j/fstsrf^. Semi lasso's Weltaana. Für Lesezirkel, Leihanstalteü, Freuude der Vellettistik.' M£l®&v Bibliothek neuer GriginaluoveNen. Diese Bibliothek von Nuvettei,, kleinen Rumänen «nid Erzählnngen besteht aus 6 Bänden und kostet znsammeu 6 Thlr. ^^ av. oder ^lij fl. 1.8 kr. Doch sind auch die Beitrage jedes emzclittn Verfassers, lnUer besondern Titeln zusammengestellt, auch besonders zu haben. Hr u. 2r Vand. Amors und Satyrs, von » W. Zimmermann. 2 Thlr. oder 5 fl. IMalt des ersten Vandes: Der verliebte Philv-ft»h. ^Gräveniz.- Inhalt des zweitm Bandes: Das MoKtll. — Nicodemns Frischli». 5r Bd. Erzählungen nud Novellen voli Fr.. Seybold. 1 Thlr. oder 1 ss. 30 kr. Inhalt:^Das Testament. — D.'r Gadinc». — Kemila«««'« vorletzter lveltgang. III. Ilorletjter We ltgang Whemil«««», >Tramn und Wachen. Aus den Papieren des Verstorbenen. Erster Theil. 3n Guropa. Dritte Abtheilung. Mit Königl. Nürttemb. Privilegium. Stuttgart. Hallberg er'sche Verlags hand lung. 18 3 5. 32litter Vliet. An die Frau Fürstin von p..< M... Argeles in den Pyrenäen am 3tm Novbr. >8,U. Jetzt, meine theure Lucie, habe ich das Land gefunden, wo ich lcbm und sterben will! Hicr laß uns, wenn ich nur ein wenig noch vorher die Wclt gcfthcn, unsre friedliche, letzte Hütte bauen — in diesem Lande, das jede Bequemlichkeit der Ebne und jeden Vollgcnuß des Gcbür-ges gewährt, dessen Bewohner die Gntmüthigkcit 6 unsrer Deutschen mit südlicher Lebhaftigkeit und einer kaum anderswo mehr anzutreffenden patriarchalischen Natürlichkeit und Einfachheit vereinigen; ein Land, dessen Elima so lieblich ist, daß man an tausend Fuß hohen Schncewänden durch Maisfcldcr und Weingarten hinfährt, wo souuigc Wiesen schimmernd grün uuter den dunkeln Vaumgruppcn wic dcr Harnisch des Goldkäfers glänzen, und wo ich heute am 3tcn November, bei uns schon dcs rauhen Winters Anfang, noch unter dem Schatten einer majestätischen Kastanie im Freien ftühstückc, während über die zcrfallnc Gartenmauer ein Feigenbaum seine fruchtrcichcn Aesie breitet nnd blühende Rosen um seincu Stamm sich winden — ein Land voll historischer Erinnernngen und Denkmäler alten Kampfes, wo dennoch in heutiger Zeit, fern von dcr bewegten Hauptstadt, die ungetrübteste Ruhe herrscht, uud keiu Parteigcisi noch die besten Freuden dcr Gesellschaft verdarb; wo man übcrdicß dreifach wohlfeiler lebt als in ,7 unserm Vaterlande, so daß cm Besitzer von 10,000 Franken Rcvcnücn hier Eqnipagc hält und cm ansehnliches Haus macht; wo mau nüt allen Rafsincmens dcs Lmus, wic mit allcn gepriesenen Delicatessen der Tafel sich auf das reichlichste in bequemer Nähe versehen kann; wo die Provence, Spanien und das Meer Dir die Hand reichen — das Land Heinrichs dcs Vierten, das Land romantischer Schönheit, das Land der Trüffeln und dcs Bordeaux-Weins, der Wachteln und der Ortolane, der Forellen und der Seefische, der torriutig ä . , (^uand le Comte dc Foix entendit ccla, tlrant sa dague, oh! ohl traitre, as tu dit que no»! et le fur it de cinq coups de sa dague, sans que les Barons et chevaliers osassent aller au devant. Le chevalier disait; Oh7 Monseigneur, vous ne faites pas gentüesse, et mourüt bientot apres. Welche Zcit männlicher 'Vcclengvvßc und kiw dcrgleichcr Untcrwürfigscit auf der cincn, wclche Grausamkeit und Willtühr auf dcr andern Scite! 24 Ucbrigcns gestehe ich, dasi mir die duldende Sanftmttth dicfts Nitters bci so viel hcldcn-mäßigcr Entschlossenheit weit christlicher vorkömmt, als dcr stolze und intolerante Hochmuth der meisten unserer kirchlichen Märtyrer. Ich hielt mich nur eine Viertelstunde in Lourdcs anf, um mein gutcs, seinc Schuldigkeit sehr treu verrichtendes Pferd mit Brod und Wein, und mich selbst mit einem Glase Grog und eincr Cigarre zu crfrischm, dcnn die Erwartung zog mich unaufhaltsam vorwärts. Wirklich auffallend ist die Mcngc hübscher Weiber in diesen Gegenden, um so mchr, da ich auch nicht Einem hübschen Manne oder Knaben begegnet bin. Gleich vor dcr Stadt holte ich ungefähr ein Dutzend dieser Schonen ein, welche, wie Studenten sich unter den Arm fasseud, cinc förmliche Kette über den Wcg bildeten, und laut lachend erst dann auöwichen, als ich sie mit ciucm scherzhaften Compliment über ihr reizendes Aussehen höflichst darum ersuchte. Dann nst 55 bemerkt,: ich noch drci, die hinter ihnen gingen und so regelmäßige italiänische Schönheiten waren, daß ich anhielt und fast uuwilltührlich aus dem Wagen sprang, um sie näher zu betrachten. Sowie sie jedoch meine Absicht mcrktcu, flohen diese landlichen Grazien, unter dem laneu Gc-spdttc ihrer vicllcicht etwas ei fei süchtigen Gefährtinnen, in dic nahcn G.büschc, nnd ich mußte uuvcrrichtcter Sachc wicdcr mcineu darren besteigen. Jetzt dringt mau erst in das eigentliche Herz des Gebürges ein. D:c erhabne Größe der co< lossaleu Masscu, die man von Fcvu bewundert, tritt nuu in der Nähe doppelt impomreud an uns heran. Im Anfang zeigt sich die Natur schroffer, die Cultur verschwindet fast, und kahle Felsen, nur hie und da mit Haidelraut bedeckt, nehmen ihre Stelle ein. Aber es ist dies uur ein Ucbcrgang. die Pforte zu dem Allerheiligsten. Man betritt endlich das Thal der (^-«v« cl« r«u, und betäubt, berauscht vou Entzücken, glaubt man in der Welt dcr Seligen zu scyn. Dieses Thal ist das schönste, das ich je gesehen, zu keinem Wunsche bleibt mehr Naum. In dcr Reihe weniger Stunden entfaltet sich hier Alles, was eine Gebürgsgegend in jeder Hinsicht an Naturfchdnheiten nur möglicherweise bieten kann. Doch übertrifft die Aussicht, welche gleich zuerst den Eintretenden empfangt, meines Erachtens alle folgenden, und ich fürchte sehr, Lncie, unsre Cottage von diesem Morgen bleibt schon verlassen stehen, und wir bauen uns licbcr hier am Iarrcf an, denn so heißt dcr Felsen, dessen Fust ich außer mir und in thörichter Inbrunst, wie den einer Geliebten, geküßt. Setze Dich nun zu mir. Wir ruhen auf dem Rande einer tief herabgebcnden Mancr, unter dcr die Gave schäumend strömt, bald nachher einen Wafferfall bildet, und weiterhin sich in den gefälligsten Krümmungen ihren fernern Weg bahnt. Rechts verbargen, ganz nahe siehend, zwei mit gelbem Ginster bedeckte Felsen jede 27 Aussicht mit einziger Ausnahme dcs Schloß-thurmcs von Lourdcs, der zwischen dcr engen Spalte, die sic trennt, mühsam sichtbar wird — aber vor Dir, welche Pracht, wclch ein traum-artigcs Paradies'. Grüne Abhänge allcr Formen senken sich gleich gewirkten Teppichen von den Bergen herab, banmbesetzte Teriassen reihen sich zierlich übcr einander, dichte Wäldcr und weite Wiesen umschlingen sie wie in magischen Ringen, und in der Mntt dieses Gewimmels stracken drci einzelne Bergcolosse, vom größten aller Land-schaftstünsiler ansgedacht, ihre Zacken gcn Him-mcl und drücken, wie Gottts sichtbare Hand, dem Ganzen den Stempel der crhabenstcn Große auf. Zwischen jedem dieser isolirten Felsberge ziehen sich, glcich Voten in die Ferne, sanft ansteigende üppige Thalschluchten hinauf, Gärten .an Gärten reihend, bis andere Nies^nberqe ihnen im weiten Hintergrunde wieder dcn Weg vcr, treten. Hast Du Dich hieran satt gesehen, so wende «9 Dich links, und folge mit dem Auge dem gewundenen Laufe der Gave im geräumigen Thal, aus dcsscn grünen, parkartig gnippirtcn Vanm-iuseln und Wicscnflächcu hie und da isolirtc Fclscn und schroffe Hügcl, zum Theil mit Ruinen vcrfallencr Schldsscr gckrönt, hervorragen, bis endlich dic Schnecgipfcl dcr pic-8 von ^lounn« und volUiiu die lctztc Aussicht hermetisch verschließen. Dieß ist die kalte elende Beschreibung cincs Anblicks, dcr mich, wie unbewußt, bic Hände falten licß, und süße Thränen in umu Auge drängte. Soll ich es sagen — aber ich habe jetzt oft unabwcislichc Gedanken cincs nahen Todes. O mein Gott! dachte ich, in solch einem Augenblick laß mich sicrbcn, er gchort schon halb bem Jenseits an und gießt himmlischen Trost in die bedrückteste Seele, einen Trost, für den die arme Menschcnsprache keine Worte mehr hat. Der Weg, dcr durch dieses Edcn führt, ist kühn angelegt, meistens durch hohe Mauern gestützt, auf deren Zinnen wan öfters schwarze Ziegen, mit dcn sie bewachenden Knaben sich sonnend, liegen sieht. Nrch mehr als diese frap-pirtc mich ein frisch abgezogenes Pferd, das man am Fuß eines Abgrundes verfaulen liest, wo es vielleicht herabgestürzt war. Aber die Polizei ist bis hierher noch kaum gedrungen. Niemand fragt mich sogar mehr nach meinem Paß, dcn man von Paris bis Vordcaur wohl zehnmal zu sehen verlangte. Etatt der Wegweiser gibt es nur Kreuze (ein preußischer Landrath würde hier viel zu thun bckommcn), und obgleich eine Menge Engländer die Gegend bewohnen, haben sie doch nnr den wohlthätigen Einfiuß gehabt, die Gastwirthc zu lehren, ihren Gasten beim Essen ein halbes Dntzend Messer und Gabeln vorzusetzen, ohne dcßhalb die französische Prellerei zn lernen, die ich bereits in Agen gänzlich verschwunden sah. Ich weiß nicht, ob die hiesigen Einwohner schon dcn Spauicm 30 gleichen, aber mit Franzosen habcu sie nicht mehr viel gemein. Um mich nicht zu sehr zu wiederholen, schweige ich von den Nawi'schonheilen der wettern Tour bis Argeles, obgleich ich Sioss in Fülle dazu hätte. Ich kam gegen Untergang der Sonne dort an, und fand die Mendkaltc ziemlich empfindlich, obgleich hier der Wein noch üppig wachst, und au geschützten Stellen der Feigenbaum noch ohne Bedeckung den Winter aushalt. Argcles, ein heiteres Städtchen, in der reizendsten Lage am Fuß hoh.r Berge tcrrasscnmäßig 'anfgebant, wird von vielen Fremden bewohnt. Nachdem ich mir ein Logis besorgt und das Nöthige bestellt, ging ich mit einem Führer dle 'Promenaden zu besehen, die viele der überraschendsten Aussichten darbieten. Das mich begleitende Individuum schicn etwas gestört im Haupte zu seyn, denn der bekropftc Cretin redete nmsicns mit sich selbst, ohne auf mciuc Fragen zu antworten, die cr auch, dcr französischen Sprache wenig mächtig, oft kaum verstehen wochte. Eben so undeutlich blieb stin jn,ßon mcisicnthcils mir. Einmal versicherte er mich, en nil,mör6 6'«xpUc:l,>itin, auf die Felsenkette hinweisend: „Musiu, c'est le bun Diu qui a fait tout ea, un homes n'on urait james t:t& capable." Ich erfuhr überdies noch so vicl von ihm, daß kcine d^'r weißen Spitzen, die wir sahen (selbst dcr ^io lin milU nicht) und gegen deren Glanz die hellste dcr vorbeiziehenden Wolken grau erschien, im Sommer dcn mindesten Schnee beherbergen, was ohne Zweifel dann der Gegend ihren Hauptreiz nehmen, nnd sie unendlich monotoner machen muß. Ich überzeuge mich daher immer mehr, daß keineswegs der Sommer, sondern das zeitige Frühjahr, wo dcr Schnee noch nicht geschmolzen, und der Spätherbst, wo cr bereits wieder gefallen ist, die günstigsten Jahreszeiten zur Besichtigung dcr Pyrenäen sind. Aus 3s: dicscm Grunde glaube ich auch, daß sie im Sommer den Alpen nachstehen, im Frühjahr und Herbst sie abcr lcicht übertreffen mögen, weil sie, mit aller imposanten Grdßc dicscs Gc-bülgcs, zugleich die phantastischen Formen der Verge von Wales, und alle nordische und südliche Lieblichkeit des Nhcmgcbürgcs wie der Apenninen verbinden. Doch ist die Natur so unendlich reich, daß eigentlich kein passender Vergleich zwischen allen diesen verschiedenen Erd-wnndern zu machen ist. Jedes derselben hat seine ihm ganz eigenthümlichen Schönheiten, und alle hat, wie mein Führer sehr richtig sagte, der liebe Gott gemacht, der sie wahrscheinlich noch öfter variircu kann, als das Clavier Compositio-ncn Vertrags. Mgg Den ^7 st ° »> Um Dir cim'n Bcgnss von dcm gutcn Lcbcn und dcr Wohlftilhcit dicfts Landes zu gcbcn, füge ich mcincn gcsirigcn Küchcnzcttcl ncbst dcr hcungcn Rechnung bci. Consomme aux oeufs poches, 2 truitcs, une au bleu et Pautre grillee, des ortolans en caisse, nn fVicandeau, unc caille a la cra-paudine, des pommes de terre ä la maitre d'hotel, trois grives roties (wektye §i(\', WO ®cmitaffo. 111. 3 34 sic statt Wachholdcr, Weintrauben fressen, von weit zartcrem Geschmack sind), deux pots de crOnie a la Hour d'orange, tics gateaux aux confitures. ^cjfcvt: des noix excellentes, des pommes de St. Savin, du beurrc Ires frais et du fronn a go delicieux du pays, lc lout arrose d'unc Lonieille du vin do Bordeaux fort passable. Spater Thce, am andern Morgen Kaffee znm Frühsiück, eine qntc Stube nnd Bett mit Wasche in Profusion, endlich die, Bekösiignng meines Pferdes — «umma «>i,ün!gi'um zeön Franks, wo-bci noch zn bemcrkcn, daß diese fast nnr auf Fremde berechneten Ortc an der grosien Straße doppelt tbc'nrer als alle übrigen sind. Ich mache nnn schon seit einigen Tagen wieder meinen eigrcn Kammerdiener, da ich aber überall ein Mädchen zn meiner Gehülfin bc-l'omme, so isi die Bedienung nnr desio vollständiger als bisher, »nd ich bin weit entfernt, mich darüber zu betlagen. Uebrigens ist dic Gut- 33 wüthigkeit der hiesigen Lente außerordentlich, und sie sind so herzlich, dasi Einem sc!bsi das Herz davon aufgeht. Du weißt, ich bmnchc immer etwas viel, und schickte daher das armc Mädchen, hübsch und naiv, wie sic fast alle hier sind, Wohl zwanzigma^ auf und ab, ehe nnr Allcs gc-nchm war. Dicß sübl^nd, bat ich sic um Vcr-zclhnng ihr so ricl Nlühc zu machcn. „O," cr? wicdcrtc sic nüt der grbßttn Ficundlichk.it, „das ist nicht dcr 3u'dc wcnh. Wcun ich cs Ihnen nur rccht machcn könntc, wvlltc ich gcrn zchnmal mchr Arbeit thun. Mcr ich armcs Mädchcn vcr-siehc lcidcr gar nicht cincm vornehmen Herren so aufzuwarten wie cr es gewohnt ist." Nun weiß dcr Himmel, woher es kommt, aber ich mag noch so armlich anftretcn, ich habc im-mcr das Unglück, für vornehm oder wenigstens für einen Englander gehalten zn werden, was ziemlich auf Eins herans kommt und im übrigen Frankreich stets dreifache Rechnung, hier nur dreifache Bereitwilligkeit nud Aufmerksamkeit herbeiführt. 2 " 36 Ehe ich weiter reiste, machte ich noch einen kleinen Morgcnspazicrgang nach dem LalÄN-6i'u, wo ncbcn cinigcn hingeschlcudertcn Fcls-bldckcn die Aussicht auf das Thal besonders reich ist. Ich fand hier außerdem zwei andere interessante Producte dieses gesegneten Landes, nämlich einen magnisikcn Wolfshund, auch auf Menschen dressirt, nnd ein kleines sehr hübsches Pferd von hiesiger Zucht, mit dem ein englischer Clergyman wie ein Rasender im uui,» cle t.Ii3«86 die Felsen hcrabgaloppirte, wobei jedes englische Pferd sammt seinem Reiter den Hals gebrochen haben würde. Es leben viele englische Familien hier, und ich hoffe, licbe Lucic, ehe zwei Jahre vergehen, thnn wir dasselbe, wenn wir dann überhaupt noch leben. Nach Gottes Willcn! 37 8t. 5'auvsui' Abends. In dil'ftm Himmcl gibt cs violc Kammcrn, »vic in dcm wirklichen, und dic lctztc crschcint im'.ncr die herrlichste, wcil dcr Schdpftr darin dcn ftommcn Scclcn sitts cincn »n'ncn wundcr-barcn nnd unmvartcttn hciligcn Christ bcschccrt. Ich fiudc cs dähcr auch fthr natürlich, daß dic L^utc hier so gut, und ftst allgcmcin im Gc-bürge bcsscr sind als andc'.wärts. Mcinc hcutigc louin^e ward grdßtenthcils zu 33 Fuß zurückgelegt und wären cs zwanzig Meilen gewesen, ich glaubc kaum, daß ich Zcit gefunden hätte, an Müdigkeit zu denken. Die Promenade galt der uralrcn verfallenen Abtei von St. Savin. Denke Dir fünf Thaler, die von verschiedenen Seiten in Einem Punkt zusammenlaufen; zwei davon werden ihrer Fruchtbarkeit und reizenden Cultur wegen, wclchc hohe Felftn rund umher schirmen, das Eden der Pyrenäen genannt, die andern drei dageqen sind eher Schluchten, wclchc zum Theil von den höchsten Schneebcrgen der Gegend gebildet werden. Aus diesen kommen die, drei Flüsse <^v« «1« ^I.'n-cnVüun und Oav« <1« I'^n hervorgestürzt, nm sich durch die fruchtbaren Fluren jetzt mit mehr Bedacht in allen Capricen ihrer spielenden Laune zu crgiesten. An diesem Endpuncte der fünf Thaler uun denke Dir weiter einen runden Rieseuberg, und vor ihm, ans mehreren Hügeln nach der Ebne hcrabstci-gcnd, einen Wald, der einige Stunden im Umfange hat. Dieser Wald besteht durchgehcnds ans 33 alten Kastanien- und Nnßbäumcn, hie und da mit Obsibänmen abwechselnd. Er ist anf seinem grüncn Wiesengrnnde, bei irgend einer Weltrc-volution mit Felsenstücken durchworfen worden, und jetzt von dcr Cnltnr überall mit Wcin durchrankt, dcr rechts und links zierliche Fesions bildet, nnd oft übcr dcn Fnsiweg langc dichte Lan-ben wölbt. Dic schönste imd ftlrcnstc Eigenschaft aber, die dicscr ÄLald besitzt, ist die, daß die AN darin nie etwas Anderes als abgcstorbcnc Bäume trifft, und die Garantie dasür zugleich die sicherste von allen, ich meine diejenige, mit der man die Menschen jederzeit an einem Faden anö Epinnen-gcwebe fuhren kann: das eigne Interesse. Denn das unter den Bänmen wachsende Gras (so fruchtbar ist dcr Vodm) wird, wo man es nicht zur Wcide benutzt, dreimal des Jahres zu Heu gc-maht, und die Bänme nnr znr Erndte der Kastanien und Nüsse benutzt, da sie auf diese Weise die bedeutendste Revenue abwerfen. Ie gibsier und umfangreicher also dcr Vaum, je größer dcr Nutzen. 40 Nun wirst Du leicht ermessen, welchen Rciz der Gang durch diesen Wald, mit den, stets ncuc Bilder zcigcndcu Durchsichten auf dic Thäler gewähren muß. Nach einer Stunde, in der man mehrere Vächlein überschritten, kommt man an eine hohe, mit Ephcu bchangcne Maucr, und sieht bald darauf vor der noch immer von der Commune zum Gottesdienst benutzten gothischen Kirche der Abtei. Das I'nncrc derse'bm ist sehcns-wcrth, aber die Besteigung des Thurms auf sehr schadhaften engen Stufen hätte ich mir ersparen tonnen, da etwas weitcr hin, auf dem höchsten der erwähnten Waldbügel eine ebenfalls sehr alte Capellc sieht, von der die Auesicht auf den ganzen Umfang dieser Zaubcrgcgcnd ihren höchsten Punct erreicht. In der Kirche von St. Savin bemerkt man, nicht fern vom Alrar, der mit italienischem Marmor ausgelegt ist, zwei große an der Wand hangende Tafeln, jede in m'un Companimcnts gc-thcilt, auf denen sehr wcrthvollc und gut conscr- 4t ditte alte Malereien die Thaten des heiligen Sa, vmns darstellen. Dic außerordentlichste und zugleich schwierigste derselben ist ohne Zweifel die, wo cr bei einbrechender Dunkelheit, in gefährlicher Lage, sich und seinen Gefährten von einem Engel mit dem Monde wie mit einer Laterne vorlcuch-ten läßt. Diese Abtei, in der Revolution an ciucn Doctor gekommen, ist jctzt mit ihren Weingärten, sie umgebenden Bär.mcn, nnd dem Prachtanblick von ihrer Terrasse zu verkaufen. Der Glückliche, dcr sie ersieht, wird sich rühmen können, eins dcr schönsten Vcsilzthümcr in dcr Welt sein zn nennen. Als ^larßuoi'il« 6e Nava^e, Schwester Franz dcs Ersten, die es liebte sich in dic Pyre-näcnbädcr mit einigen Auserwähltcn zurückzuziehen, um dem Zwange dcs Hofes zn entgehen, einmal wie sie selbst erzählt, durch furchtbare Regengüsse vertrieben wurde, wobei einige aus ihrer Suite ertranken, andere von Varcn gefressen wurden — war es dcr Abt von St. Savin, der 42 den erplorirtcn und durchnäsitcn Damen seine eignen Zilnmcr einräumte, und nachdem er sie wohl getrocknet. 5)leur fournit de bons chevaux de sclle, da Lavaudan, de bonnes capes du Bearn, force pour arriver ä Notre Dame de Sarrance ele," Ich setzte meinen Weg von hicr übcr die schon gerühmte Bcrgwpclle nach Pie,refute fort, wo ich frühstückte. Vei dieser Gelegenheit lernte ich ein neues Fcllcrmarcrial lehnen nnd zugleich eine ncue Art, Kartoffeln zuzubereiten, dic ich schr empfehlen kann. Das Feuer ward mit den Hülsen oder Zapfen (ich weiß nicht wie ich sic nennen soll) des Maiskorns angemacht, ans dem die Körner gelesen sind uud gab eine lustige Flamme im Kamin. Das Recept für die Kartoffeln aber ist Folgendes: Man kocht sie auf die gewöhnliche Weise, zieht hierauf die Echalc ab uud schucidct sie in Scheiben. Dann schmort man eine reichliche Quantität frischer Butter in einer Casserollc und 43 thut die Kartoffeln hinein, mit gehackter Petersilie, Zwiebeln, Salz und Pfeffer, welches Alles in der Butter gehörig umgerührt wcrdcu und noch cinc kurze Zeit schmoren mnß. Unterdessen hat mau einige Eicrdotter mit Essig delayirt (auf einem Teller der mit Knoblauch abgerieben wurde), und sobald die Kartoffeln in der Butter au point sind, gießt man jcnc Sauce hinzu und scrvirt. Außer diesen beiden Vermehrungen meiner Kenntnisse kaufte ich auch noch für zehn Sous meinem Führer seinen Alpcnstock ad, ciu Dorn, der ziemlich meine eigne Länge erreicht, und das dicke Ende, mit einer Metallspitzc versehen, unten hat, so daß er sich zugleich als Stütze, als sehr gehaltvoller Prügel uud als rüstikcr Stoßdegcn gebrauchen laßt. Dicht hinter Pierrcfitte, das gleichsam den Knopf zweier Schenkel bildet, die von hier gabelförmig als tiefe Schluchten, die cinc nach l.u«:, 8t. 63«vour und ltn, ^Fo«, die andern nach l^u-terols u. s. w. führen, passirt man kurz nach cm- 44 ander auf zwci pittoresken Brücken die bcidcn Gavc-Ströme. Bis hierher halte sich das Erhabene noch immcr in liebliche Prunkgcwandcr gekleidet; von jetzt an zeigte es sich geraume Zeit nur in seiner nackten Größe. Es war halb zwci Uhr, als ich die Schlncht hinein fuhr und schon dcck-tcn ihre Wände die Sonne, wclche nur noch die Hälfte der Berge mit ihren Strahlen erleuchtete. Der übrige Theil lag im Schatten. Es bleibt selten in diesem schancrlichen llolU« mehr Ocff-nung übrig, als eben nöthig ist, um dem Flusse und einer schmalen, durch Mauern gestützten Chaussee an seiner Seite spärlich Raum zu gcben. Dennoch ist die Vcgctationskraft dieses Bodens so groß, daß noch immer hie und da hohe Eichen und Buchen die von Fels zu Fels sich walzende Gave einfassen. Die Abhänge, selbst die steilsten, sieht man noch häufig bis an die Gipfel mit einem dichten, niedrigen Gebüsch bedeckt/ und wo sich nur irgend eine Möglichkeit dazu darbietet, windet sich gewiß ein Wieschen, wie eine 45 grüne Schlange zwischen den Fclftn hinan. Man steigt fortwährend, zuweilen sehr steil, so daß man zuletzt den Fluß nicht mehr sehen kann, sondern nur noch m schwindelnder Tiefe dumpf brausen hört. Vei einer dieser jählingcn Steigungen hatte ich einen unangenehmen Zufall. Der liuke Strang des Geschirrs war losgcgangen, ohne daß ich es bemerkte, und das Pftrd, welches sich ohnedieß ungeheuer anstrengen mußte, konnte das schwere Cabriolet nur an einem Strange wahrscheinlich nicht mehr erhalten, denn es gab plötzlich nach, und der Waa/n fing an, statt sich vorwärts zu bewegen, rückwärts herabznrollen, und das sich vergebens sträubende Pferd gewaltsam mitzunehmen. Glücklichcnveise blieb mir noch fo viel Zeit übrig, das Fuhrwerk so zu dirigiren, daß es sich seitwärts gegen einen hervorstehenden Felsen richtete, der es anfhielt. Sonst wäre ich — zwar nicht ins Bodenlose gefallen — hätte aber doch eine sehr halsbrechendc Rutschpartie nach unten machen können. In Ermanglung eines Strickes 4S den ich mitzunehmen vergessen, mußte ich den zerrissenen Strang mit einigen Dornruthen festbinden, sie dienten mir indeß hinlänglich bis zum Nachtquartier. Vald darauf fing auch der Weg au sich wieder zu ftnken; man kreuzt die Gave mehrmals auf tühuen Steinbrücken bis eine halbe Stunde von I'U/., wo sich das Thal von Neuem erweitert, frische Wiesen sich breiten, und das Ganze wieder den, den Pyrenäenlbalern so eignen, parkahnlichen Charakter annimmt. Wiesen und Felder sind hier wie in Wales häufig siatt der Hecken mit hohen spitzigen Schiefertafeln eingefaßt, was eine hübsche Abwechslung gewährt, und mehrere kleine Wasserfalle, die von den Bergen hcrabkommen, und dann in reißenden Bachen durch die Anen eilen, geben dem Thal ein noch freundlicheres Ansehen. Ein breiter Schnecberg mit sieben Hörnern schließt es. Am Sanm der weißen Schncelinie desselben bildet braunrothes Haide-kraut einen breiten Gürtel, an den unmittelbar sich wicdcr das hcäc Grün dcr untern Zone an- schließt, und so cin schönes Tricolor von den grandiosesten Dimensionen bildet. Seitwärts davon steht eine dunkle, fast ganz regelmäßige Pyramide, und zwischen beiden Cclossen klemmt sich das Stadlchcn l^us ein, von zwei Rnincn zerstörter Schlosser der Tempelherren flankirt, die auf kleineren frei liegenden Felscn sich über die Häuser der Stadt crhcben. Ein paar Büchsenschüsse weiter rechts, wo cine andere Schlucht hoher Schnccgipfel sich tiefer in das Gebürge zieht, erblickt man das stattliche 8t. Kauveur, mit seiner Marmorbrücke über die Gave, den Marmorsäulen seines Vadehauses, und den vielen eleganten Gebäuden, die es zieren. Dieftr Ort war der Zicl-puuct mcmer hcutigcnTour. Am Eingang bemerkte ich einen hohen Pftiler, gleichfalls ans Marmor, der durch einen senkrecht ans dem Strom aufsteigende« Felsen gestützt wird, und von dessen Spitze eine schwere Kette ansgcht, die über die Straße gezogen und an der gegenüberliegenden Felswand eingehackt war — ein eigenthümliches Thor! Da ich noch einige Stunden Tag, wenn gleich ohne sichtbare Sonne, vor mir halte, benutzte ich sie zu einer Promenade in der Umgebung. Die sogenannten englischen Anlagen sind eben so erbärmlich erdacht als vcrnachläßigt, aber die hiesige Gegend läßt sich nicht verderben. Sie müßte den Geschicktesten dicftr Art zur Verzweiflung bringen, denn sie überschüttet Alles mit so vicl Schönheiten und Reichthum, daß nn darauf gemachter Fleck unbemerkt bleibt. Das Künstliche bald verlassend, irrte ich auf den Felsen umher, mir selbst die besten Aussichtspunkte aufsuchend. Gern hätte ich die Namen einiger sellsamcn Piks crfahreu, aber nichts schwcvcr hier, als des Namens eines Berges gewiß zu werden. Entweder gibt Jeder einen vcrschiednen an, oder Alle behaupte», der Berg habe gar leinen. Noch öfter aber kann mau sich gar nicht mit den Leuten verständigen, besonders, wenn sie eben so wenig französisch, als wir ihr patois verstehen. Hm doch auch in deu Pyrcnacnbädcr gebadet zu haben, und überdcm einer Abwaschung b:« dürftig, tauchte ich mich Abends in die Schwefelquelle. Alles war hicr zwar Marmor, aber Alles dabei auch so vcruachlaßigt, schmutzig und mit Wasser überschwemmt, daß ich nicht eher cincn trocknen Fleck finden konnte, um mich aus- und anzuziehen, bis ich zu diesem Behuf mehrere Vrctcr herbeischaffen licß. Dazu senkte sich der Brasen des Bades von der Decke in Masscn wieder herab, durchnäßte die Kleider und gab mir jeden Augenblick die angenehme Empfindung eines kalten Tropfbades. Nicht einmal zwei verschiedne Hahne für warmes und kaltes Wasser waren vorhanden, und cbcn so wenig warme Wäsche zu erhalten. Kurz, es war ein wahres Elend! Der Bademeister behauptete zwar, iw Sommer sey es ganz anders, ich bezweifle aber, nach dem Gesehenen, daß 8s. 8auveur sich in irgend einer Jahreszeit mit der Bequemlichkeit unsrer Badeorte vergleichen laßt. Semilasso. !1U H ^50 Den 28 st ° « Ich kommc mir hicr wie im Lande der Amazonen vor. Fast alle Männer haben 8«. sauveur verlassen, und nur dic Weiber scheinen Zurückgeblieben zu seyn. Nicht nur meine Stiefeln werden von ihnen geputzt, sondern selbst mein Pferd von ihnen gestriegelt, und taglich erhalt es seinen Hafer nur aus den Händen des schönen Geschlechts. Nichts unbequemer aber als cin Badeort, wenn dic Lmson vorüber ist. ' HA- In meiner Stube, mit vicr nicht schließenden Thüren und zwci eben so undichten Fenstern, bleibt, trotz des mächtigen Kaminfcucrs, vollkommen dieselbe Temperatur wie auf der Treppe, und da man sich hier schon einige tausend Fuß über dem Meere und von den höchsten Bergen eingeschlossen befindet, so ist diese Temperatur sehr empfindlich. So schon cs am Tagc isi, d. h. von zehn bis drei Uhr, wo allein die Sonne sichtbar wird, so friert cs doch gleich nachher. Ich wollte das vortrefflich klare Wetter benutzen, einen closer üo 1u ^roizsu zu besteigen, um mich ein wenig umzusehen, ich erklomm also theils zu Pferd theils zu Fuß den pio llo »oi-ßoneo, ungefähr 6000 Fuß über dem Meere. Die Partie ist immer sehr gefährlich, jedoch im Sommer ohne besondere Gefahr, jctzt aber wegen des vielen Eises, oft gerade an den schlimmsten Passagen aufgehäuft, ziemlich nerveuangreifend. Da 4 " 5? ich mich indeß bald von der vollkommncn Sicher^ hcit meines kleinen Vergkleppers überzeugte, so legte ich ihm den Zügel vertrauensvoll auf den Hals und ließ ihn ganz nach Belieben sich im fortwährenden Zickzack den äußerst steilen Berg binaudrehen, wahrend ich mich nur mit der Gc-gend beschäftigte. Sonderbar ist cs übrigens, daß diese Thiere, wenn man ihnen völlige Freiheit gewährt, fast immer den äußersten Rand des Weges, dicht am Abgrunde bin, llo s»!<>l'<5' i-onc«; wählen. Vci jeder Wendung desselben schwebt auf diese Weise Hals und Kopf des Pferdes völlig frei über der Ticfe, und wer nicht au diese Touren gewöhnt ist, muß in solchen Augenblicken denken, cs sey im Begriff sich gc-radc hinab zu stürzen. So gut unsere Pferde waren, ging cs doch nicht ohne einige bedenkliche luux pn8 ab, und nachdem wir die obern Sennhütten erreicht, und ungefähr zwei Drit-lh,>ile dcs Wegs zurückgelassen hatten, sahen wir uns gcuothigt, fortan die eignen Füßc zu ge- brauchen. Die dampfenden Pferde ließ dcr Führer hier mitten im Schnee stehen, und warf ihnen cm Bündel Heu vor. Dazu ward ihnen, wie in den Rittcrromancn, dcr Zaum abgenommen und sie unbesorgt ihrem eignen Gutdünken überlassen.. Auf meine Bemerkung, daß sie ohne Decken sich hier erkälten würden, meinte er: >O nein, hier trocknen sie sich fthr gut in der Sonne ab!" Was würde ein englischer I>on auf dcr ci-^o angelangt, von hier bis zum Gi^ftl eine schöne, weiche und trockne Raftnal^ mit erquickendem warmem Sonnenschein. Hicr G ward, als wir dcn höchsten Punct erreicht hattcn, ein hervorragender Felsblock benutzt, das Erfrischungsmahl darauf auszubreiten, und wir hattcn das Vergnügen, es gemächlich verzehren zu können, wahrend wir die Aussicht um uns her mit Mnße betrachteten. Ucbcr dicft ist indeß nicht viel zu sagcn; Dn weißt, daß ich ihresgleichen nicht besonders liebe, und mehr als bequeme Oricntirungspuncte betrachte, als pittoreske Effecte von ihnen erwarte. Denn daß der unten so imposante Vcrgstrom, von hier oben (nach der stereotyp gcwordnen V>.'ncmnmg der Rciscbc-schreibcr) nur einem silbernen Fad^n glich, das reizende Thal, so grün und heimlich, wie eine grane Landchartc erschien, und die herrlichen Wälder endlich, unter deren schattigen Kronen ich mich so glücklich dünkte, dem Vlick jctzt zu Krautftldcrn zusammenschrumpften — das war eben kein Vortheil. Besser noch gcficl mir auf der andern Seite der Vergkcssel, dessen Wände vom Vigncmclil?, dem Nont per6u, dcm I'imon«^ Z5 dcm Uni-bo^, dcsscn berühmter Wasserfall von hier nur ein hcrabsickerndcr Bach zu seyn schien, dem kort ä'^z^agno, der di^oli« cl« Noiancl, und andern Vcrgfürsicn gleich hohen Adels gebildet werden, obgleich anch sie, von einem niedrigern Standpuncte ans gesehen, unendlich imposanter erscheinen mögen — wie es dcn Vornehmen unter uns denn ebenfalls zn ergehen pflegt. Das Interessanteste auf mcincm Fclsdlock war mir eigentlich der bcncidcnswcrthc Appetit meines jungen Führers. Man hatte uns ein halb Dutzend Kalb-(?ol.Lie«o8, einen ganzen ßi^ot 6« inumon, wenigstens sechs Pfnnd Brod, verhältnißmaßige Butter und ein großes Stück, nicht etwa Pyrenäen-, sondern Schweizerkäse (welcher Mangel an achtem Patriotismus!) eingepackt. Wohlan, Alles dieß verschwand nach einer halben Stunde, wie durch Zauberei, ohne daß mehr als zwci Coteletten und etwas Brod auf meine Rechnung gekommen waren. Hat also nicht ein neckender 56 Berggeist unsichtbar mitgegessm, so muß der Ricsenmagcn meines Begleiters alles Uebrige beherbergt haben. So vertheilt die gütige Natur ihrc Gaben! Dcw Einen gibt sie zu ess dcr jetzt ganz unbedeutend und kahl durch eine mit kleinen' Steinen bedeckte öde Fläche in dcr Mitte führt, rechts am Abhänge unter der Maul, 69 thicrsiraße. nach Spanien hin, so bekäme man nicht mir eine weit vortheilhaftcrc Ansicht des Ganzen — denn von untcn nnd oben hat man selten günstige Ansichten dcr Berge, von der hal-bcu Mitte ist immer der vorthcilhaftcsic Stand-pnnct — sondern die schnccgekwnten pios würden, ihre Höhe im klaren Wasser jetzt verdoppelnd, dann erst den magischen Effect vielleicht erreichen, den ihnen jetzt bloß die Freigebigkeit banaler Reisebcschrcibcr leiht. Ich rathc dcm Prascctcn dieses Departements, der, wie ich eben höre, kein Geringerer als der berühmte Verfasser der Campagne, in Rußland, Graf S«gnr, seyn soll, diesen Gedanken in Ueberlegung zu nehmen — nnd gelingt es ihm, ihn ausznführen, was ich als flüchtiges Beschauer nicht hinlänglich beurtheilen kann, was aber gcwift nm so wünschcnswerther ist, als eben an Seen die Pyrenäen den größten Mangel haben und hierin der Schweiz am meisten nachstehen — so wird er ein zweites Werk, oder 70 wenn cr der berühmte Sogur nicht ist, ciny erstes vollbracht haben, was ihm die Dankbarkeit Europa's zusichert. Ja, wäre cs nicht allzu kühn, ich möchte selbst wagen die Aufmerksamkeit des edlen Königs der Franzosen daranf zu richten, dem nichts unbedeutend erscheint, was znm Schmuck und zur Zierde seines Vaterland des dient. Obgleich die Ersteigung der Klöcbo clo Uu-lanä, die zu jeder Jahreszeit nicht ganz ohne Gefahr ist, in der jetzigen fast als halöbrcchcnd betrachtet wird, weil man ohne Weg auf mit Eis bedeckten Felsen hinaufklettern muß, so tonnte ich mich doch beim Anblick dieser steilen WänM nicht der Begierde enthalten, sie zu crklimmcnO dcnn das sind die Festungen, die wir Reisende erobern. Uebcrdies ist morgen mein Geburtstag, und welche schöne Erinnerung, ihn dort oben gefeiert zu haben, um so mehr, da das vortreffliche Wetter mich hoffen läßt, Spanien vom Gipsel der Krcclio zu überblicken, eine Gunst, TR die dies Gcbürge, selbst im Sommer, nur höchst selten gewährt. Ich beschloß also die Nacht, obgleich ich auch nicht das kleinste meiner vielen Bedürfnisse mit mir führte, in dem Wirthshaus zu Gavarny zu bleiben und am frühen Morgen das Abenteuer zu wagen. In die Schenke zurückgekehrt, war weine erste Sorge das Recept der vorgestern erlernten Kartossclzubcrcitung hier zu erproben, und mein Kochvcrsuch gelang auf das Vortrefflichste. Doch, ehe ich fortfahre, eine kleine Parenthese! Ich sage Dir vorher, daß die Recensenten sich diesmal über meine vielen Mahlzeiten gar nicht werden zufrieden geben können. Sage ihnen jedoch, daß diesen wiederholten Relationen eine tiefere Absicht zum Grunde liegt. Ich bin nicht nur Mitglied der geheimen Gesellschaft zur Verbreitung unschuldiger Bücher, sondern auch geheimes Mitglied der öffentlichen Gesellschaft zur Verbreitung nützlicher Kenntnisse, und da 72 cs mir an andrer Gelehrsamkeit mangels, so habc ich es übernommen: auf eine anmuchige Weise, wie mir absichtslos und ^n pa^nt, gesunde Ideen über vernünftiges Essen, worin nieine Landslcute noch etwas zurück sind, allgemeiner zu machen. Daher die häufigen Küchenzettel mid zuweilen sogar angehangenon Kochreccpte. Vergiß ja nicht, dk's bekannt zu machen! Also: äu mouwn ü'^«p3Znl>, nebst ein Paar Forellen, die man hier in frischer Butter rostet, was ihnen zwar einen ganz vcrschicduc», Geschmack von der bei uns üblichen Art der Znbc-rcituug gibt, aber dennoch als eine nicht minder Me Speise zu loben ist, befriedigten die Ansprüche meiner Gourmandise hinlänglich. Schlimmer war es mit dem Erwärmen bestellt. Die scheuncnartigc Etube mit vier Betten, welche fast den ganzen obern Stock einnahm, und in der eine pariser Iagdtapcte mit der hölzernen Decke, an der Rüben und Würste zum Trocknen aufgehangen waren, dcn sonderbarsten 73 Contrast bildete, war eiskalt wie cm Keller. Im Kamin abcr wagte man zu meinem Schrecken nur ein ganz kleines Feuer zu machen, weil cs — baufällig scy, wie man versicherte. Einer ziemlich charakteristischen Scene muß ich bei dieser Gelegenheit erwähnen. Ich hatte mich, um zu schreiben, in meine Mäntel gehüllt, und etwas 8»n8 i'^on, cs ist wahr, cm Kopfkissen aus dem einen Vett entnommen, um meine Füße darauf zu stellen. Kurz darauf kam die zum Schweigen schone und zum Verdruß stolze Tochter der Wirrhin, die cs bemerkte, mit einer Art groben Lcinwaudtcppich herauf, und zog stillschweigend das Kopfkissen unter meinen Füßen weg, um cs in diesen Teppich zu wickelu, worauf sie mir cs wieder hinlegte. „Monsieur," fstgse fte jc^t, Hil y a des gens aussi propres que vous, qui viennent ici, et qui n'aimeraient pas poser leur tote oü vous avez mis yos pieds. Nous fcrons tout pour vous contenter, Monsieur, mais il saut etre raisonable." 