Jaša Drnovšek … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen Frühneuzeitliche Karfreitagsprozessionen als Projekt der Gegenreformation und katholischen Erneuerung Jaša Drnovšek … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen Jaša Drnovšek … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen Frühneuzeitliche Karfreitagsprozessionen als Projekt der Gegenreformation und katholischen Erneuerung Jaša Drnovšek … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen Frühneuzeitliche Karfreitagsprozessionen als Projekt der Gegenreformation und katholischen Erneuerung Titelabbildung: Boris Kobe: Škofjeloški pasijon, 1967. Ikonoteka SLOGI – Gledališki muzej Gutachter: Igor Grdina, Katja Mihurko Poniž, Gita Zadnikar Lektorat und Korrektorat: Vito Pinto, www.vitopinto.com Gestaltung und Satz: Primož Fijavž, studiobotas Herausgeber: ZRC SAZU, Inštitut za kulturno zgodovino Verlag: Založba ZRC Für den Verlag: Gregor Pobežin, Oto Luthar Cheflektor: Aleš Pogačnik Druck: Cicero Begunje, d. o. o. Auflage: 300 Stück 1. Auflage Ljubljana 2020 Gefördert durch den Europäischen Forschungsrat (ERC) der Europäischen Union im Rahmen des Forschungsprojekts „DramaNet – Early Modern European Drama and the Cultural Net“ (FP7-IDEASERC, Nr. 246603) Gefördert durch die Slowenische Forschungsagentur (ARRS) Die elektronische Erstausgabe ist (mit Ausnahme des Materials, für welches explizit andere Nutzungsbedingungen genannt werden) unter den Bedingungen der Lizenz Creative Commons CC BY 4.0 frei verfügbar unter: https://doi.org/10.3986/9789610505082 © 2020, Jaša Drnovšek, ZRC SAZU, Inštitut za kulturno zgodovino, Založba ZRC Al e Rechte vorbehalten. Kein Teil dieser Ausgabe darf ohne vorherige schriftliche Genehmigung der Rechteinhaber (Copyright) in irgendeiner Form bzw. auf irgendeine Weise elektronisch, mechanisch, durch Fotokopie, Aufzeichnung oder ein anderes Verfahren reproduziert, gespeichert oder kopiert werden. CIP - Kataložni zapis o publikaciji Narodna in univerzitetna knjižnica, Ljubljana 27-565.52-536.5(091) DRNOVŠEK, Jaša --- in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen : frühneuzeitliche Karfreitagsprozessionen als Projekt der Gegenreformation und katholischen Erneuerung / Jaša Drnovšek. - 1. Aufl. - Ljubljana : Založba ZRC, 2020 ISBN 978-961-05-0507-5 COBISS.SI-ID 43371523 ISBN 978-961-05-0508-2 (pdf) COBISS.SI -ID= 43547651 Inhaltsverzeichnis Einleitung 11 1 Die Škofjeloški pasijon: eine Skizze 23 2 Auf der Suche nach einer Vorlage: eine kritische Betrachtung 31 2.1 Josip Mantuani: ein deutsches Original 31 2.2 France Koblar 33 2.2.1 Die Prozession zu Mariä Himmelfahrt, Wien 1554 34 2.2.2 Die Fronleichnams- und Karfreitagsprozessionen, Salzburg 1612–1619 38 2.2.3 Die Karfreitagsprozession, Salzburg 1712 43 2.2.4 Die Karfreitagsprozession, Ljubljana 1713 45 2.2.5 Doch eine Spur? Der Hauptmann von Škofja Loka und der Fürstbischof von Freising 47 2.3 Metod Benedik: die Karfreitagsprozession, Prag 1604 50 3 The cultural net: Joachim Küppers Theorie der kulturellen Produktion 57 4 Große transnationale kulturelle Netzwerke: der Orden der Minderen Brüder Kapuziner und die Gesellschaft Jesu 63 4.1 Die Kapuziner 64 4.2 Die Jesuiten 77 4.3 Die Kapuziner, die Jesuiten und das Konzil von Trient 86 4.3.1 Seelsorge als Schnittstel e 95 4.3.2 Zwei weitere Momente: die Neuartigkeit und die hohe Mobilität 99 4.3.2.1 Die Mission des Laurentius von Brindisi 100 5 Prozessionen, Bußprozessionen, Karfreitagsprozessionen 109 5.1 Die Prozession: Begriffsbestimmung und historische Einordnung 110 5.2 Die Škofjeloški pasijon als Bußprozession 112 5.3 Die Karfreitagsprozession: ihre Entstehung und Wiederbelebung zur Zeit der Gegenreformation 118 5.4 Nachtridentinische Prozessionen in der Kontroverstheologie: Jakob Gretsers Procession Buch (1606) 126 5.5 „… den Krieg ankünden“: zwei Fälle aus Augsburg, 1604 und 1605 130 6 Angrenzende Gattungen: Predigt und Fronleichnamsprozession 137 6.1 Predigt 138 6.2 Fronleichnamsprozession 143 7 Kurze Bestandsaufnahme: Karfreitagsprozessionen im süddeutschen und im Tiroler Raum 153 8 Bruderschaften 159 9 Geißler 171 10 „ Afterphilosophie“: Einschränkungen und Verbote im 18. Jahrhundert 185 10.1 Antiklerikale Satire bei Ignaz von Born, Joseph Richter und Anton von Bucher 193 11 Die Škofjeloški pasijon: eine erneuerte, von der UNESCO beschützte Tradition 207 Dank 224 Siglenverzeichnis 226 Literaturverzeichnis 227 Personenverzeichnis 250 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen 8 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen 10 2 Auf der Suche nach einer Vorlage: eine kritische Betrachtung Einleitung P. Maurus a Latzfons […] propter excessivum Zelum et solicitudinem dirigen- di processionem pro di parasceves febro maligno correptus est, 2. Maii 1710 Bulsani. 1 Aufgrund übersteigerten Eifers und seiner Sorge um die Leitung der Karfreitags- prozession wurde P. Maurus von Latzfons […] vom bösartigen Fieber ergriffen, Bozen am 2. Mai 1710. Die obige Notiz stammt von Jeremias Käsbacher (1739–1814), einem Kapuzinerpater aus Südtirol, der sich in seiner Heimat vor allem als Kirchenhistoriker einen Namen machen konnte. 2 Jene Bemerkung taucht in seinem Spätwerk Litterae funerales auf, einem umfassenden, als Handschrift erhaltenen Nekrolog seiner Mitbrüder aus der Tiroler Provinz sowie anderer für die Ordensgeschichte bedeutender Personen. 3 Was bei der kurzen Mitteilung sofort ins Auge springt, ist der in ihr angeführte Grund für die tödliche Krankheit des sonst unbekannten P. Maurus. Im 18. Jahrhundert wurde das sogenannte bösartige Fieber (lat. ‚febris maligna‘) ätiologisch zwar nur auf recht 1 Zit. nach Dörrer 1929, 87. 2 Zu P. Jeremias’ Leben und Werk vgl. Kustatscher et al. 2012, 969–972. 3 Vgl. Kennel et al. 2012, 981. 11 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen unspezifische Ursachen zurückgeführt. Grundsätzlich konnte es von so verschiedenen Umständen wie Fehlernährung und Mangelkost, ungeeigneten Wohn- und Lebensverhältnissen oder, betrachtete man das Gemüt des Patienten, von innerem Missmut herrühren. 4 Dass P. Maurus allein durch die Vorbereitung einer Prozession erkranken und daran sogar sterben sollte, ist jedoch aus heutiger Perspektive kaum nachzuvollziehen. Man ist stattdessen geneigt, P. Jeremias’ Notiz als eine rhetorisch beladene zu verstehen. Die darin enthaltene Hyperbel scheint beim Leser den Eindruck einer großen Hingabe, ja einer selbstlosen, abso-luten Aufopferungsbereitschaft erwecken zu wollen. 5 Indem P. Maurus’ Tod mit der Karfreitagsprozession in Beziehung gesetzt wird, zieht zudem auch der Umzug besondere Aufmerksamkeit auf sich und erhält im Ganzen die Bedeutung eines politischen, fast märty-rerhaften Unternehmens. Nun kommt dem Politischen auch im vorliegenden Buch eine bedeutende Rolle zu. Frühneuzeitliche Karfreitagsprozessionen, deren Geschichte im Folgenden Thema sein soll, werden darin als eminent 4 Krünitz 1778, 304: „Die gewöhnlichsten Ursachen dieser fürchterlichen Krankheit sind: ein langer fortgesetzter Genuß von lauter Speisen aus dem Thierreiche, ohne Gemüse, Früchte und saure Sachen; verdorbene Nährungsmittel, z. E. Brod von verdorbenem Korn, verfaultes Fleisch u. s. w. Diese Fieber sind auch sehr oft Wirkungen einer großen Hungersnoth, einer allzu heißen und feuchten Luft. In heißen Jahren grassiren sie ebenfalls an solchen Orten, wo stehende Wässer und Moräste in der Nähe sind. Zu ihren Ursachen gehört ferner eine allzu sehr eingeschlossene Luft, vornehmlich, wenn mehrere Personen zusammen darin sind, und endlich häufiger Verdruß.“ 5 Beim Volkskundler Anton Dörrer bspw., der Ende der 1920er-Jahre als Erster auf P. Jeremias’ Mitteilung aufmerksam machte, äußerte sich dies ohne Zweifel derart: Dörrer zufolge „opferte“ P. Maurus tatsächlich „sein Leben für dieses Missionswerk“ (Dörrer 1929, 87). 12 Einleitung politische Phänomene betrachtet. 6 Obwohl ihre Anfänge bis ins 4. Jahrhundert zurückreichen, erlebten sie ihre große Blüte in der Zeit der Gegenreformation und katholischen Erneuerung. Besonders vo-rangetrieben wurden sie dabei durch zwei damals neue, mächtige, heute als typisch nachtridentinisch geltende katholische Kräfte: den Kapuziner- und Jesuitenorden. Wie lassen sich diese Karfreitagsprozessionen am plausibelsten erfassen und erörtern? Die meisten Zeugnisse hierzu fehlen, da sie seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, nach Verboten und Einschränkungen aufklärerischer Obrigkeiten, allmählich verloren gegangen sind oder absichtlich zerstört wurden. Insofern bietet sich im Rahmen der vorliegenden Studie die eingehende Lektüre der Škofjeloški pasijon (dt. Passion von Škofja Loka; 1725–1727) an, als einem vollkommen erhaltenen Dramentext, der vom Kapuziner Romuald von Štandrež verfasst und schließlich Teil eines größeren Kodex wurde. Die Tradition von Karfreitagsprozessionen in der slowenischen Stadt Škofja Loka wurde Ende der 1990er-Jahre anhand ebendieses Textes wiederbelebt und konnte 2016 von der UNESCO sogar als immaterielles kulturelles Erbe ausgezeichnet werden. Die Škofjeloški pasijon soll in diesem Buch zum einen als ein Beispiel dafür dienen, um die Geschichte von Karfreitagsprozessionen – sozusagen auf der Mikro-ebene – nachzuzeichnen. Zum anderen soll deren Lektüre eine Art Sprungbrett und Ausgangspunkt für die Analyse komplexer kulturhistorischer Zusammenhänge sein, in denen nach dem Konzil von Trient (1545–1563) nicht nur die Škofjeloški pasijon, sondern auch andere solcher Texte entstehen konnten. 6 Eine weitere, sich mit dieser nicht ausschließende Möglichkeit wäre, Karfreitagsprozessionen als Volksschauspiele anzusehen. Vgl. Bernhart 2019. 13 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen Das vorliegende Buch beginnt mit einer Skizze der Škofjeloški pasijon, in der diese zuerst in die slowenische Literaturgeschichte eingeordnet und deren Bedeutung für die nationale Philologie erläutert wird. In der Folge werden in Kapitel 2 die bisher formulierten Thesen zu Entstehungsgeschichte und möglichen Vorlagen der Škofjeloški pasijon kritisch untersucht, die in den meisten Fällen aus dem vornehmlich deutschsprachigen Raum stammen. Obwohl sich keine jener Thesen endgültig bestätigen lässt, wird durch ihre Überprüfung dennoch ein erster Eindruck vom Prozessionswesen entstehen – insbesondere von Karfreitagsprozessionen des 16. bis 18. Jahrhunderts. Zugleich wird anhand der in jenem Kapitel besprochenen Umzüge, die vom Kapuzinerorden organisiert wurden, eine weitere, neue These formuliert werden, die Bezug nimmt auf das Bestehen eines großen, in Europa zu jener Zeit aktiven und durch die Kapuziner gesteuerten Netzwerks. Um jene These zu bekräftigen, wird in Kapitel 3 die im Jahr 2018 von Joachim Küpper vorgelegte Theorie der kulturellen Produktion in die Diskussion eingebracht werden. 7 Ihr liegt die Idee des sogenannten kulturellen Netzes (eng. ‚cultural net‘) zugrunde, das in der frühneuzeitlichen römisch-katholischen Kirche hauptsächlich bei den Kapuzinern und Jesuiten vorzufinden sei. 8 In Kapitel 4 werden daher der Kapuziner- und der Jesuitenorden im Fokus stehen. Um der Frage nachzugehen, wie gerade sie zu den Hauptvertretern der Gegenreformation und katholischen Erneuerung werden konnten, wird in den Abschnitten 4.1 und 4.2 zunächst ihre Entstehungsgeschichte beleuchtet und in Abschnitt 4.3 ihre Rolle auf dem Konzil von Trient beurteilt. Obwohl beide Orden dort formell kaum Gewicht hatten, kam ihnen in den Diskussionen eine beeindruckend große Aufmerksamkeit zu. Es wird angenommen, dass die 7 Vgl. Küpper 2018. 8 Vgl. ebd., 119. 14 Einleitung Konzilsväter vor allem deren seelsorgerische Arbeit guthießen. Denn gerade die Sorge um das Heil des Menschen war es, worauf sich die gesamte katholische Kirche nach dem Konzil ausrichten wollte. In Abschnitt 4.4 werden zwei weitere Punkte herausgestellt, die zum besonderen Status der Kapuziner und Jesuiten beitrugen: die Tatsache, dass die beiden Orden ein Novum darstellten und darüber hinaus ihr hohes Maß an Mobilität. Zu letzterem Punkt wird in Abschnitt 4.3.2.1 exemplarisch der lange Missionsweg rekonstruiert, der Ende des 16. Jahrhunderts von den Kapuzinern unter der Leitung ihres spä- teren Generalvikars P. Laurentius von Brindisi zurückgelegt wurde: von Venedig über Innsbruck, Wien, Prag und Graz bis nach Ljubljana. Während in den Abschnitten 4.1, 4.2 und 4.3.1 auf die große Bedeutung der Seelsorge bei den Kapuzinern und Jesuiten hingewiesen wird, wird in Kapitel 5 schrittweise ihren Karfreitagsprozessionen nachgegangen. In Abschnitt 5.1 wird zuerst der Begriff ‚Prozession‘ näher bestimmt und Prozessionen im Allgemeinen sowie christliche Prozessionen im Besonderen werden historisch eingebettet. In Abschnitt 5.2 wird daraufhin die Škofjeloški pasijon mittels Textanalyse als Bußprozession beschrieben. Karfreitagsprozessionen, die sich ka-tegoriell eben den Bußprozessionen zuordnen lassen, werden schließ- lich in Abschnitt 5.3 thematisiert. Dabei wird zum einen der erste bezeugte Karfreitagsumzug vorgestellt, wie er sich dem Itinerarium (4. Jh.) von Egeria, einer spätantiken Pilgerin ins Heilige Land, entnehmen lässt. Zum anderen wird in jenem Abschnitt die Wiederbelebung des Prozessionswesens und damit der Karfreitagsprozessionen nach dem Trienter Konzil vor einem doppelten Hintergrund erörtert: einerseits als Reaktion der katholischen Kirche auf den Verzicht der Protestanten auf Fronleichnamsprozessionen, der wiederum der Polemik über die Kommunion unter beiden Gestalten entstammte, und andererseits als ihre Reaktion auf die protestantische Bilderkritik. In Abschnitt 5.4 wird der Disput hinsichtlich der Prozessionen zusätz-15 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen lich mittels kontroverstheologischer Ausführungen beleuchtet, die das Procession Buch (1606) des Jesuiten Jakob Gretser enthält. Am Ende dieses Kapitels werden in Abschnitt 5.5 zwei von den ersten nachtridentinischen Karfreitagsprozessionen erörtert, die beide im bikonfessionellen, katholisch dominierten Augsburg stattgefunden haben: die im Jahr 1604 von den Kapuzinern organisierte Karfreitagsprozession sowie der Karfreitagsumzug, den die Jesuiten im darauffolgenden Jahr aufgeführt haben. In den Ausführungen zu den Orden der Kapuziner und Jesuiten sowie zu ihren Karfreitagsprozessionen wird zudem immer wieder auch in Ansätzen auf die Predigt und die Fronleichnamsprozession ein-gegangen. Gezielt wird ihnen in der vorliegenden Studie Kapitel 6 gewidmet. In Abschnitt 6.1 wird zunächst anhand der Gründungs-dokumente beider Orden die hohe Intensität ihrer Predigttätigkeit dargelegt. Indem sie grundsätzlich im Einklang stand mit der Predigtreform, die auf dem Konzil von Trient beschlossen wurde, konnten die Kapuziner und Jesuiten ihren Ruf als Prediger auch später noch bewahren. Des Weiteren wird auf die Entwicklung ihrer Predigten verwiesen, die sich im 17. Jahrhundert von schlichter, rhetorisch ausgewogener Glaubensverkündigung zu performativem Handeln wan-delten. Schließlich wird in diesem Abschnitt die vergleichbare Wirksamkeit von Predigten und Karfreitagsprozessionen aufs Publikum unterstrichen. In beiden Fällen scheint sie weniger im heilspädagogischen docere zu bestehen, vor allem jedoch im movere, genauer: in der emotionalen Anteilnahme am Leiden und Sterben Jesu. Nach der Darstellung der langen, mehrere Jahrzehnte dauernden Einführung des Fronleichnamsfestes, die formell im Jahr 1264 vollzogen war, wird in Abschnitt 6.2 der Geschichte der Fronleichnamsprozession nachgegangen. Obwohl diese in keinem der das Fest bestimmenden Dokumente vorkommt, fand sie bereits im Laufe des 16 Einleitung 14. Jahrhunderts in ganz Europa Verbreitung und wurde nach dem Trienter Konzil zum Emblem der gegenreformatorischen Kirche. Am Ende des Abschnitts werden Fronleichnamsprozessionen und Karfreitagsprozessionen mit Blick auf ihre jeweiligen Inhalte gegenüberge-stellt. Dabei wird auf einen Befund aus Abschnitt 2.2.2 zurückgegrif-fen, nach dem die Fronleichnamsumzüge gewöhnlich auch Elemente beinhalten, die an die Leidensgeschichte erinnern. Damit lassen sie sich aus zwei Perspektiven betrachten: als Karfreitagsprozessionen, in deren Mittelpunkt die Wiedergabe der Passion steht, während sie immer wieder auch auf vorausliegende oder nachfolgende Momente der Heilsgeschichte zurückgreifen; oder als Prozessionen, in denen allen Elementen der Heilsgeschichte der gleiche Stellenwert zukommt. Wie bereits einleitend dargelegt, sind zu den frühneuzeitlichen Karfreitagsprozessionen bis heute nur wenige Zeugnisse erhalten geblieben. Um dennoch eine genauere Vorstellung davon zu bekommen, werden in Kapitel 7 Daten zusammengeführt, die auf einstige, von den Kapuzinern und Jesuiten eingeführte Traditionen verweisen, und zwar aus Quellen der beiden bisher am weitesten erforschten Regionen Süddeutschland und Tirol. In den Kapiteln 8 und 9 werden daraufhin zwei weitere kulturhistorische Phänomene präsentiert, die in den vorangegangenen Abschnitten – ähnlich wie bei der Predigt und der Fronleichnamsprozession – immer wieder schon zur Sprache gekommen sind: Bruderschaften und Geißler. Der Ausgangs- und Bezugspunkt des Kapitels 8 ist Lagkherisches HimmelBrod (1713), eine bisher noch nicht näher beleuchtete Sammlung von Regeln und Ablässen, die in Škofja Loka der dortigen, seit 1634 bestehenden Bruderschaft corporis Christi diente. An ihr sowie an Zeugnissen aus dem Kodex mit der Škofjeloški pasijon kann das Wirken frühneuzeitlicher Bruderschaften vergegenwärtigt werden. Nachdem diese als standesübergreifende und geschlechtsinklu-17 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen sive Körperschaften den Zünften entgegengesetzt wurden, wird die Vorsorge für ihre Mitglieder, die sich aufs Jenseits konzentrierte, als Hauptzweck von Fraternitäten näher bestimmt. Im weiteren Verlauf des Kapitels wird auf die zwiespältige Beziehung der Kirche den Bruderschaften gegenüber verwiesen: Obwohl diese grundsätzlich mit starker, auch in Form von verschiedenen Ablässen gewährten Unterstützung rechnen konnten, wurde ihre relative Autonomie mitunter skeptisch betrachtet. Mithilfe von Dekreten des Konzils von Trient wird nahegelegt, dass Fraternitäten nach dem Konzil, als es zu etlichen Neugründungen kam, zu regelrechten kirchlichen Einrichtungen wurden. Außerdem wird am Ende des Kapitels ihre gerade in diesem Kontext bekräftigte Rolle als Schirmherren und Kostenträger bei Prozessionen hervorgehoben. In Kapitel 9 wird zuerst die Geschichte der Geißelung skizziert, die sich als eine von anderen zugefügte Körperstrafe bis ins Alte Testament zurückverfolgen lässt. Als freiwilliges Sich-selbst-Strafen und als radikale Christusnachfolge ist sie seit den asketischen Bestrebungen des Benediktinerpaters Petrus Damiani im 11. Jahrhundert bezeugt. Während Damiani diese neue religiöse Praxis privat ausübte, wurde sie im 13. und 14. Jahrhundert zu einer öffentlichen Massenbewegung, die in zwei großen, weiteste Teile Europas deckenden Wellen erfolgte. Trotz kirchlichem Verbot solcher Geißlerzüge Mitte des 14. Jahrhunderts blieb die Selbstgeißelung an sich jedoch weiterhin erlaubt. Dass den Geißlern in den Karfreitagsprozessionen, die nach dem Trienter Konzil von den Kapuzinern und Jesuiten aufgeführt wurden, eine wichtige, manchmal sogar zentrale Rolle zukam, wird im Kapitel mit Rücksicht auf drei die Ordensgeschichte betreffende Texte begründet: die beiden Statuten der Kapuziner (1529, 1536) sowie Geistliche Übungen (1548) von Ignatius von Loyola. Gleichzeitig wird der Auftritt von Flagellanten in diesen Prozessionen als Nachhall der alten, einst verbotenen Geißlerzüge begriffen. 18 Einleitung Das Ende von Prozessionen, wie man sie nach dem Konzil von Trient kannte, wird in Kapitel 10 behandelt. Im Heiligen Römischen Reich, zu dem auch Škofja Loka gehörte, fiel es zusammen mit umfassenden Reformen, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts von Kaiserin Maria Theresia begonnen und von ihrem Sohn, Kaiser Joseph II., fortgesetzt wurden. Im Hinblick auf mehrere Hofde-krete wird gezeigt, wie im Geist der Aufklärung, konkret: aufgrund wirtschaftlicher Kalküle und Interessen an höherer Arbeitseffizienz der Bevölkerung, ganze Ordensnetzwerke zerstört oder geschwächt, Bruderschaften aufgehoben und Prozessionen verboten oder eingeschränkt wurden. Dass Prozessionen durch die Rationalisierung des seelsorgerischen Angebots auch von der Kirche immer weniger geduldet wurden, wird anhand eines Hirtenbriefes (1783) von Joseph Adam von Arco, dem Fürstbischof von Seckau, ausgeführt. Der Druck, der auf das Prozessionswesen seit der zweiten Hälf-te des 18. Jahrhunderts ausgeübt wurde, ist jedoch nicht nur von der jeweiligen Obrigkeit ausgegangen. Im Einklang mit deren Verboten und Einschränkungen hatte er zugleich in der damals florierenden antiklerikalen Satire einen weiteren Ausgangspunkt. In Abschnitt 10.1 werden hierzu zwei exemplarische Texte vorgestellt: Teile der Bildergalerie katholischer Misbräuche (1784) von Joseph Richter alias Obermayr, die sich insbesondere gegen Buß-, Fronleichnamsprozessionen und Wallfahrten richten, sowie der Entwurf einer ländlichen Charfreytagsprocession (1782) von Anton von Bucher alias Ordenspater, eine Parodie auf Karfreitagsprozessionen. Wie zu Beginn des Buches steht die Škofjeloški pasijon auch im Mittelpunkt des letzten Kapitels. Durch die Erhaltung des Dramentextes und seine Veröffentlichung im Jahr 1917 haben die vorerst in Vergessenheit geratene Tradition von Karfreitagsprozessionen in Škofja Loka nicht nur Wissenschaftler, sondern seit den 1930er-Jahren auch 19 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen Kunst- und Theaterschaffende zunehmend für sich entdeckt. Zum Ende der vorliegenden Studie wird die Rekonstruktion dieser Tradition, die bisher in den Jahren 1999, 2000, 2009 und 2015 stattgefunden hat, ausführlich besprochen. Darüber hinaus wird an jener Stelle auch ein Blick auf das mehrjährige Verfahren geworfen, infolgedessen die Škofjeloški pasijon seit 2016 unter dem besonderen Schutz der UNESCO steht. 20 2 Auf der Suche nach einer Vorlage: eine kritische Betrachtung 1 Die Škofjeloški pasijon: eine Skizze Im März 2013 war es endlich so weit: Ihre Exzellenz Frau Veronika Stabej, Botschafterin der Republik Slowenien in Frankreich und ständige Vertreterin Sloweniens bei der UNESCO, reichte dort in Paris den Antrag ein, mit dem ihr Land offiziell anstrebte, die sogenannte Škofjeloški pasijon (dt. Passion von Škofja Loka) auf die namhafte Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit1 zu setzen. Der Index, der seit 2008 im Rahmen des multinationa-len, 2003 getroffenen UNESCO- Übereinkommens zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes erstellt und ständig erweitert wird, umfasst solche ‚kulturellen Elemente‘, die sich zumindest in eine der folgenden fünf Kategorien einreihen lassen: 1) mündlich überlieferte Traditionen und Ausdrucksformen, einschließlich der Sprache als Trägerin des immateriellen Kulturerbes; 2) darstellende Künste; 3) gesellschaftliche Bräuche, Rituale und Feste; 4) Wissen und Bräuche in Bezug auf die Natur und das Universum; und 5) traditionel-le Handwerkstechniken. 2 Elemente, die es auf die UNESCO-Liste 1 Vgl. http://www.unesco.org/culture/ich/en/lists?multinational=3&display1= inscriptionID (zuletzt abgerufen am 11.11.2020). 2 Vgl. http://www.unesco.de/infothek/dokumente/uebereinkommen/ike-konvention.html (zuletzt abgerufen am 11.11.2020). 23 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen schaffen, sollten alle dazu beitragen, „[to] demonstrate the diversity of this heritage and raise awareness about its importance“3. Um die Aufnahme eines jeweiligen kulturellen Elements auf die Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit beantragen zu dürfen, muss dieses zuvor auf der nationalen Ebene anerkannt werden. Im Fall der Škofjeloški pasijon geschah dies 2008 und 2012, als die slowenische Regierung sie zunächst ins Register des immateriellen Kulturerbes4 aufnahm, 5 um sie schließlich vier Jahre später, gut zwei Jahrzehnte nach der Gründung des slowenischen Staates, als überhaupt erstes „lebendiges Meisterwerk von nationaler Bedeutung“6 zu bezeichnen. Doch wovon spricht man eigentlich, wenn man von der Škofjeloški pasijon redet? Škofja Loka ist heute eine historische, idyllisch gelegene mittelalterliche Stadt im Nordwesten Sloweniens. Ihr Name verweist zum Teil bereits etymologisch (‚škofja‘ = dt. ‚bischöflich‘; ‚loka‘ = dt. ‚Aue‘)7 auf ihre einstige politische Identität: Mehr als acht Jahrhunderte, genauer: zwischen 973, als Otto II. (955–983), der römisch-deutsche Kaiser, den damaligen Ort samt umgebenden Ländereien Abraham (vor 950–993 oder 994), dem Bischof von Freising, schenkte, und 1803, als das Gebiet durch Säkularisierung und Mediatisierung unter das 3 http://www.unesco.org/culture/ich/en/purpose-of-the-lists-00807 (zuletzt abgerufen am 11.11.2020). 4 Vgl. http://www.nesnovnadediscina.si/sl (zuletzt abgerufen am 11.11.2020). 5 Vgl. http://www.nesnovnadediscina.si/sl/register/skofjeloski-pasijon (zuletzt abgerufen am 11.11.2020); sowie http://www.mk.gov.si/fileadmin/ mk.gov.si/pageuploads/Ministrstvo/Razvidi/RKD_Ziva/Rkd-08-629-001-p.pdf (zuletzt abgerufen am 11.11.2020). 6 http://pisrs.si/Pis.web/pregledPredpisa?id=ODLO1712 (zuletzt abgerufen am 11.11.2020). 7 Vgl. Snoj 2009, 413. 24 1 Die Škofjeloški pasijon: eine Skizze Herzogtum Krain8 und somit unter die Habsburger Monarchie fiel, 9 wurden die Stadt (dt. ‚Bischoflack‘) sowie ihre Herrschaft (dt. ‚Herrschaft Bischoflack‘) vom Hochstift Freising weltlich10 regiert. 11 Die Škofjeloški pasijon lässt sich nun auf gleich zwei lokale, sich zum Teil überdeckende kulturelle Phänomene beziehen: zum einen auf einen Dramentext12, der als Teil eines Kodex13 in den Jahren 1725– 1727 von dem in Škofja Loka tätigen Kapuzinerpater Romuald von Štandrež (1676–1748) verfasst wurde14 und heute ‚Škofjeloški pasi-8 Vgl. Valvasor 1689; sowie in der vorliegenden Studie Abschnitt 2.1, Anm. 3. 9 Vgl. Blaznik 1973, 446. 10 Die kirchliche Macht lag in Škofja Loka bis 1751 hingegen in den Händen des Patriarchats von Aquileia. Vgl. ebd., 73; 392. 11 Neben Škofja Loka besaß das Hochstift Freising in Österreich noch folgende sechs Herrschaften: in Niederösterreich Waidhofen und Ulmerfeld an der Ybbs, Hollenburg in der Wachau und Großenzersdorf unterhalb Wien; in Tirol Innichen im Pustertal; und in der Steiermark Rotenfels. Seit Anfang des 17. Jahrhunderts leistete Škofja Loka wirtschaftlich beinahe so viel wie alle übrigen österreichischen Herrschaften zusammen. Vgl. Hubensteiner 1954, 19f. 12 Der Dramentext ist mit „Ordo Processionis cum Actoribus“ (dt. „Prozessionsordnung mit Schauspielern“) betitelt und lässt sich somit als Teil dieser Prozessionsordnung deuten. Vgl. ŠP, 22. 13 Neben dem Dramentext enthält dieser Kodex ein mit „Pro Notitia futuri Sæculi. Processionis in die Parasceues“ (dt. „Über die Karfreitagsprozession. Den künftigen Epochen zur Kenntnisnahme“) betiteltes chronikalisches Schreiben; ferner ein Dokument mit rechtlichen Klauseln zur Aufführung der Škofjeloški pasijon; vier Prozessionsordnungen, bestimmt für den Prozessionsleiter und seine Mithelfer; ein Sach- und Personenregister; ein Kostümverzeichnis; ein Beispiel eines den Pfarrern zugedachten Einladungsbriefs; und zwei Periochen. Vgl. ŠP, 12–21; 121–169. Zur ‚Perioche‘ vgl. Müller (Hg.) 2003, 45f. Darüber hinaus wurden dieser Sammlung später – in Zufallsreihenfolge – zehn weitere Dokumente beigelegt, die nicht organisch dazugehören: sieben Einladungsbriefe, ein Brief eines Provinzials, ein Versfragment und eine Tabulatur für Laute. Vgl. Deželak Trojar 2009. Zum ‚Provinzial‘ vgl. LThK, Bd. 8, Sp. 672. 14 Vgl. Ogrin 2009a. 25 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen jon‘ genannt wird; 15 und zum anderen auf die Tradition der katholischen, durch die Kapuziner aufgeführten Karfreitagsprozessionen, die in Škofja Loka seit Anfang des 18. Jahrhunderts, spätestens jedoch seit 171316 regelmäßig stattfanden. 17 In den Geisteswissenschaften wurde bisher wohl aus drei Gründen vornehmlich P. Romualds Text in den Blick genommen. 18 Erstens ist seine Škofjeloški pasijon überhaupt der älteste erhaltene slowenische Dramentext und besitzt daher für die nationale, d.h. slowenische Philologie einen hohen Stellenwert. Dies wird, zweitens, dadurch bestärkt, dass P. Romualds Text eine bedeutsame Leistung der slowenischen Barockliteratur19 und zugleich das einzig erhaltene Regiebuch für Passionsspiele des Barock darstellt; somit scheint die Škofjeloški pasijon besonders für eine kritische und eingehende Textanalyse geeignet. Drittens liegen 15 Das Manuskript selbst ist nicht betitelt. Auf einem später beigefügten, heute jedoch verlorenen Zettel stand: „ Instructio pro Processione Locopolitana in die Parasceve Domini. (3. Die Martii 1721.)“. Vgl. ebd., 327. Als ‚Škofjeloški pasijon‘ wurde Romualds Text wohl im Jahr 1936 zum ersten Mal erwähnt. Vgl. Debeljak 2009, 100; sowie Florjančič 2016, 6, Anm. 1. In Buchform ist Romualds Text unter diesem Namen erst seit der ersten gedruckten Ausgabe des Manuskripts aus dem Jahre 1972 bekannt. Vgl. ders. 1972. 16 Vgl. Benedik 2008, 162; ders. 2008a, 420; sowie Ogrin 2009a, 351. 17 Die Produktionsebene dieser Tradition lässt sich anhand des gesamten Kodex, in dem sich P. Romualds Text befindet, teilweise rekonstruieren. Vgl. ŠP, 12–21; 121–169; 270–299. Im Jahr 1768 wurde die Škofjeloški pasijon durch Karl Michael von Attems (1711–1774), den Erzbischof von Gorica, verboten. Vgl. Benedik 2008, 76. Die Aufführungen von P. Romualds Text fanden wieder in den Jahren 1936 und 1937 sowie 1999 und 2000 statt. Seit 2009 wird die Škofjeloški pasijon per Erlass der Gemeinde Škofja Loka bis 2021 alle sechs Jahre aufgeführt. Vgl. Florjančič 2016; sowie https://www.uradni-list.si/1/content?id=83454 (zuletzt abgerufen am 11.11.2020). Zum Verbot und zur Erneuerung der Tradition der Škofjeloški pasijon vgl. Kapitel 11 der vorliegenden Studie. 18 Zur aktuelleren Forschung vgl. Pretnar 1989; Faganel 1991; ders. et al. 1999; sowie Rovtar 1999. 19 Vgl. Ogrin 2009a, 343. 26 1 Die Škofjeloški pasijon: eine Skizze zur Rezeption der Karfreitagsumzüge in Škofja Loka im 18. Jahrhundert kaum greifbare Berichte vor, was eine hinreichende Analyse der stattgefundenen Aufführungen von vornherein verhindert. 20 Um einen ersten Einblick in P. Romualds Text zu bekommen, seien im Folgenden dessen Grundzüge skizziert. Die Škofjeloški pasijon besteht aus insgesamt 863 Zeilen, die sich in der Regel als Knittelverse bestimmen lassen21 und die durch Paarreim oder, vereinzelt, durch Assonanz miteinander verbunden sind. 22 Die Verse, die gleichzeitig den Haupttext des Dramas darstellen, sind in 13 ‚Figuren‘, d.h. in 13 Szenen verteilt, 23 die meistens auch über einen Titel verfügen: Paradisus, Mors, Cæna Domini, eine ‚Figur‘ mit Samson, Sudor Sanguineus, Flagelatio Christi, Coronatio, eine Szene mit Hieronymus, Ecce Homo, Christus in Cruce, Mater Septem Dolorum, Archa Fædersi und Sepulchrum Domini. Während der Haupttext in der slowenischen, dialektal gefärbten Sprache verfasst wurde, 24 sind die meisten Regieanweisungen deutsch; der weitere Nebentext, vor allem die Namen der Dramatis Personae, ist auf Deutsch oder Latein geschrieben. Nun legen bereits die Titel der einzelnen, unterschiedlich langen und fast immer mit Reden besetzten ‚Figuren‘25 den Inhalt der 20 Das einzig erhaltene Zeugnis, das die Anwesenheit der Zuschauer bei der Škofjeloški pasijon ausdrücklich nennt, stellt das bereits erwähnte, mit „Über die Karfreitagsprozession. Den künftigen Epochen zur Kenntnisnahme“ betitelte Schreiben dar. Darin steht, dass der Umzug, der in Škofja Loka am 11. April 1721 von P. Romuald aufgeführt wurde, „ingente Populi Concursu“ (ŠP 2009, 12), „im Beisein der ungeheuren Volksmenge“ stattfand. Vgl. oben Anm. 13. 21 Vgl. Rupel 1956, 306; sowie Pogačnik 1998, 223. 22 Vgl. Rupel 1956; sowie Pretnar 1989. 23 Zur ‚Figur‘ vgl. Michael 1946, 6. 24 Vgl. Koblar 1972a, VIII; sowie Faganel 1999. 25 Von insgesamt 13 ‚Figuren‘ enthalten nur drei keine Reden: die Szene mit Samson, Archa Fædersi und Sepulchrum Domini. Vgl. ŠP, 61f.; 117; 118. 27 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen Škofjeloški pasijon nahe: Die Handlung verfolgt die aus der Bibel wie aus dem Nikodemusevangelium bekannte Passion Jesu, 26 d.h. dessen Leidensgeschichte vom Letzten Abendmahl über den Blutschweiß Jesu im Garten Getsemani, über seine Geißelung und seine Krönung durch die Juden, über sein Urteil durch Pontius Pilatus und über seine Kreuzigung bis hin zum Trauern von Maria als Schmerzensmutter27. Mit dieser ‚Hauptgeschichte‘ gehen – als Präfigurationen und/ oder Allegorien – auch alle ‚Nebenszenen‘ in P. Romualds Text ( Paradisus, Mors, die Szenen mit Samson und Hieronymus, Archa Fædersi und Sepulchrum Domini) thematisch einher. 28 Laut der Regieanweisungen sollte die Škofjeloški pasijon als Prozession aufgeführt werden, wobei einzelne ‚Figuren‘ – unter der Führung eines Prozessionsleiters – nicht etwa von professionel-len Schauspielern, sondern ausschließlich von Laiendarstellern auf Traggestellen, auf Wagen, zu Fuß oder zu Pferde gezeigt werden sollten. Es lässt sich aus P. Romualds Text jedoch nicht entnehmen, wie viele Personen bei der Aufführung mitwirken sollten. 29 Eine konser-vative Schätzung rechnet mit ca. 300 Personen, doch das Doppelte dürfte dem realen Umfang ebenso entsprechen. 26 Zum Nikodemusevangelium als Referenzpunkt für die Škofjeloški pasijon vgl. Grdina 2013, 34. 27 Zu Maria als Schmerzensmutter vgl. LThK, Bd. 9, Sp. 175–178. 28 Zur Szene mit Samson als Präfiguration in der Škofjeloški pasijon vgl. Jeromen 2016. 29 Als Mitwirkende werden hier lediglich Teilnehmer gemeint, die bei der Aufführung der Škofjeloški pasijon in der Prozession mitgehen sollten. 28 2 Auf der Suche nach einer Vorlage: eine kritische Betrachtung 29 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen 30 2 Auf der Suche nach einer Vorlage: eine kritische Betrachtung 2 Auf der Suche nach einer Vorlage: eine kritische Betrachtung Wie zuvor erwähnt, stand in der geisteswissenschaftlichen Forschung in Bezug auf die Auseinandersetzung mit der Škofjeloški pasijon bisher vorwiegend P. Romualds Text im Vordergrund. Während textspe-zifische Fragen hinsichtlich Vers, Stil oder Lexik relativ ausführlich angesprochen wurden, 1 ist man beim Versuch, der Genese der Škofjeloški pasijon nachzugehen, fast immer bei knappen und/oder pau-schalen Thesen zu ihrer angeblichen Vorlage geblieben. Diese sollen nun, bei Beachtung der einschlägigen Literatur, kritisch betrachtet und überprüft werden. 2.1 Josip Mantuani: ein deutsches Original Bereits 1916, fast 200 Jahre nach der Entstehung der Škofjeloški pasijon, und ein Jahr vor ihrer Erstveröffentlichung2 stellt der Kunsthis-toriker und Archäologe Josip Mantuani eine These zu ihrer Genese 1 Vgl. Kapitel 1, Anm. 18. 2 Vgl. Mantuani 1917. Einige Auszüge aus der Škofjeloški pasijon wurden jedoch bereits im Jahr 1892 von Anton Koblar zum ersten Mal publiziert. Vgl. ders. 1892, 120–124. 31 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen vor. In seinem Aufsatz „Pasijonska procesija v Loki“ (dt. „Die Passionsprozession von Loka“), der in der Zeitschrift Carniola3 erscheint und eine im Grunde diplomatische Umschrift des Textes von P. Romuald enthält, behauptet er, dass das „Original“ der Škofjeloški pasijon „fast sicher“4 in deutscher Sprache verfasst worden sei; zuerst, d.h. noch bevor es in Škofja Loka ins Slowenische übersetzt wurde, sollte es den Kapuzinern in der nahegelegenen Hauptstadt des Herzogtums Krain, Ljubljana (dt. ‚Laibach‘), gedient haben. 5 Seine These begründet Mantuani mit der Beobachtung, dass die „Anweisungen zur Gestaltung“6 der Škofjeloški pasijon, also deren Regieanweisungen, auf Deutsch geschrieben sind. 7 Dabei übersieht er jedoch zwei wichtige historische Tatsachen: zum einen, dass das heutige ethnisch slowenische Gebiet vom Mittelalter bis zur Aufklä- rung und später noch im 19. Jahrhundert mehrsprachig war (u.a. slowenisch, deutsch, lateinisch); und zum anderen, dass sich im 17. und noch mehr im 18. Jahrhundert auf diesem Gebiet gerade Deutsch als Gelehrtensprache durchgesetzt hatte:8 Es […] herrschen durchgehends […] zweyerley Sprachen / nemlich die Sclavonische (oder Windische) und die Teutsche: unter welchen beyden aber / die letzte nur bey den Edlen / und politen Leuten / meistentheils gebräuchlich / wie nicht weniger alle Rechtsführungen Teutsch ausgeführt / imgleichen alle 3 Lat. ‚Carniola‘ steht für ‚Kranjska‘ (dt. ‚Krain‘), einen geopolitischen Begriff mit mehrere Jahrhunderte langer Geschichte. 1918 ging Krain, seinerzeit als Kronland des Kaisertums Österreich, als Ganzes in Slowenien (und damit in einen neuen, den sogenannten Staat der Slowenen, Kroaten und Serben) auf. 4 Mantuani 1916, 231. 5 Vgl. ebd. 6 Ebd. 7 Die Tatsache, dass in der Škofjeloški pasijon neben dem Deutschen auch die lateinische Sprache eingesetzt wurde, ließ Mantuani jedoch unkommentiert. 8 Vgl. Dović 2007, 50. 