabn nach Triest mit mogliclister Entfernung yon der italienischen Granze zu fiihren, blieb der Nachweis Catinellis, dass sein Project viele Millionen an Geld ersparen, bedeutende Ab- kiirzung der Route und einen Gewinn von mehr als 4 Jah- ren bei Ausfiihrung der Bahn erzielen wiirde — ohne Ge- wicht und ohne Beachtung. In der Zeitschrift ,,Austria" vom Jahre 1849 sind die Einwiirfe zu lesen die damals die Regierung gegen die Bahn im Isonzothale, wiewohl Venedig damals osterreichisch war, und die Bahn nur von St. Luzia abwarts jenes Flussgebiet durchziehen sollte, erheben zu miissen glaubte. Die Gegengriinde waren zumeist politi- scher und strategischer Natur, hinter welchen die Haupt- rucksicht deutlich warnehmbar war, der Stadt Triest, wie es auch wir eben heutzutage billigen, die Concurrenz von Venetien moglichst feme zu halten. Es ergab sich im Laufe der Zeit, dass Oberitalien aus ostereichischen Bah- nen einen bedeutenden Vortheil zu ziehen in die Lage kam. Die Brennerbahn eroffnete Italien iiber Verona einen auf fremde schwere Kosten er- bauten Schienenweg, der in das Herz des westlichen Oesterreichs und von dort in kiirzester Route nach Deutsch¬ land u. s. w. liihr't. Hiedurch erhielt Triest eine gewich- tige und unahwendliche Concurrenz. Eine zweite vielleicht noch schwerere droht dieser Stadt durch die Fiumaner- Karlstadter Bahn, und wir konnen nicht umhin die Be- sorgnis.se, welche diesfalls von Triest aus laut geworden sind, als gegriindet anzusehen. Eben diese unsere An- schauungsweise fiihrt uns zuriick auf das Bruck’sche Sistem, und wir halten es in unserm und im Interesse von Triest, dass an demselben dermalen mit solcher Consequenz wie dereinst festgehalten werde. Wir zweifeln nicht im Geringsten, dass Italien die Ausfiihrung der Predilbahn mit grosster Befriedigung auf- nehmen wiirde, es wiirde uns sogar nicht wundern, wenn es mit Geldmitteln dieselbe unterstiitzen wollte. Es ware ja fur Italien und namentlich fiir Venedig vom hochsten Belange, wenn man demselben den Bau der Pontebabahn ersparen und ihm den Uebergang nach Karnten in das Herz der Monarchie kostenfrei herstellen und iiberlassen wiirde. Diese Bedeutung fiir Venedig hat das Thai der Nadeis, welches ohne irgend eine Terrainschwierigkeit von Cividale anhebend bei Caporetto mithin an der projectirten Predil¬ bahn endet. Durch jenen Weg ware Triest zum auslandi- schen Vortheile eine Concurenz geschaffen, an der es fiir immer zu leiden hatte, und fiir die ihm kein Ersatz geboten werden konnte. Mit gerechtfertigten, vollbewussten mercantilischen Egoismusbetonen wir daher, es sei eineNothwendig- keit bei dem Projecte der directen Verbindung Triest mit der Rudolfsbahn von dem Bruck’- scben Sisteme, dem damals die gesammte Kauf- mannswelt von Triest zustimmte, nicht abzu- weichen, d. i. die fremde Concurrenz moglichst feme zu halten, und wenigstens sich dieselbe nicht wissentlich und absichtlich selbst her- bei z u z i e h en. — Ueber die Ausfiihrbarkeit der Predilbahn in technischer und finanzieller Beziehung, iiber dieKosten der Erhaltung derselben, iiber die Elementarereignisse, denen sie ausgesetzt ware, so wie iiber deren strategi- schenWerth, sich hier des Niiheren auszulassen liegt nicht in der Absicht dieses Aufsatzes, doch sei es uns erlaubt, diesfalls einige Bemerkungen beizufiigen, die sich uns aus der genauen Kenntniss des lsonzothales aufdriingen. Wenn wir von den technischen und finanziellen Schwie- rigkeiten, welche die Predilbahn zu iiberwinden hatte, reden, so bekennen wir unsere Ansicbt, dass dieselben nicht absolut uniiberwindbar sind. Die Technik hat es auch sehon in Oesterreich bewiesen, dass sie jeder Auf- gabe gewachsen ist; die Beschaffung der Mittel bleibt Sache der Interessenten. Man bat in Oesterreich die Bahn iiber den Semmering, iiber den Karst, iiber den Brenner gebaut, die Werke sind geiungen. An der Predilbahn wiirde sich die Wissenschaft zweifelsohne wieder be- wahren. Die Steigung von Tarvis gegen die Einsattlung von Predil, in it den vielzerkliifteten gegen den Raiblersee jah abfallenden Gebirgssteilen, wo, um die jetzige Poststrasse vor Lavinen und Felsenstiirzen zu schiitzen, kein Baum gehauen werden darf; — ein langer Tunnel am Sattel des Predils; — dann bei der Herrmannsveste vorbei in das wilde Thalgewinde von Preth in das Gemsenrevier an den grotesken Zinken und iiber die mit ewigem Fis iiber- briickten Abgriinde; — eine langgedehnte Abweichung gegen die Quellen des Isonzo, und auf