7^ Ich wollte im ersten Augenblick aufs hohe Pferd steigen, und, wie der Engländer die umgerannte schwangere Frau, auch das Kopfkissen auf meine Rechnung setzen lassen — das Wort raisonadlo aber traf mir das Gewissen. „Vou» 2V02 raison, ina könne," erwiederte ich, „)6 vou5 üemanäL Pgräon, et )S vou» roiuereio äo votis 2ttLntion." Soweit hatte ich mich also verständig selbst bezwungen, als ich aber nachher, um mich besser zu wärmen, in die Küche ging, wo dic Mutter meiner schnippischen Antagonisiin eben meinen Kaffee kochte, konnte ich mich doch nicht cnt-halrcn, eine sanfte Rache zu nehmen, indem ich das Mädchen, die ihrer Mutter außerordentlich glich, frug: ob sie beide Schwestern wären? Die Eitelkeit ist den Naturkiudcrn wie den Wcltkin-dcrn eigen, und sie antwortete sogleich sehr ärgerlich: ich müßte wohl sehr schwache Augen habn,, um nicht zu sehen, daß dies ihre Mutter wäre und keineswegs ihre Schwester seyn kbnne. „KK 75 bien, ma chere," fagtC id), „c'est une erreur, j'en conviens, mais ne vous facliez pas — il iaut t'tre raisonable!" Sie mochte nun meine Absicht besser vcr-sichcn, und dcn Topf vom Feuer nchmcnd meinte sie in sichtlich erheiterter Laune, ich sty ein i'^r-eour, dcr nur herunterkäme, um sie zu necken. Eic trug nun dcn Kaffee herauf, ich folgte ihr, und nachdem wir, wie die Diplomaten sagen, einmal die Präliminarien festgestellt, schlössen wir einen ewigen Frieden. «Wollen Sie im Vctt der Herzogin von Vcrry schlafen?" frug sie kurz darauf. „Allerdings," erwiederte ich verwundert, und nachdem ich mich erkundigt, was sie damit meine, crfubr ich, daß die Herzogin vor einigen Sommern hier gewesen sty, in diesem Bette rechts vom Kamin geschlafen, und mit ihrem frischen Muthe, gegen alle ihre Umgebung darauf bestanden habe, die bi^ko 60 Nolanä zu besteigen, wohin sie dann auch 4l) Fui6o8 abwechselnd geführt und getragen hätten. «Aber mor. 76 gen," setzte sie muthwillig hinzu, „nehmen Sie sich nur in Acht, nicht vom Eist hcrabzurutschcn, damit wir kein Unglück erleben." O dafür hat es gute Wcge, dachte ich, mein Stern behütet mich! und wenig Augenblicke darauf streckte ich die müden Glieder in der Frau Herzogin ganz gutem, aber gräßlich kaltem Vettc fröstelnd aus. Doch ehe ich einschlief, setzte noch die Hausmagd, die leibhaftige Maritorne des Cervantes, ein dickes, von plcbejcr Gesundheit strotzendes Wesen mit kupferrothcn Backen, hcrvorglotzcndcn Augen und einigen Linien Schmutz auf Gesicht und Kleidern, meine Geduld auf eine harte Probe. Dieses Mädchen verstand von dem, was man französisch zu ihr sprach, wenig; zu ihrem eignen Gebrauch aber hatte sie davon nichts als die Worte: Oui, Nlonzieui-, und Non, Monsieur, erlernt, die ihr daher bei jeder Gelegenheit aus-hclfcn mnßtcn. Zur Compensation sprach sie sic jedoch nicht, sondern sang sie jedesmal ab, 77 ungefähr mit dcr Modulation cincs Dorfküsicrs unter dcr Kanzel. Ich hatte sie gerufen, weil ich noch etwas notircn wollte, das mir früher entfallen war, wo sich denn folgcndcr knrzcr Dialog zwischen nns entspann: „^ppoi-tcx inoi, )6 V0U5 I>ri6, UN6 clianäeile et une lcuilie <1o „Oui, Monsieur." „Eh bien, allez done — m'avez vous com-pris, savcz vous ce que e'est que du papier?" „Non, Monsieur." „Voyez," sagtc id) gelassen, unb I^alf mtr mit ber Pantomime, „e'est pour ecrire. Me comprenez vous maintenant?" „Oui, Monsieur* „Mais irez vous done ensin le chercher?" „Non, Monsieur." „Sacre nom dun Dieu, que raille tonneres vous engloutissent, vous etes une insupportable creature 1" »Oui, Monsieur," nnd sie rührte sich nicht. 78 In Verzweiflung fuhr ich mit dem Kopf unter die Bettdecke und überließ ihr das Feld im Gefühl der vollkommensten Niederlage, cinc Empfindung, wie sie der Löwe haben mag, wenn er, wie man behauptet, vor einer Hottcntottin davon läuft, dic stillschweigend cin gewisses Kleidungsstück vor ihm aufhebt. Es war eine wahre Erleichterung, als ich sie endlich gehen horte, cinigc unverständliche Worte in ihrem pawis murmelnd, und nach hicsigcr Mode die Thüre auflassend, die ich fluchend selbst wieder zumachen mußte. Aber ich konnte mich, in mein Bett zurückgekehrt, weder vor dem eisigen Hauche in dieser Stube cnvärmcn, noch einschlafen. Erst spat fiel ich in ängstliche, verworrene Träume. Ich glaubte (und unbegreiflich ist es, wie Einem der Traum solche ganz bezuglose Dinge ins Gang-licnsystcm hcrcinpratticircn kann) in den Jahren 1750 — 60 zu leben und ein Graf zur 3.... zu seyn, cin junger Thunichtgut, ^ui la^äit jour- 79 nollomont deß 8ienno5. Deßhalb war ich denn, da dic Hofmeister mich nicht bändigen konnten, drei alten Anverwandten der Familie übergeben worden, dic mich aufs Acußcrste qnältcn. Der Crstc, eine lange, Hagcrc, verdrießliche Leidens-gestalt, reichte mir alle Augenblicke mit seinen krcbsschcercnartigcn Fingern ein Wiener Trankchen hin, und rief: Nimm es, mein Sohn, sonst wirst Du, gleich nur, cwig an Verstopfung des Unterleibs leiden. Und dazu brachte ihm ein Diener Austern, Caviar und Champagner, den er seufzend verzehrte, wahrend ich, vor Wuth lachend, mein Wiener Tränkchen hinuntcrwür-gen mußte. Der Zweite war noch schrecklicher, ciu grcu< licher Apostat, der heimlich ein Jude geworden war, mir zwar zu allen Thorheiten Geld borgte, aber mich zugleich zwang, die heterogensten Eft fccttn, als Ahnenbildcr, Klysticrsprützen, Gesangbücher u. s. w. als baarc Zahlung anzunehmen, und wenn die kurze Frist verflossen war, stets 80 durch Berechnungen vouProcentcn, und Proccntcn der Proccntc, Wechsel- und Agio-Kosten, mit noch Gott wcisi welchen Litaneien, das Doppelte von dem Geliehenen wieder verlangte, mir aber, wenn ich nicht zahlen würde, wie Shylok, ohne Erbarmen drohte, ein Stück Fleisch aus meinen Rippen zu schneiden. Am tollsten abcr marterte mich der Letzte, cm Dilettant dcr Theologie, mit einer langen Nase, grauem Rock und schwarzen Strümpfen, dcr mir Religionsunterricht ertheilte, mich täglich dreimal das unsinnigste Geschwätz beten licß, und nur mit dem gezwungnen Lesen der erbärmlichsten Erbauungsschriftcn nebst dem Auswendiglernen wahnsinniger geistlicher Lieder zuletzt das ganze Christenthum verleidete. So ging cs fort in immer vcrwirrtcrem Wirbel die ganze Nacht hindurch. Als ich erwachte, dampfte mir ein Iuscltlicht ins Gesicht, und das „stunschigc" Antlitz der grausamen Ma-ritornc glotzte mich an wie am vorigen Abend. 8-1 „Qu'cst ce < ", Noch nie habe ich mcincn Geburtstag so ä 1a Nc»^in8on l)i'u8o^' begonnen. Nicht einmal cinc Bürste hatte ich für meine Zähne, keinm Kamm für meine Haare als die Finger, geschweige denn irgend cinc andre Veqnemlichkeit. Ich klapperte noch vor Frost, als ich, Mari-tornc verdrießlich wegschiebend, aus dem Bette sprang, denn kcinc trauliche Flamme lcnchtete im Kamin, weil ich den ganzen Holzvorrath, der in wenigen nassen Knüppeln bestand, angeblich gestern verbraucht hatte. Gestern, wo, wenn drei solcher Prügel mühsam anglimmtcn, die Wirthin jedesmal in Ekstase ausrief: XK voilä 6" 8^ un ban lou? und dann, was mich unter andern Umständen nicht wenig belustigt haben würde, in Ermangelung eines Blasebalges, das Feuer, wie fanlc Pferde, mit Hui, Huil anzutreiben versuchte. Ich bin auch überzeugt, die Leute haben hier gar keinen Vcgriss von einem wirklichen Feuer, wie cs bei uns prasselnd und Fnn-kcn sprühend cmporwirbclt, und das Frieren ist ihnen bereits zur andern Natur geworden. Doch die Ertrcmc berühren sich, und statt des Feuers erwärmte ich mich damit, Gesicht und Hände in eiskaltes Wasser zu stecken. Alles geht am Ende und vollends mit Gewohnheit. Ich fange aber schon au, mich zu agucrrircu. So setzte ich denn meine Toilette fort, die in der cynischcn Weise, zu der ich mich gezwungen sah, in wenigen Secunden beendigt war (wobei ich eine leise Ahnung davon erhielt, daß die Un-rcinlichkeit sehr bequem seyn mag) uud forderte meine Rechnung. Neuer Verdruß! dcnn hier, wo ich cs gewiß am wenigsten erwartete, ward 85 ich, der Sache schon ganz entfremdet, von Neuem tüchtig geprellt, indem mau für das elende Nachtlager mit spärlicher Bewirthmig zwanzig Franken forderte. Doch warcn diese gntcn Leute wenigstens in der Sünde noch nicht ganz verhärtet, denn auf mcinc geäußerte Indignation modcrirtcn sie ein Drittheil der Rechnnng, und schoben das Uebrige grdßtcntheils auf das viele Holz! was ich verbrannt haben sollte. Mit wahrer Wehmuth sah ich beim Hinuntergehen meine beiden Führer in der Küche sitzen, mit Crampons, Stricken und Eisstäbcn bewaffnet, nnd nnn genöthigt nnvcrrichteten Geschäfts wieder damit abzuziehen. Scnfzcnd bestieg ich, in nasse Schleier gehüllt, mcincn Gaul, und trat, noch immer zögernd, den Nückwcg au. Hätte ick doch lieber meinem Stern vertraut, Kleinmüthiger, der ich war! und trotz Regcn und Nebel die Wallfahrt begonnen. Ehe zwei Stunden vergingen, war alles Trübe als Thau znv Erde zurückgekehrt und das schönste Wetter OS herrschte wie zuvor, wenn auch einige Wolken noch um der Berge Gipfel spicltcu. Doch wcnn ich wiederum bedachte, welche ungeheure Fatigue ich hatte erdulden müssen, da man bei den jetzigen Coujuncturen an 6 Stunden zum Hinauf- und Hcrabsicigcn braucht — ferner, welche wirkliche Gefahr ohne Zweifel damit verbunden gewesen ware, so tröstete ich mich endlich — denn unter andern muß man an einer ganz pcrpendicnlaircn Felswand von vielleicht 1000 Fusi Höhe auf cinem Riffe vorüberklcttcrn, das kaum einen Fuß Breite hat, und jetzt mit von oben hcrabgcstosseucm Eise schräg bedeckt ist. Hier angekommen, haut der erste Führer cm Loch ins Eis, setzt den Fuß hinein, haut ein zweites, und so fort bis cr am Ende ist. In diesen Lochern folgt der Reisende an der Hand des zweiten Führers, für den Nothfall mit einem Strick um den Leib geschlungen. Dieselbe Operation wiederholt sich iu andrer Gestalt sehr oft, denn es gibt keinen ausgctretncn Wcg nach der 67 Bresche, sondern man muß, nach Gutdünken die Richtung suchend, an dcn Felsen hinanllimmen, und wo Eis ist, must die Art von Ncucm dic-ncn. Das Allerschlimmsic aber besteht darin, dasi in dcm jetzigen Augenblicke dicscs Eis nicht einmal fest, sondern noch mürbe und unsicher ist; löst sich also während dem Einhancn vielleicht cine ganze Partie davon los, so ist man ohnc Möglichkeit der Rettung verloren. So wurde mir wenigstens erzählt, ob man übertrieben weiß ich nicht. Es scheint mir abcr unverzeihlich, daß man hier nicht längst cincn practi-cablcrn Weg für die Fremden gemacht hat. In der Schweiz wäre es gewiß längst geschehen. Ich tröstete mich also — sagte ich — wic die altcn Weiber mit dcm Gedanken: baß der Himmel dcn Frührcgcn erpreß geschickt habe, um mir das Halsbrcchcn zu ersparen. Und zuletzt war ja mein Hauptzweck auch nur gewesen, Spanien zu sehen, cinc Sache, dic bei der hcn-tigcn, wenn gleich schönen, doch wolkigen Wit- 88 tcrung dcnnoch immcr schr problematisch geblieben ware. Auf diese Weist raisonnirte ich mir bald cine bessere Stimmung an, mid legte dauu mit eben so viel Vergnügen als gestern, im ncngeschenk-tm Sonnenschein, den herrlichen Weg uach St. Sauvcur zurück. Die Gegenden, durch die er führt, sind meiner Meinung nach viel interessanter, als Alles, was das gerühmte Amphitheater bietet, wenigstens so wcit ich cs, von unten und vom pont 6o noi^o aus beurtheilen konnte. Gerade auf der engsten Stelle unsrer Straße begegneten wir, cbcn um cinc Ecke biegend, drei Reisenden zu Pferde, uud konnten nicht mehr bei ihnen vorbei kommen. Ihr Vordermann mustte absteigen so wie mcin Führer. Des Fremden Pferd ward mit Mühc umgedreht, und auf einen breiteren Punct an den Felsen ge-drängt. Demungcachtct hatte jede Partei noch, Noth ihren Weg fortzusetzen. Es waren drei bärtige, sonderbar in Wachstasst eingewickelte. 89 spanische Kaufleute mit sehr erotischen Physiognomien, welche diesen Anfenthalt verursachten. Die ganze Gruppe mitten im Chaos hätte cm hübsches Sujet für den Maler abgegeben. Obgleich es schon Mittag war, als wir uns wieder den sogenannten <5ckollc5 (wo, wie ich Dir früher schrieb, der junge Reisende verunglückte), näherten, so mußten wir doch oft im kalten Schatten reiten, weil die himmelhohen Verge die Sonne gänzlich deckten; ja in den grausen Abgründen, wo die Gave braust, gibt es wohl manche Stellen, die noch nie von ihr beschienen wurden, nnd die eben so wenig je ein menschlicher Fuß betreten hat. Da man nicht von St. Sauveur nach Cau-tcrctz über die Vcrgpässc anders als zu Fuß und höchst schwierig gelangen kann, muß mau nach Picrrcsittc, als der Spitze des Dreiecks, zurückfahren, und von da den Weg am andern Schenkel desselben in der Schlucht nach Cautcrctz, an der <3avo äe I^ctour ciuschlagen. 90 Wenn dicst beiden Gavcu als Zwillinge cr-schcincn, so sind die Thaler, in dcncn sic fließen, wenigstens Geschwister zu nennen; sich so ähnlich und doch so verschieden, beide aber von so gleicher Schönheit, dast es mir wenigstens unmöglich wäre, zu entscheiden, welches den Vor-zng verdiente. Großartiger sind die unmittelbaren steilen Ufer des Flusses in jener Schlucht die nach Luz führt; hier dagegen erfreut eine üppigere Vegetation, die Gruppen alter Nußbäume, welche die Straße einfassen, und die tcppichdichtc bunte Bedeckung der Verge, an deren Gipfeln hier zuerst Tannenwälder mit ihren schönen Schattirungcn des Laubholzcs erscheinen. Seltsamer auch sind die Formen der Pics, die das Thal von Cautcrctz einfassen. Der Weg selbst ist aber weit beschwerlicher, uud mehrere-mal so jähling und so lange Zeit steil ansteigend, daß ich grdßtcnthcils zn Fuß neben dem Wagen hergehen mußte. Ucbrigcns habe ich auf dieser Tour gelernt, daß man bei einem schweren fran- 91 zösischcn Cabriolet, durch die Alt darin zu sitzen, dem Pferde auf vicr Meilen gewiß so viel als cinc fünfte betragt, an Fatigue ersparen kann, im Gegensatz eines Kutschers, dcr ungeschickt sitzt. Es ist wesentlich, beim Hinabfahrcn sich so viel als möglich (wie man auch beim Reiten zu thun pflegt) zurückzubicgcn, beim Ansteigen hingegen alles Gewicht des Körpers nach vorn zu richten. Die Bäder zu Cantcrctz sind die stärksten in den Pyrenäen und zugleich die reichhaltigsten. Cäsar soll sie schon benutzt haben, wcßhalb Eins nach ihm benannt ist, ein Andres nach einem maurischen Könige, Eins nach der Konigin Marguerite u. s. w. Von einigen derselben, die sehr hoch an den Bergen liegen, hat man eine herrliche Aussicht, aber an Bequemlichkeit und Reinlichkeit fehlt es ihnen eben so sehr als denen vou St. Sauvcur. Ich kam zeitig genug an, um meiner Gewohnheit gemäß noch einige Promenaden zu machen. Ein allerliebstes Kind von 12 Jahren war mein Führer und ihr pawi8 erinnerte je-dcn Augenblick an die spanische Nachbarschaft. Sie hieß Leocadie, und der Vcrg, an dem wir hinanglimmten, ei kik üi I^Inoro. Welche schöne Namen! Ich fand hier einen sehr gnten Gasihof, aber ebenfalls nur für den Sommer eingerichtet; eine warme Stube ist kaum zu hoffen, und auch hier, so bald man etwas verlangt, heißt die Antwort gewohnlich: Im Sommer war alles das zn haben. So konnte ich mir nicht einmal Briefpapier anschaffen, nachdem das meinigc verbraucht war, und eben so wenig war eine Zeitung aufzutrcibcn, da keine mehr im Orte gehalten wurde. Diese Vadcplätzc müssen im Winter gleich eingeschneiten Dörfern seyn, deren Bewohner alle umgekommen sind. Schon jetzt im Herbst ist es nicht viel anders. Nur durch Zufall war die Wirthin noch anwesend, aber auch sie nur ganz allein. Sie mußte daher für WA die Dauer mcincs Aufenthalts einen Knecht und ein Mädchen miethen, die ebenfalls, sobald ich gehe, den Ort verlassen werden. Die Straßen sind völlig ode, und obgleich man überall auf den Mancrn mit ellenlangen Buchstaben, nach französischer Art geschrieben liest: 'I'l-aileui-, I^ikrgire, lieini^L«, (^Iiovaux ü louor u. s. W., so sieht man doch nur geschlossene Laden und verrammelte Thüren vor sich — nnd dcmungc? achtet ist jetzt noch cine Art 5ai80n, nämlich die dcr Vancrn, welche gleich dem Vieh hanfenwcis abgebrüht werden. Da sich Niemand um sie bekümmert, sie weder Aerzte znm Beistand haben, noch, wie ich selbst sah, die geringste Vorsicht gegen Erkältung anwenden, noch irgend einem Regime folgen, so glaube ich, vast mehr von dieser Vadccur sterben als genesen. Dieß Jahr ist dcr Zndrang besonders grosi, weil die abscheuliche Cholera leider schon bis ans einige Stunden Entfernung ans Spanien herangcdrnn-gen ist, und die Lcnte in ihrer Albernheit glan- 9» bcn: ihre berühmten Heilquellen müssen für Alles helfen! Was blieb mir nun noch übrig, als ich in den Gasihof zurückkehrte, um meinen Geburtstag zu feiern? Eine wohlverwandte Nachtwache. — Den nöthigen Holzstoß hattc ich mir glücklich verschafft. Als dieser angezündet war, fertigte ich mir nach englischem Recept (das ich dießmal, um die Recensenten zu schonen, für mich behalte) cine kunstreiche Bowle Orford-Punsch, füllte meine Cigarrenbüchsc, legte ein Vuch Papier zurccht, und — das Resultat liegt vor Dir — denn den größten Theil dieses Briefes schrieb ich bei Hahncnruf in jener Nacht. — Entspricht der Inhalt nur entfernt dem Reichthum des Stoffes, so wird er Dir wohl einige Stnndcn angenehm verkürzen können, und Dir jedenfalls beweisen, daß der treuste meiner Begleiter stets Dein Andenken ist. Herrmann. 95 Ttuöltter Vriek. An die Frau Fürstin von P... M.. - Tarb«s. den 2«. November 1834. Mit vieler Freude über Deine exemplarische Pünktlichkeit, liebe Lucie, erhielt ich gestern Abend schon die schnelle Antwort auf meine lange Bergpredigt. Und Du hast wirklich noch nicht genug daran? verlangst pcrcmtorisch noch mehr jcncr Schilderungen, die Dir, wie Du sagst, das Alltagsleben wüthiger tragen helfen! Nun wohlan! — cs wird mir nicht schwer werden. Dich zu befriedigen. Hier ist ein zweiter Theil, der dem ersten an Umfang nicht viel nachgeben wird, und 96 hat dieser Dich so lebhaft iutercssirt, darf ich cs ja vom andern nicht minder hoffen. Ich fahre also in meinen Auszügen unmittelbar da fort, wo ich das lchremal stehen blieb. Vorher aber must ich noch ein paar Worte über Landschaftsbcschreibnngcu überhaupt einschalten. Vicle literarischc Autoritäten haben sie ganz verpönt, selbst der für Naturschduheiten so empfänglich scheinende, liebenswürdige Okario« Quäler tadelt sie, und ruft aus: Uozcriplion «zue mo VLux tu? Alle solche allgemeine Aussprüche indessen gelten wenig. Verliert man sich in bloßem Pathos, so gebe ich zu, daß nichts verkehrter wirkt, versieht man aber das Vild der Natur so wiederzugeben, daß cs auf den Leser cinen ähnlichen Eindruck wie auf den Beschauer selbst zu machen im Stande ist, so braucht man sich nicht mehr nach der hergebrachten Ncgcl zu richten, sondern macht eine neue selbst. SU Cauteretz den 31. Otom cl'I^paZns und den I»o 6u (^ü>o zu besichtigen. Das Wetter war immer noch gut, obgleich sich der häßliche Freitag spüren ließ und den Himmel mit vielen Wolken überzogen hatte, welche oft die Sonne und noch öfter diesen oder jenen Berggipfel verhüllten. Doch paßte grade eine solche Beleuchtung vielleicht am besten zu dem Thale von I^rct. Diese furchtbare Wildmß, cm anfgethürmtcr Steinangcr, den die vom Vigncmalc hcrabkom-mcndc, noch unbändigere <^ln« üo Mareaägu mit wahrer Wuth zerwühlt, und fast alle hundert Schritte weit, in cincm mchr oder minder hohen Wasserfalle sich die Felsen herabstürzt — würde vielleicht zu grausenhaft erscheinen, wenn die Natur sie nicht zugleich auf allen Seiten mit einem Gewebe von hohen Tannen, Kiefern und niedrigen Vuchcn bedeckt hätte, die nach und nach 99 sich zu cincm dichten Walde vereinigen. Originell erscheinen in solcher Wüste die vielen eleganten Vadcctablissemcnts, die sich fast bis eine Stnnde von Cautcrctz immer noch einzeln fortsetzen, und erst ganz neuerlich hier, im Revier der Bären und Isards, errichtet worden sind. Der Contrast ist um so frappanter, da keine anderen, als um Maulthiercn und kleinen Vcrgklcppcrn zugänglichen Wege zu diesen Marmorwohnnngcn führen. Die Heilquellen scheinen in Wahrheit hier unerschöpflich zu seyn, und viele — unter andern die stärkste von allen, die ich von fern rauchen sah und welche in 5 Minuten ein Ei hart kocht — sind noch gar nicht berücksichtigt worden. Ich besuchte einige dieser zum Theil noch nicht völlig beendeten Anlagen, und fand sie dm älteren in Cautcrctz und St. Sauvcur weit vorzuziehen, hell, geräumig und rciulichcr. Daß auch bei ihnen der Marmor nicht mehr gespart wurde, als an den andern, braucht kaum gesagt zu werden, denn er ist hier so hausig wie bei uns der Sand. 7" 100 Das vul äo ^öi-et (die letzte Silbe wird fast verschlungen) ist zwischen den beiden Bergketten des Mounne und des Vigncmale eingeschlossen, die oft schr eng zusammenstoßen nnd außerordcnt? liä) schön und mannigfaltig geformte, in großer Höhe fortlaufende Felsencretcn bilden, an deren Spalten das Nadelholz, sich anklammernd, bis an ihre Gipfel dringt. Qner vor tritt zuletzt der hdchstc Pic des Vigncmale, 10,000 Fuß über dem Mccrc, dessen cwigc Gletscher sich bis an den I»c äs <^2uke herabziehen, wovon spater. Nach einer halben Stnndc des beschwerlichsten Weges kamen wir an einen romantischen Platz, der 1<2 i)a8 clo I'aurs gcuannt wird, weil vor einiger Zeit ein Bar hier, eine Fichte erkletternd, von ihr über den Abgrund der Gave an 40 Fuß weit anfs entgegengesetzte Ufer sprang, und sich so glücklich den ihn verfolgenden Jägern entzog. Eine zweite halbe Stunde weiter erreicht man die l^5cac!e äo Oöi-izct, eine der bedeutendsten der Pyrenäen, die freilich an Größe dcn schönsten lfti dcr Schweiz dennoch sehr nachsieht. Sie D ungefähr noch einmal so hoch und voll, ebenfalls in zwei Absätzen sich herabstürzend, als dcrKochcl-fall im Niesaigedürge. Um sie auf dem Vortheil? haftcstcn Puncte zu übersehen, muß man an den beiden Fallen ziemlich ein Dritthcil ihrer Höhc hinabkleltcrn, und wer keinen Schwindel zu fürchten hat, so daß er auf die äußerste Spitzc des dort befindlichen freien Fclscndorsprungs treten kann, wird in dcr That, nach nntcn wie nach oben, cincn außerordentlich schönen Anblick genießen, den weniger noch dcr Wasscrfall selbst, als die schauerlichen Formen dcr Felsen, dcr Blick in den kochenden Trichter hinab, und die malerische Umgebung uralter Tannen und grüner Mooöbettcn hier gewähren. Und wie ein durchsichtiges Thor, wic ciu von Edelsteinen aufgebauter Eingang znm Palast der Elfen, wölbt sich in den Mittagsstunden darüber ein Regenbogen, als sey cr fest auf dic Felsen an beiden Seiten gestützt. 102 ^ Achulichc Effecte sind bci Wasserfallen zwar häufig zu bemerken, doch in dieser vollkommenen Ausbildung und dccidirtcn Form erinnere ich mich nie cincn beobachtet zu haben. Der besondere Stand der Sonne, zwischen dunklen Wolken her-borstrahlcnd, mochte das Scinige dazu beitragen. Der Weg wurde nun für das Pferd fast uu-gangbar, uud fand sich übcrdcm an vielen Stellen mit Eis bedeckt. Ehe ich mich's versah, glitschte auch mciu Klepper aus und fiel; glücklicherweise an keiner gefährlichen Stelle, und mit Hülfe des Aspsiocks hielt ich mich auf dcn Beinen. Das Thier rührte sich uicht, und ließ sich, als ich mich von ihm losgemacht hatte, wic eine Mamsell vou dem Führer aufheben. Ich zog von nun an vor, zu Fuß zu gehen. In kurzer Zeit gelangten wir an den pont «I'l^^^no, eine gebrechliche Vrückc aus rohen Baumstämmen, ohnc Geländer über die Gave gelegt, die hier ebenfalls drei bcmerkcnswcrthc Wasserfalle bildet. Von dcr Vrückc führt ein Paß über dic Grenze nach An-agonicn, und ich fühlte cine große Versuchung diesen Weg einzuschlagen. Es kam mir gar zu hart an, daß meine wcitcrn Nciscplänc mich verhindern sollten, nicht einmal einen Blick in jcues ersehnte Land thun zu dürfen, an dessen Grenzen ich nun schon seit so vielen Tagen umherirre! Ich würde mich auch kaum überwunden haben, wenn mau mir nicht gesagt hätte, daß in der jctzigen Jahreszeit man oft mitten auf den Ucbcr-gangöbergcn plötzlich verschneit werde, und dann, weder vor- noch rückwärts könnend, wohl Wochen lang in einer elenden Hütte zubriugeu müße. Dies half mir mich zu resignircn. Nachdem wir die Wasserfalle und die wilde Gegend, die mehr als irgend eine den Titel der Wolfsschlucht verdiente, von allen Seiten betrachtet, und ich, zum Fuß des stärksten Falles mühsam hinabklettcrnd, dort ein Eisschwcrt von 3 Fuß Lange erbeutet, welches der Führer tragen mußte, bis es zerschmolz — machteu wir uns nach dem See auf den Weg. Wahrend dieses 104 Marsches hatte ich mm schon gute Gelegenheit, mir eine Vorstellung davon zu machen, wie schwierig die projcctirte Ersteigung der dri^Iio clo Holanä durch das mürbe Eis geworden seyn würde; denn obgleich die heutige Passage sehr ermüdend ist, so bietet sie doch im Sommer für cincn irgend rüstigen Fußgänger nicht viel mehr Gefahr als eine schlechte Treppe dar — ganz anders aber zeigte es sich heute, wo viele Stellen so beschaffen waren, daß wir nur mit der grbßtcn Vorsicht und Anstrengung, ohne Crampons, mit heiler Hant darüber hinweg kommen konnten. Auch ging es uns nicht besser als der kleinen Vergstute, wir fielen beide recht derb, und der Führer, trotz seiner spanischen Spartillcn, einer Art Gebürgspantosseln aus Hanf gedreht, mit denen man weit weniger dem Abgleiten ansgcsetzt ist, als in gewöhnlichen Schuhen und Stiefeln. Vci dieser Gelegenheit erzählte er mir, wie cr einst auf derselben Tour und in gleich ungünstiger Jahreszeit vier Engländer begleitet, die herauf. 105 wie cr sich ausdrückte, noch pafsabcl geklettert wären, hinunter aber, besonders als cs dämmerig ward, sich durchaus nicht mehr ihre Füßc zn gebrauchen getraut hätten. Zuletzt sey er gezwungen gewesen. Einen nach dem Andern aufzuladen nnd bis zum Vade Nailhi^rcs, unweit Cantcrctz, zn tragen, wo cr mit dem Letzten, halb todt vor Müdigkeit, erst um Mittcruacht angekommen sey, da cr so spät keiucn Gehülfen mehr habc bekommen können. Nach übcrsiandcncr Eisfahrt kamcn wir bei cincr ehrwürdigen, sieben bis achtarmigen Tanne vorbei, deren Aesic einen sehr weiten Naum einnahmen und mit Guirlanden von hellgrünem Moose wie zu einem Feste behängen schienen. Wir maßen den Stamm nnd fanden ihn 20 Zoll über der Erde, 23 Fuß einige Zoll im Umfange haltend. Es waren hier ohne Zweifel mehrere, ursprünglich dicht ncbcn einander aufgeschossene junge Vänmc spater in Einen zusammengewachsen, denn der Stamm erschien nicht rund, sondern 106 wie breit gedrückt. Wahrend wir ihn noch neugierig untersuchten, hörten wir einen Schnß, und sahcn über nns von den Klippen einen Isard herabstürzen, den in diesem Augenblick cin Alpen, jagcr erlegt hatte. Bald entdeckten wir diesen auch, wie cr seiner Vcutc eilig folgte. Dies war sür mich cin höchst angenehmes Ereignisi, da ich noch keines dieser Thiere bisher zu Gesicht bekommen konnte. Es ist eine Art Antilope, mit zwei krummen schwarzen Hörnern, unserm Rehe sthr ähnlich, nur stärker und gcwaudtcr. Mein Führer behauptete, Isards ans der Flucht über 30 Fuß weit springen gesehen zu haben. Ich machte, als der Jäger hinzu kam, sogleich einen Handel mit ihm, und kanftc ihm für acht Franken das Geweih nebst den zwei Quartiers, als den besten Braten, ab. Herz und Leber aber nahm ich sogleich für diesen Abend mit. Ziemlich müde erreichten wir endlich wohl cine Stunde spater den lae 6o (^ulio, den ansehnlichsten See der Pyrenäen. Dic Fischerhüttc t07 an scincm User sieht jetzt lccr. Nur im Sommer ist sic bcwohltt, und wir sandln nichts vor, als cincn großen Tisch ucbcn ihr im Freien aufgestellt, von cinem besondern Dache beschützt, und mit zwei zerbrochenen Glasern besetzt. Dies waren alle Bequemlichkeiten, die uns geboten wurden. Das Wasser dieses Sees ist so klar, daß man, obgleich seine Tieft in der Mitte auf 3N0 Fuß gcjchätzt wird, dennoch in seinem grün schimmernden Crystal! bis auf dcr> Grund hinabsehen kann. Hier ruht ein Chaos aus den Bergen hcrabgcschwcmmtcr Baume übereinander gcschleu, dcrt, durch deren ylcstc große Lachsforellen streichen» die einzigen Bewohner dieses eiskalten Reichs. Der See mag ungefähr eine halbe bis dreiviertel Stunden im Umfang haben, und ist von allen Seiten von hohen Felsen eingeschlossen. Gegenüber gewährt der Pic des Vigncmalc und seine blauen Gletscher cincn schönen Anblick. Die Gegend ist übrigens eine der ergiebigsten für las die Jagd der Isards, auch dcr Wölfe und Baren. Mein Führer hatte unterdessen dcu Frühstücks-kobcr ausgepackt. Wir setzten uns an die „takio cl'Iiüte," wie er den großen Tisch possierlich nannte, und da er einen weit weniger gesegneten Appetit als mein Begleiter auf dem Vergonce zu haben schien, so behielt er Zeit übrig, mir wahrend dcK Essens folgende sehr tragische Geschichte znm Besten zu geben — eine Begebenheit, die sich crsi im vorjährigen Sommer hier zugetragen hat. ") Mr. E. . . . hatte sich in England mit einem zärtlich geliebten Mädchen vermählt und nach dcr Hochzeit mit ihr die gewöhnliche Er-kenntmßtour angetreten. Der Reichthum ihrer Familien crlanbte ihnen diese so weit auszudehnen, a!s dcr Himmel blau, und ihre Laune rciftlusiig ") Nenn ich nicht ganz mit den Worten meines Führers nacherzähle, so haben mich da^u die später >O", sagtc der Führer: „das geben die Forst-bedienten nicht zu, denn das verweste Holz düngt den steinigen Vodcn zu neuer Saat, und es ist billig, daß, wer von fremdem Eigenthum etwas gebrauchen will, es bezahlt. Nun kauft man aber lieber frische als verfaulte Waare." 1«5 Dics ist gewiß sehr richtig, und mir siel so^ gleich dabci dic trostlose Aussicht für unsre Forsten, die wir dcr Regnliruug verdanken, wieder aufs Hcrz, und besonders ein hicher gehöriger Umstand, den ich in meinen Tutti Frutti ganz zu erwähnen vergessen habe, und daher jcht nachholen will. Es ist nämlich ganz unbestreitbar, daß, ich spreche auch hier immer nur von mcincr Provinz, da ich von dc» andern nicht a/nan unterrichtet bin, daß, sage ich, die allgemeine Negnlirnng dcr bäncrlichen Verhältnisse bei uns wohl die Vanern, aber keineswegs die Herren servitntenfrci macht, sie folglich selbst den einzigen Vortheil, den sie haben kann, das Eigenthum festzustellen, gar nicht zu erreichen im Stande ist. Denn fast durchgängig, und bei grdßern Besitzungen ohnc Ansnahmc, behalten die bäuerlichen Besitzer in den Forsten des Grundherrn die Strcngcrcchtigkeit, das Hütnngsrccht, die Be-fugniß dürres Holz zu lesen, abzubrechen, ja sogar auf vielen Gütern es mit der Art abzuhauen, 8^ 116 und meistens auch, wo sie noch vorhanden, Kienflocke zu roden, nicht selten mit einer wcitern, unentgeltlichen Lieferung des Gutsherrn au die Bauern von einigen Klaftern ausgesuchten Back-Holzes verbunden. Wo der Gutsbesitzer sich nicht entschließt, scincn Wald mit der Gemeinde zu theilen, und sie dadurch abzufinden, entgeht er den benannten Seroitnteu nicht, die früher blosie mitleidige Concessionen waren, für die er uun gestraft wird. Was aber die Ucberlassung eigenen Waldes an die Gemeinde für Folgen hat, sieht mau leider täglich. Die Gemeinde übt für sich fast immer die schlechteste Forstwirthschaft, da sie aber nun die Waldhammcr zu führen autorisirt ist, entschädigt sie sich desto ungeschcnter durch Dicbstahl im Wald des Herrn, wo natürlich, weil sie das gcstohlnc Holz mit ihrem Hammer bezeichnet, der Beweis eines solchen Frevels dreifach erschwert und meistens ganz unmöglich gemacht wird, wenn man den Schuldigen nicht en iterant cl^Iit ergreift. 117 Nnn sagt man uns zwar: das Gesetz erlaubt euch Gutsbesitzern ja auf Ablösung auch dieser Scrvitutcn anzutragen. Hier aber zeigt sich recht, welche Illusion diescs Gesetz ist, denn die bci uus obwaltenden Umstände machen dem Gutsbesitzer die Sache ganz unmöglich. Abgerechnet, daß er als Antragender, nach den Bestimmungen des Gesetzes, schou mehrfach im Nachtheil sieht, wird die Entschädigung jetzt nach dcm Wcrthe berechnet, den dic aufzuhebende Vergünstigung nicht für den Gutsherrn hat, sondern für den Bauer nach ganz willkürlicher Beurtheilung haben kann. Nnn nimmt die Behörde stets, obgleich höchst unrichtigerweise, an, daß der Bauer ohuc Leseholz und freie Streu gar nicht bestehen könne, wodurch diese Artikel in der Abschätzung so hinaufgeschraubt werden, daß bei jeder allgemeinen Ausciuandcrsetzung, wo der Gutsherr einen Antrag auf Ablösung der Forsi-scrvitntcn machen wollte, er gewiß nicht nur nichts mehr von seinen Hintersassen erhalten. N8 sondern ihnen noch schr viel hcrauszugcbcn haben würde, cin Fall, der sich jetzt buchstäblich in jener leidigen Herrschaft, die ich in dem ange-zogncn Vnche mchrcrcmal genannt habe, ereignet. Der Herr muß also sich fügen und sich die Servituteu gefallen lassen, was er auch jetzt, es ist wahr, in den meisten Fällen nur wenig empfindet, da noch Streu und Leseholz im Ucber-flnsi vorhanden sind. Aber was wird auch hicr die Folge später seyn? 1) Die Unmöglichkeit einer wahrhaft geregelten und rationellen Forsiwirthschaft ä 1a Pfeil, so wie dcr Veschützung des Waldes — denn wenn es auch zehnmal heisit: die Strcustccke, wie die zum Kicurodcn bestimmten, sollen vom Forsibeamtcn angewiesen werden, das Leseholz nur an bestimmten Tagen eingesammelt, das Vieh nur vom Gcmciudchirtcn gehütet werden u. s. w. — Jeder, der an Ort und Stelle lebt, weiß, daß ohne eine fortwährend disponible Compagnie Soldaten, 119 so ctwas in Forsten von vielcu Meilen Umfang, worin vielleicht zwanzig Gcmcindcn Rechte so mannigfacher Art auszuüben haben, gar nicht durchzuführen ist. Ebcn so erleichtert ihncn der Vorwand dieser Gerechtsame wiederum jeden Dicbstahl uugcmcin, denn vor Jemand, dem cs hundertmal des Jahres freisteht, mein Hans zu durchsuchen, werde ich mich schwer verwahren t'mnu'n. 2) gibt aber dieser Zustand der Dinge, der jedem Begriff von Eigenthum wahrhaft Hohn spricht (uud hier bewundrc man dic weift Vorsicht unsrer Peiniger, die gleich gewissen Inscctcn ihre Eier in die lebendige Naupc legen, damit ihre Nachkommenschaft sic beim Auskriechcn gleich fressen kann), dic ganz sichere Aussicht für dic Zukunft, daß, wenn einst theils durch unmittelbare Verwüstung, theils durch gehinderte Cultur der Forsten, das Holz weit seltner uud kostbarer geworden styu wird — einc ncu cA b- 120 lösung nothwendig stattfinden muß, und zwar eben dieser Forstservituteu, der?u VNU8 dann aber ganz allein die Gutsherren treffen wird, nnd ohne Zweifel denen unter ihncn, wclchc beim ersten Erdbeben noch stehen geblieben sind, den Gnadenstoß gcben wird. Bei dcr unendlichen Dauer des Geschäftsganges in diesem Fache dürfen daher auch' die jetzigen Commissarien, ohne zn sanguinisch zu seyn, sich gar wohl dcr Hoffnung hingeben, daß, wenn bei ihrem Todc auch die schwebenden Ne-gnlirungen wirklich ziemlich vollendet seyn sollten (was kaum anzunehmen ist), doch jedenfalls ihrc Kinder und Kiudcskindcr noch an dieser zweiten, von mir prophczcihtcn und von ihrem ersten Erzeuger schlau vorbereiteten neuen Periode gar gute und fette Nahrung finden muffen. Doch — es ist Unrecht, sich von allen den Sorgen der Hcimath bis hichcr verfolgen zu lassen, und ich glaube wahrlich, nur dcr fatalen 121 Erinnerung ist es zuzuschreiben, daß ich den ganzen folgenden Tag, den 1st«» November, an cincr abscheulichen galligen Migraine litt, in der mich jedoch mein hiesiger weiblicher Kammerdiener mit der zartesten Sorgfalt pflegte. Es war ein junonisches Frauenzimmer, dic erst vor drei Monaten cs ausgcschlagcn hatte, einen Priester als Gouvernante nach Algier zn begleiten. Da sie nun erfuhr, daß ich nach demselben Orte wallfahrte, machte mich das ihr besonders interessant, und ich weiß nicht, ob ich mir zu viel schmeichle, aber ich glaube, hätte mich gleichfalls eine gute Pfarre dort erwartet, sie wäre diesmal mitgegangen. Als dcr Schmerz etwas nachließ, wünschte ich etwas zum Lesen zn finden. Man suchte im ganzen Hause nach und entdeckte endlich, schmählich angerissen, den Robinson Crnsoi>, dessen ich mich zwar in Gaoarny neulich erinnert. 