32 2 Auf der Suche nach einer Vorlage: eine kritische Betrachtung Schrifften und Briefe / in selbiger Sprache / verfasst werden; dahingegen die andre / nemlich die Windische oder Sclavonische sich der Dorff-Zungen / und andrer gemeiner Lippen bedient.9 (Herv. J.D.) Die deutschen Regieanweisungen im Text von P. Romuald lassen mithin nicht ohne Zweifel darauf schließen, dass auch der Haupttext seines ‚Originals‘ auf Deutsch verfasst war. Wenn man bedenkt, dass sie bei der Inszenierung einem gelehrten Prozessionsleiter dienten, und zugleich feststellt, dass der Haupttext (durch Laiendarsteller) vor einem sozial breit gefächerten Publikum aufgeführt wurde, scheint es ebenso möglich, dass bereits das ‚Original‘ der Škofjeloški pasijon ähnlich mehrsprachig aufgeteilt war wie der Text von P. Romuald. Doch wie und wann sollte das angeblich deutschsprachige ‚Original‘ der Škofjeloški pasijon von den Kapuzinern aus Ljubljana zu ihren Ordensbrüdern in Škofja Loka gelangt sein? Dieser Aspekt bleibt bei Mantuani letztlich offen. 2.2 France Koblar Seit den 1970er-Jahren wurde die Frage nach dem ‚Original‘ der Škofjeloški pasijon wieder aufgegriffen. Den Anstoß dazu gab der Literaturwissenschaftler France Koblar, der in seinem Vorwort zum 1972 erschienenen Faksimile von P. Romualds Text sowie in seiner Studie Slovenska dramatika I. (dt. Slowenisches Drama I. ) aus demselben Jahr zwar „keine unmittelbare Vorlage“ nennt; er legt jedoch 9 Valvasor 1689, Bd. 6, 271. Die Verknüpfung von Sprache an den jeweiligen sozialen Stand ist hier schematisch zu verstehen. Vgl. Ahačič 2012, 36; 182f.; sowie ders. 2007, 15–17. Das Zitat Valvasors gilt zwar für das Herzogtum Krain; es lässt sich jedoch ohne größere Bedenken auch auf die Herrschaft Bischoflack übertragen. 33 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen dar, dass „Spuren“ zu „verschiedenen, [der Škofjeloški pasijon] ähnlichen Arten von Prozessionen“10 führten. Ganz konkret: zur Prozession zu Mariä Himmelfahrt, die im Jahr 1554 in Wien stattfand; zu Fronleichnams- und Karfreitagsumzügen, die in der Regierungszeit des Fürsterzbischofs Markus Sittikus (1612–1619) in Salzburg aufgeführt wurden; zur Karfreitagsprozession, die ein Jahrhundert später, 1712, ebenfalls in Salzburg stattfand und für den Vergleich mit der Škofjeloški pasijon „noch besonders aufschlussreich“11 sein sollte; und zuletzt zum Karfreitagsumzug, der 1713 in Ljubljana von den Kapuzinern organisiert wurde. Da diese Prozessionen von Koblar ausdrücklich erwähnt werden, liegt es nahe, sie im Folgenden näher zu betrachten. 2.2.1 Die Prozession zu Mariä Himmelfahrt, Wien 1554 Die einzige Quelle, die bisher von der Wiener Prozession zu Mariä Himmelfahrt von 1554 zeugt, ist ein bissiges, in seiner Darstellung jedoch prägnantes protestantisches Flugblatt, das im selben Jahr, möglicherweise kurz nach der Aufführung, erscheint. 12 Diesem Schreiben lässt sich entnehmen, dass der Umzug von den dortigen Franziskanern und einer in Wien tätigen spanischen Bruderschaft organisiert und vermutlich an die sogenannten Hof-Spanier gerichtet war, d.h. an die Spanier, die damals am Hof Kaiser Ferdinands I. 10 Koblar 1972, 22. 11 Ebd. 12 Das Flugblatt umfasst insgesamt acht Seiten und enthält eine Vorrede des lutherischen Theologen Matthias Flacius (1520–1575). Vgl. ders. 1554. In der älteren Geschichtsschreibung Wiens wird das Flugblatt immer wieder zitiert. Vgl. u.a. Weiß 1883, 68; Bauer jun. 1885, 218; Tomek 1914, 300, Anm. 4; Mais 1954, 269, Anm. 7; sowie Smets 1969, 55f. 34 2 Auf der Suche nach einer Vorlage: eine kritische Betrachtung (1503–1564) lebten. 13 Am 15. August setzte er zwischen 7 und 8 Uhr morgens ein und verlief durch die (heute noch bestehenden) Singer-straße, Blutgasse und Grünangergasse, die allesamt mit Grün, Teppichen und brennenden Lichtern – „wie sie zu Gottes Fronleichnamstag pflegen“14 – geschmückt waren. In dieser Prozession, an der ca. 30–60 Personen teilnahmen, 15 ging an deren Spitze ein Franziskaner mit silbernem Kreuz in der Hand. Ihm folgte ein Messner mit einer Glocke, umgeben von neun Mitgliedern der spanischen Fraternität. Während der erste Spanier mit einer Trommel und einer Pfeife hinter dem Leiter der Prozession schritt, trugen die übrigen acht Spanier, die in zwei Reihen aufgeteilt wurden, lange Stöcke und Laternen. Alle neun Spanier waren wie Büßer gekleidet, sie trugen Schellen an ihren Füßen und tanzten herum im Takt der Musik. Ihnen folgten zwei weitere Büßer, die ebenfalls auf der Straße herumtanzten und so wie ihre spanischen Vorgänger ihre Gesichter bedeckt hielten – „gleicher weis wie man zur zeit der Fasnacht in der Mummerey zu thun pfleget“16. Der Umzug setzte sich fort mit vier Spaniern, die auf einem Traggestell unter dem Traghimmel ein silbernes Marienbild trugen. Diesem folgten Musiker mit Pfeifen, Becken und Posaunen. Den letzten Teil der Prozession bildeten die Franziskaner, spanische Geistliche, ein spanischer Bischof mit Hostie unter dem Traghimmel und – ganz am Ende – „die Spanischen Weiber“17. 13 Dabei muss es auch um die Spanier gegangen sein, die zwei Jahre zuvor, 1552, zusammen mit Königin Maria (1528–1603) und ihrem Ehemann, Ferdinands Sohn Maximilian II. (1527–1576), nach Wien gekommen waren. Vgl. Laferl 1997, 130. 14 Flacius 1554, [4]. 15 Eine genauere Zahl lässt sich anhand von Daten aus dem Bericht nicht ermitteln. Dabei handelt es sich nur um diejenigen Teilnehmer, die in der Prozession mitgegangen sind. Vgl. Kapitel 1, Anm. 29. 16 Flacius 1554, [5]. 17 Ebd. 35 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen Auf dem Prozessionsweg waren an zwei Straßenkreuzungen Al-täre errichtet. Als der Umzug dort anlangte, stellte man das Marienbild auf einen Stuhl und legte daneben ein „Crucifix / welchs man zu kleinen stücken […] hat können zerlegen“18. Nach einem Tanz um das Bild und das Kruzifix sprangen – der Beschreibung auf Flacius’ Flugblatt zufolge – die Spanier einer nach dem anderen hin zum Stuhl und nahmen, während sie immer noch tanzten, je ein Stück von dem Kruzifix weg, um es danach wieder hinzulegen und sich vor dem Marienbild zu verbeugen. Die Szene mit dem Kruzifix wiederholte sich noch zweimal, vor dem Eingang zur Kirche der Franziskaner sowie drinnen vor dem Hochaltar, auf den das Marienbild und die Hostie hingelegt wurden: „Vnd also jr Procession vollendet / auch dadurch / wie sie sagen / grossen Ablas verdienet.“19 Wie lässt sich nun diese Prozession mit der Škofjeloški pasijon in Beziehung setzen? Schon bei flüchtiger Inaugenscheinnahme lassen sich einige Gemeinsamkeiten zwischen beiden Aufführungen feststellen. Sowohl die Wiener Prozession als auch Karfreitagsprozessionen, die seit Anfang des 18. Jahrhunderts in Škofja Loka stattfanden, wurden von Ordensgeistlichen organisiert und von Bruderschaften mitver-anstaltet: Im ersten Fall ging es um Franziskaner und eine spanische Bruderschaft, im zweiten um Kapuziner und die sogenannte Bruderschaft corporis Christi. 20 Sowohl die Wiener Prozession als auch die Prozession, wie P. Romualds Text sie vorsieht, kennen die Figur des Prozessionsleiters: Während im ersten Fall ein Franziskaner mit einem silbernen Kreuz diese Rolle übernahm, soll laut der Škofjeloški 18 Ebd., [7]. 19 Ebd. 20 Vgl. ŠP, 12; 14; 142; 160; sowie Lagkherisches HimmelBrod 1713. Zur Bruderschaft corporis Christi vgl. Kapitel 8 der vorliegenden Studie. 36 2 Auf der Suche nach einer Vorlage: eine kritische Betrachtung pasijon ein „ führer“ – vermutlich ein Kapuziner – „ in der handt tragend den stab mit einem steren“21 den Umzug leiten. So wie an der Wiener Prozession Büßer teilnahmen, sollen laut P. Romualds Text in einigen ‚Figuren‘ Eremiten, die sogenannten Kreuzzieher und Disziplinanten, also die Geißler auftreten. 22 Ähnlich der Wiener Prozession, während der ein Traggestell dazu diente, das Marienbild fortzu-bewegen, sollen laut P. Romualds Text die meisten Szenen in gleicher Weise, also mithilfe von Traggestellen, aufgeführt werden. 23 Und so, wie nicht zuletzt im hinteren Teil der Wiener Prozession die Geistlichkeit erschien, sollen laut der Škofjeloški pasijon an einer vergleich-baren Stelle „die Hochwürden herrn herrn Geistlichen herr Pfarrer etc.“24 mitgehen. Trotz dieser Parallelen scheinen zwei Unterschiede zwischen der Wiener Prozession zu Mariä Himmelfahrt und der Škofjeloški pasijon jedoch viel mehr, ja sogar maßgeblich ins Gewicht zu fallen. Während im ersten Fall – ganz dem Fest entsprechend – Mariens und deren leiblicher Aufnahme in den Himmel gedacht wurde, hat man die Karfreitagsprozessionen von Škofja Loka „in honorem, et memoriam amarissimæ Passionis D: N: J: C:” 25, „zum ehrenden Gedenken ans bittere Leiden unseres Herrn Jesu Christi“ aufgeführt. Und während die Wiener Prozession durch das Herumtragen der 21 ŠP, 22. 22 Vgl. ebd., 77; 81; 86; 89; 109; 117. Der Begriff ‚Disziplinanten‘ wird etymologisch von lat. ‚disciplina‘ hergeleitet und im Anschluss an Augustinus verwendet. Vgl. hierzu Reichmann, Viktor: „Disciplina. Bedeutung und Verwendung bei Augustinus“. https://www.db-thueringen. de/servlets/MCRFileNodeServlet/dbt_derivate_00004794/Disciplina.pdf (zuletzt abgerufen am 11.11.2020). Zu den Büßern vgl. Kapitel 9 der vorliegenden Studie. 23 Vgl. ŠP, 22; 62; 78; 81; 89; 110; 117; 118. 24 Ebd., 118. 25 Ebd., 12. 37 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen Hostie einen starken theophorischen Aspekt26 ausweist, ist die Škofjeloški pasijon – so wie alle Karfreitagsumzüge – eher als ‚Bußprozession‘27 zu bezeichnen. 28 2.2.2 Die Fronleichnams- und Karfreitagsprozessionen, Salzburg 1612–1619 Als weitere Beispiele einer indirekten Vorlage der Škofjeloški pasijon nennt Koblar Fronleichnams- und Karfreitagsprozessionen, die in Salzburg unter dem Fürsterzbischof Markus Sittikus (1574–1619) stattgefunden haben. Ein kurzer Blick in die betreffende Geschichtsschreibung zeigt, dass dieser dort fortlaufend als Liebhaber von „Mu-merey vnd Auffzügen“29 auftritt. Aufgrund seiner italienischen Her-kunft soll Sittikus, 30 der häufig nach Mailand, Bologna und Rom reiste, seine Vorliebe für Prozessionen in Italien entwickelt haben31 – sowie auch in Spanien, wo er sich 1593 und 1594 aufhielt. 32 Dort erhielt er auch möglicherweise Anregungen, um das alte, längst über-26 Zu theophorischen Prozessionen vgl. LThK, Bd. 8, Sp. 679. 27 Zu den Bußprozessionen vgl. Abschnitt 5.2. 28 Darüber hinaus lassen sich jedoch auch weitere, kleinere Differenzen zwischen beiden Aufführungen finden: Während bei der Wiener Prozession bspw. zu keinem Zeitpunkt gesprochen, sondern vielmehr getanzt wurde, sind in P. Romualds Text fast alle ‚Figuren‘ mit Reden besetzt (vgl. Kapitel 1, Anm. 25); während der Wiener Umzug von den Hof-Spanierinnen abgeschlossen wurde, durfte laut der Škofjeloški pasijon „zu Lezt[] / […] daß Volkh“ (ŠP, 118), also das ganze Publikum in der Prozession folgen. 29 Dückher 1666, 283. Vgl. hierzu Bühler 1895, 102, Anm. 1; sowie Martin 1949, 76. 30 Sittikus’ Mutter war Hortensia Borromeo (1551–1578), die Schwester von Kardinal Carlo Borromeo (1538–1584). Vgl. Stainhauser 2012, 397. 31 Vgl. Widmann 1904, 264; Martin 1949, 67; 83; sowie Klieber 1999, 82. 32 Vgl. Martin 1949, 68; Welti 1963, 206; sowie Klieber 1999, 82. 38 2 Auf der Suche nach einer Vorlage: eine kritische Betrachtung holte Bruderschaftswesen in seinem Erzstift zu erneuern oder gar neue Fraternitäten zu gründen. 33 Jene Umzüge, die er bereits 1612, in seinem ersten Regierungsjahr, vorstellen34 und ab 161435 oft unter Mitwirkung von Bruderschaften aufführen ließ, 36 sind in den sogenannten Relationen, der Chronik des erzbischöflichen Historio-grafen Johann Stainhauser (1570–1625), ausführlich beschrieben. Zum Zweck der vorliegenden Untersuchung soll jedoch genügen, die Grundzüge dieser Aufführungen vor dem Hintergrund der Škofjeloški pasijon zu beleuchten. Im Laufe von acht Jahren von Sittikus’ Regierungszeit haben in Salzburg mehr als 25 Fronleichnams- und Karfreitagsprozessionen stattgefunden: am Fronleichnamstag, in der Oktav37, am Oktav-38 sowie an Karfreitag. 39 Was beide Prozessionsarten voneinander trennt, scheint vor allem in ihrem Grundcharakter zu liegen. So steht bei den Salzburger Fronleichnamsprozessionen, mit denen „[d]as herrlich Fest des hochwürdigsten Christi Fronleichnambs“40 begangen 33 Die Alte Bürgerbruderschaft etwa, die 1454 gegründet worden war, bildete Sittikus 1613 zur Corporis-Christi-Bruderschaft um und wurde selbst ihr Mitglied. Vgl. Bühler 1895, 210; Widmann 1904, 264; Ospald 1970/1971, 77; sowie Klieber 1999, 57f. 34 Vgl. Ospald 1970/1971, 72. 35 Vgl. Stainhauser 2012, 90f.; 94–96. 36 Es handelt sich dabei vor allem um die bereits genannte Corporis-Christi-Bruderschaft, die Erzbruderschaft Maria von Trost und der heiligen Mutter Monika sowie um die Allerseelenbruderschaft. 37 ‚Oktav‘ steht für den Zeitraum von acht Tagen vom Fronleichnamstag bis zu seinem Oktavtag. Vgl. LThK, Bd. 7, Sp. 1016. 38 ‚Oktavtag‘ steht für den achten Tag nach dem Fronleichnamstag. 39 Berücksichtigt werden dabei nur Umzüge, die mehr oder weniger in dem geplanten Umfang stattgefunden haben; die Karfreitagsprozessionen von 1614, 1616, 1617 und 1619 verliefen wetterbedingt nur eingeschränkt oder sie mussten ganz abgesagt werden. Vgl. Stainhauser 2012, 90f.; 159f.; 210–213; 334. 40 Ebd., 94. 39 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen wurde, immer – wie bei der Wiener Mariä-Himmelfahrt-Prozession von 1554 – ihr theophorischer Aspekt im Vordergrund. Dieser tritt durch feierliches Umhertragen der Hostie hervor, wie z.B. beim Umzug, der im Jahr 1613 zum Fronleichnamstag stattfand: Das Hochwürdige Sakrament […] ist von Ihr. Hochfr. Gnaden [= Markus Sittikus] selbs […] unter einem köstlichem Himmel, welchen sechs Hofherrn getragen, fast durch die ganze Stadt, (welche mit grüenem Laub, wie auch die Fenster al-lenthalben mit Teppichen, schönen Bildern, Gemälen, zierlichen Büschen, und angezündten Kerzen wohl geziert gewesen,) andächtigist getragen worden.41 Bei Karfreitagsprozessionen hingegen, die in Salzburg von 1612 bis 1619 stattfanden, lässt sich kein solcher theophorischer Aspekt bele-gen. Indem sie „zu dankbarer Erinnerung des bittern Leidens Christi unsers Seligmachers“42 abgehalten wurden, scheinen sie eher einen Bußcharakter in sich zu tragen. Dieser fiel stark durch die Einrei-hung von Büßern im Umzug auf – wie z.B. bei der Karfreitagsprozession von 1612: In ermelte schöne Procession waren eingeteilt etlich und 40 Flagellanten, so die Geißlung Christi betrachtunde, ihnen selbs solch freiwillige Bueß antä- ten; etliche andere, die schwere Kreuztragung unsers Heilands zu Herzen füh-runde, schwere große hülzene Kreuz getragen; die dritten mit traurigem doch dankbarem Gemuet, die Ausspannung unsers Seligmachers an dem hochen Stammen des Kreuzs bedenkunde, sein zu Gedächtnus derselben mit ausge-spannten Armen herumbgangen.43 Theophorischer Aspekt auf der einen, Bußcharakter auf der anderen Seite – dieser Grundunterschied lässt sich bei den Salzburger Fronleichnams- und Karfreitagsprozessionen jedoch nicht immer eindeutig ermitteln. Die Fronleichnamsumzüge kennen bisweilen Elemente, 41 Ebd., 57. 42 Ebd., 112. 43 Ebd., 21. 40 2 Auf der Suche nach einer Vorlage: eine kritische Betrachtung die ebenfalls auf die Leidensgeschichte Jesu verweisen. Dabei geht es hauptsächlich um Leidenswerkzeuge, d.h. Waffen, Foltergerät oder andere Objekte, die an die Passion Christi erinnern. 44 Am Fronleichnamstag im Jahr 1615 z.B. wurden sie in folgender Weise gezeigt: Die Engelein mit denen Waffen des Leidens Christi: Der Palmzweig, die Einrei-tung Christi bedeutund. / Kelch mit dem Oblat, das Abendmahl. / Das Tuech und Gießkanten und das Handbeck allein, beim Füeßwaschen. / Kelch und Kreuz am Ölberg. / Das Schweißtuech. / Die dreißig Silberlinge. / Das Schwert Petri. / Die Ketten und Strick. / Das Tuech, das Christo dem Herrn für die Augen ist gebunden worden. / Der eisene Handschuech. / Der Hahn. / Das wei- ße Kleid. / Die Saul der Geißlung. / Die Rueten. / Die Geißlen. / Die Kron und das Rohr. / Das Purpurkleid. / Das Ecce Homo, ein Schrift. / Das Crucifige, ein Schrift. / Der zerbrochene Stab. / Die Gießkanten. / Das Beck. / Das Kreuz des Herrn. / Das Schweißtuech mit dem Angesicht Gottes. / Die drei Nägel. / Der Hammer und Zang. / Der Schwamb. / Der Spieß. / Der Titel Jesus Nazarenus Rex Judæorum. (I.N.R.I.) / Der gestrickte Rock. / Die Würfeln. / Die Salben-büchsen bei der Begräbnus. / Das Urständ Feldlein. / Die Gilgen und das rote Schwert, das Jüngste Gericht be[s]treitend.45 Darüber hinaus wurden in dieser Prozession zwei ‚Figuren‘ aufgeführt, die bei den Karfreitagsumzügen nur ausnahmsweise fehlten: die Szene, in der Jesus am Ölberg, d.h. im Garten Getsemani in der Nacht vor seiner Kreuzigung betet; 46 und eine mit Christi des Herrn Geißlung betitelte ‚Figur‘: 44 Zu ‚Leidenswerkzeugen‘ vgl. LThK, Bd. 1, Sp. 993f. 45 Stainhauser 2012, 120f. Die Leidenswerkzeuge wurden außerdem in den Umzügen am Oktavtag im Jahr 1614, am Fronleichnamstag im Jahr 1616, am Dienstag in der Oktav desselben Jahres sowie am Fronleichnamstag 1617 vorgestellt. In den Karfreitagsprozessionen wurden sie zudem 1613, 1615 und 1618 eingesetzt. Vgl. ebd., 53f.; 96; 114–116.; 171; 173; 217; 273f. 46 Stainhauser 2012, 121: „Auf einem Gerüst, als droben in einer Wolken ein wohlbekleidter Engel erschienen, der hätt ein blau taffetes Röcklein an, mit guld- und silberem Tockil kreuzweis zugebunden, in seinen Händen aber ein Kelch und Kreuz, herunten in einem Gesträuß kniete Christus der Herr in einem braunen Rock angetan, der ganz inbrünstliglich zu Gott seinen himblischen Vater gebetet, deme uberaus künstlich von ihme selber das Bluet haufenweis uber sein heiliges Angesicht herab geronnen.“ 41 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen Daselbst war ein nieders Gerüst aufgericht, und mit Laubwerch umbsteckt, darauf stuende Christus der Herr nackund und bloß an die Saul gebunden, neben ihme drei Juden, deren die zween in blau wullene bis auf die Knie ge-hunde Röck, der dritte aber in gelb bekleidet war, hätten von solcher Farb Ba-retter auf, welche den Herrn mit Geißel und Rueten zu schlagen sich gestellet, deme das Bluet sehr künstlich über seinen ganzen Leib haufenweis herabge-ronnen.47 Auf der ‚Figurenebene‘ und damit ikonografisch lässt sich nun die Škofjeloški pasijon mit den beiden Salzburger Prozessionsarten vergleichen – mit den Karfreitagsprozessionen erwartungsgemäß besser als mit den Fronleichnamsprozessionen. Von 13 ‚Figuren‘, die P. Romualds Text ausmachen, kann man bei den Letzteren vier eindeutig erkennen: die Szenen Paradisus, Sudor Sanguineus und Flagelatio Christi in der Prozession, die am Fronleichnamstag 1615 stattfand; 48 und die ‚Figur‘ Archa Fædersi, die beim Umzug am Fronleichnamstag 1614 sowie am Dienstag in der Oktav 1616 aufgeführt wurde. 49 Bei den Salzburger Karfreitagsprozessionen hingegen lassen sich nicht weniger als acht Szenen finden, die auf ähnliche Art und Weise auch in der Škofjeloški pasijon auftauchen: die ‚Figur‘ Mors aus P. Romualds Text im Umzug von 1618; 50 die Szene Cæna Domini in den Prozessionen von 1615 und 1618; 51 und die ‚Figuren‘ Sudor Sanguineus, Flagelatio Christi, Coronatio, Ecce Homo, Christus in Cruce sowie Mater Septem Dolorum in den Umzügen von 1613, 1615 und 1618. 52 47 Ebd., 121f. Bei den Karfreitagsprozessionen wurden die beiden Szenen 1613, 1615 und 1618 eingesetzt. 48 Vgl. ebd., 120–122. 49 Vgl. ebd., 94; 172. 50 Vgl. ebd., 280. 51 Vgl. ebd., 114; 278. 52 Vgl. ebd., 52f.; 114–116; 279f. 42 2 Auf der Suche nach einer Vorlage: eine kritische Betrachtung 2.2.3 Die Karfreitagsprozession, Salzburg 1712 Wie bereits erwähnt, stellt Koblars drittes Beispiel einer Vorlage der Škofjeloški pasijon die Karfreitagsprozession dar, die im Jahr 1712 ebenfalls in Salzburg von der dortigen Benediktineruniversität53 organisiert wurde. Bei ihrer Wiedergabe stützt sich die Geschichtsschreibung54 auf eine Prozessionsordnung, die der Salzburger Benediktinerpater Amand Jung 1861 veröffentlichte. 55 Diesem Schreiben lässt sich entnehmen, dass der Umzug aus insgesamt sechs ‚Figuren‘ bestand: Die Finsternuß, und das Liecht; Der Erden Beben, und der Höllen Zittern; Die zerspaltene Felsen, und zerrissene Höllen-Band; Der lebende, und gestorbene Todt; Der zerrissene Vorhang, und die eröffnete Himmels-Porten; sowie Das Grab Christi. In all diesen Szenen – mit Ausnahme der letzten ‚Figur‘ – geht es um „Schröck- und Wunder-volle Mirakel“56, die sich „in dem Todt Christi Jesu, unser’s Erlösers und Seligmachers“57 zugetragen hätten und zum Teil von Allegorien wie z.B. Synagoge, Hoffnung oder Victoria dargestellt werden. Laut der Prozessionsordnung sollten jeder der ‚Figuren‘ weitere untergeordnete Sequenzen folgen, die vorwiegend die Leidensgeschichte Jesu zeigen, etwa „[e]in Figur der Gefangenschaft Christi“58, die Szene Christus das Creutz tragend59 bzw. die ‚Figur‘ Longinus mit seinem Reutter-Troupp60. 53 Obwohl erst 1622 gegründet, wurde eine Universität in Salzburg bereits von Sittikus geplant. Vgl. Putzer 2003, 34f. 54 Vgl. Bühler 1895, 210–213; Kutscher 1924, 36–38; sowie Boberski 1978, 42. 55 Vgl. Jung 1860/1861. 56 Ebd., 76. 57 Ebd., 74. 58 Ebd., 76. 59 Vgl. ebd., 78. 60 Vgl. ebd., 80. 43 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen Warum nun die Salzburger Karfreitagsprozession von 1712, wie Koblar sagt, „noch besonders aufschlussreich“ sein sollte für den Vergleich mit der Škofjeloški pasijon, lässt sich nur vermuten. Wo-möglich findet Koblar es relevant, dass einige Parallelen zwischen P. Romualds Text und der in Rede stehenden Prozessionsordnung über die Handlung hinausgehen, die aus der Passion Christi bekannt ist. In der ‚Figur‘ Mors der Škofjeloški pasijon treten z.B. vier Teufel auf, welche „die verdambte Seel an einer Ketten“61 mit sich führen. In der Salzburger Prozessionsordnung wird eine ähnliche Szene gleich viermal eingesetzt: Die Finsternuß, und das Liecht sieht eine Figur des Todes vor, „zu dessen Füssen 3 menschliche Seelen in der Finsternuß des Gemüths, herumwandelnd, mit Banden an-gefeßlet seyn“62; im „Verfolg der Procession“ nach dieser Szene tritt u.a. Pluto, „der Höllen-Fürßt“, auf, „sammt anderen obersten Teuf-feln, zwischen sich führend die von ihnen höchst betrangte Menschliche Natur“63; die ‚Figur‘ Der Erden Beben, und der Höllen Zittern schließt drei „höllische Furien“ mit ein, „so die von anderen Teuff-len hart gefeßlete menschliche Seel hefftig bedrangen“64; und im „Verfolg der Procession“ nach der Szene Die zerspaltene Felsen, und zerrissene Höllen-Band wird nochmals der Tod dargestellt, „sambt denen drei Parcen, […] die menschliche Seel in der Sclaverey mit sich schleppend“65. Trotz dieser Überschneidungen lässt sich die Škofjeloški pasijon auf der ‚Figurenebene‘ mit der Prozessionsordnung von 1712 jedoch nicht besser als mit den Karfreitagsumzügen, die in Salzburg unter Fürsterzbischof Sittikus stattgefunden haben, 61 ŠP, 46. 62 Jung 1860/1861, 76. 63 Ebd. 64 Ebd., 77. 65 Ebd., 78. 44 2 Auf der Suche nach einer Vorlage: eine kritische Betrachtung vergleichen: In beiden Fällen kann man die gleiche Zahl der Szenen aus P. Romualds Text eindeutig erkennen – in der Salzburger Prozessionsordnung sind es folgende acht: Mors, Sudor Sanguineus, Flagelatio Christi, Coronatio, Ecce Homo, Christus in Cruce und Mater Septem Dolorum. 2.2.4 Die Karfreitagsprozession, Ljubljana 1713 Als letztes Beispiel einer möglichen, indirekten Vorlage zur Škofjelo- ški pasijon nennt Koblar die Karfreitagsprozession, die 1713 in Ljubljana von Kapuzinern durchgeführt wurde. Diese Aufführung lässt sich als Teil einer Tradition sehen, die in der Hauptstadt des Herzogtums Krain möglicherweise bereits 1608 begann. 66 1617 fand diese jedoch unstrittig statt: Im 1617 Jahr / am Charfreytage / ist die Procession das erste Mal [sic!] […] gegangen. Dieser Umgang wird / seit derselben Zeit / am Charfreytage / jährlich gehalten / und von der Brüderschafft Redemtoris Mundi (deß Welt-Erlösers) […] bezahlt. Diesen Umgang anzusehen / sammeln sich etliche Meilen von der Stadt entfernte Leute / und geben alle Fremde / demselben das Lob / daß sie fast an keinem Ort eine so schöne / andächtige und lange Procession gesehn. Dieser Umgang geschicht bey der Nacht / mit unzehlichen Wind-Lichtern und Fackeln / und wird das gantze Leyden Christi dabey vorstellig gemacht / nebst verschiedenen Geschichten sowol aus dem Alten als Neuen Testament. Welches Alles / theils getragen theils geführt / theils aber gehend zu Fuß oder reitend zu Pferde / denen andächtigen Zuschauern gezeigt wird. Bey diesem Um-gange finden sich auch viel Disciplinanten / oder Flagellanten / so sich selbsten geisseln; auch viele / welche grosse Kreutze nachziehen; viel Eremiten / und dergleichen.67 Die einzige Quelle, die bisher von der Karfreitagsprozession von 1713 zeugt, ist deren vierseitige Perioche, also eine Art gedrucktes Pro-66 Vgl. Benedik 2006, 30f. 67 Valvasor 1689, Bd. 11, 695. 45 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen grammheft oder Ankündigungstext. 68 Die einzelnen ‚Figuren‘ der Aufführung werden darin paraphrasiert – wie bspw. die der Geißelung Jesu: Der schönste auß den Menschen Kindern entraubet der Kleider wird angebunden an die Saullen / dessen unschuldigster Leib von so vielen Tygger als Galgen-Diener mit wüttenden Geissel Streichen biß auff die Bein zerrissen. Matth. 27. V. 26. von denen gefligleten Himmels-Fürsten / als ein von vergifften Liebs-Pfeillen verwundtes Rach-Opffer der sündigen Seel gewiesen wird.69 Versucht man nun, die Škofjeloški pasijon mit dieser Perioche in Bezug zu setzen, kann man in der Letzteren auf der ‚Figurenebene‘ neun von insgesamt 13 Szenen aus P. Romualds Text eindeutig erkennen: Paradisus, Mors, Sudor Sanguineus, Flagelatio Christi, Coronatio, Ecce Homo, Christus in Cruce, Mater Septem Dolorum und Sepulchrum Domini. Nach der Erörterung von Koblars Thesen zu den indirekten Vorlagen zur Škofjeloški pasijon fällt eine abschließende Einschätzung nur schwer. Auf den ersten Blick und historisch gesehen lassen sich die Prozessionen, die Koblar in seinen beiden Aufsätzen nennt, durchaus auch als Modelle für P. Romualds Text deuten: Sie alle schließen Elemente (wie z.B. die Teilnahme der Büßer in der Wiener Mariä-Himmelfahrt-Prozession) oder ganze Szenen (z.B. bei den Salzburger Fronleichnams- und Karfreitagsprozessionen in der Regierungszeit von Markus Sittikus) ein, die man in solcher oder vergleichbarer Form auch in der Škofjeloški pasijon findet. Dennoch stellt sich dabei die Frage, um welche ‚Spuren‘ es sich eigentlich handelt, die laut Koblar zu den von ihm hervorgehobenen Umzügen führen. Oder konkreter: Warum hat Koblar gerade die Salzburger Kar-68 Zur ‚Perioche‘ vgl. Kapitel 1, Anm. 13. 69 Kurtzer Begriff deß bitteren Leyden und Sterben 1713, [3]. 46 2 Auf der Suche nach einer Vorlage: eine kritische Betrachtung freitagsprozession von 1712 und nicht irgendeine andere, ähnliche Prozession fokussiert, um jene als indirekte Vorlage des Textes von P. Romuald zu beschreiben? Da diese ‚Spuren‘ fehlen – wie im Übrigen schon in Mantuanis Ausführungen – scheint Koblars Auswahl willkürlich zu sein. Damit sind aber auch die Parallelen, die in unserem Vergleich der Prozessionen sichtbar wurden, nicht unbedingt aussagekräftig. 2.2.5 Doch eine Spur? Der Hauptmann von Škofja Loka und der Fürstbischof von Freising Wenn auch diskret, so wird dennoch auf eine ‚Spur‘ zu der – möglicherweise sogar direkten – Vorlage der Škofjeloški pasijon in Koblars Slovenska dramatika I. verwiesen: Za škofjeloško procesijo sicer še ne poznamo pismene predloge, vendar ni brez pomena, da je bil njen pobuditelj namestnik brižinskega škofa, ki je poznal po-dobne prireditve v svoji bavarski domovini.70 Eine schriftliche Vorlage zur Prozession von Škofja Loka ist uns zwar noch nicht bekannt, es ist jedoch nicht ohne Bedeutung, dass ein Stellvertreter des Bischofs von Freising, der ähnliche Veranstaltungen aus seiner bayerischen Heimat kannte, den Anstoß dazu gab. Beim ‚Stellvertreter des Bischofs von Freising‘ handelt es sich um Anton Eckher von Kapfing und Liechteneck (1685–1727), der zwischen 1713 und 172771 als Hauptmann72 der Herrschaft Bischoflack 70 Koblar 1972, 23. 71 Vgl. Blaznik 1973, 451. 72 Obwohl dieser Titel 1548 von Ferdinand, dem Erzherzog von Österreich, verboten wurde, hat er sich Mitte des 17. Jahrhunderts in der Herrschaft Bischoflack dennoch verfestigt. Vgl. ebd., 171; 255. 47 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen tätig war. Dort wurde er von seinem Onkel angestellt, 73 dem Freisinger Fürstbischof Johann Franz Eckher von Kapfing und Liechteneck (1649–1727). Doch kann man in Hauptmann Eckher tatsächlich den ‚Anstoßgeber‘ der Škofjeloški pasijon sehen? In seiner Behauptung stützt sich Koblar wahrscheinlich auf einen einseitigen chronikalischen Bericht, der im Kodex, der auch den Text von P. Romuald enthält, mit „Über die Karfreitagsprozession. Den künftigen Epochen zur Kenntnisnahme“ betitelt wird. Darin steht, dass „[a]d repetitam Jnstantiam, et enixas preces“74, „nach weiterem Beharren und sehnlichen Bitten“ von Eckher, dem Hauptmann der Herrschaft Bischoflack und Leiter der Bruderschaft corporis Christi, der Vorstand der Steierischen Kapuzinerprovinz75 in Graz beschloss, eine Karfreitagsprozession in Škofja Loka zu organisieren – die dann am 11. April 1721 stattgefunden hat. 76 Demnach ist Koblars Aussage zu Eckher als ‚Anstoßgeber‘ des Umzuges durchaus zuzustimmen. Was Koblar jedoch übersieht, ist ein bei flüchtiger Betrachtung eher unauffälliger zweiter Teil des eben zitierten Satzes. Darin heißt es, dass die Kapuziner die Sorge für die Aufführung der Prozession zwar übernehmen würden, „omni tamen Anno Statim post novum in Januario âb aliquo ex Confraterni-tate officiali Suppliciter exorandi“77, „allerdings so, dass [sie] darum jedes Jahr, gleich zu Beginn im Januar von einem offiziellen Vertreter der Bruderschaft demütig gebeten werden“. Wenn die Kapuziner 73 Vgl. Hubensteiner 1954, 60; 282f. France Štukl nennt ihn fälschlicherweise seinen Vetter. Vgl. ders. 1999, 106. 74 ŠP, 12. 75 Zur Steirischen Kapuzinerprovinz vgl. Lexicon Capuccinum 1951, Sp. 1647–1649. 76 Vgl. ŠP, 12. 77 Ebd. 48 2 Auf der Suche nach einer Vorlage: eine kritische Betrachtung von Eckher oder einem anderen Vertreter der Bruderschaft also nicht nur einmal, sondern Jahr für Jahr, d.h. üblicherweise gebeten wurden, eine Karfreitagsprozession zu veranstalten, liegt es nahe, in Eckhers inständigen Bitten, von denen in der Chronik berichtet wird, keine initiative Geste, sondern eine reine – und rhetorisch aufgeladene – Formalie zu sehen. 78 Was aber, wenn Eckher sich bereits 1713, also in seinem ersten Regierungsjahr, mit seinem Wunsch an die Kapuziner von Škofja Loka gewandt hat? In diesem Fall dürfte man – wenigstens mit Blick auf dieses eine Jahr – von einem wahren ersten Impuls reden und Koblars Wink, dass die Vorlage der Škofjeloški pasijon aus Eckhers bayerischer Heimat ins abgelegene Škofja Loka mitgebracht wurde, 79 wieder aufgreifen. In Freising unter dem Fürstbischof Johann Franz Eckher (1695–1727), das durch das „monastische Element“80 geprägt war, bestand wahrscheinlich eine Tradition der Karfreitagsprozessionen. 81 An der von 1711 bspw., die die dortigen Franziskaner organisierten, nahmen laut überlieferter Rechnungen nicht weniger als 254 Geißler teil. 82 Ob Anton Eckher diesem Umzug jedoch noch beiwohnte? 83 78 Vgl. Ogrin 2009a, 345. 79 Zu den Verkehrsverbindungen zwischen Freising und Škofja Loka vgl. Blaznik 1968. 80 Götz 1992, 46. 81 Vgl. Hubensteiner 1954, 202. 82 Vgl. ebd. 83 Eine weitere Annahme wäre z.B., dass das Wissen über die Freisinger Karfreitagsprozessionen durch die Abgesandten des Fürstbischofs nach Škofja Loka gelangte. Diese mussten alljährlich in die Herrschaft reisen, um dort die Rechnungen einzusammeln und sie nach Freising zu bringen. Vgl. Blaznik 1973, 261. 49 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen 2.3 Metod Benedik: die Karfreitagsprozession, Prag 1604 Während man Koblars letzten Hinweis lediglich spekulativ verfolgen kann, wurde zuletzt – seit Ende der 1990er-Jahre – mehrfach eine weitere, schon auf den ersten Blick deutlich greifbarere ‚Spur‘ zur Vorlage der Škofjeloški pasijon präsentiert. Sie stammt vom Theologen und einstigen Guardian84 des Kapuzinerklosters Škofja Loka P. Metod Benedik. 85 Ihm zufolge lässt sich „das unmittelbare Vorbild“ gar „aller [Karfreitags-]Prozessionen auf dem slowenischen Gebiet“86, die von den Kapuzinern aufgeführt wurden, in einer Prozession sehen, die 1604 von ihnen und der unter ihrer geistlichen Leitung gegründeten Bruderschaft des Leidens unseres Herrn Jesu Christi in Prag organisiert wurde. 87 Dabei beruft sich P. Metod auf ein Breve, mit dem Papst Paul V. (1552–1621) das Statut der Bruderschaft genehmigt hat. Darin kann man Folgendes über diese Prozession lesen: [D]ignatus est anno elapso millesimo sexcentesimo tertio infigere cordibus quorundam Nobilium, et aliarum Personarum hìc Pragæ in Aula Sacræ Cæsa-reæ Majestatis degentium, ardentes sui amoris stimulos, et acerbissimæ Passionis Filii sui, Redemptoris nostri, ex quo condolentes multis doloribus in ama-rissima passione perpessis, præcipuè verò in dira et crudeli ejus flagellatione, concluserunt die Veneris Sancto, vesperi devotam supplicationem instituere, et pro memoria prædictæ Passionis Domini nostri Jesu Christi usque ad san-guinem se flagellare. Ad cujus rei memoriam quidam inducti cappis de tela alba, more Disciplinantium, aliisque comitantibus accensis cereis longâ ves-te de tela nigra indutis, omnesque facie coopertâ transegerunt suum bonum, et sanctum desiderium. Iidem hoc anno millesimo sexcentesimo quarto magis in tali opere accensi, et inflammati, crescente numero primario Persona-84 Zum ‚Guardian‘ vgl. LThK, Bd. 4, Sp. 1087. 85 Vgl. Benedik 1999; ders. 2006; sowie ders. 2011. Die These zur Genese der Škofjeloški pasijon hat P. Metod bereits 1973 in seiner Dissertation dargelegt. Vgl. ders. 1973, 331f. 86 Ders. 2011, 74. 87 Vgl. ders. 2008, 169. 50 2 Auf der Suche nach einer Vorlage: eine kritische Betrachtung rum devotarum, et Deum timentium, necnon Dominorum præcipuorum prioris anni numerum, superantium, eandem Processionem publicè die Veneris Sancti vesperi singulari edificatione, et utriusque sexûs populi compunctione, qui magna frequentia ad hanc devotionem concurrerat, exhibuerunt. Ubi di-vinitus à Deo inspirati Sodalitatem Disciplinantium determinârunt fundare, quæ Confraternitatis, seu Sodalitatis Passionis nomine nuncuparetur. Quod, ut meliori modo, et ordine fieret, cogitaverunt hanc suam novam Sodalitatem Archi-Confraternitati Romanæ conjungere pro participandis gratiis, et indulgentiis concessis iis Confratribus à diversis Summis Pontificibus. Et pro feli-cioris salutis via unicè convenerunt, in hac Sodalitate Regulam Tertii Ordinis observare, et à S. Patre Francisco institutam, et à Nicolao IV. Pontifice anno secundo sui Pontificatus, et à Leone X. anno millesimo quingentesimo vigesi-mo primo multis gratiis, et indulgentiis confirmatam [. .].88 Im vorigen Jahr 1603 wurden durch [Gott] gnadenreich brennende Pfeile der Liebe zu Ihm sowie zum allzu bitteren Leiden Seines Sohnes, unseres Heilands, in die Herzen einiger Edelmänner und anderer Leute gesandt, die hier in Prag am Hof der Heiligen Kaiserlichen Majestät wohnen. Aus Mitleid mit den großen Schmerzen, die Er im bittersten Leiden, insbesondere während der furchtbaren und grausamen Geißlung durchstehen musste, haben sie beschlossen, am Karfreitag andächtige Buße zu tun und sich in Angedenken an das Leiden unseres Herrn Jesu Christ all bis aufs Blut zu geißeln. In Erinnerung an diese Begeben-heit sind einige, die nach dem Brauch der Disziplinanten Mäntel aus weißem Stoff trugen, gemeinsam mit anderen, die sie mit brennenden Kerzen und in langen Gewändern aus schwarzem Stoff begleiteten, wobei die Gesichter aller verdeckt waren, ihrem frommen und heiligen Vorhaben nachgekommen. Die-selben haben im heurigen Jahr 1604, noch glühender in jenem Bemühen, da die herausragende Zahl der frommen und gottesfürchtigen wie auch höchsten Herren, welche diejenige des letzten Jahres übertroffen hat, diese Prozession öffentlich am Abend des Karfreitags durchgeführt; in ihrem erbaulichen Wirken haben sie Reue beim Volk beiderlei Geschlechts, das zu dieser Andacht in großer Menge zusammenkam, erweckt. Der Eingebung Gottes folgend, beschlossen sie, eine Gemeinschaft der Disziplinanten zu gründen, die sich Bruderschaft oder Gesellschaft des Leidens Christi nennen sollte. Damit dies bestmöglich und ordentlich geschehen sollte, wollten sie ihre neue Gesellschaft der römischen Erzbruderschaft angliedern, um an den Gnadenerweisen und Ablässen teilzu-haben, die mehrere Päpste diesen Mitbrüdern zuwenden würden. Auf dem Weg zu einer erfolgreicheren Erlösung waren sie sich einig, in dieser Gesellschaft die Regel des Dritten Ordens zu befolgen, die vom hl. Franziskus89 eingeführt und von Papst Nikolaus IV. im zweiten Jahr seines Pontifikats sowie von Leo X. im Jahr 1521 mit vielen Gnadenerweisen und Ablässen bestätigt wurde […]. 88 „Statuta Confraternitatis“ 1746, 178. Vgl. hierzu Cuthbert 1928, 290. 89 Zum ‚Dritten Orden des hl. Franziskus‘ vgl. Iriarte 1984, 338–362. 