der entgegen- gesetzten Berglehne wieder retour beinahe zur gleichen Stelle; — eine Schlinge um eine Bergkuppe, um einige Klafter tieferes Niveau zu gewinnen. Dann kommen die Precipize gegen Flitsch, der Uebergang iiber die Thal- sperre der Klause, das Gerolle, die thurmhohen Fels- partliien, der Horst der Lammergeier, der gigantische Wasserfall bei Schaga. — Von dort die Terrainschwierig- keiten prosaischerer Natur. Schnell nach einanderfolgende Sandriessen, die unausweichlich mit langen Viaducten iiber- briickt werden miisBten, vorhiingende Felsen, steile Ufer des Isonzo bis Caporetto. Und, so fehlt es bis Triest nicht an Objecten, welche alien Fortschritt der Eisenbahn- baukunde zum wiirdigen Kampfe herausfordern. Am Predil beginnt der Winter im September und endet im Mai. Was die Schneefalle, die Verweh- ungen, die Lavinen, die Felsenstiirze beinahe jahrlich fur Pass a gestor ungen, und welche Kosten zur moglichsten Freihaltung derAera- rialstrasse veranlassen, diesfals berufen wir uns auf die Relationen und Rechnungen der k. k. Strassenbau- behorden, und auf die Erfahrungen der dortigen sparlichen Gebirgsbewohner. Goch die Kunst kann heut zu Tage, wir wiederholen es, jede Schwierigkeit des Baues und dessen Erhaltung bewaltigen. Eine andere Frage ist jedoch die, ob die Ausfiihrang dieses in den Annalen des europaischen Eisen- bahnbaues den schwierigsten Unternehmungen wiirdig zur Seite stehenden Problemes das Entgegenkoinmen der be- nothigten Kapitalien zu gewartigen bat. Ueber diese Frage erlauben wir uns derzeit keine Meinung auszusprechen. Empfindlicher als Magnetnadel ist der Reprasentant des Werthes — das Kapital. Wir sagen nur, dass liber die Predilbahn das Kapital ein hochgewichtiges, entscheidendes Wort zu sprecben haben wird, und soviel uns bekannt, hat sich dasselbe dem Unternehmen gegeniiber bisher sehr zaghaft bewiesen. Wenn die Privat- kapitalien bisher diese Reserve beobachtet haben, so wird es die Vertretung des Staates um so mehr als ihre Pflicht erachten, bei an sie diesfalls herantretenden Anforderungen wohl ZU erwagen , welche Opfer von den Staatsfinanzen gebracht werden diirften, welche vermindert oder ganz vermieden werden konnten. Bei dem hohen Interesse, welches die directe Ver- bindung von Triest mit der Rudolfsbahn in sich schliesst, bleibt die Riicksicht, ob diese Verbindung durch mehr oder minder bevolkerte und productive Gegenden vermittelt wird, eine untergeordnete, mithin iibergehen wir heute diese Frage. Ebenfalls die Erorterung der strategischen Seite des Predilprojectes liegt heute nicht in unserem Plane. Wir werfen jedoch diesbeziiglich ein Streiflicht auf die Bruck’sche Motivirung fur die Ablehnung der Idria-S.Luzia- bahn, diezurZeitalsVenetien nochOesterreich gehorte, voileWiirdigung fand, und bemerken nur, dass eine an einer fremden Granzlinie durch viele Meilen gezogene Bahn, die die Communication mit dem Herzen von Oester- reich vermitteln s o 111 e, und jedem fremdliin- digenAngriffe preisgegeben ware, strategischen Riicksichten unseres theueren osterreicbischen Vaterlandes unmoglichRechnung tragen kann. Erzlierzog Carl und General Marmont waren unsere Ge- wahrsmanner, Malborgetto und die Herrmannsveste, sowie seit 1848 der Uebergang beiKirchheim waren dielllustra- tionen hiezu. Wir kehren auf die national -okonomische Seite der Frage zuriick und diirfen dabei den anerkannten Satz hervorheben, dass zwischen zwei, analogen Zweck verfol- genden Bahnlinien jene als die vortheilhaftere angesehen werden muss, welche mehrere Nebenbahneinmiindungen in sich aufzunebmen im Stande ist. Der Blick auf die Rarte der Hinterlander von Triest lehrt, ,wie einsam und abseits die Predilbabn dahinziehen soil, wabrend die Triest-Lackerbahn geeignet erscbeint, in einem Eisen- balinnetze gegen Wippach, St. Peter, Fiume, Istrien, Kro- atien, Dalmatien eine machtig pulsirende Arterie zu bilden. Schliesslicb das mercantile Axiom: „Zeit ist Geld!“ Dasselbe wurde bei dem Baue der Karsterbahn zu Gunsten von Hamburg und anderer nordischen Handelsstiidte iiber- sehen. — Wir geben uns der Ueberzeugung hin, dass es die hobe Intelligenz der Triester Kaufherren, allenfalls mit unserer, willigst dargebothenen Mitwirkung, verbindern wird, dass ein gleicher national-okonomischer Fehler bei der angestrebten directen Yerbindung des Triester Han- delsplatzes mit der Rudolfsbahn nicbt wieder begangen werde. Laibach im Marz 1870. Das Comite. Druck von J. Blasnik in Laibach. — Selbstverlag.