122 der mir aber in nawra ftit meinem siebenten Jahre (wo ich mich in eine Holzkammcr sperren licß, um seine Rolle auf der wüsten Inscl nach-zuspielen) nicht wieder vor Augen gekommen war. Er unterhielt mich indeß so gut, daß ich die halbe Nacht darüber zubrachte. Gewiß ist dieser Roman einer der wenigen, die mit dem Don Qnirotte, Gil Vlas, Tom Jones, Gargantua und einigen andern auf den so gemißbranchtcn Namen „Original - Romane" wirklich Anspruch machen können, wenn gleich ihr respective Werth immer noch himmelweit verschieden bleibt. !23 Argeleö bcn 2»", Es isi unglaublich, wic schnell sich das Clima audcrt, wenn man von Cantcrctz wieder nach dem Tcmpc von Argeles hcrabstcigt, obgleich die Verschiedenheit der Höhe beider Ortc nicht sehr groß isi. Schmeichelnd laue Lüfte empfingen mich wieder in diesem paradiesischen Thalc, und ich war fast verwundert, um 5 Uhr noch die Sonne am Himmel zu sehen. Es war ein Tag wic mitten im Sommer. Viele Wiesen hatte man cbm erst zum letztenmal gemäht und der frische Hcnsscruch erfüllte angenehm die ganzc Atmosphäre. l24 Als ich bci meinem früheren Wirthe abgestiegen war, und, mich am Untergang der Sonne weidend, mit ihm umherging, zeigte cr mir nahe an der Stadt ein alterthümlichcs, mit Epheu dicht beranktes Schlößchen, im Styl der Zeit Heinrichs des Vierten erbaut, mit einigen hohen Kastanien und einem großen Weingarten rund umher, das zu verkaufen ist und zwar für nicht mehr als 12 bis 15000 Franken. Die Lage ist die vorthcilhaftcste, die man nur wünschen kann, um alle Schönheiten des Thales zu übersehen, während die minder vorthcilhaftcn Stellen desselben sthr glücklich gedeckt sind. Gleich vorn am Fuß dcr Anhöhe, auf der das Schlößchen erbaut ist, erblickt man cinc alte Kirche, die heute mit huudcrt bunten Kirchgängcrn siassirt war; dic Abtei von St. Savin mit ihren bewaldeten Hügeln und ihren Capcllcn crhcbt sich im Mittelgrunde, hinter ihr verfolgt man die Gorgcn von Luz und Azun bis in weite Fcrnc unter weißen Schneegipfcln; rechts deckt 125 Eichwald die Verge, an dcncn amphithcatralisch Argcles emporsteigt, und ein nackter, dunkler Felsen krönt den Wald. Links im Thal abcr brcickt sich die mit Bosquets durchzogene, vom (^3ve äe ?au durchströmte Wicscnsiächc mit ihrer gegenüber liegenden Einfassung von Bergen aus, die bis an ihr Haupt theils bebaut, theils mit Rhododendron bedeckt sind. Man vereinige hie-mit das mildcstc Clima m dcn Pyrenäen, und unerschöpfliche Gelegenheit zu Ausflügen nach allen Seiten in jahrelanger Abwechslung — und man wird einsehen, daß es schwer möglich ist, ein wünschcnswerthcrcs Vesitzthnm zn erlangen, wer nämlich für dergleichen Sinn hat, denn freilich das Haus ist halb verfallen und leer, auf Einkünfte vom Grundstück ist auch nicht zu rechnen; im Gegentheil die doppelte Ankaufs-summe müßte wenigstens noch darauf verwendet werden, abcr dann könnte unter geschmackvoller und künstlicher Leitung anch ein wahres Inwcl erlangt werden — vcrhältnißmaßig immer für ein 426 Spottgcld, das Einen beglücken und Tausende anf lange Zeiten erfreuen würde. Ich hoffe, liebe Lucie, daß ich Dir jetzt Lust gemacht habe, cs künftiges Frühjahr selbst zu besichtigen. Ich suche passende Stellen aus. Dir aber bleibt die letzte Wahl. 12? Den 3 ! ! ». Die unbeschreiblich schone Gcgcnd läßt mich nicht fort, obgleich ich nun schon statt vier Tagen, die ich zncrst den Pyrenäen nur im Fluge widmen wollte, bereits gcgcn vierzehn darin zubringe. Nachdem ich früh noch einmal unser Schloß untersucht, mich ganz als scincn Herrn gedacht, uud den vollständigen Plan des neuen Ausbaus, der nöthigen Zusätze und der Anlage der Gärten zu meiner Zufriedenheit beendigt hatte — miethete ich Pferd und Führer, um uach dem Thal von Azun und der l^apoNo ä« ?0nc/zu wallfahrten. 128 Nur hier kaun man Spazierritte machen, wo man drci Stunden weit, so zn sagen, in jcdcr Minnte cin ncucs ganz verschiedenes Landschaftsbild, wie in cincm großen Geister-Guckkasten, vor sich aufrollen sieht. Der Wcg, dcr zum Fahren nnr grade möglich, zum Reiten aber schr bequem ist, führt gleich im Anfang sehr steil von Argcles dic Berge hinan, grdßtcntheils von enormen Kasta-nienbäumcn, dic größten, die ich bisher noch gesehen, beschattet. Vis jetzt sind cs immer noch sich an einander reihende Ansichten des Thals von Argclcs mit dcr Schlucht von Luz, und den höheren Bergen, die nach und nach hinter ihr hervortreten, welche sich zwischen den Vaum-gruppcn zeigen; auf dcr Hohe angelangt, ungefähr 600 Fuß senkrecht über dcr (^vo ä'Hnun -) *) Ich hätte schon lange erläutern sollen, daß <^avo einen Waldstrom bedeutet, weshalb alle Wergwässer so genannt und nur durch den angehängten Namen eines Ortes, bei dem si« v^rüberfließen, unterschieden werden. 129 erblickt man zuerst das wunderschöne, jetzt mit Schnee ganz bedeckte Fclsgcbirgc, Welches das Thal von Azun schließt. Obgleich dies von mm an nothwendig den Hauptzng im Gemälde bilden mnsi, so zeigt es sich doch in so hundertfach abwechselnder Stellung und Umgebnng, daß man cs oft kaum für dasselbe wiederzuerkennen im Stande ist. Bei dem Dorfe Arras, das seiner Pferdezucht wegen einigen Nuf erlangt hat, stehen unter Nußbaumcn dic umfangreichen Ruinen eines alten Nittcrschlosscs (ebenfalls zu verkaufen), iu dessen Hofe ich mit Verwunderung einen hohen, runden Thurm ohne Eingang, ganz denen von mir in der Grafschaft Wicklow beschriebenen gleich, auffand. Vielleicht waren hier und dort die Tempelherren Erbauer dieser Thürme. Weiterhin in dcr Mittc ebner Wlcsen, dic gleich dem schönsten englischen Parke grnppirt sind, und an cincu Eichwald sich anschließen, dcr bis auf die Hälfte der hohen Felswand hiuansieigt, Cemilasso. M. 9 130 welche das Vcsitztbum wohlthatig gegen Norden schützt, liegt eine Meierei. Sie trägt gleichfalls das Gepräge des Alterthums, halb in einem Gewebe von Wcinblattcrn versteckt, welche hier großen Bäumen anzugehören scheinen. Man zieht nämlich in hiesiger Gegend die Wcinsidckc an Eschen, süßen Kirsch- und andern höhcrn Vaum-artcu empor, und stutzt dann die Väume jährlich so viel ein als nöthig ist, um dem Weine ungestörten Raum zum Wachsen zu geben, ohne daß er jedoch die lebendige Stütze ganz todten kann. Dies bildet zuletzt völlige Wein-Bäume, und die sich an dcn Stammen hinanwindcndcn Reben gleichen ihnen manchmal fast an Dicke. Der Parkoman spukte auch hier wicdcr in mir. Ich konnte dcn Gedanken nicht los werden, welche herrliche Aufgabe cs wäre: diese Schloß-ruinc, Meierei, Wiesen und Wald, worin auch einige kleinere Vcrgbächc nicht fehlen, mit dcn ungeheuren Fclstu im Hintergründe in ein großes Ganze zu vereinigen und am passenden. 131 Ott noch mit cincm stattlichen Wohnsitze zn vcr^ mehren. Ich widerspreche hier zwar gewissermaßen den von cincm meiner guten Freunde in seinem Gartenwelk anfgcsiclltcn Meinungen, zn denen ich mich sonst sehr bekenne; aber es gibt überall Ausnahmen, und da der Charakter dieses Thals, obschon mitten im Gcbürgc, doch keineswegs Wildniß, sondern bei aller Erhabenheit vielmehr lachender Anbau ist, so ließc sich hier im Einzclnc-u immer noch ein durch dic Kunst höhcr gesteigerter Natnrflcck denken, der die Harmonie mit seiner Umgebung nicht störte, und dennoch dem Ganzen einen noch größeren Reichthum verliehe. Der Himmel blieb heute ganz ohne Sonne und znm Theil mit schwarzen Wolken bedeckt — dic jedoch glücklicherweise sehr hoch zogen. Doch auch dieser schwcrmüthigc Schleier, dieser vom blässesten Gran bis ins dunkelste Schwarz schattirtc Himmel war nicht ohne Reiz. Einen sonderbaren Effect machte in der Ferne ein ganz 8'' 132 dunkelviolctt erscheinender Bergrücken ohne Baum noch Strauch, dcr prachtvoll gegen dic hinter ihm stehenden Schnccgipfcl abstach. Es war theils seine Lage gegen die Beleuchtung, theils cin dickt ihn bedeckendes Heidekraut, was diese, ohne Sonne gewiß seltene, Wirkung hervorbrachte. Vor dem Flecken Aucun ist noch cin sehr günstiger Punkt, welcher Erwähnung verdient. Man steigt hier an ciucm jähen Präcipice hinab, an dessen Fusi die Gave, von einem hohcn Laub-gcwdlbe verdeckt, wilder als im übrigen Thale, über zerstreute Fclsblockc rauscht. An ihrem jenseitigen Uftr, wohin cinc jener malerischen Brücken führt, die nur den Gebürgcn eigenthümlich sind, erhebt sich cin einzelner, ebenfalls mit hohen Bäumen rcick bewachsener Kcgcl, der, grade in dcr Mitte des Thales stehend, die unzähligen Wohnungen, Garten, Felder und ab, gegrcnztcn Gegenstände aller Art, die es umschließt, alle mit Einem Blicke umfassen läßt. Von hier erblickt mau auch znerst die Capelle 133 von Poncy dicht unter der großen Gebürgsgruppe, welche die spanische Grenze bildet. Das Thal breitet sich hier in einen breitcrn Kessel ans, nnd sein Boden, glatt und eben wie gewalzt, prangl an dieser Stelle in seiner allcrüppigsicn Fruchtbarkeit. Fruchtbarkeit und malerische Schönheit gehen zwar keineswegs immer Hand in Hand. Den Pyrenäcnthalern aber gibt cbcn die Vereinigung beider unbestreitbar den eigenthümlichen Charakter. So hoch nur Wachsthum möglich ist, steigt die Cultur an den Bergen hinan, die verschiedncn Grundstücke in lanter kleine Befriedigungen und Gruppen getheilt, nnd findet oben unveränderlich die kahlen Felscnspitzen, die den schützenden Rand bilden, welcher dicse Frucht- und Blumenkörbe einfaßt. Wie belcbt aber wird nun noch dic Landschaft durch die uuzahligen Heerdeu des bald einzeln bald truppweise weidenden Rindviehs, dcr Pferdc, Schafe oder Ziege,«. Die Letzten sind die ergötzlichsten, und oft, wenn ich so einen 134 recht alten, schwarzen Ziegcnbock mit ellenlangem Vart hinter einem Dornstrauch aufrecht sichcn sah, wie er ernsthaft und bedächtig Beeren ablas, habe ich ihn im ersten Augenblicke für einen frommen Einsiedler, odcr einen reisenden Vettel-mönch gehalten. Durch diese Fülle der Harden ohnc Zweifel angelockt, fehlt es, wie ich höre, auch au Wölfen nicht, obgleich sie nicht mehr so häufig in dcn Pyrenäen sind, als zu den Zeiten meines aufgefrischten Bekannten Robinson Crusoe, der, wie ich in Caurcretz las, ans scincr Reise aus Spanien nach Frankreich, von 3W dcrscl-bcn hier angefallen wurde, die bataillonswcisc und ganz militärisch geordnet ihn und seinen tapfern Freitag angriffen, zum Ucbcrflnß noch durch einige Baren, als schwere Cavalleric, unterstützt. H NDie ^Ilnpello dcr im Schatten cines Eichwaldchens mit ausgc- 145 zognem Rockc Mittagsruhe hiclt. Er haltt sein großes Vret mit den vielen weißen und bunten Figuren neben sich in den Nasen gestellt. Ich wurde dieser kleinen Leute zuerst ansichtig und erschrak fast davor ^- so natürlich glichen sie. einer Elfengruppe, die hier im Verborgnen tafelte, oder sonst cin gcheminisivollcs Fest feierte. Es war wirtlich cin allerliebster Anblick, und ich hütete mich wohl, den Schläfer zu wecken, damit er mir nicht den Traum verscheuche. Nun cramimrte ich die Figürchen mit Muße, und welche sonderbare Gesellschaft fand ich da versammelt! Venus und die Jungfrau Maria, Rossini und ein grüner Papagai, unser Herr Christus am Kreuze und der sterbende Fechter, Seine Heiligkeit Papst Pius der Siebente und der Vllsso Lablachc. Umgeben waren diese Hauptpersonen von mehreren Thieren, und sämmtlichen grotesk bemalten Carnkaturcn der italiänischen Comodic. Die Letzteren hätte ich gcrn gekauft, wenn ich sie fortzubringen gewußt, doch um dem Semilasso. III. 10 Eigenthümer, dcr in einen Zauberschlaf versunken schicn, dic gehabte Freude wenigstens in etwas zu vergelten, legte ich, gleich einem Heiligenschein, ein Fünsfrankensiück auf des Papstes heiliges Haupt, und ritt, ohne Zweifel von ihm gesegnet, langsam weiter. Ich würde mich wiederholen, wenn ich Dir beschreiben wollte, welche neue Schätze dcr Reichthum der Gegend mir auch heute wieder auf-schlosi. Nur im Gebürgc wird cs begreiflich, wie die gcriugsie Drtsvcrandcrung, cinc bloße Wendung oft, als wäre Magie im Spiele, Dich in cine ganz andere Welt versetzen kann. Als merkwürdig fiel cs mir dagegen anf, daß in diesem, alle landschaftlichen Schönheiten erschöpfenden Aufenthalt, dcr Sinn der Menschen dem Aesiherischen gänzlich vcrschlossen scheint, und so gutartig sie sind, sie doch dnrchaus dcr Nutzen allein anzieht und bewegt. Ja, wäre die Natur nicht so unverwüstlich reich, sie würden sie mühsam verderben, und cs ist für das Interesse dcr t4? Landschaft (ich meine diesmal weder dic Märkische noch die Schlesischc noch die General-Landschaft) cin wahres Glück, daß die Obstbaumc, Kastanien, Nußbäumc und Eichen ihrer Früchte wegen gepflegt nnd intact gelassen werden, sonst wäre es um cinc Hauptschonheit der Pyrenäen geschehen, denn alle andern Bänmc ohne Ausnahme werden anf das Grausamste jährlich belaubt und verunstaltet. Man ist in Frankreich anf dem Lande sehr freigebig mit dem Namen: Schloß. Fast jedes Landhäuschcn wird cin ckälvau, und jede Vancrn-hütte 1a M2l80n tl'un partieuliei' getauft. Die Schlösser jedoch, welche ich heute besah, konnten hinsichtlich ihres Umfangs zur Noth dafür pas-siren, aber von ihrem Innern und der äußern Erscheinung ihrer Herrschaften würden sich mcinc Landsleutc schwerlich eine Vorstellung machell können. Deutsch gesagt: es wareu vollkommene Schweinsiallc, und die Bewohner, von Schmutz strotzend, im gräßlichsten Neglig<5, dem Aussehen ihrer Paläste ganz analog. 10" 148 Auf dcn Diclcn der Stuben ware, mit einiger Cultur, gcwiß Grassaamcn besser aufgegangen als auf einem Potsdamer Voulingrin; kein Plafond war zu finden, der etwas mehr als mit Spinnengcweben versehene, schwarz geräucherte Balken gezeigt hatte; Meublcs, wie sie nnr ein Bettler duldet; Hühner, Tauben, ja Schweine und Ferkel, welche die Zimmer in friedlicher Ein? tracht mit der Familie benutzten; neben der Hansthür der allgemeine ..... unter freiem Himmel — nein, es ging wirklich über alle Beschreibung! Dabei war anch nicht eine entfernte Spur von Comfort zu entdecken, keine Anstalt, das Paradies rund umher bequemer zu genießen, keine Laube, kein Baum mit einer Vank, und, den Gemüsegarten ncbsi dem vergor ausgenommen, anch nicht das kleinste Plätzchen, das nnr ahnen ließe, den Besitzern sey je cin Gedanke von verfeinertem Lcbensgennß durch den Kopf gegangen. Und das sind nicht etwa Vaueru oder 54H Verarmte. O nein, sehr rcputirliche und gc-dildetc Leute, mit allen Formen guter Gesellschaft, Lcutc mit oft mehr als hundcrttansend Franken Vermögen, dic, wenn Du sie in Paris, oder bei cincr 5o des Herrn Sons-Prafeltcn anträfst. Dir vielleicht selbst an Eleganz nicht nachstehen würden — aber in ihr tauäi» zurückgekehrt leben sie so, werden sie Cyniker und Dünger ihrer Felder clang touto la lorco än ternio, kl»rz Men? schcn, dic nicht,lur in äschctischcr Hinsicht, sondern selbst in dem, was wir als unumgänglich am ständig, ja rechtlich ansehen, weit unter unsern nur irgend ihr spärliches Auskommen habenden Bauern stehen. Welcher Unterschied zeigt sich aber vollends hier zwischen Engländern und Franzosen! Tag und Nacht sichcn sich nicht ferner. Was würdc aus diesem Thale von Argelcs gemacht werden, wenn cs in England läge! Es würdc dic Tranmc dor kühnsten Dichter überflügeln, »« iar l»5 improveinoM AOL«. Nichts konnte possierlicher seyn, als dic Art, 150 wie diese H.crrcn, mich in ihren Schlössern herumführend, selbst die Beschreibung und Apologie davon übernahmen. „Voilä, Monsieur, sagte ber Q'lttif une belle enfilade de pieces au premier, mais prencz #arde de ne pas avancer jusqu* ä Ia senetre . ♦ , ♦ ces planches la ne sont pas tout ä fait solides." In dcr That war das halbe Appartement nur mit ungehobelten Brctcrn bclcgt, die lose auf den Valkcn balancirten, nnd überall dic Aussicht in das darunter befindliche rc2 tlo c^2U88«« eröffneten. ,,(!ooi, Vlonsioni', fnhr er fort, «ervergit, ä uno 82ilo üo I)2l." Der Rauch hatte die kahlen Wände schwarz gefärbt, und in der Mitte lag ein Haufen Maiösiroh, auf dem sich, on attcnäant lo bai, drci Ferkel mit ihrcr Frau Mutter umhersiclten. »Tlemarquez, Monsieur, t)ic|3 Cß fevncv, la commodity de celte salle ä manger« Vous voyez la cave et le gardemangei' sont tout k cote!" S5ctS t>CV? schosscnc Papier hing wie Lappen von den Wäu? den, und auf dem Esitische stand ein Waschfafi 151 mit schmutzigem Wasser gefüllt, in dem cmige nichts weniger als appetitliche Tücher schwammen ; im gÄräeinlmALi- aber nisteten einige Hühner, nnd nach dem Gernch zu urtheilen, hatte ich keineswegs Lust den Keller zu untersuchen, ,,^'ost c« P35, UonziLlir, frng der Hausherr, o'o8t UN »Monsieur, c'est magnisitjue -, cnuic&crtc id), ma is un peu neglige cependantj il me semble." »Ah, !. Einc heftige Migraine und drci Tage Rcg^n habcn mir Zeit zum Ausruhen und zum Schreiben gegeben. Heute früh erst entschloß ich mich meinen Stab weiter zu setzen. Wahrlich, in diesem Lande zu reisen ist eine unendliche Wonne! Welche Tour man auch einschlage, man wird immer die köstlichste Spazierfahrt finden, immer etwas Neues, Unerwartetes scheu. Ein Tag enthält die Erinnerungen eines Monats, und oft überrasche ich mich unterwegs auf minutenlangen lauten Selbstgesprächen, die mir die Freude meines Herzens auspreßt. 155 Ich verließ Argclcs bei warmer, abcr noch etwas bedeckter Witterung um 9 Uhr früh. Nach einer halben Stunde bemerkte ich eine Ruine, den Thurm von Vidalos genannt, die ich bei meiner Herkunft von Lourdcs aus zwar gesehen, abcr nicht berücksichtigt hatte. Man darf abcr hier nichts übersehen. Jetzt bestieg ich den isolirtcn Hügel, auf dem sie liegt, und ward von einer Aussicht überrascht, welche selbst die von Vcauceur und Remircmont noch übertraf. Der auf der Spitze stehende Thurm ist aus der Romcrzeit und so fest, daß selbst die Versuche ihn gewaltsam cinzurcißcn, um die Steine weiter zu gebrauchen, wovon man die Spuren vielfach bemerkt, groß-tcnthcils gescheitert sind. Ein Weingarten nimmt die eine Seite des Hügels ein, die übrigen sind mit hohen Kastanien- und Nusibäumcn bedeckt. Die Lage ist herrlich, doch die Ruine, im Vergleich mit Veauccur, nnr unbedeutend. Da ich Dir früher den Weg zwischen Lourdcs und Argcles beschrieben, so übergehe ich ihn heute 156 mit Stillschweigen. Mir selbst jedoch schmälerte die Bekanntschaft damit keineswegs den Genuß, nur daß er anderer Art war. Weniger Ucher-raschung, aber desto mehr Approfoudirung des Einzelnen, Hu! l»it cluror le piaizir. Nachdem man Lonrdes passirt hat, bietet sich auf der Hohe hinter der Stadt wieder einer jener Puncte dar, von denen man sich nicht losreißen kann. Das fesnmgsartige Casiell von Lourdcs steht hier ganz frei vor Dir im Mittelgrund; im Halbkreise reiht sich zum letztenmal das erhabene Amphitheater des hohen Gcbürges um Dich her, und rechts wie link's blickst Du in zwei weithiu sich dehnende Thäler mit lachenden Fluren. In das zur Rechten, welches nach Pau führt, sieigst Du nun hinab, und betrittst bei einer reizend gelegenen Villa eine völlig neue Natur. Du befindest Dich in einem Wicsenthal, wo die Gave, jetzt kein reißender Waldbach mehr, sondern ein bedeutender Flust von schöner stahlgrüner Farbe, in geregeltem Vette ruhig dahin strömt. Auf 157 beiden Seiten begrenzt ihn cin geschlossener Eichen, wald, der einige Stunden lang andauert. Auf der einen bedeckt er eine Hügclrcihc, wo ihn zuweilen Viehweiden und Wicsen unterbrechen; auf der andern steigt er gegen 000 Fnsi hoch terrassenförmig an einer hohen Bergkette hinanf, deren Formen jedoch immer gerundeter und sanfter werden, nicht mehr so schroff gezackte Linien wie im Innern des Gebürgcs bilden. Das Farbcnspicl dicscv Bcrgc übcr dem Walde war einzig! Der höchste, ich weist nicht, mit welchem Gesträuch bedeckt, erschien ganz dunkelroth, cin anderer schwarzblau, ein dritter gelb von Ginster, ein vierter vom saftigsten Hellgrün mit weidenden Hecrdcn bis an seinen Gipfel bedeckt. Wohnungen zeigten sich hier lange Zeit gar nicht; nichts störte diese herrliche Einsamkeit, als etwa cm Reiter, den man auf einer der Waldtcrrassen von fern durch die Banmc bald hervorkommen, bald wieder verschwinden sah, oder einige Manlthierc, die mit ihren, in die braune <^>o äo U^i-n ge- 138 wickelten Führern, auf dcr Straße langsam vorbeizogen. Endlich erreicht mall das altcrchümliche St. P<5, hinter dem sich die Straße jähling nach Pau wendet. Die Pyrcnäcnkettc, in gerader Richtung fottlanfend, entzieht sich nach und nach dem Auge, dcr Wald hört auf, und reich bebaute Oolcaux schließen von nun an rechts und links die Gave und den Weg ein. Dcr Blick nach vorn wird immcr freier, und an dem sich zwischen einzeln zerstreuten Hügeln tiefer senkenden Himmel wird man gewahr, daß man sich wieder dcr Ebne nähert. Dieser Anblick überraschte mich heute mit cincm süßen Gefühle, ähnlich vielleicht den Empfindungen, die das Herz des aus den Stürmen des Lebens zurückkehrenden Erdwallels bewegen, wenn ihm am Ende des rauhen Pfades dcr friedliche Hccrd seines Hauses wieder zu sanfter Ruhe winkt. Und doch — nach ihrem kurzen Genuß, verlangt er von Neuem hinaus -> denn das Leben will Abwechslung. Ein altes, jetzt halb verfallenes, einst prachti? 159 gcs Kloster nut ciucr pittoresken Brücke, cincr schlechten Statue der heiligen Jungfrau und cincr Kirchcnfa^ade aus polirtcm Marmor, ist gewissermaßen die letzte Station des Gcbürgcs. Zu dem hier befindlichen Calvaricnbcrgc, dessen Götze sonst wahrscheinlich Wunder that, wird noch jährlich am Tage ä« notro Dame gcwallfahrtet. Ein paar hundert Schritte weiter liegt das Stadtchen Estelle. Ich machte hicr Mittag für meine gute Stute, dic hcutc einen langen Weg zurücklegen mußte, und laufte einen Rosenkranz im Kloster, der sehr artig aus den Früchten cincr hiesigen Strauchart gearbeitet ist. Im Gasihof hatte ich wieder das Vergnügen ciucn reitenden Oommig vo^sgeur anzutreffen, dessen Glcichcn mir in den Pyrenäen, wo es nur Naturschonheitcn und wcnig zu schachern gibt, ganz abhanden gekommen war. Wir unterhielten uns von der Cholera, die bereits bis in die Nähe von Pan avancirt ist, und es war mir merkwürdig, hicr wieder dem ewig wiederkehrenden, uud 160 wie es' scheint nicht auszurottenden Wahnsinn supponirtcr Vergiftung zu begegnen. Ich ausierte nämlich, daß nach dem, was ich von der Cholera gesehen, ich mir ihren Grund nicht anders vor-sicllen könne, als dasi Luftwirbct mit ihrem Gifte geschwängert seyn müßten, die sich bald da bald dorthin richteten, und wo sic hintrafen den Tod brächten. „Tk dien! unterbrach mich der Commis, und sah mich dazu halb listig halb vertraulich an. ditez moi la verit«?, croyez vous, quo ce soit la providence, on des scčlerats parrai les hommcs, qui empoisonaent ces colonnes d'air, dont Tous parlez?" Ich glaubte crst, dies solle ein Schcrz seyn, aber nein, cs war ftin vollkommenster Ernst. Ich sagte nun, so wcit hattcn cs dic Menschen noch nicht gebracht, Gewitter, Erdbeben und die Pest hätte sich der liebe Gott noch allein vorbehalten. »Ah, quo voulez vous, ricf cr, on a bien empoisonne des fruits, des lleurs et des lcttrcs, pourquoi n'empoisonnerait on pas aussi 1'atmosphere?" *$&) WÜX nu bout de mon latin* Die Straße von Esielle uach Pan, auf der mir wieder die Sonne schien, ist reich mit Dörfern und Marktflecken besetzt, deren Vanart etwas sehr Originelles hat, und dabei von weit saubererem Ansehen, weder so vernachläsiigt, noch außer Reparatur, wie es im übrigen Frankreich gewöhnlich der Fall ist. Einige Häuser sind, nach dcr Mode von Tarbes, zierlich aus runden Flußkicseln aufgeführt, andere auf eine besondere Weise abwechselnd rauh und glatt detüncht, mehrere sogar bemalt. Unter den letzteren bemerkte ich auf einer hohen und breiten weißen Feueresse eine colossale bunte Katze abcontcrfeit, die ciue schwarze Maus fing, das Ganze von einem Rahmen höchst cnrioser Arabesken eingeschlossen. Die Katze war in cincm so ägyptischen, sphyurartigen Styl gehalten, sah so ungcmcin majestätisch aus, und die schwarze Maus so hicroglypheugteich, daß mir dieser Con- Eemilasso. IN. 11 lS2 trasi mit dor sonstigen Schülerhaftigkcit dcs Gan-zcn äustcrst possierlich vorkam. Ich erinnere mich nur noch cincr naiven Darstellung dieser Art, dic einen glcich komischen Effect auf mich machte; sie befand sich auf cincr sächsischcn Schenke, und stellte dcn seligen Kaiser Alexander mit Kohle gezeichnet dar, wie er dcn ehrlichen Friedrich August umarmte. In dieser Gegend sah ich auch zuerst wieder, stit ich Paris verlassen, ctwas, was man wirklich, ohnc sich ein Gewissen daraus zu machen, Schlosi nnd Park nenncu konnte und das dem Wohnsitz cines vornehmen Herrn glich. Es war ein großes Quarrte, auf den Vorsprung cincr Anhohc erbaut, mit wcitlauftigcn Gärten umgeben, und an eincn Eichwald gelehnt. Vor sich hatte cs eine der lachendsten Ebnen der Erde, von mehreren Hügel? reihen anmuthig durchschnitten, und vou zwei Armen cincs rasch fließenden Stromes crfriscl/t, in der Eutfermmg weniger Stnndcn aber den ganzen Horizont von Ost bis West durch dic 163 Kette der Pyrenäen gedeckt. Man muß gcsichcn, alles dies ist im größten Genre. Ein Hcrr For-cades aus Paris ist, glanbc ich, der Besitzer dieses Schlosses, wahrscheinlich zur heutigen Aristokratie gehörig, also ein Entrepreneur, cin »gem 60 eKanZe, oder gar cin Banquier. Die Nacht übereilte mich, und als ich bei Mondschein Pan erreichte, hatte sich über das Schloß Heinrichs des Vierten cin schwarzes Wol-kcngebürge aufgcthürnn, welches in Hbhc und Form die eben verlassenen Pyrenäen so täuschend nachahmte, dasi ich, ohne die feste Ueberzeugung sie hinter mir gelassen zu haben, darauf geschworen hätte, ich befände mich wieder an ihrem Fuße. Du weißt, ich hege den Aberglauben, die Natur bclohne znwcilen memc große Liebe für sie durch ganz außerordentliche Schauspiele. Ein solches war dies — ein vollkommenes Spiegelbild, cinc in der Luft abgedrückte tata mor^nna des gegenüber liegenden Gebürges, so scharf und rein gegen den hellblauen Himmel abgegrenzt, so voll und 11" 164 körperlich, daß ich zuletzt dennoch irrc ward, und mir einbildete, cs müsse cm Arm dcs Gebürges sich seitwärts Pau erstrecken, denn Wolken konnten dies nicht seyn. Ich bedürfte in der That der Versicherung dcs Gegentheils von Seiten einiger Vorübergehenden, die ich befragte, um mich definitiv von der Beschaffenheit der Sache zu überzeugen, und nun ersi konnte ich mich ganz ungestört dem mir so eigenen Vergnügen hingeben, das eine bewnßtc Tanschuug gewährt. 165 Den 10 l « n. Die Gegend um Pau, welche gestern im tiefen Grunde Wiesenucbcl deckte, und der Mond über-dieß nicht hinlänglich erleuchten konnte, überraschte mich am heutigen Morgen doppelt. Ich hatte geglaubt in einer ebenen Fläche zu seyn, nachdem ich den Irrthum des Wolkengcbürges erkannt, und sah nun zwei bis drei der geschmücktesieu Hügclreihcn mit einem paradiesischen Thale vor mir, über das die Gave und Lousse, hier eine Art von Delta bildend, ihr Netz von hundert Silberstreifen ausbreiten. Hügel und Thal sind dicht mit Schlössern, Villen, Cottages und Gärten wie l66 besät, und cin grosier Theil derselben wird von Fremden bewohnt. Man zählt jetzt 800 Spanier und 300 Engländer in Pan, die hier ihren Winter zubringen. Ich bin im Kote! ä« franco abgestiegen, dicht an der promenaüs i>o^!o,wo mau unter Platanen und einigen ehrwürdigen, noch zur Zeit Heinrichs des Vierten gepflanzten Ulmen, diese herrliche Aussicht in ihrem vollen Glänze genießt. Da ich Dich aber fortwährend mit Natur-schildcrungcn sättige, so nimm nun noch als Dessert mit einer französischen fürlieb, die mir cbcn in die Hände fallt. Sie handelt von dem? stlden Wegc, den ich eben zurückgelegt, und der Anfang lautet folgendermaßen in treuer Ueber-setzn ng: „Pan verlassend travcrsirt man die Lousse. Die Gave und ihre tausend Windungen erfreuen die Imagination. Bei Bcssing formirt dieselbe cinc Gabel und hundert Krümmungen in die Ferne. In Mrepoir neue Spiele des Flusses! 1S7 Man passirt Lcstcllcs angenehmes, elegantes und lebendiges Dorf. Daneben blickt dic Kirche von Bctharam, cm Wallfahrtsort, durch Gebüsche von cincm dunklen Grün. Man ist in d.'n Pyrenäen!