51 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen In welcher Weise lässt sich nun diese Aufführung mit der Škofjeloški pasijon in Verbindung bringen? P. Metod stützt sich dabei auf einen Brief vom 21. Mai 1619, den der Bischof von Ljubljana Tomaž Hren (1560–1630) dem damaligen Generalminister des Kapuzinerordens90 P. Clemente da Noto (–1631) sandte. Darin ist vermerkt, dass die Karfreitagsprozessionen von Ljubljana – mit Hrens Zustimmung – vom Kapuzinerpater Fortunato da Verona (–1616) eingeführt wurden – und zwar in der Zeit, als dieser dem neu gegründeten Steirischen Kommissariat mit Sitz in Graz und damit auch den Kapuzinern von Ljubljana vorstand, 91 d.h. zwischen 1608 und 1613. 92 Laut P. Metod war P. Fortunato davor jedoch in Prag tätig, wo er unter anderem als Guardian des dortigen Kapuzinerklosters wirkte und den im päpstlichen Breve beschriebenen Karfreitagsumzug selbst kennen musste. 93 Es stehe somit „ohne Zweifel“94 fest, dass P. Fortunato sich bei der Einführung von Karfreitagsprozessionen in der Hauptstadt des Herzogtums Krain von der Prager Aufführung inspirieren ließ; 95 in Ljubljana habe man dieser nur noch ‚Figuren‘ über das Leiden und Sterben Jesu Christi beigefügt. 96 Ist die ‚Spur‘, die P. Metod entdeckt hat und die zur Vorlage der Škofjeloški pasijon führen sollte, plausibel? Seine These, dass es P. Fortu-90 ‚Generalminister‘ steht seit 1619 für den obersten Leiter, also den Generaloberen der Kapuziner. Vgl. LThK, Bd. 4, Sp. 447. 91 Zum ‚Kommissariat‘ vgl. LThK, Bd. 6, Sp. 212f. Zum Steirischen Kommissariat gehörten die Kapuzinerklöster aus Kärnten, Steiermark, Krain und der Gefürsteten Grafschaft Gorica. Vgl. Benedik 1994, 89; sowie Lexicon Capuccinum 1951, Sp. 1647. 92 Vgl. Benedik 1999, 16f.; sowie ders. 2008, 169. 93 Vgl. ebd., 169f. 94 Ders. 1999, 17. 95 Vgl. ebd. 96 Vgl. ders. 2011, 74. 52 2 Auf der Suche nach einer Vorlage: eine kritische Betrachtung nato war, der Anfang des 17. Jahrhunderts die Karfreitagsprozessionen von Ljubljana einführte, scheint durch die Angabe des Briefes von Bischof Hren belegt zu sein. Auch P. Metods Annahme, P. Fortunato müsse den Prager Karfreitagsumzug von 1604 gekannt haben, scheint im Hinblick auf seine Arbeit in dieser Stadt durchaus ein-leuchtend. Trotzdem drängen sich dabei mehrere Fragen auf, insbesondere die folgenden: In welcher Form kam das Wissen über die Prager Karfreitagsprozession nach Ljubljana: als Text, der später verloren ging, oder als mündliche Überlieferung? Wann genau und durch wen hat die Überlieferung stattgefunden? Wie sah der erste Karfreitagsumzug in Ljubljana überhaupt aus? 97 Welche ‚Figuren‘ beinhaltete er? Und nicht zuletzt: Wann, wie und in welcher Form sollte das Wissen über die Karfreitagsprozessionen von Ljubljana schließlich nach Škofja Loka gelangen? Solange Antworten auf diese konkreten Fragen fehlen, kann P. Metods ‚Spur‘ zur Vorlage der Škofjeloški pasijon nicht als vollständig belegbar betrachtet werden. Obwohl viel konkreter als die ‚Spuren‘ in den Untersuchungen von Mantuani und Koblar, bleibt sie letzt-endlich – hier gerade in ihrem bedeutendsten Teil – verwischt. Trotz der fehlenden Belege zu P. Metods These scheint deren kritische Be-leuchtung – wie zuvor die Überprüfung der Thesen von Mantuani und Koblar – jedoch nicht umsonst gewesen zu sein. Nicht nur, weil dadurch ein erster kulturhistorischer Einblick ins Prozessionswesen und vor allem in die Karfreitagsprozessionen des 16. bis 18. Jahrhunderts gegeben werden konnte. Die bisher besprochenen Aufführungen, die vom Kapuzinerorden organisiert wurden, deuten außerdem 97 Die älteste erhaltene Beschreibung der Karfreitagsprozessionen von Ljubljana bezieht sich bekanntlich erst auf das Jahr 1617. Vgl. oben S. 45. 53 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen darauf hin, dass in Europa ungefähr in diesem Zeitraum ein großes, durch die Kapuziner gesteuertes Netzwerk bestand, das sich im Sinne der neuen, im Jahr 2018 vom Literaturwissenschaftler Joachim Küpper vorgelegten Theorie der kulturellen Produktion98 begreifen lässt. Diese soll im Folgenden kurz erörtert werden. 98 Vgl. Küpper 2018. 54 2 Auf der Suche nach einer Vorlage: eine kritische Betrachtung 55 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen 56 2 Auf der Suche nach einer Vorlage: eine kritische Betrachtung 3 The cultural net: Joachim Küppers Theorie der kulturel en Produktion Im Vordergrund von Küppers eingehenden Ausführungen steht die Metapher des ‚cultural net‘. 1 Während ‚kulturell‘ hier im weitesten, d.h. auch etymologischen Sinne aufzufassen sei, 2 wird der Begriff ‚Netz‘ kurz und bündig folgendermaßen gesetzt: A network is a non-hierarchical structure without a center.3 In der Kultursphäre entstehe entsprechend kein Netz spontan oder in einem außermenschlichen, evolutionären Prozess; vielmehr würden Netze hier von Menschen, d.h. in jeweils bewusster Absicht, hervor-gebracht. 4 Solche kulturellen Netze, die an sich eine anthropologische Konstante darstellten, 5 seien niemals komplett oder von ewiger Dauer: Sie unterliegen dem menschlichen Willen und können schon aufgrund 1 Vgl. Küpper 2018. 2 Ebd., 8, Anm. 13: „The term is meant in its etymological sense (from Latin colere), that is, as referring to any activities – not only artistic ones – by which humans produce items that do not exist in the natural world.“ 3 Ebd., 8. 4 Vgl. ebd., 8; 12. 5 Vgl. ebd., 7, Anm. 12. 57 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen dessen erweitert, begrenzt oder vorläufig unterbrochen werden. 6 Falls die anfänglichen Absichten unerfüllt bleiben, könne ein kulturelles Netz von denen, die es hervorgerufen haben, wieder aufgelöst werden. 7 Das Hauptziel all jener Netzstrukturen ist Küpper zufolge „the enabling of processes of transfer of a material that would remain in-ert without the existence of such structures“8. Jenes ‚Material‘, das in einem kulturellen Netz transportiert werde, sei Kultur, der Küpper eine komplexe, ja eine „double nature“ zuschreibt: Culture […] exists in two different registers bound to each other: as material forms, and as conscious concepts which inform the respective forms or can be extrapolated from them. […] Cultural networks primarily contribute to transferring the conceptual forms underlying the actual artifacts. The material forms may ‚travel‘ as well (paintings, statues, books) […].9 6 Vgl. ebd., 8; 12. 7 Ebd., 8. 8 Ebd. 9 Ebd., 10f. Im Hinblick auf ganze, endliche Artefakte wie Bilder, Statuen und Bücher spricht Küpper von mehreren Ebenen oder Bahnen, auf denen das kulturelle Material sich bewegt oder (frei) flottiert: „‚Below‘ this level, components of texts (motifs, personages, particularly well-conceived formulations [ dicta]) may be items integrated into the floating process. ‚Above‘ this level, cultural material may float as formal concepts, partly rhetorical, partly generic, whose components – that is, specific tropes and topoi, or the range of procédés ascribed to the genre of tragedy in Aristotle’s Poetics, e.g., peripety or anagnorisis – may likewise float on their own. On an even higher level of abstraction, one may identify the floating of world-modeling concepts linked to certain texts or genres, such as, in the case just mentioned, the ‚tragic vision‘ of life as doomed to (unredeemable) failure, which may be expressed by texts whose formal shaping differs from Aristotle’s definition of the genre of tragedy – one may think of certain pieces by Samuel Beckett – but also from the genre as such – one might think of Baudelaire’s famous poem A une passante (1855/1857). Finally – and this may be the most abstract level of culturally relevant material floating in the net – it may be enabling structures which float and are thus transferred from one cultural community to another. These are institutions that favor the production of concrete cultural material, but are not linked to any specific variant of such material. They serve as incubators for creative processes. As to culture sensu lato, one could point to schools, universities, and academies.“ Küpper 2018, 36f. Vgl. ebd., 13. 58 3 The cultural net: Joachim Küppers Theorie der kulturellen Produktion Um das ‚Reisen‘ von materiellen wie konzeptionellen Formen, kurz: von kulturellen Gegenständen zu ermöglichen, braucht es laut Küpper ein „material substratum“10: In der frühen Neuzeit, auf die sich Küppers Studie konzentriert, bestand dieses am häufigsten aus um-herziehenden Menschen wie etwa Händlern, Kriegern, Höflingen oder Diplomaten, künftigen Ehegattinnen, religiösen Amtsperso-nen, Akademikern und Künstlern. 11 Kultureller Transfer, den solche „agents“12, ja „‚transporters‘“13 betrieben, konnte dabei bewusst (z.B. bei Missionaren, Schauspielern und Künstlern) oder unbe-wusst (z.B. bei Händlern und Kriegern) erfolgen:14 Als bewusste Aktivität sei er immer an ideologische Konstellationen gebunden gewesen. 15 Gerade in diesem – ideologischen – Rahmen stellt Küpper nun mehrmals die „most important“16 und „most powerful transnational cultural agency“17 in der frühen Neuzeit heraus: die römisch-katholische Kirche. 18 Der kulturelle Transfer, den sie damals ausübte, sei im Unterschied zu anderen agencies kein „‚by-product‘“19, kein „parasitic phenomenon“20, sondern ihre „primary task“21 gewesen. 10 Ebd., 11. 11 Vgl. ebd. 12 Ebd., 115. 13 Ebd., 35. 14 Vgl. ebd., 115. 15 Vgl. ebd., 117. 16 Ebd., 118. 17 Ebd., 119. 18 Zu anderen transnationalen kulturellen agencies aus dieser Zeitperiode zählen laut Küpper u.a. der europäische höhere Adel sowie die damaligen Gelehrten. Vgl. ebd., 125f. 19 Ebd., 52, Anm. 125. 20 Ebd., 8. 21 Ebd., 118. 59 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen Dies lässt sich, so Küpper, mit dem spezifischen Anspruch dieser Kirche begreifen: Its dogma is universalistic; the Church considers as its mission to proselytize all humans, regardless of their language or ethnicity. […] The more it became institutionalized, the more the Church systematically exported its cultural material from its main seat, Rome, not only to all European countries, but also, after the European conquest of other parts of the world, to almost any kind of ‚national culture‘.22 Der Inhalt eines solchen ‚kulturellen Exports‘23 vonseiten der Kirche war Küpper zufolge „carefully chosen and determin[ed]“24. Dessen Umlauf im kulturellen Netz erfolgte dabei hauptsächlich durch zwei „agencies of transculturation“25, durch zwei kirchliche Orden: durch den der Minderen Brüder Kapuziner und durch die Gesellschaft Jesu, also durch die Jesuiten. 26 Was kann das nun für unsere bisherigen Darlegungen bedeuten? 22 Ebd., 118. Vgl. ebd., 216. Das Christentum sei historisch überhaupt die erste Religion mit einem solchen Anspruch gewesen. Vgl. ebd., 116; 235. 23 Vgl. ebd., 216. 24 Ebd., 119. Vgl. ebd., 216. 25 Ebd., 117. 26 Vgl. ebd., 119f. Die menschlichen Agenten in diesem Zusammenhang waren laut Küpper darüber hinaus auch „such dignitaries as bishops and archbishops, people whose self-description was not primarily focused on national or ethnic belonging, but rather on the self-chosen role of minister (that is, servant) of a God who, according to their belief, had created all of humankind and then redeemed it by way of an act of self-sacrifice“ (ebd., 119). 60 2 Auf der Suche nach einer Vorlage: eine kritische Betrachtung 61 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen 62 2 Auf der Suche nach einer Vorlage: eine kritische Betrachtung 4 Große transnationale kulturel e Netzwerke: der Orden der Minderen Brüder Kapuziner und die Gesel schaft Jesu Mit Joachim Küppers Ausführungen zum kulturel en Netz und zur rö- misch-katholischen Kirche in der frühen Neuzeit scheint unsere Annahme über den Bestand eines großen europäischen Kapuziner-Netzwerks vom 16. bis 18. Jahrhundert bekräftigt. Zugleich könnte man daher davon ausgehen, dass eine solche Struktur auch bei den Jesuiten in jenem Zeitraum existierte. Wie zuvor dargelegt, konnten laut Küpper die beiden kirchlichen Orden ideologisch an den Universalismus anknüpfen, der seit Entstehung des Christentums gegeben und seit dessen Entwicklung zum offiziel en Kult des römischen Reichs im 4. Jahrhundert gefestigt worden war. 1 Indem sie in erster Linie jedoch als „ die Orden der katholischen Erneuerung“2 gelten, sollte man bei der Betrachtung ihrer Tätigkeiten mindestens gleichermaßen eine viel jüngere, spezifisch frühneuzeitliche Ideologie mit bedenken, nämlich die der Gegenreformation und des dazugehörigen historisch-politischen Prozesses. Wie konnten nun gerade die Kapuziner und die Jesuiten zu ihren Hauptvertretern avancieren? Um dieser Frage nachzugehen, soll zu-nächst die Entstehungsgeschichte beider Orden nachgezeichnet werden. 1 Vgl. Küpper 2018, 116; 118; 235. 2 Hsia 1998, 37, Herv. J.D. 63 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen 4.1 Die Kapuziner Die Geschichte der Kapuziner ist zugleich die Geschichte der franziskanischen Orden. 3 Sie setzt mit Matteo da Bascio (ca. 1495–1552) ein, der bis 1525 den sogenannten Observanten (heute: den ‚Franziskanern‘4) angehörte. Im ursprünglichen, um 1210 von Franziskus von Assisi (1181 oder 1182–1226) gegründeten Orden stellten diese seit Mitte des 14. Jahrhunderts eine Reformbewegung dar, die im Laufe der Zeit immer größer wurde, bis sie sich 1517, durch die von Papst Leo X. (1475–1521) erlassene Bulle Ite et vos von der nun kleineren, seitdem als ‚Konventualen‘ (heute auch: ‚Minoriten‘5) genannten franziskanischen Gruppe trennen ließ. Anlass dafür war der Wunsch der Observanten, zu einer strengeren Beobachtung (lat. ‚observantia‘; dt. ‚Observanz‘) der Franziskus-Regel6 und damit zum „Leben in Gehorsam, ohne Eigentum und in Keuschheit“7 zurückzukehren. Ironischerweise verließ P. Matteo nur einige Jahre nach der Tren-nung der Observanten von den Konventualen aus demselben Grund sein Kloster in Montefalcone in den italienischen Marken. Sein Ent-3 Streng genommen sollte man nicht von den Orden, sondern von mehreren Ordenszweigen des sogenannten Ersten Ordens des hl. Franziskus reden. Vgl. Iriarte 1984. 4 Ordenskürzel: OFM (lat. ‚ordo fratrum minorum‘; dt. ‚Orden der Minderen Brüder‘). 5 Ordenskürzel: OFMConv oder OMinConv (lat. ‚ordo fratrum minorum conventualium‘; dt. ‚Orden der Minderen Brüder Konventualen‘). 6 Die Ordensregel, die 1223 durch die Bulle Solet annuere von Papst Honorius III. (ca. 1150–1227) bestätigt wurde, bildet noch heute die geistige Grundlage für das Leben der franziskanischen Orden. Das Original dieses Schreibens wird im Sacro Convento, dem Mutterkloster der Minoriten in Assisi, als kostbare Reliquie aufbewahrt. Vgl. Franziskus 2009. 7 Ebd., 94. 64 4 Große transnationale kulturelle Netzwerke: der Orden der Minderen Brüder Kapuziner und die Gesellschaft Jesu schluss, fortan ein Eremitenleben zu führen, spiegelt sich bildhaft in der folgenden Anekdote: The brethren of Monfalcone had attended a funeral at some distance from the friary. They were returning home, Matteo following in the rear, when they came across a beggar lying by the wayside, starved with the cold and almost na-ked. The friars pressing on ahead, anxious for their mid-day meal, passed by the beggar unheeding; but Matteo coming up, stopped, knelt by the beggar with comforting words, and taking off his cloak, wrapped the beggar in it. Then only he had attended to the starved beggar, did Matteo follow the brethren. Arrived at the friary, the comfort of the mid-day meal smote the heart of Matteo as he thought of the beggar. Here was he, a professed follower of most high poverty, with a house to shelter him and a good meal to sustain him and warm clothing to protect him against the cold, whilst outside the friary were others ill-clad and starving and without a roof to shelter them. Could he rightly call himself the poorest of the poor as St. Francis, according to the legend, had himself wished to be and as he said his friars ought to be? Was most high poverty observed in the friary or outside it? Surely, it seemed to him, the starved beggar by the wayside had the greater right to call himself a follower of the poverty St. Francis loved. In his distress Matteo betook himself to prayer, praying for light and guidance in the trouble in which he found himself. He was thus praying when within his spirit he heard a voice which thrice bade him „observe the Rule to the letter“. It was an answer to his prayer: he was no longer perplexed; for him at least the way was clear; his duty was to observe the Rule he had vowed as St. Francis wished it to be observed „to the letter“ and without gloss, that is without moderating interpretations.8 Die ‚buchstäbliche‘ Beobachtung der Regel war jedoch nicht die einzige Änderung, die P. Matteo in sein neues Leben übernahm. Etwa zur selben Zeit soll er seinen alten Habit abgelegt und diesen mit einem solchen, den angeblich der hl. Franziskus getragen hatte, ersetzt haben: About this time Matteo was one day talking with an old friar about the Rule and how it was observed in the days of St. Francis, when the old friar told him that even the habit he wore was not as the habit worn by the Saint and his first followers. The primitive habit, he was told, was of coarser texture than that 8 Cuthbert 1928, 20. P. Cuthbert stützt sich dabei auf weitere chronikalische Quellen. Vgl. ebd., Anm. 3. 65 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen now in use: moreover, it was shaped differently, the hood being four-cornered, not round, and sewn to the gown. Matteo was now in that state of mind which pleads for some outward witness of an inward loyalty. He therefore sought out a coarse gown and made himself a hood of the shape described and sewed it to the gown: and this he put in place of the habit he had hitherto worn […].9 Nach seinem Austritt, oder besser: nach seiner Flucht aus dem Orden der Observanz folgten bald weitere Mitglieder seinem Beispiel. 10 Doch während P. Matteo sein urfranziskanisches Armutsideal eher als Wanderprediger11 verwirklichen wollte, wünschten sich andere, vor allem die Brüder Ludovico (ca. 1490–ca. 1560) und Raffaele Tenaglia da Fossombrone, eine ganz neue, kollektive Ordensgemeinschaft zu gründen. Durch die Vermittlung von Caterina Cibo (1501– 1557), der Herzogin von Camerino und Nichte von Papst Clemens VII. (1478–1534), 12 stellte dieser am 3. Juli 1528 die Bulle Religionis zelus aus, die heute als Gründungsdokument der Kapuziner gilt. Darin werden ihre Rechte in sieben Punkten aufgezählt: […] Wir [gewähren] euch […] mit diesem diesem Schreiben kraft apostolischer Autorität: (1) ein eremitisches Leben nach der genannten Regel zu führen, (2) den Habit mit quadratischer Kapuze zu tragen, (3) in eure Gemeinschaft einen jeden aufzunehmen, sei er Weltkleriker, Priester oder Laie, (4) den Bart zu tragen, (5) euch mit der Zustimmung der jeweiligen Eigentümer in belie-bige Einsiedeleien oder Orte zurückzuziehen und in ihnen zu wohnen, (6) ein strenges eremitisches Leben zu führen und (7) überall betteln zu dürfen. Zudem gewähren Wir euch die Erlaubnis sowie die freie und volle Berechtigung, aeque principaliter, frei und erlaubterweise, alle und die einzelnen Privilegien, 9 Ebd., 21. 10 Klosterflüchtlinge galten als Apostaten und wurden deshalb vonseiten der Observanz streng verfolgt. Vgl. „Cingoli schützt Klosterflüchtlinge“ 2003; sowie Giustiniani 2003. 11 Vgl. Bascio 2003. 12 Die Herzogin von Camerino war zugleich Enkelin von Lorenzo de’ Medici (1449–1492) und stark eingebunden in das Geschehen am Hof der Medici. 1533 begleitete sie bspw. ihre Cousine Caterina de’ Medici (1519–1589) nach Frankreich, wo diese vom Thronprinzen (und künftigen König) Henri II. (1519–1559) geheiratet wurde. 66 4 Große transnationale kulturelle Netzwerke: der Orden der Minderen Brüder Kapuziner und die Gesellschaft Jesu Indulte und Gunsterweise zu gebrauchen, zu besitzen und zu genießen, die bis heute gewährt worden oder künftig ausgestellt werden, sei es allgemein oder speziell, für den Orden der Minderbrüder und für die Einsiedelei der Kamaldulenser des seligen Romualds sowie seine Eremiten, in derselben Weise, wie diese sie gebrauchen, besitzen und nutzen oder in Zukunft nutzen werden.13 Obwohl die Brüder damit praktisch selbstständig wurden, unterstan-den sie laut der Bulle rechtlich den Konventualen. 14 Einen ersten Einblick in die Gestaltung des neuen Ordens bieten die sogenannten Verordnungen von Albacina. Damit sind Satzungen gemeint, die im April 1529 auf dem ersten Generalkapitel15 der Kapuziner erlassen wurden. Die Versammlung fand in einer verlassenen Einsiedelei auf dem Monte San Vicino, einen steilen Weg von dem im Tal gelegenen Ort Albacina entfernt, statt. Von den Verordnungen ist nur eine spätere, durch Mattia Bellintani da Salò (1535–1611) ver-mittelte Fassung mit insgesamt 67 Artikeln erhalten geblieben. Diese sollten vor allem das alltägliche Leben der Brüder regeln wie z.B.: Nr. 7 Wir ordnen auch an: Die Brüder sollen die Disziplin […] jeweils nach der Matutin machen, ausgenommen an sehr kalten Orten; dort kann man sie im Winter bereits am Abend machen.16 Nr. 39 Wir ordnen auch an: Die Brüder sollen keine Rasiermesser haben. Nur für besondere Notfälle und zum Blutablassen bei den Kranken dürfen sie je eines in 13 Clemens VII. 2003, 132. 14 Seine völlige Unabhängigkeit erlang der Orden erst 91 Jahre später: Durch das Breve Alias felicis recordationis, das Papst Paul V. am 28. Januar 1619 erließ, durften die Kapuziner ihren eigenen Generalminister wählen, der rechtlich den Generalministern der Konventualen und Observanten gleichgestellt war. Damit wurden die Kapuziner endgültig zum dritten selbstständigen franziskanischen Orden. Vgl. Paul V. 2003. 15 Zum ‚Generalkapitel‘ vgl. LThK, Bd. 4, Sp. 447. 16 „Albacina 1529“ 2003, 151. 67 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen jeder Niederlassung haben. Alle zwanzig Tage sollen sie sich mit der Schere die Tonsur schneiden.17 Nr. 41 Wir ordnen auch an: Was Sachwalter und Verwalter angeht, damit wollen wir uns überhaupt nicht befassen. Denn Folgendes soll ohne jede Verletzung ein-gehalten werden: Unser einziger Sachwalter und Verwalter sei der gebenedeite Christus, unsere Fürsprecherin und Schutzherrin sei die Gottesmutter, unser Stellvertreter sei unser hl. Vater Franziskus. Ohne jede Einschränkung soll gelten, dass wir nicht unter der Protektion und Obsorge anderer stehen wollen.18 Nr. 50 Wir ordnen auch an: Außerhalb des Kapitels sollen die Brüder keine Niederlassungen annehmen, es sei denn, jemand habe dazu eine besondere Vollmacht und Erlaubnis des Generalvikars19 erhalten. Alle Niederlassungen sollen außerhalb der Städte liegen, eine Meile oder etwas weniger entfernt. Besagte Niederlassungen, die die Brüder annehmen oder selbst aufbauen, sollen dann stets unter dem Eigentumsrecht der Gönner oder der Städte bleiben. Niederlassungen sollen jeweils nur unter diesem Vorbehalt angenommen werden, damit die Brüder immer frei weggehen können, wenn sich daselbst ein Hindernis für unsere Lebensweise einstellt. Und sollte es den Eigentümern nicht mehr gefallen, dass die Brüder in jener Niederlassung wohnen, müssen die Brüder ohne jeden Widerspruch wegziehen und an einen anderen Ort gehen, um mit dem Segen des Herrn Buße zu tun, wohin sie von ihren Oberen versetzt werden.20 Nr. 60 Wir ordnen auch an: Keiner unserer Brüder soll ohne die schriftliche Erlaubnis […] von Ort zu Ort, von Provinz zu Provinz reisen. Er soll auch immer einen Reisegefährten haben, wenn es sich leicht machen lässt.21 Auf dem Generalkapitel wurde darüber hinaus Matteo da Bascio zum ersten Generalvikar des Ordens gewählt; er soll allerdings schon nach 17 Ebd., 162. 18 Ebd., 163. 19 So wurde bis 1619 der Generalobere der Kapuziner bezeichnet. Vgl. Iriarte 1984, 181. Zum ‚Generaloberen‘ vgl. LThK, Bd. 4, Sp. 447. 20 „Albacina 1529“ 2003, 166. 21 Ebd., 169. 68 4 Große transnationale kulturelle Netzwerke: der Orden der Minderen Brüder Kapuziner und die Gesellschaft Jesu zwei Monaten zurückgetreten sein und dessen Amt an Ludovico Tenaglia da Fossombrone abgegeben haben. Nach dem Erlass der Verordnungen von Albacina begann die neue franziskanische Ordensgemeinschaft, sich rasch zu verbreiten: Bestand sie in den Monaten nach der päpstlichen Zulassung aus ca. 30 Mitgliedern, zählte sie 1536 bereits um 700 Brüder, die in ungefähr 60 Niederlassungen, verteilt über ganz Italien, lebten. Etwa in dieser Zeit soll auch ihr heutiger Name entstanden sein: It was the people who gave them the name by which they were to be known in history. For when the friars first appeared in the streets of Camerino, clothed in their coarse habits and wearing the beard, the children of the city at once connected them with the wandering hermits and so greeted them, exclaiming: „Scapuccini! Scapuccini!“ – „Hermits! Hermits!“ and before long the people generally came to refer to the friars as „Frati Scapuccini“. After a while even the Roman writers adopted the popular nickname, softening it to Cappucci- ni; though not without an attempt to enforce the appellation of Capuciati, the designation already in use amongst the friars who wore the larger hood.22 Offiziell wurde das Wort ‚capucini‘ (‚Kapuziner‘23) in einem vom 12. Januar 1535 datierten Breve von Papst Paul III. (1468–1549) zum ersten Mal gebraucht. Trotz wachsender Beliebtheit verlief die Entwicklung des Kapuzinerordens in seinen ersten Jahren nicht ohne Schwierigkeiten: Hinsichtlich seiner Durchsetzung im franziskanischen Ordenswesen und innerhalb der römisch-katholischen Kirche galt es für ihn, manche Hindernisse – von außen wie von innen – zu überwin-den. Die meisten Mitglieder, die dem Orden beigetreten sind, waren 22 Cuthbert 1928, 56. 23 Ordenskürzel: OFMCap (lat. ‚ordo fratrum minorum capucinorum’; dt. ‚Orden der Minderen Brüder Kapuziner‘). 69 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen (ehemalige) Observanten. Es lässt sich insofern nachvollziehen, dass ihre jeweiligen Oberen versucht haben, die Austritte ihrer eigenen Brüder zu verhindern. Während die Observanz die ersten Abtrün-nigen – wie z.B. Matteo da Bascio – noch als Apostaten behandeln und sogar mit Waffengewalt verfolgen konnte, 24 versuchte sie nach 1528 vor allem, Überläufe aufzuhalten und eine Wiedervereinigung der Observanten und Kapuziner, genauer: die Rückkehr der Letzteren unter die Gerichtsbarkeit ihres Stammordens zu erreichen. In den folgenden Jahren ist auf der einen Seite auf Druck der Observanz eine Reihe von päpstlichen Schreiben entstanden, die den Kapuzinern verbot, Observanten zu sich aufzunehmen. 25 Auf der anderen Seite wurden dank des persönlichen Einsatzes von Anhän-gern der Kapuziner stets neue, den neuen Orden fördernde Dekrete veröffentlicht. In diesem Zusammenhang liegt es nahe, die Rolle von Vittoria Colonna (1492–1547), der Markgräfin von Pescara, zu beleuchten. Die Dichterin, die einen großen Einfluss nicht nur in künstlerischen Kreisen, sondern auch auf die Politik besaß, 26 setzte sich Mitte der 1530er- bis Anfang der 1540er-Jahre stark für den Verbleib und die weitere Ausdehnung des Kapuzinerordens ein. Aus einem Brief, den sie im Frühling oder Frühsommer 1536 ihrem Freund Kardinal Gas-24 Vgl. oben Anm. 10. 25 Im Pontifikat Paul III. wurden bspw. gleich fünf solcher Breven verabschiedet: Accepimus quod (18. Dezember 1534), Nuper accepto (12. Januar 1535), Pastoralis officii cura (14. August 1535), Dudum postquam (16. August 1535) und Regimini universalis Ecclesiae (4. Januar 1537). 26 Zu ihrem Bekanntenkreis gehörten zahlreiche italienische Herzöge, Diplomaten (z.B. Baldassare Castiglione [1478–1529]), Bischöfe (z.B. Gian Matteo Giberti [1495–1543], Bischof von Verona), Kardinäle (z.B. Giovanni Morone [1509–1580], der spätere Präsident des Konzils von Trient), Päpste (z.B. Paul III.) sowie Karl V. (1500–1558), Kaiser des Heiligen Römischen Reiches. 70 4 Große transnationale kulturelle Netzwerke: der Orden der Minderen Brüder Kapuziner und die Gesellschaft Jesu paro Contarini (1483–1542) zukommen ließ, 27 lässt sich ihre große Bewunderung für die Kapuziner ersehen: Im Zustand, in dem sie sich gegenwärtig befinden, erkennt man den großen Nutzen, den sie bringen, und wie sehr sie wachsen an Zahl und Vollkommen-heit. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Eure hochwürdigsten Herrschaften nicht davor zurückschrecken, ihre Lebensform auch nur in geringfügigen Klei-nigkeiten abändern zu wollen. Sie verlangen nicht nach Macht und Größe und sie wollen nicht reich sein. Allein aus Liebe zu den Wundmalen Christi und zu den Stigmen ihres Vaters bitten sie darum, in der friedvollen Ruhe Gottes und in der wahrhaften Beobachtung ihrer Regel belassen zu werden.28 Im Hinblick auf den Streit zwischen dem Kapuzinerorden und der Observanz sowie angesichts des zu jener Zeit bestehenden Verbots, aus den Reihen der Observanten zu den Kapuzinern überzutreten, wandte sich Colonna jedoch bereits einige Monate zuvor mit einem Schreiben an Paul III.: Ach, mit wie großer Sicherheit könnte ich doch aufzeigen, dass diese Bekämpfung nicht dem Willen des Ordens der Observanz entspricht. Wie viele Klöster geben zu verstehen, dass sie auf ihrer Seite [der Kapuziner] stehen und be-dauern, nicht bei ihnen zu sein. Im Gegenteil, aus dem Verbieten entsteht ein endloser Skandal. Man möge während eines Jahres die Türe offenlassen, wie man so viele Male das Gegenteil versucht hat, und dann wird man sehen, dass aus dem Guten niemals ein Skandal entsteht. Im Gegenteil, daraus wird vielmehr eine wahre Reform entstehen in der einen [bei den Observanten] und eine hervorragende Bekräftigung bei der andern [der Kapuzinerreform], und man wird dann mit mehr Klarheit davon reden.29 Die Bemühungen der Markgräfin, die „kleinen Armen“30 zu stärken, waren nicht vergebens: Am 25. August desselben Jahres gab der Papst 27 Contarini saß in dieser Zeit in einer von Paul III. einberufenen Kardinalskommission, die dem Wunsch der Observanten, sich die Kapuziner rechtlich unterordnen zu dürfen, nachgehen sollte. 28 Colonna 2003, 42. 29 Dies. 2003a, 54. 30 Dies. 2003, 45. 71 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen die Bulle Exponi nobis heraus, mit der den Observanten die Jurisdik-tion über die Kapuziner endgültig verwehrt wurde. Wie schon angedeutet, war der Kapuzinerorden in seinen Anfangs-jahren auch nicht frei von internen Problemen. In dieser Periode lassen sich insbesondere zwei Vorfälle ausweisen, die die Ordensgemeinschaft beinahe um ihre Existenz gebracht hätten: zum einen ein Streit, der sich im Rahmen ihres zweiten Generalkapitels ent-flammte; sowie zum anderen der plötzliche, für die meisten Brüder unerwartete Abfall des vierten Generalvikars, Bernardino da Siena (ca. 1487–1564), von seinem Orden. Worum ging es bei diesen Ge-schehnissen? Im November 1535 wurde das zweite Generalkapitel der Kapuziner einberufen. Sechseinhalb Jahre nach dem ersten, fand es dieses Mal nicht mehr abgelegen in den Bergen statt, sondern mitten in Rom, in einer Niederlassung des Ordens auf dem Esquilin. Auf der Versammlung wurde u.a. beschlossen, die Ordensgemeinschaft verwaltungs-technisch in neun Ordensprovinzen aufzuteilen: Kalabrien, Marken, Neapel, Mailand, Rom, Venedig, Umbrien, Sizilien und Toskana. Au- ßerdem wurden die ersten Satzungen des Ordens, die Verordnungen von Albacina, stark modifiziert. 31 Daraus entstand ein Dokument, in dem die ursprünglichen Artikel – nunmehr inhaltlich präzisiert und stilistisch nachbearbeitet – zum größten Teil erhalten blieben. Allerdings wurden die vorigen Verordnungen durch neue Akzente erweitert, mit denen der Gesamtcharakter des Kapuzinerordens plötzlich in einem neuen Licht erschien. Wurden die Kapuziner seit 1528 grundsätzlich als Eremitenorden betrachtet, so verlangte man von ihnen nun darüber hinaus einen starken seelsorgerischen Einsatz. 31 Zu den Konstitutionen von Rom vgl. Schmucki (Hg.) 2016. 72 4 Große transnationale kulturelle Netzwerke: der Orden der Minderen Brüder Kapuziner und die Gesellschaft Jesu Dies verdeutlichen die Artikel 85 und 89 der neuen, Römischen Konstitutionen. Sie verpflichten alle Ordensmitglieder, bei Hungersnot für Arme betteln zu gehen oder im Falle eines Ausbruchs der Pest Kranke zu pflegen: Um in Zeiten der Not den Bedürfnissen der Armen nachzukommen, ordnen wir zudem an, dass nach dem Beispiel unseres heiligen Vaters, der mit den Armen großes Mitleid hatte, die Brüder Almosen sammeln lassen von denen, die damit von ihren Oberen beauftragt sind. Wenn man ihm [Franziskus] etwas aus Liebe zu Gott übergeben hatte, so wollte er es nur annehmen mit der Zusicherung, dass er es den Armen geben dürfe, falls er einen fände, der noch ärmer war als er. Wie man nachlesen kann, hat er sich oftmals der eigenen Kleider entledigt und sie den Armen gegeben, weil er nicht ohne das hochzeitliche Gewand der evangelischen Liebe bleiben wollte und ihn der heftige Antrieb göttliche Liebe so ergriffen hatte, dass er sich entkleidete.32 Für diejenigen, die ihre Liebe nicht auf dieser Erde festmachen, ist es eine süße, gerechte und geschuldete Sache zu sterben für den, der für uns am Kreuz gestorben ist. So ordnen wir an, dass zur Zeit der Pest die Brüder den Kranken nach den Anweisungen der [Provinz]vikare zu Diensten stehen; wie in ähnlichen Situationen werden sich diese darum bemühen, die gegebene Lage mit dem Blick kluger Liebe zu beurteilen.33 Nun sorgte eben dieses – seelsorgerische – Moment für eine heftige Kontroverse auf dem zweiten Generalkapitel. Während die meisten Kapitulare befürworteten, den Orden fortan für pastorales Wirken zu öffnen, forderte Ludovico Tenaglia da Fossombrone, dass seine Mitbrüder beim bisherigen, eher zurückgezogenen Einsiedlerleben bleiben sollten. Nachdem er in der Folge abgewählt und durch den neuen Generalvikar Bernardino d’Asti (1484–1554) ersetzt wurde, verweigerte er diesem seine Obedienz. In den Monaten darauf erwirkte P. Ludovico beim Papst, dass die Wahl aus formellen Gründen für ungültig erklärt und deshalb 32 „Konstitutionen 1536“ 2003, 189f. 33 Ebd., 190. 73 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen ein neues Generalkapitel angesetzt wurde. Gleichzeitig verbündete er sich mit der Leitung der Observanz und versuchte, deren Plan, nach dem die Kapuziner zu ihrem Stammorden zurückkehren mussten, hinter den Kulissen mit auszuführen. 34 Mit der oben erwähnten, Ende August 1536 erlassenen Bulle Exponi nobis sowie auf dem neuerlich einberufenen Generalkapitel, das im September wieder in Rom stattfand, erwiesen sich seine Manöver jedoch als wertlos: Die aufgearbeiteten Satzungen wurden bestätigt35 und P. Bernardino als Generalvikar wurde wiedergewählt. Knapp drei Wochen nach der Versammlung schloss der Papst P. Ludovico wegen dessen Ungehorsams aus seiner Ordensgemeinschaft aus. Im Mittelpunkt des anderen Vorfalls, der die Zukunft des neuen Ordens bedrohte, stand, wie erwähnt, Bernardino da Siena, genannt Ochino36. Nachdem er 1534 aus der Observanz zu den Kapuzinern übergetreten war, erwarb er sich Mitte der 1530er-Jahre in den italienischen Städten als Prediger, als „the Savonarola [1452–1498] of his generation“37, einen hervorragenden Ruf. Wo immer er auftrat, hatte er großen Zulauf. Ein Zeuge, der ihn 1536 in Neapel erlebte, berichtet, Ochino predige „ con ispirito e devozione grande che facea pia-gnere le pietre“38. Auf dem dritten Generalkapitel der Kapuziner, das 1538 in Flo-renz stattfand, wurde Ochino zum neuen Generalvikar gewählt. In 34 In diese Zeit fallen auch beide oben zitierten Briefe, die Vittoria Colonna an Contarini und Paul III. sandte. 35 Die römischen Konstitutionen wurden 1537 veröffentlicht. In den folgenden vier Jahrhunderten haben sie ihre Rechtswirksamkeit behalten und wurden bis zu ihrer Erneuerung 1968 nur unwesentlich verändert. 36 Seinen Beinamen bekam Ochino nach dem Stadtviertel Contrada dell’Oca in Siena, aus dem er stammte. 37 Bainton 1951, 150. 38 Zit. nach Giannone 1823, 340. 74 4 Große transnationale kulturelle Netzwerke: der Orden der Minderen Brüder Kapuziner und die Gesellschaft Jesu den folgenden drei Jahren leitete er seinen Orden so erfolgreich, dass ihm 1541, auf dem nächsten Generalkapitel in Neapel, dasselbe Amt noch einmal anvertraut wurde. Diese Wiederwahl stellte sich im Nachhinein, nur ein Jahr später, jedoch als großer Fehler heraus. Während der Fastenzeit 1542 befand sich Ochino in Venedig, wo er mit einer ganzen Reihe von Predigten in Erscheinung treten wollte. Kurz davor war sein Freund, der Augustinerpater Giulio Terenziano da Milano, auf Druck des damaligen Nuntius Fabio Mignanelli (1496–1557) wegen angeblicher Ketzerei verhaftet worden. Als Ochino in der Öffentlichkeit für P. Giulio und seine Ansichten Partei ergriff, untersagte Mignanelli ihm, noch weiter in der Stadt zu predigen. Nach wenigen Tagen musste sein Dekret durch einen heftigen Protest der Venezianer zwar aufgehoben werden. Trotzdem – und ungeachtet Ochinos Zusicherung, sich künftig jeder Polemik zu enthalten – berichtete Mignanelli nach Rom über jenen Zwi-schenfall. 