« Ich dcnke wir lassen den Autor dort. Wenigstens kann man diesem Reistbeschreiber keine Uebertreibung vorwerfen, wohl adcr hier mit Nodicr ausrufet: v^lj^ri^tion, <^uo ino voux lu? Meinem Hotel gegenüber befindet sich ein großes Caff«, in dem, wie in den Gasihöfcn, keine Männer, sondern Mädchen Marqueurs und Kellner sind. Hier begegnete mir gestern Abend ctwas Tragikomisches, was sehr von der höflichen Bereitwilligkit abstach, die ich bisher hier gefunden habe. Ich war noch spät herübergekommen, um die Zeitungen zu lesen, nnd hatte, als ich damit fertig war, und alle übrigen Gäste schon weggegangen fand, mit dem jungen Sohn des Hauses eine Partie Billard begonnen. Plötzlich kömmt seine Mnttcr, cine horrible alte Meqäre, leg in dm Saal gestürzt, springt mit Wuth auf das Villard zu, rcißt sämmtliche Balle wcg uud ruft, ihrcm Sohn mit dem Queue drohend, crboßt aus: «Ce n'est pas convenable dc jouer au billard,, pour un polisson, comme vous Totes, quand il a doja sonne ininuit» Va-te couclicr tout ä Theure, mauvais garnement, ou , * ♦ ♦ nnd damit löschte sic, ohnc auf mich dic gcringsic Rücksicht zn nchmcn, dic Lichter aus und übcrlicß mir im Finstern, so gut ich konnte, den Ansgang zu suchen. Mau würdc sehr Unrecht thun, cmc solche, mehr als deutsche, Grobheit dcn hiesigen Sitten zuzuschrcibcu, denn clnc Ausnahme macht keine Regel. Es beweist höchstens, daß man nicht geru dcs Nachts hier laugc aufbleibt und es Xan-tippcn in Pan gibt wie zu Athen. Mein erster Gang war, comms äo raison, uach dcm Schlosse Heinrichs dcs Vierten, dcr alten Residenz der Grafen von Foir und dcr Könige, von Navarra. Das Schloß, ganz unregelmäßig, 169 so zu sagcn aus vielen verschiedenen Häusern und Thürmen nach und nach zusammengesetzt, hat sich zuletzt in der Form eines großen Dreiecks gestaltet. Es isi für eine königliche Residenz nur von mittelmäßigem Umfang uud mehrfach verstümmelt, bietet aber dennoch ein höchst anziehendes und anch in vicler Hinsicht noch trcucs Bild vergangener Zeiten dar. Was gleich zuerst dc>, Blick auf sich zicht, ist der Donjon, von Gasion Phdi bus Grafen von Foir erbaut, mit 11 Fuß dicken Mauern, und nur wenigen, theils zu Gefängnissen, theils zu dem Aufenthalt des Grafen selbst in Kriegszeittn dienenden Gemachern, die eine traurige Wohnung gewesen seyn müssen. Eine sehr enge Wendeltreppe ist das einzige Commuui-cationsmittel im Innern des Thurms. Sic führt bis auf die Plateforme, die einst eine vortreffliche Warte zum Erspähen der Feinde abgegeben haben muß, und jcht das vollständigste Panorama der Gegend um Pau, fast bis Vayonnc hin, entfaltet. Aus dem Donjon tritt man durch ein weites 170 gewölbtes Thor in den dreieckigen Hof der Burg, dessen Anblick höchst auffallend ist. Hier wird keine Spur von irgend cincr Symmetric sichtbar. Nur der innere Bedarf scheint für Fenster und Thüren entschieden zu haben, die bald da, bald dort angebracht, bald hoch, bald niedrig, bald grosi oder klein, breit oder schmal, aber überall reich und Mit grosier Knnst und Sorgfalt verziert sind. Man sieht halb versteckte Dachfenster, deren clc-gante Giebel nichts desto weniger mit einer Profusion von vortrefflich gearbeiteten Zicrrathen, Löwen und Widderkopfen geschmückt erscheinen. An andern Orten bemerkt man Gruppen von Medaillons, die Portraits und die Chiffern der alten Fürsien von Vearn darstellen. Kein Winkel ist vernachlässigt, Alles mit gleicher Liebe und Treue behandelt und vollendet. Aber auch hier ist die vermaledeite Werkeltagspfuschcrei unserer Zeit dazwischen gekommen, nnd hat auf ihre kleinliche Weise zerstört und verballhornt, die Steinkreuze ans den Fenstern gerissen, und moderne, mit weißer Oelfarbc bepinselte 5?olzrahmen hiueingesetzs, oder sie mit grasgrünen Jalousien versehen. Um mir nicht die Illusion zn verderben, stellte ich mir vor, das; der Hofnarr des Grafen von Foir dort wohne; es war aber der Commandant. Am Eingang der grosien Haupttreppe, welche in die königlichen Zimmer führte, sieht in einem Vestibule cine vortreffliche Statue Heinrichs des Vierten, die einzige, welche wahrend seines Lebens gemacht worden ist, nnd in Hinsicht anf Ausdruck der Züge nnd charakteristische Haltnng, meines Erachteus, alle Abbildungen, die ich bis jetzt von diesem Könige gesehen, weit übertrifft. Ich hatte mich von ihrer vollständigen Aehnlichkeit überzeugt, denn jene Bilder haben durchgängig etwas Earricaturartiges und eigentlich Lebloses, wie cs auch mit den meisten Portraits Friedrichs des Großen der Fall ist; die Züge dieser Statue aber haben vollkommenes Leben und zugleich dasjenige Eigenthümliche, was die ungcmeinc Popularität Heinrichs des Vierten anf den ersten Vlick erklärt; !72 denn man fühlt sich von dieser jovialen und zugleich gravitätischen Bonhomie selbst im Steine schon unwillkürlich angezogen. Sie imponirt nicht wie Napoleon und Friedrich, aber sie cap-tivirt. Man würde durch'6 Feuer für einen solchen Mann lanfen und hat ihn von Herzen lieb. Dieß ist vielleicht eine der schönsten Gottesgaben, da sie glücklich macht und Glück verbreitet. Sind Talente damit verbunden, und Gelegenheit vorhanden (denn ohne diese kann Alerander ein Haarkrällsler und Cäsar ein Zollbereiter bleiben), so wird immer ein großer Mann daraus hervorgehen. Die Statue ist nur provisorisch hier anf-gesiellt, wie ich hbre, und schon mehrmals die Rede davon gewesen, sie in irgend ein Mnseum zu versetzen. Man darf hoffen, dasi der jetzige König der Franzosen mit seinem regen Sinn für Frankreichs Alterthümer dieß nicht zulassen wird, denn wo könnte ein zweckmäßigerer Platz für ihn gefunden werden! Hiebei muß ich eines hübschen Zuges dcr hiesigen Bürger erwähnen. Zur Zcit 173 Ludwigs des Vierzehnten baten sic bereits um Erlaubnis?, auf einem ihrer öffentlichen Plätze dic Statue Heinrichs des Vierteu aufstellen zu dürfen. Der hochmüthigc Konig schickte ihnen die seinige. Eie mußten gehorchen, schrieben aber auf das Picdcsial, wie man es noch liest: ^'e> luiei «8t lo p«!lt til» lie notro don llonrl. Findest Du das nicht vortrefflich? Die Treppe ist in ihren Ruinen noch immer cin würdiges Denkmal jener Epoche der Kunst, des Fleißes und solider Pracht. Die Mannigfaltigkeit der mit unsäglicher Arbeit in Stein gemeißelten 621880115 der Decke, zum Theil von sich wiederholenden, zuni Theil abwechselnden Mustern, waren früher bunt und vergoldet. An einigen Stellen bilden die Chissern Heinrichs und Mar-gucritcns gefällige Guirlanden, und die Medaillons enthalten interessante Portraits. Unter diesen zog mich besonders das geistreiche, offene Gesicht der Jeanne d'Aldret, Mutter Heinrichs des Vierten, an, eine Philosophin ihrer Zeit, die bekanntlich der A 174 Reformation feurig ergeben war, und al< man sie anfdcm Todbctte bekehren wollte, die kluge Antwort gab: ich kann unmöglich zu einer Religion übergehen, nach deren Lehren ich glauben müßte, daß meine Mutter und mein Vatcr ewig verdammt sind. Die Handhaben der Treppe, welche an den Wänden fortlanfcn, und gleich allem Uebrigcn aus Stein sind, habcn die Form künstlich gewundener Taue, was cincn artigen Effekt macht. Leider sind sie an vielen Orten zerschlagen. Aus einem kleinen Vorplatz tritt man in die »nüe <üc8 ^ardos, cine Piece von bedeutendem Umfang mit den zwei obligirttn haushohen Kaminen an beiden Enden und einer noch wohl erhaltenen Charpcnte an der Decke, die freilich durchsichtig ist, weil sie in dem Raum darüber keine Dielen hat. Als wir durch den Saal schritten, bemerkte ich mit Mißfallen auch hier neue Fenster und mir gegenüber neben dem Kamin eine moderne Thüre, aber ich fiel fast vor Schrecken meinem Lohnbedientcn 175 in die Arme, als der Castellan sic öffnete und sich meinen Blicken cine nut blancm Papicr tapczirte, mit MahagoniMenbelu und Stutzuhr verzierte oli»mdrs ^i-nie darbot, in deren Mittc im Geschmack dcr Vcttcn, welche uach dem Vc-hagcn dcr Pariser galanten Damen sind, die Wiege Heinrichs des Vierten (bekanntlich ciuc Schildkrdtenschalc) unter einem lächerlichen Gestelle von hölzernen, vergoldeten Lanzen, Lappen und Franzcn, im allmmhtswürdigstcn Trodclbu-dcngcschmack, aufgestellt war. Dcr ganze übrige Theil dcs Schlosses, Kori'idilo äiclu! ist auf dieselbe Weise im Innern geschändet worden, und hier sieht man, wie die besten Intcusionen der Souvcrainc zum größten Schaden ausschlagcn, wenn diese nicht, wie z. V. Napoleon, Alles mit eigenen Augcu sehcn. Das Schloß von Navarra hatte stit dcr Revolution einige zwanzig Jahre lang bald als Kaserne, bald als Magazin, ich glaube auch als Hospital gedient, und war dabei im Detail zwar unverantwottlich vernachlässigt und 176 verheert worden, im Gauzcn jedoch immer noch das alte geblieben. Ludwig der Achtzehnte, voll Ehrfurcht für seinen großen Ahnherrn, befahl von Paris aus, es augenblicklich räumen und völlig wieder in Stand setzen zu lassen, wozu die nöthigen Fonds angewiesen wurden. Aucl> war er es, der die erwähnte Statue, die sich früher in der Sammlung äcs peUls ^u^uzüng befand, herschickte. Was geschah? Ein Vandale von Architekten, den Heinrichs des Vierten Geist ") billig jeden Morgen mit ein paar Ohrfeigen wecken sollte, erhielt den Auftrag, des Königs Befehl auszuführen. Er glaubte wahrscheinlich handwerksmäßig, daß er nichts Besseres thun könne, als das Schloß llu don Henri seinem eigenen Stadtlogis so ähnlich als möglich zu machen. So ging er denn ans Werk. Dic steinernen Fenstereinfassungen, die alten kostbaren Sculptu- ') Es ist abermals charakteristisch, daß wir den wiederkehrenden Tobten einen Geist, ti« Franzosen einen Schatten nennen. z?7 reu, Malereien, Voiserien, dcr ganze bis in das Kleinste sich verbreitende Schmnck jenes kunstreichen Zeitalters ward mühsam zerstört und vernichtet, die bunten und vergoldeten Holzplafonds verklebt und beklcistert, die Wände papiert, knrz, alltägliche Gasthansstuben aus den Gemächern des Königs gemacht. Zu spat beklagte sich die Stadt wegen dieser Barbarei in Paris. Der König liest zwar sogleich alle wettern Verheerungen sisiircn, aber das Uebel war einmal geschehen, nur die Treppe, die «aüo äos Zai-äo» und die kahleu Wände der Schlafstube der Königin, in welcher Heinrich der Vierte geboren ward, sind noch gerettet worden! Es ist in der That sehr schade, daß Frankreich im Allgemeinen so übel mit semen historischen Denkmälern umgegangen ist, es würde sonst stlbst England, das die seinigcn seit Iahrhnndcr-ten so sorgsam bewahrt, darin gleich kommen, wo nicht es übertreffen. Eine Anssicht wie die vom großen Balkon des Schlosses besitzen gewiß Semilasso. IN. 12 178 wenig Residenzen, und in dieser Hinsicht hat dcr kleine König von Navarra einen bedeutenden Vorzug vor dcm grosicn König Frankreichs gc-habt. Wenn der Teufel Lust hätte, Jemanden die Wclt anzubieten, dieß ware cincr dcr Flecke, wo die Verführung am stärksten wirkcn würde. Doch erscheint ihre Pracht im Parke noch gcstci-gcrt, weil dort das Schlosi stlbst mit in sie aufgenommen wird. Dieser Park, derselbe, in dcm sonst Heinrich der Vierte zu jagen pflegte, dient jetzt zu öffentlichen Promenaden, die auf einem Hügelrück'en unter alten Buchen längs dcm Thal von Iura-ucou hinführen. Es ist keine Uebertreibung, wcnn ich Dir sage, daß man sich von dcm unnachahmlichen Naturgemälde, das sich hier in seiner ganzen Fülle entfaltet, wic geblendet fühlt. Genügend zu beschreiben ist es nicht. Und hiermit, theure Lucie, schlicht die Kunde von den Pyrenäen. Den nächsten Brief erhältst Du vielleicht von den Pyra- WM mideu. Doch wie die Orte auch dcu Namen wechseln, in jcdem Wcllthcil blcib ich tvcn dcr Dcinc. Hcnmann. 12 " 180 Dreizehnter Vriet. An dm Herrn Grafen v. F.... Na, des, den »5,<» November I82H. Verehrtest er Freund und H i p p o l o g i st o s! Obgleich Sic mir, geneigter Gönner, anf meinen letzten langen Brief, mit dcm ich Ihncn das mir gütigst mitgetheilte Schrcibcn des Herzogs von A... dankbar zurücksandte, nicht geantwortet haben, -- so will ich dennoch Ucbles mit Gutem vergelten, und Ihncn jctzt einc Nachricht zukom- M» men lassen, die, wie ich mir schmeichle, Ihnen Vergnügen machen wird. Ich hatte gehört, daß in der Nähe von Pau eine Station königlicher Hengste sich befinde, und dieses Etablissement mit vieler Sorgfalt eingerichtet sey und erhalten werde. Obgleich ich mm selbst wenig von der Pferdezucht versiehe, so hat doch Ihr vortreffliches Werk über diesen Gegenstand, dcm an Scharfsinn, Klarheit und würdevoller Polemik gewiß kein anderes in diesem Fache gleich kömmt, mir die Liebhaberei eines Dilettanten dafür gegeben, und ich beschloß daher, den letzten Tag meines kurzen Aufenthalts in Pan zn einem Besuche des Gcsiüthofcs zu benutzen. Nun muß ich Ihnen noch in Erinnerung bringen, daß Sic voriges Jahr in Berlin die Güte hatten, mir Damoiseau's interessanten Bericht seiner, im Gefolge des Herrn de Portes, gemachten Reise nach Syrien zu leihen, eine Schrift, welche mit einer Menge wichtiger Notizen fast das Interesse eines Romans verbindet. 184 nie sah ich gewaltigere Sprunggclenke, und dic vortrefflich gebauten Knochen waren noch immer so rciu wic Gold, nicht dic klcinsic Galle, Alles trocken und rein wic aus Marmor gemeißelt. Er war für einen Araber ziemlich kurz gefesselt nnd auch gehalst, Hals und Kopf cbcn nicht das Schönsie an ihm. Unterdessen war der Vettrinair der Anstalt, Herr Pompiers, ein höchst gebildeter, unterrichteter und gefälliger Mann, hinzugekommen, der die Güte hatte, mir mehrere der ausgezeichnetsten Pferde vorführen zu lassen, und dcm ich überdicß alle Nachrichten, die ich Ihnen noch mitzutheilen habe, verdaute. Dieser erfahrene Pferdekenner war übrigens nichts weniger als blind für die Mängel der französischen Pferdezucht, und beklagte sie bitter. Alle von dcr Expedition des Herrn de Portes noch lebenden Pferde befinden sich in Pau und in Tarbcs. Hdou-fm-^ das Wnndcrrosi, obgleich mir Neögiä und nicht lionlie^lan, ist jedoch leider schon seit drci Jahren todt. Er starb am Ncrvenstein und soll sehr schlecht bchandclt worden seyn; untcr andern hat man ihn mehrere Jahre in einem unbedeutenden D«pot gelassen, wo sein edles Blut nur mit den gemeinsten Land-suttcn vermischt, und daher nichts aus seiner Nachkommenschaft geworden ist. Es scheint aber nirgends viel anders zn seyn, denn keinem dieser kostbaren Hengste — und Einer ist noch darunter der selbst Sie, den Kenner par excellence, entzücken würde, und dem Herr de Portes jederzeit den ersten Rang untcr seinem Transport, selbst ^dou-larr nicht ausgenommen, anwies-—keinem hat man je Vollblutstuteu zu belegen gegeben! anst.,'r wcnn zufällig ein Particulier eine solche herbrachte, überall nur den gewöhnlichen Schlag, wie ihn die Provinz liefert, wo die Hengste eben auf Station sind. Daher ist denn an eine wirkliche Fortsetzung der Race auch nicht zu denken. Demungeachtet ist es bewundernswürdig, was, ganz gcgcn die bei uns jetzt stattfindende Theorie, das 18k arabische Vlut hier in erster Gcncratton und un-zweckmäsiigcr Kreuzung dennoch hervorgebracht hat. Die meisten der hicr stehenden Beschäler, von diesen kleinen arabischen Hengsten und fast eben so kleinen navarresischen Stuten gefallen, sind nicht nur ausgezeichnet schöne, sondern auch sehr starke und wohlproportionirtc Pferde von 9 bis I0V2 Zoll. Sic glichen englischen Iagdpfcrdcn von Halbblut, hatten fast alle ungcmeines Feuer, schön eingesetzte Schweife, die sie hoch trugen, cincn elastischen Gang, reine Knochen, und mehrere waren darunter, für die ich zum Gebrauch gern IM) und 2W Louisd'or gcgcbcn haben würde. Alan kann daraus schließen, wcl-chcs Resultat mau mit starken englischen Voll->blutsiutcn hatte erreichen müsseu. Ich frug, wie diese Pferde sich in Dauer und Schnelligkeit zeigten? — Man hatte cs nie versucht. Der zweite Araber ist Nazsor (No6^v« lionko^ian Nolüßäi, vom Stamm der l'oeclaln ^n»2öo ^'/4 Zoll hoch, trotz seines Alters und gewifi vieler Vernachlässigung, noch immer das höchste Ideal eines Pferdes der Wüste, das ich je geschcn habe, und wie sie ohne Zweifel im Paradies gewesen seyn mögcn. Der Typus eines solchen Thieres hat ctwas so sehr über andre Pferde Erhabenes, daß man fast glauben möchte, es gchvrc einer ganz andern Schöpfung an. Englische Pferde mögen um einige Pro« cent schneller laufen, und noch gewaltigere Sprünge zu machen im Stande seyn, aber diese unbeschreibliche Grazie, dieses förmliche Spiel der Physiognomie wic in cincm Menschenantlitz, diese Liebenswürdigkeit, die man fast Coquettcric N 188 nennen könnte, diese Wollust für den Reiter, mir dcm sie sich ganz vermählen, und der auf ihnen sitzend von einem Vogel getragen zu seyn glaubt — dieß Alles erreichen sie nie. Was unn unsern ll^Ieliy betrifft, so würde man nach den Ansichten Mancher vielleicht in Hinsicht anf vollkommene Regelmäßigkeit, an ihm aussetzen können, daß sein Widerrist fast zu hoch und mager, seine Croupe clwas zu rund sey. Das Erste, ein gewöhnliches Zeichen hoher Race, erscheint mir jedoch nichts weniger als unschön, und das Zweite bedingt nur größere Kraft, obne bei der Art, wie ein Pferd dieser Abkunft sich trägt, schon bei der geringsten Bewegung den Schweif wie eine Fahne erhebend, irgend einen Uebelstand hervorbringen zu tonnen. Schultern, Leib, Beine sind unladclhaft, Hals und Kopf aber von einer so bezaubernden Herrlichkeit, dasi ich keine Worte dafür finden kann. Es liegt in der Schönheit, wer Sinn dafür hat, selbst beim Thiere, wie auch bei der sogenannten todten 189 Natur, da, wo sie ihren höchsten Grad erreicht, etwas Göttliches, das cine Empfindung, der Liebe ähnlich, hervorbringt. Sie werden lachen über diesen Enthusiasmus, aber Tage lang hätte ich dieses edle Thier betrachten mögen, und mit wahrem Schmerze trennte ich wich von ihm. Als er herausgeführt wurde und dic Stute an? sichtig ward, die mich hergebracht hattc, mußte mau gewiß die Art seiues Venehmcus bewundern. Obgleich seine Augen, dcrcu Ausdruck vorher nur sanft und schalkhaft war, nun plötzlich wie Feuer blitzten, und seine schwarzen Nüstern sich so weit öffneten, daß cinc geballte Hand darin Platz gehabt hätte, so war doch nichts von der thierischen Brutalität in seinen Bewegungen, mit der andere seines Gleichen ihre Naturtriebe an den Tag legen. Es war gerade der Unterschied, wie er bei Alcibiades und Diogenes in gleichen Verhältnissen siatt gefunden haben würde, und ich bedauerte sehr, daß es nicht erlaubt war, die Beobachtung ganz zu vervollständigen. Auch gab » 190 Haled? stlbst ftin Mißfallen darüber schr deutlich zu erkennen, als man ihn wieder hineinführte; denn mit cinem schnellen Sprung in die Ecke seiner Bor drehte er uns boudirend den Rücken. Auster dieser Perle des Stalles war noch ein sehr werthvoller Schimmelhengsi, jedoch von weniger hochedler Race, vorhanden, den Herr Polani, Leibarzt der Lady Esther Stanhope, geliefert hat. Er mißt nnr 5'/2 Zoll, ist aber das von allen hier befindlichen am stärksten gebaute arabische Pferd, gedrungen und kurz gefesselt, Hals nnd Kopf etwas kosakisch. Als Reitpferd zum Gebranch, zu Krieg nnd Jagd mnß er alle Wünsche befriedigen, znr Zucht ist er vielleicht nicht ganz edel genug. Nachtraglich bemerke ich noch, daß man am seligen ^Kou-lürr die zu langen Fesseln tadelte, was bei ihm selbst zwar keinen Nachtheil hatte, aber bei seinen Kindern zum Fehler geworden ist. Die zwei Abkömmlinge von ihm, die ich hier sah, und zwar einer von cincr Limousin —, der 19l andere von einer normannischen Stutc, warcn weniger ausgezeichnet, als dic von den andern Hengsten abstammen, ^dou - sl»rr stlbst maß 8 Zoll reichlich, für cinen Araber cinc gewiß seltene Größe. Herr Pompiers, der sich an meiner so pro-noncirtcn Liebhaberei freute, änßerte jetzt, daß er noch cin Manuscript besäße, welches ihm Herr dc Portes mitgetheilt habe, und das seines Wissens noch nie bekannt gemacht worden sey. Es enthalte t) cinc officicllc Bekanntmachung über die gutc und üble Vcdcntnng der verschiedenen Abzeichen der Pferde, nach den Aussprüchen dcs Propheten, wclchc, abgerechnet ihr historisches Interesse, Jedem zu kennen sehr nützlich sty, der Pferde im Orient kaufen will, indem er, den dort herrschenden Aberglauben benutzend, oft dadurch das beste für cinen geringe» M Preis erhalten könne; s) mehrere Betrachtungen «nd Notizen über dic arabischen Stämme und ihre Pferdezucht im Allgemeinen. Mit Vergnügen, setzte Herr Pompiers hinzn, würde er mir dieses Manuscript mittheilen, wenn ich es wünsche. Sie zweifeln nicht, dast ich das freundliche Anerbieten mit cisrigem D.uike annahm, und werden hoffentlich, lieber Graf, die Uebersetzung nicht ungern diesem Briefe angehängt sehen. Doch vorher erlauben Sie mir noch meinen Bericht durch Erwähnung der in Tarbes stehenden Hengste zu vervollständigen. Das Etablissement in dieser Stadt ist noch bedeutender als das in Pau und mit eben der lobenswerthen Sorgfalt erhalten. Aber auch hier sind die edeln Pferde so gut wie weggeworfen. Das Gouvernement besitzt nämlich selbst nicht cine einzige Vollblntstnte, sondern kauft in der Umgegend die von seinen arabischen Hengsten abstammenden Hengstfohlen, welche ihm die Besteu scheinen, wieder an sich, nnd stellt sie nachher in den königlichen Ställen wieder als Beschäler auf. 193 Natürlich gebt in der dritten Generation das cdle Blut schon großtcnthcils, in dcr vierten beinahe ganz verloren. Dcr Preis', für dcn die Hengste springen, ist übrigens sthr gering, 5 bis 15 Franken, so dasi ein Particnlier, dcr sich edle Stuten anschaffte, nnd dic hicsigcu arabischcn Hcngsic für sic bcnutztc, gcwiß sthr lucrative Geschäfte machcn würdc. Nach dcm, was mir Herr Paran, der Survcillant dcr hiesigen Ställc mittheilte, scheint das hicsigc Land dcn Arabern besonders zuzusagen, dcnu nirgends gedeiht ihre Zucht, bei aller gerügten Verkehrtheit derselben, so gut als hier am Fusi der Pyrenäen, und ich glaube, daß überall auf diesen Umstand des Klima's viel Rücksicht genommen werden müßtc, chc man für oder gcgcn arabische Zucht cut? scheide. Die Station in Tarbes besitzt fünf bis sechs arabische Hengste, wovon zwei ans Herrn dc Portes Lieferung: Nazsouä nnd OurI«!)'. kli»«. «oull, cin Goldbrauner mit vier weißen Füsien, Semilasso. III. 13 194 3aklaw6 Kontiern, NeHglU vom StÜMMc I^oe-äam ^NNL^O, sieben Zoll hoch, kann cm vollkommen gebautes Pferd genannt werdcn, und obgleich sein Kopf nicht völlig dic überirdische Schönheit lilücd/8 erreicht, so ist dafür seine Croupc schöner, und cr jedenfalls mit ihm m eine Klasse zn setzen. Die Wahl würde schwer werden. Dazu kömmt, daß Hl.-»880uä, obgleich ebenfalls 24 Jahr alt, dennoch wic cin Fohlen aussieht. Man hatte ihn cbcn auf einem umzäunten Rasenplatz ins Freie gelassen, wo cr gleich dem ausgelassensten jungen Füllen umhersprang. Er ist außerordentlich sanft und liebt die Menschen. Auf den Ruf stincs Wärters hörte cr folgsam wie ein Hund. Wenn ich nicht irre, ist dieß dasselbe Pferd, von dem Damoiseau erzählt, daß cs bei der Passirung ciucs Canals sich vor der Fähre scheute und mit einem ungeheuren Satze seinen erschrockenen Reiter, der fast in den Acsten eines über das Wasser gebeugten Baumes hangen geblieben ware, auf die andere 195 Seite brachte. Der Türke warf sich im höchsten Enthusiasmus dort vor dem edlen Thiere nieder und lüsttc ihm dic Hufe. Na88ouä sicht ganz so aus, als wenn cr noch heute dasselbe zu thun im Stande fty. Ourllil^, cin Fliegenschimmel, angeblich Kon-Ko)1an al,s Mcsopotamill, vom Stamme Barak wird auch von Damoiscau erwähnt, wie er sciucn Reiter abwirft, um cinen heftigen Kampf mit einem andern Pferde zu beginnen. Er hat diese Untugend noch, und findet sich kein andres Pferd, greift cr seinen Rcitcr an. Im Stall ist cr ganz fromm, nur im Freien scheint ihn diese Wuth anzufallen. Nenn cr ausgelitten wird, steigt der Rciter daher stets im Standc auf und auch dort wieder ab. Unterwegs abzusteigen, sagte Herr Paran, würde ihn unfehlbar in dic größte Gefahr bringen. »Ich selbst," setzte er hinzu, „habe ihn oft geritten, weil es kein größeres Vergnügen geben kann, aber nicht um einen Ventel voll Diamanten, der in ,12 " 196 der Straße läge, möchte ich es wagen, cincn Augenblick nur den Sattel zu verlassen." Dieses Pferd scheint nicht von gleich hohem Blute, obgleich man mit seiner Nachkommenschaft sehr zufrieden isi. Dagegen bcfindct sich noch cm andcvcs, höchst cdlcs und zugleich sehr merkwürdiges Pferd hier, 82KIHNX Humä-m genannt, ein Brandfuchs mit einer brciteu ' Blässe und vier weisien Füsien, wovon einer weiß bis an den Bauch, fast gezeichnet wic cin Pferd von Dou-gola. Dieses Thier isi der Held cincr ganz romanhaften Geschichte, die ich nur unvollkommen kenne, die aber nebst seiner Abkunft wohl hinlänglich beglaubigt worden seyn mnß, da das Gouvernement, ungeachtet IIam'Änim»cIi wird cbcnfatts schr hoch gc-schätzt, ich haltc ihn jedoch, wic noch zwci aud^rc Arabcr, nur für Pfcrdc gcmcincr Raccu. So wcit, licdcr Graf, crsircckt sich, was ich Ihncn aus cigcncr Anschauung mitzutheilen wciß, ich gchc jctzt zu dcm Manuscript dcs Hcrri: dc Portcs übcr. 198 ^^ Uebersehung, MUWWD, Mk gezogen aus den Prophezeit)ungen Muhammeds, handelnd von den verschiedenen Flecken «nd Zeichen an den Rossen Zlrabiens, die Glück oder Unglück bedeuten. Im Namcn Gottes, dcs Allbarmherzigcn, Hcil Gott, dcm Schdpftr dcr Völker, und Gebete im Staube zu dcm Herrn dcs Vergangenen nnd Künftigen, unserm Herrn Muhammed, und Gebete für unsere Freunde allcsammt! Und ist dies ein Buch dcr Wissenschaft dcr Reiterei und dcr Kenntnisi guter Pferde, ihr Alter, ihre Zeichen, und was ihre Reiter für Glück oder Unglück erwartet, welches unter die Zahl dcr Reliquien zu rechnen, und gebt cs daher 499 nur dcncn, die scincr würdig, weil cs offenbart von___! ,»,sWWW>s Haltet cs daher sorgsam wic Euer Auge, weil cs Euch uutcrrichtcn wird von dcn Stirn-und andern Markcn, vom verwandten Haar, von dcr Farbe, dcn Zeichen, den weißen Vorder- und Hinterfüßen, und Allem, was dem geschehen wird, der das Pferd reitet, sowohl an Vlessnren als Tod. Es unterrichtet Ench auch von dcn Statischen und Schcncn, von den Pferden edel-sicr Geburt, von den Pferden des Geschlechts UuVkoi, von den Pferden, die hartmäulig sind, von denen, die in alleu Dingen Glück vdcr Unglück ins Hans bringen, von den Pferden, die in die Ställe der Könige eingehen, von denen, deren Herr mit Ehrcnpelzcn bekleidet werden wird, und alles dieß nur durch die Zeichen, Flecken, Maße und Farben. Wir beginnen mit den guten Zeichen, und dcn gemeinsten, welche die Schnelligkeit des Laufs der Pferde andeuten. 200 , Wcnn zwei weiße Flecke auf dcr Erhöhung' hinter dcn Ohren so placirt sind, daß sie das Kopfgesiell des Zaumes nach vorn überragen, so zeigt cs an, dast das Pferd sehr schnell isi, viel Fond hat, und zuletzt noch schneller als im Anfange gehen wird. Es zeigt überdiesi ein langes Leben für dcn Reiter an. Ucbcrragen dic Flecken das Kopfgcsiell nach hinten, so sind alle diese Eigenschaften geringer. Wcnn die Flecke auf beiden Seiten Parallel unter den Ohren sind, zeigt cs an, daß man das Pferd einem Gouver, ncnr wird geben müssen, oder zn einer Ansiellnng gezwungen werden, oder das Pferd uns gestohlen wird, und daß cs im Anfang feurig, zuletzt aber trage seyn werde. Ist aber einer dieser Fleckc vicl langer als dcr andere, so wird das Pferd nicht nur gestohlen, sondern dcr Herr auch ge-tödtet werden. Wcnn das Pferd zwei gleiche Fleckc auf beiden Seiten der Vrnst hat, so wird dcr Rcitcr dcn ihm gegebenen Auftrag gut cr-füllcn, ist aber nur cin einziger vorhanden oder 20t beide auf einer Seite, so ist der Ansgang zwei-ftlhaft. Ein wcisier Fleck auf jeder Seite dcr Brust hinter den Schenkeln zeigt Schnelligkeit und Sicherbeit an. Man nennt sie die Flügel. Die, Flecke unter dem Bauch geben dem Reiter Sicherheit, und sein Pferd wird nie mit ihm fallen. Zwei Flecke auf den Schlafen zeigen an, dasi der Herr verleumdet werden wird. Flecke auf den Schultern bringen dem Reiter Unglück. Pferde, dic Flecke auf beiden Seiten des Schweifes haben, sind abscheulich „nd thun alles Böse ohne irgend Gntes, besonders wenn sie keine andern Abzeichen haben. Diejenigen, welche zwei oder drei Flecke in derselben Richtung auf der Stirn habcu, bedeuten Vlefsuren im Gesicht für den Reiter, sind diese Flecke aber dnrch umgcwandtes Haar unterbrochen, so ist sein Grab schon offen. Dic, welche nur ein einziges Abzeichen auf der Stirn haben, das ansteigt wie ein Palm- 202 bäum, sind von grosicr Glücksbcdcutung. Man nennt sie: Weg dcs Guten und dcs Glücks. Die aber, welche cin Zeichen auf dem Vorarm dcs Vorderbeins haben, reite mit noch mch«r Sicherheit, denn dieß Zeichen wird die Hand Gottes genannt, und wäre cs gar anf beiden Schenkeln gleich vorhanden, so greift keck zwanzig Reiter allein an, du wirst siegreich und ohne Verwundung aus dem Kampfe gehen, und hat cs noch einen weißen Fleck an dcr Vorderfcsscl — wchc Icdcm, dcr sich mit dir in Kampf einläßt. Ein Pferd, welches zwei Flecke auf deu Annen hat, wird seinen Herrn einen Schatz finden lassen. Die statischen Pferde haben gewöhnlich kleine Augen. Mit engen Nasenlöchern hält die Lunge nicht aus. Edle Pferde haben gewöhnlich die Schweifrübe schmal und die Ellenbogen stark. (Einiges über die Maße, nach Brodtcu gerechnet, lasse ich als ganz unverständlich weg, so wk mehrere andere Bc- 203 siimmungcn, die für uns durchaus ohne Interesse sind.) Braune Pferde, die gar kcin Wciß auf dcr Stirn haben, noch einen schwarzen Streif auf dcm Rücken, werden dem 5?crrn verloren gehen, oder gestohlen werden, oder sterben. Jedes Pferd, welches verwandtes Haar an den Beinen hat, behalte keinen Augenblick; Gott bewahre dich vor seiner Nähe. Es ist unvermeidliches Unglück für den Besitzer. Sind die Haare auf der Nase verwandt, bedeutet es bloß leichte Vlcssmen für Pferd oder Reiter. Die, welche wcisiliche Hufe mit schwarzen' Flecken haben, zeigen ebenfalls Verwundungen au, an dcu Hinterbeinen für den Reiter, au den vordem für das Pferd. Gott macht alle Dinge! Willst Du eine lange Reise unter Gottes Schutz unternehmen, so reite einen Fuchs, dcr zwei weiße Vorderfüße uud den linken Hinterfuß 204 wciß hat. Auch Pferde von allen andern Farben mit diesem Zeichen sind gleich gut. Ein feiner Schweif verräth lange Dauer im Lauf. Reite ohne Besorgniß einen Falben, wenn er schwarze Mähne, Schweif und Füße hat. Pferde mit starkem Schweif und Van tauge», nicht znm Laufen, sind aber gut znm Tragen, von welcher Farbe sie seyen. Pferde mit einem Stern anf der Stirn, ohne Wciß an den Füßen, reite ja nicht, sie würden dich unglücklich machen. Apfelschimmel mit einem runden Fleck auf der Nase zeigen an, daß ihr Herr mit einem Ehrenpelz bekleidet werden wird. Die Pferde, welche Weiß hoch hinauf an den Füßen haben, sind gefährlich, ist das Weiße aber anf der rechten Seite noch höher als auf der linken, so bleibe fern von solchem Pferde, den« cs trägt die Marke deines Leichentuchs. Reite nie ein Pferd von folgenden Farben: Mausefarben, Wiesel- oder Affeufarben. 205 Eine hohc Stute ist cin Schatz. Eiuc Blässe auf der Stirn, die sich nach links neigt, verbürgt dir Gelingen in deinen Gc-schaftcn. Pferde von allen Farben, die vier weisie Füße habeu, bringen Gewinnst. S6)warzc Pferde selbst mit hohen weißen Vorderfüsieu bis ans Knie, und cincr Blasse, mit großen runden Angen, rcilc ohnc Fnrcht. Sic warden Dich sclbsi vor den Zauberern beschützen, dir alle, Thmvn öffnen, von den Großen wirst du geehrt werden, immer Geld haben in Menge, nnd kein Räuber wird Eingang in dcin Hans finden. (Es scheint, dast der Prophet hier die Pfcrdc von Dongola im Ange gehabt hat.) Wcnn cin braunes Pfcrd auch Mahnc und Schweif braun hat, so reite es ja nicht. Es verjagt Gut und Segen vom Hause; wenn abcr alles dieß schwarz ist, gleich den Füßen, und wenig weiß auf der Stirn, so besteige es ohnc Furcht. Wcnn das Weiß auf dcr Stirn unter- «0ft brochen und nicht recht in der Mitte isi, büte dich. Die Stuten, welche über den Fesseln Affen-haarc habcn, sind fruchtbar, und die stichelhaarige» braunen Hengste vortrefflich als Beschäler. Pferde, dic cinzclnc Haarc haben, welche längcr smd und sich umschlagen, von dnnklcrcr Farbc als die übrigen, zcigcu ihrcm Hcnn den Tod im Mcnc, odcr dcn Fall in cin Sumpft loch an. Pftrdc mit hattcm Huf sind nicht nur gut zum Lauf, sondern auch sthr geduldig. Wenn du mit deiner Hand vier Rippen umfassen kannst, bei dcr kürzcsicn angefangen, so isi das Pfcrd von dcr Race Le»-K; umfasist du drei, von dcr Nacc Noon^ilil. Sind cs endlich nnr zwei, von ^den-dnil Abkunft von ^.iman-ali, Sohn des ^ditll^o, dcm Gott Gnade schenken möge. Das Pferd, welches auf dcn Schenkeln Zeichen hat, wie ein Hahncnkamm, isi von der Nacc von 5e!-8. Ic mchrdu cs schlägst, jc schneller lauft cs. 207 Pferde mit kurzen Hufen, kurzem Hals und langen Beinen sind schlechte Läufer, und vcrab-schenen das Antreiben mit den Steigbügeln. (Bekanntlich dienen diese den Morgenländern als Sporen.) Das Pferd, welches anf der Stirn einen Stern hat, der ans Weiß und Noth gemischt ist, zeigt an, dasi unabänderlich der Kopf seines Herrn nuter dem blutigen Ciftu fallcu wird, selbst wcnn er es immer im Stall stehen lassen würde. Pferde, die einen schwarzen Strich über den Rücken vom Wiedcroß zum Schweif haben, fürchte nicht. Der Hengst mit wcisien Flecken anf der Croupe und auf den Echcukelu bringt seinem Herrn Glück bei den Weibern. Füchse mit vielem Weisi, oder Braune mit vielem Schwarz an den Vcincn und weist an den Ohren, sind bestimmt in die Ställe des Kbnigs zu gelangen. 208 Pferde, welche Weiß im Munde und anf de«, Lippen haben, und dabei keinen zu großen Mund, wcrdcu schneller laufen als der Wind. Die. welche verdrehtes Haar unter der Fesscl zcigcn, sind gefährlich für dic Nachbarn, denn ihre Herren werden sie immer quälen. Pferde mit einem schwarzen Flecken am Gaumen bringen auf dic Lange Unglück, sie sind bbs, beißen und schlagen, und ihre Reiter siets in Gcfakr. Solche, die wiehern, wenn sic Hunger haben, sicrbeu bald, aber ihre Herren leben lange. Pferde, die sich schnell legen und eben so schnell wieder aufstehen, sind gutc Fresser, und ihr Herr sitzt sicher auf ihrem Rücken. Dic, welche vom Anfang dcr Mahnc bis an ihr Ende einc Linie vcrdrchtes Haar haben, zcigcn für ihren Herrn Gefängniß an, aber die Gefan-gcnwarter werden ihm wohlwollen. Ein Pferd mit dicken Schultern fällt leicht. Pferde, die den Schweif nach der Seite tra- ffl& gen, bringen dcn Weibern ihres Hcrrn Unglück. Eic werde» davon sicrbcu oder verstoßen werden. Ein Pferd von Linscnfarbe zicht seinem Hcrrn dcn allgcmcincn Haß zu und wird sclbsi von Allcn verachtet werden. Die Stuten, wclchc im Stall angebunden wciftn, sind immcr in Bcwcguug, und ihr Hcll hat tcinc Ruhe auf ihnen. Pferde mit wcißcn Zähnen wic Milch, glcichcr Mundfarbc und zwci weißen Flcckcn auf dcr Zunge prophczcihcn ihrcm Herrn, daß er Gou-vcrncur werden wird. Das Pferd, wclchcs cincu Ning nm dcn Nabcl zcigt, bringt ftincn Herrn zu großen Ebren, glciä) cincm Fürsicn. Die schwarze Stute ohne alles Abzeichen bringt Unglück dcm Reiter und noch mehr sich selbst! Die Eisenschimmel mit wcißcn Flecken anf dcr Croupe sind dcn Nachbarn schädlich, ibr Hcrr wird unglücklich im Handel seyn und viel häusliches Aergerniß haben. SemUafso. III. ^ W Alle Pferde, von welcher Farbe sie seyen, wenn sie schwarze Flecke auf den Fcffeln haben, die in der Zahl paar sind, thun keinen Schaden, sind sie aber unpaar, werden es immer schlechte Thiere seyn, wcnn sie auch ihren Herren keinen wcitcrn Schaden bringen sollten. Stachclfüchsc reite nie, sic sind der Ruin ihres Herrn. Haben sie aber drei weiße Flecke anf der Brust und einen auf jedem Vorderschen-kel, so wird dic Gefahr entfernt und geht anf Dcinc Feinde über. Ein Pfcrd, dessen Blässe über der Nast unterbrochen aufhört, fällt leicht, und sein Hcrr wird abgeworfen werden, ein so gnter Reiter er auch seyn mag. Die gelblichen Stuten mit dickem Kopf und langen Ohren 'reite nicht, und leide sie keinen Angcndiick in deinem Stalle. Aber Gott macht Alles.! Ans dem Arabischen übersetzt und mitgc- 2lt theilt von I. V. Vaudin, Drogoman der Mylady Stanhope. Dic Araber und Türken glauben fest an alle diese Zeichen, und cs ist daher für jeden Europäer, der hier, cs sey nun von Arabern oder Türken, Pferde kaufen will, sehr wichlig, wcnig-sicns dic üblen Zeichcn zu kcnncn, dcnn cs wird ihm weit wohlfeilere Preise verschaffen. Dahcr hüten sich die Orientalen anch sehr, sie bekannt werden zu lassen, und verbergen sie besonders vor den Europaern sorgfältig. Diese Volker sind im höchsten Grade unwissend und abergläu-bisch, und verbergen daher ihre Pferde so viel sie können vor allen Fremden, immer in der Furcht, daß man ein übles Auge auf sie werfe, was, wie sie sagen, tausendmal schlimmer sey als die Pest: Sic fürchten dieß bekanntlich nicht nur für ihre Pferde, sondern auch für ihre Kinder, 14 " 312 und wenden viele Präservativmittel Einigc hangen Schnuren vonKamcelgarn an dm Hals ihrer Fohlen, mit cincm blauen Stcin daran, auch Hnndeknochen, Mnscheln u. s. w. Erwachsenen Pferden befestigt man den Talisman gewöhnlich in der Mahne oder dem Schweifhaar, und außerdem sind r.cch fasi alle Diener damit versehen. Wenn cin Araber einem Fremden die Gnade gewährt, ihm seine Pferde zu zeigen, so versäumt cr nicht, bei jcdem Pferde, indem cr cs firirt, den Fremden cimgc Schritte thun zu lajscn, während dem er selbst das große 3Ian. Dcs Abends in einem Gasthof der Picardic angekommen, hatte sich der jnngc Herr in die Küche begeben, wo man eben den Braten für dic Gesellschaft der Landkutsche am Spiesic drehte, welche ihn mit Ungeduld erwartete. Das verzogene Kind bckam plötzlich cinc unwiderstehliche Lust auf die Schöps-keulc zu pissen, und alle submissesten Vorstellungen warcn vcrgcbms. Die Wirthin rief endlich dic Frau Herzogin zn Hülfe. Diese schickte eine ihrer Kammerfrauen, das Kind aber weinte m:d schrie und wollte 255 nicht nachgeben. „Nun," rief die Herzogin, »liebe Frau, Ihr seht, dasi mit dcm klcincu Eigensinn nichts anzufangen ist. Sagt ihm, ich wolle cs erlauben, aber mit, dcm Be-ding, dasi cs uur von dcr Scitc dcs Knochens geschieht, dcnn man darf doch dcn armen Leuten dcn Vratcn nicht verderben." 14) Wenn die hohen Iusiizpcrsoncn (Iiommo« äo i'olje) im Amtscosiüme warcn, (Iiadit ion^) verlangte die Etikette bei Hofe, daß sic bei Ceremonien den Gruß dcr Damen nicht mit einem Complimcntc, sondern ebenfalls mit cincm Knir erwiederte!,, und cs musitc bei ihrer Erziehung immer darauf gesehen werden, ihnen darin schon frühzeitig Unterricht zu geben. (Es gibt doch nichts so Widersinniges, was nicht schon einmal da gcwcseu wärc. Man dcnkc sich nur z. V. unsern verstorbenen Justiz-Minister Dankelmann mit zwci seligen Präsidenten 256 seiner Zcit, dm — ich weiß nicht wie vicl Prinzessinnen bei Höft, ich weiß nicht wic vicl Kni^c machend!) 15) Dcr alte Marschall ^o88ö pflegte zu sagen: Es gibt dreierlei Menschcnartcn, dic Weißen, die Schwarzen nnd die Prinzen. Itt) Dic Marschallin von Noailles unterhielt cine snivirtc Corrcspondcnz mit dcr Jungfrau Maria. ") Sie legte die Briefe an einen gewissen Ort, und fand sicts dic Antwort, welche wahrscheinlich ihr Beichtvater verfaßte. Zuweilen fand sie sich von dcr großen Familiarität dcr Mutter Gottes ctwas chokirt: »Ma cherc Marechale et ä la troxsicme ligne encore, fagtc stC nttt fst»cvfii|lcr SDJicttC, il Jaut convenir quo ce sormulaire est un peu familier Otl Vendome, on ne saurait le deranger aprčsent, on il cst occupe ä faire ses reponses* In einem andern Saal fungirt die Akademie der joux lioraux. Er ist mit der Statue von Olomence 58auro geschmückt, Welche dieses ächte Roscnfest stiftete, denn nach ihrem Testament mußten die Erben, bei Verlust der ganzen Erbschaft, jahrlich Rosen auf ihr Grab streuen. Man hat das Project, dem Capitol gegenüber ein neues Theater als pendain zn bauen. 