39 Um die Tragweite dieser Episode zu begreifen, soll vor Augen ge-führt werden, dass beim Apostolischen Stuhl gerade in diesen Monaten heftig nach Lösungen gesucht wurde, wie die Ausbreitung des Protestantismus in Norditalien und dessen Vormarsch nach Süden einzudämmen sei. Kardinal Gian Pietro Carafa (1476–1559), der spä- tere Papst Paul IV., war dabei, Vorkehrungen zu treffen, mit denen die alte, halb in Vergessenheit geratene Institution der Inquisition wie-39 Es war dies jedoch nicht das erste Mal, dass Ochinos Auftritte mit Ketzerei in Verbindung gebracht wurden. Zu ähnlichen Vorwürfen kam es bereits in den Jahren 1536 und 1539, als er in Neapel und Venedig predigte. Vgl. Benrath 1875, 79f.; sowie Cuthbert 1928, 126; 128f. In der Predigt, die Ochino am 9. April 1539 in Venedig hielt, wehrte er sich gegen eine solche Anklage: „[I]ch bin katholisch und unserer Kirche treu, die ich für überaus heilig halte und an die ich glauben will, bis ich eine bessere finde. Es könnte sein, dass ich, wenn ich eine bessere sehen würde – was aber nicht möglich ist – mich von ihr entferne; aber zur Zeit sehe ich keine bessere.“ Ders. 2003, 245. 75 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen derbelebt werden sollte. Durch die Bulle Licet ab initio, die am 21. Juli 1542 erging, war diese schließlich als Sacra Congregatio Roma-nae et universalis Inquisitionis seu Sancti Officii, kurz: die Römische Inquisition begründet. Diese war persönlich dem Papst unterstellt, bestand aus ausgewählten Kardinälen und sollte mehr als zwei Jahrhunderte fortdauern. 40 Im dritten Paragraf der Bulle steht nun ausdrücklich, dass die Inquisitoren nicht nur ermächtigt seien, beim Vorfinden der Ketzer oder der Ketzerei Verdächtigen „die Untersuchung einzuleiten, die Schuldigen oder Verdächtigen einzukerkern, abzuurteilen und ihre Besitztümer einzuziehen“41. Darüber hinaus ist diese Maßnahme auch gegen „[a]lle“ gerichtet, „welche ihnen mit Rath oder Tath be-hülflich sind, oder in irgend einer Weise offen oder insgeheim für sie eintreten“42. Vor diesem Hintergrund verwundert es also nicht, dass Ochino im Sommer 1542 nach Rom vorgeladen wurde. Doch statt sich Ende August in der Kurie vorzustellen, wo ihn sehr wohl die In-quisitionskommission erwartete, 43 entschloss er sich, aus Furcht vor einer möglichen Ketzerei-Anklage, in den protestantischen Teil der Schweiz zu fliehen. In Genf hieß ihn noch im September Jean Calvin (1509–1564) willkommen. Für die Kapuziner bedeutete die Apostasie ihres sonst allseits beliebten Generalvikars eine große Zäsur. 44 Während es im Orden schon bald darauf zu schweren gegenseitigen Verdächtigungen kam, wurden seine Mitglieder, nachdem die Flucht Ochinos bekannt wur-40 Erst 1798, nach der Aneignung des Kirchenstaates durch Napoleon (1769–1821), wurde die Römische Inquisition abgeschafft. 41 Zit. nach Benrath 1875, 113. Vgl. hierzu Paul III. 1860, 344f. 42 Zit. nach Benrath 1875, 113. Vgl. hierzu Paul III. 1860, 344f. 43 Vgl. Benrath 1875, 135. 44 Nach seinem Übertritt zum Protestantismus sind Ochino noch einige weitere Kapuziner gefolgt. Vgl. ebd., 133f.; sowie Cuthbert 1928, 138. 76 4 Große transnationale kulturelle Netzwerke: der Orden der Minderen Brüder Kapuziner und die Gesellschaft Jesu de, zunehmend öffentlich gerügt und als Ketzer gebrandmarkt. Nach ernsten Überlegungen des Apostolischen Stuhls, den Orden, dem allem Anschein nach vier Jahre lang ein Lutheraner vorsaß, zu schlie- ßen, entschied man sich am Ende doch dagegen. Durch eine tief greifende interne Untersuchung sowie aufgrund der Anstrengungen des neuen Generalvikars Francesco da Jesi (ca. 1470–1549), die Ordensgemeinschaft wieder zu konsolidieren, erhielt diese noch vor Beginn des Konzils von Trient ihre Anerkennung zurück. 4.2 Die Jesuiten Während Matteo da Bascio sein Amt des Generalvikars des Kapuzinerordens schon bald nach seiner Wahl niederlegte und später, nach 1536, seine Mitbrüder sogar wieder verließ, 45 blieb der Gründer der Gesellschaft Jesu Ignatius von Loyola (1491–1556) bis zu seinem Tod als Generaloberer tätig. Die Geschichte des Ordens, der im Allgemeinen deutlich bekannter ist als derjenige der Kapuziner, lässt sich ohne Rückgriff auf die Zeit, in der der spätere hl. Ignatius46 überlegte, sein künftiges Leben Gott zu widmen, kaum erzählen. In seiner Jugend diente Ignatius als spanischer Soldat. Nachdem er am 1. Italienischen Krieg zwischen Karl V. und Frankreich47 teilgenommen hatte und am 20. Mai 1521 während der Verteidigung von Pamplona schwer am Bein verletzt worden war, musste er mehrere 45 Nach dem Generalkapitel von Rom kehrte P. Matteo von den Kapuzinern zu seinem Stammorden zurück. Innerhalb der Observanz führte er sein Leben bis zu seinem Tod als Wandereremit und Prediger fort. Vgl. Cuthbert 1928, 105–107. 46 Ignatius von Loyola wurde 1606 selig- und 1622 heiliggesprochen. 47 Zum 1. Italienischen Krieg vgl. Bizer et al. 1969, 38f. 77 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen medizinische Eingriffe über sich ergehen lassen und infolgedessen monatelang im Krankenbett verbleiben. Im Laufe seiner Genesung las er aufgrund des Fehlens der ihm sonst lieben Ritterromane, was er in die Hände bekommen konnte: seinerzeit populäre spätmittelalterliche geistliche Literatur wie z.B. die hagiografische Sammlung Legenda aurea (ca. 1265) von Jacobus de Voragine und die Evangeli-enharmonie Vita Christi (ca. 1360) von Ludolf von Sachsen. Davon tief beeindruckt, bekehrte er sich und entschloss, den Werken der Heiligen wie Franziskus und Dominikus nachzueifern sowie eine Pil-gerfahrt ins Heilige Land zu unternehmen. Als Ignatius wieder gehen konnte, besuchte er im März 1522 das Benediktinerkloster Santa Maria de Montserrat nordwestlich von Barcelona. Seine Uniform wie seine Waffen legte er dort ab und tauschte beides gegen das Büßergewand ein. Danach begab er sich in den nahe gelegenen Ort Manresa, wo er vorläufig eine radikale Lebensform einnahm: Als Eremit suchte er häufig die Einsamkeit, in der er beten und meditieren, fasten und seinen Körper „mit gro- ßer Strenge dreimal an jedem Tag“48 geißeln konnte. Dabei hatte er mehrmals Visionen und erfuhr eine Erleuchtung, wie er selber be-richten lässt: Einmal ging er aus seiner Andacht zu einer Kirche, die wenig mehr als eine Meile von Manresa lag – ich glaube, sie heißt St. Paul –, und der Weg geht den Fluss entlang. Und während er so in seinen Andachten ging, setzte er sich ein wenig mit dem Gesicht zum Fluss, der in der Tiefe ging. Und als er so dasaß, begannen sich ihm die Augen des Verstandes zu öffnen. Und nicht, dass er irgendeine Vision gesehen hätte, sondern er verstand und erkannte viele Dinge, ebenso sehr von geistlichen Dingen wie von Dingen des Glaubens und der Wissenschaft. Und dies mit einer so großen Erleuchtung, dass ihm alle Dinge neu erschienen. Und es lassen sich nicht die Einzelheiten erläutern, die er damals verstand, obwohl es viele waren; sondern er empfing eine große Klarheit im Verstand, so dass ihm in der ganzen Folge seines Lebens bis über zweiundsech-zig Jahre hinaus scheint: Wenn er alle Hilfen zusammenzähle, wie er sie von 48 Loyola 1998, 28, Anm. 84. 78 4 Große transnationale kulturelle Netzwerke: der Orden der Minderen Brüder Kapuziner und die Gesellschaft Jesu Gott erhalten habe, und alle Dinge, die er erkannt habe, selbst wenn er sie alle in eins zusammenbringe, habe er nicht so viel erlangt wie mit jenem Mal allein. Und dies bedeutete, in so großem Maß mit erleuchtetem Verstand zu bleiben, dass ihm schien, als sei er ein anderer Mensch und habe eine andere Erkennt-nisfähigkeit, als er zuvor hatte.49 In Manresa beriet Ignatius Personen, die ihn um geistlichen Beistand gebeten hatten. Er begann, seine Erfahrungen aufzuschreiben und daraus Praktiken zu entwickeln, die Menschen helfen sollten, Gottes Willen im eigenen Leben zu entdecken. In den folgenden Jahrzehnten überarbeitete er mehrfach diese Notizen, bis sie 1548 auf Latein, als kleines Buch mit dem Titel Exercitia spiritualia, Geistliche Übungen, erschienen. Heute gelten sie als eines der bekanntesten, allerdings auch als eines der am wenigsten gelesenen Werke. 50 Das Hauptziel der ‚Ignatianischen Exerzitien‘, wie die Übungen auch heißen, wird am Anfang des Buchs wie folgt bestimmt: [Geistliche Übungen] sind […] jede Weise, die Seele darauf vorzubereiten und einzustellen, um alle ungeordneten Anhänglichkeiten von sich zu entfernen und nach ihrer Entfernung den göttlichen Willen in der Einstellung des eigenen Lebens zum Heil der Seele zu suchen und zu finden.51 Dieses Ziel kann die Seele jedoch kaum selbst erreichen; auf ihrem Weg zur ‚Einstellung des eigenen Lebens‘ muss sie grundsätzlich von einem Exerzitien-Leiter geführt werden. Wie lassen sich nun die Übungen erklären? Ignatius sah den Exerzitanten im Idealfall in einen vierwöchigen, in der Zurückgezogenheit und im Schweigen stattfindenden Prozess eingebunden, in dem jeder Woche der Übungen 49 Ebd., 33f. 50 Vgl. O’Malley 1995, 52. 51 Loyola 1998b, 92. Zitiert wird im Folgenden immer nach der Übersetzung des spanischen Autographs. 79 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen ein thematischer Schwerpunkt entspricht: Während die erste Woche im Zeichen der „Erwägung und Betrachtung der Sünden“ verläuft, wird die zweite gedanklich dem „Leben Christi unseres Herrn bis zum Palmtag“52 gewidmet. Nachdem in der dritten Woche der Übungen die Betrachtung des „Leiden[s] Christi, unseres Herrn“ im Vordergrund steht, hat die letzte Woche die „Auferstehung und Himmelfahrt“53 Christi zum Inhalt. Durch Nachdenken über die Momente der Heilsgeschichte, durch verschiedene Arten des Gebets54 und bei Einhaltung zahlreicher Regeln55 soll die Seele des Exerzitanten am Ende mit Gott vereinigt werden. Gleichsam aufgegangen im göttlichen Willen soll der Exerzitant dann bereit sein, konkrete Entscheidungen in seinem Leben richtig zu treffen. Im September 1523 erreichte Ignatius Jerusalem, wo er „den Seelen […] helfen“56, also vermutlich als Seelsorger für andere Pilger bleiben wollte. 57 Nach gut zwei Wochen, in denen er mehrere biblische Stätten besucht hatte, wurde er jedoch von Franziskanern, deren Kusto-den im Heiligen Land, wieder zurück nach Europa geschickt. In Spanien entschied sich Ignatius, sein Weltbild, das bis zu diesem Zeitpunkt eher nur religiöse Erlebnisse prägten, durch akademische Ausbildung zu erweitern. Nachdem er 1526 – damals bereits als Fünfunddreißigjähriger – begann, an der Universität Alcalá Philosophie und Theologie zu studieren, musste er aufgrund von Konflikten mit der Inquisition im folgenden Jahr an die Universität Salamanca 52 Ebd., 94. 53 Ebd. 54 Vgl. ebd., 206–213. 55 Vgl. ebd., 244–269. 56 Loyola 1998, 42f. 57 Vgl. Friedrich 2016, 12. 80 4 Große transnationale kulturelle Netzwerke: der Orden der Minderen Brüder Kapuziner und die Gesellschaft Jesu wechseln. Aus demselben Grund verließ er nach einigen Monaten auch diese und machte sich auf den Weg nach Paris, wo er im Februar 1528 ankam. Dort, vor allem an der Sorbonne, lernte er bald sechs Männer kennen, die später den Kern seines Ordens bilden sollten: Peter Faber (1506–1546), Franz Xaver (1506–1552), Simão Rodrigues (1510–1579), Diego Laínez (1512–1565), Alfonso Salmerón (1515– 1585) und Nicolás Bobadilla (1508 oder 1509–1590). In gemeinsamer Freundschaft verbunden sowie durch Ignatius’ geistliche Übungen, denen sie sich allesamt unterzogen hatten, legten sie am 15. August 1534 auf dem Montmartre die Gelübde von Armut und Keuschheit ab. Gleichzeitig fassten sie einen groß angelegten Beschluss: Sie nahmen sich vor, nach Jerusalem zu pilgern, um dort – wie es Ignatius bereits gut zehn Jahre zuvor für sich selbst angestrebt hatte – dau-erhaft seelsorgerisch tätig zu werden. Wäre dieser Plan binnen eines Jahres nach Beendigung ihres Studiums jedoch nicht zu realisieren, wollten sie nach Rom gehen und sich sowie ihre Dienste dem Stellvertreter Christi, also dem Papst zur Verfügung stellen. Von Venedig aus, wo die Gruppe sich Anfang 1537 wieder traf, 58 fuhr wegen angespannter politischer Beziehungen zwischen der Republik und dem Osmanischen Reich kein Pilgerschiff mehr ins Heilige Land. Während sie auf einen günstigen Moment zur Überfahrt warteten, ließen sich Ignatius und diejenigen seiner Mitstreiter, die noch keine Priester waren, die entsprechende Weihe erteilen. Sie ver-teilten sich daraufhin in mehrere kleine Gruppen und begannen, zu-nächst innerhalb der Republik, bald jedoch auch in weiteren italienischen, insbesondere in Universitätsstädten zu predigen. Als ein Ende des 4. Venezianischen Türkenkrieges59 kaum noch in Sicht war, ent-58 Mittlerweile wurde sie um vier neue Mitglieder erweitert: Claude Le Jay (ca. 1500–1552), Paschase Broët (ca. 1500–1562), Jean Codure (1508 oder 1509–1541) und Diego de Hoces (ca. 1490–1538). 59 Zum 4. Venezianischen Türkenkrieg vgl. Jorga 1990, Bd. 2, 366–384. 81 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen schieden sie sich, schrittweise den zweiten Teil ihres Pariser Plans umzusetzen. Zu dieser Zeit soll ihr gemeinsamer, erst später amtlich bestätigter Name entstanden sein: Sie heißen die ‚Gesellschaft Jesu‘. Und dieser Name wurde vor der Ankunft in Rom angenommen; denn als sie sich untereinander besprachen, wie sie sich nennen sollten, wenn man sie fragte, was sie für eine Kongregation (die aus neun oder zehn Personen bestand) seien, zogen sie sich zuerst zum Gebet zurück und dachten darüber nach. Und in Anbetracht dessen, dass sie untereinander kein Haupt hatten und auch keinen anderen Oberen als Jesus Christus, dem allein sie dienen wollten, schien ihnen, sie sollten den Namen dessen annehmen, der ihr Haupt war, und sich ‚die Gesellschaft Jesu‘ ([sp.] la compañía de Jesús) nennen.60 Ignatius, Faber und Laínez kamen bereits im November 1537 in Rom an. Während der Erste sofort anfing, seine geistlichen Übungen damaligen einflussreichen Personen des öffentlichen Lebens wie z.B. dem Kapuziner-Anhänger Kardinal Gasparo Contarini zu vermitteln, 61 wurden die anderen Beiden eingeladen, an der Universität La Sapienza theologische Vorlesungen zu halten. Nachdem auch die übrigen Mitglieder der Gruppe in Rom eingetroffen waren, empfahl sich die Gesellschaft Jesu – wohl in der zweiten Hälfte im November 153862 – bei Papst Paul III. An diesem Punkt hat sich für Ignatius und seine Mitstreiter die Frage nach ihrer formalen Organisation gestellt: Sollten sie etwai-gen päpstlichen Aufrufen, in andere Orte und Länder zu gehen, als autonome, voneinander unabhängige Individuelle nachkommen – oder wäre es sinnvoller, dies als Mitglieder einer neuen Ordensgemeinschaft zu tun? In den Beratungen, die zwischen März und Juni 1539 stattfanden, beschlossen sie, die Gruppe zu institutionalisie-ren. Zu diesem Zweck stellte Ignatius Quinque capitula, Fünf Ka-60 Zit. nach Dalmases 1989, 120f. 61 Vgl. oben S. 70f.; sowie LThK, Bd. 2, Sp. 1305f. 62 Vgl. Dalmases 1989, 133. 82 4 Große transnationale kulturelle Netzwerke: der Orden der Minderen Brüder Kapuziner und die Gesellschaft Jesu pitel, zusammen, eine Art Ordensregel, die gleich mehrere Themen anriss: Als Heer Jesu Christi63 sollte der Orden auch amtlich nach Letzterem benannt werden. Ferner sollte sein Hauptziel darin bestehen, Gott oder dem Papst zu dienen, d.h. durch den Dienst am Wort, durch geistliche Übungen, Wohltätigkeiten und Katechese mit Kindern wie Analphabeten für den katholischen Glauben zu werben. 64 Wie auch in anderen Ordensgemeinschaften üblich, sollten die Mitglieder hier bei ihrer Aufnahme feierliche Gelübde auf die drei Evangelischen Räte (Armut, Keuschheit, Gehorsam) ablegen. Darüber hinaus sollten sie jedoch noch ein zusätzliches, viertes Gelübde des Papstgehorsams leisten und demnach bereit sein, vom Papst zu jeder Zeit irgendwohin – sei es zu den Osmanen, sei es in die Neue Welt, sei es zu den Lutheranern oder zu wem auch immer, Gläubigen oder Ungläubigen – entsendet zu werden. Die Ordensmitglieder sollten ihrem Generaloberen in allen die Gesellschaft betreffenden Angelegen-heiten immer hörig sein; sie sollten kein Eigentum besitzen und keine feststehenden Einkünfte beziehen – außer wenn dies der Erziehung und dem Studium ihrer künftigen Mitglieder diente. 65 Um die Ordensmitglieder nicht zu sehr von ihrer seelsorgerischen Arbeit abzu-lenken, sollten ihnen keine besonderen Bußübungen auferlegt werden, sondern sie durften selbst darüber entscheiden, ob überhaupt und welche von ihnen (z.B. Fasten, Selbstgeißelung, das Tragen vom Bußgewand) sie machen wollten. Im Gegensatz zu den Mitgliedern der meisten anderen Orden mussten sie aus demselben Grund auch 63 Vgl. Loyola 1998a, 304; 307; 320. 64 Im Jahr 1550, durch die Bulle Exposcit debitum, die Papst Julius III. (1487–1555) erließ, wurde neben der „Verbreitung“ des Glaubens auch dessen „Verteidigung“ (Loyola 1998a, 304) zum Ziel der erwähnten Tätigkeiten erklärt. 65 Der Aufschwung von Schulen, die gezielt Laien aufnahmen und nach denen die Gesellschaft Jesu weltbekannt wurde, begann erst nach 1550. Vgl. O’Malley 1995, 233–281. 83 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen kein gemeinsames Chorgebet sprechen. Und schließlich: Niemand, der im Orden „unter dem Banner des Kreuzes“66 „Tag und Nacht“67 Gott dienen wollte, sollte zugelassen werden, ohne davor zahlreichen und gründlichen Prüfungen unterzogen zu werden. 68 Ende Juni oder Anfang Juli 1539 wurde Fünf Kapitel Kardinal Contarini, mittlerweile einem der Hauptförderer der Gesellschaft Jesu, übergeben. Jener legte das Schreiben Papst Paul III. zur Bestä- tigung vor. Seit dem Vierten Laterankonzil (1215) und dem Zweiten Konzil von Lyon (1274) war die Gründung neuer kirchlicher Orden mit eigenen Ordensregeln eigentlich verboten. Dennoch ließ Paul III. den leicht überarbeiteten Text von Fünf Kapitel in seine Bulle Regimini militantis Ecclesiae aufnehmen, die am 27. September 1540 erging. Damit wurde die Gesellschaft Jesu offiziell als Orden anerkannt. 69 Obwohl Ignatius und seine Mitstreiter schon vor dem Erlass der Bulle begannen, ihr darin vorgesehenes Programm auszuführen, 70 brauch-ten sie als juristische Person noch Zweierlei: einen Vorgesetzten und eigene Ordenskonstitutionen. Zwar leitete Ignatius de facto schon seit ihren Pariser Tagen informell seine kleine Gruppe; als Generaloberer des neuen Ordens wurde er – wohlgemerkt, auf Lebenszeit – jedoch erst am 8. April 1541 gewählt. Im Hinblick auf die Konstitutionen, welche die eher knappen Bestimmungen aus Fünf Kapitel konkre-66 Loyola 1998a, 304. 67 Ebd., 309. 68 Vgl. ebd., 319. 69 Der neue Orden war unter dem Vorbehalt zugelassen, dass die Zahl seiner vollberechtigten Mitglieder auf 60 beschränkt blieb. Diese Einschränkung wurde 1550 durch die Bulle Exposcit debitum jedoch aufgehoben. 70 Franz Xaver bspw. machte sich auf Bitten des portugiesischen Königs Johann III. (1502–1557) und im Auftrag Pauls III. bereits Mitte März 1540 auf den Weg, um in den Besitzungen Portugals in Ostindien zu missionieren. 84 4 Große transnationale kulturelle Netzwerke: der Orden der Minderen Brüder Kapuziner und die Gesellschaft Jesu tisieren, soll darauf hingewiesen werden, dass sie in einem langen, mehrjährigen Prozess verfasst wurden. Nachdem eine grobe Fassung im März 1541 vorgelegen hatte, begann Ignatius, sie gelegentlich, ab 1547 jedoch regelmäßig und systematisch zu vervollständigen. Daraus entstanden ist ein opulentes Gesetzgebungswerk von über 800 Paragrafen, 71 die in eine taktische, ja psychopädagogische Struktur eingegliedert sind: Während das Dokument mit der Aufzählung von Voraussetzungen beginnt, die ein jeder erfüllen soll, um dem Orden überhaupt beitreten zu dürfen, und während es einen des Weiteren durch sein langjähriges Studium bis hin zur Ordination begleitet, wird der Fokus bei hoch nummerierten Paragrafen allmählich vom Einzelnen und seinen Pflichten zum Orden als Ganzes verschoben. Der letzte, zehnte Teil der Konstitutionen trägt dementsprechend den Titel „Wie dieser ganze Leib in seinem guten Stand bewahrt und gemehrt werden soll“. 72 71 Zum Vergleich: Die römischen Konstitutionen des Kapuzinerordens enthalten weniger als 200 Paragrafen. Vgl. oben Anm. 31. 72 Zwischen den beiden Polen scheint die Figur des Generaloberen zu stehen. Einerseits sollte dieser den Orden repräsentieren, gleichzeitig aber auch das Idealbild jedes Ordensmitglieds sein. Wenn im vorletzten Teil der Konstitutionen die geforderten Wesenszüge des Generaloberen aufgezählt werden, lassen sich diese auch von seinen Mitbrüdern als angestrebt erwarten. Ein Generaloberer sollte demnach „sehr mit Gott unserem Herrn verbunden und mit ihm im Gebet und in allen seinen Handlungen vertraut“ (Konst. 723) sein; er sollte darüber hinaus ein „Beispiel in allen Tugenden“ geben, wobei aus ihm „die Liebe zu allen Nächsten, in ausgezeichneter Weise aber zur Gesellschaft, und die wahre Demut“ (Konst. 725) strahlen sollten; ein Generaloberer sollte sich, drittens, durch „große[]n Verstand und Urteil“ (Konst. 729) auszeichnen; des Weiteren sollte er „wachsam und sorgfältig“ sein, „um anzufangen, und eifrig, um die Dinge zu ihrem Ziel und ihrer Vollendung zu führen“ (Konst. 730); ein Generaloberer sollte, fünftens, gebührender „Gesundheit, Erscheinung und Alter“ (Konst. 731) sein; und nicht zuletzt sollte er „die Vertrauenswürdigkeit, de[]n gute[n] Ruf, und was an den anderen Dingen zur Autorität bei denen von außerhalb und inneralb hilft“ (Konst. 733), genießen. Loyola 1998c 580–827; 798–801. Vgl. hierzu O’Malley 1995, 101f. 85 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen Trotz ihres Umfangs wird in den Konstitutionen nirgendwo das Or-denskleid der Mitglieder näherbestimmt. Paragraf Nr. 577 besagt lediglich, dass es „geziemend“ sein sollte, dass es sich „dem Gebrauch des Landes anpaßt, wo man lebt“, und dass es „nicht dem Beruf zur Armut“73 widersprechen sol te. Genauso bemerkenswert ist die Tatsache, dass im ganzen Dokument kein einziges Mal das Wort ‚Jesuit‘ vorkommt. Denn es ist bekannt, dass dieser Ausdruck für die Mitglieder der Gesellschaft Jesu bereits Mitte der 1540er-Jahre zum ersten Mal benutzt wurde. 74 Die Ordensbrüder übernahmen ihn und begannen, den Begriff in den folgenden Jahren auch selbst im al täglichen Sprach-gebrauch zu verwenden. 1558, als die Konstitutionen auf der ersten Ge-neralkongregation des Ordens beschlossen wurden, 75 zählte dieser über 1000 Mitglieder in zwölf Ordensprovinzen. 76 Damit schien er auf gu-tem Weg, ein wichtiger Teil der (post-)tridentinischen Kirche zu werden. 4.3 Die Kapuziner, die Jesuiten und das Konzil von Trient Wie lässt sich nun die Rolle der Kapuziner und Jesuiten auf dem Konzil von Trient (1545–1563) beschreiben? Und bevor dieser Frage nachgegangen wird: Welcher Stellenwert kommt überhaupt jenem 73 Loyola 1998c, 748. Die Ordensmitglieder trugen in der Regel den Priestertalar, wie man ihn dort, wo sie sich gerade befanden, kannte. Vgl. O’Malley 1995, 392. 74 Vgl. ebd., 88. 75 Die Konstitutionen der Gesellschaft Jesu wurden 1558 und 1559 veröffentlicht. Ähnlich wie im Fall der Kapuziner erfuhren sie in den folgenden Jahrhunderten nur minimale Veränderungen. Vgl. oben Anm. 31. 76 Die Ordensgemeinschaft bestand damals aus folgenden Provinzen: Portugal, Aragón, Kastilien, Andalusien, Indien, Italien (mit Ausnahme von Rom), Sizilien, Brasilien, Frankreich, Niederdeutschland, Oberdeutschland und Äthiopien. 86 4 Große transnationale kulturelle Netzwerke: der Orden der Minderen Brüder Kapuziner und die Gesellschaft Jesu Konzil im Kontext der Gegenreformation und der katholischen Erneuerung zu? Wie hinlänglich bekannt, bestand das Bedürfnis nach einer Erneuerung der katholischen Kirche bereits seit dem Hoch- und Spätmittelalter. Schon damals waren Missbrauch im Pfründewesen sowie ein fortschreitender Verfall des Klerus und somit der Seelsorge ersichtlich. Auf ökumenischen Konzilen, vor allem auf denen von Konstanz (1414–1418) und Basel (1431–1449), wurde mehrfach nach einer ‚reformatio in capite et membris‘, ‚Reform an Haupt und Gliedern‘77, verlangt. 78 Ironischerweise waren es erst die von Martin Luther (1483–1546) angestoßene Reformation und die immer weiter bröckelnde Einheit des westlichen Christentums, die die römisch-katholische Kirche zu einem erforderlichen Handeln bewegten. Die entscheidende Wende, nachdrücklich gefordert durch Kaiser Karl V., kam schließlich mit Papst Paul III. Um zu begreifen, welche Erwartungen an das Trienter Konzil her-angetragen wurden, genügt ein Blick in die Bulle Laetare Jerusalem, mit der die Versammlung am 19. November 1544 einberufen wurde. 79 Demnach sollte das Konzil gleich drei enorme Aufgaben bewältigen: Als erstes sollte es die Glaubensspaltung beseitigen und „oves errantes“, „verlorene Schafe“, die inzwischen die Seite gewechselt hatten, zurück „ad ovile Dominicum“, „zur Herde des Herrn“80 bringen. Darüber hinaus sollte das Konzil, wie es hieß, alle Christen in der Welt reformieren. 81 Schließlich sollte das Konzil in Europa den Frie-den unter den Völkern bringen, damit die vom Osmanischen Reich 77 Zur Begriffsgeschichte dieses Ausdrucks vgl. Frech 1992. 78 Vgl. Campi 2013, 11. 79 Zur Einberufung des Konzils kam es fast 25 Jahre, nachdem Luther bereits eine solche Versammlung verlangt hatte. Vgl. ders. 1888. 80 „Laetare Jerusalem“ 1904, 386. Vgl. hierzu Jedin 1949, 404. 81 Vgl. „Laetare Jerusalem“ 1904, 386f.; sowie Jedin 1949, 404. 87 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen besetzten heiligen Stätten in Palästina82 gemeinsam zurückerobert werden konnten. 83 Obwohl in den 18 Jahren seiner Dauer weder die erste noch die letzte Aufgabe aus der Berufungsbulle gelöst wurden, ging es mit seinem umfangreichen Reformprogramm als eines der bahnbrechendsten ökumenischen Konzile in die Geschichte ein. Sein Beginn am 13. Dezember 1545, nur ein Jahr vor Luthers Tod, lässt sich folgenderweise umschreiben: Eine unübersehbare Schar kirchlicher Würdenträger versammelte sich in der Kirche zu der Allerheiligsten Dreifaltigkeit. Von dort zogen sie in feierlicher Prozession zum gotischen Dom im Zentrum der Stadt. Zuerst kamen die Welt-geistlichen und Regularkleriker der Stadt: die Priester in schwarzer Soutane und weißem Chorhemd, die Ordensbrüder in Schwarz, Grau oder Weiß. Als nächstes kamen die hohen Kanoniker des Domkapitels, die alle dem Adel angehörten. Hinter ihnen gingen die Prälaten des Konzils sowie die Gesandten des deutschen Königs, Ferdinands I., gefolgt vom Adel und zahlreichen Bürgern. Drei Erzbischöfe, 21 Bischöfe sowie die Generale von fünf Bettelorden – den Konventualen und den Observanten Franziskanern, den Augustinern, den Karmeliten und den Serviten –84 vertraten die offiziellen Delegierten. Und während die drei päpstlichen Legaten in ihrem Kardinalspurpur darauf warteten, in das gotische Gewölbe einzuziehen, wo ein feierliches Hochamt das lange erwartete Kirchenkonzil eröffnen sollte, konnten sie den Blick über die schneebedeckten Hügel schweifen lassen und sich der Weingärten des ver-gangenen Frühlings erinnern, als sie zum erstenmal in diese verlassene Stadt im Norden gekommen waren.85 Auf die Prozession folgten die Eröffnung des Konzils und insgesamt 25 Sitzungen, die sich im Nachhinein eindeutig in drei Tagungsperioden aufteilen lassen: Während die erste Periode mit zehn Sitzungen zwischen 1545 und 1549 in Trient und Bologna verlief, 86 fand die zweite 82 1516 wurde von den Osmanen Nordpalästina besetzt, 1517 folgte die Eroberung Jerusalems. Vgl. Jorga 1990, Bd. 2, 327–341. 83 Vgl. „Laetare Jerusalem“ 1904, 387; sowie Jedin 1949, 404. 84 Zu den ‚Bettelorden‘ vgl. LThK, Bd. 2, Sp. 341f. 85 Hsia 1998, 9. 86 Die neunte und die zehnte Sitzung des Trienter Konzils wurden zwischen 1547 und 1549 in Bologna abgehalten. 88 4 Große transnationale kulturelle Netzwerke: der Orden der Minderen Brüder Kapuziner und die Gesellschaft Jesu Periode des Konzils mit sechs Sitzungen 1551 und 1552 nur in Trient statt; die letzte Periode mit neun Sitzungen wurde 1562 und 1563 ebenfal s in Trient abgehalten. 87 Für al e Tagungsperioden gilt, dass in ihnen Dogmen, also die Fragen der Lehre, und die Reformen zugleich behandelt wurden. Zu den Beschlüssen, die betont im dogmatischen Rahmen ergingen, zählen u.a. das Dekret zur Rechtfertigung, 88 das über die Eucharistie, 89 das Dekret zur Buße90 und das über die Priesterweihe. 91 Unter den Beschlüssen, die konkrete Reformmaßnahmen gefordert haben, befinden sich z.B. das Dekret zur (Bibel-)Lesung und Predigt, 92 das über die Residenzpflicht der Bischöfe, 93 das Dekret gegen Missstände im Diözesanbereich94 sowie dasjenige zur Reform der Orden. 95 Was nun die Rolle des Kapuzinerordens auf dem Konzil angeht, scheint sie auf den ersten Blick eher unbeträchtlich gewesen zu sein. In der ersten Tagungsperiode der Versammlung nahm lediglich P. Bernardino d’Asti an den Sitzungen teil. Er war kein Vater des Konzils, also kein stimmberechtigter Teilnehmer, sondern kam als bera-tender Theologe nach Trient, 96 wo er u.a. – zugleich mit den beiden 87 Neben diesen allgemeinen Sitzungen haben auf dem Konzil auch viele kleinere, zur Erörterung spezifischer Fragen bestimmte Ausschusssitzungen stattgefunden. 88 Vgl. „Das Konzil von Trient. 1545–1563“ 2002, 671–681. 89 Vgl. ebd., 693–698. 90 Vgl. ebd., 703–709. 91 Vgl. ebd., 742–744. 92 Vgl. ebd., 667–670. 93 Vgl. ebd., 681–683. 94 Vgl. ebd., 728–732. 95 Vgl. ebd., 776–784. 96 Wann genau P. Bernardino in Trient ankam, ist nicht bekannt. Zur Eröffnung des Konzils war er jedenfalls noch nicht zugegen. Vgl. Jacobs 1951, 544. 89 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen Dominikanerpatres Bartolomé de Carranza (1503–1576) und Ambrosius Catharinus (1484–1553) – einen Vortrag über die Rechtfertigung hielt. 97 Nach 1546, als er wieder zum Generalvikar seines Ordens gewählt wurde, 98 blieb er auf dem Konzil als Theologe tätig. 99 Während in der zweiten Tagungsperiode gar kein Kapuziner in Trient anwesend war, lassen sich ab 1562 insgesamt sieben Mitglieder des Ordens ausmachen: Neben P. Tommaso da Città di Castello, dem als Generalvikar Platz unter den anderen Generaloberen der Bettelorden zugeteilt wurde, zählten zu dieser Gruppe P. Giovanni Evangelista da Cannobio, P. Giovanni da Valenza, P. Francesco da Milano, P. Girolamo da Pistoia (1508–1570), P. Girolamo da Montefiore und P. Angelo d’Asti. 100 Trotz eines möglicherweise anderen Eindrucks wäre es an dieser Stelle jedoch verfrüht, daraus zu schließen, dass die Kapuziner auf dem Konzil nicht bemerkt wurden. Im Gegenteil: In der Diskussion zur letzten, der 25. Sitzung, die im November 1563 stattfand101 und in der u.a. die Reform der kirchlichen Orden besprochen wurde, rühmten die Konzilsväter sie ausgiebig. So meinte z.B. Bartolomé de los Mártires (1514–1590), Erzbischof von Braga, dass die Kapuziner „vorbildlich leben“; sie selbst bräuchten keine Reform, sondern man 97 Offiziell wurden sie ‚theologi minores‘, ‚mindere Theologen‘, genannt, weil sie im Vergleich zu den Prälaten auf dem Konzil, die ebenfalls Theologen waren, einen minderen Rang innehatten. ‚Mindere Theologen‘ kamen meistens aus den Reihen der Bettelorden und wurden vom Papst, von Bischöfen, christlichen Fürsten oder von Generaloberen einzelner Orden nach Trient entsandt. P. Bernardino nahm am Konzil im Auftrag des Generalvikars der Kapuziner Francesco da Jesi teil. Vgl. Cuthbert 1928, 169, Anm. 39; Jacobs 1951, 544f.; sowie Jedin 1957, 48f. 98 Vgl. oben S. 73f. 99 Vgl. Jacobs 1951, 544. 100 Vgl. Cuthbert 1928, 168f.; sowie Jacobs 1951, 544f. 101 Vgl. Schweizer 2010, 201. 90 4 Große transnationale kulturelle Netzwerke: der Orden der Minderen Brüder Kapuziner und die Gesellschaft Jesu sollte sie „fördern und gutheißen“102. Noch weiter ging Pietro Fauno (1524–1592), Bischof von Acqui: Ihm zufolge benötigten „alle weltlichen [sic] Ordensleute […] der Erneuerung, ausgenommen die Kapuziner“103. Egidio Falcetta (1496–1564), Bischof von Bertinoro, lobte diese hinsichtlich ihres Umgangs mit Armut: Die erste Form der Armut besteht darin, alles zu verkaufen und mit dem Erlös die Geschwister zu unterstützen; die zweite Form der Armut halten die ein, welche alle Güter gemeinsam besitzen; die dritte bezieht sich auf die, welche mit eigenen Händen arbeiten; die vierte ist denjenigen eigen, die predigen und von Almosen leben. Alle diese vier Formen der Armut sind gut; zu denen, die diese Formen einhalten, gehören die Kapuziner, weshalb sie speziell erwähnt werden sollen, wie auch die Jesuiten.104 Nun ist es gerade die Armutsauffassung der Kapuziner, die es den Konzilsvätern in Trient besonders angetan hat. In der Vorlage zum dritten Kapitel des Dekrets über die Ordensreform war es allen Orden gestattet, in Zukunft auch Immobilien zu besitzen; eine Ausnahme dabei bildeten nur die Observanten. 105 In der Endfassung des Kapitels jedoch, die am 3. und 4. Dezember 1563 erging, schlos-102 „Konzilsväter von Trient“ 2003, 65. 103 Ebd. 104 Ebd. Das Lob für die Kapuziner kam auch von anderen Konzilsvätern: Während Marcantonio Colonna (1523–1597), Bischof von Taranto, Tommaso Stella (–1566), Bischof von Koper und Pietro Camaiani (1519–1579), Bischof von Fiesole verlangten, den Orden im Allgemeinen zu fördern, äußerten sich neun weitere Konzilsväter (Ottaviano Preconio [1502–1568], Erzbischof von Palermo; Urbano Vigerio della Rovere [–1570], Bischof von Senigallia, Cesare Foggia [–1567], Bischof von Umbriatico, Belissario Baldovino [–1591], Bischof von Larino, Constantino Bonelli [–1572], Bischof von Città di Castello, Giovanni Andrea Belloni [1533–1572], Bischof von Massa Lubrense, Girolamo Maccabei [–1574], Bischof von Castro, Antonio del Pozzo, Erzbischof von Bari, sowie Pompeo Zambeccari [–1571], Bischof von Sulmona) anerkennend über seinen Habit. Darin stimmte ihnen auch der oben zitierte Bischof Falcetta zu. Vgl. ebd., 65–67; sowie in der vorliegenden Studie Abschnitt 4.1, S. 66f. 105 Vgl. Jacobs 1951, 542f. 91 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen sen sich diesen plötzlich die Kapuziner an. Noch mehr: Als ‚Kapuzinerbrüder des Heiligen Franziskus‘ werden sie im Text an erster Stelle erwähnt: Die heilige Synode erlaubt allen Klöstern und Häusern, von Männern wie von Frauen, auch von Mendikanten – mit Ausnahme der Häuser der Kapuziner- brüder des Heiligen Franziskus und derer, die man Minderbrüder der Observanz nennt –, auch den Klöstern und Häusern, denen es aufgrund ihrer eigenen Konstitutionen verboten oder aufgrund eines apostolischen Privilegs bisher nicht erlaubt war, dass sie in Zukunft Immobilien besitzen dürfen.106 (Herv. J.D.) Damit war den Kapuzinern nicht nur das Privileg der höchsten Armut anerkannt; ihre ausdrückliche Erwähnung im Dekret des Konzils lässt sich darüber hinaus als indirekte Bestätigung des Ordens deuten. 107 Und die Jesuiten? Im Vergleich zum Kapuzinerorden gestaltete sich ihre Rolle auf dem Konzil ähnlich, wenn auch etwas differenzier-ter aus. So wie Bernardino d’Asti haben in der ersten Tagungsperiode der Versammlung auch Diego Laínez und Alfonso Salmerón als Theologen mitgewirkt. 108 Im Auftrag von Paul III. berieten sie u.a. die Konzilsväter und erörterten die aufkommenden Streit-fragen. Allerdings war der Orden in dieser Periode auch in Ent-scheidungsprozesse eingeweiht: Claude Le Jay wurde vom Kardinal Otto Truchsess von Waldburg (1514–1573), der in Trient nicht persönlich anwesend sein konnte, beauftragt, in seinem Namen an den Abstimmungen der Versammlung teilzunehmen; 1547 übernahm diese Aufgabe für kurze Zeit sein Mitbruder Petrus Canisius 106 „Das Konzil von Trient. 1545–1563“ 2002, 777. 107 Vgl. Jacobs 1951, 543. 108 Vgl. O’Malley 1995, 373. 92 4 Große transnationale kulturelle Netzwerke: der Orden der Minderen Brüder Kapuziner und die Gesellschaft Jesu (1521–1597). 109 In der zweiten und dritten Periode des Konzils waren P. Laínez und P. Salmerón ebenfalls dort präsent. Damit zählen sie zu den wenigen Teilnehmern, die das ganze Trienter Konzil miterlebt haben. 110 Mit der dritten Periode verschoben sich ihre Posten jedoch teilweise: P. Laínez war zwei Jahre nach dem Tod von Ignatius 1558 zum neuen Generaloberen ernannt. 1562 kam er deshalb nicht mehr als Theologe, sondern als Konzilsvater und in Begleitung seines Sekretärs, Juan Alfonso de Polanco (1517–1576), nach Trient. 111 Wie oben bereits, anhand des Zitats von Bischof Falcetta, angedeutet, wurden in der Debatte zur Ordensreform auf dem Konzil neben den Kapuzinern auch die Jesuiten überschwänglich gelobt. So wurden sie mit den Kapuzinern in seiner Rede z.B. auch vom Bischof von Fiesole gewürdigt: Besondere Rücksicht soll man auf die Kapuziner nehmen, damit sie nicht von ihrer Lebensweise abgebracht werden; eine gleiche Rücksichtnahme gelte auch für die Jesuiten.112 (Herv. J.D.) Genauso wie die Kapuziner haben die Jesuiten aber auch im Dekret des Konzils über die Ordensreform ihre ausdrückliche Erwähnung gefunden. Im 16. Kapitel dieses Dokuments wird angeordnet, dass die 109 Vgl. ebd.; sowie Brodrick 1929, 514; 518. 110 Vgl. O’Malley 1995, 375. 111 Vgl. ebd. In dieser Periode des Konzils sind neben P. Laínez, P. Salmerón und P. de Polanco noch zwei weitere Jesuiten in Trient zu vermerken: P. Canisius, der im Auftrag von Kardinal Stanislaus Hosius (1504–1579) u.a. dabei half, den Index verbotener Bücher, der 1559 von der Römischen Inquisition erstellt wurde, zu revidieren, und Jean Cuvillon, der Augustin Baumgartner (ca. 1531–1599), den Vertreter des Herzogs Albrecht V. von Bayern (1528–1579), auf dem Konzil begleitete. Vgl. Brodrick 1930, 103; sowie Jedin 1967, 285; 290. 112 „Konzilsväter von Trient“ 2003, 65. Vgl. oben Anm. 104. 93 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen Ordensnovizen nach Ende ihrer Probezeit entweder zur Ablegung der Gelübde zugelassen werden sollten – oder sie sollten entlassen werden. Für den Jesuitenorden, bei dem die Profess, 113 falls ein Mitglied Priester werden wollte, erst nach der Priesterweihe folgte, galt dies jedoch nicht: Auch keine Verzichtserklärung oder Verpflichtung, die früher, sei es auch unter Eid oder zugunsten eines frommen Zwecks, erfolgt ist, hat Geltung, wenn sie nicht mit Erlaubnis des Bischofs oder seines Stellvertreters innerhalb der letzten zwei Monate vor der Profess nicht tatsächlich folgt. Andernfalls ist eine Verzichtserklärung, auch wenn sie schriftlich, ja sogar unter Eid, zugunsten des guten Zwecks geschieht, ungültig und ohne Wirkung. Nach Beendigung der Noviziatszeit lassen die Oberen die Novizen, die sie für tauglich befunden haben, zur Profess zu, die anderen schicken sie aus dem Kloster weg. Durch diese Regelungen strebt die heilige Synode nicht an, etwas Neues einzuführen. Sie will auch nichts verbieten, was dazu beiträgt, dass die religiose Kleri- kergemeinschaft der Gesellschaft Jesu gemäß ihrer frommen Einrichtung, die vom Apostolischen Stuhl gebilligt wurde, dem Herrn und seiner Kirche nicht dient.114 (Herv. J.D.) 1551, mehr als ein Jahrzehnt vor dem Erlass dieser Sätze, hatte Ignatius über P. de Polanco Korrespondenz mit P. Laínez und P. Salmerón geführt. Darin äußerte er seinen Wunsch, dass der Jesuitenorden, nachdem er 1540 mit der Bulle Regimini militantis Ecclesiae päpstlich anerkannt wurde, nun auch vom Trienter Konzil genehmigt werden sollte. Dazu kam es – zu dessen Lebzeiten wie auch später – zwar nicht. Die oben zitierte Erwähnung mag den Jesuiten dennoch wichtig erschienen sein: Sie konnten sich damit – ähnlich wie vor ihnen die Kapuziner – wenigstens indirekt konziliar bestätigt fühlen. 115 113 Zur ‚Profess‘ vgl. LThK, Bd. 8, Sp. 613f. 114 „Das Konzil von Trient. 1545–1563“ 2002, 781. Vgl. hierzu O’Malley 1995, 375f. 115 Vgl. ebd., 376. 94 4 Große transnationale kulturelle Netzwerke: der Orden der Minderen Brüder Kapuziner und die Gesellschaft Jesu 4.3.1 Seelsorge als Schnittstelle Wie im letzten Abschnitt gezeigt, hatten die Kapuziner und die Jesuiten formell kaum Gewicht auf dem Konzil von Trient. Zu den dort gefällten Entscheidungen waren sie nur in der letzten Tagungsperiode anwesend, und am Ende der Versammlung durften sie die Konzilsdekrete nur mit je einer Stimme bestätigen. 116 Trotzdem genossen sie in den vorausgehenden Diskussionen, vor allem bei der zur Reform der Orden, beeindruckend große Aufmerksamkeit: Sie wurden von den Konzilsvätern entweder im Allgemeinen gelobt oder ihre strenge Armutsauffassung wurde im Besonderen hervorgehoben. Es ist anzunehmen, dass beim Lob ihrer Lebensweise auch ihre seelsorgerische Arbeit mitgedacht war. Während diese (vor allem als Predigt, als Almosensammeln für die Armen und als Krankenpflege) von den Kapuzinern spätestens seit ihrer Annahme der Römischen Konstitutionen 1536 betont ausgeübt wurde, 117 stand sie bei den Jesuiten von Anfang an im Vordergrund ihrer Tätigkeiten. Gerade die Sorge um das Heil des Menschen ist es auch, worauf sich laut den Konzilsvä- tern die gesamte katholische Kirche in Zukunft ausrichten sollte. 118 Damit dies gelingen konnte, wurden im Diözesanbereich zahlreiche Reformmaßnahmen ergriffen, beginnend mit Einführung der Residenzpflicht für Bischöfe. Im Folgenden sollen die drei wohl wichtigsten Regelungen kurz erörtert werden. 116 Nach der letzten, der 25. Sitzung des Konzils, die am 4. Dezember 1563 stattfand, sind die Dekrete von insgesamt 255 Konzilsvätern unterzeichnet worden: von P. Tommaso da Città di Castello für die Kapuziner und von Diego Laínez für die Jesuiten. 117 Vgl. oben S. 73. 118 Vgl. Zollitsch 2015, 18f. 95 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen Vor dem Trienter Konzil war die Seelsorge aus den Tätigkeitsfeldern der Kirche beinahe verschwunden. Einer der Hauptgründe dafür lag in der Abwesenheit der Bischöfe von ihren eigenen Diözesen: Damals saßen die Bischöfe zu Dutzenden an der Römischen Kurie, in Venedig, am französischen Hofe, befangen in dem entsetzlichen Wahn, das Bischofs-amt sei ein Ehrentitel und eine finanzielle Versorgung, der damit verbundenen Seelsorgspflicht könne man sich durch Bestellung eines Vikars und eines Weihbischofs ruhig entledigen. Das Bewusstsein der apostolischen Aufgabe war einer erschreckend großen Zahl dieser Männer fast verloren gegangen.119 Um den Missstand zu beheben, ordnete das Konzil die Residenzpflicht für Bischöfe an: Sie sollte dabei helfen, die Lage in den Diözesen besser zu bewachen, aber auch eine wirkungsvolle, den jeweiligen Bedürfnissen der Menschen entsprechende Seelsorge zu gestalten. Dies wurde Teil eines neuen, in den Konzilssitzungen entworfenen Bischofsmodells. Es soll u.a. Gian Matteo Giberti, dem oben erwähnten und nur zwei Jahre vor dem Konzilsbeginn verstorbenen Bischof von Verona, 120 nachempfunden worden sein: [Giberti] baute […] gegen zahlreiche Widerstände systematisch die Seelsorge aus, beginnend mit der Hebung des Klerus durch eine Priesterbruderschaft und Vorlesungen zur Weiterbildung, Ausbau eines schon vorhandenen Internates zu einem Priesterseminar, Anlage von Familienmatrikeln in den Pfarreien, Organisation der Predigt und der Christen- und Kinderlehre, Gründung eines karitativen Vereins (Societas caritatis), wo Bischof und Pfarrer mit Laien zusammenarbeiteten.121 Für die Konzilsväter soll Giberti „Beispiel eines guten Hirten“122 gewesen sein. Nun wurde in den Konzilsdekreten die Rolle des Bischofs 119 Jedin 1966, 113. 120 Vgl. oben Anm. 26. 121 Glazik et al. 1967, 459f. 122 Ebd., 460. So heißt auch der Titel von Gibertis Biografie, die von seinem Sekretär Pietro Francesco Zini (1520–1574) verfasst wurde. Vgl. ders. 1556. 96 4 Große transnationale kulturelle Netzwerke: der Orden der Minderen Brüder Kapuziner und die Gesellschaft Jesu tatsächlich als die eines ‚Hirten‘123 angesehen. Dort steht u.a., dass die Bischöfe ihre Gläubigen „in Gerechtigkeit und Wahrheit […] wei-den und […] führen“124 sollten, gleichzeitig sollten sie „eingedenk […] sein, dass sie Hirten sind und keine brutalen Unterdrücker“125 (Herv. J.D.). 126 Von den Maßnahmen, die vom Konzil zur Stärkung der Seelsorge getroffen wurden, sollen noch zwei weitere erwähnt werden: die Hebung der Predigt und die Verbesserung der Ausbildung für künftige Geistliche. Was die Predigt betrifft, wird sie in den Konzilsdekreten als Amt bestimmt, das „Hauptaufgabe der Bischöfe ist“127. Es ist also der Bischof, der für die Predigt die Verantwortung trägt und der darüber hinaus dafür zuständig sein sollte, anderen, ihm untergeordneten Geistlichen seine Zustimmung zu geben, bevor sie beginnen, in seiner Diözese zu predigen. 128 Laut den Konzilsvätern sei die Predigt „ebenso notwendig“129 wie die Vorlesung des Evangeliums. Um ihre volle Wirkung zu entfalten, sollten Prediger die ihnen anvertrauten Leute entsprechend ihrer eigenen Auffassungskraft und der der Leute mit segensreichen Worten nähren. Sie lehren, was für alle 123 Das Bild des (guten) Hirten kommt in der Bibel u.a. im Johannesevangelium vor. Dort steht es für Jesus, der in einer großen Gleichnisrede zweimal von sich selbst sagt: „Ich bin der gute Hirte.“ Joh 10,11.14. Die Bibel wird in der vorliegenden Studie nach deren Einheitsübersetzung aus dem Jahr 2016 zitiert. Vgl. Die Bibel 2016. 124 „Das Konzil von Trient. 1545–1563“ 2002, 744. 125 Ebd., 698. 126 Vgl. Conrad, Anne 2017, online unter: http://www.imprimatur-trier. de/2017/Imprimatur-2017-03_3.pdf (zuletzt abgerufen am 11.11.2020). 127 „Das Konzil von Trient. 1545–1563“ 2002, 763. 128 Vgl. ebd., 670; 763. 129 Ebd., 669. 97 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen zu wissen heilsnotwendig ist, und legen ihnen kurz und leicht verständlich die Laster dar, die sie meiden, und die Tugenden, nach denen sie streben sollen, damit sie der ewigen Strafe entgehen und die himmlische Herrlichkeit erlangen können.130 Während die Predigt grundsätzlich „so oft wie möglich ausgeübt“131 werden durfte, sollte sie wenigstens an allen Sonn- und Festtagen132 gehalten werden. Jenseits dieser Regelmäßigkeit scheint es jedoch ein weiteres äußerliches Moment zu geben, das zum „Heil der Gläubigen“133 beitragen sollte: Im Gegensatz zur Messe, die laut den Dekreten zumindest zum Teil in lateinischer Sprache gehalten werden musste, 134 wurden der Predigt keine solchen Beschränkungen auferlegt; ihr Inhalt sollte vielmehr für alle Gläubigen gut verständlich sein. Um die Ausbildung der künftigen Geistlichen zu verbessern, beschlossen die Konzilsväter, dass [d]ie einzelnen Kathedral-, Metropolitan- oder noch größeren Kirchen […], je nach ihren Möglichkeiten und der Größe der Diözese, gehalten [sind], eine bestimmte Anzahl an Jungen der Stadt und der Diözese oder – wenn es dort nicht genügend gibt – der Provinz in einem Kolleg, das der Bischof dafür nahe bei diesen Kirchen oder an einem anderen passenden Ort aussucht, zu verpfle-gen, religiös zu erziehen und in den kirchlichen Lehren zu unterrichten.135 Jungen, die ein solches Kolleg besuchen wollten, mussten ehelich ge-boren, zumindest zwölf Jahre alt und bereits lese- und schreibkun-dig sein. 136 Einen vorrangigen Aufnahmeanspruch sollten die unter 130 Ebd. 131 Ebd., 763. 132 Vgl. ebd., 669; 763. 133 Ebd., 763. 134 Vgl. ebd., 735; 764. 135 Ebd., 750. 136 Vgl. ebd. 98 4 Große transnationale kulturelle Netzwerke: der Orden der Minderen Brüder Kapuziner und die Gesellschaft Jesu ihnen haben, die aus armen Verhältnissen stammten, obwohl auch andere Jungen, sofern ihre Eltern für ihre Ausbildung aufkommen würden, am Kolleg zugelassen werden durften. 137 Das Lernprogramm der angehenden Priester sollte grundsätzlich folgende Punkte enthalten: Zur angemesseneren Unterweisung in der kirchlichen Disziplin tragen sie sofort die Tonsur und das klerikale Gewand und lernen Grammatik, Gesang, kirchliche Zeitrechnung und die Fertigkeit in anderen guten Künsten. Die Heilige Schrift, die kirchlichen Bücher, die Predigten der Heiligen, auch die Formen der Sakramentenspendung – besonders was zum Hören der Beichten hilf-reich erscheint – sowie der Riten und Zeremonien lernen sie auswendig.138 Laut den Konzilsdekreten sollte ein Priesterkolleg so funktionieren, dass die Jungen, sobald sie eine gewisse Reife erreichten, vom Bischof mit dem Dienst an Kirchen beauftragt und durch neue Kollegiaten ersetzt werden sollten. 139 Ein solches Seminar (lat. ‚semen‘ = ‚Samen‘), eine solche „Samen-“ oder „Pflanzstätte“140 wäre somit imstande, stets neue, zur Seelsorge entsprechend ausgebildete Priester hervorzubringen. 141 4.3.2 Zwei weitere Momente: die Neuartigkeit und die hohe Mobilität Mit der Darlegung der Frühgeschichte der Kapuziner und der Jesuiten, der Beschreibung und Beurteilung ihrer Rolle auf dem Konzil 137 Vgl. ebd. 138 Ebd., 751. 139 Vgl. ebd., 750. 140 Ebd., 751. 141 Vgl. ebd. 99 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen von Trient und der Herausstellung der Bedeutung der Seelsorge für die Konzilsväter wie für Kapuziner und Jesuiten konnten wir uns der Beantwortung der Ausgangsfrage dieses Kapitels etwas annähern: Wie konnten gerade die beiden kirchlichen Orden zu den Hauptvertretern der Gegenreformation und katholischen Erneuerung werden? 142 Neben ihrer Hingabe an Gläubige sollen nun noch zwei weitere Umstände kurz beleuchtet werden, die vermutlich in gleichem Maße zu ihrem besonderen Status beigetragen haben: das Neusein der Kapuziner und Jesuiten sowie ihre räumliche Beweglichkeit. Das erste Moment ist offensichtlich und bedarf kaum einer nä- heren Erklärung: Im Gegensatz zu den meisten anderen Ordensgemeinschaften galten die Kapuziner und Jesuiten zur Zeit der Trienter Konzils als neue politische Akteure, die keine Lasten der alten, vortri-dentinischen Kirche mit sich trugen; die Kapuziner wurden schließ- lich erst 1528, die Jesuiten erst 1540 gegründet. 143 Was nun ihre Mobilität angeht, stellt diese ebenso ein Merkmal dar, das die Kapuziner und Jesuiten von den meisten anderen Orden unterscheidet. Als Beispiel dafür soll im Folgenden der Missionsweg nachgezeichnet werden, der von den Kapuzinern unter der Leitung von P. Laurentius von Brindisi (1559–1619), dem späteren Generalvikar des Ordens, 144 von 1599 bis 1607 zurückgelegt wurde. 4.3.2.1 Die Mission des Laurentius von Brindisi Im Unterschied zu den Jesuiten, die bereits 1540, noch vor ihrer päpstlichen Anerkennung als Orden, begonnen hatten, sich auch au-142 Vgl. oben S. 63. 143 Vgl. oben S. 66; 84. 144 Zu P. Laurentius vgl. LThK, Bd. 6, Sp. 684f. 100 4 Große transnationale kulturelle Netzwerke: der Orden der Minderen Brüder Kapuziner und die Gesellschaft Jesu ßerhalb Italiens auszubreiten, 145 war den Kapuzinern bis 1574 verwehrt, die Apenninenhalbinsel zu verlassen. Die Observanten, die jahrelang vergeblich versuchten, ihre einstigen Mitglieder zwangs-weise zu deren Stammorden zurückzuführen, 146 erwirkten 1537 ein Breve, mit dem Papst Paul III. den Kapuzinern verbot, „[sich] in die Gebiete jenseits der Alpen zu begeben und dort Niederlassungen anzunehmen“147. Erst nach dem Konzil von Trient, auf dem der neue Orden bemerkenswerte Aufmerksamkeit gewann, 148 und nachdem er sich durch seinen seelsorgerischen Einsatz im 5. Venezianischen Türkenkrieg bewähren konnte, 149 ließ Papst Gregor XIII. (1502– 1585) den Beschluss seines Vorgängers revidieren. Mit der Bulle Ex nostri pastoralis officii, die am 6. Mai 1574 erging, öffnete sich für die Kapuziner die Tür zur ganzen Welt: Unserer Hirtenaufgabe verpflichtet, gewähren Wir gerne Aufmerksamkeit all dem, was sich zur Ausbreitung einzelner Ordensgemeinschaften empfiehlt, und dies am meisten, wenn es sich um Orden handelt, die in bestimmten Gebieten auf Grund einer besonderen Verehrung durch das Volk gewünscht werden. Nun wird das Begehren vorgebracht, dass die Kongregation des Ordens der Minderbrüder Kapuziner, die sich in Italien seit längerem kräftig und nutz-bringend entwickelt und die nun auch in Gebieten Frankreichs, insbesonders [sic!] in der erhabenen Stadt Paris, Fuß zu fassen begonnen hat, dort sich voll einrichten könne. […] 145 Vgl. oben Anm. 70. 146 Vgl. oben S. 70–74. 147 Paul III. 2003, 138. Das Verbot wurde durch das Breve Boni pastoris, das Papst Julius III. 1550 erließ, erneuert. 148 Vgl. oben S. 90–92. 149 Hier sei vor allem auf dessen Einsatz 1571 in der Schlacht von Lepanto hingewiesen, bei der auf Geheiß von Papst Pius V. (1504–1572) und unter der Leitung von P. Girolamo da Pistoia, einem der Teilnehmer am Konzil von Trient, etwa 30 Kapuziner als Militärkapläne mitgewirkt haben. Seitdem fungierten sie als die ordentlichen Kapläne der päpstlichen Flotte. Vgl. Iriarte 1984, 211; sowie Cuthbert 1928, 188–190. Zum 5. Venezianischen Türkenkrieg vgl. Jorga 1990, Bd. 3, 137–161. 101 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen In der Absicht, den Orden zu fördern, […] geben [Wir] ihnen die Erlaubnis, sich in die Gebiete Frankreichs und der ganzen Erde auszubreiten, mit dem Recht, dort Häuser, Niederlassungen, Kustodien und Provinzen nach ihrem Brauch zu gründen und zu errichten.150 (Herv. J.D.) Noch im selben Jahr folgten die Kapuziner der Einladung des französischen Königs Charles IX. (1550–1574) nach Paris, wo sie nach seinem plötzlichen Tode an dessen Begräbnis teilnahmen, und von seiner Mutter, der Königin Regentin Caterina de’ Medici, empfangen wurden. 151 Ab 1578 folgten weitere Gründungen in Spanien, ab 1581 in der Schweiz. 152 Die zweite Ausbreitungsphase der Kapuziner jenseits der Alpen richtete sich auf deutschsprachige europäische Gebiete – mit demselben Ziel: In Germany, as in France, the friaries became centres of an intense missionary activity both for the revival of the faith of the indifferent Catholics and for the combating of […] Protestantism […].153 Nachdem sie 1593 in Innsbruck angekommen waren, 154 bezogen die Kapuziner bereits im folgenden Jahr ihr dortiges, ihnen von Ferdinand II. (1529–1595), dem Erzherzog von Österreich, zur Verfügung gestelltes Kloster. 155 1594 ließen sie sich in Salzburg156 und 1600 in 150 Gregor XIII. 2003, 139f. 151 Vgl. Cuthbert 1928, 203; sowie oben Anm. 12. 152 Vgl. Cuthbert 1928, 213f. 153 Ebd., 290. 154 Vgl. ebd., 284. 155 Vgl. Benedik 1973, 42; 44. Das Innsbrucker Kapuzinerkloster gilt als das älteste im deutschsprachigen Raum. 156 Vgl. Drenas 2018, 57. 102 4 Große transnationale kulturelle Netzwerke: der Orden der Minderen Brüder Kapuziner und die Gesellschaft Jesu München nieder. 157 1599 wurde P. Laurentius von Brindisi, der für die europäische Ost-Erweiterung des Ordens zuständige158 General-definitor159, beauftragt, auf Bitten von Zbyněk Berka von Duba und Leipa (1551–1606), dem Erzbischof von Prag, eine größere Mission dorthin zu führen. 160 In Prag waren zu jener Zeit die meisten Gläubigen Hussiten, Lutheraner und Calvinisten, 161 P. Laurentius bezeichnet sie hingegen wie folgt: [P]oco meno che tutti erano heretici nemici capitali della croce di Christo e della religion catholica [. .].162 Im Sommer 1599 versammelte also P. Laurentius in Venedig163 zehn seiner Mitbrüder, um zusammen den langen Weg über Verona, Trient und den Brennerpass einzuschlagen: P. Francesco da Taranto, P. Mariano da Alcamo (ca. 1555–1621), P. Vittorio da Vicoli, P. Ambrogio da Urbino (–1600), P. Francesco da Ascoli Piceno, Angelo da Fano, P. Ambrogio da Firenze, P. Bertrando da Udine (–1614), Giulio da Cividale del Friuli und Giulio da Venezia. 164 Ihre erste Station war ihr Kloster in Innsbruck, wo sich ihnen zwei weitere Mitbrüder anschlos-sen: P. Angelus von Neumarkt und P. Gabriel von Innsbruck. 165 Am 28. August, nach etwa zwei Monaten Fußmarsch166 am Inn und an 157 Vgl. Cuthbert 1928, 284. 158 Vgl. Kuster 2010, 39; 43. 159 Zum ‚Definitor‘ vgl. LThK, Bd. 3, Sp. 57. 160 Vgl. Benedik 1973, 46f.; 52f. 161 Vgl. ebd., 51. 162 Laurentius 1963, 93. 163 Vgl. Cuthbert 1928, 288; sowie Kuster 2010, 47. 164 Vgl. Benedik 1973, 54. 165 Vgl. ebd.; Arturo M. 1960; sowie Kuster 2010, 47. 166 Sowohl laut den Verordnungen von Albacina (1528) als auch laut den Konstitutionen von Rom (1536) sollten die Kapuziner grundsätzlich 103 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen der Donau entlang, traf die dreizehnköpfige Gruppe in Wien ein. 167 Während ein Großteil wegen Krankheit dort bleiben musste, zogen P. Laurentius und vier seiner Mitbrüder nach einem Monat weiter. 168 Am 13. November erreichten sie schließlich Prag. 169 Nachdem in der Stadt ein passender Ort für das Kloster gefunden wurde, folgte am 23. Mai 1600 die Grundsteinlegung. 170 Zu diesem Anlass führten die Kapuziner eine Prozession auf, bei der von der Domkirche durch den Hradčany bis an die Grenze der kai-serlichen Gärten ein großes Kreuz mitgetragen wurde. 171 Eine Beschreibung dieser Feier findet sich u.a. im Tagebuch des damaligen Oberstkanzlers von Böhmen Zdeněk Vojtěch Popel von Lobkowitz (1568–1628): Um 9 Uhr nach abgehaltenem Gottesdienste in der Cathedralkirche wurde in Procession von den P.P. Kapuzinern das Missionskreuz getragen, und nachdem der päpstliche Nuntius die Messe celebrirt und den Ort eingeweiht hatte, das Kreuz aufgerichtet. Gott sei gepriesen!172 Obwohl das Hauptziel der Mission des P. Laurentius darin bestand, die Kapuziner nach Prag zu bringen, um dort durch ihre Seelsorge-immer zu Fuß reisen. In Artikel 28 des letztgenannten Dokuments ist bspw. Folgendes dazu formuliert: „Damit wir noch unbehinderter auf dem Weg der göttlichen Gebote voranschreiten können, ordnen wir an, dass in unseren Niederlassungen keine Tiere, vor allem keine Pferde gehalten werden; bei offenbarer Not reite man nach dem Beispiel Christi und dem seines Nachahmers Franziskus auf einem Esel, damit unser Leben auf diese Weise immer den demütigen Christus verkündet.“ „Konstitutionen 1536“ 2003, 185. 167 Vgl. Kuster 2010, 48; sowie Benedik 1973, 54. 168 Vgl. ebd., 55. 169 Vgl. ebd. 170 Vgl. ebd., 56f. 171 Vgl. ebd.; sowie Cuthbert 1928, 288. 172 Lobkowitz 1963. 104 4 Große transnationale kulturelle Netzwerke: der Orden der Minderen Brüder Kapuziner und die Gesellschaft Jesu tätigkeit bei der Bekämpfung des Protestantismus sowie bei der Stärkung des katholischen Glaubens Hilfe zu leisten, hatte die Sendung auch für den Orden selbst weitreichende Folgen. Im Juli 1600, zwei Monate nach der Gründung des Prager Klosters, wurde in der Wiener Vorstadt St. Ulrich auf Bitten des Erzbischofs Melchior Khlesls (1552–1630) ein weiteres Kapuzinerkonvent gegründet. 173 Und am 10. August, zwei Tage nachdem Ferdinand (1578–1637), Erzherzog von Innerösterreich und späterer Kaiser Ferdinand II., über 10.000 protestantische Bücher am Fuß des Schlossberges in Graz öffentlich hatte verbrennen lassen, 174 fand an demselben Ort die Grundstein-legungsfeier für das erste steirische Kapuzinerkloster statt. 175 Durch die Gründung der Klöster in Prag, Wien und Graz konnte so noch im Jahr 1600 ein großes, das sogenannte Österreichisch-böhmisch-steirische Kommissariat der Kapuziner entstehen. 176 Darüber hinaus wirkten die zwölf Brüder aus der Mission des P. Laurentius in den folgenden Jahren auch bei der weiteren Ausdehnung des Kapuzinerordens in Mitteleuropa mit. 177 Auf slowenischem Gebiet bspw. gilt als unmittelbarer Mitgründer des ersten Kapuzinerklosters P. Bertrando da Udine. 178 Das erste Kommissariatskapitel, dass am 9. Mai 1606 im Wiener Kloster stattfand, beschloss nämlich, ihn und P. Damasceno da Venezia, der in den Jahren 1604 und 1605 als Guardian des Grazer Klosters wirkte, auf Bitten von Tomaž Hren, des Bischofs von Ljubljana, dorthin zu 173 Vgl. Benedik 1973, 59. 174 Vgl. Dedic 1930, 139. 175 Vgl. Benedik 1973, 60. 176 Vgl. ebd., 47. Zum Österreichisch-böhmisch-steirischen Kommissariat vgl. Lexicon Capuccinum 1951, Sp. 1647. 177 Vgl. Benedik 1973, 47; 58. 178 Vgl. ebd., 59. 105 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen entsenden. 179 Bald nachdem sie in Ljubljana, am südlichen Stadttor außerhalb der Stadtmauer, einen passenden Ort für das neue Kloster gefunden hatten, kam es am 25. April 1607 zur feierlichen Grundsteinlegung. 180 So wie bereits in Prag wurde davor eine Prozession mit einem großen Missionskreuz aufgeführt. 181 179 Vgl. ebd., 75; 77. Näheres über die Kapuziner erfuhr Bischof Hren durch seine Kontakte zu Erzherzog Ferdinand und zum Nuntius in Graz Girolamo Portia (1559–1612). Vgl. ebd., 74. Eben diesem wurde die Ehre zuteil, 1600 im Beisein des P. Laurentius den Grundstein zum Grazer Kapuzinerkloster zu legen. Vgl. Peinlich 1882, 17. 180 Vgl. Benedik 1973, 75; 78f. 181 Vgl. ebd., 80. 106 2 Auf der Suche nach einer Vorlage: eine kritische Betrachtung 107 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen 108 2 Auf der Suche nach einer Vorlage: eine kritische Betrachtung 5 Prozessionen, Bußprozessionen, Karfreitagsprozessionen Eine ungewöhnlich hohe Mobilität, die den kulturellen Transfer und die Entwicklung von transnationalen kulturellen Netzwerken fördert; das Neusein im Vergleich zu den meisten anderen kirchlichen Orden im 16. Jahrhundert; ein starker seelsorgerischer Einsatz, wie das Konzil von Trient ihn auch generell von der Geistlichkeit forderte: Das sind die zentralen Aspekte und Eigenschaften, die die Kapuziner und die Jesuiten allmählich zu den Hauptvertretern der Gegenreformation und der katholischen Erneuerung werden ließen. Hinsichtlich des seelsorgerischen Moments wurde in den vorigen Abschnitten mehrmals die Bedeutung der Predigt erwähnt. 1 Während diese jedoch schon vor dem Trienter Konzil einen festen Platz in den Tätigkeitsfeldern beider Orden hatte, kann man als typisch nachtridentinisch vor allem einen anderen Bereich ihrer Seelsor-gearbeit betrachten: das Aufführen von Prozessionen und somit auch das Aufführen von Karfreitagsprozessionen. In Kapitel 1 wurde diesbezüglich bereits der Karfreitagsumzug, wie P. Romualds Text ihn beabsichtigt hatte, exemplarisch vorgestellt. Jetzt spätes-1 Vgl. Abschnitt 4.1, S. 66; 74; 4.2, S. 80; 4.3, S. 89; 91; sowie 4.3.1, S. 96–99. 109 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen tens stellt sich die Frage, wie Karfreitagsprozessionen sich begriff-lich ins Prozessionswesen einordnen lassen. Doch zuvor gilt es noch zu klären, worum es sich überhaupt handelt, wenn wir von einer Prozession reden. 5.1 Die Prozession: Begriffsbestimmung und historische Einordnung Etymologisch kommt das Wort ‚Prozession‘ vom lateinischen ‚processio‘, dem Vorwärtsschreiten, 2 und darüber hinaus von ‚procedere‘, was wiederum nichts anderes heißt als ‚vorwärtsgehen‘, ‚vorgehen‘, ‚hervorgehen‘, ‚auftreten‘ oder ‚erscheinen‘. 3 Im Hinblick auf das Phä- nomen der Prozession, das in den Religionen fast aller Epochen und Kulturen bekannt ist, 4 fallen seine jeweiligen religionswissenschaft-lichen Bestimmungen sehr ähnlich aus. So ist unter ‚Prozession‘, dem Lexikon für Theologie und Kirche zufolge, die „rituelle, geordnete u. zielgerichtete lineare Bewegung einer Gruppe v. Gläubigen in gemä- ßigtem Tempo“5 zu verstehen. Und in der einschlägigen, vom Religi-onswissenschaftler Mircea Eliade herausgegebenen Encyclopedia of religion liest man bspw. Folgendes dazu: PROCESSION is the linearly ordered, solemn movement of a group through chartered space to a known destination to give witness, bear an esteemed object, perform a rite, fulfill a vow, gain merit, or visit a shrine.6 2 Vgl. LThK, Bd. 8, Sp. 678. 3 Vgl. Dörrer 1957, 1. 4 Vgl. LThK, Bd. 8, Sp. 678. 5 Ebd. 6 Eliade (Hg.) 1995, 1. 110 5 Prozessionen, Bußprozessionen, Karfreitagsprozessionen Die Bewegung, bei der sich „[n]icht der einzelne […] so [bewegt], wie es seine Beweglichkeit, Phantasie und Ausdruckskraft erlauben […][,] sondern eine Gruppe […] sich nach festgelegten Regeln [bewegt], die dem einzelnen wenig Spielraum lassen“7, scheint das Hauptmerkmal aller Prozessionen zu bilden: den Eindruck der Zugehörigkeit zur Gemeinschaft8, der Zusammengehörigkeit9, ja der Gebundenheit, die für die Bewegung selbst, für die Reihung der Teilnehmer sowie für den Weg gilt, der im Laufe der Prozession beschritten wird. 10 Dem kann sich – sowohl bei den Teilnehmern als auch den Zuschauern – das Gefühl einer Notwendigkeit, ein Gefühl eines ‚So-ist-es-und-nicht-anders‘ anschließen, mit dem nicht nur die Macht der Prozes-sionsgruppe, sondern auch die Macht der Institution, die hinter der Prozession steht, demonstriert und ausgestellt wird. 11 Was für Prozessionen im Allgemeinen gilt, lässt sich entsprechend auch für christliche Prozessionen im Besonderen sagen. Historisch gesehen sind diese aus mehreren antiken Vorläufern hervorgegan-gen: zum einen aus kultischen Prozessionen der griechischen Polis12, zum anderen aus den römischen Festzügen (lat. ‚pompae‘)13, Flurumgängen (lat. ‚ambarvalia‘)14 und Stadtumgängen (lat. ‚am-burbia‘)15. Dennoch wurde ihr Ursprung von der römisch-katholischen Kirche oft – vor allem, wenn sie ihr Bestehen verteidigen 7 Felbecker 1995, 473. 8 Vgl. ebd., 474. 9 Vgl. Flanigan 2001, 39. 10 Vgl. Kirchner 1985, 27. 11 Vgl. ebd., 28; sowie Flanigan 2001, 39. 12 Vgl. Kubatzki 2013, 40–60. 13 Zu ‚pompa‘ vgl. Cancik et al. (Hg.) 2001, Sp. 478–480. 14 Zu ‚amburbium‘ vgl. Cancik et al. (Hg.) 1996, Sp. 577. 15 Zu ‚ambarvalia‘ vgl. ebd.; Wainwright 1974, 16; sowie LThK, Bd. 8, Sp. 679. 111 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen musste – an biblische Stellen geknüpft; 16 so wurden aus dem Neuen Testament u.a. der Einzug Jesu in Jerusalem zitiert (Mt 21,1–11; Mk 11,1–11; Lk 19,28–44; Joh 12,12–19), 17 der Gang der drei Marien zum Grab (Mk 16,2; Lk 24,1)18 sowie die Rückkehr der Apostel nach Jerusalem nach der Himmelfahrt Jesu (Apg 1,12). 19 Damit hat die Kirche nicht nur versucht, auf die angeblich historische Grundlage ihrer eigenen Prozessionen hinzuweisen. In umgekehrter Perspektive, gleichsam aus der Bibel ins Zukünftige gedacht, konnten diese außerdem als Wiederholung, ja als Wiederkehr von archetypisch mythischen Ereignissen gedeutet werden. 20 5.2 Die Škofjeloški pasijon als Bußprozession Was nun die Karfreitagsprozessionen betrifft, wurden sie bei unserer Gegenüberstellung des Umzuges zu Mariä Himmelfahrt, der 1554 in Wien stattfand, und der Škofjeloški pasijon mit Blick auf das christliche Prozessionswesen den Bußprozessionen unterstellt. 21 Das schien schon deshalb unausweichlich, da Karfreitagsprozessionen logischer-weise nur in der Karwoche, d.h. in der letzten Woche der österlichen Bußzeit22, der „klass. Bußzeit der Kirche“23, aufgeführt werden konnten. Wollte man ‚Buße‘ als „Trauer über die Sünde u. Abkehr 16 Vgl. Sengpiel, 1932, 9; Wainwright 1974, 16; sowie Flanigan 2001, 42f. 17 Vgl. Sengpiel 1932, 9. 18 Vgl. ebd.; sowie Wainwright 1974, 16. 19 Vgl. ebd. 20 Vgl. Flanigan 2001, 43. 21 Vgl. Abschnitt 2.2.1, S. 37f. 22 Zur ‚österlichen Bußzeit‘ vgl. LThK, Bd. 7, Sp. 1174–1176. 23 LThK, Bd. 2, Sp. 858. 112 5 Prozessionen, Bußprozessionen, Karfreitagsprozessionen v. Bösen“24 verstehen, so stellt gerade der Umzug, wie P. Romuald ihn vorsah, ein anschauliches Beispiel einer Bußprozession dar. 25 Das legt u.a. der undatierte chronikalische Bericht nahe, der im Kodex der Škofjeloški pasijon mit „Über die Karfreitagsprozession. Den künftigen Epochen zur Kenntnisnahme“ betitelt wurde. Wie bereits angemerkt, 26 ist darin ausdrücklich festgelegt, dass die Karfreitagsumzüge von Škofja Loka künftig „zum ehrenden Gedenken ans bittere Leiden unseres Herrn Jesu Christi“27 aufgeführt werden sollten. Weiter im Kodex ist in dem oben ebenfalls schon erwähnten, 28 un-datierten und für Pfarrer bestimmten Einladungsbrief zu lesen, dass man die Karfreitagsprozessionen von Škofja Loka eingeführt hatte, „ut Corda fidelium in […] detestationem flagitiorum inflament“29, „damit die Herzen der Gläubigen sich in Buße für ihre Sünden entzünden“. 30 Der Bußcharakter, der die Škofjeloški pasijon prägen sollte, wird aber nicht zuletzt auch aus dem Dramentext selbst ersichtlich. Zum einen sieht dieser in sechs seiner ‚Figuren‘ einen Auftritt von Büßern vor. Wie zuvor erwähnt, 31 werden diese in den Regieanweisungen ‚Eremiten‘, ‚Kreuzzieher‘ oder ‚Disziplinanten‘ genannt: „ Volgen aniezo die Disciplinanten, vnd Creüz züeher, nach der Pro-24 Ebd., Sp. 857. 25 Erstaunlicherweise sucht man im Lexikon für Theologie und Kirche vergebens nach einem eigenen Eintrag zur Bußprozession. Ohne weitere Erläuterung oder Einordnung wird jener Begriff in einigen anderen Lexikoneinträgen zumindest erwähnt, bspw. unter ‚Bußpredigt‘ und ‚Volksmission‘. Vgl. ebd., Sp. 838f.; sowie LThK, Bd. 10, Sp. 868. 26 Vgl. Abschnitt 2.2.1, S. 37. 27 ŠP, 12. 28 Vgl. Kapitel 1, Anm. 13. 29 ŠP, 167. 30 Vgl. ebd., 270; 278; 282. 31 Vgl. Abschnitt 2.2.1, S. 37. 113 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen portion“32; oder: „ Volgen alhier ersten die Eremiten mit denen Rothen Creüzen auf denen öxlen schwarz angethan“33. Zum anderen wird in der Škofjeloški pasijon beinahe in jedem Schritt zur Buße angeregt. Dies geschieht nicht nur, indem einige Figuren – z.B. Judas Is-kariot34, Hieronymus35 und Maria Magdalena36 – ihre eigenen Sünden bekennen, um sie danach teils aufs Heftigste zu beklagen und zu beweinen. Darüber hinaus wird der Zuschauer in P. Romualds Text ganz direkt aufgerufen, Buße zu tun. Dies kann wiederum mehr oder weniger streng ausfallen. Im letzteren Fall wird er – fast immer als ‚Sünder‘37, ‚sündiger Mensch‘38 oder ‚sündige Seele‘39 – eher nur ermahnt, angesichts dargestellter Szenen über seine Sünden nach-zudenken – wie z.B. in Flagelatio, der sechsten ‚Figur‘ der Škofjeloški pasijon, in der der zweite Engel folgende Rede hält: Ah ti pregreshni zhlouek kam ti toia pamet obernesh, de Sam sebe uteh posuetnih lushtah Sagernesh, Poglei kai toiga odreshenika kosta toia dushiza, Spouni na negou gaishlaine koku se on uiza, ti na leto mallo alli zhel nezh na ahtash, temuzh po toih Smerdliuich shelach trachtash, alli Spomisli de leto usse terpleine od tebe pride, de so restergani ussi toiga lubiga Jesusa glidie.40 (Herv. J.D.) Ah du sündiger Mensch, wohin wendest du deinen Verstand, dass du dich selbst mit diesen weltlichen Lüsten umhüllst. 32 ŠP, 86. 33 Ebd., 89. Vgl. 77; 81; 109; 117. 34 Vgl. ebd., 69f. 35 Vgl. ebd., 86; 89. 36 Vgl. ebd., 105. 37 Vgl. ebd., 29f.; 33f.; 37f.; 41; 45; 65f.; 69f.; 81f.; 85; 90; 94; 97f.; 101f.; 110; 113. 38 Vgl. ebd., 49f.; 101. 39 Vgl. ebd., 26; 38. 40 Ebd., 81. 114 5 Prozessionen, Bußprozessionen, Karfreitagsprozessionen Siehe an, was deine kleine Seele deinen Erlöser kostet! Gedenke seiner Geißelung, wie er sich quält. Du achtest darauf wenig oder gar nicht, sondern du trachtest nach deinen übelriechenden Wünschen. Denke jedoch darüber nach, dass all dieses Leid von dir kommt, dass alle Glieder deines lieben Jesu zerrissen sind.41 (Herv. J.D.) In Coronatio z.B., der siebten Szene, wird diese Ermahnung vom zweiten Engel noch klarer formuliert: Oh Greshnik Spremisli toih grehou ostudnost, ter poglei na toiga odreshenika pohleunost, Koku shpotliu ie on kronan inu Sapluan, De leti biu Supet unebessa perpellan.42 (Herv. J.D.) Oh Sünder , denke über die Scheußlichkeit deiner Sünden nach, und erkenne die Sanftmut deines Erlösers an! Wie spöttisch er gekrönt ist und bespuckt, damit du wieder in den Himmel gebracht werdest.43 (Herv. J.D.) Eine strengere Art, den Zuschauer der Škofjeloški pasijon zur Buße zu bewegen, steckt u.a. in der Forderung, er solle über seine Sünden nicht nur nachdenken, sondern sich von ihnen abkehren. In Paradisus etwa, der allerersten Szene, kommt jene Aufforderung vom dritten Engel, der während des Sündenfalls zugegen war: Greshna dusha ti imash poslushat, ia toiga Boga nikar taku Skushat, Raunu tebi Se ima tudi pergoditi, kir ti Se na massash to pregreho sturiti, Samoresh to Nebesku kralestuu Sgubiti, inu ta paklenski ogen saslushiti, odstopi tedai od te pregreche Taku napridesh vte uezhne kehe, 41 Wörtliche Übersetzung. 42 ŠP, 82. 43 Wörtliche Übersetzung. 115 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen glihi uishi se stem greshnikam sgodi, kateri Sapoudi Boshie nadershi.44 (Herv. J.D.) Du, sündige Seele, solltest zuhören, deinen Gott nicht so versuchen. Gerade dir kann dies genauso zustoßen, weil du es nicht unterlässt zu sündigen. Du könntest das Königreich des Himmels verlieren, und das höllische Feuer verdienen. Verzichte deshalb auf deine Sünden, um nicht in den ewigen Kerker zu kommen. Desgleichen geschieht jenen Sündern, die nicht die Gebote halten werden.45 (Herv. J.D.) Viermal in der Škofjeloški pasijon wird beim Aufruf an den Zuschauer, Buße zu tun, eben dieser Begriff der ‚Buße‘ verwendet. Zum ersten Mal spricht ihn in Paradisus der erste Engel aus, der in der Prozession den Heiligen Rock als Leidenswerkzeug in seiner Hand trägt: Ô Maria Shalostna Mati, pogledai inu se sazhni bati, Angel Sukno Christusoua nessem, Kateriga, gre od pota keruauiga lessem, ô Gresnik pogledai to ti tudi, ieno se skusi to ksueti pokuri obudi, ter Sdaizi toie Smerdliue grehe imas Sapustiti, zhe shelish enkrat usueta nebessa priti.46 (Herv. J.D.) Oh Maria, traurige Mutter, siehe und fange an, dich zu fürchten! Ich, der Engel, trage den Rock Christi, von welchem der blutige Schweiß kommt. Oh Sünder, siehe du das auch und erwache dadurch zur heiligen Buße, und nun entledige dich deiner Sünden, wenn du möchtest, einmal in den heiligen Himmel zu kommen.47 (Herv. J.D.) 44 ŠP, 26; 29. 45 Wörtliche Übersetzung. 46 ŠP, 34. 47 Wörtliche Übersetzung. 116 5 Prozessionen, Bußprozessionen, Karfreitagsprozessionen Nur wenig später wird der Begriff ‚Buße‘ in der Rede des zweiten Engels, der im Umzug einen Hahn als Leidenswerkzeug mit sich trägt, zweimal gebraucht: S petelinam se nam kashe, koku Peter trikrat lashe, petelinouo Stìma, Petra k pokuri opomina, ô greshnik tebe tud ain tizhe, ter kSueti pokuri klizhe, odpre prou toia ushessa, taku poidesh vsueta Nebessa, Diuiza Maria na pomozh klizhi inu prossi, katera nass useli vserzi nossi.48 (Herv. J.D.) Mit dem Hahn wird für uns ersichtlich, wie Petrus dreimal lügt. Des Hahnes Stimme mahnt Petrus zur Buße. Oh Sünder, sie trifft auch auf dich und ruft dich auf zur Buße, sie öffnet eben deine Ohren, so kommst du in den heiligen Himmel. Rufe und bitte die Jungfrau Maria um Hilfe, die uns immer im Herzen trägt.49 (Herv. J.D.) Zuletzt kommt das Wort ‚Buße‘ in Mors, der zweiten ‚Figur‘ der Škofjeloški pasijon, vor. Hier wird es von der Seele gesprochen, die ver-dammt ist und von vier Teufeln an einer Kette gezogen wird: […] och greshni zhlouek Spremissi prou de Sem k meni na pridesh, delei pokuro kir si srou, Sakai Smerti neodidesh.50 (Herv. J.D.) 48 ŠP, 38. 49 Wörtliche Übersetzung. 50 ŠP, 49. 