373 Wenn diesi ausgeführt wird, so werden wenig Städte einen schönern Platz besitzen. Er hat schon jetzt das Eigenthümliche, dasi alle Abend, wenn das Wetter es crlanbt, ein Markt bei Licht mit unzähligen Papierlaternen, wie in China, darauf gehalten wird, was einen sehr heitern Effekt macht. Die gothische Calhedrale, welche unvollendet geblieben isi, und eigentlich aus drei verschiedenen, nach einander gebauten und vcrbundnen Kirchen besieht, hat noch schone, aber leider schlecht resiau? nrtc bunte Glasfensicr. Sonst bietet sie wenig Merkwürdiges dar. Desto mehr dagegen die Kirche von St, Sernin oder Saturnin, die ans dem vierten Jahrhundert hersiammt, zur Zeit der Albigenscr zwar znr Hälfte zerstört, abcr ganz nach dem alten Plan wieder im romanischen Styl aufgebaut wurde. Sie ist ein ausgezeichnet schöucs Spezimen dieser Bauart mit einem merkwürdigen, achteckigen, in einer Spitze endenden, Taubenschlagartigcn Thurm, der denen des Doms Semilasso. M. 18 274 zu Vambcrg ctwas gleicht, aber größer und reicher verziert ist. Prächtig erscheint der vielfache Bogcnwald im Innern; das Chor ist gemals, die Pfeiler auf hellblauem, dic Dcckc auf Goldgrund. Viele uralte Sculpture« befinden sich hier, und iu der unterirdischen Kirche, in der man wundcrbarerweise einige Spitzbogen findet, während im übrigen Gebäude alle rund sind, bewahrt mau die Gebeine mehrerer Heiligen nebst gemalten Holzbüstcn derselben auf. In der Revolution verbrannte man die sehr reiche und an alteu Nachrichten wichtige Bibliothek der Kirche und zerstörte auch viele Monumente, dic leider jetzt durch sehr geschmackloses modernes Zeug ersetzt worden sind. Eine andere alte Kirche in demselben Styl nnd mit cinem ähnlichen Thurm, früher dem heiligen Jakob gewidmet, dient jetzt der Artillerie zum Stall! Doch was ist am Ende dabei? Dic Pferde fressen im Gotteshaus, wie wir ander» gefräßigen Creature» alle täglich im grosien Gotteshaus der Welt. H75 Dic colossale Mühle, deren ich schon erwähnte, isi höchst sehcnswerch. Ohne in ein Detail darüber einzugehen, was meines Amtes nicht isi, muß ich doch sagen, dasi sie zu jenen industriellen Wundern unsrer Zeit gehört, die man nicht ohne cin gewisses freudiges Staunen betrachten kann. Fast dasselbe gilt von einer, durch schöne Maschinen getriebenen Scnscnfabrik. Abends sah ich im Theater den Barbier von Rossini besser aufführen als ich ihn je auf cincr französischen oder deutschen Vühnc gesehen habe. (Die Italiäner in Paris rechne ich natürlich nicht mit.) Er wurde nicht allein vortrefflich gesungen, Chöre, Orchester, Alles sehr brav, sondern auch ausgezeichnet gut gespielt. Dcr Graf, dcr Doctor, Basil und Nosmc, ließen nichts zu wünschen übrig, Figaro war gut, aber nicht so ausgezeichnet als die übrigen. La Feuil-ladc sang den Grafen, Mademoiselle Bmhaud vom Conservatorio, Nosine. Ihr Gehalt ist 2^,000 Franken. Für eine Provinzialstadt allcr 18 " 276 Ehren werth. Man liebt und versteht aber Mnsik in Toulouse, wie cs scheint. Die Oper machte mir vicl Vergnügen, denn diese herrliche Musik bedarf einer meisterhaften Aufführung, wenn sie nicht die Hälfte ihrer Grazie einbüßen soll. Ich bin überzeugt, wenn Mozart wieder aufleben konnte, er wäre der Erste, der den unvernünftigen, cckclhaft pedantischen, deutschen Dctractcurs der lieblich genialen Musik Rossini's das breite Maul stopfen, und ihnen durch Auto? ritat beweisen würde, daß cs seit ihm selbst kein schöneres Genie für dramatische Mnsik gegeben habe. Ein sonderbar originelles Geschöpf von Lohn-bedicnten war mir in Toulouse zu Theil geworden. Ein alter Portugiese, der schon seit 30 Jahren in Frankreich lcbtc und noch immer nur gebrochen franzosisch sprach, und so unwissend war, daß er Havannah für eine französische Tabaksfabrik hielt, und außer Lissabon, Paris nnd Tonloust von keiner Stadt wnßtc, in welchem Lande sie lag. 377 Als ich ihm auftrug, mich nach dcu Ucberresicu dcs Oil-^u« Hom^n, wie mau hier das alte Theater nennt, zu führcu, brachte cr mich zu dcu englischen Kuusireiteru, uud als ich ihu frug, ob cr vcrhcirathet sey, erwiederte cr: I>lc>n, ^o «uis un Nomine, was Junggeselle iu seiner Spra6)e bcdcutcu solltc. Uugcachttt dicscr Iguoranz iu allcu Diugcu, politisirtc cr doch, uud da cr, Gott wciß wic, von Ibrahim gchört hatte, dcn cr mit Mc-hcmcd Ali verwechselte, behauptete cr: que c'etait un grand Roi, puisqu'il ne s'occupait que de la generation de son pajrs, Kurz, es war der amüsanteste Lohulakai, dcu man finden kouutc, uud dabei ciuc gute, ehrliche Haut. Spitzbübische Nechnuugcn wäreu ihm übrigens schwer geworden, da er wcdcr schreiben noch lesen konnte. Es freut Einen ordentlich in unserm übcrstudirteu Zeitalter, noch solche unschuldige alte Wesen zn finden. Am andern Morgcn begann ich meinen Spa-ziergang mit dem Arsenal, das besonders reich 278 a» Mörsern und Kanonen ist. Der Wassensaal gleicht nur einem ordinaire« Schüttboden, doch waren die Waffen selbst gnt gehalten und aufgestellt. Interessanter ist das neue Museum, welches in einem alten Kloster eingerichtet wird, und hinsichtlich dieser Localität einzig in seiner Art zu wcrdcu verspricht. Besonders auffallend sind die sogenannten c!oitro8, cin grosser viereckiger Platz mit umherlaufenden, sehr wohl erhaltenen und herrlich gearbeiteten gothischen Arcadcn. Längs den Rückwänden dieser ist auf Gestellen ans rothem nnd weißem Marmor eine bedeutende Sammlung in dem Departement ausgegrabener ibmischcr Alterthümer aufgestellt, und der Rasenplatz in der Mittc enthält uutcr schonen Baumgruppen eine große Menge Monumente aus dcm Mittelalter und etwas späterer Zeit. Das letzte ist das Grabmal des geköpften Moutmoreucy. Die Statuen sotten in der ehemaligen gothischen Capelle aufgestellt werden, nnd die Gemälde in der Kirche, welche zu einem Saale umge? «79 schaffen worden ist. Der größte Theil der Gemälde war noch eingepackt, nur einige neuere hatte man aufgestellt, unter denen mir eins sehr wohl gefiel: Ludwig dcr Zwölfte, welcher Franz den Ersten auf seinem Todtcnbcttc segnet. Die Krone liegt auf einem Sessel am Bette, und der prachtvoll gekleidete, von Jugend nnd Schönheit glänzende Prinz, dcr vor dem Bett auf den Knieen liegt, hält sic fest im Augc, währcnd der sterbende König ihm die Hände auflegt. Ich beschlost die Tournee mit dem clnttcau, ll'eüu, welches die Stadt dem Minister Villele und dem damaligen Maire, Herrn von Montbel, verdankt. Es ist ein weiter, elegant gebauter Thurm, in welchem das Wasser dcr Garounc durch Räderwerk siebzig Fust in Röhren hinauf getrieben wird, und dann in andern wieder herabfällt, aus denen es in der ganzen Stadt vertheilt wird. Gegenüber liegt das Spital der onlunz trouveg mit einem sehr malerischen, von Ephcn ganz überwachsenen Portique. Unter diesem befindet sich eine Oeff- 280 mmg in der Maucr, wo dic Kinder hineingelegt werden. Mau klingelt nur, worauf ohne dasi sich Jemand blicken läßt, durch cin Rad im Innern, das dcr Portier dreht, das Kind hineingezogen wird. Gewiß verhindert diese wohlthätige Einrichtung manchen Kindcrmord. Den letzten Tag meines Aufenthalts in Toulouse widmete ich einem Spazierritt in der Umgegend und der genauen Besichtigung des sehr interessanten Schlachtfeldes vom ziont äcs ve. inl,i«olll?8 an, den Ncdouten entlang, bis an den pont ^uincnu. Ehe ich die Stadt verliest, vergaß ich auch nicht, mehreren Gourmands im Vater-lande Entenlcbcrpasictcn aux trnN'e» zu schicken, deren cine so unermeßliche Menge von hier aus in die Wclt gehen, daß unter andern nur in meinem Gaschofe schon seit 11 Tagen täglich 200 derselben angefertigt wurden. Ich habe die ganze Reise von Tarbes bis Marseille vollkommen aristokratisch in der Diligence gemacht, denn da jetzt nur sehr wenig 281 Menschen reisen, und namentlich die commi« vo)'2ßour8 noch nicht losgelassen sind, was nur im Frühjahr nnd Herbst in Massen statt findet, so hatte ich immer den Coup« für mich ganz allein. Auch waren die Wagen ziemlich elegant, in einigen sogar Spiegel. Dagegen fnhr man ziemlich schläfrig, spannte sehr langsam um, und in jeder Stadt hielt das Octroi, cinc bei uns überall abgeschaffte Schererei, gewöhnlich cinc Stunde lang auf. In Carcassone ist die alte Stadt höchst merkwürdig. Sie liegt, ganz von der nenen isolirt, auf der Crete cincs langen Hügels, großtcnthcils in Ruinen, und ist ringsum mit doppelten und dreifachen thurmhohcn Mauern, zum Theil noch aus Carls des Grosien Zcit, umgeben, so daß mau nur das Schloß, die Cathedrale und einige Thürme, Alles verfallen, darüber hervorragen sieht, so wie den etwas entfernter liegenden Var> bekan. Das Ganze erscheint wie cinc ungeheure zerstörte Riesenburg. Wenn man den Hügel 282 hinangesticgeu ist, und durch die bedeckten Gänge und Thore in das Innere tritt, erregt cs cin seltsames Gefühl, in eine fast ausgesiorben scheinende Stadt zu kommen, in der sich vielleicht kein Haus befindet, das nicht mehrere Iahrhun? dcrte zählte, nnd seit dieser Zeit kaum eine Veränderung erlitten hat. Von außen sieht man das Mittclalter nur wie eine Rnine, von innen ist cs noch gegenwärtig, und selbst die Tracht der wenigen Menschen, denen ich begegnete, schien mir von der heutigen abzuweichen. Es brauchte weit weniger Anwendung der Einbildungskraft a!s auf dem Theater, um mich vielleicht mehrere Jahrhunderte zurückversetzt zu glauben. Auch vcrgasi ich so sehr alles um mich her, dasi ich nahe daran war, die prosaische Diligence zu versäumen, die mich schon eine Viertelstunde vorwärts auf der Strasie erwartete, und mich durch einen schmahlcndcn Voten holen licsi. Narbonnc, Mark Aurcls Vaterstadt, wo die ersten Oclbäumc erscheinen, ist ebenfalls uralt. 883 Dic Stadtmauern scheinen zum Thcil noch römischen Ursprungs, auch gibt es mehrere andere Uebcrresie aus dieser Zeit. Die Cathedralc, in einem ricsenmaßigen Masisiab begonnen, und aus großen Quadcru aufgeführt, ist leider kaum zur Hälfte fertig geworden. Sie hat sehr schöne bunte Fenster, prächtige Gewölbe von außerordentlicher Hohe, nebst einer berühmten Orgel. Philipp der Kühne liegt in ihr begraben. Einige Meilen von hier nach Spanien zu ist das berühmte Schlachtfeld, wo Carl Martell 737 die Sarazenen zurückdrängte. Dennoch nahm erst einige 20 Jahre nachher 759 sein Sohn Pipin ihnen Narbonne ab. Spat Abends erreichte ich erst Vezicrs bei harter Kält». Man bemerkt wahrhaftig keineswegs, daß man an lnicü ist, außer daran, daß kein Fenster und keine Thüre schließt, und nirgends ein Ofen ist, so daß man zehnmal ärger friert als bei uns. Von Vezicrs Citadelle ward ich zum erstenmal wieder des Meeres ansichtig, das ich ziemlich 284 lange nicht gesehen hatte. Es ist immer cine angenehme Emotion! Die Aussicht von dicscr Höhe muß im Sommer sehr schon seyn und zeigt das Mccr an drci vcrschicdncn Puncten, und nach Versicherung meines Lohnbedicntcn auch in vcrschicdncn Farben, an dem cincn weiß, am andern röthlich, am dritten blau. Ich konnte den Grund davon nicht erfahren, obgleich mir die Sache auch von Andern bestätigt wurde. Heute ließen Nc-bel nur sehr wenig von dcm blauen Wasser sehen. Die Cathcdralc ist in mehrcrcr Hinsicht merkwürdig und hat viel Metamorphosen erlitten. Zuerst war sie cin dcr Livia, Gemahlin Augusts, zu Ehren errichteter Tempel, dessen unterirdischer Theil bis zum Fusi dcs Felsens hcrabgcrcicht haben soll. Nachher machte man eine christliche Kirche daraus, spater wandelten dicfe die Mont-morcncy in ein ftstcs Schlosi um, und zuletzt ward die Festung wieder zur Kirche und Bischofssitz. Alle diese Verwandlungen habcn den Gebäuden ein ganz originelles Anschn gegeben, das Etwas 283 von jedcr ihrcr früheren Bestimmungen an sich trägt, und noch durch die glückliche Lage auf dem erhabensten Theile der Stadt gehoben wird. Das Innere bietet wenig Erwahmmgswerthcs dar, einige bunte Fenster ctwa ausgenommen, die fast die Dessins orientalischer Teppiche wiederholen. Ueberall in den engen, alterthümlichcn Strasien, stößt man auf rdnnschc Ucberrcste. Der Gasihof selbst in dem ich wohne, ist die alte Wohnung des Proconsuls Sirius, und daneben hat sich noch ein antikes Fenster mit fünf nicht übel gearbeiteten Statuen crhalteu, welches, weun auch nicht von ausgezeichnetem Werth, doch den Charakter jener individuellen antiken Eleganz trägt, der in neuerer Zeit durch den Fabriksiyl eigentlich ganz verloren gegangen ist. Ein Spazierritt längs des canal <1u miäi ergötzte mich, ungeachtet der ungünstigen Jahres? zeit und des eiskalten Windes, dcr mir ins Gesicht blies. Der Canal schlangelt sich in angenehmen Winduugcu abwechselnd durch Felder und Felsen, 386 ist fast überall mit Alleen von Platanen, Rüstern, Akazien nnd Kastanien eingefaßt, unter denen cin wohl unterhaltener Parkweg längs desselben hinführt. Neun Schleusen treiben die Schisse cincn steilen Hügel hinan, nnd anderthalb Stunden von der Stadt ist ungefähr 600 Schritte weit cin Felsenbcrg gesprengt, den der Canal in einer schönen Grotte unterirdisch durchströmt. Mehrere pittoreske Brücken sichren über das Wasser, und auf dem Rückweg bietet Vczicrs auf seinem stciuigen Hügel mit der burgähnlichcn Cathcdrale, manchen schönen Gesichtspunct. Vci immer zunehmender Kälte (5 Grad) kam ich früh um 5 Uhr am andern Morgen in Montpellier an. Es ist meine Gewohnheit, so wie ich den Wagen verlasse, zu welcher Stuude es sey, mich in dem Orte umzusehen, während mein Bedienter meine Effekten besorgt und meine Stube einrichtet. So begab ich mich denn auch hier sogleich auf die Esplanade, cincn der schönsten und weitläufigsten Platze zum 287 Gehen und Reiten, wie ihn wenige Städte in ihrem Innern einschließen. Ich sah von hier die Sonne anfgehcn, und wohnte dann den Uebungen der Artillerie bei', welche fingirten die Citadelle zu belagern, Tranchecn eröffneten. Schanz-körbe aufstellten u. s. w., wobei sie die Erde, welche schon tief gefroren war, mühsam aufhauen mußten, ein russisches Mauövcr im mittäglichen Frankreich. Von hier begab ich mich nach der?Iaco öu r^i-ou, dessen herrlicher Aussicht Sie sich gewiß erinnern. Man'ist jetzt beschäftigt, diesen Platz nach Art der englischen squares, mit eingeschlossenen skrukderlt?« und Blumen-Parterres zu schmücken, ciuc grosic Verbesserung, denn bisher stach die Leere des Platzes selbst unangenehm mit der Pracht seiner Umgcbnng und dem ganz italiänischen Panorama ab, das diese darbietet. Im iaräm äe« pl^ntes fand ich einige schöne Ercmplarc der Hänge-Cyprcssc und mehrere 288 Camclicnbaume accllmatisirt, die hier ohne Obdach bis 6 Grad Kälte aushalten. In den Häusern waren die Wände mit der schdncn 8o!anäa Ai-an-äillora bcdcckt, die gleich der Datura blüht; der Kamphcrbaum, der I^^l-u«, der Zimmtdaum, eine Palmcnart, die wahrscheinlich die erste Idee der gewundenen Treppen gab, wcil ihre Aesie in dieser Art wachsen, nebst vielen andern Seltenheiten wuchsen hicr in üppigen Exemplaren, aber der Upas, dcu wir gesthen, war nicht mehr vorhanden. Ich übergehe, was wir früher besucht und erwähne nur Ncucrcs. Das kostbare Cabinet der Wachsapparatc in der ieoie äe määocino hatte sich mit vielen hbchst merkwürdigen Abbildungen vermehrt, unter andern eine famose Geschwulst, welche den ganzen Unterleib durch eiuc 20 Pfund wiegende Masse Fleisch gänzlich umschlosscu und unsichtbar gemacht hatte, und welche von dem berühmten Delpechc glücklich opcrirt und gänzlich abgelöst 289 wurdc. Sic haben in dcn Zeitungen das tragische Ende dicscs Mannes gelesen, aber der Grund seiner Katastrophe ist nicht bekannt gemacht worden. Er hatte auch einen jungen Mann ans Vordeanr in Folge der Olgirvnyam» machenden Krankheit opcrirt, und was man sagt glücklich, obgleich nur zur Hälfte. Ein Jahr darauf wollte der junge Mann heirathcn. Die Sache war so gut wie lichtig, als es dem Vater der Braut einfiel, noch bei Herrn Delpcchc Erkundigung über das Betragen des jungen Menschen wahrend seiner Studienzeit in Montpellier einzuziehen. Der Arzt beging den Fehler, denn ein Arzt muß discrct wie ein Beichtvater seyn, zu entdecken was statt gefunden. Der Vater brach hierauf die Verbindung ab, und der unglückliche Jüngling, dem seine Vrant selbst das Geheimniß verrieth, beschloß zu sterben, aber nicht ohne Rache. Er reiste nach Montpellier und, mit zwei Doppclpistolcn bewaffnet, lauerte er dem vcrräthcrischen Arzte auf, als er im Cabriolet Stmilasso. »II. 4.9 290 seine Morgen-Tournee begann. Sein erster Schusi tbdtete Herrn Delpcchc auf der Stelle, da cr aber seiner Sachc ganz gcwiß seyn wollte, schoß cr noch einmal in den Wagen hinein, und todtere mit dcm zweiten Schnß dcn Bedienten des Doctors; gcwiß cin unerhörter Fall, daß zwci fast aufs Gerathcwohl losgedrückte Läuft, jeder dcn innmdiaten Tod brachte. Die zwci andern trafen des Mörders eignes Gehirn. Was sagt Ihre Moralität dazu? Ich kann den jungen Menschen nicht tadeln, ja es ist sehr möglich, daß ich an seiner Stelle dasselbe gethan hatte. Es ist mir immer ein Gra'ucl gewesen, wenn ein in seinem Heiligsten angegriffener Mensch sich selbst tbdttt, ohne vorher an feinem Verdcrber Rache zu nehmen. Dieß ist keine Tugend, cs ist cinc unverzeihliche Schwäche. Für die Wissenschaft war cs übrigens ein tranrigcs Ercigniß, denn an Herrn Delpeche verlor Frankreich einen seiner größten Chirurgen und nach Herrn Dupuytrcu 291 stinen berühmtesten Operateur. Schade, daß ihm die Discretion febltc! Ich hörte in dem eleganten Amphitheater cincn Theil der Vorlesung des sehr beliebten Physiologen Lordat mit an. Er saß auf cincm Sessel von antiker Form in schwarzer Robc mit cramoisinrothcn tiefen Kragen, und verbrämte seinen Vortrag mit vicleu witzigen Scherzen. Wenn Jemand zwei Weiber liebte, sagte er unter andern, wovon die cine vorzügliche Eigenschaften, die andere vorzügliche ^^"nontg hätte, so würden Lcutc von larcr Moral ihm rathen, die eine zur Frau, die andere zur Maitrcssc zn nehmen. Er sey mm zwar weir entfernt, den jungen Herrn einen gleichen Rath mitzutheilen, was das schone Geschlecht betraft, wenn cs sich aber bloß um die Wissenschaft handle, sey cs etwas Anderes, und da glaubte er ohnc Gewissensbisse ihnen vorschlagen zu dürfen, die theoretische Physiologic zur legitimen Frau, die prattische abcr zur unterhaltenden Maitrcssc zu erkiesen n. s. w. 19 6 HV2 Der Maler Fabrc, ciu Kind dcr Stadt, hat dieser scinc Kunstsammlung und sein Vermögen hinterlassen, und dadurch ein Museum für Montpellier gesiif-tct. Die Gemäldesammlung enthält zwei Raphaels. Wcr's glaubt wird selig. Es befand sich aber c i n Bild hier, angeblich von Rubens, was ich auch bezweifle, das mich aber mchr anzog, als dic meisten Gemälde dieses mir, wegcn dcr Gemeinheit seiner Formen, gar nicht angenehmen Künstlers. Es stellt nichts weiter dar, als Christus allein am Krcuz und cinc Frau Maria oder Magdala, die weinend das Krcuz und des Gekreuzigten Füße umfaßt. Fürs Erste muß man von der Idee, daß es ein Christus sey, ganz absirahircn, denn dic Figur hat gar nichts Heiliges. Sie gleicht weit mchr dem Laocoon. Man denke sich irgend einen starken, kraf« tigen, wundervoll in jeder Muskel dargestellten Mann, in d«m dcr wüthcndstc Schmerz, das uncr-träglichstc Leiden — denn er schreit — dennoch cdcl aber in dcr höchsten Wahrheit dargestellt ist. Diese meisterhafte Figur kann von Rubens seyn. abcr unmöglich das Wcib unter ihr, cin Engcl au Grazie und Licbrciz, welche die Thränen und der tiefste Seclenschmcrz zu einer noch himmlische? rcn Schönheit steigern, gewiß cine der schwersten Aufgaben für den Künstler. Colorit, Zeichnung, Stellung, Alles vortrefflich, wie auch die hohe Einfachheit der Composition noch das Rührende des Bildes unendlich vermehrt und dauernder wacht. Unbedenklich würde ich die übrige Gallerte für dieses einzige Gemälde hingeben. Trotz Müdigkeit und Kälte unternahm ich Nachmittags meinen gewöhnlichen Spazierritt. Man hatte mir gesagt, unter den Landhäusern in der Umgegend sey Verunc das schönste, ich dirigirtc also dahin zuerst mein Rosi. Die Distance ist ungefähr anderthalb Stunden, das Laud ziemlich öde und kahl, die Anlage selbst erbärmlich; weder regelmäßig noch unregelmäßig; schlecht unterhalten, geschmacklos, einige alte Kasianienallecn, ein schlammiger Graben, cin 6,1 llumoonce gepflanzter Platancnhain, cin trau- 294 rig odes Schloß — v«il» iouU Acrgcrlich eilte ich zurück und uahm meinen Wcg uach cincr andern Seite, nach dcr Insel Magucllonne, dic cin Mccrarm, dcr cinc Art Teich bildet, vom Lande trcunt, und auf dcr von ihrcr altcn Herrlichkeit — dcnn ciusi lebten 30,000 McnDeu darauf — nur noch cine verfallene Kirchenrumc sieht. Ich wollte hinübc» schissen, aber cs ging nicht — weil das Meer gefroren war.. Ueber das Land sage ich Ihnen nichts, dcnn Sie kennen cs, von Weitem schön, von Nahem haßlich, und jedes Dorf cinc halbe Ruine vollcr Schmutz und Elend. Als ich den Tag darauf nach Luuel fuhr, erkannte ich den Platz mit heimwehartigen Gefühlen wieder, wo wir vom Esel sielen; ich trank cin Glas Muskatwcin anf Ihre Gesundheit und seufzte über die 25 Jahre, die seitdem dahingegangen'. Aber Nismcs erfreute mich. Während wir qcattcrt, hat sich dicß verjüngt. Sie würden 295 cs nicht wieder erkennen. Das Amphitheater, Welches hundert angebaute Hütten von außen und inncn kaum entdecken ließen, sieht jetzt frei nnd thcilwcisc rcsiaurirt, von aller Art Uuralh gesäubert und von eisernen Gittern geschützt, auf einem schönen Platze da, eine imposante, Ehrfurcht cr-weckcudc Masse. Man fährt jährlich mit den Reparaturen fort, die sehr vc» ständig gemacht werden, und benutzt cs zugleich für alle Art Schauspiele im Freien. So gab vor wcnig Wochen erst Martin hicr Vorstellungen mit seinen iöw^n, Tigern und Hyänen, die sasi die alte Zcit vergegenwärtigt haben müssen. Man sieht jetzt sehr genau die ganze Construction und Ein? theilnng, nnd bewundert die Riesensteine, welche ohne Mörtel auf einander geschichtet, ft vielen Jahrhunderten und gewaltsamer Zerstörung widerstanden haben. Die vielen Ein- und Anögange, immer einer in der zweiten Arkade, sollten in unsern neuern Theatern zur Verhütung der Feuergefahr nachgeahmt werden. Auch die ma!«on ^narres ist gänzlich frei geworden, mit cincm gcqnadcrten Platz und gi-illo umgeben, und innerhalb dicser rnnd umher hier ausgcgrabcne antike Fragmente aufgestellt worden. Der Tempel selbst ist vollständig reparirt, und das Innere zu cincm Museum benutzt worden. Die Kosten dicser Ergänzungen haben übcr 800,000 Franken betragen. Ei« Platz mit eleganten Faoadcn hat sich auf allen vicr Seiten gebildet, deren cine die Colonnade des neuen Theaters einnimmt. Einem fo guten Modell gegenüber hätte man wohl glücklichere Proportionen wählen können, denn die Säulen des Profils sind sehr plump gerathen. Die wunderbare Erhaltung der maison quarre« ist wohl hauptsächlich dem Umstände zu verdanken, daß sie beständig im Gebrauch war, bald als Lazareth, bald als Kirche, 120 Jahre als Stall des Marquis dc Chaptc, als Gctreidcmagazin u. s. w. Einmal wurde das ganze Grundstück von cinem Bürger für 100 Franken erstanden. 297 der cs viclc Iahrc besessen. Ictzt dient, wie gesagt, das Innere als Museum für Gemälde, einige Antiken und Gypsabgüsse, Alles untere einander ziemlich ungeschickt aufgestellt-. Den Boden ziert ciuc schöne antike Mosaik, aus mehreren einzeln gefundenen zusammengesetzt. Unter den Gemälden gefiel mir ein Portrait des Marschall Villars, ein Palmavechio und vor Allem einigc allerliebste Genrebilder von Colin, namentlich cinc junge Griechin, die, in eincr wilden Landschaft hingeworfen, über ihrem ermordeten Kinde weint, cinc reizende, gefühlvolle Composition. Der Concierge des Museums, ein gebildeter Antiquar, handelt selbst mit Antiken, und seine Privatsammlung übertrifft das Museum. Ich sah hier höchst interessante Sachen, besonders ausgezeichnet schöne Glasvasen, originelle Bronzen, einige vorzügliche ettuscische Vasen, auch mehrere sehr wcrthvolle Fragmente in Marmor, so daß ich mir meine weite Reise recht lebhaft ver- m gegenwärtigen musite, um mich nicht zu bedeutenden Ankäuftn verführen zn lassen. Dic grosic Promenade mit dem Tempcl der Diana und der sogenannten Fontaine, den ehemaligen Bädern des Augustus, mit einer Pro-fllsion von Immergrün geschmückt und dichten Kasianicnattccn bedeckt, ist ebenfalls in nichts mehr dem gleich, was wir früher gesehen, denn erstens ist sie sehr vergrösiert worden, zweitens sind die kahlen Felsen, die sie umgeben, und in deren Mitte die wnr mag"^ sicht, auf das Herr-lichsie bepflanzt worden, wodurch man das Ganzc zn einem der schönsten Stadtgarten, die es gibt, erhoben hat, der meines Erachtens der pineo äu re^ron in Montpellier weit vorzuziehen ist. Als einziges Störende erscheint der Telegraph, den man mit einem abscheulichen modernen Unterbau, ganz ohne Nolh anf die Spitze der wui- «nag«« placirt hat, eine wahre Varbarei, die noch obendrein die unangenehme Folge nach sich zieht, daß man dicse schone Ruine nicht mehr besteigen darf, und so der hcnlichcn Aussicht von ihrem Gipfel verlustig geht. Da cs Sonntag und sehr klarcs, wiewohl kaltes und windiges Wetter war, so belebte diesen rcizcn-dcn Erdflcck uoch cine bunte Mcngc Spaziergänger, unter dcr sich manche südliche Schönheit mit schwarzen Augen und Locken be-merklich machte. Als ich in die Stadt zurückkehrte, um die gothische Cathedrale zu besichtigen, fiel es mir auf, an ihrer Faoade die deutlichsten Spuren zu bemerken, wie der sinnige Banmeisier hier iu den angebrachten Verzierungen von den antiken Vorbildern, vielleicht unbewußt, influirt worden war. Er hatte nicht sclavisch nachgeahmt, aber offenbar in seinem Styl die Reminiscenz anf höchst graziense Weise mit verarbeitet. Nicht weit davon befindet sich cine protestantische Kirche, die man hier allgemein mit dem heidnischen Namen Tempel belegt, ohnc dasi sie doch durch ihre Bauart diesen Namen verdieute. ZM Ehe ich Nismcs verlasse, must ich noch cin lobendes Wort übcr dic Gasthöft sagcll, die im mittäglichen Frankreich vortrefflich sind. Hätte» sie dichte Fenster und Thüren, so wären sie, voll, kommen, aber es ist anch mcinc Schuld, im Winter hier zu reisen, auf den hier kein Mensch eingerichtet zu seyn scheint. Der Tisch ist überall vortrefflich, nnd ich beneidete fast einen Fremden, der mir erzählte, er habe lange an der seltsamen Krankheit gelitten, täglich fünf bis sechs Mahlzeiten einnehmen zu müssen! Zwei bis drei sind für dic Franzosen gewöhnlich, mcinc schwache Natur muß sich mit cincr begnügen. Veaucaire, mit seiner prächtigen Hängebrücke, sahe ich nur bei Mondschein, die Statue des guten Königs Rcn<5 in Air nur im Vorbeifahren. Anf der bezanbernden Visia vor Marseille dachte ich lcbhaft Ihrer, und mein erster Gang in Marseille war zu unserm wohlbekannten Resiau, ,ateur in der ruo valon, der noch immer siorirt. Dann bcsnchte ich die Stclle, wo ich in thö, 30l nchter Laune meine Tagebücher im Haftn vcl, senkte, und rief Ihncn mit tiefer Wehmuth cincn herzlichen Grusi über Meer und Land nach dem entfernten Pommern zu. Gott behüte Siel Ihr treuer Freund H. S. 30s .Llinlzehnter Vriet An die Frau Srät'in von ö . . . . .^ W Marseille, den 3!. December iW^^ Meine theure Mutter! ,.M Ich hoffte, Dir cms Doincm zwcitcn Vater-landc cincn recht ftöhlichcn Vricf zu schnib^n, ich wolltc von Marftillc aus Dcin schbncs Schlosi in Alais bcsuchcn, das cin unqünsiiqcs Schicksal mich, »un schon zum zwcitcnmal iu ftiucr Nähc, immcr zu schcn verhindert — als der Tod mit seinen Fittigen mich in Marseille unnvehte, und der tiefste Schmer; mich fast zu Allem unfähig machte. Mit Sehnsucht hatte ich nach den hier für mich aufgehäuften hundert Briefen geschickt, und was musitc ich in ihnen finden! Fünf der bettübendsien Todes-Nachrichtcn, unter denen, wie ein Blitz ans heitrem Himmel, mich die Schreckens-künde von Bianca's Verluste traf, fast die jüngste, blühendste, lebenslustigste meiner geliebten Schwestern, die ich seit Jahren nicht gesehen, und nun nimmer, nimmer mehr sehen soll. — Ach, solche Trennungen sind furchtbar! und was muß Dein Muttcrhcrz dabei leiden. Ich wage kaum meinem Schmerz Worte zu geben, um den Deinigen nicht noch mehr zu erregen, auch weiß ich wohl, wie unnütz Klagen sind, wie man leinen Todten, sondern nur die Ueberlebenden bedauern sollte — aber im Moment eines so herben Verlustes verläßt uns alle Philosophie! Unser bester Trost liegt in der Religion. Da müssen wir ihn snchen nnd im Staube Gottes W Willen uns fügen. Was ist, must ftyn. Er weiß warum. Ich kenne Dich ja, mcinc gclicbtc Mutter, Du bist stark und fromm, wie cs dcm edlen Weibe, dcr Matrone zicmt, Du wirst den Zoll dcr Thränen dcr geliebten Tochter weihen, aber auch dcm fecleutödtenden Schmerz zu ge-bietcn wissen — denn noch viele andere Deiner Kinder bedürfen Dciner Liebe, bedürfen cs, Dich ruhig und gefasit zn wissen. Es endet traurig, dieses Jahr — anch hicr hanst um mich die Cholera, und man bcgcgnct nur ängstlichen Gesichtern. Fast erstirbt mir dcr Glückwunsch zum neuen Ialir auf den Lippen bei soviel Kummer! doch sieh' ich zum Himmel, dasi cs scin Rachschluß scyn möge, Hcil und Segen, Trost und Ruhe auf Dich herabzusenden; für mich — für mich bitte ich um nichts. Mir ware vielleicht wvhler als bcr armen Bianca im Grabe. Gestern stieg ich zum I^oi-t Nolr« l>»me <1e Ia Kai-ä« hinauf. Dic Sonnc sank blutrorh ins Mccr, mcin Auge heftete sich uur auf trübc Ge? 305 gcnsiände, das Lazarett), die Gefängnisse von ^ilateau ä'Ik — und meine Seele färbte die Landschaft schwärzer als dic schnell einbrechende Dämmerung. Ach, anch um die Natur zu genießen muß man froh und heiter seyn! Unser Consul, Herr Roulct, ciu sehr liebenswürdiger Manu, ist voller Artigkeit für mich. Er hatte mich heute zu Tisch eingeladen und dic Attention für mich gehabt, unter den Gästen mehrere zu wählen, die den Orient kennen, um nur mancherlei Auskünfte über meine nahe Reise zu ertheilen; ich bin aber so abgestorben für Alles, daß ich kaum von seiner Güte Nntzcn zn ziehen fähig war. Dazu ängstet es mich, von Dir noch keine Nachricht zu haben, und ich verlasse so Europa mit doppelt schwerem Herzen! Semilasso. IN. 20 306 Toulon, den 10. Januar 183). Ich habc dicscn Brief liegen lassen, weil ich eine Wochc hier krank mcinc Stube hütcn mnßtc, »>nd Dir doch clwas mchr, wcnn nicht Aufhci^ icrndcs, doch Zcrsircucndcs schreiben wolltt, dcnn darin und in Thätigkeit licgt bei allen Lciden dcr besic Trosi. Es gclingt mir abcr immcr noä) schr unvollkommen. Dieser Ort hat überdies für eine Hafenstadt ctwas ungcmcin Trauriges und Ocdes, obgleich die Gegend sehr pittoresk ist. 307 Vei cincm heftigen Sturm, dcr die Wellen des Meeres aufwühlte, nnd die Wolken am Himmel nnchcrtummclte, ritt ich, um ctwas Andcrcs vor mcinc Augeu zu bringen, nach dem auf cincm hohen, kahlen Felsen gelegnen Dorfe Sirfour. Als ich im Sausen des Sturms oben ankam, fand ich dort cincn schauerlich grandiosen Anblick. Eine Rninc ohne Endc, die hoheu Maucrn und der unermeßliche Trümmcrhauftn cincr ganzen Stadt lagen vor mir mit den Ueberrcsien des Schlosses der Königin Jeanne und den Resten cincr alten Kirche, noch aus dcr Zeit dcr Sarazenen zerstört. Eine herrliche Aussicht breitete sich von dicscr Statte dcr Verwüstung aus über Meer und Fels und Land, mit schroffen Klippen phantastisch gemischt, während ich mich auf dcm Söller dcs eingestürzten Thurms an die noch sichcndcn Pfci? lcr anklammern musitc, um uicht vom Winde in die Tiefe hiuavgeschleudert zu werden. Die Rhcdc von Toulon lag wie ein kleiner See zu meinen Füsien, und auf dcr andern Seite drang 20 " 308 der Vlick über den boo äo 1'ai^e hinweg bis nach den Inseln, die Marseille gegenüber liegen. Ein Garten von Oelbäumcn nnd entblätterten Reben deckte die Ebene. Nur wenige Bewohner haustn hiev in den Ruinen, wo sie sich einige armliche Wohnnngcn errichtet haben, wahre Einsiedler auf dem Felsen-ucsi, zwischen Himmel und Erde. Sie begleiteten mich alle neugierig und ftcnten sich, daß ein Fremder mit so viel Interesse und dci solchem Wetter ihre Schutthaufen durchsuchte, und das kleine Geschenk, das ich unter sie vertheilte, schien viel Glückliche zu machen. Dcn andern Tag besuchte ich das Arsenal, cin prachtvolles Etablissement in musterhafter Ordnung gehalten, alle Gebäude nicht nnr höchst zweckmäsiig, sondern auch im edelsten Styl erbaut, viele ohne Holz, nur aus Stein und Eisen coustruirt. Einen imposanten Effect macht besonders die Sciknverkstatt, die aus drei, neben einander fortlaufenden, Steinarcadcn von 1WH 309 Fuß Lange besieht, cinc wahre Theaterperspec-tive. Maschinen sind hier weit weniger angewandt, als in den englischen Arsenalen, weil man mehrere tausend Galccrcnsclavcn beschäftigen musi, die in ihren rothen Röcken und gelben Hosen, mit den nachschleppenden Ketten einen peinlichen, grellen Eindruck zurücklassen. Dock) werden sie im Ganzen sehr milde behandelt, wenn sie sich irgend gut aufführen wollen. Auch befreit man fic dann von den Ketten, und Viele genießen im Raum des Arsenals die möglichste Freiheit. Der Interessanteste unter ihnen ist jetzt Moulon, der den bekannten Diamantcndicbstahl bei Mademoiselle Mars verübte. Schon mit 160,000 Franken bis an die Grenze gelangt, ward cr noch im letzten Augenblick gefangen. Hätte cr Amerika erreicht, wäre cr jetzt dort vielleicht cin angesehe-ner Mann. Er ist ein seyr geschickter Graveur, und treibt einen bedeutenden Handel mit den kunstreichen Sachen, die cr theils aus Kokosnnsi- 3l0 schalen zu schnitzen, theils ans buntgcfärbtem Stroh zu flechten wcisi. Die Modcllkammcr, der Waft fensaal sind sehcnswerth. Am mcistcn intcrcssirtc mich aber das schöne Linienschiff, der Montcbello, vou 130 Kanonen, und die ausgezeichnete Reinlichkeit und Ordnung die darauf herrschte. Die Cajüten dcs Admirals und Capitains schienen mir ctwas niedriger und weniger reich verziert, als auf den englischen Schissen dieser Art. Ich habe in meinem Gasthof die angenehme Bekanntschaft cincs Mreote^r« üo I'ingtruonon pudli^ue on Oorzo, des Herren Dufilhot gemacht, der mir viel merkwürdige Notizen über dieses Land mitgetheilt hat, ein Land, das noch so viel Altertümliches hat und so ganz in seinen Sitten vom übrigen Europa verschieden ist. Dort müßte man tragische Stosse aufsuchen, die unter diesem Volk zum täglichen Leben gehören. Die Rache ist ihr Hauptgcsctz und dehnt sich nicht bloß auf die einzelnen Personen, sondern auf allc Mitglieder, Verwandte und selbst Freunde der 311 Familie aus. Mau hat einen besondern Ausdruck dafür, und sagt in solchem Falle: die Familie ist in venclolta. Alle welche einen Mord begangen haben, flüchten sich iu das Innere der Gebürge, und bilden dort cincn eignen Stand, Banditi genannt, den man nicht vertilgen kann, und den die ^enza'arine« um ihres eignen Lebens willen schonen müssen. Der berühmte Bandit Theodor, der sich nach dem ehemaligen König nannte, hatte deren so viel umgebracht, daß er nur mit der Vcucnuuug dcs Nangeur äe 6sn5. ä'Zrme» bezeichnet wurde. Er war ein Mmm von Vildnng und cin guter Poet. Als cr endlich erlegt wurde, fand man cin Heldcugcdicht in seiner Tasche. Sein Untergang war mit mekre-rcn merkwürdigen Umständen vnbnndcn. Nachdem er, überall umstellt, mehrere der Angreifer niedergeschossen, sah man ihn noch im Anschlag liegend todt, und lange wagten die Oonzä'armeg nicht, ihn zu greifen, immer noch ungewiß, ob cs nicht cinc letzte List sey, und cr noch einmal losdrücken würde. 