117 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen […] oh sündiger Mensch, denke gut darüber nach, dass du nicht hierher zu mir kommst! Tue Buße, weil du gesund bist, denn dem Tod wirst du nicht entkommen.51 (Herv. J.D.) 5.3 Die Karfreitagsprozession: ihre Entstehung und Wiederbelebung zur Zeit der Gegenreformation Um zu den Karfreitagsprozessionen, die von Kapuzinern und Jesuiten organisiert wurden, zurückzukehren: Sie sind weder die ersten noch die einzigen katholischen Aufführungen, die am Karfreitag in der Art einer Prozession verliefen. Schon vor ihnen bzw. zur gleichen Zeit lassen sich vor allem zwei solcher Erscheinungen ausmachen: zum einen der Kreuzweg, bei dem die Stationen, an denen des Leidens und Todes Jesu gedacht wurde, ebenso in einer Prozession begangen werden konnten; 52 und zum anderen das Heilige Grab, eine Andacht, 53 wie sie etwa im Weltbuch, der ersten Kosmographie in deutscher Sprache, die 1534 vom Theologen Sebastian Franck (1499–1542) verfasst wurde, 54 im Abschnitt „Marterwoch der Römischen Christen“55 dargestellt wird: Am Karfreitag vor Ostern tregt man […] eyn creutz herumb in eyner procession / legt eyn groß gestorben menschen bild inn eyn grab / darbei kniet man / brent ser vil liechter / vnd singt darbei tag vn nacht den Psalter mit abgewech-seltem chor / besteckt das grab mit feihel vnnd allerley blumen / opffert darein gelt / eyer / fladen rc. biß diß bild erstehet.56 51 Wörtliche Übersetzung. 52 Zum ‚Kreuzweg‘ vgl. LThK, Bd. 6, Sp. 466–468. 53 Zum Brauchtum des heiligen Grabes vgl. LThK, Bd. 4, Sp. 1322f.; Kroesen 2000; Möller 1987; ders. 1987a; sowie Rampold 1987. 54 Vgl. Wollgast 1972, 96f. 55 Vgl. Franck 1534, 131f. 56 Ebd., 132. 118 5 Prozessionen, Bußprozessionen, Karfreitagsprozessionen Die erste erhaltene Beschreibung einer Karfreitagsprozession ist jedoch noch viel älter. Sie stammt aus dem 4. Jahrhundert und ist Teil des heute als Itinerarium bekannten Fragments, das „als der erste Pilgerbericht angesehen werden [kann], der von einer Pilgerin selbst verfaßt wurde“57. Die Pilgerin hieß Egeria, war in Nordspanien oder Galicien58 vermutlich Mitglied eines Kreises religiöser Frauen der Oberschicht59 und bereiste in den Jahren 381 bis 38460 in einer Gruppe61 das Heilige Land. Der zweite Teil ihres Berichts enthält die Schilderung der Alt-Jerusalemer Liturgie62 und in diesem Zusammenhang auch die Schilderung einer Karfreitagsprozession. Wie sah nun diese aus? In aller Frühe, „[n]ach dem ersten Hahnenschrei“63, zog die Jerusalemer Gemeinde, geleitet von einem Bischof, singend los vom Im-bomon, dem angeblichen Ort der Himmelfahrt Christi, den Ölberg hinunter bis hin zur Stelle, wo Jesus einst, unmittelbar vor seiner Ver-haftung, gebetet haben soll. 64 Dort stand eine „herrliche Kirche“65, die Eleona-Kirche66, in der nach einem Gebet und dem Gesang einer Hymne die Stelle aus dem Markusevangelium vorgelesen wurde, in der Jesus seine Jünger auffordert, zu wachen, um nicht in Versuchung 57 Röwekamp 1995, 9. 58 Vgl. ebd., 16; 30. 59 Vgl. ebd., 15. 60 Vgl. ebd., 24. 61 Vgl. ebd., 33. 62 Vgl. Egeria 1995, 224–307. 63 Ebd., 269. 64 Vgl. Egeria 1995. 65 Ebd., 269. 66 Die Kirche wurde um 330 auf Anweisung von Helena (ca. 248–ca. 328), der Mutter des römischen Kaisers Konstantin (ca. 272–337), erbaut. Diese hatte 326 eine Wallfahrt ins Heilige Land unternommen, um dort u.a. nach Christusreliquien zu suchen. Vgl. LThK, Bd. 4, 1403f. 119 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen zu kommen. 67 Nach erneutem Gebet stieg die Prozession, wieder singend und „bis hin zum kleinsten Kind“68 steil bergab zum Garten Getsemani, erleuchtet von über 200 Lichtquellen. 69 Dort wurde aus dem Matthäusevangelium jene Stelle vorgelesen, welche die Festnah-me Christi beschreibt; 70 inzwischen gab es „ein solches Jammern und Klagen des ganzen Volkes – einschließlich Weinen –, dass man die Klagelaute des Volkes wohl bis zur Stadt hören“71 konnte. Danach kehrte der Umzug singend zurück nach Jerusalem – „alle ohne Ausnahme […], groß und klein, arm und reich“72. Dort wurde im inneren Hof der Grabeskirche die Stelle aus dem Johannesevangelium vorgelesen, die das Verhör Jesu durch Pilatus wiedergibt. 73 Spätestens seit dem späten 4. Jahrhundert kennt die römisch-katholische Kirche also schon Karfreitagsprozessionen. Während ihre Pflege im 16. Jahrhundert fast überall zu stocken schien, begann man nach dem Konzil von Trient, sie – wie auch fast alle anderen Prozessionsarten – intensiv und systematisch wiederzubeleben. 74 Wie lässt sich diese Kehrtwende erklären? Um diese Frage hinreichend zu beant-worten, soll zunächst kurz an den Verzicht auf Fronleichnamsprozessionen erinnert werden, der bei den Protestanten bereits aus der Confessio Augustana75, einem grundlegenden Bekenntnis der luthe-67 Vgl. Egeria 1995, 269; sowie Mk 14,33–42. 68 Egeria 1995, 269. 69 Vgl. ebd. 70 Vgl. Mt 26,47–56. 71 Egeria 1995, 269. 72 Ebd., 271. 73 Vgl. Egeria 1995, 271; sowie Joh 18,28–40. Zum weiteren Verlauf dieser Karfreitagsliturgie vgl. Egeria 1995, 271; 273; 275; 277; 279. 74 Vgl. Brückner 1998, 14. 75 Vgl. http://www.sola-gratia-verlag.de/Sola-Gratia-Verlag.008-01-21.pdf (zuletzt abgerufen am 11.11.2020). 120 5 Prozessionen, Bußprozessionen, Karfreitagsprozessionen rischen Reichsstände zu ihrem Glauben, hervorgeht. In Artikel 22 jener Schrift, die am 25. Juni 1530 auf dem Reichstag zu Augsburg Kaiser Karl V. vorgetragen wurde, ist die Rede von der Austeilung der Kommunion unter beiden Gestalten. 76 Während die Kelchkom-munion, also die Reichung des geweihten Weins (als Blut Christi) an die Gläubigen, seit dem Konzil von Konstanz grundsätzlich ab-gelehnt wurde, 77 forderten die Protestanten, den sogenannten Lai-enkelch neben der Brotkommunion, also neben der Reichung der konsekrierten Hostie (als Leib Christi) in der Messe, zu spenden. Im katholischen Brauch sahen sie hingegen eine „Zerteilung des Sakraments“, die „nicht nur gegen die Heilige Schrift, sondern auch gegen altes Kirchenrecht sowie gegen das Beispiel der Kirche“78 gerichtet worden war. 79 Dies führte u.a. dazu, dass die Fronleichnamsprozession, in der zwar eine Hostie, jedoch nicht der Wein umhergetragen wird, 80 als keine legitime Kultform mehr galt81 – und deshalb aus-geklammert wurde: Weil nun die Zerteilung des Sakraments nicht mit der Einsetzung Christi zu-sammenpasst, pflegt man bei uns auch die üblichen Prozessionen (mit dem Leib Christi) zu unterlassen.82 (Herv. J.D.) 76 Vgl. ebd. 77 Vgl. „Das Konzil von Konstanz. 1414–1418“ 2000, 418f. 78 http://www.sola-gratia-verlag.de/Sola-Gratia-Verlag.008-01-21.pdf (zuletzt abgerufen am 11.11.2020). 79 Konkret beriefen sich die Protestanten dabei auf das Matthäusevangelium, in dem Jesus beim Letzten Abendmahl seine Jünger auffordert: „Trinket alle daraus!“; und auf den 1. Brief des Paulus an die Korinther, in dem u.a. steht, dass eine christliche Gemeinde beide Gestalten braucht. Vgl. ebd. 80 Zur Fronleichnamsprozession vgl. Abschnitt 6.2 der vorliegenden Studie. 81 Vgl. Brückner 1998, 14. 82 http://www.sola-gratia-verlag.de/Sola-Gratia-Verlag.008-01-21.pdf (zuletzt abgerufen am 11.11.2020). 121 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen Einige Jahrzehnte nach der Vorlesung der Confessio Augustana in Augsburg hat sich auch das Trienter Konzil mit der Frage der Kommunion unter beiden Gestalten beschäftigt. Indem es dabei den Beschlüssen der ihm vorangegangenen Versammlung, des Konstanzer Konzils folgte, 83 wies es in den Dekreten seiner 13., 21. sowie 22. Sitzung84 die protestantischen Positionen zurück. Bei alleiniger Brotkommunion soll es demnach zu keiner Zerteilung des Sakraments kommen, denn „auch unter nur einer Gestalt [wird] der ganze und unversehrte Christus […] empfangen“85. Obwohl die Konzilsväter zugaben, dass die Kommunion „vom Beginn der christlichen Religion an“ oft unter beiden Gestalten stattfand, soll dieser Brauch sich allmählich geändert haben, bis die alleinige Brotkommunion zum „Gesetz“ wurde, „das abzulehnen oder ohne Vollmacht der Kirche nach Belieben zu verändern, nicht erlaubt ist“86. Schließlich wurde der Vorwurf, die Kommunion unter nur einer Gestalt sei gegen die Bibel gerichtet, u.a. wie folgt relativiert: Zwar hat Christus der Herr beim Letzten Abendmahl dieses ehrwürdige Sakrament in den Gestalten von Brot und Wein eingesetzt und den Aposteln übergeben, doch zielt diese Einsetzung und Überlieferung nicht darauf ab, dass alle Christgläubigen durch Anordnung des Herrn zum Empfang unter beiderlei Gestalt verpflichtet seien.87 83 Vgl. oben Anm. 77. 84 Vgl. „Das Konzil von Trient. 1545–1563“ 2002, 693–702; 726–741. 85 Ebd., 727. 86 Ebd. 87 Ebd., 726. Das andere Beispiel, mit dem die Kommunion unter nur einer Gestalt verteidigt wurde, betrifft die Brotrede aus dem Johannesevangelium. Dort spricht Jesus zwar tatsächlich Sätze wie: „Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht esst und sein Blut nicht trinkt, habt ihr das Leben nicht in euch“ (Joh 6,53); „Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben […]“ (Joh 6,54); oder: „Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich bleibe in ihm“ (Joh 6,55). Doch die Konzilsväter haben betont, dass in derselben Rede auch folgende, die Kommunion unter beiden Gestalten relativierende Sätze 122 5 Prozessionen, Bußprozessionen, Karfreitagsprozessionen Im Vergleich zu den lutherischen Reichsständen, die sich in Augsburg von den Fronleichnamsprozessionen abgewandt hatten, sah das Trienter Konzil keinen Grund, eine solche Auffassung hinzunehmen. Im Gegenteil: Im Dekret über die Eucharistie, das in der 13. Sitzung beschlossen wurde, wurde die Fronleichnamsprozession sogar zu einem Leit- und Abgrenzungsmotiv der zu erneuernden Kirche. 88 Es ging dabei nicht nur darum, die Hostie am Fronleichnamstag „ehrfürchtig und ehrenvoll durch die Straßen und öffentlichen Plätze zu tragen“89. Vielmehr sollte in einem solchen Umzug „die Wahrheit über Lüge und Häresie so triumphieren, dass ihre Feinde“, d.h. auch die Protestanten, „entweder geschwächt und gebrochen zerge-hen oder schamerfüllt und bestürzt irgendwann wieder zur Vernunft kommen“90. Neben dem Verzicht auf Fronleichnamsprozessionen, der in der Confessio Augustana verabschiedet wurde, scheint noch ein weiteres Moment für die Wiederbelebung von Prozessionen vonseiten der Katholiken gesorgt zu haben: die protestantische Bilderkritik. Bekanntermaßen speiste sich diese hauptsächlich aus der Bibel, genauer: aus dem zweiten Gebot („Du sollst dir kein Kultbild machen […]“91), und konnte im 16. Jahrhundert als Bilderfeindlichkeit, ja auch als Bildersturm in Erscheinung treten. Im Gegensatz zur Confessio Augustana ist sie jedoch kaum Martin Luther oder dessen Umfeld zu finden sind: „Wenn jemand davon [von diesem Brot] isst, wird er nicht sterben“ (Joh 6,50); „Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch für das Leben der Welt“ (Joh 6,51); und: „Wer […] dieses Brot isst, wird leben in Ewigkeit“ (Joh 6,58). Vgl. hierzu „Das Konzil von Trient. 1545–1563“ 2002, 726. 88 Vgl. Brückner 1998, 14. 89 „Das Konzil von Trient. 1545–1563“ 2002, 695. 90 Ebd., 696. 91 2 Mo 20,4. Vgl. ebd., 20,5–6; sowie 5 Mo 5,8–10. 123 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen entsprungen; vielmehr standen hinter ihr Andreas Bodenstein alias Karlstadt (1486–1541) und der reformierte Zweig des Protestantismus mit seinen Vertretern wie z.B. Ulrich Zwingli (1484–1531) und Jean Calvin. 92 Die Bilderfrage hat nun in seiner 25. Sitzung auch das Trienter Konzil erörtert. 93 Wie der Theologe und Kirchenhistoriker Hubert Jedin in seinem Aufsatz über die Entstehung des dort beschlossenen Dekrets über die Bilderverehrung annimmt, 94 war dies im Grunde die Antwort der Versammlung auf den Calvinismus in Frankreich, konkret: auf denjenigen unter der Regentschaft des Königs Henri II. und der späteren Regentschaft seiner Witwe Caterina de’ Medici. 95 Die entscheidende Rolle dabei soll ein Religionsgespräch zwischen Calvinisten und Katholiken gespielt haben, das de’ Medici als Ver-mittlerin organisiert hatte und das vom 28. Januar bis 11. Februar 1562 in St. Germain-en-Laye stattfand. 96 Dort wurde die katholische Seite von fünf Theologen der Sorbonne vertreten sowie von einigen, die dazu von dem damals in Frankreich weilenden Kardinallegat Ippolito II. d’Este (1509–1572) eingeladen worden waren. Bemerkens-werterweise war einer von diesen der Generalobere der Jesuiten P. Diego Laínez. 97 Zum Ende der Zusammenkunft, die jedoch keine Einigung brachte, legte jede Partei ihren Standpunkt zusammenfas-send dar. 98 Von der katholischen Delegation sind davon zwei Dokumente erhalten geblieben: ein Entwurf in sechs Punkten, der eben P. 92 Zum theologischen Aspekt der protestantischen Bilderkritik vgl. Eire 1990. 93 Vgl. „Das Konzil von Trient. 1545–1563“ 2002, 774–799. 94 Vgl. Jedin 1966a. Zum Dekret vgl. „Das Konzil von Trient. 1545–1563“ 2002, 774–776. 95 Vgl. Abschnitt 4.1, Anm. 12. 96 Vgl. Jedin 1966a, 477f. 97 Vgl. ebd. 98 Vgl. ebd., 479. 124 5 Prozessionen, Bußprozessionen, Karfreitagsprozessionen Laínez zuzuschreiben ist, sowie die sogenannte Sentenz, die Endfassung dieses Schreibens, die in der Schlusssitzung vorgetragen und anschließend der Regentin überreicht wurde. 99 Wie Jedin in seinem Aufsatz betont, waren alle fünf Sorbonnis-ten, die am Gespräch in St. Germain teilgenommen hatten, später auch während des Trienter Konzils anwesend. 100 P. Laínez war dort, wie oben gezeigt, 101 in den ersten beiden Tagungsperioden als Theologe dabei, um schließlich in der letzten Periode unter den stimm-berechtigten Konzilsvätern zu sitzen. Doch darüber hinaus, in der Gegenüberstellung der Sentenz und des Trienter Dekrets, zeigt Jedin auch, dass zwischen beiden Papieren inhaltliche Parallelen bestehen. 102 Er stellt sogar fest, dass gerade das erste Dokument in Trient als Vorlage des Letzteren gedient haben soll. 103 Obwohl Prozessionen im Bilderdekret nicht ausdrücklich erwähnt sind, scheint offensichtlich, dass sie – zumindest solche, in denen Bilder im weitesten Sinne (z.B. Statuen, einzelne kostümierte Personen oder Szenen mit mehreren Personen) zu sehen waren – von den Konzilsvätern stark befürwortet wurden. Jene machten u.a. deutlich, dass aus „mimetischen Darstellungen“ von den „Geheimnisse[n] unserer Erlösung […] großer Nutzen gezogen“ wird, denn die Gläubigen würden durch diese „heilige und segensreiche Praxis“ „zur Anbetung und Liebe Gottes sowie zur Pflege der Frömmigkeit angeregt“104. Allerdings, so lautet es im Dekret, sollte dabei klargestellt werden, dass 99 Vgl. ebd. 100 Vgl. ebd., 488. 101 Vgl. Abschnitt 4.3, S. 92f. 102 Vgl. Jedin 1966a, 481–483. 103 Vgl. ebd., 481; 484f. 104 „Das Konzil von Trient. 1545–1563“ 2002, 775. 125 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen Bilder an sich nichts Göttliches haben, „als könnte es mit leiblichen Augen erblickt oder durch Farben und Figuren ausgedrückt werden“105. Außerdem sei jeder Missbrauch, zu dem es im Umgang mit Bildern kommen könnte, zu verhindern und zu untersagen. 106 5.4 Nachtridentinische Prozessionen in der Kontroverstheologie: Jakob Gretsers Procession Buch (1606) Nach dem vorhergehenden Abschnitt lässt sich die intensive und systematische Wiederbelebung von Prozessionen in der Folge des Konzils von Trient durchaus als Reaktion der römisch-katholischen Kirche auf den Vormarsch der protestantischen Bewegung deuten. Viel anschaulicher jedoch als an den Konzilsdekreten, bei denen man manchmal, um sie ganz zu erfassen, einen eingehenden Einblick in ihre Entstehung benötigt, wird dies in offen polemischen, kontroverstheologischen Werken, die nicht lange nach dem Konzil entstanden sind – wie z.B. im 1606 auf Latein erschienenen und 1612 ins Deutsche übertragenen Procession Buch des Jesuiten Jakob Gretser (1562–1625). 107 Laut dessen Mitbruder Philippe de Alegambe (1592–1652) war dieser zu seiner Zeit nichts weniger als ein „ma-gnus Lutheranorum domitor […], Hæreticorum, et calumniatorum Societatis terror“108, ein „großer Bändiger von Luther, ein Schreck für die Häretiker und Verleumder der Gesellschaft [Jesu]“. Heute gilt der „Dramatiker und Philologe, Dogmatiker und Moralist, Li-105 Ebd. 106 Vgl. ebd. 107 Zu Gretsers Procession Buch vgl. Drnovšek 2016, 322–328. 108 Alegambe 1643, 199. 126 5 Prozessionen, Bußprozessionen, Karfreitagsprozessionen turgiker und Historiker, Archäologe und Numismatiker, Apologet und Exeget, Dichter, Gelehrte[] und Seelsorger“ Gretser „neben Petrus Canisius [als] einer der bedeutendsten Jesuiten auf deutschem Boden“109. Besonders im achten Kapitel des ersten Teils seines Procession Buch, das den Titel „Von der Lehre / Lugen vnd Lästerworten / so Luther vnd andere newgebachne Lehrer / wider die Processionen / Bitt- vnn Creutzfahrten außgestossen“ trägt, geht Gretser mit seinen protestantischen Gegnern hart ins Gericht. Ein erster Anlass dafür ist Martin Luthers Predigt „Kurtzer Vnderricht für die Schwachglau-bigen, wie sie sich an den Bettagen oder Creutzwochen / in den Proceßionen halten sollen“, die 1527 veröffentlicht wurde. 110 Darin habe Luther begonnen, „die Processiones auffs äusserst zuuerschhimpffen / als die ein Vrsach / Gelegenheit / Fürschub vnd Deckmantel seyen alles Mißbrauchs / aller Büberey / aller Schandt vnd Laster“111. Mit den Umzügen sei „ein solcher lästerlicher Mißbrauch“ getrieben worden, dass man „inn der Proceßion / nur sehen vnd gesehen seyn wil / eytel vnnütz Geschwetz vnnd Lächerey treiben / ich wil geschwei-gen grösserer Stück vnnd Sünden: Darzu die Dorffproceßion allererst toll worden seyndt / da man mit Sauffen / vnd inn den Tabernen so handelt / mit den Creutzen und fahnen so fähret / daß nicht wunder were / daß vns Gott in einem Jar verderben liesse“112. Luthers heftiger Kritik an den Prozessionen entgegnet Gretser mit drei Argumenten. Erstens sei „niemandts vnbewist / was Luther vnd seine Schuler für geschliffne Zungen gehabt“113. Sie wüssten 109 König 1957, 139. 110 Vgl. Luther 1829; sowie ders. 1884. 111 Gretser 1612, 80. 112 Ebd. 113 Ebd., 80f. 127 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen wohl, dass man „die Sach vnnd den Gebrauch von dem Mißbrauch / vnd den Mißbrauch von dem rechten Brauch weit absönderen vnd vn-derscheiden solle“114. Würden sie das doch zugeben, hätte es plötzlich keinen Sinn mehr, sich gegen Prozessionen „zu tod [zu] schreyen“115. Die anderen beiden Gegenargumente Gretsers sind allerdings noch schärfer. Zunächst greift er seine Gegner an, indem er Luthers Hauptargument umkehrt und in zugespitzter Form gegen jene selbst richtet: Ich kan nicht glauben / noch mich dessen bereden lassen / daß jemaln in den Processionen ein solches Gesäuff / Schlemmerey noch Schwelgerey / angestellt noch erhört worden / als auff den Lutherischen Jarmerckten / Hochtzeiten / dörfft schier sagen Fasttägen / gesehen vnd vermerckt wirdt. Wo bleibt da Luther vnnd seine Mitschreyer / daß sie nicht auch schreyen / schreiben vnnd treiben / man solle flugks abschaffen alle Messen / alle Märckt / alle Hochtzeiten / sampt allen järlichen Kirchtägen / welche noch heutigs tags bey jhnen an vilen Ortten / in der Kuchen vnd auff dem Tantzhauß / gantz inbrünstig vnd andächtig celebrirt vnnd gehalten werden / sonderlich an denen Ortten / da sie die eyngezognen Catholischen Kirchen besitzen / welche vor zeiten ge-weihet / jetzt aber von jhnen entweihet / nichts desto weniger aber noch den Namen der järlichen Gedächtnuß solcher Kirchweihung / weder löschen noch außtilgen können?116 Schließlich kehrt Gretser erneut zu seinem ersten Gegenargument zurück – um am Ende daraus einen beinahe handelspolitischen Aufruf abzuleiten: Wann nun Luther so vnsinnig ist / wie er dann in der Warheit ist / daß er vmb deß Mißbrauchs / vnd etlich vnzogner Menschen gottloser Sitten vnd Wandels willen / die heiligen Processionen vnn Feyrtäg abthun will / vnd außmustern: Ey so schaffe er flugks auch den Wein vnnd das sächsische Bier ab / dessen Ge-trancks sich (daran niemandt zweiflen kan) vil mehr Leut mißbrauchen / als der Processionen vnnd Feyrtäg.117 114 Ebd., 81. 115 Ebd. 116 Ebd., 82f. 117 Ebd., 84. 128 5 Prozessionen, Bußprozessionen, Karfreitagsprozessionen Wie gesagt: Luthers Predigt stellt für Gretser nur den Ausgangspunkt seiner polemischen Ausführungen dar. Mit derselben Härte moniert er dessen 1566 erschienene Tischrede „von Abgötterey“118 sowie Schriften anderer „schendtlichen Apostaten vnn schebigen Predi-canten“119; in diesem Zuge erwähnt er ausdrücklich Rudolf Hospinian120 (1547–1626), Philipp Melanchton (1497–1560), Paul Eber (1511–1569), Johann Forster121 (1496–1558), Erasmus Sarcerius122 (1501–1559), Georg Coelestin123 (1525–1579) und Nicolaus von Amsdorf124 (1483–1565). Überdies werden fast alle von Gretser kritisier-ten Protestanten wiederholt mit etlichen, teilweise allegorischen Bildern belegt, Luther z.B. mit „der andächtig Fuchs / der fromb Wolff / vnnd trewhertzig Apostata“125, mit „der Hyperbolische Luther vnn Bapstfeindt“126 oder schlicht mit „Betrieger“127. Das achte Kapitel des Procession Buch endet schließlich mit einem entschlossenen, höchst demonstrativen Vorsatz: [W]ir [bleiben] in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen deß heiligen vnn vnuersehrten Catholischen Glaubens vnserer lieben Vorfahren / […] vnnd lassen vns […] bey […] [den] heiligen Processionen finden so offt wir jm-mer können […] / vnd solches jetzo vmb so vil mehr / weil wir hierdurch / wi- der alle Ketzer vnserer Religion offentliche Zeugknuß hören vnd sehen lassen […].128 (Herv. J.D.) 118 Vgl. Luther 1921; sowie Gretser 1612, 90–92. 119 Ebd., 98. 120 Vgl. ebd., 80. 121 Vgl. ebd., 92f. 122 Vgl. ebd., 94. 123 Vgl. ebd., 94f. 124 Vgl. ebd., 97. 125 Ebd., 80. 126 Ebd., 82. 127 Ebd., 86. 128 Ebd., 98. 129 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen 5.5 „… den Krieg ankünden“: zwei Fäl e aus Augsburg, 1604 und 1605 Was lässt sich nun über die ersten nachtridentinischen Prozessionen, genauer: über die ersten nachtridentinischen Karfreitagsprozessionen sagen? Im Folgenden sollen zwei Fälle dargestellt werden, die zu Beginn des 17. Jahrhunderts im oben schon erwähnten, 129 seit den 1530er-Jahren bikonfessionellen, mehrheitlich protestantischen, dennoch katholisch dominierten Augsburg130 von den Kapuzinern bzw. Jesuiten aufgeführt wurden. Im dritten, vom Kapuzinerpater Matthäus von Nonsberg (1612–1678) verfassten und 1676 erschienenen Band des chronikalischen Werks Seraphischer Paradeyß-Garten ist zu lesen, dass eine Karfreitagsprozession in der „deß Heiligen Römischen Reichs weitberühmte[n] Stadt“131 bald nach Ankunft der Kapuziner, konkret: nach Ankunft des Paters Ludwig von Sachsen (1554–1608) stattgefunden hat. 132 Wie sie genau aussah, lässt sich der in jenem Text formulierten kurzen Beschreibung nicht entnehmen. Die Absicht, die dahinter steckte, ist jedoch klar. Die Prozession, die 1604133 unter Mitwirkung der von P. Ludwig erneuerten Bruderschaft corporis Christi verlief, 134 sollte ein „Zug wider den Vnglauben“ sein, bei dem man „keine an-129 Vgl. oben S. 121. 130 Zu Augsburg als bikonfessioneller Stadt vgl. Dixon 2007. 131 Massaeus 1676, 288. 132 Vgl. ebd., 288f. 133 Vgl. Rummel 1984, 69. 134 Massaeus 1676, 289. Mitglieder der einflussreichen Familie Fugger, auf deren Betreiben hin die Kapuziner nach Augsburg gekommen waren, hätten sich „am allerersten […] [v]nter selbiges heilige Regiment vnd Blut-Fahnen Christi […] schreiben lassen“ (ebd.). 130 5 Prozessionen, Bußprozessionen, Karfreitagsprozessionen dere Waffen brauch[t] […] / als die des bittern Leydens vnd Sterbens JEsu Christi / dessen Geheimnüssen öffentlich vorgestelt wurden / vnd alsdann die geistliche Knecht mit Kreutz und Geisseln gewaff-net / in keinen andern Feind schlugen / als auff ihre eigene Leiber / selbige in die Dienstbarkeit des Geists zu bringen“135. Mehr noch: Gewißlich war auff diese Weiß der irrigen Lehr des fleischlichen Lutheri den Krieg ankünden / als welcher mit seinem irrigen Glauben allein vergnüget / dem Fleisch Zügel und Zaum zulassen / wider die klare Lehr des heiligen Evan-gelij vnd heiliger Schrifft.136 Im Unterschied zu den Kapuzinern haben sich die Jesuiten bereits 1559 in der Reichsstadt niedergelassen. 137 Eine entscheidende Rolle dabei spielte der Bischof von Augsburg und Kardinal Otto Truchsess von Waldburg, der mit ihnen, wie in Abschnitt 4.3 gezeigt, 138 bereits während der ersten Tagungsperiode des Konzils von Trient eng verbunden war. Nun, gut 20 Jahre danach, lud der Kardinal seinen einstigen Vertreter auf dem Konzil, Petrus Canisius, ein, in Augsburg die eben vakant gewordene Stelle des Dompredigers anzunehmen. 139 Mit Blick auf die Vorteile, die dies für seinen Orden haben könnte, willigte jener ein. 140 Die erste nachtridentinische Karfreitagsprozession in Augsburg, die maßgeblich von den Jesuiten geprägt wurde, war die aus dem Jahr 1605, 141 von der Jakob Gretser in seinem schon oben herange-135 Ebd. 136 Ebd. 137 Zum Auftreten der Jesuiten in Augsburg vgl. Warmbrunn 1983, 238–247. 138 Vgl. Abschnitt 4.3, S. 92f. 139 Vgl. Rummel 1996, 49–51. 140 1581 wurde in Augsburg z.B. das Jesuitenkolleg Sankt Salvator gegründet, 1584 folgte die Einweihung der dazugehörigen Kirche. Vgl. Braun 1822, 29; 34. 141 Vgl. Gretser 1612, 210. 131 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen zogenen Procession Buch erzählt. Im 16. Kapitel des ersten Teils, das den Titel „Von dem Disciplinieren vnd Geißlen / inn den offentlichen Processionen“ trägt, beruft er sich dabei auf einen anonymen Zeugen, der „selber mit vnnd beywesendt / alles mit Augen gesehen hat / vnd also daruon redt“142. Bei Nacht, im Schein der Fackeln und Windlichter, wurden auf einem Rundweg, der bei der Jesuiten-kirche begann und bis zu den Kirchen Hl. Kreuz und St. Ulrich und Afra führte, um schließlich über den „Perler Platz“143 wieder die Je-suitenkirche zu erreichen, 144 sieben ‚Figuren‘ aus der Passionsgeschichte dargeboten: Getsemani („wie er [Jesus] am Oelberg bluti-gen Schweiß geschwitzt“); Geißelung („wie er [Jesus] an der Saulen angebunden gestanden / vnd von starcken Kriegßknechten / so vmb vnd neben gestanden / gegeißlet worden“); Krönung („wie er [Jesus] von den Kriegßknechten mit Verhönung vnn Gespött / gantz grausam gekrönt worden / gleichsam lebendig für Augen gestellt“); Pilatus („Pilatus / welcher Christum dem Volck in so kläglicher gestallt zu besehen / fürgestellt“145); Kreuztragung („wie er [Jesus] das Creutz getragen / vertretten hat / von dem Hauptman […] / sampt seinem vndergebnen Hauffen vnd Trabanten / beglaitet / allda die Mutter vnnd Jungkfraw MARIA sampt dem Joanne / Christo […] nachge-folget“146); Kreuzabnahme („wie die gebenedeyte Jungkfraw den ab-genomnen vnd todten Leib jhres Sohns auff der Schoß helt“); und Grablegung („die Leich vnd Begrebnuß deß Herrens“147). Während die meisten Figuren wohl durch Skulpturen dargestellt wurden, die 142 Ebd., 211. 143 Ebd., 214. Gemeint ist wohl der Perlachplatz, jener Markt, der in Augsburg vor dem als Perlachturm benannten Wach- und Glockenturm liegt. 144 Vgl. Gretser 1612, 214. 145 Zit. nach ebd., 212. 146 Zit. nach ebd., 212f. 147 Zit. nach ebd., 213. 132 5 Prozessionen, Bußprozessionen, Karfreitagsprozessionen man auf Traggestellen umhertrug, war Jesus bei der Kreuztragungs-szene „kein gemachts Bildt“, sondern er wurde von einem „lebendige[n][] Mann […] vertretten“, vom Hauptmann „zu Roß“148 begleitet und von Maria und Johannes „auff dem Fuß“149 gefolgt. Vor sowie nach den ‚Figuren‘ wurden in der Prozession, die sich bei klagendem Gesang und trauriger Musik vorwärts bewegte, mehrmals gruppenweise Engelknaben, Geißler, Kreuzzieher und die Ausgespannten angeordnet. 150 Ein weiterer Teil des Umzuges bestand aus den Sodalen, d.h. Mitgliedern der lokalen, von den Jesuiten ge-gründeten Marianischen Kongregation, 151 Mitgliedern der Bruderschaft corporis Christi, Vertretern der geistlichen und der weltlichen Obrigkeit sowie vielen anderen Bürgern. 152 Am Ende des von Gretser zitierten Berichts wird interessanterweise auch die unmittelbare Wirkung der Prozession auf die Zuschauer geschildert. Die protestantischen Reaktionen werden dabei ausdrücklich vermerkt: Da war jederman vberal gantz rühwig vnd still / vil / auch auß den Ketzern lies-sen sich trawrig sehen / eintweders darumben / daß sie etlicher massen auß Andacht also bewegt: oder aber / daß sie ab disem Spectackel anderst nicht / als wie die bösen Geister / sich entsetzt vnnd erschrocken seyndt.153 Die Passionsgeschichte als Waffe; eine Prozession als Feldzug gegen den Unglauben und als Kriegserklärung ans Luthertum; Ketzer, die beim Zusehen der Prozession traurig werden: Solche Zeugnisse in den Mitteilungen zu beiden Augsburger Fällen scheinen einmal 148 Zit. nach ebd., 212. 149 Zit. nach ebd., 213. 150 Vgl. ebd., 211–215. Zu den Ausgespannten vgl. in der vorliegenden Studie Kapitel 9, Anm. 45. 151 Zur Marianischen Kongregation vgl. LThK, Bd. 6, Sp. 1359f. 152 Vgl. Gretser 1612, 211–215. 153 Zit. nach ebd., 214. 133 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen mehr die Annahme zu bestätigen, dass nachtridentinische Karfreitagsumzüge in ihren Anfängen als gegenreformatorisch zu bewerten sind. In Dinkelsbühl bspw., das ähnlich wie Augsburg bikonfessionell war, seien die Protestanten seit der Karfreitagsprozession, die im Jahr 1624 von den Kapuzinern eingeführt wurde, stets als Zuschauer zugegen gewesen. 154 Doch auch bei Karfreitagsumzügen, die Anfang des 17. Jahrhunderts in religiös deutlich homogeneren Städten verliefen, scheint ihr starker gegenreformatorischer Charakter nicht viel weniger ausgeprägt gewesen zu sein. In Salzburg z.B., das nach der Verweisung von Protestanten im Jahr 1588 vorläufig als rein katholisch wahrgenommen wurde, 155 kam dieser in den Karfreitagsprozessionen von 1613, 1615 und 1617, an denen, wohlgemerkt, auch die Kapuziner teilhatten, sogar durch den gesprochenen Text zum Ausdruck. Ganz vorne ist dort jeweils, von „zween weißbekleidte Engeln mit Flügeln, deren der erste ein Windlicht, der ander einen To-tenkopf getragen“ umgeben, die Figur des Einsiedlers gegangen, der „eine[][n] langen Haar und schwarze[][s] Bueßkleid, ein Crucefix in Händen“156 trug. An mehreren Orten der Stadt, wahrscheinlich immer dann, wenn der Umzug anhielt, deklamierte er den „ Prologus Processionis“157, eine Art Vorwort zur Prozession. Dieser enthielt u.a. folgende Verse: O Lutheraner, o Calvinist, o Zwingliana, o kalter Christ, lach dir nur gnueg dein Haupt voll an über diese Procession. Man tuet sich an dein Lach nit kehren. Kombt fröhlich her im Namen des Herrn, andächtig guet katholische Seelen, 154 Vgl. Lenhart et al. 1956, 89f. 155 Vgl. Florey 1977, 52. 156 Stainhauser 2012, 52. 157 Ebd. 134 5 Prozessionen, Bußprozessionen, Karfreitagsprozessionen die heiligen Engel werden zählen all eur Tritt, die ihr werdt tan in dieser heiligen Procession.158 Obwohl unter den Zuschauern keine Protestanten zu vermuten waren, wurden sie in der Vorrede – als Lutheraner, Calvinisten und Zwinglianer – direkt angesprochen. Mehr noch: Sie wurden als ‚kalte Christen‘ beschimpft, 159 die jedoch, trotz ihres Spotts über die Prozession, nicht dazu fähig seien, „guet katholische Seelen“160 aus der Fassung zu bringen. 158 Ebd. 159 Zur biblischen Vorlage dieses Schimpfwortes vgl. Offb 3,15f. 160 Stainhauser 2012, 52. 135 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen 136 2 Auf der Suche nach einer Vorlage: eine kritische Betrachtung 6 Angrenzende Gattungen: Predigt und Fronleichnamsprozession In den bisherigen Ausführungen zu den Orden der Kapuziner und Jesuiten sowie zu den von ihnen veranstalteten Karfreitagsprozessionen wurden mehrmals auch die Predigt und die Fronleichnamsprozession erwähnt. Diese scheinen in einer gewissen Nähe zu den Karfreitagsprozessionen zu stehen – wenn auch, wie in den Abschnitten 4.3.1 und 5.3 nahegelegt, auf je unterschiedliche Art und Weise: Während die Predigt bereits im Seelsorgeangebot beider Orden stand, noch bevor sie als notwendiges seelsorgerisches Element durch das Konzil von Trient anerkannt und quasi ‚nobilitiert‘ wurde, scheint die Fronleichnamsprozession ihre große Bedeutung – nicht nur für die Kapuziner und Jesuiten, sondern für die gesamte katholische Kirche – erst durch das konziliare Eucharistiedekret gewonnen zu haben. Im Hinblick auf Karfreitagsprozessionen lässt sich feststellen, dass, obwohl erst die Anerkennung von Fronleichnamsprozessionen in dem Kon-zilsbeschluss beide Orden dazu angeregt haben mag, Karfreitagsprozessionen wiederzubeleben, diese zugleich eine Fortsetzung ihrer bereits bewährten Predigttätigkeit zu sein scheinen. Doch wann wurde der Predigt in der Geschichte der Kapuziner und Jesuiten ein solcher Stellenwert beigemessen? Wodurch zeichnet sich die später, in Trient gewürdigte Tradition der Fronleichnamsprozessionen aus? Und nicht 137 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen zuletzt: Worin liegt die vermeintliche Nähe von Karfreitagsprozessionen zur Predigt und zu Fronleichnamsprozessionen? 6.1 Predigt Das Predigtwesen bei dem Kapuzinerorden scheint unauflöslich mit dessen frühen Jahren verbunden zu sein. Wie in Abschnitt 4.1 er-wähnt, wollte der (Mit-)Begründer und erste Generalvikar des Ordens Matteo da Bascio bereits in den 1520er-Jahren seiner Berufung durchs (Wander-)Predigen nachkommen. In Artikel 24 der Verordnungen von Albacina aus dem Jahr 1529 ist vermerkt, dass die Oberen bestimmte Patres dazu anleiten sollten, „den Weinberg des Herrn durch ihre Predigt zu bestellen“1. Deren Bedeutung für die Kapuziner wird jedoch am deutlichsten in Artikel 110 ihrer Römischen Konstitutionen von 1536: Das Verkünden des Wortes Gottes ist, nach dem Beispiel von Christus, dem Lehrmeister des Lebens, eine der würdigsten, nützlichsten, höchsten und göttlichen Aufgaben in der Kirche Gottes; von ihr hängt das Heil der Welt hauptsächlich ab.2 Ähnlich wie bei den Kapuzinern war das Predigtwesen auch beim Jesuitenorden von Anfang an präsent. Wie in Abschnitt 4.2 dargelegt, haben Ignatius von Loyola und seine ersten Mitstreiter schon Mitte der 1530er-Jahre begonnen, in Venedig sowie in einigen anderen italienischen Städten das Wort Gottes öffentlich zu verkünden. In Fünf Kapitel aus dem Jahre 1539, einem ersten jesuitischen Regelwerk, wird unter den Mitteln, die man benötige, um den „Fort-1 „Albacina 1529“ 2003, 158. 2 Schmucki (Hg.) 2016, 163. 138 6 Angrenzende Gattungen: Predigt und Fronleichnamsprozession schritt der Seelen im Leben und christlicher Lehre“3 zu bewirken, an erster Stelle der Dienst am Wort genannt. 4 Etwas später, in Paragraf 623 der Ordenskonstitutionen von 1558, wurde das Predigen bei der Festlegung der Arbeitsprioritäten allerdings noch viel stärker herausgestellt: Wenn das Gesagte alles gleich wäre und es einige Beanspruchungen gibt, die zu allgemeinerem Wohl gereichen und sich auf die Hilfe für mehr Nächste ausdehnen, wie Predigen oder Vorträgehalten, und andere mehr für einzelne, wie Beichthören oder Übungengeben, und wenn man nicht die einen und die anderen tun kann, dann soll man sich eher mit den ersten befassen, wenn nicht einige Umstände vorlägen, von denen aus man urteilte, dass die zweiten angebrachter sind.5 Indem die Einstellung, welche die Kapuziner und Jesuiten in ihren Satzungen zur Predigt eingenommen haben, grundsätzlich im Einklang stand mit der Predigtreform, die auf dem Konzil von Trient beschlossen wurde, 6 wundert es nicht, dass beide ihren Ruf als Pre-digerorden auch nach der Versammlung bewahren konnten. 7 Sieht man von ihrer Beliebtheit beim Volk8 einmal ab: Von der weltlichen Obrigkeit wurden sie bis ins 18. Jahrhundert, die Kapuziner auch spä- ter noch, oft als Hofprediger erwünscht. Petrus Canisius z.B. beklei-dete dieses Amt sogar mehrmals: einmal bereits während des Kon-3 Loyola 1998a, 304. 4 Vgl. Abschnitt 4.2, S. 83. 5 Loyola 1998c, 764f. Vgl. die Bullen Regimini militantis Ecclesiae und Exposcit debitum, wo den öffentlichen Predigten gar die erstrangige Stelle zukommt. Ders. 1998a, 304. 6 Vgl. Abschnitt 4.3.1, S. 97f. 7 Vgl. Iriarte 1984, 205; sowie Müller (Hg.) 1997, 267. 8 Der Begriff ‚Volk‘ wird hier – mit dem Volkskundler Wolfgang Brückner gesprochen – als ‚Kirchenvolk‘ verstanden und umfasst so alle Laien, d.h. alle Nicht-Kleriker „vom Herrscherhaus bis zum Stallknecht, vom Gottesgelehrten bis zur Dienstmagd“ (ders. 1998, 7). Vgl. hierzu Schmidt 1962, 11. 139 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen zils, genauer: von 1552 bis 1556 am Hof des Königs und zukünftigen Kaisers Ferdinands I. in Wien; und ein weiteres Mal von 1571 bis 1577 am Hof des Erzherzogs von Österreich Ferdinands II. in Innsbruck. Beim Kapuzinerorden hingegen gilt auch heute noch als einer seiner berühmtesten Hofprediger Abraham a Sancta Clara (1644– 1709): Dieser wurde zu seinem Amt im Jahr 1677 von Kaiser Leopold I. (1640–1705) ernannt. 9 Im Unterschied zu den weltlichen Höfen, an denen die Predigttä- tigkeit von den Kapuzinern und Jesuiten wohl gleich hoch geschätzt wurde, ist es den Erstgenannten am päpstlichen Hof, d.h. in der Rö- mischen Kurie, im 18. Jahrhundert gelungen, sich als Prediger den Vorrang vor allen anderen Ordensgemeinschaften zu verschaffen. Bis dahin gehörte das Amt des sogenannten Apostolischen Predigers, das 1555 von Papst Paul IV. eingerichtet worden war, im Wechsel den Mitgliedern verschiedener Orden. Durch ein Breve von Papst Benedikt XIV. (1675–1758) von 1743 wurde es jedoch für alle Zeit den Kapuzinern zugewiesen. 10 Ist die Predigt bei den Kapuzinern und Jesuiten zunächst noch als schlichte, rhetorisch ausgewogene Glaubensverkündigung zu begreifen, 11 9 Bekanntermaßen diente vor allem seine im Jahr 1683, anlässlich der türkischen Belagerung von Wien veröffentlichte Predigt Auff / auff Ihr Christen! gut 100 Jahre später als Vorlage für die Kapuzinerpredigt in Friedrich Schillers Drama Wallensteins Lager. Vgl. Abraham 1683; sowie Schiller 2010, 36–40. 10 Vgl. Iriarte 1984, 208. 11 In den Artikeln 111 und 112 der Römischen Konstitutionen ist z.B. dazu Folgendes zu lesen: „Die Prediger sollen in ihren Predigten keine Fabeln, Novellen, Poesien, Märchen oder andere nichtige, überflüssige und unnütze Dinge erzählen oder gar gefährliche Lehren verbreiten, sondern nach dem Beispiel des Apostels Paulus ‚Christus den Gekreuzigten‘ (1 Kor 1,23) predigen, in dem alle Schätze der Weisheit und Wissenschaft Gottes verborgen sind (vgl. Kol 2,3). […] Für den nackten und demütigen Gekreuzigten ziemen sich nicht geschliffene, gesuchte und gewählte Worte, 140 6 Angrenzende Gattungen: Predigt und Fronleichnamsprozession so entwickelte sie sich nach dem Trienter Konzil al mählich zum perfor-mativen Handeln:12 Sehr viele Prediger des 17. Jahrhunderts bedienten sich vor allem bei solchen rhetorischen Hilfsmitteln und Kniffen, die man rückblickend als ‚opulent‘ und ‚überbordend‘ charakterisieren kann. Es ging um große rednerische Gesten, um eine rhetorische Überwältigung und um offenkundig ausgeklügelte Effek-te. Eine der extremsten Formen dieser Versuche, durch virtuose Beredsamkeit Wirkung zu erzielen, stellten die sogenannten conceptos dar. Das waren Rätsel und vordergründig unverständliche Sprachspiele oder auch schwer entschlüsselbare Abbildungen (‚Hieroglyphen‘), die der Redner in seine Predigt mit einbezog und dann zur Verblüffung der Zuhörer in ihrem religiösen Gehalt erklärte.13 Es war jedoch nicht nur die Sprache, die zum Teil anders, ja barock wurde. Einen ähnlichen, möglicherweise noch viel größeren Wandel durchlebte auch das Sichtbare in jenen Predigten: [B]ereits die frühen Jesuiten [griffen] auf Requisiten zurück, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen. Kreuze, Totenschädel oder Halsstricke unterstützten ihre Botschaft. Daraus wurde im 17. Jahrhundert eine breite Tradition richtig-gehender Inszenierungen auf der Kanzel. […] Predigten wurden so zu synäs-thetischen Spektakeln.14 Wie in Abschnitt 5.5 gezeigt, wurden zur Karfreitagsprozession, die 1605 in Augsburg stattfand und von der Jakob Gretser in seinem Procession Buch erzählen ließ, ausdrücklich auch Reaktionen des Publikums dokumentiert. Im Vordergrund standen die Gefühle andächtiger Bewegtheit und Erschrockenheit. Diese, so Gretsers Zeuge, sondern ungeschmücktes, reines, einfaches, anspruchsloses und niedriges, aber trotzdem göttliches, glühendes und von Liebe erfülltes Reden, nach dem Beispiel von Paulus, dem auserwählten Gefäß (vgl. Apg 9,15), der nicht mit glänzender Rede und menschlicher Beredsamkeit predigte, sondern in der Kraft des Geistes (vgl. 1 Kor 2,1.4).“ Schmucki (Hg.) 2016, 163; 165. 12 Vgl. Friedrich 2016, 201. 13 Ebd., 197. Vgl. hierzu Benedik 1973, 240f. 14 Friedrich 2016, 196. Vgl. hierzu Benedik 1973, 240f. 141 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen bewirkten in den Zuschauern Traurigkeit, die sich nach außen wiederum als Ruhe und Stille zeigte. Der Bericht über den Augsburger Umzug legt nahe, dass seine Wirkung – um in rhetorischen Kategorien zu argumentieren – nicht so sehr im heilspädagogischen docere bestand, sondern vor allem im movere, genauer: im Mitleid, in der emotionalen Anteilnahme am Leiden und Sterben Jesu. 15 Ähnliches gilt jedoch auch für die Predigt der Kapuziner und Jesuiten: Auch diese sollte sich generell mehr ans Herz als an den Verstand wenden. 16 Exemplarisch sei hierzu Heribert von Salurn (1637–1700) erwähnt, ein Kapuzinerpater, der in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in der Tiroler Provinz als Prediger tätig war und dessen Werk oft mit dem von Abraham a Sancta Clara verglichen wird. 17 In seiner Kar-freitagspredigt z.B., die zum ersten Mal im Jahr 1694 veröffentlicht wurde, fordert er seine Leserschaft auf, beim Andenken an Maria, die während der Kreuzabnahme Jesu in Ohnmacht gefallen sein soll, 18 eben affektive Teilnahme zu zeigen: Lasset uns / Geliebte / bey diesem schmertzhafften Geheimnuß ein wenig nie-derknien / und unsere Sünden / als eine Ursach dessen / mit mitleidentlichem Affect beseuffzen.19 (Herv. J.D.) Doch es bleibt nicht nur dabei: Bald danach wird P. Heriberts Appell zum Mitleid mit Maria wieder, diesmal in Versform artikuliert: ACh höchster GOtt im Himmels-Thron / Sieh deinen Sohn in Ohnmacht an; Sein liebste Mutter mit gleichem Blick / Sieh an / wie sie in Ohnmacht liegt! 15 Vgl. Fuhrich 1968, 147. 16 Vgl. Iriarte 1984, 205; sowie Friedrich 2016, 195. 17 Vgl. LThK, Bd. 4, Sp. 1439; sowie Beutin et al. 2013, 139. 18 Zur ‚Ohnmacht Mariens‘ vgl. Bäumer et al. (Hg.) 1992, 683–688. 19 Heribert 1705, 229. 142 6 Angrenzende Gattungen: Predigt und Fronleichnamsprozession Ihr Hertz erfüllt mit Bitterkeit / Wem sollt man es vergleichen? Ohn Ziel / ohn Maß ist all ihr Leyd / Kein Grund kan man erreichen. O Angst! O Noth! sie seyn halb todt / Möchten ein Stein erbarmen / Laß dirs / O Mensch / zu Hertzen gehn / In deinem Blut erwarmen.20 (Herv. J.D.) 6.2 Fronleichnamsprozession Im Vergleich zum Karfreitag, der als Bestandteil der Karwoche, genauer: des Ostertriduums (Gründonnerstag, Karfreitag, Karsamstag) bereits seit dem 4. Jahrhundert gefeiert wurde, 21 ist der Fronleichnamstag als Fest im Kalenderjahr der katholischen Kirche erst viel später zu finden. Entstanden ist er vor dem Hintergrund der Hosti-enverehrung, die im 13. Jahrhundert, insbesondere nach dem Vierten Laterankonzil, u.a. durch seine Abfassung der Transsubstantiationslehre, 22 deutlich zunahm. 23 Bei der Wiedergabe der Anfänge des Fronleichnamstages wird üblicherweise allerdings zunächst auf Juliana von Lüttich (ca. 1192–1258) verwiesen, eine Augustinernonne, die wohl schon seit 1208 wiederholt eine eucharistische Vision erfuhr: I tell you that a moon appeared to her in its splendour, with a little break in part of its sphere. She watched this for a long while, wondered a lot, and did not know what this might portend.24 20 Ebd. 21 Vgl. LThK, Bd. 5, Sp. 1276f. 22 Vgl. „Das Vierte Laterankonzil. 1215“ 2000, 230. 23 Vgl. Boogaart 2001, 78; sowie Felbecker 1995, 176. Zur Transsubstantiationslehre vgl. LThK, Bd. 10, Sp. 177–182. 24 Zit. nach Rubin 1997, 170. 143 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen Die Bedeutung dieses Traums soll Juliana etwa zwanzig Jahre danach25 in einer weiteren Vision Jesus selbst offenbart haben: Then Christ revealed to her that the Church was in the moon, and that the miss ing part of the moon stood for the absence of one feast in the Church, which he would want his faithful to celebrate on earth.26 Mit ihren Bestrebungen, ein Fest zu gründen, bei dem die Hostie ver-ehrt und somit die ursprüngliche Einsetzung der Eucharistie durch Jesus27 erinnert werden sollte, hat Juliana Unterstützung beim Lütticher Bischof Robert de Thourotte (–1246) erfahren. Dieser ordnete im Jahr 1246 an, den Fronleichnamstag jeweils am Donnerstag nach der Oktav vom Dreifaltigkeitssonntag, d.h. zwischen dem 21. Mai und 24. Juni zu feiern. Allerdings starb Bischof Robert noch im selben Jahr. Die Verbreitung des neuen Festes in seiner Diözese musste deshalb zunächst verschoben werden. 28 Der Zufall wollte es, dass die Einführung des Fronleichnamstages in Lüttich auch Jacques Pantaléon (ca. 1195–1264) gut bekannt war. In den Jahren 1243 bis 1248 diente er als Archidiakon von Campine, einem Gebiet, das damals der Lütticher Diözese angehörte. Als er 15 Jahre später, nach verschiedenen, immer wichtigeren Posten, u.a. in Wrocław, Verdun und Jerusalem, zum Papst Urban IV. gewählt wurde, 29 griff er den alten, damals in Lüttich nicht ganz eingelösten Vorsatz von Bischof Robert wieder auf. Mit der Bulle Transiturus de 25 Vgl. ebd. 26 Zit. nach ebd. 27 Vgl. Mt 26,26–30; Mk 14,22–26; Lk 22,15–20; sowie 1 Kor 11,23–25. 28 Vgl. Rubin 1997, 170f.; 174; sowie Löther 1999, 59. 29 Vgl. Rubin 1997, 175f. 144 6 Angrenzende Gattungen: Predigt und Fronleichnamsprozession hoc mundo30, die am 11. August 1264 erging, wurde das Fronleichnamsfest für die gesamte römisch-katholische Kirche geboten. 31 Erwartungsgemäß kann im päpstlichen Erlass der Nachhall der Anordnung von Bischof Robert vernommen werden. Es war hier vorgesehen, das Fest am „fünften Wochentag nach der Pfingstoktave“32 zu feiern. 33 Ähnlich wie bei Robert34 lag einer der Gründe für die Errichtung des Fronleichnams im Wunsch, Häretiker zu bekämpfen: [O]bgleich das Andenken desselben [Sakraments] täglich in dem heiligen Meß- opfer begangen wird, halten wir es doch, um die Untreue und den Wahnsinn der Ketzer zu beschämen, für gerecht, wenigstens Einmal im Jahre ein besonderes glänzendes Fest zu diesem Zwecke zu feiern.35 (Herv. J.D.) Im Grunde sollte Fronleichnam jedoch ein frohes, ja triumphieren-des Fest sein: An diesem heiligen Tage sollen aus dem Herzen der Gläubigen, aus ihrem Munde und von ihren Lippen Freudenhymnen ertönen. An diesem denkwürdigen Tage soll der Glaube triumphiren, die Hoffnung sich erheben, die Barm-herzigkeit glänzen, die Frömmigkeit frohlocken, unsere Tempel von Freuden-gesängen wiederhallen und die reinen Seelen vor Freude erzittern. Mögen an diesem Tage der Andacht alle Getreuen mit Herzensfreude in unsere Kirchen eilen, mit unbegränztem Gehorsame sich da ihrer Pflichten entledigen, und so auf eine würdige Weise dieses große Fest begehen.36 30 Vgl. Urban IV. 1869. 31 Vgl. Felbecker 1995, 183; Rubin 1997, 176; sowie Löther 1999, 56. 32 Urban IV. 1869, 209. 33 Dass Fronleichnam nicht etwa auf den Gründonnerstag gelegt wurde, an dem laut der Tradition das Letzte Abendmahl stattgefunden hatte, hat wohl damit zu tun, dass die Kirche an diesem Tag bereits mit der Ausführung vieler anderer liturgischer Handlungen beschäftigt war – wie z.B. mit der Fußwaschung, mit der Heiligen Ölung und mit der Wiederaufnahme der Büßer. Vgl. ebd., 208. 34 Vgl. Löther 1999, 59. 35 Urban IV. 1869, 208. 36 Ebd., 209. 145 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen Ironischerweise starb auch Urban IV. nur kurz nach der Einführung des Fronleichnamstages. Obwohl seine Bulle erlassen und obwohl eine neue Liturgie für das Fest37 verfasst wurde, ist nicht überliefert, ob dieses in den darauffolgenden 50 Jahren jemals von der Römischen Kurie gefeiert wurde. 38 Dies änderte sich nach 1317, als Papst Johannes XXII. (1244–1334) die sogenannten Clementinen, d.h. die Dekrete des Konzils von Vienne (1311–1312), revidieren und veröffentlichen ließ; 39 die Transiturus-Bulle, die ursprünglich von Papst Clemens V. (ca. 1264–1314) eingebunden worden war, blieb auch in deren gedruckter Version beibehalten. 40 Es ist nun weder bei Bischof Robert noch bei Urban IV., weder bei Clemens V. noch bei Johannes XXII. von einer Fronleichnamsprozession die Rede. 41 Trotzdem scheint diese schon sehr früh ein wichtiger Teil des Festes gewesen zu sein. Vorgesehen ist sie z.B. in der „Institutio festivitatis Corporis Christi“42, in der „Einführung des Fronleichnamsfestes“, einem Manuskript des Pfarrarchivs von St. Gereon in Köln, das aus den Jahren 1264–1277 stammt43 und eines der ältesten erhaltenen Dokumente darstellt, die überhaupt von der Tra-37 Als Autor der Liturgie, die die Texte für die Messe sowie für das Stundengebet umfasst, gilt Thomas von Aquin (ca. 1225–1274). Vgl. Rubin 1997, 185; 188. 38 Vgl. ebd., 184. 39 Die Clementinen gehören zum Corpus iuris canonici, dem Korpus des kanonischen Rechtes, das im Mittelalter nach und nach geschaffen und erst im Jahr 1917, durch den Codex iuris canonici, den Kodex des kanonischen Rechtes, abgelöst wurde. Vgl. Friedberg et al. (Hg.) 1959, insb. Bd. 2, Sp. 1125–1200. 40 Vgl. Urban IV. 1959. 41 Vgl. Bauerreiß 1960, 94; Felbecker 1995, 189; Löther 1999, 60; sowie Boogaart 2001, 73. 42 „Institutio festivitatis corporis Christi“ 1922, 140f. 43 Vgl. ebd., 132. 146 6 Angrenzende Gattungen: Predigt und Fronleichnamsprozession dition des Fronleichnams zeugen. 44 Demnach sollten die Kanoniker des Kollegiatsstiftes St. Gereon am Fronleichnamstag, nach der Messe, neben der konsekrierten Hostie noch zwei Reliquien in der Prozession mittragen: das Haupt des hl. Gereons und die Krone der hl. Helena. 45 In roten Chormänteln sowie unter Gesang und Loblie-dern sollten sie von ihrer Kirche durch den Kreuzgang des Dormito-riums gehen, dann das sogenannte Kloster, d.h. die Kapitelswohnun-gen umschreiten, die dem Stift zugehörige Pfarrkirche St. Christoph besuchen, um am Ende zur Stiftskirche zurückzukehren. 46 Während die Kölner Fronleichnamsprozession nur intern, nur für die Kleriker des Stiftes St. Gereon gedacht war, durften z.B. an der, die um 1301 im Benediktinerkloster St. Godehard in Hildesheim angeordnet wurde, auch Laien teilnehmen; beim Umzug im Zentrum des Klosters sollte „cum ipsa hostia sacratissima populum be-nedicens“47, „das Volk mit der Hostie gesegnet werden“. Wie gesagt: Erst der Erlass der Clementinen hat eine neue Dynamik hinsichtlich der Feier des Fronleichnams angestoßen: The Clementines spread the feast to every province, diocese, parish, religious house, and thus helped turn it into a reality.48 In England, Frankreich und Spanien wurden Fronleichnamsprozessionen seit dem frühen 14. Jahrhundert weitgehend verbreitet, für den deutschsprachigen Raum lässt sich dasselbe für die Mitte des Jahrhunderts nachvollziehen; auf der italienischen Halbinsel wiederum 44 Vgl. Rubin 1997, 181; sowie Löther 1999, 60. 45 Vgl. „Institutio festivitatis corporis Christi“ 1922, 140. 46 Vgl. Stapper 1922, 132. 47 „Institutio festi in monasterio“ 1934, 47. 48 Rubin 1997, 195. 147 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen brach sich die Prozession etwas später Bahn. 49 Doch wie sahen Fronleichnamsumzüge nach 1317 aus? Generell lässt sich sagen, dass sie nicht mehr nur in sakralen Räumen, sondern vielmehr im Freien und unter der Teilnahme von Laien verliefen. Vor einer solchen Prozession wurden normalerweise die Wege mit Gras und Sägemehl bestreut, um eine Rutschgefahr zu ver-mindern; später kamen auch Blumen, die die Kinder mitbrachten, hinzu. 50 Den Kern des Umzuges bildete die Hostie, deren Präsenz ganze Dorf- oder Stadtgebiete weihen konnte. 51 Sie wurde in einem Gefäß, möglicherweise in einer Monstranz, aufbewahrt und feierlich von einem Geistlichen getragen. 52 Als Schutz diente oft zusätzlich der ‚Himmel‘, ein kostbarer Stoffbaldachin, der an vier Stöcken aus-gespannt und von bedeutenden Laien bedient wurde. 53 Im Laufe des 14. Jahrhunderts wurden Fronleichnamsprozessionen weitläufiger: Neben der Hostie enthielten sie immer öfter auch szenisch-dramatische Elemente, die an bestimmte, aus der Heilsgeschichte bekannte Momente erinnern sollten. 54 Dies konnte entweder durch Bilder und Statuen geschehen, die im Umzug getragen oder geführt wurden; oder es kam zum Einsatz von Figuren und Szenen, die in der Regel – auf Traggestellen, auf Wagen, zu Fuß, zu Pferde oder auf vorläufigen, zum Zweck der Prozession aufgestellten Bühnen – von Laiendarstellern zum Besten gegeben wurden. 55 Diese wiederum konnten ihre Rollen stumm oder, wenn auf den Traggestellen und Wagen, bewegungslos spielen und so den Zuschauern gewisser-49 Vgl. Felbecker 1995, 202. 50 Vgl. Rubin 1997, 248. 51 Vgl. ebd., 247f. 52 Vgl. ebd., 248; 251. 53 Vgl. ebd., 248. 54 Vgl. Felbecker 1995, 207; sowie Rubin 1997, 272. 55 Vgl. u.a. Brooks 1933, 142; Gewecke 1974, 19f.; sowie Rubin 1997, 272. 148 6 Angrenzende Gattungen: Predigt und Fronleichnamsprozession maßen als lebende Bilder, sozusagen als tableaux vivants56 gezeigt werden; oder sie hatten Reden und Wortbeiträge, die sie dann an den entsprechenden Stellen der Prozession hielten. 57 Zu ihrer größten Blüte gelangten Fronleichnamsprozessionen erst nach dem Konzil von Trient. 58 Es scheint, als sei in seinem, hier in Abschnitt 5.3 zitierten Eucharistiedekret der Teil der Transiturus-Bulle, demzufolge man das Fronleichnamsfest auch deshalb feiern sollte, um die Häretiker bloßzustellen, aufgegriffen und auf Umzü- ge bezogen worden. Die antihäretische Stimmung kam bei den Konzilsvätern jedoch noch stärker, viel unmissverständlicher zum Ausdruck. 59 So konnte die Fronleichnamsprozession auch als eine klar gegenreformatorische „Demonstratio catholica“60 begriffen werden. Was nun die Nähe zwischen Fronleichnams- und Karfreitagsprozessionen angeht, so wurde sie konkret bereits in Abschnitt 2.2.2 angesprochen. Beim Vergleich von Fronleichnams- und Karfreitagsumzü- gen, die in der Regierungszeit des Fürsterzbischofs Markus Sittikus (1612–1619) in Salzburg aufgeführt worden waren, stellte sich heraus, dass erstere gelegentlich auch die Passion Christi zu ihrem Thema hatten. Dabei wurden nicht nur Leidenswerkzeuge wie z.B. das Kreuz, die Nägel oder das Schweißtuch eingesetzt, sondern auch ganze Szenen: So konnte z.B. die Geißelung Jesu miteinbezogen werden, die sonst den Salzburger Karfreitagsprozessionen eigen war. Gene-56 Zum ‚tableau vivant‘ vgl. Fischer-Lichte et al. (Hg.) 2005, 325–327. 57 Vgl. Felbecker 1995, 283; sowie Rubin 1997, 272. Im letzten Zusammenhang und insbesondere auf den deutschsprachigen Raum bezogen spricht die ältere Forschung vom processional drama bzw. von ‚Prozessionsspielen‘. Dazu und zu möglichen Typen des Prozessionsspiels vgl. Brooks 1933; Michael 1947; sowie Wainwright 1974. 58 Vgl. Felbecker 1995, 283. 59 Vgl. ebd., 207. 60 Lenhart et al. 1956, 83. 149 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen rell gesehen scheint die Anwesenheit von Elementen, die in den Fronleichnamsprozessionen an die Leidensgeschichte erinnerten, durchaus üblich gewesen zu sein. Ihr Stellenwert für den Umzug wird in der Forschung vor allem aus zwei Perspektiven bestimmt. Schiebt man den theophorischen Aspekt der Fronleichnamsprozession bei-seite, kann man sie entweder als Karfreitagsprozession betrachten, in deren Mittelpunkt die Wiedergabe der Passion steht, während sie immer wieder auch auf vorausliegende oder nachfolgende Momente der Heilsgeschichte zurückgreift: Diese Aspekte reichen zurück in die Vergangenheit bis zur Schöpfung der Welt, ebenso wie in die Zukunft bis zum Jüngsten Gericht. 61 Oder es wird Elementen der Passion in den Fronleichnamsprozessionen kein besonderer oder höherer Rang zugeschrieben, sondern sie werden gleichgesetzt mit denjenigen, die den Sündenfall und das Jüngste Gericht thematisieren: Die Einsetzungsbulle und die Liturgie des Fronleichnamsfestes bringen […] die drei essentiellen Ereignisse der Heilsgeschichte zusammen: den Sündenfall, die Eucharistie bzw. Christi Passion und das Jüngste Gericht. […] [E]in Fronleichnamsspiel ist ein Fronleichnamsspiel, nicht weil es an diesem Festtag in prozessionaler Form aufgeführt wird, sondern weil es die Heilsgeschichte in ihrer Gesamtheit bis zum Jüngsten Gericht dramatisiert.62 Demnach bleibe Jesus in Fronleichnamsprozessionen nicht auf sein leidendes menschliches Schicksal beschränkt; er werde darin vielmehr in seiner Doppelnatur des Gottmenschen, d.h. auch als Schöpfer, Heiland und Richter dargestellt. 63 61 Vgl. Linke 1987, 139. 62 Fichte 1993, 281f. Vgl. hierzu Stemmler 1970, 179f. 63 Vgl. ebd., 283. 150 2 Auf der Suche nach einer Vorlage: eine kritische Betrachtung 151 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen 152 7 Kurze Bestandsaufnahme: Karfreitagsprozessionen im süddeutschen und im Tiroler Raum Wie bereits mehrfach erwähnt, begann man nach dem Konzil von Trient, Karfreitagsprozessionen intensiv und systematisch wiederzubeleben. Im Laufe von nur wenigen Jahrzehnten haben sie in Europa flächendeckend die katholischen Gebiete geprägt. 1 Sind sie zunächst noch als strikt gegenreformatorisch zu bezeichnen, so setzen sie allmählich vielmehr auf die Stärkung einer erneuerten, wiederaufge-richteten katholischen Kirche. 2 Das blieb so bis etwa Mitte des 18. Jahrhunderts, als es – vonseiten der weltlichen, aber auch geistlichen Obrigkeiten – zu ersten Verboten von Karfreitagsumzügen kam. 3 Trotz ihrer Verbreitung nach dem Trienter Konzil sind bis heute nur wenige Zeugnisse über Karfreitagsprozessionen erhalten geblieben: Noch im Zeitalter der Aufklärung sind die meisten Manuskripte verloren gegangen oder sie wurden absichtlich zerstört. 4 Besonders stark erforscht ist die Lage im deutschsprachigen Raum, wo erwar-1 Vgl. Kiening 2011, 178. 2 Vgl. Drnovšek 2016, 329. 3 Zum Verbot von Karfreitagsprozessionen vgl. Kapitel 10 der vorliegenden Studie. 4 Vgl. Mitterwieser 1930a, 287; Dörrer 1941, 272; Hoflehner et al. 1995, XII; sowie Ogrin 2009, 332. 153 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen tungsgemäß zwei Regionen herausragen: Süddeutschland im weitesten Sinne und Tirol. Im Folgenden sollen kurz einige Daten zusammengeführt werden, die auf die einstige, von den Kapuzinern und Jesuiten eingeführte Tradition der Karfreitagsumzüge in diesen Gebieten verweisen. 5 Als erste belegbare jesuitische Karfreitagsprozession gilt diejenige von München, seit spätestens 1580 wurde sie dort aufgeführt; 6 1587 soll Herzog Wilhelm V. von Bayern (1548–1626) an ihr teilgenommen haben. 7 Während in Dillingen solche Umzüge wahrscheinlich seit 1590 bestanden, 8 wurden sie in Ingolstadt spätestens seit 1598 durchgeführt. 9 In Würzburg schließlich veranstalteten die Jesuiten etwa seit 1609 Karfreitagsprozessionen, 10 in Füssen sowie in Mindelheim war diese Tradition seit 1619 bekannt. 11 Für die Innsbrucker Karfreitagsprozession, die von den Jesuiten eingeführt wurde, gibt es Belege aus gleich sechs Jahren: Wurde sie höchstwahrscheinlich zum ersten Mal 1596 aufgeführt, so ist sie dort auch für die Jahre 1631, 1632, 1638, 1650 sowie 1656 belegt. 12 In Hall wiederum fanden Karfreitagsumzüge von 1601 bis 1751 statt. 13 5 Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Prozessionsorte, die bisher an anderen Stellen der vorliegenden Studie genannt wurden, werden dabei ausgelassen. Für wertvolle Hinweise zu den Karfreitagsprozessionen im Tiroler und insbesondere im Südtiroler Raum gebührt mein Dank Toni Bernhart. 6 Vgl. Wilz 1929, 101. 7 Vgl. Rausch 1990, 89. 8 Vgl. Layer 1980, 211. 9 Vgl. ebd. 10 Vgl. Rausch 1986, 152. 11 Vgl. Zoepfl 1917, 84; Mayer 1957, 63; Layer 1980, 211; sowie Knorr 1990, 53. 12 Vgl. Dörrer 1957, 454. 13 Vgl. ebd., 492–494. 154 7 Kurze Bestandsaufnahme: Karfreitagsprozessionen im süddeutschen und im Tiroler Raum Was Karfreitagsprozessionen betrifft, die in Bayern und Schwaben von den Kapuzinern veranstaltet wurden, sei an erster Stelle diejenige von Dinkelsbühl erwähnt: Sie sollte bereits seit 1624 bestehen. 14 In Amberg wurden Karfreitagsumzüge wahrscheinlich von 1628 an, 15 in Biberach mutmaßlich seit 162916 aufgeführt. Während sie in Günz-burg im frühen 17. Jahrhundert stattfanden, 17 sind sie für Schwäbisch Gmünd spätestens seit 1649 belegt. 18 Aus Deggendorf hat sich sogar eine Prozessionsordnung von 1657 erhalten. 19 Nicht zuletzt sind Karfreitagsprozessionen, die von den Kapuzinern aufgeführt wurden, für Immenstadt, Mittelberg, 20 Straubing sowie für Schärding21 belegt. Im Vergleich zu diesen Zeugnissen, auch hinsichtlich derer, die sich über die jesuitischen Karfreitagsprozessionen im süddeutschen und im Tiroler Raum – ja sogar breiter, europaweit gesehen – erhalten haben, existieren erstaunlich viele Belege zu den Karfreitagsumzü- gen, die die Kapuziner in Tirol, insbesondere in Südtirol pflegten. 22 In Brixen wurden diese vermutlich ab 1608 oder 1609 aufgeführt, 23 erhalten geblieben sind dazu die Prozessionsordnungen von 1772 und 1773. 24 Die Meraner Kapuziner sollen die Tradition von Kar-14 Vgl. Lenhart et al. 1956, 89. 15 Vgl. ebd. 16 Vgl. Knorr 1990, 54. 17 Vgl. Layer 1980, 211. 18 Vgl. Knorr 1990, 55. 19 Vgl. Wilz 1929, 103f.; Högl 1957, 13; sowie Krüninger 1986, 65f. 20 Vgl. Mayer 1957, 66f.; 72. 21 Vgl. Högl 1957, 13. 22 Dort lagen auch die meisten Niederlassungen der Kapuziner in der Tiroler Provinz: Kloster in Bozen, Brixen, Bruneck, Eppan, Klausen, Lana, Meran, Neumarkt, Schlanders und Sterzing sowie Hospize in Mals und Münster. Vgl. Dörrer 1929, 87. 23 Vgl. ders. 1957, 460; 529. 24 Vgl. ebd., 529f. 155 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen freitagsprozessionen 1609 oder 1617 eingeführt haben, 25 dazu liegt die Prozessionsordnung von 1745 vor. 26 In Bozen wurden die Um-züge wahrscheinlich 1610 oder 1612 zum ersten Mal veranstaltet, 27 überliefert sind dazu die Prozessionsordnungen von 1648, 1687 und 1689. 28 Während in Bruneck die Karfreitagsprozessionen etwa seit 1610 existierten, 29 wurden sie in Sterzing wohl in den 1640er-Jahren eingeführt. 30 Von den Sterzinger Karfreitagsprozessionen sind ein Teil des Regiebuches von 174631 sowie die Prozessionsordnung von 174832 erhalten geblieben. Schließlich fanden Karfreitagsumzüge unter der Leitung der Tiroler Kapuziner in Eppan, Imst, Kaltern, Lienz, Mals, Neumarkt, Schlanders und St. Martin in Passeier statt. 33 25 Vgl. ebd., 460; 525. 26 Vgl. ebd., 526–529. 27 Vgl. ebd., 460; 468. 28 Vgl. ebd., 478–492. 29 Vgl. Dörrer 1930, 5. 30 Vgl. ders. 1957, 502. 31 Vgl. ebd., 500f.; 504–515. 32 Vgl. ebd., 501; 516f. 33 Vgl. ebd., 464. 156 2 Auf der Suche nach einer Vorlage: eine kritische Betrachtung 157 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen 158 2 Auf der Suche nach einer Vorlage: eine kritische Betrachtung 8 Bruderschaften In den bisherigen Ausführungen haben Bruderschaften bereits mehrmals Erwähnung gefunden: Bei der Prozession zu Mariä Himmelfahrt bspw., die im Jahr 1554 in Wien stattfand, hat eine am Hof ansässige spanische Fraternität mitgewirkt. Die Karfreitagsprozession 1601 in Augsburg wurde von der lokalen, vom Kapuzinerpater Ludwig von Sachsen erneuerten Bruderschaft corporis Christi mit-veranstaltet. Den Karfreitagsumzug, der 1604 in Prag zu sehen war, hat die dort anzutreffende, vom Kapuzinerorden geistlich geleitete Fraternität des Leidens unseres Herrn Jesu Christi mitorganisiert. An der Karfreitagsprozession, die 1605 in Augsburg von den Jesuiten aufgeführt wurde, nahmen die dortige Marianische Kongregation sowie die Corporis-Christi-Bruderschaft teil. Bei Fronleichnams- und Karfreitagsumzügen, die in der Regierungszeit von Markus Sittikus in Salzburg stattfanden, nahmen mehrere von ihm umgebilde-te oder gar neugegründete Fraternitäten daran teil. Schließlich kam bei den Karfreitagsprozessionen, die seit Anfang des 18. Jahrhunderts in Škofja Loka unter der Leitung von Kapuzinern aufgeführt wurden, der dortigen Corporis-Christi-Bruderschaft eine bedeutende Rolle zu. Doch was macht die frühneuzeitlichen Fraternitäten eigentlich im Besonderen aus? Im Folgenden soll dieser Frage nach-159 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen gegangen werden, wobei vor allem zwei Dokumente herangezogen werden sollen: zum einen der Kodex mit der Škofjeloški pasijon; und zum anderen ein in der Forschung bisher noch nicht näher beleuchtetes Zeugnis: Lagkherisches HimmelBrod1, ein kleines Buch der eben genannten Bruderschaft, die im Jahr 1634 in Škofja Loka gegründet wurde. Das einzige noch verfügbare Exemplar dieses Werks, das aus dem Jahre 1713 stammt, 2 wird heute in der Bibliothek des dortigen Kapuzinerklosters aufbewahrt. Als Phänomen sind Bruderschaften durch einen gegensätzlichen Doppelcharakter geprägt. Während sie einerseits bis zum Ende des 18. Jahrhunderts3 im gesamten europäischen katholischen Raum aufgetreten sind, blieben ihre Mitglieder andererseits – im Unterschied zu den Jesuiten oder Kapuzinern, die sich gerade durch ihre hohe Mobilität auszeichneten – stets nur in ihrem lokalen, in der Regel ur-banen Umfeld tätig. 4 Die Anfänge der Fraternitäten reichen zurück ins Hochmittelalter: Bereits im 12. Jahrhundert gibt es im italienisch-sprachigen Raum sowie im Languedoc belegbare Zeugnisse über sie. 5 Seitdem verbreiteten sie sich fast ununterbrochen, in mehreren Wellen und mit mehreren zahlenmäßigen Höhepunkten. 6 Um gleich ein häufig auftauchendes Missverständnis auszuräumen, nur folgende Bemerkung: Obwohl es im Grunde möglich ist, 1 Vgl. Lagkherisches HimmelBrod 1713. 2 Es handelt sich dabei um die dritte Auflage des Werks. Wann dieses zum ersten Mal veröffentlicht wurde, ist nicht bekannt. 3 Seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden Bruderschaften generell mehrfach verboten, im Jahr 1783 z.B. durch den Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Joseph II. (1741–1790). Vgl. Valjavec 1944, 39. 4 Vgl. Schneider 1994, 66; 69; sowie Klieber 1999, 13. 5 Vgl. Davis 1974, 316. 6 Vgl. ebd.; Blasting 1989, 3; sowie Schneider 1994, 65; 69. 160 8 Bruderschaften auch Zünfte als Bruderschaften zu bezeichnen, 7 bestehen zwischen ihnen doch große Unterschiede. Eine Zunft, auch ‚Gilde‘ oder ‚In-nung‘ genannt, umfasste in der Regel nur Personen, die einem einzigen bestimmten Handwerkszweig nachgingen; eine Fraternität im engeren Sinne setzte sich hingegen aus Mitgliedern zusammen, die allen gesellschaftlichen Ständen entstammen konnten. 8 Ein zweiter, nicht minder wichtiger Unterschied betrifft das Geschlecht der Mitglieder. Anders als bei einer Zunft war der Eintritt in eine Bruderschaft nicht nur Männern gestattet, sondern auch Frauen hatten das Recht, an Fraternitäten mitzuwirken. 9 In Lagkherisches HimmelBrod werden beide Unterschiede in einem dort nachgedruckten Breve erfasst, mit dem Papst Urban VIII. (1568–1644) am 21. Juni 1634, nach der Gründung der Bruderschaft corporis Christi, diese formell bestätigte. Darin wird einleitend zur Kenntnis genommen, dass „zu Lagkh in der Kirchen Sanct Jacob / Aquileiensischen Diœces, ein andächtige Bruderschafft im Namen und Verehrung deß Allerheiligsten Sacraments von Mann und Weibs-Persohnen / Gottseelich auff-gerichtet / ( doch nicht von Leuthen eines Specials oder sonderbares Handwerck und Handthierung)“10 wurde. Es wäre jedoch verfrüht, im standesübergreifenden und geschlechtsinklusiven Charakter von Bruderschaften eine volle Gleichstellung zu sehen. Obwohl Frauen regelmäßig die Mehrheit der Mitglieder darstellten, wurden Fraterni-7 In der ersten Szene von P. Romualds Škofjeloški pasijon treten z.B. mehrere Zunftbruderschaften auf: die „Schmiden Bruederschafft“, die „Haffner vnd Maurer Bruederschafft“, die „Schuester Bruederschafft“, die „Pekhen Bruederschafft“, die „Fleisch-Hakher Bruederschafft“ und die „Schneider Bruederschafft“ (ŠP, 29f.; 33f.; 37). 8 Vgl. Mitterwieser 1930, 57; sowie Tanzer 1992, 85. 9 Vgl. Schneider 1994, 72. 10 „Indulgentzen und Ablaß“ 1713, 23f. (Herv. J.D.). Ab der Seite 25 ist das Buch falsch paginiert, die Angabe der tatsächlichen Seitenzahlen ist von da an um zwei Seiten nach vorn verschoben. 161 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen täten doch von den gesellschaftlich höher stehenden Männern geleitet; 11 „Rector[] und Vorsteher“12 der Corporis-Christi-Bruderschaft aus Škofja Loka war 1713, wie bereits in Abschnitt 2.2.5 erwähnt, Hauptmann der Herrschaft Bischoflack Anton Eckher von Kapfing und Liechteneck. Der Hauptzweck der frühen Fraternitäten, der abgemildert auch spä- ter, bis ins 18. Jahrhundert zu verfolgen ist, lag in einer Art Vorsorge fürs Jenseits: Ihre Mitglieder sollten für ihre lebenden wie verstorbenen Mitbrüder und -schwestern beten, ihnen ein würdiges Be-gräbnis zuteilwerden lassen sowie sie daraufhin, vor allem durch Gottesdienste, im ewigen Gedächtnis halten. 13 Im Statut der Bruderschaft corporis Christi aus Škofja Loka, dem in Lagkherisches HimmelBrod ein eigenes Kapitel zukommt, 14 wird dies in zwei von insgesamt neun Punkten thematisiert. Unter Punkt 5 wird von den Mitgliedern verlangt, für ihre lebenden und verstorbenen Mitbrüder und -schwestern sowohl privat als auch bei ihren Zusammenkünften in der Kirche zu beten: [A]lle die der Bruderschafft einverleibt / sollen für Lebendige und Abgestorbene Brüder und Schwester Wochentlich beten / was und sovil ein jeder seines Stands / Handels und Wandels nach wol thuen mag und kan / und wird diser Punct, denen Sodalen zu deren Discretion und Andacht heimbgestelt / jedoch bey denen monatlichen Aembter / sollen die Brüder und Schwestern / welche solchen Gottes Dienst beywohnen 3. Vatter unser und 3. Engelische Gruß / für gedachte Lebendige und Abgestorbene Mit-Brüder zubetten / und GOtt dem HErrn auff zuopffern / keines wegs unterlassen.15 11 Vgl. Schneider 1994, 72. 12 „Vorred“ 1713, 8. 13 Vgl. Schneider 1994, 66; 77; sowie Klieber 1999, 26; 588. 14 Vgl. „Regel und Satzungen“ 1713. 15 Ebd., 16f. 162 8 Bruderschaften Wohl für den monatlichen Gottesdienst wurde in jenem Büchlein eine Litanei für die Verstorbenen gedruckt. 16 Im Fall eines sterbenskranken Mitglieds sollte man sich laut Punkt 7 des Statuts am sogenannten Versehgang17 beteiligen: [S]o offt ein Priester mit dem Hochwürdigen Sacrament / in der Stadt und Vorstadt / zu einem Krancken außgehet / sollen alle / so vill möglich / nach gegeb-nen Glocken-Zeichen in die Kirchen St Jacobi erscheinen / und mit brinnen-den Lichtern solches zu dem Krancken / von dannen aber wider zu der Kirchen begleiten / auch für den Krancken zu Erlangung der lieben Gesundheit / ein Vatter unser und Englischen Gruß sprechen […].18 Wenn jedoch „ein Bruder oder Schwester auß diser Bruderschafft mit Todt abgeh[en][]“ sollte, wird in demselben Punkt von den Mitgliedern erwartet, „dieselbigen zu dem Ruhebetlein der Erden williglich begleiten zuhelffen, und das letzte Werck der Barmhertzigkeit diß Orths zuerzeigen“19. Wie bereits mehrmals angedeutet, stießen Bruderschaften bei den kirchlichen Autoritäten grundsätzlich immer auf Unterstützung. Normalerweise waren sie an lokale Pfarrkirchen gebunden20 – wie bspw. die Bruderschaft corporis Christi aus Škofja Loka, die ihren Sitz in der dortigen Kirche St. Jakob innehatte. Außerdem, was möglicherweise noch von größerer Bedeutung war, konnten sich Frauen und Männer, die einer Bruderschaft beigetreten waren, zahlreiche Abläs-se21 erhoffen. Im oben zitierten Breve Urbans VIII. werden die Aufla-16 Vgl. „Litaney für die christglaubige Abgestorbene“ 1713. 17 Zum ‚Versehgang‘ vgl. LThK, Bd. 9, Sp. 981f. 18 „Regel und Satzungen“ 1713, 19. 19 Ebd., 20. 20 Vgl. Gatz 2009, 13. 21 Zum ‚Ablass‘ vgl. LThK, Bd. 1, Sp. 51–58. 163 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen gen für die Corporis-Christi-Fraternitätsmitglieder deutlich gemacht. Diese waren zu einem vollkommenen Ablass schon „am ersten Tag ihres Eingangs / nach wohlverrichter Beicht und Empfahung deß aller-heiligisten Sacraments“22 berechtigt. Eine gänzliche Tilgung der Sün-denfolgen galt den Mitgliedern auch „an ihrem Sterb-Stündlein nach […] gethaner Beicht und Niessung der H. Communion“ – oder aber: Wann sie aber solches zuverrichten / untauglich / auch daß wenigste mit wahrer Reu und Leyd / den Namen JEsu mit dem Mund (wann sie es vermögen) oder aber mit dem Hertzen andächtig anruffen werden […].23 Nicht zuletzt stand den Brüdern und Schwestern ein vollkommener Ablass zu, wenn sie am Sonntag in der Oktav nach dem Fronleichnamstag in der Kirche „für Einigkeit der Christlichen Fürsten / Außreutung der Ketzereyen und Erhöhung der Catholischen Kirchen“24 beteten. Neben vollkommenen Ablässen wurden den Mitgliedern der Corporis-Christi-Bruderschaft im Breve auch mehrere Teilablässe in Aussicht gestellt. Einen Ablass von sieben Jahren und sieben Quad-ragenen25 konnten sie demnach erhalten, wenn sie in der Kirche „am heiligen Geburts-Tag und Himmelfahrt Christi / am Tag der Empfängnus und Himmelfahrt Mariœ“26 beteten. Und ein Ablass von 60 Tagen konnte für eine ganze Reihe von Taten der Buße und Nächs-tenliebe erworben werden: So offt [die Brüder und Schwestern] […] aber bey den Messen / welche an be-nennten Orth gehalten werden / oder aber bey den offentlichen und Privat / 22 „Indulgentzen und Ablaß“ 1713, 24. 23 Ebd., 23f. 24 Ebd. 25 ‚Quadragena‘ steht für einen Zeitraum von 40 Tagen. Vgl. Meyer 1908, 489. 26 „Indulgentzen und Ablaß“ 1713, 24. 164 8 Bruderschaften der Bruderschafft Zusamenkunfften werden erscheinen / die Armen beherber-gen / zwischen Feinden Frid machen / oder zum Frid helffen / bey den Begräb-nussen der Glaubigen sie finden lassen / denen von den Ordinarijs zugelasse-nen Processionibus / in welchen man das Heilige Sacrament zu schuldiger Ehr / oder zu den Krancken trägt / beywohnen: die aber verhindert / nach gehörten Glocken-Zeichen / einmahl Vatter unser / und den Englischen Gruß sprechen: Item / welche fünff Vatter unser und Englische Grüß für die / deren abgestorbe-nen Mit-Brüder und Schwestern Seelen beten: welche auch einen zu dem Weeg deß Heyls leiten / die Unwissenden in Haltung der Gebotten Gottes / und was zu der Seeligkeit gehörig / unterweisen; oder sonst ein Werck der Andacht oder Lieb erzeigen werden / so offt für ein jedweders obberührtes Werck ertheilen wir Ablaß / nach heiliger Kirchen Gebrauch und Gewalt / sechtzig Täg von der auff erlegten Buß / und welche solte oder könte aufferlegt werden / abzureiten.27 Bei aller Unterstützung, die die römisch-katholische Kirche den Bruderschaften gerade auch durch die Ablassgewährungen erwies, wurden Fraternitäten mitunter – wie alle Laienbewegungen – mit einer gewissen Skepsis betrachtet. 28 So lässt sich erklären, warum ihnen auf dem Konzil von Trient besondere Aufmerksamkeit zukam. 29 In der 22. Sitzung wurden zu ihrer besseren Kontrolle gleich zwei Kanones beschlossen: Bischöfe sind – auch als Delegaten des Apostolischen Stuhls – […] Vollstrecker aller frommen Verfügungen. […] Sie haben das Recht, […] Laienbruderschaf-ten […] zu visitieren. […]30 Und darüber hinaus: Sowohl kirchliche als auch weltliche Administratoren des Vermögens einer Kirche, auch einer […] Bruderschaft […] und aller frommen Einrichtungen, sind gehalten, jedes Jahr vor dem Ordinarius Rechenschaft über ihre Verwaltung abzulegen. […]31 27 Ebd., 24–26. 