312 Der berühmteste der jetzt lebenden Banditen ist Gallochio. Erst vor drei Wochen, erzählte Herr Dufilhot, wurde ihm in cincm Dorfe nicht weit von Ajaccio ein großes Fest gegeben, nnd der Maire wie der Pfarrer waren gezwungen, seinen Triumphzng zur Kirche zn verherrlichen, denn die Banditen sind keineswegs der Gegenstand des Absehens, sondern ein Gegenstand der Liebe nnd Bewunderung des Volks. Auch morden sic nur aus Rache und zu ihrer Vertheidigung, nie verbinden sic Dicbstahl damit. Charakteristisch für ihre Sittcnschildcrung ist folgende Begebenheit, die sich erst kürzlich zugetragen : Ein junger Mann hatte cincm Mädchen die Ehe versprochen und sie nachher verlassen. Da er sie nicht entehrt hatte, so legten ihm ihre Brüder bloß ein zweijähriges Enl auf. Indessen war die Rache des Mädchens nicht gesättigt, und als er nach zwei Jahren wieder kam, ergab sie 313 sich ihrem Schwager, dcr ihr schon längst heimlich den Hof machte, mit dem Beding, daß er ihren früheren Ungetreuen tödtc. Den andern Morgen erklärte er daher seiner Frau, er gehe dem jungen Mann aufzulauern, dcr ihre Schwester so schmählich verlassen. Die Brüder des Mädchens hatten aber in derselben Nacht den Schwager belauscht, wie cr zu ihrer Schwester geschlichen war, nnd harrten mm seiner selbst im Gebürgc, wo sie ihn erschossen, ehe cr sein eigenes Vorhaben ausführen konnte. Seine Frau, die nicht anders glaubte, als daß der Gegner, den cr ausgesucht, sein Mörder sey, zeigte dies bei den Gerichten an, dcr junge Mann ward eingezogen, und auf das falsche Zeugniß dcr Brüder, welche die wahren Thäter waren, verurthcilt. Nur durch eiucn unerwarteten glücklichen Zufall kam die Wahrheit noch vor dcr schon festgesetzten Erccution an den Tag. Die Brüder flüchteten ins Innere und sind jetzt Vanditi. Ein Fremder hat dagegen nichts zu befürchten, 3l4 und reist sicher, mit Gastfreundschaft von IcdcM aufgenommen, unbcwassnct durch die gauzc In^ sel. Eiu Corse, der die geringste Streitigkeit gehabt, würdc cs nicht wagen. Welche Sitten! " AIs ich heute zur tadle ä'küte herunterging, wo Herr Dufilhot und ich bci den wenigen Reisenden, die jetzt herkommen, gewöhnlich essen, fanden wir noch zwei Fremde vor. ^WW« Ich führe immer englischen Senf und Harvey sauce mit mir, poui ooriißer 1a lortune än p«t, und hatte diese auch hcutc vor mir stehen. Der cinc der Herren wollte davon ncbmen, als ibm Herr Dufilhot sagte, daß dicsc Flaschen mir zugc^ hörten. Ich eilte ihm nun selbst davon anzubieten, mdcm ich zugleich frug, ob cr cin Engländer sey? Er bejahte cs, nahm mein Anerbieten mit Dank an, verbesserte die sehr schlechte Fleischdrübc mit meiner Sauce uud versicherte, ftit London keine so gute Speise mehr genossen zu haben. «Sie kommen vou Paris?" frug Herr Dufilhos. „Nicht direct, war die Antwort, ich bade in» 315 Gegentheil an dcr Grcuzc des Königreichs Sardinien umkehren müssen, weil ich von Marseille kam nnd dcr Sanitatscordon mich, ohngcachtct aller angewandten Mühe, nnbarmhcrzig zurückgewiesen hat. Die verwittwctc Königin ist in Nizza und fürchtet sich zn sehr vor der Cholera, um irgend Jemand den Durchgang zn gestatten." „Sie sind also, begann ich, indem ich nochmals meine Sancc präsentirte, zu dcr interessanten Epoche dcr Anwesenheit Lord Vronghams in Paris gewesen?" ,,O ich bitte, erwiederte dcr Fremde, ehe Sie weiter von dem Manne sprechen, crlanben Sie mir Ihnen zn sagen, daß ich es selbst bin.« ^ Wir waren wirklich cbcn so vollständig als angenehm bei dieser Nachricht überrascht. „Mein Gott, sagte ich, Mylord, ist es möglich, daß ich Sie nicht erkannt habe! Wclchc mmwartctc boimy lortuns für uns! aber Sie sind auch so stark, ich möchte behaupten, so viel jünger geworden, daß ich Sic ganz verändert finde." 3lft «O, meinte er lachend, das ist crst geschehen, seit ich nicht mchr Minister bin, denn damals war ich mager genng.« Die Unterhaltung brach nun keinen Augenblick mchr ab; man weiß wic Lord Brougham — und er war in sehr guter Laune — sie zu beleben versteht. Er erzählte von Deutschland, wo cr vor dreißig Jahren gewesen, erwähnte Schlegel und Johannes von Müller, nnd kam bald auf das Thema der mit Riesenschritten fortschreitenden Annäherung dcr Vdlkcr und dann der allgemeinen Erziehung, die wohl mit Recht dem grosicn Staatsmann als einer der wichtigsten Gegenstände überhaupt, aber insbesondere für den jetzigen Zustand dcr Welt erscheint. Er theilte uns mit, wic glücklich cr sich schätze, daß es ihm während seines Ministem gelungen sey, die Armengcsetzc modisiciren zu tonnen, wodurch cr seinem Vaterlandc den größten Dienst geleistet zu haben hoffen dürfe, und machte eine sehr anziehende Schilderung von dcr allmähligcn Ein- 3l? führung der Oliam^g ä'^Ies, die schon jetzt cine so ausierordentlichc Wirkung anf bessere Moralität der Jugend in England äußerten, und die cr in Paris gleichfalls nicht gcnug habc empfehlen kdn-nen. Er crklärtc, dort in Herren Pcrreault cin wahres Genie für die Direktion solcher Ansialten gefunden zu haben, und hörte hierauf auch mit lebhaftem Interesse die Auskunft an, welche ihm Herr Dufilhot über den Zustand des Unterrichts in Corsica lichtvoll ertheilte. Das Gespräch wandte sich nach und uach auf Religion in England, ein unerschöpfliches Kapitel, und spater auf Philosophie, wo unsers Ancillons mit großem Lobe gedacht wurde, für den besonders Herr Dufilhot mit Enthusiasmus cingcnom, men war. Er versicherte, dasi dicftr Philosoph in den Zeiten dcr Trübsal gar manches Herz in Frankreich getröstet und aufgerichtet habc — gewiß dcr schönste Ruhm für cmcn Schriftsteller. »Seine Werke, sagte cr, haben mich auch nach Corsica begleitet, und verlassen ^nich nie, denn sic 318 sind cbcn so ticf als lichtvoll und verständlich, was, sctztc cr lächelnd hinzu, vielleicht nicht von allen deutschen Philosophen zu rühmen isi, cben so wenig als von dcn Ucbcrtragungen der Herreu Cousin. Endlich gingen wir auch zu den hübschen Frauen über, und Lord Brougham machte uns cine sehr schmeichelhafte Beschreibung von Mist? riß Austin, nach der ich mich besonders erkundigt hatte. Ich suchte im Scherz dcn Lord zu bereden, auf einige Tage incognito dcn Abstecher nach Algier mit uns zu machen. O, sagtc cr, da würden wir bald in den Zeitungen lesen, daß wir Afrika insurgircn wollen." Ich würde zu glücklich seyn, erwiederte ich, wcnn man mich dabei als Ihren Adjutanten aufführte, ich habe jedoch das gute Zutrauen zu den Zeitungsschreibern, daß sie uns bloß dic Absicht supponiren würden, einige 6Iiamp8 a'az^Io dort zu stiften. Dies liebenswürdige Intermezzo den Tag vor meiner Einschiffung erheiterte mich sehr, und mit A^ 319 wohlthuendem Aberglauben nehme ich es als gutc Vorbedeutung mit nach Afrika hinüber. Gott segne, trosic und erhalte Dich, geliebte Mutter! Dein trmgchorsamer Sohn H. S. Ende dc- kau. Glanzpunct der «Natur. Luuno l-lliro. Himmelskammern, Vad St. Sauveur. Nergklepper. Wollen Sie im Bette der Herzogin von Berry schlafen? II saut elrc raisonnable! Non Monsieur! Oui Monsieur! — Plouviancc! SBstber jit II ' Zwölfter Brief. Seite 95 Värcnsprung. Eisfahrt. Isards. I^ü« ä« 6»lide. Ge-heimnißvolles Ertrinken, oder Ertränken zweier Liebenden. Fernsehung in die Heimath. Großer Eeisterguck-kasten. I^H «I,»i)ell« cle ?onc^. Wi« der Hund, so der Herr, Ein« Elfentruppe. Ferkel, on nttenciant le dal. Ruine von Beaucens. Thurm vyn Vidalos. Nachahmung der Pyrenäen in den Wolken. Die wohl-, gesinnte Mutter. Donjon von GaNon Phöbus Grafen von Foir. Weiser Spruch der 3e»nne ä'^ldeN. Dreizehnter Vncf. Seite I8U Königlicher Gestüthof an ber Gave. Expedition des Herrn de Portes. Anstand ber arabischen Hengste. Alubiades und Diogenes. Herr Pompier- Die Station in Tarbes. Pluhamed's Prophezeihungen von Fleck»« und Zeichen ter Rosse Arabiens; oder der Pftrbeprophet Muhameb» Gott macht alle Dinge. DaS „üble Auge." Die schönsten Pferde ziehenden arabischen Stämme. vnalcl> Ill alJ; EI-Ronda; El-Mcntifectli; El-Monaige; El-Charasa: Focdams. Gin arafciföeä Saget\ S3iex stauen in cinem Coffrc. SToilette. (gdj&n^cit bcr blauen Sippen, Ceßttime ^fetbe, Chronik. Nro. 4. Seite 2« Wohlthat des festen Entschlusses, Grad. auf welchem man nicht mehr beherrscht werden kann. Kaiser Paul als Großfürst, d'est dun! Der letzte Favorit der Kaiserin Katharina. Hoffnungsvolle Collegen. Bauer und Seele. Die bedrohten Damen. Souwaross. Der Graf von Canaples. Gemachtes Gold. Der jung« Herzog in be« Küche. Knix der Iustizpersonen vor den Damen. Dreletlel Menschcnartcn. Correspondenz mit der Jungfrau Maria. Wozu Eltern sind. Schiller und Schill. DaS Bataillon Geistliche. Vicrzchntcr Vncf. Seite 26? Toulouse. Fellnei on ^ros. Das Capitol. Kunst Briefe schnell zu beantworten. Kirche von Et. Saturntn. lV Merkwürdige« Artilleiiestall. Oper. Altes Amphitheater. Hin ^ra«<1 V.oi> Arsenal. Carcassonne. Be-zi«rs. Republikanisches M«r. Die diplomatisch-poll-tische Kirche, ^lmal «w milli. Montpellier. ^:»s-clin ciog plante». Lool« 6v N>>l18. Benesizball des koi lie Mbkmli«. Erinnerung beim Tanzen an die K...... Caroline. Originelle Weise, den Schönen Geschenke zu machen. Maurische Virtuosen. Zahlung nach Belieben in den ^M>«>'s zu Algier. Interessante Visite beim Admiral Herrn <1« 1^ Lre-tunuiöre. Anekdote von Lord Wellington. Herrn ,1l> >k Li-l'tanniiü^'s calamitose Conferenz mit dem vorigen Dcp. Kein Herrscher ist glücklich durch seine Macht. Ball der Kaufmannschaft. Zug nach Vnf. larik. Vortrcfflichkcit der arabischen Micthpferde. Nuora. Eine vom Militair gebaute Landstraße, k'ort l!« I'^n>p«relii-. Die Colonie LI - Idraliim. Erinnerung an die liebe Heimath. Die Suavcn. Ihre Waffen und zweckmäßige Tracht im Gegensatz der unmilitairischcn Ausstattung der Soldaten in Europa. Landesproducte. Die elegante Spanierin zu Roß. Diner m> ,'l'^io im bailee . Nirgends soll die Erde vollkommen seyn! Zweiter Brief. Seite 223. St. Simonismus. Homöopathie. Gleichheit der Häuser in Algier. Bauvorschläge zu einer bequemen Wohnung. DaS Wunder in Nantes. Muselmännifche Frömmigkeit. Besuch der Moschee in Strümpfen. Geldfreier Kirchenbesuch. Feier des Nhamadan. Bekanntschaft mit vier belgischen Marineoffizieren Xl auf dem Landhause ihrcs Consuls. Anfall von Heimweh. Der liebenswürdige Amvhidrvon. Der Dichter bis in die Fingerspitzen. Anekdote von Lord Byron. Sendung des Herrn I>ü0li nach Marokko. Die Reichen im Monde. Eroberung vieler Länder ohne Blutvergießen. Sinnreicher Vergleich Belgiens mit Algier, ^r^umontxm Nll Iimuinem. Ein Pröbchcn von der Etikette am Marokkanischen Hofe. Staatscarossc des Kaisers von Marokko. Vewun-dernswcrthe Negcrcavalleric. Der zu robuste ku-KuLto. Landhaus des Herrn I^,-^«««'. Vornehmer Esel aus Tunis. Behaglichkeit der orientalischen Lebensweise. Maurische Bäder. Lobcnswürdige Ehrlichkeit der Vadedicner. Manier zu baden. ?a !,unn? — 8;, la d«no. Wohlfcilheit dcö Gebrauchs der Bäder. Prell- und Trugsucht der hiesigen Europäer. Sold der schlafenden Sicherheitswachc. Civiler Preis der sammtnen Hosen. Der politische Schneider und der Sattlcrgesell «.in» ^l n«. Schrecken-erregendes Schauspiel cines Sturmes. Schauerliche Pracht des wüthenden Meeres. Der kobuste: von vielen Schiffen das erste Beispiel der Zerstörung. Heldentod des Herrn vui8 im sturmbrwegten XII Meere. Schätzung des vom Sturm angerichteten Schadens. Der im Wasser schwimmend unabsolvirt sterbende Msolvist. Hartnäckiger Kampf des 1'lltlai-,'elir und einer kleinen Goelette mit den Wellen. Beispiele der fast unglaublichen Gewalt des Sturmes. Aber selber die Alles verschlingenden Wogen resprc-tiren das Geld. Erster Brief. An die Fran Fürstin von P......M..... Mittelländisches Meer, dcn 12. Januar 1835. Ich schreibe Dir, meine Herzcnsfrennbin, aus dem Bauche des Crocodil's, gerade auf halbem Wcgc zwischen Frankreich und Algier, Port Mahon mit seiner langgestreckten Insel, über die der hohe Pik von Majmka hervorschaut, im Angesicht. Schon wehen die Lüfte südlicher, aber wir armen „Landratzm« sind alle krank. Denn das Meer geht hoch. Sonderbar! man wiegt das Kind, um cs besser schlafen zu machen, und dcn Erwachsenen bringt cs so viel Noth, ehe sie das Ssmilasft in Afrika. I. 1 2 Wogen des Mccrcs vertragen lernen. Auch hierin, wie in so Vielem, ist die Kindheit das glückliche Alter. Mir aber bitte ich jetzt für ein kleines Opfcr, ja für einigen Heroismus anzurechnen, daß ich trotz Lord Vyron's Ausspruch: keine Liebe widerstehe der Seekrankheit — dennoch Dir in meiner Hängematte zn schreiben die Kraft besitze. Anfrichtig gesagt, gestern wäre es mir unmöglich gewesen, heute leide ich aber nur noch sebr wenig, und daß ich diesmal so schnell genese, schreibe ich dem befolgten Nogim« zn, welches ich Dir daher zu Deinem und aller angehenden Seefahrer Nutzen, wenn ich noch etwas mehr Erfahrung darüber gesammelt, nächstens ganz ausführlich mittheilen werde; denn so kleinlich dies Manchem vorkommen mag, Andern, die sich mit mir in gleicher Lage befinden, wird es sehr willkommen erscheinen. Die ersten Afrikaner, mit denen ich auf dein Schisse schon Bekanntschaft gemacht habe, sind mehrere hunderttausend kleine Käfer von brauner Farbe, die meine Cajütc bedecken, und die 3 ich zuerst mit Schaudern für etwas noch weit Schlimmeres ansah. Es sind indeß ziemlich harmlose Thicrchcn, die nur langsam kriechen, nicht siechen, und wcit entfernt, die zähe Lebenskraft eines Floh's z. V. zu besitzen, schon durch eine, starke Berührung gctödtet werden können. Da sie aber in so großer Menge vorhanden sind, und überall eindringen, in die Ohren, Augen, Nase u. s. w., so machen sie sich doch ziemlich unbequem. Als ich bei mcincm frugalen Mittagessen eine wcisic Serviette auf mein Bett gebreitet hatte, war sie schon in fünf Minuten ganz schwarz durch die kleinen Käfer geworden, und so schnell ich mein Mahl auch beendete, so blieb es doch fast unmöglich zu vermeiden, mit jeder Schüssel einige dieser unschuldigen Crcaturen mit hinunter zu schlingen. Ehe wir nun, liebe Lucic, jenen andern Welt-theil, von dem die um mich wimmelnden Scarabäcn mir die erste Kunde bringen, selbst erreichen, muß ich noch einiges Europäische nachholen. Da meine 4 gute Mutter bei Dir ist, so wirsi Du meinen letzten Brief an sic aus Toulon ohuc Zweifel gelesen haben. Ich bczichc mich daher auf diesen und füge nur hinZu, was darin unerwähnt blieb. Bekümmert über alle die unglücklichen Nachrichten, die ich erhalten, ging ich wählend meinem fast zehntägigen Aufenthalt in Toulon wenig aus. Auch kenne ich kaum eine Hafenstadt, die so ärmlich und langweilig wäre. Das Theater, in Form cines langen Darm's gebaut, ist das schlechteste, was mir noch in Frankreich vorgekommen ist, und das Publikum so gemein, daß, so oft ich es besuchte, auch immer regelmäßig eine Schlägerei im Parterre stattfand. Einmal führte mich mein Unstern neben eine eben angekommene, ncucngagim Schauspielerin, die, mich für einen Engländer haltend (eine Ehre, die mir so oft widerfährt, ohne daß ich sie gehörig zn schätzen wüßte), nuch anch in der Sprache dieser Nation anredete, was jedoch unmöglich zu verstehen war. Nach mehreren vergeblichen Versuchen zwang sie mich in fran- 5 zösischcn Worten, dcr Vertraute aller ihrer mannigfachen Schicksale zu werden, und nach Beendigung des ersten Aktes bat sie mich gar, sie nach Hanse zu führen. Da ich dies jedoch ablehnte, meinte sie: wenn ich nur wüßte, wie sehr sie die Engländer liebe, würde ich nicht so Kor mit ihr seyn. »Gewiß uicht," erwiederte ich; „da ich aber nur ein schciubarcr Engländer bin, müssen Sie sich an eiuen ächten adrcssircn," und dabei zeigte ich ihr Lord Brougham, den ich eben, nicht weit von mir in einer Ecke verborgen, erblickt hatte. Sein Genius mnß ihm aber ohne Zweifel etwas von der drohenden Gefahr zugeflüstert haben, denn wahrend meine stark nach Grog duftende Nachbarin bereits strategische Operationen begann, um sich ihm unvermerkt zu nähern, verließ er das Theater und kam nicht wieder. ^ Unglanblich ist dcr Mangel an Handel und ', Verkehr in dieser Stadt. Es war mir nicht einmal möglich, leidlichen Thee hier zu finden. Nur , dic Apotheker verkauften etwas Aehulichcs, was 6 die einzigen Abnehmer desselben in Toulon, die Kranken, gewiß noch kränker macht; denn ich fand beim Abkochen Blätter von fünf bis sechs verschiedenen Pflanzen darin. Eden so ging es mir mit vielen anderen Bedürfnissen. Ich hatte mich hier für die Reise im Orient cqnipiren wollen, und fand Nichts, was zu brauchen war. Aber selbst um Etwas von hier nach Deutschland fortzuschicken, begegnete ich den lächerlichsten Schwierigkeiten. Du darfst Dich, wenn Du das Folgende gelesen, nicht wundern, wenn ich auf meinen Brief-adrcsscn zu Berlin noch hinzufügte: „Nl^aunio lionii«^ cinc Moschee, die zur katholischen Kirche umgeschassen worden ist. Ein herrlicher Tempel! gleichfalls in Form eines viereckigen Saals, mit Areadcn rund umher, die im zweiten Stock, von Säule zu Säule, immer eine eigne kleine gewölbte Capcllc bilden, deren Decken in der geschmackvollsten Steinarbeit, und alle verschieden, verziert sind. Ein kunstreicher bunter und 3s vergoldeter Dom deckt das Ganze, kleine farbige Fenster verbreiten überall ihr magisches Dunkel, Teppiche schmücken den Boden, und fast mit Verwunderung heftet sich das Auge auf den hasi-lichcn, assrcus gcschnörkclten Hochaltar mit einer hölzernen grob angestrichenen Maria, nebst einem verzerrten, gekreuzigten Christus, welche, mitten unter arabischen Inschriften und Stellen ans dcm Koran, die wundervolle Einheit und Zierlichkeit dcs sonst untadclhaft schönen Ganzen hier nur zn stören scheinen. Man bemerkt übrigens an diesen Gebäuden deutlich, wie vielfach dic gothische Baukunst aus der arabischen entsprossen ist, mid in den katholischen Klöstern, wo die Krcuzcsform nicht wie bei den Kirchen do ri^uour war, findet man viele Bauwerke, die dieser Moschee fast ganz ähnlich sind. Dieselbe Bemerkung machte ich, als wir die (!H88ut»») die ehemalige Wohnung dcs Dcy, welche auf dcm höchsten Gipfel der Stadt liegt, erstiegen hatten, und ich unter den verschiedenen Pallästcn, 37 die, von einer hohen crcnelirten Mauer umschlossen, diese Residenz bilden, einen sah, der in kleineren Verhältnissen ganz dcm schönsten der Gebäude Marienburgs glich. Leider ist die ^asi-luda, oder <üa88dll,, wie sie gewöhnlich genannt wird, im, verantwortlich verheert, die Arcaden zugemauert, dic Garten zerstört worden, nnd da sic jetzt als Caserne für 1300 Mann, die Offiziere ungerechnet, dient, so kann man daraus eben so gut ihre imposante Größe abmessen, als im Voraus errathen, in welchem Znsiandc der Nnreinlichkeit und Vcr? uachlaßigung sie sich befindet. Alle die weiland vergoldeten Kiosks, dic große Spiegclgalerie, die schönen pav68 von Marmor sind nicht mehr; selbst die bunten Porzcllaintaftln, welche sich als Banden zwischen den Stockwerken, als Thür-und Fenstereinfassungen u. s. w. so zierlich aus-nehmen, sind meistens zerbrochen; die Terrassen mit wundervollen Aussichten durch den ekelhaftesten menschlichen Unrath geschändet, und von den mannigfaltigen Bäumen nur noch eine riesen- 38 mäßige Platane und einige zwanzig bis dreißig Fuß hohe Orangenbäume vorhanden. Kaum dcr Schatten dcs alten Glanzes ist geblieben, und dennoch erscheint das Ganze noch imposant und abenteuerlich in seinen so entstellten Resten! Ein unbedeutendes Holzcabinct von I'roillaK«, auf einer der Galeriecn des inneren Hofes, in dcr Wohnung des Dcy, hat man verschont: weil cs in diesem war, wo die berühmte Consularohrfcigc (vou den Franzosen höflich „lo coup ll^v^iUaii" genannt) ertheilt wurde, und bekanntlich dem Dcy sein Neich kostete. Er hatte sich dcs schönen arabischen Spruchs erinnern sollen: dcr erste Begleiter des Zorns ist Thorheit, dcr zweite — Rene. Der arme Mann besaß übrigens seine Macht unter tranrigen Bedingungen, nnd war so sehr fortwährend von Todesfurcht geplagt, daß cr in den letzten neun Jahren nie scin Schloß nnd seine Gärten zu verlassen gewagt hatte — wahrlich kein bcncidenswcrthcs Loos. Auch in der <7ä88uka befindet sich eine schöne Moschee, mit vorzüglich 39 kostbaren Marmorsäulen, jedoch ebenfalls nun gänzlich verheert. Charakteristisch ist es, daß ungeachtet der Gefahr solcher Nachbarschaft, das Pulvermagazin, in Form einer Rotunde mit bombenfestem Steindach, mitten in der Residenz stand, wo auch eine Gcwchrfabrik und die Münze sich befand, so wic in den Gärten die Pulverfabrik. Wahrend der kurzen Belagerung soll der Dey mehrere Male sich mit brennender Lnnte in den Pulvcrdom haben stürzen wollen, um sich mit allen seinen Schätzen vor Ankunft der Franzosen in die Luft zu sprengen. Wir nahmen unsern Rückweg außerhalb der Stadt, den Berg hinab> auf einer schonen Chaussee, die Algier dem Herzoge von Rovigo verdankt. Sie führt unter einem Gewirr von Cactus- und Aloestauden, mit einzelnen Feigen.- und Mandelbäumcn, mitten durch viele Grabruincn, die ihr haben weichen müssen. Unter diesen zeichneten sich fünf kleine Gewölbe aus, welche die irdischen Ucbcrrcsie vou fünf Dcy's enthielten, die sämmtlich an cin und 40 demselben Tage erwählt und umgebracht wurden. Erst der Sechste wußte sich zu erhalten. Die ausländische Vegetation ergötzte uns ungemein, besonders fielen mir die Vlüthcnsiengcl dcr Aloe auf, welche sich oft bis fünfzehn Fuß Höhe übcr die Pflanze erheben, und später als Brennholz abgehauen werden. Am Thore cmpfmg nns ein Vettlerconcert. Einige Dutzend dicser Beklagenswerthcn von allen Hantfarben, auf die Erde hingekauert und iu die Lappcu ihrer einst weißen V«rm,8 gehüllt, siedelten, trommelten, bliescn und sangen in fürchterlicher Disharmonie, um auf dem Wegc des Ohrcn-zcrrcißens die Mildthätigkeit dcr Vorübergehenden zu erwecken. Dabei waren sic jedoch nicht im mindesten zudringlich und auch für das Wenigste dankbar. Im Gewühl dcr Stadt wieder angelangt, benutzten wir den Zufall, uns eben in der n,« Lab»2un, einer Straße voller Läden, zu befinden, „w 30 «koMllZ.« Dies ist hier etwas Neues 4l in jcdcr Art, sowohl die Waaren als dic Verkäufer betreffend. Die Würde der Letzteren, ihre apathische Ruhc, ihre oft außerordentliche Schön, hcit, ihre vornehmen nnd höflichen Manieren und die scheinbare Abwesenheit alles intcressirten Wesens siechen merkwürdig von den Boutiquicrs anderer Lander ab. Wir kauften bei cincm derselben, dem cin herrlicher schwarzer Vart und so gut soignirtc Hände als die eines englischen Dandy's das Ansehen eines Prinzen gaben, der auf einer Maskerade die Rolle eines Türken zu spielen übernommen, mehrere schon in Gold gestickte Mussclintüchcr, Scidcnzcng von Marokko, Strohkörbc mit Tnch durchflochrcn von Tombuktu, Rosen- und Jasmin-csscnz von Tunis, nebst einigen Dutzend I'aslill«» äu 8«rai!) die einer Pfeife Tabak von I^wkia den Parfüm der besten Räucherkerzen geben. Als ich meinen Beutel öffnete, um zu bezahlen, stieß mich cin vorübergehender Lastträger au, und fünf bis sechs Napoleons fielen auf die Straße. Der maurische Kaufmann, ohne sich weiter zu 42 rühren, winkte nur mit dcr Hand; und ehe ich noch Zeit gefunden, mich uach den verlorenen Goldstücken zu bücken, hatten sie bereits mehrere zerlumpte Gassenjungen aufgehoben und überreichten sic mir freundlich lächelnd. Diese Ehrlichkeit ist, wie man mich versichert, hier allgemein, und bei so viel Vndcn, in denen zum Theil dic kostbarsten Sachen den ganzen Tag über ohne allen Schutz, so zu sagen, auf dcr Straße liegen, freilich auch ganz unerläßlich. Dies hindert jedoch nicht, daß man im Handel mit allem Ansiande derb übcrthcucrt wird, wenn man sich nicht iu Acht nimmt, und namentlich schlagen fast alle Kaufleute beinahe cbcn so viel vor, als unsere Hcrrnhutcr ä, prix lixo. Obgleich noch schwach und angegriffen von dcr Seekrankheit, und wohl auch vom ungewohnten Clima etwas afficirt, unternahm ich dennoch am andern Tage mit Herrn Vaccuct, cinem jungen hiesigen Banquier, an den ich rccommandirt bin, und dcr mich mit Artigkeit wahrhaft überhäuft. 43 einen wcttläuftigcn Spazierritt in die Umgegend. Herr Baccnct besitzt, ncbst mehreren schönen andern Pferden, einen ansgczcichncten Barber aus Marokko, den er mir zu nnserer Excursion anbot. Nimmer hätte ich geglaubt, daß einem alten Reiter wie mir, der sogar einige Reputation in dieser Hinsicht erlangt hat, geschehen würde, was mir bevorstand. Dieses wenigstens zwanzig Jahr alte Pferd hatte cine solche Kraft und ein so unbändiges Feuer, daß ich schon nach einer halben Stnndc, vor Erschöpfung mich ernstlich krank fühlend, nicht im Stande war es langer zu regieren nnd mit einem fast unerträglichen Nervcnkopfweh absteigen mußte. Dabei ist noch zn bemerken, daß unser Weg fortwährend ziemlich steil bergauf ging, und zwar meistens auf einer frisch mit zerschlagenem Granit befahrnen Straße. Aber Hufe und Beine dieses Thieres waren wie von Eisen, seine Lunge schien unerschöpflich, und sein Temperament halb toll. Meine Arme waren noch mehrere Tage davon wie zerschlagen. Es ist wahr, daß der Hengst 44 sehr schlecht gezäumt, und ich selbst, ehe ich ihn bestieg, schon unwohl war, abcr dcmungcachtct hatte ich ein solches Resultat kaum für möglich gehalten, wenn man mir cs vorher prophczciht hätte. Auch war ich ganz beschämt darüber, doch deshalb nicht weniger entzückt von dcr unbesiegbaren Vravonr dieses afrikanischen Wildfangs, dcr cinc vortreffliche Acquisition für nnsere Gestüte seyn würde. Die heftige Migraine, die ich ihm verdankte, und die mich vicrnndzwanzig Stunden quälte, hinderte mich leider eben so unsern Weg weiter fortzusetzen, als an dem heitern llin« Theil zu nehmen, das nach dcr Zurückkunft bei Herrn Baccuct statt fand. Ich hatte ein Empfehlungsschreiben des französischen Gouvernements uud einen Brief unseres gütigen Freundes Bresson an den Gouverneur von Algier, den ich, sobald ich mich hergestellt fühlte, abgab. Ich fand an dem Grafen Erlon, dcr viel in Deutschland gelebt, einen heiteren und freundlichen Greis, von altcm Schrot und Korn, 45 wie wir zu sagcn pflegen. Er empfing mich mit der größten Zuvorkommenheit und behielt mich zu Tisch. Dort lernte ich seine liebenswürdige Tochter, die einer Deutschen, und seine schöne Schwiegertochter, die einer Spanierin gleicht, kennen, ferner dcn brillanten General Rapatcl und den Admiral Grafen de la Vrctomüörc, der uns von Trafalgar und Navarin erzählte, wo er bekanntlich mit dem Vreslau, ohne erhaltene Ordre und auf eigne Gefahr, heldcnmüthig ein russisches Schiff auf dem entgegengesetzten Flügel rettete. Mit dem lebhaftesten Interesse hörte ich die pittoreske Beschreibung jenes beispiellosen Feuerwerks an, als die Muselmänner gegen das Ende der Schlacht cinigc zwanzig ihrer Schiffe selbst anzündeten, und das Feuer, langsam fortschreitend, ohne Menschenhand die geladenen Kanonen abschoß, bis eins der brennenden Schisse nach dem andern in die Luft flog. Als das Fremdartigste zog mich jedoch in dieser Gesellschaft ein außerordentlich schöner Türke 46 an, prachtvoll gekleidet in violetten Sammt und Gold mit ponccaurothem Turban, und mit dcm Krcuz dcr Ehrenlegion geschmückt. Es war der berühmte Iussuf, Commandant der französischen Spahis in Bona, dcr, am Fieber leidend, zur Herstellung seiner Gesundheit nach Algier gekommen ist. Dcr eigentliche Ursprung dieses Mannes ist unbekannt, und er selber äußert sich nicht darüber, vielleicht weil er weiß, daß das Räthselhafte immer am meisten anzieht. Einige behaupten, cr sey ein geraubtes Chrisicnkind; Andere halten ihn für den Sohn cincs europäischen Sclaven und einer vornehmen Türkin. Man weist nur so viel gewiß, daß cr im Serail des Vcy von Tunis erzogen ward und dort eine Liebschaft mit der Tochter desselben angeknüpft hatte, in deren Folge er nach Algier entfloh, wo cr, dcr französischen Sprache mächtig, in hiesige Dienste trat. Die Geschichte dieses Verhältnisses, wie der dadurch herbeigeführten Flucht, erfuhr ich spätcr ans I'ussuf's cigucm Munde. Sie ist so seltsam und roman- 47 haft, und erschien mir so chcvaleresk, so naiv in den Ausdrücken dicscs selbst bei dcn grausamsten Sccncn immer kindlichen Orientalen, der mir wie ein sentimentaler Löwe vorkam, daß ich mir nicht das Vergnügen versagen kann, ihn Dir hier selbst redend einzuführen. Da ich seine Worte augenblicklich nachher niederschrieb, bin ich gcwiß, in keinem wesentlichen Punkte von ihnen abzuweichen. „Ich ward", sagtc Justus, „als ein kaum vierjähriges Kind auf dem Mecrc grsangcu, und, wie Sie wissen, im Serail des Bey erzogen. Bis zum zwölften Jahre lebte ich unter den Weibern, und schon damals verband mich mit der etwas jüngeres Tochter des Bey die zärtlichste Kinderliebe, welche von ihrer Mutter noch mehr genährt wurde, indem diese oft halb im Scherz zu uns sagtc, dasi Niemand als ich cinsi K»d-duUr» ") zur Frau erhalten sollte. Nach dem *) Wir bemerken rin für allemal, daß zu den mit lateinischen Lettern gedruckten arabischen Worten eine 48 zwölften Jahre werden in Tunis, wo mehr Ordnung und Bildung als an andern türkischen Hofhaltungen herrscht, die zu Mamelucken bestimmten Knaben meiner Art aus dem Harem entfernt, und sorgfältig für dcn Dienst des Pascha erzogen. Sie bilden die Hoflcutc des Gebieters, versehen die höchsten Posten im Militair und Civil, ja selbst der des Vcy's hat ihnen manchmal nicht zu hoch geschienen. Auch ich mußte mich. solche Orthographie angenommen worden ist, die dem Ton derselben in deutscher Aussprache entspricht, ohne im geringsten auf die arabische selbst Rücksicht zu nehmen. Denn sobald man die Worte einer fremden Sprache nicht mit ihren eigenen vettern, sondern nur nach dem Klänge für unser Ohr wiedergibt, muß natürlich jede Nation ihre eigene Orthographie wählen. So schreiben z. V. die Engländer: Uainmam - I^l. und wir: llammamliek; die Franzosen: «Hebe!, wir: D^ewbol; u. s. w. Das englische lli, so wie das grassäjirende r, welches beides die Araber haben, können wir aber leider im Deutschen durch nichts ausdrücken. 49 dieser Einrichtung gemäß von meiner kleinen Geliebten unter vielen Thränen trennen, aber wir vergaßen uns nicht, und nach einigen Jahren fandcu wir Gelegenheit uns heimlich wieder-zuschcu.« «Diese seltenen Zusammenkünfte, über welche die Mutter wahrscheinlich die Augen zudrückte, hatten dci Anfang der Nacht auf der Terrasse meiner Geliebten statt, wo wir vor Ucbcrraschung ziemlich sicher waren, da kein männliches Auge sich bei Strafe des Spicßcns oder Vcrbrcnncns dahin verirren dürfte. Auf zwei der Dienerinnen kadduwa's aber, die sie immer begleiteten, und sich während unseres Znsammenscyns discret zurückzogen, konnten wir wie auf uns selbst rechnen. So vergingen wieder mehrere Jahre, in denen ich immer mehr in der Gunst des Pascha stieg. Mein Liebesverhalunsi mit seiner Tochter war dabei noch stets, wenigstens in der Hauptsache, unschuldig geblieben. Vald trieben wir ausgclasscuc Scherze mit einander, bald weinten Semilasso in Afrika, l. 4 50 wir zusammen, schmollten auch wohl zuweilen, versöhnten uns wieder, und sanken von Liebkosungen ermattet, und von dcr Hitze überwältigt. Eines in dcs Andern Armen, in wollüstigen Schlummer, bis die Dienerinnen uns weckten, und wir nach vielen zärtlichen Küssen uns bis zur nächsten Zusammenkunft trennen mußten. Oft schrieben wir uns, ich ihr nie anders als mit meinem Blute, das ich mit Wonne für sie flicsicn sah, wenn ich mir zu diesem Behuf mit meinem Dolche eine Ader geöffnet. Ich könnte Ihnen wohl zehn Wunden an meinen Armen zeigen, die ich mir auf dicsc Weise in verliebter Thorheit beigebracht." „Unterdessen hatte ich einen griechischen Sclaven gekauft, einen gewandten und brauchbaren Menschen von riesiger Gestalt, an del! ich mich sehr attaschirtc, und ihm viele Freiheit gestattete. Zuletzt war ich ihm sogar bchülflich in den Dienst des Pascha überzugehen, bei dem ich ihm die bei uns angesehene Stelle seines Pfeifcnstopfcrs 51 verschaffte. Er ward jedoch in dieser neuen Lage bald ziemlich übermüthig, und ließ sich in ver, schiedene zweideutige Intriguen ein, so daß wir auf einem weniger guten Fuß mit einander zu stehen anfingen. In dieser Zeit ging ich, stets bang für die Sicherheit meiner Geliebten, und den immer reger werdenden Neid meiner Camaradcn fürchtend, nie anders als auf das sorgfältigste bewaffnet zu ihr, und äußerte oft gegen sie, daß, wer ihr je ein Haar zu krümmen wage, tausend Todc von meiner Hand sterben solle. Auch fühlte ich rnich, jedesmal wenn ich zu ihr hinaufstieg, wie ein junger Löwe, von aller Fnrcht für mich frei und ledig, nur sie besorgt im Auge haltend; ja ich erinnere mich, daß ich fast den Tod für sie wünschte, und mir mit einer Art Entzücken das Vild ausmalte, wenn man meine Leiche unter ihren Fenstern hinaustragen, und sie mit Wehklagen und Händcringen mir verzweiflungsvoll nachweinen würde. Au einem unglücklichen Abend jedoch, wo ich mich ganz sicher glaubte, vergaß 52 ich alle Vorsicht, und stieg wegen der drückenden Hitze in leichter Kleidung, ganz unbcwaffnet auf die Terrasse. Der glühende Wind dcr Wüste wehte, und nach kurzem süßen Gekosc — denn Brust an Vrust gedrückt uns innig zu umschlingen, dänchtc uns damals noch immer der höchste Genuß — überraschte uns Vcidc der Schlaf. Plötzlich fühle ich mich von cincr Riesenfausi ergriffen, und hbrc einen lauten Ruf. Mich mühsam aufraffend, sehe ich den colossalen Griechen über mir, dcr mit dcr einen Hand mich festhält und die andere in Xaddulira's diamantenes breites Armband dergestalt geschlungen hat, daß er sie ebenfalls am Aufstehen hindert, wozu er fortwährend laut nach Leuten ruft, um Zeugen unseres Zusammcnseyns herbeizuführen. Ich war vor Wuth uud Schrecken ausser mir, Xulidl^ir» lag in tiefer Ohnmacht. Es blieb mir nichts übrig, als den Griechen bei Gott und dem Propheten zu beschwören, uns nicht zu verderben. Da die Pracht unsrer Kleidung zu jener Zeit sehr groß 53 war, so trug ich Diamanten von bedeutendem Werthe an mir, die ich alle nach cinandcr losriß und dem vcrratherischen Griechen aufdrang, der sich für diesen enormen Preis endlich besänftigte. Die Tochter des Vcy, noch immer ohnmächtig, ward von ihren entsetzten Frauen hinwcggcbracht, ieh aber eilte, selbst mehr todt als lcbendig, mich in mcincr Wohnung zu verbergen. Vor Schaam und Verzweiflung fand ich mich, nach einer schlaflosen Nacht, am andern Morgen ernstlich krank; denn«, sagte Iussuf in seiner lebhaften Erzählungsart, und noch jetzt tief anfseufzcnd, «ein Mann wird nicht seines Acussern, sondern nur seines Charakters und seines Muthes wegen von den Frauen gcliebt. Mußtc ich nicht vor Schande vergehen, ich, der ich hundertmal gesagt, daß ich den zermalmen würde, der ihr nur einen falschen Vlick zuzuwerfen wage — jetzt sie und mich von einem Christcnhund (wie ich damals den Griechen betrachten mußtc) gemißhandelt z" schcn, und statt des verdienten Todes ihm nur 54 gute Worte gegeben, ihn durch Bitten und Geschenke besänftigt, und uns so von ihm losgekanst zu haben!" «Dieser peinigende Gedanke dcmoralisirtc mich gänzlich, ich sühllc mich nicht mehr wie cm Held, sondern wic cin Jude '-), und beschloß fest, Xu.bl>ulii-a nicht wieder zu sehen, ja, des Sonnenlichtes unwürdig, mein Vctt nicht chcr zu verlassen, bis sich mcin Schicksal gänzlich gewendet habe." „Am dritten Tage kam der Grieche wieder zu mir und redete mir gütlich zu, versprach unverbrüchliche Verschwiegenheit, wogegen cr, setzte er hinzu, ans meine sernere Grosimuth rechne. Ich solle mich durch das Vorgefallene nicht abhalten lassen meine Intriguen mit des Pascha's Tochter fortzusetzen, von ihm wenigstens habc ich nichts mehr zu besorgen. Aber, erwiederte ich, du hast jetzt den grdsiten Theil meines Schmuckes, und auch das Armband kadbukra's (welches 5) Man bittet zu bemerken, daß hier ein Türke spricht. der Schurke ihr an jcncm Abend vom Arme gerissen hattc). Das muß kurz oder lang zu einer Entdeckung führen, dic dir übrigens cbcn so schlecht als uns bekommen kann. Tarirc selbst dcn Werth dieser Sachen, ich werde dir ihn nach und nach bezahlen, und dafür die Slcinc wieder einlösen. Der Grieche ging diesen Handel ein, schätzte das Ganze ungefähr 40,0W Franken und brachte mir auf die angegebene Weise mcinc Pretiosen allmählich wicdcr zurück. Meinem Vor, satz gcrrcu hatte ich meine Geliebte, ungeachtet aller Bestürmungen ihrerseits, nicht wicdcr gesehen, und weine, Stube cbcn so wenig verlassen, hinsichtlich des Griechen aber mcincn Racheplan mit großer Vorsicht vorbereitet. Endlich kam dcr Tag, wo cr nur das letzte Stück, Ivuddulu-a's Armband, zurückzubringen versprochen. Ich lag im Bett, mit einem breiten Candschar unter dcr Decke verborgen, als cr herantrat. Dcr Pascha war mit seinem ganzen Gefolge ausgelitten, und da wir uns im Rhamadan befanden, wo 56 das Gesetz vor Abcnd nichts zu genießen erlaubt, so durste, nach der Etikette des Höfts, der Pfcifcuträgcr sich dcn Tag übcr nicht vor dem Pascha sehen lassen, damit cr ihn nicht unangenehm an die nothwendige Entbehrung erinnere. Wir waren daher ganz ungchbrt. Ich fühle mich heute recht krank, Juan, sagte ich, als der Grieche das bewußte Armband auf mein Bttt Icgtc, hier ist der Schlüssel zu meinem Schrank, mache ihn nur auf, du wirst einen offenen Sack mit Zechincn darin finden, nimm dic Summe, die dir zukömmt, selbst heraus. Der Thor eilte gierig in die Falle, nahm dcn Sack' und kniete auf den Tcppich nicdcr, um das Geld darauf hinzuzählen. Das Hcrz hämmerte mir im Vusen. Ich weiß nicht, fuhr ich fort, was für eine sonderbare Krankheit das ist, aber jeden Augenblick muß ich aufstehen, um ein Bedürfniß zu befriedigen. Bei diesen Worten erhob ich mich, die Bettdecke nm mich geschlagen, als wollte ich nach dem Nachttische zugehen, wandte mich abcr plötzlich, und dcu Griechen bei seinem 57 langen schwarzen ^?aarzopf fassend, und ihn wüthend auf den Vodcn niederreißend, schrie ich ihm in's Ohr: Hast du geglaubt, Hund, Iussuf so wohlfeilen Kaufs zu meistern? Nach diesen Worten stieß ich dem, vergebens um Hülfe Rufcudcn, den Dolch mit solcher Gewalt in's Herz, dasi er noch zwei Zoll in dic Fugen des Steinpflasters durch den Teppich eindrang. Noch heule, wenn ich mich dieses Augenblickes erinnere, sagte Iussus mit glänzenden Augen, fühle ich cincn wonuevollcn Schauer mir von den Fußspitzen bis ans Herz dringen. Doch hören Sie weiter. Ich hatte mir sorgsam ein Faß Weingeist, Salz und uugeldschten Kalk, ncbst Allem, was nöthig war, nm ciue Nische verloren zuzumauern, verschafft, und dies Material an verschiedenen Orten in mcincn Zimmern verborgen. Mein erstes Geschäft war nun, den Körper in kleine Stücke zu zerhacken, und in das Faß mit allen dicscn verzehrenden Ingredienzen zu thun, worauf ich das Ganze in die Nische am Vett vermauerte. 58 und die Draperie von Sammct, wclchc die Wände meiner Schlafstube deckte, darüber zog. Nur die rechte Hand, die Augen und die Zunge des Griechen behielt ich, und nachdem ich sie gleich dem Ucbrigcn präparirt hatte, that ich die erste in eine kostbare Cassette, die Augen in eine kleine, mit Diamanten besetzte Schachtel voll Roscn-csscnz, und die Zunge in eine goldene Tabaticre. In weniger als zwei Stunden war Alles vollbracht. Jetzt eilte ich in des Griechen Stube, zerbrach die dort aufgestellten Pfeifen des Pascha, öffnete die Koffer, in denen ich mein ganzes Geld noch unberührt wiederfand, und nahm zugleich sämmtliche Effecten des Giaur's mit hinweg, die ich in eine meiner Kisten versteckte, worauf ich mich von einer Centncrlast befreit, ruhig, als sey nichts vorgefallen, wieder zu Bett legte.« «Sie können sich,« fuhr Iussuf fort, «den Zorn des Bey denken, als er mit dem Schluß der Fastcnstunde zurückkam, die Sklaven sich becifettm ihm Erfrischungen aller Art vorzusetzen. 59 und nur dic gclicbtc Pfeife ausblieb. Man stürmte nach des Saumseligen Wohnung, wo man abcr nur, erstaunt, dic Vcrhccrnng entdeckte, dic ich daselbst angerichtet, und da man zugleich alle Koffer leer fand, zweifelte Niemand mehr an einer glücklich bewerkstelligten Flucht des Griechen. Weil nun auch später, aus guten Gründen, allc Maaßregeln seiner habhaft zu werden, fruchtlos blieben, wurde er bald gänzlich vergessen." „In dcr nächsten Nacht schon sah ich kadwilu-a, die ich durch des Pascha's Arzt, Lombard, avcrtirt hatte, zum erstenmal seit dcr von mir erlittenen Schmach, auf unserer Terrasse wieder, doch dieses Mal hatte ich ein besseres Gewissen!« „Als sie mir jetzt schlnchzcnd in die Arme sank, bat ich sie ernsthaft, drci Geschenke von mir anzunehmen, oder mich nie wieder zu sehen. Was soll ich mit diesen Dingen? rief sic verwundert, und was bedeuten deine seltsamen Worte? Ocffne, erwiederte ich, und siehe. — Hier hast du die Hand, die dich anzufassen gewagt, hier die Augen, 60 die uns heimtückisch belauscht, und hier dic Zunge, die uns schändlichen Verrath gedroht! Fast wäre Xakbuwa von Neuem in Ohnmacht gesunken, von Fnrcht bewegt, dasi ihrcö Vaters Rache mich tödtlich treffen würde, doch beruhigte ich sic bald durch dic genauere Erzählung des Geschehenen; und von Liebe ausgelost, noch zitternd über meine Gefahr, war es erst in dieser Nacht, daß die Geliebte ganz mein ward, und wir, in seligem Entzücken, die übrige Welt um uns völlig vergessend, des Paradieses Wonne mit einander theilten. O!" nef Iussuf mit einem schwärmerischen Ausflug dcr süßesten Erinnerung, „wer kann beschreiben, welch ein himmlisches Wesen dieses Mädchen war, welch unergründlicher Schal; von Gefühl, Klugheit und Charakterstärke in diesem zarten Busen ruhte, und welche unwiderstehlichen Reize diese nur Liebe athmende Seele umschlossen!" Er schwieg eine Weile, wie verzückt in der Vergangenheit verloren, und setzte dann seine, die gespannteste Aufmerksamkeit meinerseits immer mehr in Anspruch nehmende Erzählung also fort: „Ehe ich zu der furchtbaren Katastrophe übergehe, die uns bevorstand, musz ich Ihnen einige Looalitätcn des Uaräo (Residenz des Bey) beschreiben, was zum Verständniß des Folgenden nöthig ist.« „Dcr Pascha har ungefähr achtzig bis hundert Mamelucken in seinem Dienste, welche in drei verschiedene Grade abgetheilt sind, und alle unter einem Chef stehen, der damals zugleich erster Minister war. Sie sind durch ihren Einfluß bei Weitem die angesehenste Klasse im Lande, und selbst die Türkcn zittern vor ihnen. Dabei fehlt es ihnen an Nichts, was Reichthum gewähren kann. Von den Schätzen, die in Tunis aufgehäuft sind, sieht ihueu ein grosier Theil zu Gebot, sie haben die schönsten Pferde, eine prächtige Wohnung, Waffen strotzend von Edelsteinen, und ein reiches Leben in jeder Hinsicht, bis anf vier schwere Entbehrungen, dcncn sie unterworfen sind. Sie müssen 62 dcm Umgang mit Wcibcm entsagen, und wcrdcn erst im fünfnndvicrzigstcn Jahre vcrhcirathct, wo man sie als Invaliden ansieht; dürfen nie die Residenz anders als im Gefolge des Pascha oder auf seinen speciellen Befehl verlassen, und außerdem nie weder Wein trinken noch selbst Tabak rauchen. Weil sie allein für die Sicherheit und den Dienst des Bey's da sind, so hat man diese Verbote für nöthig erachtet; daß sie demungcachtct alle häufig umgangen wcrdcn, ist gcwisi, doch wird eine Versündigung dieser Art officicll bekannt, so entgeht sie selten ihrer Strafe." „Ich habe gesagt, daß es den Mamelucken nic an Gcld und Kostbarkeiten fehlte, mir jedoch standen noch größere Mittel zu Gebote, da ich das Amt eines Privatschatzmcisicrs versah und nur wenig Rechnung im Allgemeinen davon abzulegen brauchte, ohne in dcm, was ich selbst zu nehmen für gut fand, besonders beschränkt zu seyn. Dabei war mein Geschäft leicht, denn bei uns gibt es wcdcr die Masse Beamten, noch die «3 Maffc Schreiberei, wie in der Administration dcr Franzosen.") So hatte ich, ohne cbcn gesetzwidrig zu handeln, alle Mittel dcr Bestechung iu meiner Gewalt, durch die mau zuletzt auch das Schwierigste möglich macht. Dcmungcachtct blieb jede Zusammenkunft mit meiner Geliebten ein Hals-brechendes Wagsiück, da ich, um den schon rege werdenden Verdacht und den immer zunehmenden Neid meiner Camaraden nicht noch mehr zu wecken, oft die seltsamsten Mittel ergreifen mußte. Zuweilen ließ ich mich in eine Waarcnkistc verbergen, cin andcresmal einen Tcppich um mich wickeln, und so bei dem Pascha selbst vorbcitragcn. Einst mußte ich, von ihm überrascht, zwei Stunden in dem Gehäuse einer Wanduhr versteckt bleiben, worin ich zuletzt dem Ersticken sehr nahe war. Endlich vermochte ich mit einiger Sicherheit nur noch auf folgendem Wege zur Prinzessin zu gelangen. Dcr Laräo, eine Art Citadelle und fast ^) Iuffuf kennt die unsrige noch nicht. S4 cin Vicrthcil so grosi wie ganz Algier, ist auf cincm Labyrinth von Souterrains gebaut, die jetzt größtenthcils voll Uurath und Wasser sind. In diesen unterirdischen Gangen werden soit langen Zeiten alle die, welche auf Befehl des Bey ihr Leben im Larän verlieren, hingerichtet, und die entseelten Körper sorglos darin zurückgelassen. Die Milde des jetzigen Gebieters hatte zwar in diesen Erecutioncn einen langen Stillstand eintreten lassen; halbvcrwcste Leichname fanden sich auch daher nicht mehr vor, wie früher, aber desio mehr Gerippe und Kuochcnhaufcn aus alteren und unruhigeren Zeiten. Durch einen Theil dieser Sou-? terrains nahm ich von nun an, an den Abenden, wo mich Xabbukra auf ihrer Terrasse erwartete, meinen Weg, und da ich nicht wagen dürfte, miä) einer Blendlaterne zu bedienen, so blieb mir, um mich iwthdürftig zu orientireu, nichts weiter übrig, als mir gewisse Marken sür das Betasten mit der Hand zu machen, und mit mciuem Dolch zuweilen aus den O.uadern der Seitenmauern Sä eincn Funken zu schlagen, der auf cincn Augenblick die ägyptische Finsterniß um mich her wk ein Blitz erhellte. Aus den Souterrains führte eine niedrige Thür in cincn kleinen Blumengarten des Pascha, den er zu seinem Privatgcbrauch hatte anlegen lassen. Auf diesen Garten gingen die Fenster seiner Wohnung, wie auf der andern Seite die der Zimmer seiner Tochter. Der Gärtner Andrea, ein Italiäner, und seine Frau Maria standen zwar in meinem Solde, so lange aber noch Licht in des Pascha Zimmern sichtbar war, durfte ich mich nicht hinauswagen, und oft mußte ich so drei bis vier Stunden in den unterirdischen Gewölben verharren, auf Knochen gelagert, wo ich mir mehr als einmal die Todtcuschadcl gleich Kiffen bald da bald dort unterlegte, um bequemer zu ruhen.« „Hatte ich endlich die Lichter hinter den Fenstern verloschen sehen, und mich auch überzeugt, daß kein Mameluck auf der Brüstung der letzter«, um die Kühle zu genießen, schlafe, wie sie häufig zu Scmilasso in Afrika. I. 5 66 thun pflegten, so kletterte ich mit Andrea's Hülfe an cincr Wasserleitung hinauf, wo die arme Xad-bulu-ll die halbe Nacht meiner harrte. Nicht eher als bis der Miod^iu vom nahen Minaret znm Morgcngcbct rief, verließ ich sie, und kehrte oft zehnmal zurück, um sic noch einmal an mcin Herz zu drücken, bis sie mich selbst, entsetzt vor der Gefahr, die mir bevorstand, von sich drängte. Auch für mich war der Rückweg stets eine Marter, denn zn ihr ging ich mit dcm Gefühl, cincr Welt zu widerstehen, von ihr zaghaft und alle Kraft im Herzen zerknickt." „Ein halbes Jahr war auf diese Weise vergangen, als neue Sorgen mich bestürmten. Kad-kulira fühlte sich schwanger, und zu gleicher Zeit quälte mich eine thörichte Eifersucht.,, «Einer meiner Camaradcn, ein cben so schöner als kühner und unternehmender junger Mann, der übcrdcm in hohem Grade das Talent des Gesanges besaß, hatte mich so weit belauscht, daß er, wenn auch nicht von der positiven Gewißheit, 67 doch von dcr Wahrscheinlichkeit unseres Verhältnisses überzeugt wurde. Mich zu verrathen konnte cr nicht wagen, denn ohne seine Aussage auf dcr Stelle beweisen zu können, wäre c? das erste Opfer derselben geworden. Die gewonnene Kundc ermuthigte ihn aber, mir selbst den Preis streitig machen zu wollen, nnd mehrmals war ich Zeuge, daß cr in dcm erwähnten Gartcn vor dcm Fenster-gitter meiner Geliebten zärtliche Lieder sang. Es war hinlänglich, daß KMnmra aus Ncugicr nur einmal ihnen zugehört hatte, um mich in die wildeste Wuth zu versetzen. Am andern Tage ritten wir im Gefolge des Pascha aus, ich näherte mich Mulmmmoä, nnd obgleich bei nns Duelle kaum üblich sind, und übcrdcm auch aufs Strengste verpönt waren, so demüthigte ich ihn doch so sehr durch entehrende Worte, daß cr in einem Palmcn-waldchcn mit mir znrückblicb, und ehe ich noch meinen Säbel ziehen konnte, mir mit zwei Streichen den Turban zerhieb nnd zwei tiefe Wunden in den Kopf beibrachte. Das Blut strömte mir über'S 68 Gesicht, und da er mir den Rcst gegeben zu habcn glaubte, so wandte cr ftin Pscrd um dem Pascha nachzueilen. Doch Zorn und Liebe licßcn mich nicht unterliegen, ich wischte mir das hcrabsiromcude Blut aus den Augen, rasstc mich, schon halb vom Pferde gesunken, wieder auf, verfolgte meinen Feind und mit einem gewaltigen Zuge hicb ich ihm den Theil des Hauptes mit cincm Stück der Hirnschale ab, auf dem wir einen Haarzopf stehen lassen, um eine Locke für unsere Geliebte übrig zu behalten." Hier warf Iussuf, der im Negligee auf einem Divan lag, seinen Turban herab, und zeigte mir mit ausdrucksvollem Gcstus den Büschel Haare, den alle Türken auf ihrem glatt geschorenen Haupte tragen. „Kaum hatte ich meinen Rival stürzen sehen," fnbr cr fort, »so begab ich mich, als habe ein plötzliches Ucbcl-bcfindcn mich angewandelt, sogleich nach Hause und ließ mich den Tag über nicht weiter sehen. Doch konnte der Vorfall nicht verschwiegen bleiben; man fand Nukammoll 1'scllulak für todt unter 69 dcn Palmen liegen, und hörte, als er wieder zu sich kam, das Geschehene, noch möglichst zu meinem Nachtheil entstellt, aus seinem Munde. Der Pascha, im größten Zorn, schwur einen schweren Eid, daß wenn Hluliammoä stürbe, ich ihm augenblicklich nachfolgen solle. Xabdulir» gcricth bei dieser Nachricht in so große Verzweiflung, daß, als am zweiten Tage eine lange Ohnmacht, in die mein Gegner verfiel, die Nachricht seines Todes im Serail verbreitet hatte, das hcldcn-müthige Mädchen mich nicht überleben wollte, und sich in einem Moment der Raserei an ihrem eigenen Betthimmel aufhing. Wäre nicht durch einen glücklichen Zufall Lombard, der schon erwähnte Leibarzt des Bey und unser Vertrauter, hinzugekommen, als sie schon mit dcn letzten Krampfen des Erstickens rang, so war ihr Tod unvermeidlich. Kluilammell gcnaß nach langer Gefahr und mußte von der Zeit an eine silberne Calotte tragen." „Hiermit ging der Stnrm dicscsmal an uns anschcinlich vorüber. Doch desto schrecklicher drohte 70 uns dic Entdeckung dcs Zustandes meiner Geliebten. Eine alte Negerin unternahm es, sie davon zu befreien, und obgleicd das Wagsiück, durch Mittel, die nnr im Orient bekannt sind, gelang, so schwebte doch Xukduli,-«, von Nencm mehrere Tage in Todesgefahr. Eine, kurze Ruhe folgte diesen mamnchfachcn Agitationen, und wir glaubten cndlich jede Gefahr überstanden zu haben, als dcr unglücklichste Zufall die rettungslose Entdeckung alles Vergangenen herbeiführte." »Wahrend ich auf einer Sendung dcs Pascha einige Tage abwesend war, bemerkte man Risse m unscrcr Wohnung, die sich grade übcr meinem Schlafzimmer befanden. Dcr befragte Architekt entschied, daß dcr altc Pfeiler abgerissen und durch einen neuen ersetzt werden müsse. Um diesi zu bewerkstelligen ward ein Theil meiner Stube dc-molirt, und das Unglück wollte, daß dies grade derjenige war, wo ich den Griechen vor cincm Jahr vermauert hatte. Dcr zerhackte Körper desselben war zwar ganzlich durch die von mir 71 angewandten Mittel aufgelöst worden, doch erkannte, mat, ihn an dem ungewöhnlich langen Zopf hartcr schwarzer Haare, die mir so gut gedient hattm, uin ihn zu Boden zu reißen, und der leider ganz unversehrt geblieben war." «Sic tonnen sich meine Empfindungen denken, als ich bei meiner Rückkunft das Vorgefallene «fuhr. Doch dürfte ich mil- nichts merken lassen, und erschien am andcrn Morgen, unbefangen an meinem Posten. Der Etikette gcmäsi stellten wir uns nämlich jeden Morgen, wcnn dcr Pascha aus dcm Harem kam, in einem großen Saale auf, in zwei Gliedern eine Gasse bildend, durch die cr, uns musternd, bis zu siincm thronartigcn Divan ging, auf dcm cr sich dann niederließ, und dort, seine Pfeift rauchend, Recht sprach. Mein Platz war an seiner linken Seite, wo ich ihm das goldene Becken reichte, oder sonst den im Augenblick nöthigen Dienst verrichtete. Schon langc stets besorgt, pflegte ich immer gleich beim Eintritt sein Gesicht zu siudircn, welche Laune 72 sich wohl darauf abmale, hcntc abcr war es finster wie cin schwarzer Gewitterhimmel. Kaum hatte cr Platz genommen, als cr sich mit zusammen? gezogenen Augenbrauncu zu mir wandte mid mich fragte, was der Fund in mciucm Schlafzimmer bedeute, in dem man den vor einem Jahr so seltsam abhanden gekommenen Griechen erkennen wolle. Ich erwiederte mit möglichster Fassung, daß ich davon gar nichts wisse, abcr wohl erfahren, wic man in Folge dieses Fundes einen höchst ungerechten Verdacht auf mich geworfen. Dcm-ungcachtct bätc ich seine Hoheit zu berücksichtigen, daß ich (wie ich leicht vorgeben konnte) früher in einem andern Zimmer geschlafen, und dieses erst seit des Griechen Verschwinden gewählt habe, es anch eine wahre Unmöglichkeit sey, daß, wenn die vorgefundenen Ucdcrrcste die des Griechen waren, sie in so kurzer Zeit sich total hatten zersetzen können; daß daher ohne Zweifel hier eine Begebenheit zum Grunde liegen müsse, die sich vor dreißig Jahren, und che ich geboren, zugetragen habe. Daß 73 übrigens dcr vorhandene Zopf lang und schwarz Ware, wie dcr Grieche einen gehabt, sey ein schwacher Beweis gegen mich, da cs viele Lcntc mit langen Zöpfen und schwarzen Haaren gäbe, und von jeher gegeben habe.« «Dcr Pascha wandte sich ab ohne ein Wort zu erwiedern, und ich fühlte mich keineswegs beruhigt.« »Indessen siel nichts weiter am Tage vor, und ich begann schon einer bessern Hoffnung wieder Raum zu gcbcn, als cs um Mitternacht an meine Thür klopfte. Ich öffnete, und ^88iu unftv Cbcf, dcr Üasok-Hlkmowck) dcn wir sehr liebten, weil cr sich immer als ein wahrer Vater sür uns gezeigt, stand vor mir. Vci diesem Anblick fühlte ich wie einen Dolchstich im Herzen, dcun unsere Gebräuche zu gut kennend, sah ich, daß nun mein Loos entschieden sey. Doch da cs bei uns für eine Schande gilt, vor dcm Tode zu erblassen, ober sich in dcn letzten Augenblicken tlcinmüthia zu zeigen, so gab mir Stolz und das allmächtige '74 Gefühl dcr Liebe für kulikuin-u schnell eine so unerschütterliche Fassung wieder, daß von diesem Moment an mich kein Gefühl dcr Schwäche mehr überraschen konnte, und ich nur im Gegentheil mit wahrer Zufriedenheit dachte, diescr Verlust meines Lebens sey nur ein heiliges Opfer dcr Geliebten gebracht; denn die Liebe beherrschte damals meine ganze Seele fasi ausschließlich. Iussuf, sagte dcr Na8ek-Namowelv, ich habe dich oft gewarnt, aber umsonst; Alles was du gethan, ist entdeckt — du musit dich zum Tode bereiten. Sage mir deine letzten Wünsche, und lege mir die Beichte als deinem Freund und Vater ab. — Wohlan, erwiederte ich ohne Zagen, Klsmol,! (das üuum) was geschehen soll, muß geschehen, ich bin bereit! Nach einer ernsten Unterredung von cincr Viertelstunde, in dcr als dcr Letzten auf dieser Welt, noch Manches berührt wurde, was ich hier nicht wiederholen darf, folgte ich dem Lasoli-Hlamowok rcsignirt zu meiner bevorstehenden Hinrichtung. Vor der Thür stand 75 cin Sclave nut einer Laterne, und an dic Mauer gelehnt bemerkte ich noch mehrere Andere, iu dcr Dunkelheit verborgen, nur erkenntlich an den Blitzen ihrer gezogenen ^utu^iiaus. Wir stiegen in dic Souterrains hinab und machten Halt, genau an der Stelle in dem mit Knochen angefüllten Gcwdlbc, wo ich so manche Nacht dcr Stunde geharrt, dic mich in Xki>duln-a's Arme führen sollte. Ich kann versichern, daß dicscr Umstand mich wie mit Wonne üdergosi, und ich nicht dic mindeste Furcht vor dem Tode in mir fühlte.« „Nach unsern Sitten darf kein Mann von Bedeutung hingerichtet werden, ohne ihm vorher Zeit zu lassen, scin letztes Gebet zu verrichten, dem eine Abwaschung vorhergeht. Ein Sclave hatte zu diesem Vehuf mein silbernes Waschbecken mit sich genommen, und cin Anderer cincn Teppich vor mir ausgebreitet, auf den er seine Laterne sicllte. Ich wusch mich, kniete nieder, und verrichtete genau, was unsere Religion gebietet. 76 Dieses letzte Gebet ist ziemlich lang und dauert fast cine Viertelstunde. Vei seiner Beendigung verlangt die Vorschrift des Gesetzes die Ecke dcs Teppichs, auf dem mau gekniet, umzuschlagen. — Und nun bedenke man, was das Schicksal ist!« fuhr Ilissuf nach cincm augenblicklichen Stillschweigen fort. „Indem ich mechanisch und im Begriff dem Todesstreich mein Haupt darzureichen, die Ecke dcs Teppichs umschlage, werfe ich von ungefähr, und ohne alle Absicht, die Laterne mit um, deren Licht anf der Stelle verlischt." «Was in diesem entscheidenden Moment in mir vorging, ist schwer begreiflich zu machen. Mein ganzes Wcsen verzehnfachte sich; das Lcbcn, vor einem Augenblicke fast noch eine Bürde, schien mir das unschätzbarste der Güter, und chc ich noch eines deutlichen Gedankens mir selbst bewußt ward, hatte ich schon dem mir zunächst stehenden Sclaven den ^aw^!,Ki, entrissen, und war in der Dunkelheit verschwunden, aufs Gcrathcwohl in dcn finstern Gewölben forttappcnd. Bald gcricth 77 ich in tiefen Schlamm, und das Lärmen und Rufen meiner Begleiter hallte schon immer schwächer aus der Ferne. Ich fiel, ich zerschlug mir Hände und Gesicht an den Steinen, doch Nichts hielt mich auf. Bald ging mir das Wasser bis über den Gürtel, und endlich bis an den Hals. Jetzt erst hielt ich an, und Grabesschwcigcn umfing mich, kein Laut war mehr hörbar. Ticfaufathmcnd genoß ich zuerst das volle Entzücken der Freiheit, des neugewonnenen Lebens, dann suchte ich den Rückweg, um eine trockene Stelle zu erreichen. Doch ohne den Faden der Ariadne war hier an kein Zurechtfinden zu denken, und Alles, was ich thun konnte, war nur, immer wieder zurückzukehren, wenn ich in einen Gang gerieth, der zu hoch mit Wasser angefüllt war, und einen seichteren aufzusuchen; glücklich, wcnn ich nur zuweilen einen Stein fand, um darauf auszuruhen. Sie werden es kaum glauben können, aber die Folge hat cs mir unumstößlich bewiesen (denn wahrend der Zeit selbst konnte ich ihre Dauer 78 nicht messen, und Tag und Nacht uicht unterscheiden), daß ich drei Tage und drei Nachte iu diesen Katakomben zugebracht habe, ohne eine andere Nahrung als das ekelhafte schlammige Wasser und eine Art Schwämme, die an dcu feuchten Wände:, wuchsen. Am Morgen des vierten Tages trat ich, zum Tode ermattet, auf eincu langen Knochen, den die Ratten hierher geschleppt haben mochten, und wie eine Inspiration ward cs mir deutlich, daß in dieser Richtung das Knochengewdlde liegen müsse, das zu meinem Grabe bestimmt gcwcscu und mir seit so lange innig befreundet war. Schon oft hatte ich mein früheres Mittel Feuer zu schlagen versucht, aber die schlechte schwache Klinge meiner geraubten Waffe entsprach nie meinen Bemühungen. Doch betrog mich, auch ohuc diese Hülfe, meine Hoffnung diesmal nicht. Nach wenigen Minutcu sank ich mit unbeschreiblicher Wonne auf meinem alten Ruhebette, den wohlbekannten Gerippen nieder, die ich wie meine Erlöser zärtlich an mich drückte. 79 Dabei zerrissen mir aber zugleich dic grausamsten Schmerzen dic Eingeweide und cm wüthender Hunger lehrte mich Martergefühlc von einer bisher ganz ungckannten Art. Kaum hatte ich noch die Kraft mich wieder aufzurichten und dem Orte zuzutappcu, wo ich die nach dem Gartcn führende Thür vermuthete, als eine rauhe Masse mich austiesi und ich ein dnmpfcs Grunzen dicht vor mir vernahm. Das Entsetzen gab mir neue Kräfte, ich siicß mit dcm Dolch nach dem unbekannten Wesen, und etwas Schweres fiel auf mich mit lantem Stöhnen; zugleich fühlte ich mich mit warmem Vlute siromweis übergössen. In diesem Augenblick glänzte mir ein Lichtstrahl entgegen, die Thür ging auf und Andrea trat herein, um einen am Abcud vorher gekauften Esel zu holen, den er einstweilen hier dic Nacht über angcbuuden hatte, und der sich als das eben von meiner Hand gefallene Ungcthüm auswies. Andrea, rief ich, um Gotteswillen rette mich! ich binInssuf! Doch dieser jahlinge Auruf hätte bald mein Vcr- 8tt oerbcn herbeigeführt, denn Andrea, von abergläubischer Furcht dm'chbcbt, brach in ein wahnwitziges Geschrei aus, stürzte aus der Thür, und schlug sic krachend wieder hinter sich zu. Jetzt erst verfiel ich in gänzliche Verzweiflung, mein unglückseliges Schicksal verwünschend; doch forderte die Natnr ihr Recht, und das Blut des gefallenen Esels, das ich gierig schlürfte, bewahrte mich vielleicht vor dem gänzlichen Schwinden meiner letzten Kräfte. Glücklicherweise hatte Andrea seiner Frau erzählt, was ihm begegnet, und diese, gcschcidtcr als er, kam nach cincr halben Stunde mit Essenzen und Erfrischungen wieder, blieb jedoch ebenfalls lange zaghaft an der Thür stehen, ehe sie sich näher wagte und endlich mit Gewißheit sich über? zeugte, daß kein Geist sie scheuche, sondern mein wahres Fleisch und Vein dringend ihre Hülfe in Anspruch nehme. Andrea und seine Frau hatten mir, was man in Europa Reichthümer nennen würde, zu danken, denn sie waren mir zu nöthig, um sie nicht mit Gold zu überschütten. Sic 81 blieben mir auch jetzt getreu. Während der Mann mir in seiner Wohnung ciu Bad bereitete und frische Kleider gab, benachrichtigte scinc Frau — Xadlnüil-a von mcincm Leben und meiner wunderbaren Rettung, so daß ich schon in dcr folgenden Nacht mich in ihren Armen und in ihrer eigenen Wohnung sicher aufgenommen fand." «Das armc Kind glich cincm Schatten, und hatte in Verzweiflung üdcr meinen Tod alle Nahrung von sich gewiesen. Ihre Freude grcuztc daher jetzt auch fast an Tollheit, doch schon nach den ersten Momenten der Ueberraschung war sie cs wiederum, die für uns Alle zu denken und zu handeln verstand. Mehrere Tage blieb ich bei ihr verborgen, während denen folgender Plan durch ihre Thätigkeit und Geistesgegenwart zur Ausführung kam. Um diesen zu erklären muß ich hier abermals einiges früher Geschehene ein-schalten." „Ein naher Verwandter des vorletzten, umgekommenen Bcy's, der iu der Armee diente, ^Ii Scmilasso in Afrika. I. 6 82 Veil ^mmu88) hatte schon seit geraumer Zeit die Flucht ergriffen, in Algicr Unterstützung gesnchr und gefunden, und war, von einem kleinen Heer Bergbewohner gefolgt, von der Seite von Con-ssantinc ans in das tunesische Gebiet cingcfallcn, wo er bereits zweimal die ihm entgegen geschickten Truppen mit mm Haudvoll Leute geschlagen hatte, und jetzt in einer schr vortheilhaften Position auf dem Rücken dcs Gebürgcs einem dritten Corps des Vey gegenüberstand, so daß ein abermaliger Echek schr bedenklich für diesen werden konnte.« i,Es blieb mir nun die Wahl übrig, entweder zu dem Empörer überzugehen, oder durch eine eklatante Handlung meinen Pardon zn verdienen. Der Geliebte kakdukra's konnte nur das Letztere wählen." «An meinem Tode zweifelte übrigens Niemand, der Bey selbst nicht, denn bei uns ist es me üblich, daß der, welcher mit einer solchen Hinrichtung beauftragt wird, auch ihre Vollziehung meldet. Di.'s versteht sich so sehr von sclbst, daß aus 63 cincr Art von Decorum dcr Sache nur dann wicdcr erwähnt wird, wenn noch andere Befehle einzuholen sind. Hier aber hatte dcr Un^i!-HIuiuoluOl^ sich um so mehr gehütet den unerwarteten Ansgang zu erzählen, da er leicht sammt den nachläßigen Sclaven statt meiner dasür bätte büßen können, nnd überdies die Rettung alls be» unleril'dischcil Gewölben so unmöglich schien, daß man nur glaubte, ich habe das Ende durch dcn Dolch mit dcm dcs Hungertodes vertauscht." »Noch war indeß über meine Habseligkeiten nichts verfügt worden, und der Vcy, wie man behauptete, unruhig und bctümmcrt, hatte im Gegentheil sichtlich vermieden, irgend etwas mich Betreffendes zu erwähnen. Dicscr Umstand gab uns doppelt gute Hoffnung. Durch die Sorgfalt liudliiMlcl's wurde meiü treuer Diener Nuktttll von dem Geschehenen unterrichtet, und ihm an, befohlen, mit meinem Schlachtroß Hncilan Kai'!» (der heißeste Teufel, in wörtlicher Ueberschung) 84 und meinen besten Waffen sich zur Abendstunde mit noch zwci andern bewaffneten Dienern, die von Nichts wußten, in demselben Wäldchen ein-znfindcn, in dem Uuimnunod von meiner Hand gefallen war. Dies ward glücklich ausgeführt, ich entkam uncntdcckt über die Wälle und Mauern, und mitten in der Nacht erreichte ich schon das Lager unserer Truppen. Hier campirte, etwas von dem «1-08 des Corps abgesondert, mein treucsicr Freund und Waffenbruder Nocwm mit vicrhuudert Suavcn auserlesener Truppen. Auch hier bei der Armee war bereits mein Tod bekannt geworden, zum Schmerz meiner Freunde und zur Freude meiner Neider. Ich kann jedoch sagen, dasi ich immer noch mehr der Ersten als der Letzter« zahlte. Mein Charakter war von Natur wohlwollend und großmüthig, und da meine Lage mir die Mittel gab, diese Tugenden leicht zu üben, so hatte ich Vielen geholfen, und Keinem, der mich uicht angriff, zu schaden gesucht. Dazu kam, daß ich, verwegen und kühnen Wagnissen 85 hold, bishcr in allen Unternehmungen von einem außerordentlichen Glück begünstigt worden war. Dies entscheidet bei den Orientalen Alles, und da sie nicht gern einer Fahne folgen, von der mchreremalc der Sieg gewichen, dic meine aber schon von meinem fünfzehnten Jahre an kaum je einen Sieger gefunden, so genoß ich einer großen nnd nicht ganz unverdienten Popularität bei den Arabern. Viel hatte dazu noch beigetragen, daß ich ihncn nie mein Wort gebrochen. Muth und Wahrhaftigkeit sind aber die am höchsten von ihncn geschätzten Eigenschaften." „Nmluin's Erstaunen war grenzenlos, als ich in sein Zelt trat und durch eine Umarmung mein Leben bekundete. Sobald ich ihn kurz von dcm Vorhergehenden unterrichtet hattc, sagte ich, seine Hand ergreifend: Jetzt, ttoäuiu, ist der Augenblick gekommen, wo du mir alle Dienste, dic ich dir oft mit Gefahr meines Lebens erwiesen, vcr? gcltcn sollst. Du mußt mir den Befehl über deiuc Suaven abtreten; du weißt, daß ich dir 86 im Kriege und Kampf überlegen bin, und hier gilt cs jetzt für mich Alles zu wagen, um Alles zu gewinnen.« „Sie werden sich vielleicht wundcm, daß ttoäuin diesem Gesuch ohne Weigern willfahrte, aber zuerst herrscht bei uns kaum eine Spur von der strengen Disciplin europäischer Heere; zweitens wenn wir vi^l Mangelhaftes im Vergleich mit Ihnen haben, so haben wir anch Einiges voraus, imd dahin geHort ein ritterlicher, romantischer Sinn, der der Liebe, der Freundschaft, ja oft einer bloßen Aufwallung der Großmuth, Alles zum Opfer zu bringen fähig ist. Kurz, Noämu gab meinem'Wunsche ohne Besinnen nach, ich hielt eine kräftige Anrede an seine Suavcn, und wenige Minuten nachher klommen wir schon dcu Vcrg hinan zum Neberfall des feindlichen Hauptcorps, von dem wir wusiten, daß es nur aus Fußvolk bestand, und zugleich voraussetzten, daß diese wilden Horden, durch ihre letzten Siege wie durch die Unthätigkeit unserer Truppen sorglos 87 gemacht, wahrscheinlich wenig auf ihrer Hut seyn würden.« «Nur ich, kockui,, und meine drei Diener waren zu Pferde, die Suaven folgten zu Fuß; doch bald bemerkte ich Nachlaßigkeir uud Ui> bestimmtheit bei den Truppen. Ich rief mehrerc-malc die l8elnni8«li (Art Offiziere) heran'"), die wohl einen Augenblick dic Ordnung wieder herstellten, welche jcdoch keinc Dauer hatte." „Immer mehr Leute dlicbcu zurück, die Dunkelheit der Nacht verhinderte es genau zn bemerken, und als wir auf dcm Rücken des Verges ankamen, fanden wir Berittene uns fast allem. Fcst entschlossen für meine Person nicht zu weichen, nnd durch irgend etwas Außerordentliches mcine Schuld zu tilgen, hielt ich eiucu Augenblick an, bat Nmlui«) mich hicr ruhig zu erwarten, sprang vom Pferde, uud schlich, mit meinem gespannten Tromblou iu der Hand, leisc dem Lager zu." ^) 20 Mann sichen gewöhnlich unter einem 8ol,»u8ek. 88 „Alles lag p6I«-m6lo ini Dnnkcl und im tiefsten Schlafe; nur cm einziges Zelt, was offenbar das dcs Anführers styn mußtc, schimmerte nicht weit von mir mit dem schwachen Schein eines einzelnen Lichtes dnrch die Nacht. Ich kroch auf Händen und Füsicn heran, und erblickte einen Mann darin liegen, der, in Gedanken vertieft, noch zu wachen schien; denn er wiegte sich fortwährend hin und her. '") Ich umging das Zelt, hob leise eine Wand empor, drängte mich unten hindurch, und wollte eben mein Gewehr losdrücken — denn mit dem Tode des Chefs, war ich überzeugt, daß an keinen Widerstand mehr zu denken sey, und dann die nachfolgenden Suaven hinlänglich zum vollständigen Siege seyn würden — als ich an einem Knopfe meines Acrmcls hängen blieb. Bei der dadurch entstandenen Bewegung des Zeltes ergriff der vor mir liegende ^uimu«« seinen Säbel, *) Dies ist eine Mode der Orientalen, die mit ihrer Art zu sihcn in Verbindung stcht. 89 und traf, erschrocken nach nur hauend, mein Gewehr in demselben Augenblick, wo ich es aus ihn abdrückte. Pulvcrdampf erfüllte das Zelt, und als er sich verzogen hatte, war Niemand mehr darin zu sehen. Eine desto grdßerc Anzahl durch den Schuß Erweckte drangen dagegen von allen Seiten herzu; ich nahm mir nnr so viel Zeit den Siegelring dcs ftcmdcn Befehlshabers zu mir zu stecken, der anf einem kleinen Feldnfch mit seinen Waffen neben ihm lag, und eilte, den Ort wieder zu erreichen, wo ich meine Begleiter gelassen. Kaum war ich jedoch einige Schritte gelaufen, als ich schon mein Pferd wiehern hörte, das sich losgerissen hatte, als wolle es mich aufsuchen. Es auffangend befand ich mich augenblicklich im Sattel, aber schon war cs zu spät! Eine solche Zahl von Menschen umringte mich im Nu, dasi aller Widerstand unmöglich ward. Man entriß mir meine mit Juwelen besetzten Waffen, ergriff die Zügel meines Pferdes, und zog cs fort, um mich im Triumph dem Chef 90 zuzuführen. Doch dieser war nirgends zu finden. — Man suchte ihn von allen Seiten mit immer steigender Besorgniß, doch jede Spur von ihm schien verschwunden. Wahrend man mich nun so ungcwisi umherführtc, und übrigcns, da mau wich nach der Pracht meiner Kleidung und Waffen für einen Sohn des Bey von Tunis' hielt, mit einer Art Ehrfurcht behandelte, fiel mir plötzlich cin, ob ich mich nicht durch ciu früher schon einmal versuchtes Manöver noch retten könnte. Gedacht, gethan. Mit einem Zuge schob ich Okuilau's Zügel und Kopfgestcll über seine Ohren, so daß Vcidcs herabfiel, und die, welche mich führten, nur noch die Zügel ohne Pferd in den Handen behielten. ^) Die Ueber-raschung lahmte sie einen Angcnblick, und als verstehe mich mein edles Nost, baumtc es in demselben Moment hoch auf, schlug mit den Vorvcrfüßm um sich, und indem es dann mit b) Nur mit arabischer Zämmmg ist dics ausführbar. m einem ungeheuren Satzc niederwarf, was sich ihm entgegen stellte, rannte cs mit Blitzesschnelle wald-cin, sorgsam jeden Baum vermeidend, und dan« instinctmäßig dem Wege wieder zueilend, den wir gekommen waren. Viele hundert Flintenschüsse wurden während dem nach mir abgefeuert, doch die Liebe beschützte mich ohnc Zweifel, denn keiner davon traf sein Ziel. Wcr bcschreibt aber meine Freude, als ich mit den ersten Strahlen dcr ausgehenden Sonne Nmlulu mit seinen Snavcn mir cntgcgcn kommen sahe. Jetzt wandte sicd die Gestalt dcr Dinge, wir umzingelten sogleich den in ein llölilö zusammengepreßten, ungefähr sechshundert Mann starken Feind, und ich befahl, taub für das Flehen dcr Besiegten und ihr Anerbieten, sich gefangen zu geben, ein Ende mit ihnen zu machen. In einer guten halben Stunde war Keiner von ihnen mehr unter den Lebenden. Ich gestehe, daß diese Metzelei etwas grausam genannt werden mag; aber ich fühlte mich so empört über die erlittene Schmach, ich war damals so 92 überzeugt, daß dicsc barbarischen Gcbürgsvdlkcr auch barbarisch behandelt werden müßten, und hielt überdies, im Behuf meines eigenen Interesses, einen blutigen Sieg für so unerläßlich, daß ich keiner wcitern Uebcrlegung Raum gab. Als man die Leichname plünderte, fanden sich anch meine eignen Waffen wieder, und voll der lachendsten Hoffnungen für die Zukunft, mit meinem Nachtwerk wohl zufrieden, eilte ich, nachdem ich Nmluiil gehörig iustruirt, schleunig die Stadt koruan zu erreichen, welche als ein geheiligtes Asyl gilt, in dem kein Flüchtling beunruhigt werden darf." »Als Nnlwiii im Lager ankam, und meldete, daß er allein das von ^,11 üeu ^mmu»« selbst befehligte Corps ans seiner starken Position vertrieben, und ihm sechshundert Mann getödtct, wollte der durch das Schießen am Morgen allarmirtc Befehlshaber kaum der Nachricht Glaubcu dcimcssen. Doch konnte er sich nicht lange der Evidenz verschließen, übernahm die Verfolgung des Ucberrcsies, und sandtc Nmluii, S3 mit dcr erfreulichen Nachricht sofort nach Tunis. Nachdem dieser dort für scin eigenmächtiges Handeln nicht nur willige Verzeihung, sondern hohe Belohnung erhalten, entdeckte er, dcm Bc« sich zu Füßen werfend, daß dieser für die vaterländischen Waffen so glorreiche Sieg nur dcm, wie durch ein Wunder auferstandenen, Iussuf zu danken sey. Der Bey, welcher langst Reue über mcinc im ersten Zorn von ihm anbefohlene Hinrichtung gefühlt hatte, um so mehr, da er Niemand fand, mich ihm bei huudcrt Angelegenheiten, die er mir allein anzuvertrauen pflegte, zu ersetzen, Zeigte eine unvcrholenc Freude bei der unerwarteten Nachricht, und sendete mir sogleich einen Mamelucken mit dcm Pcrlcnkranz nach koi-nm», dessen Besitz die vollständige Vcrzeihnng verbürgt. Ich benutzte dic Gelegenheit, dcm Bey einen ucueu sehr bedeutenden Dienst zu leisten. Hinter Koi-imn lebte nämlich auf einem hohen Berge dcr Schech Uullura, cin Mann von großem Einfluß auf die Bergbewohner, dcr sich kürzlich gegen den Pascha sehr feindlich Uj benommen, dann zwar wieder mit ihm versöhnt, aber dennoch der Einladung dcs Pascha nach Tunis zu kommen, nicht hatte trauen wollen. Ich wußte, wie viel wegen anderer Pläne dem Bey daran gelegen war, nnt LuNuis, festen Frieden zu schließen. Die glückliche Conjunctm benutzend, brachte ich daher diesem den Rosenkranz von Perlen, als sey er ihm geschickt, und vermochte den Schech, mich zu begleiten." «Ein wahrer Triumphzng erwartete mich in Tunis, und Sie können mein doppeltes Entzücken sich vorstellen, da ich wußte, daß Kabduwa Zcngc davon seyn und alle Dämel» dcs Harems den Sieger nach ihrer schmeichelhaften Weise begrüßen würden. Dcnn dies sahen wir immer als unsern schönsten Lohn an, wenn nach einer vollbrachten braven That, aus den Fenstern dcs Harems Blumen auf uns niedergeworfen wurden; oder, ohne daß wir wußten, von wem die Gabe käme, irgend ein Juwel am Sattel unsres im Hofe stehenden Pferdes aufgehangen, oder dieses mit 95 dcr köstlichsten Roscncsscnz begossen wurde. Oft," sagte Iussnf lachend, „duftere mein KiwilHu so siark danach, daß man es kaum in seiner Nähe aushalten konnte." Wie schon, dachte ich bei diesen Worten, haben doch die Manren und Araber, welche wir Barbaren schellen, die alten chcvalcresken Sitten beibehalten, die sie einst von Spanien aus über ganz Europa verbreiteten, wo sie jetzt nur noch eine halb vergessene Tradition sind! „Der Pascha," erzählte Iussuf weiter, „cmpfiug mich gnädig, aber ernst, und nicht eher fand ich mich ganz unbesorgt, als bis cr mich am Abend allein zn sich in den Harem rufen ließ. Hier, von lvllddulu-a hinter den Gittern gesehen, warf iä) mich ihm zu Füßen, und weinend seine Handc küssend, schwur ich ihm zu, immer sein treuer und dankbarer Sohn zu bleiben. Mein Betragen, o Herr! setzte ich hinzu, verbürgt es dir wohl." »Hier schließt dcr erste Act meines Drama's,« sagte Iussuf, sich mit dcr weißen beringten Hand OS seinen prächtigen braunen Vart streichend (denn Iussuf spricht jetzt wie ein gebildeter Europäer) „der zweite cndctc gewaltsamer, und änderte mein ganzes zukünftiges Schicksal.« „Drei Jahre vergingen in ungestörtem Frieden. Der Pascha konnte über das fortwährende Verhältniß mit seiner Tochter nicht mehr in Zweifel stehen, es war indeß hinlänglich, daß er es zu ignoriren schien; doch mußte dabei fast immer dieselbe Vorsicht 'angewendet werden, um Kak-bukra's Ruf zu schonen und keinen «olat herbeizuführen, der dem Pascha selbst die Hände gebunden haben würde. Eine Hcirath war vcrmögc unserer Gesetze nicht möglich, und mein Rang ihr auch völlig unangcmcffen, da ich, nicht von prinzlichcm Blute, wenigstens erster Minister und Chcs der Mamelucken hätte seyn müssen, um auf ihre Hand hoffen zu dürfen, was meine zu große Jugend unausführbar machte," «Dieser fortwährende Zwang fing daher an, uns mit der Zeit ganz unerträglich zu werden, Z7 und wir beschlossen endlich zu fliehen. Ich hatte zu der Zeit einen Sclaven, mit Namen Antonio, auf den ich mich ganz verlassen zn können glaubte, und dem ich mich daher anch rücksichtslos entdeckte. Ich gab ihm «000 Piaster, um unter der Hand ein Schiff kanfcn, nnd dies am bestimmten Tage mit einer geringen Mannschaft, die in, Namen eines Kaufmannes gemiethet werden sollte, für uns bereit halten zu lassen.« «Der Hof begab sich alle Frühjahr nach cincm Lustschloß, Illunmaui-I^iof genannt, wo sich mineralische Vadcr befinden. Diese werden als eine Art Rcinignngscur gebraucht, der sich Jeder, der zum Hofstaat gehört, unterziehen muß. Das Schloß liegt mitten in einer Pläne, vom Meer eine halbe Stunde entfernt, und durch eine sumpfige Gegend voll hoher Binsen von diesem getrennt. Von hier wollten wir unsere Flucht bewerkstelligen, um Malta oder Sicilicn zu erreichen, und, da cs uns an Schätzen nicht fehlte, in Europa cm freies und glückliches Leben zu führen. Mit den Semilassll in Afrika. I. 7 98 schönsten Luftschlössern bauten wir uns diese Znkuuft auf, in denen wir dic stillen Freuden cincr ungestörten Verbindung genießen wollten, und kcin Zweifel am Gelingen sidrtc die Zuversicht unserer, leider zu vertrauensvollen Jugend." «Dic festgesetzte Nacht erschien. Antonio, der versicherte, daß Alles bereit sey, hatte mich verlassen, um nns am Ufer zu erwarten, und ich begab mich, froh endlich am Ziele zu seyn, zu der ängstlich meiner harrenden Geliebten, die in großer Bewegung mit Thränen in meine Arme sank.« «Vald gelang es indeß meinen Liebkosungen und feurigen Worten, die ihr das Vild unseres nahen Glückes mit allen glänzenden Farben einer seit lange nur dahin gerichteten Einbildungskraft ausmalten, sie zn beruhigen. Ein entsetzliches Gewitter mit Sturm und Regen, wie es in dieser Jahreszeit häufig eintritt, tobte vor unsern Fenstern. Nichts konnte uns günstiger seyn, denn eine doppelte Reihe von Zelten, mit Soldaten angefüllt, umgab das Schloß. Obgleich Einige von ihnen da, wo 99 wir durchdringen wollten, bestochen waren, so konnten leicht Andere uns entdecken. Das Zimmer, in dem wir uns befanden, war nicht allzuhoch vom Vodcn entfernt. Ich ldste meine lange goldene Säbelschnur, befestigte sie am Gitter, und auf den Balkon hinaustretend, kletterte ich zuerst an der im Winde flatternden Schnur hinab, liHdliuIlra, mir unverzagt und mit dcr Gcschick-lichkcit eines Eichhörnchens nachfolgend. Als sic aber unten angekommen war, überwältigten sie von Neuem ihre Gefühle. Sie wandte sich dem Hanse noch einmal zn, siel, in ihrer Meinung den ewigen Abschied nehmend, anf ihre Kniee und schluchzte laut. Doch unsere Zeit war zu kostbar, ich zog sie mit sanfter Gewalt hinweg, und passirtc unangefochten mit ihr die Zelte, in welche der fürchterliche Regen alle Krieger zusammengedrängt hatte. Unser Weg zwischen den Binsen wurde aber immer beschwerlicher, und das Herz blutet mir noch, wenn ich daran denke, mit wie viel Muth und Geduld dies zarte Wesen ihre 500 feine Haut an dcn Gestrüppen blutig ritzte, in bloßen Füßen (denn ihre Pantoffeln waren nach kurzer Zeit im Sumpfe verloren gegangen) und Icichtcr Kleidung dem entsetzlichsten Unwetter ausgesetzt blieb, und dennoch nie eine Klage über ihre Lippen kommen licß. Ich trug sie, so oft ich konnte, aber kürzlich erst von einer bedeutenden Wunde in der Brust genesen, die ich in einem Gefecht erhalten, waren meine eignen Kräfte kaum zur Hälfte wieder zurückgekehrt, und überdem drückte mich die Last großer Summen in Gold und Juwelen, die ich niemand Andrem anzuvertrauen gewagt, fast darnieder. Endlich erreichten wir, von Mattigkeit erschöpft, das Meer; ader wer schildert unser Entsetzen! kein Schiff war weit und breit zu sehen. — Hier verließ mich einen Augenblick alle Fassung, und nur kadduklH zeigte cinc wunderbare Standhaftigkeit. Warte meiner hier, rief ich verstört, und laß mich suchen, Antonio muß in der Nahe seyn. Ueber eine halbc Stunde irrte ich vcrzweiflungsvoll am Ufer 10t umher, doch nichts als einzeln die Luft durchkreisende Seemöven zeigten sich meinen starren Blicken. Als ich zurückkam, war auch Kabdulir» verschwunden. Eine aus den Binsen hervorbrechende Schlange verscheuchte sie; tödtlich geängstigt hatte sie mich dann auf einer falschen Seite aufgesucht, und eine zweite bange halbe Stunde verstrich, ehe wir, lant unsern Namen rufend, uns wieder zusammenfanden." „Trostlos schlugen wir den Rückweg nach dem Schlosse ein; ich in dumpfer Verzweiflung, das entschlossene Mädchen mich mit allen Trugschlüssen, die ihr die Liebe eingab, vergebens zu trösten versuchend. O Kabwilu-a! rief ich, es bleibt uns nichts Andres mehr übrig, wir müssen zusammen sterben! Ich bin bereit, erwiederte sie, dir zu folgen, wohin du mich führst, auch in den Tod. — Im halben Wahnsinn drückte ich sie fest au meine Vrust und zog meinen Dolch, doch versagte mir der Muth. kadkuwa, begann ich zagend um Zeit zu gewinnen, küsse mich, und richte selbst 102 die Wassc auf dein Herz — ist dcin letzter Seufzer entfloh», so zerschmettert diese Pistole meiu schuld-bedecktes Haupt. O, sagte sie sich schaudernd abwendend, laß uns vorher doch noch das Acußcrste abwarten. Wie schnell ist, ehe man uns ergreifen kann, ein Dolchstoß geführt; vielleicht schützt uns Allah, und laßt uns durch ein Wunder das Schloß wieder erreichen. Aber sie wußte nicht, daß mcinc wenigen übrigen Kräfte mit jedem Momente schwanden. Mcinc Wnüdc war von Neuem aufgebrochen, ich fühlte mich mit Blut überströmt, und sank ohnmächtig in die Kniee. Als ich die Augen wieder aufschlug, fand ich das treue Geschöpf mit der größten Geistesgegenwart beschäftigt, mcinc Wunde zu verbinden und mir starke Essenzen vorzuhalten, die mich mühsam ins Leben zurückgebracht hatten. Wie, dachte ich über mich selbst empört, dieses zarte gebrechliche Wesen zeigt solchen Muth und D u solltest neben ihr erliegen? Eine überirdische Kraft schien bei diesem Gedanken alle meine Nerven wunderbar 103 zu stärken; ich raffte mich gewaltsam auf, und von KMniwa zärtlich unterstützt, nahten wir zum zweitenmal den Zelten. Del Himmel schien mit uns im Vnndc und strömte noch immer seine Fluchen wie einen Wolkenbruch herab. — Jeder Wahrscheinlichkeit zum Trotz waren in wenigen Scknndcn die Wachen glücklich hinter uns, doch die goldne Schinn-, dachte ich mit Schaudern, wenn sie bemerkt worden und uicht mehr da wäre! Doch das Unwetter hatte uns gerettet; schimmernd flatterte sie noch im Winde wie zuvor. Iv^dulu-a schwang sich zuerst mit ihrer Hülfe hinauf, und gleich darauf verrieth mir ihr dreimaliges Klopfen, daß Niemand erwacht sey, und ich ihr sicher folgen könne. Auf dem gewohnten Wege fand ich meine Wohnung wieder, und wenige Tage reichten hin, um die Folgen dieser schrecklichen Nacht, dcr schmerzlichsten meines Lebens, gänzlich zu verwischen.« „Doch nur eine Frist hatte uns das vcr-räthcrischc Schicksal vergönnt! Der Grund, warum 104 Antonio nicht erschienen, war nicht Verrath, wic ich befürchtete, sondern ein auf ihn gefallener Verdacht der Behörde, weil er seinen Auftrag mit zu wenig Vorsicht verrichtet. Man hatte scin Schiff angehalten, und da cr kcinc Auskunft darüber gebcn wollte, ihm fünfhundert Stock-schlägc aufzählen lassen. Nun nannte cr cincn falschen Namen, dessen Unwahrheit sich aber bald auswies. So ward seine Marter verdoppelt, und ohne Kraft sie länger auszuhalten, gestand er Alles. — Der Pascha, als cr diesen Bericht erfuhr, übte noch einmal Langmuth, und statt mich todten zu lassen, wic ich erwarten mußte, wics cr mir einen festen Pallast in Tunis zum Gewahrsam an, die Varlaoln,, wo von Negerinnen Alles bereitet wird, dessen die Hofhaltung bedarf. Hier ward ich übrigens anständig behandelt, zuerst der genauen Aufsicht dieser alten Weiber übergeben, einer gefährlicheren Wache als alle übrigen, außerdem aber umringten auch noch Soldaten das Haus; und dennoch gelang es mir bald, mit 105 Hülfe dcs Arztes und dcr nicht zu strengen Conttolc dcs Chefs dcr Mamelucken, ein solches Vesicchungssystem zu organisircn, daß, während dcs ganzen Jahres wo ich hier gefangen saß, nur wenig Nächte vergingen, in denen ich nicht, wenigstens einige selige Minuten, in Xaddulua's Armen ruhte, obgleich mein Gefängniß über cinc Sttmdc von dcr Ncsidcnz entfernt war nnd ich hundert Schwierigkeiten aller Art zu überwinden hatte, ehe ich bis zu ihr dringen konnte. Meine damalige Ausdauer, meine unerschütterliche Zuversicht und meine gänzliche Verachtung jeder Gefahr ist mir seitdem oft selbst fast ein Räthsel geworden, und ich fühle wohl, daß ich dcs Gleichen jetzt nicht mehr fähig wäre.« „Nach Vcrlanf dieses, trotz seiner unaufhörlichen Sorge, glücklichen Jahres trennte uns endlich das grausam mit uns spielende Schicksal für immer!« Der tiefe Kummer, dcr sich hier über Iussufs Züge verbreitete, und die Heftigkeit seiner Empfindung, die ihm auf einen Augenblick fast das l06 Athmen benahm, zeigten mir, wie schmerzlich cr diesen Verlust noch jetzt empfinde. „Ich kann,« sagte cr an scinc Brust fassend, „diese Geschichte meines stürmischen Lebens nicht erzählen, ohne auf das heftigste davon ergriffen zu werden, und hätten Sic mir nicht ein so freundliches Interesse gezeigt und so lebhaft in mich gedrungen — ich würde mich schwer dazu entschlossen haben. Sie sind der Erste, dem ich so ausführlich mitgetheilt, was ich mich lange Zeit bei mir selbst zu über-denken scheute. Doch wir sind jetzt bald am Ende, und Ihre Geduld", setzte cr mit seinem unwiderstehlich liebenswürdigen Lächeln hinzu, „möge nicht noch früher ermüden.« „Um die angeführte Zeit hatte ich das Unglück, daß H.88M, mein Beschützer und zweiter Vater, wie überhaupt einer der ausgezeichnetsten Männer, in Ungnade fiel und mein größter Feind seine Stelle als erster Minister und Chef der Mamelucken einnahm. Dieser, der genau meinen Schritten gefolgt und von Allem unterrichtet war, machte 107 dem Pascha einen so umständlichen Rapport darüber, daß der Vater mich nun endlich dcr Ehre seiner Tochter aufopfern zu müssen glaubte.« «Lombard, der Leibarzt, bekam den Auftrag, mir in mciucm Gefängnisse die Gifttassc zu reichen, dic dem Leben dcr Vcrnrthciltcn cm schnelles Ende macht. Aber von Lombard hattc ich nichts zu befürchten, und cs ist wohl möglich, daß dcr Bey selbst im Geheim darauf rechnete. Dcr Grund dieser mcincr Sicherheit war folgender. Als ich noch ein Knabe von fünfzehn Jahren war, kam Lombard zuerst nach Tunis, wo cr sich am besten zu insüulirm glaubte, wenn cr dcm Schutz der Consuln entsagte uud sich gauz unter die Jurisdiction des Bey begäbe. Dieser Schritt führte ihn jedoch bei einem Haare seinem Untergänge zu. Eine Epidemie verbreitete sich in dcr Haupt-stadt, welche Lombard für die Pest erklärte. Da Nichts dcm Handel und unsern damaligen Verhältnissen nachthciligcr scyn konnte, wie eine officicll erklärte Pest, durch alle Hindernisse welche sie in 108 dcn Verkehr mit Europa bringt, so geriech dcr Pascha in die höchste Wuth über eine Behauptung, dcr alle tunesischen Aerzte widersprachen. Er befahl, den allzukühnen Lombard sogleich herbeizuführen, um ihm vor seinen Augcn tausend Stockschlägc zu geben, welches cincm Todcsurthcil äquivalent ist. Die einnehmende Gestalt und das würdige Benehmen Lombard's machte auf mich, dcr damals ein verzogenes Kind des Pascha war, einen solchen Eindruck, daß ich in die bittersten Thränen ausbrach, mich dem Vey zu Füßen warf, und ihn beschwor: den grausamen Befehl zurückzunehmen, um doch erst abzuwarten, ob dcr fremde Mann nicht die Wahrheit gesagt. Der Pascha, gerührt von meiner Angst, streichelte mir die Wangen und sagtc gütig: beruhige dich nur, es soll nach deinem Wunsch geschehen! Lombard ward abgeführt, und als kurzc Zeit darauf sich vollständig bewahrte, was er behauptet, machte ihm der Bey öffentlich eine Entschuldigung, beschenkte ihn reichlich, nnd ernannte ihn mit einem hohen Gehalte zu seinem Leibarzt.« 109 „Als nun derselbe Mann, der mir Lebcu, Ehre und Wohlstand dankte, jcht in dcr Nacht mit dcm Gifttrank bci mir erschien, sagte er, mich umarmend: Ich schätze mich glücklich, Iussuf, endlich vergelten zu können, was du einst an mir gtthau. Alles ist zu deiner Flucht mit Lcsscps (dem Sohne des französischen Consuls) abgeredet, die Fregatte Adonis^) liegt scgelfcrtig auf dcr Golctta, um zur Expedition gcgcn Algier zu stoßen, cinc Embarkation wird vom frühesten Morgen an am Ufer auf dich warten, und zwei Pferde stehen für dich und deinen Diener am Mecrcsthorc bereit. Es wird dir leicht werden, dich zur bestimmten Stunde dort einzufindcn, und du hast noch Zeit alle gehörigen Vorbcrcituugcn zu treffen, denn vor Morgen wird Niemand nach dir fragen. Einmal in Sicherheit, werden wir dann sehen, ob uoch etwas weiter für dich zu thun ist. Mit *) Dcr Name des Schiffs konnte nicht passender für den ausgesucht werden, den es tragen sollte. 110 tiefster Rührung nahm ich von dcm treuen Freunde Abschied, trug ihm tausend Licbcsgrüßc an mcinc arme Kaddulua auf, füllte dann cine Kiste mit allen meinen Juwelen, mehr als eine Million an Werth, nähte davon für ungefähr hunderttausend Franken einzelne Diamanten in mcinc Wcsic (was spater ein großes Glück für mich war), und verließ, als Beduine vermummt und ganz unkcuntlich, auf die gewohnte Weise mein Gefängniß. Nachdem ich Alles gefunden wie es mir Lombard angezeigt, und das Mecrnfcr glücklich erreicht, tödtttc ich die Pferde und warf sie mit Hülfe Nustau's in einen tiefen Brunnen, damit sie mcinc Flucht nicht verrathen konnten, dann näherte ich mich mit der Morgendämmerung der bezeichneten Stelle. Hier bot sich mcincn Blicken ein unerwartetes Schauspiel dar. Eiuc Patrouille war, vorbeigehend, den Matrosen dcr Embarkation begegnet, die, selbst von nichts wissend, als daß sie cinen Passagier aufnehmen und nach dem Schiff bringen sollten, an's Ufer gestiegen waren um zu früh. lit stücken, an welchem Mahl nun die Soldaten dcr Patrouille brüderlich Thcil nahmen. Während ich schnell mein Morgcngcbet verrichtete, drangen die Tone ihres lustigen Mnthcs mit Gelächter und Scherzen bis zu mir herüber. Wahrscheinlich hatte dieser Lärm eine zweite Patrouille angezogen, dic ich bereits vom Gipfel des nahen Hügels hcrab-ftcigcn sah. Ich gab schleunig meinem Diener dic in einen weißen Shawl gewickelte Iuwclen-kistc, befahl ihm, mir auf dem Fußc zu folgen, und ging unbefangen ans die Gruppe zu. Hier ward ich gewahr, daß dic unbesorgten Soldaten, um ihre Mahlzeit ungestört zu genießen, ihre Gewehre in dichter Reihe an eine Mauer gelehnt hatten, dic an dieser Stelle das Meer einfaßt und cincn Vorspnmg nach dem Wasser zu bildet, auf dem die Kolben dcr Flinten ruhten. Mit einem Sprunge war ich am äußersten Ende der Reihe, und das erste Gewehr ergreifend, warf ich sie mit leichter Mühe alle mit einander rasselnd ins Meer. Jetzt zog ich meinen Säbel, und 112 dcn Matrosen französisch zurufend, daß ich dcr erwartete Passagier sey, und sie, wcnn sie ihr Leben schätzten, über Hals über Kopf ihr Boot besteigen sollten, chargirtc ich mit meinem Diener die überraschten Soldaten, welche kaum wußten wic ihnen geschah.« „Nachdem ich zwei davon niedergehauen, ergriff mich einer beim Bund und fiel durchstochen zu meinen Füßen, einen Andern streckte meine Pistole, mit dem linken Arm abgefeuert, zu Boden. Auch mein Diener kämpfte mit dem Muthe dcr Verzweiflung, und ungeachtet dcr Ucbcrmacht erreichten wir glücklich das Boot, chc noch dic im Lanf herbeieilende zweite Patrouille uns einholen konntc. Schon mit einem Fuße iu dcm Fahrzeug hielt mich noch cin riesiger Albancsc an dcr Schulter fest, was ihm jedoch übel bekam, denn cin glücklicher Zug meines Damascencrs trennte scinc Faust so glatt vom Arme, daß sie als Trophäe mit ins Boot herabfiel. Sie war nur cin schlechter Tausch für dcn herben Verlust, dcn ich zu gleicher Zeit 113 erlitt. In der Verwirrung dcs Kampfes, und um sich dic Hände frci zu machen, hatte nämlich Rusian die ihm übcrgebcne Iuwclcukisic von sich geworfen, nnd seitdem nicht wieder daran gedacht. Wahrend der Fusillade, die uns vom Ufer verfolgte, sah ich sie unversehrt auf dem Strande liegen. Eincn Augenblick faßte ich den rasenden Entschluß, noch einmal nach ihr umzukehren, doch die Vernunft gebot mir bald ihn wieder aufzugeben. Spater habc ich erfahren, daß diese Kiste dem Pascha nach meiner Flucht richtig überliefert worden ist." «Wie ich nun in dcn französischen Dienst gelangte, was ich dort auszuführen das Glück hatte, und wie ich mit einer Sendung dcs Gouverneurs von Algier mich noch einmal nach Tunis wagte, erzähle ich Ihnen, wenn Sie cs wünschen, cin anderes Mal; für heute haben wir wohl Beide genug.« Mit diesen Worten schloß Iussuf seinen seltsamen Bericht. Ich setze vor der Hand nur noch Semilasso in Afrika, l. g 114 hinzu, daß cr sich im französischen Dienst durch Gewandtheit und Uncrschrockenhcit auf das Glänzendste auszeichnete, durch das fast wunderbare Wagsiück der Einnahme der Citadelle von Voue mit seinem Freunde d'Armandy abcr die Augm der ganzen Armcc auf sich zog, wovon ich spater mehr zu sagen Gelegenheit finden werde. Die ucucsicu Lorbeeren hat cr in der Affaire gegen den Bey von Consiantinc gewonnen, und der Gouverneur wünscht nichts mehr, als ihn an die Stelle desselben einsetzen zu können. Ueber Tisch äusiertc cr dies wie halb im Scherz: »Alms inou <^öii«i-al)" antwortete Iussuf, „ll«iuio2 inoi 1200 komm?», «l V0U8 n'av62 c^u'a ino Iai88or paitir, ^j« in'olllaillorai» diou nwi möm«. I^a rout« 60 Louo N <^c>il8taiiliii« «»<, aus»! l'aoiw q^u« e«IIo ?^« ii'^orai« pa« I'llimor. voii- lair la Oour i>llr tuM 146 das Feuer dcr Algierer noch wcit mörderischer geworden scyn würde, waren auch alle Seeleute der Meinung, daß eine Kanonade vom Schiff aus wahrscheinlich den geringen Luftzug, dcr es endlich glücklich aus dcr Rhcdc brachte, gebrochen, und auf dcr Stcllc, wo cs sich befand, einen völligen c-ülmo herbeigeführt haben würde. Als das Jahr darauf dcr Dcy entthront nach Paris kam, fügte cs der Zufall, daß er auf der Tribüne dcr Dcputinenkammcr bei seinem ersten Erscheinen im Publikum mit Herrn dc la Vr^ tonnwrc zusammentraf. Dcr Admiral glaubte aus Delieatcfsc die Bekanntschaft nicht erneuern zu müssen, doch ward dcr Dcy seiner kaum ansichtig, als cr ihm sogleich seine Dosc schickte (eine orientalische Artigkeit), und ihn anständig bitten ließ, ihn sobald als möglich zu besuchen. Dcr Admiral fügte sich dem Wunsche mit Vergnügen und ward vom Dcy sehr freundlich empfangen. «Wir würden uns," sagte er lächelnd, „hier nicht treffen, wenn ich Ihren Rath befolgt und Ihrer Vorher- 147 fagung bessern Glauben geschenkt hätte. Sie sind der Einzige, von dem ich je die volle Wahrheit gehört, und darum rechne ich Sie auch zu meinen besten Freunden. Ucbrigcns," setzte er hinzu, „bcdaure ich nicht allzusehr, was ich verloren, denn ich war nie glücklich im Vesi'tz meiner Macht!" Das Letztcrc glaubt man hcur zu Tagc gcrn cincm jcdcn Herrscher, in Afrika, wie in Europa!' Abends fand dcr große Vall der Kaufmannschaft statt, welcher, den maurischen Salon abgerechnet, den mau hübsch mit bunten Lampen, Blumen und Fahnen deconn hatte, einem französischen in allen Dingen vollkommen ähnlich sah. Höchstens gaben ihm einige mit Gold behangcne Jüdinnen, die früher in Pantoffeln mit nackten Beinen gingen, und jcht auch schon Strümpfe tragen, etwas Fremdartiges. Die hübscheste unter ihnen war die Tochter des, chcmals hier eine große Rolle spielenden, jetzt aber rninirtcn Üan-i? des Rothschilds von Algier, jedoch ohne das Genic und das Glück des europäischen Heros. 148 Doch bei wcitcm dic interessanteste Figur dieses Balles war wieder Iussuf, der mit seinem trüb und stolz lächelnden Romangesicht, heute in ganz schwarze Mamcluckcntracht gehüllt, einen kostbaren rothen Shawl mit blauen Blumen um den Kopf gewickelt, und einen großen Diamant an seiner wcißcn Hand, Byrons Corsarcn tauschend vergegenwärtigte. Eine Weile sah ich von der Galerie walzen nnd galoppircn, dann tödtctc ich die Zeit in einer Partie Whist mit dem Gouverneur, machte unterschiedliche neue Bekanntschaften, bewunderte viele frische Toiletten, einige wenige schöne Frauen, drängte und ließ mich drangen, und fühlte ein süßes Behagen — als ich mich wieder zu Hause in meinen vier Pfählen befand. Den l9. Januar. General Rapatcl hatte mich avcrtirt, daß cr mit 2000 Mann einen Zug nach Lussarik unternehmen würde, und mir angeboten, ihn zu begleiten, was ich mit Eifcr annahm. Es ward ausgemacht, daß ich mich am andern Morgen im <^«mp von vuoi-a an die Truppen anschließen, und die Tour bis dahin nach meiner Bequemlichkeit zurücklegen möge. Dcr General hatte die Artigkeit mir eine Escorte anzubieten, die ich jedoch, da ich die Straße bis Duoi-a in einem solchen Augenblick als belebt genug voraussetzen durste, ausschlug. Um drei Uhr Nachmittags machte ich mich mit dem Brctagncr und Herrn Klimerath, cincm Ncvcu des General Napp, der früher «n der 15ft Marine gedient, cinc Zeitlang Corsar gewesen ist, und scitdem fast die ganzc Welt zu seinen» Vergnügen durchstreift hat, alle wohlbcwaffnct auf dcn Weg. Ein arabisches Miethpferd ist, wic cs scheint, cincm europäischen cbcu so übcrlcqen, als cin Beduine dcr Wustc cinem unscrcr Stadtkinder. Das nmnige, obgleich sehr alt und einäugig, hat sich wenigstens in dem Lauf dieser zwei Tage als eins dcr besten ausgewiesen, dic ich jc geritten. Nach Allcm, was ich hicr sehe, scheint mir überhaupt die hiesige Pfcrdcrace, wenn auch mit der ächt arabischen Asiens nicht zu vergleichen, dennoch viele Vorzüge zu bcsitzcu. Sie verrath überall noch ihre frühere. hohe Abstammung von dcn Pferden dcr Wüsic, spater mit dcn spanischen gekreuzt, und hat dazu den Vortheil, dcn sie vielleicht vandalischcm Pfcrdcblut verdankt, cbcn so wenig Wartung, Pflege und Futter als die russischen und Kosackenpferde zu bedürfen. Man laßt dic armen Thiere hicr oft, mit Schaum bedeckt, ohne Decke im kalten Winde stehen, und 151 wirft ihnen, wcnn sie noch außcr Athem sind, sogleich Stroh und Gerste vor, die sic mit Appetit vcrzchrcn. Die Reinheit ihrer Vcinc und die Vortrcfflichkeit ihrer Hufe, bei solcher Behandlung und so großen Strapazen, ist bewundernswürdig, und in diesem Punkte stehen ihnen selbst dic ersten Pferde der Erde, dic englischen, bedeutend nach. Schön sind sie nic, doch auch selten ganz häßlich, wcil sie meistens zweckmäßig für den Gebrauch gebaut, d. h. wcdcr zu lang noch zu hoch, und gut ins Gleichgewicht gestellt sind. Das Krenz ist fast immer etwas abschüssig und auch den Schweif tragen sic in der Regel nur wenig gehoben, doch sind sie kraftig im Hinterthcil. Ihr Temperament ist im Allgemeinen feurig, besonders in Gesellschaft, oder wcnn sie crst etwas animirt sind. Auch haben sie viel Dauer. Die Hengste sieht man jeden Augenblick kampflustig untereinander sich herausfordern, und leicht nehmen sie, bei unzweckmäßiger Behandlung, allerlei Unarten an, die ihnen nachher wieder schwer abzugewöhnen sind. Weiß im !5s Gegentheil der Rcitcr mit ihnen gut umzugehen, so attachiren sie sich auch an ihn, nnd zeigen, wie alles edlere Blut, viel Ehrgefühl. Das Regiment der Türken hat anf die hiesige Pferdezucht den übelsten Einflusi gehabt, weil sie jedes ausgezeichnete Pferd, was sie bci einem Einge-borncn fanden, sogleich wegnahmen, und diese daher sich bald nnr anf solche beschrankten, welche die Habgier ihrer Unterdrücker nicht zu reizen im Stande waren. vuor» ist O Licncs von Algier entfernt, die wir auf einer durch Militair verfertigten guten Landstraße in dritthalb Stunden gemächlich zurücklegten. Während der ersten Stunde kamen wir bei einer großen Anzahl, zum Theil zerstörter, Villen vorbei, alle weiß wie cararischcr Marmor, und da das Wetter außerordentlich schon war, gcnoßcn wir, die vielen Windungen des Weges langsam cmpor steigend, mit wahrem Entzücken die vcr-schicdncn reichen Aussichten, die sich bald auf diese reizenden Landsitze, uud den darunter liegenden 153 - Golf nut dcm ^i-atsol,, bald auf dic Stadt mit ihren vcrschicdcncn Forts und Minarets; odcr auf dic wcitc Ebene von Noliä8l:Ina, mit dcr NIM80I1 ^u^ir6o, dcm I^ort äo I'o^u und dem fcrncn Cap HlaUlu crdffnetcn. Hiutcr dcr Plaiuc lagcrtc sich majestätisch dcr Atlas, aus dcm dcr mit Schncc bcdccktc v^ciirm ll^ejiora, in dcr Sonnc flittcrnd, emporstieg und mit ätherischem Silbcrglanz das ticf dunkelblau gefärbte Vor-gcbürgc prachtvoll umstrahlte. In dcr Nähe sah man vouZcit zu Zeit eine einzelne Palmc, Cyprcssc, oder einen Haufen Bananen, großc herzförmige, und schön violet gefärbte Blüthen tragend, aus dcm Gewirr dcr Cactus und Aloö's hervorragen, und die entlaubten grosien Fcigcusiämmc schimmerten anmuthig mit ihren weißgrauen Acstcn durch das dunkle Laub und die goldncu Früchte der Orangen-und Citroucnbäumc. Vcim ^cN siündigcn Ritte im ununtcrbrochncn Schritt, das fatiguantcstc, was ich kenne, wenn cs nicht durch so manches neue und interessante Schauspiel hcutc reichlich anfgcwogcn »vordcn wäre. Den 20. Januar. Dies war cin Schlafrockstag, dm ich dcr Ruhc widmete, und dann töto ä löw mit dcm Soldaten I .... von dcr deutschen Legion in meinem Gasihof zu Mittag aß. Dcr ncucn Bekanntschaft muß ich erwähnen. Als ich bei meiner Ankunft in Algier den Crocodil verließ, nm in die Landungsbarke zu sicigcn, hortc ich einen dcr mit uns übcrgcschissten 6-^,2uu Anker geworfen, und am andern Morgen losgerissen worden war. Nach dem Berichte der Augenzeugen ward es, gleich dem Schisse des fliegenden Holländers, mit einer schaudererregenden Schnelligkeit dcr Küste zugcjagt und dort anf Scmilasso in Afrika, l. 18 274 den Strand geschleudert. Noch war cs ganz intact und in einer Viertelstunde schon blieb nichts als der einem Gerippe gleichende, im Sande festgehaltene Kiel davon übrig. Einigen hundert Soldaten der Fremdenlegion, welche zur Hülfe herbeigeeilt waren, gelang cs mit vieler Anstrengung, den Capitain und die Mannschaft, so wie einen großen Theil der Ladung, mitten aus der tobenden Fluth zu retten. Vieles trug nachher das besänftigte Meer noch von selbst an's Ufer, und unter diesem sogar ein mit 10Ml) Franken gefülltes Geldfaßchcn, das der Capitain schon früher, in der Angst des Augenblicks, oder von einer glücklichen Ahnung geleitet, über Bord geworfen hatte. Das Schicksal dieses armen Mannes war bedauernswcrth. Zwanzig Jahre hatte er die See befahren, und Alles, was er sich in dieser Zeit verdient, enthielt die Befrachtung seines Schiffes. Diese einzige unglückliche Nacht raubte ihm so den schwer erworbenen Preis eines ganzen mühevollen Lebens. 275 Dcr Himmel behüte uns, meine liebenswürdige Freundin, vor einem ähnlichen Loose, und lasse unser Lebensschisslein immer so glücklich segeln, als Sie cs verdienen, und ich cs leider nur von der freien Gnade erwarten darf. Indessen habe ich von jchcr immer ächt türkisch geglaubt: Es komme wie cs wolle, Allah sey gelobt! Ihr treu ergebene»' Semilasso. Ende des ersten Theils. Bei der großen Sorgfalt und den sehr bedeutenden Unkosten, die wir auf dieses Unternehmen zn verwenden genöthigt waren, haben mir mit Vergnügen bemerkt, daß dasselbe nicht allein verdiente Würdigung und Anerkennung fand, sondern auch daß eine rege Theilnanmc dieses in seiner Art einzige und vorzügliche deutsche Nationalwcrk beförderte. Wir fügen hier noch bei, wie sich eines unserer rompetcntesten kritischen Blätter darüber ausspricht. „Dieses Garteuwcrk," heißt es dort, „wird für ewige Zeiten'zu den klassischen gehören. Edmund Burke, der ^feinste Kenner der Schicklichkeit in der Behandlung des Großen und Massenhaften, würde den Verfasser umarmt haben, wenn er diese schöne Ausführung seiner noch nicht ganz entwickelten Ideen erlebt hätte. Die in unserer, mit dem Erhabenen und Großen so sehr kokcttircndcn Zeit fast unbekannt gewordenen ästhetischen Gesetze, die Burke aufgezeichnet hat, sind so ewig, wie die Gesetze Keplcrs, aber es gilt sie anzuwenden, und ich entsinne mich keines andern Werkes, worin es in so harmonischer Vollendung geschehen wäre, als in diesem Gartcnwcrkc." Stuttgart. Hallberster'sche Verlagshandlunss. ' Stuttgart. Hallbcrgrr'fchc Verlags Handlung.