28 Vgl. Sprenger 2013, 65. 29 Vgl. ebd. 30 „Das Konzil von Trient. 1545–1563“ 2002, 740. 31 Ebd. 165 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen Im Zusammenhang mit der letzten Norm sowie später, im Einklang mit der Bulle Quaecumque a Sede Apostolica, die am 7. Dezember 1604 von Papst Clemens VIII. (1536–1605) erlassen wurde, 32 mussten die Statuten der Bruderschaften fortan dem jeweiligen Diö- zesanbischof vorgelegt und durch ihn genehmigt werden. 33 Somit waren Fraternitäten faktisch keine freien Versammlungen von gläubigen Frauen und Männern mehr, sondern sie wurden zu regelrechten kirchlichen Einrichtungen. 34 Wie wichtig das Trienter Konzil für das Bruderschaftswesen war, lässt auch Lagkherisches HimmelBrod einsehen. Eine darin enthaltene Eidesformel, mit der die Mitglieder der Corporis-Christi-Fraternität schwören mussten, „disen allein seeligmachenden Catholischen Römischen Glauben / biß an den letzten Athem [][d]es Lebens […] [zu] beschützen und verthädti-gen“35, liest sich wie ein Bekenntnis zu den Beschlüssen aus Trient: ICh NN. bekenne den allein Seeligmachenden Catholischen Römischen Glauben hiemit offentlich / halte auch und glaube alles das jenige festiglich was von dem heiligen Tridentinischen Concilio / wider die zu jetzigen Zeiten schwe-bende unterschydliche Ketzereyen erklärt / und beschlossen worden. […]36 Im Kontext der Gegenreformation und der katholischen Erneuerung verwundert es kaum, dass es schon bald nach dem Trienter Konzil zu etlichen Neugründungen von Bruderschaften kam. 37 Lagkherisches HimmelBrod gibt zwar keinen deutlichen Hinweis darauf, dass die Corporis-Christi-Fraternität 1634 vonseiten kirchlicher Autoritäten ins Leben gerufen wurde; in ihrem Buch steht lediglich, dass sie von 32 Vgl. Clemens VIII. 1867. 33 Vgl. ebd., 140. 34 Vgl. Dörrer 1941, 62; sowie Schneider 1994, 68. 35 „Kurtze Formular“ 1713, 29f. 36 Ebd., 29. 37 Vgl. Gatz 2009, 14. 166 8 Bruderschaften „Gottseelige[n] Vorfahrer[n]“38, von „denen fromme Christen nach gäntzlicher Verthilgung deß luterthum angestellt worden“39 sei. Generell gilt jedoch, dass der Anstoß zur Gründung neuer Bruderschaften seit dem 17. Jahrhundert häufiger in der Hand des Klerus lag. 40 Einen maßgeblichen Beitrag dazu leisteten die Orden. 41 Während Fraternitäten ihrer Grundtätigkeit, d.h. der posthumen Sorge für ihre Mitglieder auch nach dem Trienter Konzil treu blieben, begannen sie fortan – nun sozusagen als Instrumente der zu erneuernden Kirche –, 42 sich betont an deren seelsorgerischer Arbeit zu beteiligen. Dies bezog sich unter anderem auf Prozessionen, bei denen sie nicht nur als Teilnehmer mitwirkten, sondern sie sich vor allem als Schirmherren und somit als Kostenträger aus auszeichneten. Den Periochen von 1727 und 1728, die beide zum Kodex der Škofjeloški pasijon gehören, ist zu entnehmen, dass die Karfreitagsprozessio nen in jenen Jahren jeweils „[v]nter Dem Eyfrigen Schuz“43 der Bruderschaft corporis Christi vorgestellt wurden. Dieser ‚Schuz‘ wurde in zwei weiteren Dokumenten des Kodex näher bestimmt. Zum einen steht in dem bereits in Abschnitt 2.2.5 angeführten chronikalischen Bericht „Über die Karfreitagsprozession. Den künftigen Epochen zur Kenntnisnahme“, dass beim Karfreitagsumzug, der im Jahr 1721 in Škofja Loka stattfand, die Fraternität für die „Sumptibus“44, für die „Kosten“ der Veranstaltung aufkam. Zum anderen wird in „Necessa-ria Scitu ante Processionem“, „Vor der Prozession sollte man wissen“, 38 „Vorred“ 1713, 3. 39 Ebd., 5. 40 Vgl. Schneider 1994, 68; sowie Gatz 2009, 14. 41 Vgl. Mitterwieser 1930, 64; Dörrer 1941, 62; sowie Klieber 1999, 45. 42 Vgl. Schneider 1994, 83f. 43 ŠP, 142. Vgl. ebd., 160. 44 ŠP, 12. 167 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen einem vierseitigen Schreiben, das wie der Dramentext in den Jahren 1725–1727 entstand45 und in drei Abschnitten praktische Bestimmungen zur Aufführung des Umzuges enthält, 46 auch die auszuge-bende Summe genannt: Conclusum est in Conuentu Confraternitatis ex proposito processionis habi-to, semper pro semper, dandos quinquaginta florenos germanicæ monetæ pro reparatione eiusdem, et non plus [. .].47 Bei der Zusammenkunft der Bruderschaft, als über die Prozession beraten wurde, wurde ein für allemal beschlossen, dass zu ihrer Vorbereitung fünfzig Florins deutscher Währung und nicht mehr zu zahlen sind […]. Da die Kapuziner von Škofja Loka – wie alle Kapuziner48 und wie alle Bettelorden überhaupt – von Almosen lebten, hatten sie selbst keine Mittel, um eine Prozession durchzuführen. In solchen Fällen war die Mitwirkung von Bruderschaften besonders erwünscht. Da-rüber hinaus lässt sich gerade durch die finanzielle Förderung durch Fraternitäten auch ihre zum Teil große rechtliche Verantwortung bei den Umzügen erklären. Wie aus „Vor der Prozession sollte man wissen“ hervorgeht, wollten die Kapuziner von Škofja Loka ausdrücklich nicht, dass man sie für „Dominos processionis“49, für die „Herren über die Prozession“ hielt. Hätten sie dem zugestimmt, hätten sie, so ihre Vermutung, die Veranstaltung „ex Eleemosyna Communi […] 45 Vgl. Ogrin 2009a. 46 Darin ist u.a. vermerkt, dass die Prozession am Karfreitag um 16 Uhr, nach der Predigt, beginnen sollte; dass der Leiter des Umzuges in der Zeit zwischen dem Ersten Fastensonntag und Weißen Sonntag vom alltäglichen Stundengebet freigestellt war; und dass der Pfarrer von Škofja Loka samt der weiteren, anwesenden Geistlichkeit am Gründonnerstag zur Prozession eingeladen werden sollte. Vgl. ŠP, 18; 21. 47 Ebd., 14; 17. 48 Vgl. Abschnitt 4.1, S. 66. 49 ŠP, 14. 168 8 Bruderschaften assumere“50, „vom allgemeinen Almosen aus übernehmen“ müssen. Als „Processionis […] fundatrix et Conseruatrix“51, als „Gründerin und Wahrerin der Prozession“ durfte stattdessen die Corporis-Christi-Bruderschaft gelten. 50 Ebd. 51 Ebd. 169 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen 170 2 Auf der Suche nach einer Vorlage: eine kritische Betrachtung 9 Geißler Neben den Bruderschaften kam in den vorhergehenden Abschnitten ein weiteres, hier noch nicht näher betrachtetes kulturelles Phänomen zur Sprache: die sogenannten Geißler, den Quellen nach auch als ‚Flagellanten‘ oder ‚Disziplinanten‘ bekannt. Im Ganzen bildeten diese bspw. die Karfreitagsprozession 1604 in Prag. Beim Umzug, der zu Karfreitag 1605 in Augsburg stattfand, waren die Geißler vor sowie nach einzelnen Szenen in Gruppen eingeteilt. Gleichermaßen traten sie in der Karfreitagsprozession 1612 in Salzburg auf; ferner während des Umzugs, der zu Karfreitag 1617 in Ljubljana abgehalten wurde; und in der Karfreitagsprozession, die 1711 in Freising stattfand. Nicht zuletzt werden Flagellanten in ähnlicher Art und Weise mehrfach in P. Romualds Škofjeloški pasijon erwähnt. Wie aus dem in Abschnitt 2.3 zitierten Breve Papst Pauls V. hervorgeht, waren Gläubige, die sich in der Prager Karfreitagsprozession von 1604 bis aufs Blut geißelten, nicht ohnegleichen, sondern sie verfuhren „nach dem Brauch der Disziplinanten“1. Das heißt, sie griffen dabei offenbar eine ältere, ihnen vorausgegangene Geißel-Tradition auf. Doch worin genau bestand dieser Brauch? Wie lange vor dem Prager Umzug bestand er bereits? 1 „Statuta Confraternitatis“ 1746, 178. 171 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen Und schließlich, welchen Stellenwert hatten die Geißler für die nachtridentinischen Karfreitagsprozessionen? Die Geißelung als verbreitete religiöse Praxis geht auf die Bestrebungen des Benediktinerpaters, späteren Kardinals und Heiligen Petrus Damiani (1007–1072) zurück. Schon bald nachdem er in seinen Schriften, die meistens in Briefform verfasst waren, 2 dafür plädiert hatte, seine Ordensgemeinschaft und die Kirche insgesamt durch strengere Askese zu erneuern, 3 zeigte sich ihre große Wirkung. Seit dem 13. Jahrhundert wurde die Flagellation nicht nur bei den Bene-diktinern und anderen Orden, sondern auch beim Weltklerus und unter Laien zu einer gewöhnlichen Praxis: Verwendet wurden […] einerseits Ruten, später Peitschen mit Lederriemen, Stricke mit Knoten, Eisenketten, dazu auch mit Stacheln und Haken versehe-ne Instrumente. Dabei ist die Praxis der Geißelung in engem Zusammenhang mit dem kirchlich regulierten und ritualisierten Zeitablauf, dem Kirchenjahr […]. […] Am gängigsten war die Geißelung am Freitag, insbesondere am Karfreitag.4 Es ist in dieser Hinsicht zu betonen, dass die Idee der Flagellation, die von Damiani vertreten wurde, historisch gesehen nicht neu war. Als Körperstrafe, die bei Vergehen gegen die Ordensregel auferlegt werden konnte, kannten die Benediktiner die Geißelung schon aus der Zeit ihres Gründers Benediktus (ca. 480–547). 5 Dieser wiederum schloss sich mit dem Einsatz der Geißelstrafe für seinen Orden einer langen Rechtstradition an, die über die Spätantike einerseits bis ins 2 Vgl. Petrus 1983–1993. 3 Vgl. u.a. ders. 1993a; sowie ders. 1993b. In diesem Brief fordert Damiani seine Mitbrüder vom Kloster Montecassino auf, sich an den Freitagen zu geißeln. 4 Largier 2001, 77f. Vgl. ebd., 30. 5 Vgl. ebd., 61. 172 9 Geißler römische, andererseits bis ins jüdische Strafrecht und ins Alte Testament zurück verfolgbar ist. 6 Im Alten Testament bspw. nimmt sie im 5. Buch Mose ihren Anfang: Wenn zwei Männer eine Auseinandersetzung haben, vor Gericht gehen und man zwischen ihnen die Entscheidung fällt, indem man dem Recht gibt, der im Recht ist, und den schuldig spricht, der schuldig ist, dann soll der Richter, falls der Schuldige zu einer Prügelstrafe verurteilt wurde, anordnen, dass er sich hinlegt und in seiner Gegenwart eine bestimmte Anzahl von Schlägen er-hält, wie es seiner Schuld entspricht. Vierzig Schläge darf er ihm geben lassen, mehr nicht. Sonst könnte dein Bruder, wenn man ihm darüber hinaus noch viele Schläge gibt, vor deinen Augen entehrt werden.7 Die Geißelung wird hier als eigenständige Strafe verordnet, und so scheint sie auch im Judentum begriffen worden zu sein. 8 Nach dem römischen Strafrecht hingegen konnte sie auch als Zusatzstrafe zu einer Todesstrafe ausgesprochen werden. 9 Vollstreckt wurde sie dann z.B. vor der Kreuzigung – wie im Fall Jesu. 10 Im Unterschied zur Flagellation, die bis zum 11. Jahrhundert als eine von anderen zugefügte Körperstrafe bekannt war, setzte sich Damiani jedoch für die freiwillige Selbstgeißelung ein: Welch fröhliches, welch einmaliges Schauspiel, wenn der himmlische Richter herabblickt und der Mensch sich in der Tiefe […] auspeitscht. Dabei ist der Angeklagte selbst Vorsitzender im Gericht über seine Seele und hat ein drei-faches Amt inne. Sein Geist ist Richter, sein Körper Angeklagter, mit seinen Händen wird er freudig zum Folterknecht, und der heilige Büßer sagt zu Gott: Es ist nicht deine Aufgabe, Herr, mir mit deiner Gewalt zu befehlen, mich zu bestrafen, noch soll es so sein, dass du mich mit dem Schlag deines gerechten 6 Vgl. ebd. 7 5 Mo 25,1–3. 8 Vgl. Gertz 1994, 98–103. 9 Vgl. Gebhardt 1994, 78–90. 10 Vgl. Mt 27,26; Mr 15,15; Joh 19,1. Zur Frage, inwieweit sich die Geißelung Jesu als Zusatzstrafe begreifen lässt, vgl. Gebhardt 1994, 87–90. 173 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen Urteils zu Boden wirfst. Ich selbst bringe mich vor Gericht, ich selbst spreche meine Strafe, ich selbst vergelte meine Untaten.11 Ein solches Sich-selbst-Strafen zielt offensichtlich auf eine radikale Christusnachfolge ab: So wie Jesus an der Geißelsäule gelitten hat, so soll auch der Büßer, der sich geißelt, leiden. Allerdings wären damit nicht nur seine Sünden gesühnt; die Selbstgeißelung scheint darüber hinaus einen Weg darzustellen, um – wenigstens ansatzweise – Gott in Christus zu begegnen. 12 Während die Selbstflagellation anfangs vor allem privat und vereinzelt ausgeübt wurde, entwickelte sich im 13. und 14. Jahrhundert daraus eine öffentliche Massenbewegung, die in zwei großen, jeweils um etwa zwei Jahre lang dauernden Wellen erfolgte. Diese sollen im Folgenden näher betrachtet werden. Der Anfang der ersten Welle lässt sich auf Mai 1260 datieren, als Raniero Fasani (–1281), ein Laienprediger aus Perugia, seine Mitbürger aufforderte, sich öffentlich gemeinsam zu gei- ßeln. 13 Schon im September folgte darauf der wohl allererste Geißler-zug, der später auch in Jakob Gretsers Procession Buch geschildert wird: Dann als sich jetzo die Herbstzeit endet / da befinden sich Männer vnnd Weiber / Jung vnnd Alt / Arm vnd Reich / Hoch vnd Niderstandts / welche also jähling jre Leiber / als wann die Sach mit fleiß bestellet vnd angeordnet / biß auff den Nabel entblössen / haben Geisselriemen in jhren Händen / gehn also inn angestellter Ordnung vnnd grosser Schar durch die Statt / vnnd fahen an inn sich selber zuschlagen: Schreyen mit Macht / vnd bitten die heilige Jungkfraw Mariam / daß sie jhnen bey jhrem Sohn Gnad vnnd Heylerwerben wölle: legen derweiln alle alte feindtschafften vnnd Haß hindan / geben einander / zum zeichen deß newgemachten Fridens / den Kuß.14 11 Zit. nach Largier 2005, 282f. 12 Vgl. Schulze 2003, 211f. Zur (Un-)Möglichkeit einer solchen Begegnung vgl. Sprenger 2013, 127f.; 132; 170f. 13 Vgl. Largier 2001, 86. 14 Gretser 1612, 201. 174 9 Geißler Nach jener Prozession breitete sich die Geißlerbewegung in den Städten und Dörfern von ganz Mittel- und Oberitalien aus und griff 1261 zuerst nach Kärnten und in die Steiermark über. 15 Von dort aus erreichte sie Ungarn, Böhmen, Mähren, Schlesien und Polen sowie Bayern, Franken, Schwaben und das Elsass. 16 Beim zweiten Vorstoß von Flagellantenumzügen, zu dem es im Jahr 1348 kam, lässt sich kein genauer Ursprungsort nachweisen. Diese Strömung begann höchstwahrscheinlich in der Steiermark17 und gelangte nicht nur in die deutschsprachigen Gebiete, die die Geißlerzüge schon einmal erlebt hatten, sondern sie schloss darüber hinaus auch Niederösterreich, Franken, Thüringen, Sachsen, Brandenburg und das Rheinland ein. 18 Vom Niederrhein führte die Flagellantenbe-wegung nach Nordfrankreich und erreichte von dort aus schließ- lich England. 19 Die Geißler beider Hauptwellen folgten nun im Grunde derselben Dynamik: Sie setzten sich zunächst nach dem Vorbild von Lai-enbruderschaften zusammen, um dann für jeweils 33 Tage20 von Ort zu Ort zu ziehen. 21 Während ihrer Aufenthalte regten sie durch die Selbstgeißelung weitere Interessierte an, die dann selber als Geißler auszogen und so zur Entstehung einer Art sozialen Kettenreaktion beitrugen. 22 In der Regel gingen Flagellanten in Gruppen von höchs-15 Vgl. Largier 2001, 90. 16 Vgl. ebd. 17 Vgl. Würth 2012, 42. 18 Vgl. Händl 2015, 167. 19 Vgl. ebd., 167f. 20 Die Zahl 33 steht für das Alter, in dem Jesus gegeißelt und gekreuzigt worden sein soll. 21 Vgl. Largier 2001, 92; 99. 22 Vgl. ebd., 92. 175 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen tens 50 bis 60 Personen23 und – wie bei kirchlichen Prozessionen üblich – in Zweierreihen umher: Der Kopf war von einer Kapuze bedeckt, darüber trug man einen Hut. Hut, Mantel, Brust- und Rückenpartie der Oberbekleidung waren mit einem roten Kreuz versehen. Oft wurden Fackeln und Fahnen mit- oder vorgetragen, wenn die Geißler in einen Ort einzogen. Dabei sang man Lieder […].24 Nach ihrer Heimkehr setzten die Mitglieder eines Flagellantenzu-ges oft ihr Leben lang ihre Bußübung fort. Insbesondere am Karfreitag wurde von ihnen erwartet, dass sie sich mehrmals geißeln: drei Mal tagsüber und einmal in der Nacht. 25 Sie schlugen sich dabei im Allgemeinen bis aufs Blut, obwohl größere Verletzungen vermieden werden sollten. 26 Im Hinblick auf die römisch-katholische Kirche lässt sich in beiden Jahrhunderten, in denen die Hauptwellen der Geißlerbewegung entstanden, eine ungleichmäßige, kurvenförmige Entwicklung beobach-ten: Wurde die Bewegung anfangs, durch ihre Neigung zur Buße, Reue und Umkehr gebilligt, ja auch gefördert, gingen kirchliche Autoritäten, je stärker sie wurde und je mehr sie sich ausdehnte, desto kritischer und ablehnender mit ihr um. Der Grund dafür scheint vor allem in der Angst der Kirche zu liegen, die Kontrolle über die Geiß- lerzüge zu verlieren; man wollte verhindern, dass die Selbstgeißelung als Mittel zur (Selbst-)Absolution oder gar (Selbst-)Erlösung begriffen wurde. 27 Mit der Bulle Inter solicitudines, die Papst Clemens VI. (ca. 23 Vgl. ebd., 99. 24 Ebd., 100. 25 Vgl. ebd. 26 Vgl. ebd., 100f. 27 Vgl. ebd., 93; 121–123. Genau dies war der Fall bei den sogenannten Kryptoflagellanten, einer Sekte, die von der zweiten Hälfte des 14. 176 9 Geißler 1290–1352) am 20. Oktober 1349 erließ, 28 wurden die bestehenden Geißlerprozessionen somit verboten, den Geißlern, aber auch Kleri-kern, die sie unterstützten, drohten fortan harte Strafen. 29 Die Autoflagellation an sich blieb dabei jedoch unangetastet. Laut Clemens VI. war sie weiterhin erlaubt, „wenn diese von Gläubigen aufgrund einer Vorschrift oder auch spontan, zuhause oder anderswo, jedoch nicht in Verbindung mit den eben erwähnten abergläubigen Gruppen, Vereinigungen, und Bewegungen, ausgeübt wird, und zwar mit der rechten Absicht und mit ehrlicher Hingabe“30. Wie oben erwähnt, gehörte die Selbstgeißelung im Spätmittelalter zur gängigen religiösen Praxis. Das blieb auch in der frühen Neuzeit so und galt in demselben Maße für die neu entstandenen Orden der Kapuziner und Jesuiten. Bei ersterem wurde die Autoflagellation bereits in den Verordnungen von Albacina mitbedacht: Laut Artikel 7 dieser ersten Satzungen sollten sich die Kapuziner generell immer nach der Matutin geißeln. 31 Später, in Artikel 56 der Römischen Konstitutionen, wurde die Regel weiter ausgeführt. Es wird darin überhaupt das Motiv für die Forderung nach der Selbstgeißelung erklärt sowie darüber hinaus die Häufigkeit dieser Bußübung an das jeweilige Kirchenjahr angepasst: Damit unser Leib dem Geist nicht widerstreite, sondern ihm in allem gehorsam sei, und im Andenken an die überaus schmerzensreiche Passion und ganz Jahrhunderts bis in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts insbesondere in Thüringen aktiv war. Für diese Gruppe bedeutete die Selbstgeißelung eine sakramentale Handlung. Vgl. ebd., 114; 130. Zur Geschichte der Kryptoflagellanten ausführlich in Würth 2012. 28 Vgl. Clemens VI. 1886. 29 Vgl. Largier 2001, 127. 30 Zit. nach ebd., 125f. 31 Vgl. Abschnitt 4.1, S. 67. 177 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen besonders an die so peinvolle Geißelung unseres sehr geliebten Erlösers, wird verordnet, dass man die gewohnten Disziplinen am Montag, Mittwoch und Freitag nie auslasse, auch nicht an hohen Festtagen. Man mache sie nach der Matutin […]. In der Heiligen Woche mache man sie jede Nacht.32 Zudem wird in Artikel 56 darauf hingewiesen, welche gedankliche Haltung man bei der Autoflagellation einnehmen und wie man sich sonst verhalten sollte: Während sie sich geißeln, sollen die Brüder mit mitleidigem Herzen an ihren süßen Christus denken, den an die Geißelsäule gebundenen Sohn Gottes. Sie sollen sich bemühen, einen kleinen Anteil seiner sehr schmerzlichen Leiden zu empfinden.33 Was die Stellung der Selbstgeißelung bei den Jesuiten angeht, wird sie schon bei einem kurzen Blick in die Biografie von Ignatius von Loyola ersichtlich: Wie in Abschnitt 4.2 erwähnt, hat sich der künftige Generalobere bereits während seiner Zeit in Manresa häufig gegei- ßelt. Da Ignatius gerade in Manresa die Rohfassung seiner Geistlichen Übungen abschloss, wundert es kaum, dass der Autoflagellation in diesem Werk eine längere, systematische Einordnung zukommt. 34 Im Kapitel „Zusätze, um die Übungen besser zu machen und um besser zu finden, was man wünscht“35, welches der Beschreibung der Exerzitien der ersten Woche folgt, wird als zehnter ein solcher Zusatz ‚Buße‘ vorgestellt. 36 Laut Ignatius sollte man hier zwischen innerer und äußerer Buße unterscheiden: Während erstere einfach darin bestehe, Schmerz über seine Sünden zu empfinden, sei die zweitge-32 Schmucki (Hg.) 2016, 101. 33 Ebd., 101f. 34 In den Ordenskonstitutionen wird die Selbstgeißelung hingegen nirgendwo ausdrücklich erwähnt. 35 Vgl. Loyola 1998b, 136–143. 36 Vgl. ebd., 140–143. 178 9 Geißler nannte, die von der inneren Buße ausgeht, Züchtigung für diese Sünden. 37 Die äußere Buße kann nun, so Ignatius, hauptsächlich auf drei Weisen erfolgen: als Fasten, Wachen oder als Züchtigung des Fleisches. 38 Hierunter wird schließlich auch die Selbstgeißelung gezählt: Die dritte [Weise]: Das Fleisch züchtigen, nämlich indem man ihm spürbaren Schmerz zufügt, was man tut, indem man Bußhemden oder Stricke oder Ei-senstäbe über dem Fleisch trägt, indem man sich geißelt oder verwundet, und andere Arten von Strengheiten.39 (Herv. J.D.) In jenem Kapitel bleibt Ignatius allerdings nicht nur bei der Einordnung der Autoflagellation in das Schema der Buße. So gibt er einerseits Anweisungen, wie die Bußübungen ausgeführt werden sollten. Der Schmerz, der während ihrer Durchführung entsteht, soll zwar „im Fleisch spürbar“, jedoch nicht so stark sein, dass er „in die Kno-chen eindringen“40 und dadurch ernsthafte Verletzungen bewirken könne. Für die Selbstgeißelung empfiehlt Ignatius daher, nur Peitschen mit dünnen Riemen zu verwenden. 41 Andererseits werden am Ende des Kapitels drei Zwecke der Bußübungen näher bestimmt: Während der erste in der Genugtuung für die begangenen Sünden bestehe, liege der zweite in der Selbstbeherrschung, genauer: im Unterwerfen der Sinnlichkeit, des Körpers der Vernunft. 42 Der letzte Zweck der Bußübungen sei die Erwirkung von Gnade oder einer Gabe, die man sich ersehnt. Dies könne etwa innere Reue über seine Sünden sein; oder man könne sich wünschen zu weinen, sei es wegen seiner eigenen Sünden oder wegen der Schmerzen, die Jesus 37 Vgl. ebd., 140. 38 Vgl. ebd. 39 Ebd. 40 Ebd. 41 Vgl. ebd. 42 Vgl. ebd., 142. 179 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen in seinem Leiden erdulden musste. Nicht zuletzt könne die Gabe, die man sich von Gott wünscht, laut Ignatius die Lösung von jedwedem religiösen Zweifel sein. 43 Hinsichtlich der Rolle, welche die Selbstgeißelung bei den Kapuzinern und Jesuiten seit den ersten Jahren des Bestehens ihrer Ordensgemeinschaften spielte, war es wohl kein Zufall, dass die Autoflagellation auch später, in den von ihnen aufgeführten Karfreitagsprozessionen ihren Platz fand. Vor allem anfangs, d.h. in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts stand sie häufig – so wie beim in Abschnitt 2.3 ge-schilderten Prager Karfreitagsumzug von 1604, der keine ‚Figuren‘ kannte – sogar in dessen Mittelpunkt. 44 Gleichzeitig scheint in diesen Prozessionen die alte, nun allerdings von der Kirche ausgehende und deshalb wieder gutgeheißene Tradition der Geißlerzüge nachzu-hallen. 45 Im Bericht zur Augsburger Karfreitagsprozession von 1605 bspw., den Jakob Gretser in seinem Procession Buch zitiert, liest man entsprechend, dass „die Gassen der Statt“ während des Umzuges „mit Blut besprengt“46 wurden. Wie bereits in Abschnitt 5.5 erwähnt, tra-43 Vgl. ebd. 44 Vgl. Layer 1980, 211. 45 Es ist an dieser Stelle anzumerken, dass jene Tradition in den nachtridentinischen Karfreitagsprozessionen sozusagen noch weiter verbreitet wurde. Die Buße wurde fortan öfters – wie z.B. beim in Abschnitt 5.5 beschriebenen Augsburger Karfreitagsumzug von 1605 oder in der Škofjeloški pasijon – nicht nur von den Geißlern demonstriert, sondern sie kam noch durch weitere asketische Teilnehmergruppen stark zum Ausdruck: etwa durch Eremiten, Kreuzzieher oder die sogenannten Ausgespannten. Die Kreuzzieher scheinen in ihrem Vorgehen den Aufruf Jesu erfüllt zu haben, demzufolge dessen Jünger ihr Kreuz auf sich nehmen und ihm nachfolgen sollten. Vgl. Mr 8,34; Mat 16,24; Lk 9,23; sowie Hacker 1913, 406. Die Ausgespannten zeichneten sich hingegen dadurch aus, dass sie durch ihre Ärmel und hinter dem Rücken einen Stab zogen und damit eine Position einnahmen, welche an die des am Kreuz leidenden Jesus erinnern sollte. Vgl. Schmeller 1872, Sp. 673. 46 Gretser 1612, 214. 180 9 Geißler ten die Geißler dort mehrmals auf. Nach der ‚Figur‘ der Geißelung Jesu hätten sie sich „so scharpff hergenommen vnd gegeißlet / daß jhnen der Rucken reichlich mit Blut vberloffen“47. Etwas später, so der Bericht, folgte ihnen eine zweite Gruppe, deren Teilnehmer „jhren Rucken mit scharpffen Disciplinen48 zerhackt haben“49. Nach der Szene der Kreuzabnahme erschienen die Flagellanten laut Gretsers Zeugen zum dritten Mal, wobei sie „jhren Rucken entblöst / vnnd mit Macht dareyn geschlagen“50 hätten. Am härtesten gegen sich selbst soll jedoch die letzte Gruppe der Geißler vorgegangen sein. Diese trat nach der letzten ‚Figur‘ in der Prozession, der Grablegung Christi, auf: Auff welche das letste Heer der Disciplinanten gedrungen / welche sich selber so grausam her genommen / daß sie auß Befelch der Vorstehern / ehe man den halben Weg der Supplication erraicht / jhre Leiber / die schon mit Blut vber-runnen / bedecken müssen / damit sie weiter in sich selber zuschlagen / nicht fortführen.51 Obwohl die Beschreibung der Selbstgeißelung rhetorisch zugespitzt erscheinen mag, kann sie im Grunde als glaubhaft gelten. Von Auf-tritten, bei denen die Geißler ihre Körper bis aufs Blut mit Schlägen traktierten, ist in den Zeugnissen zu Karfreitagsprozessionen, die aus dem 17. Jahrhundert stammen, immer wieder zu lesen. In diesem Zusammenhang werden gelegentlich auch Wundärzte erwähnt, die eigens dafür zuständig waren, die entstandenen Verletzungen zu behandeln. 52 Etwa beim Umzug, der im Jahr 1615 in Salzburg statt-47 Ebd., 212. 48 Seit dem 12. Jahrhundert meinte das Wort ‚disciplina‘ nicht nur den Akt der Geißelung, sondern auch die für sie benötigten Instrumente, also die Geißel, Peitsche oder Rute. Vgl. Largier 2001, 46. 49 Gretser 1612, 213. 50 Ebd. 51 Ebd. 52 Vgl. Hacker 1913a, 424; Zoepfl 1917, 91; sowie Wilz 1929, 102. 181 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen fand, kam es dazu bereits während seiner Durchführung – hier sogar durch mehrere Personen: Der Fahn mit der Geißlung. / Zwei Windlichter. / Darauf gefolgt 6 Disciplinanten, neben einem Barbierer mit Essig. / Zwo grüene Laternen. / Ein klein Fähn-lein. / Ein Disciplinant. / Zwei Windlichter. / Zween Disciplinanten, sambt einem Bader mit Essig. / Zwo rote Laternen. / Ein anders Fähndlein. / Sechs Disciplinanten, neben einem mit Essig.53 War die Autoflagellation in den ersten nachtridentinischen Karfreitagsprozessionen noch mit starkem Schmerz assoziiert, scheint sie später ihren gewalttätigen Charakter allmählich verloren zu haben. Bei der Škofjeloški pasijon z.B. wird in Bezug auf Disziplinanten im ganzen Kodex kein Bader mehr vermerkt. Trotzdem blieben die Geißler bis zum Ende der Prozessionen im 18. Jahrhundert ein wichtiger, gar wesentlicher Bestandteil. Wenn auch symbolisch, ver-liehen sie ihnen weiterhin den Bußcharakter, der ihr Bestehen überhaupt erst legitimierte. 53 Stainhauser 2012, 114. 182 2 Auf der Suche nach einer Vorlage: eine kritische Betrachtung 183 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen 184 2 Auf der Suche nach einer Vorlage: eine kritische Betrachtung 10 „ Afterphilosophie“: Einschränkungen und Verbote im 18. Jahrhundert Wie im letzten Kapitel erwähnt, kamen Prozessionen und damit auch die Karfreitagsprozessionen im 18. Jahrhundert zu ihrem Ende. Dies geschah jedoch weder über Nacht noch über die Dauer einiger Jahre, jener Prozess zog sich über mehrere Jahrzehnte. Wie dramatisch es währenddessen vor sich gehen konnte, lässt sich beispielsweise einer Predigt des Kapuzinerpaters Albert Komploier (1747–1810) entnehmen, 1 die er höchstwahrscheinlich in den 1780er- oder 1790er-Jahren hielt und die schließlich 1803 in dessen Predigtsammlung Das zerfallene Christenthum am Ende des achtzehnten Jahrhunderts oder Sonn- und Festpredigten wider die herrschenden Modelaster, falschen Grundsätze und Scheintugenden unserer Zeiten veröffentlicht wurde. 2 Komploier, der seit der zweiten Jahrhunderthälfte in den Pfarreien von Brixen und Bozen in der Grafschaft Tirol tätig war, richtete sich darin an seine Gläubigen mit einem flammenden Appell und mit zugleich flehenden wie ver-zweifelten Worten: 1 Zu Albert Komploiers Leben und Werk vgl. Hohenegger 1915, 270–274. – Vgl. zu diesem Kapitel Drnovšek 2018; sowie ders. 2020. 2 Vgl. Komploier 1803. 185 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen Es ist Schande zu sagen – selbst seynwollende Katholiken werfen sich jetzt als Reformatoren auf, unterfangen sich ihre heilige Mutter, die christkatholische Kirche zu hofmeistern, und besonders ihre äußerliche Pracht, ihre Zeremonien und Feyerlichkeiten, als lauter Mißbräuche und Gauckelwerke, mit Mund und Feder zu beschnarchen und auszuzischen. […] Ihr, meine Gelieb-testen! Haltet euch unerschüttert an die alten Gewohnheiten und löblichen Gebräuche unserer christkatholischen Religion. […] – Lasset euch doch von keinem Quacksalber, und Marktschreyer, von keinem heutigen Afterphiloso-phen – neue Begriffe von Gottesverehrung beybringen. Sie sind Leute eines ge-brandmarkten Gewissens, Feinde der Religion, und der wahren Kirche, Selbst-denker, und Modewitzler, die eben so wenig zum Unterrichte des christlichen Volkes, als der Esel zum Lautenschlagen, berufen sind.3 In der zweiten Auflage der Sammlung, die 1846 posthum erschien und auf der Titelseite den Zusatz: „In zeitgemäßer Bearbeitung“4 trägt, erfuhr Komploiers Aufruf eine Modifikation im Ton: ‚Quacksalber‘ und ‚Marktschreyer‘ aus der ersten Auflage z.B. wurden zu ‚Modeweise‘, während ‚Afterphilosoph‘ mit ‚Aufklärer‘ ersetzt wurde. 5 Um die Wut, ja auch die Derbheit der ersten Fassung von Komploiers Predigt zu begreifen, muss man sich kurz den geistigen Umbruch vor Augen führen, der seit den 1750er-Jahren auch die römisch-katholische Kirche erfasste. Es war, mit Komploier gesprochen, die ‚Afterphilosophie‘, der Geist der Aufklärung, der durch weltliche wie geistliche Kanäle große und konkrete politische Änderungen hervorrief. Im Heiligen Römischen Reich z.B., zu dem auch Tirol gehörte, begannen die umfassenden, auf die Kirche bezogenen Reformen bei Kaiserin Maria Theresia (1717–1780), die später von ihrem Sohn Kaiser Joseph II. fortgesetzt wurden. Durch sie wurde die Autonomie der Kirche eingeschränkt und deren politischer Einfluss verringert. Unter anderem führte man eine Steuerpflicht ein, die seit-3 Ebd., 165; 177f. 4 Komploier 1846, [1]. 5 Vgl. Komploier 1846a, 35. 186 10 „ Afterphilosophie“: Einschränkungen und Verbote im 18. Jahrhundert her nach dem Gleichheitsprinzip auch für den Klerus bindend war. Manche Orden, die sich nicht als für die Allgemeinheit nützlich erweisen konnten, wurden aufgelöst oder die Zahl ihrer Klöster wurde minimiert. 6 Damit wurden ganze Ordensnetzwerke zerstört oder, wie im Fall der Kapuziner, deutlich geschwächt. 7 Ein weiterer Eingriff in den bestehenden Zustand betraf die Bruderschaften. Schon mit der Verordnung, die am 17. August 1771 erging, durften ohne staatliche Erlaubnis keine neuen Fraternitäten mehr errichtet werden, während für die bereits bestehenden verfügt wurde, ihre Tätigkeit gründlich zu durchleuchten und zu hinterfragen. 8 Insbesondere sollten sie keine finanziellen Überschüsse horten, sondern, wie in der Verordnung formuliert, „alles für Arme oder andere fromme Endzwecke“9 ausgeben. In der Folge mehrerer Dekrete, mit denen die Kritik an der Gemeinnützigkeit der Bruderschaften in den darauffolgenden Jahren noch viel deutlicher wurde, kam es 1783 zu ihrer Aufhebung. Künftig hatten ihre Mitglieder lediglich noch die Wahl, sich der neu gegründeten Vereinigung aus Liebe des Nächsten anzuschließen, einem bru-derschaftsaffinen Armeninstitut, das den Pfarrern unterstellt war. 10 Das Vermögen der alten Bruderschaften wurde dann, wie im Hofdekret vom 27. November 1783 festgeschrieben, beschlagnahmt und auf ebendiese Einrichtung übertragen: 6 Vgl. das Hofreskript vom 12. Januar 1782, mit dem u.a. die Orden der Kartäuser, Kamaldulenser und Karmelitinnen aufgelöst wurden. HkkG, Bd. 2, 264–266. Zur Liste der aufgehobenen Klöster anderer Ordensgemeinschaften vgl. ebd., 269–272; sowie HkkG, Bd. 6, 535f. 7 Es ist hier anzumerken, dass der Jesuitenorden bereits davor, im Jahr 1773, durch Papst Clemens XIV. (1705–1774) aufgelöst wurde. Zum diesbezüglichen Breve vom 21. Juli 1773 vgl. ders. 1853. 8 Vgl. HkkG, Bd. 2, 82f. 9 Ebd. 10 Zur Vereinigung aus Liebe des Nächsten vgl. HkkG, Bd. 1, 247–255. Zu den Bruderschaften in diesem Zusammenhang vgl. ebd., 255–264. 187 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen Nachdem alle Bruderschaften aufgehoben, und zu Wien eine einzige unter dem Titel: Der thätigen Liebe des Nächsten […] eingeführt, alle andern aber eingestellet worden sind: so haben auch alle marianische Kongregazionen aufzuhören, und ist derer Vermögen, so wie eines aller andern Bruderschaften, ausfindig zu machen und anzuzeigen.11 Nicht zuletzt wurden im Rahmen der theresianisch-josephinischen Reformen eine erhebliche Zahl von religiösen Festen und die damit verbundenen Bräuche begrenzt. Dazu gehörten auch Prozessio nen. Wie beim Verbot der Bruderschaften ging es hier nicht um eine einzige Entscheidung, sondern um einen graduellen, über Jahrzehnte fortwährenden Prozess. Während lokale, landesbehördliche Ein-stellungen schon seit den 1750er-Jahren bezeugt sind, 12 lässt sich die erste für die gesamten Habsburgischen Erblande bindende Einschränkung des Prozessionswesens im Jahr 1772 finden. Mit der Verordnung vom 11. April dieses Jahres wurden alle Prozessionen, die über Nacht andauerten, untersagt; die einzige Ausnahme bildete der Umzug zum wichtigsten österreichischen Wallfahrtsort Mariazell, der nun von jeder Hauptpfarrkirche aus einmal im Jahr angesetzt werden durfte. 13 Seit Anfang der 1780er-Jahre häuften sich die allgemein gültigen Verbote von Prozessionen. Im Hofdekret, das am 7. Oktober 1782 erging, ist demnach zu lesen, dass alle Umzüge – außer den theophorischen und den zur Bittwoche stattfindenden Flurumgängen – abzu-stellen seien. 14 Gut einen Monat darauf, im Dekret vom 27. November 1782, wurde diese Bestimmung weiter ausgeführt: 11 HkkG, Bd. 2, 406f. 12 Vgl. Sikora 1906, 187; sowie Dörrer 1941, 277f. 13 Vgl. SkkG, Bd. 6, 461f. Die mehrtägige Prozession nach Mariazell wurde mit dem Hofdekret vom 30. August 1783 eingestellt. Vgl. HkkG, Bd. 2, 410. 14 Vgl. ebd., 408. Vgl. auch das Hofdekret vom 21. März 1784. SkkG, Bd. 6, 598f. 188 10 „ Afterphilosophie“: Einschränkungen und Verbote im 18. Jahrhundert Die allzuvielen Prozessionen sollen abgestellt, und von den Ordinarien – auser den in der allgemeinen Betwoche üblichen, dann theophorischen und anderen nach Umständen von den Ordinarien anzuordnenden, wegen Regens, gesegneter Aernte, oder sonstiger allgemeiner Anliegen nöthig befundenen Prozessionen – in iedem Kirchsprengel nur zwo einzige des Jahrs gelassen werden, welche, um den sonntägigen Gottesdienst nicht zu beeinträchtigen, an einem noch bestehenden Feiertage abzuhalten sind.15 Schließlich blieben mit dem Hofdekret vom 6. Juli 1785 nur noch Fronleichnamsprozessionen und Umzüge während der Bittwoche erlaubt: In den Städten, und auf dem Lande sollen auser den Fronleichnamsprozessionen, und den allgemeinen Bittgängen alle andere Prozessionen gänzlich eingestellt werden.16 Trotz aller oben angeführten Verbote und Einschränkungen wäre es jedoch voreilig, daraus zu schließen, dass das Einstellen der meisten Prozessionsarten in den Habsburgischen Erblanden Ende des 18. Jahrhunderts allein der weltlichen Obrigkeit geschuldet war. Zeit-gleich, durch starke aufklärerische Tendenzen innerhalb der Kirche, wurden Prozessionen auch vonseiten der geistlichen Obrigkeiten immer weniger geduldet. Während im Hintergrund der staatlichen, theresianisch-josephinischen Verbote vor allem wirtschaftliche Kalküle und Interessen an höherer Arbeitseffizienz der Bevölkerung standen, 15 HkkG, Bd. 2, 409. 16 Ebd., Bd. 8, 698. Genau betrachtet wurden jedoch auch diesen beiden Prozessionsarten schon zuvor mehrere Auflagen auferlegt. So durften laut der Hofentschließung vom 16. Mai 1781 bei Prozessionen keine großen Fahnen der Zünfte mehr verwendet werden, außerdem wurde es Fahnenträgern untersagt, dabei „die besonderen Kleidungen, Schürzen, hohen Federn auf den Hüten und Kasketen und dergleichen“ (ebd., Bd. 2, 408f.) zu tragen. Ferner wurde mit dem Hofdekret vom 28. August 1783 verboten, in den Umzügen Statuen mitzutragen. Vgl. ebd., 410. Nicht zuletzt wurde durch die Verordnung vom 18. September 1783 den Bruderschaften nicht mehr erlaubt, an Prozessionen in den sogenannten Geheimnis- oder Bruderschaftsröcken teilzunehmen. Vgl. ebd., 417. 189 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen ging es bei den kirchlichen Maßnahmen gegen das Prozessionswesen in erster Linie darum, das seelsorgerische Angebot, bei dem Prozessionen ein erheblicher Anteil zukam, zu rationalisieren. Damit verbunden scheint auch der Wunsch gewesen zu sein, dem Gläubigen zu ermöglichen, sein Sonntagsgebot, d.h. seine Pflicht, den sonntäglichen Gottesdienst zu besuchen, 17 konsequenter zu erfüllen. In diesem Zusammenhang sollte der Hirtenbrief bedacht werden, der von Joseph Adam von Arco (1733–1802), dem Fürstbischof von Seckau und großem Verfechter des Josephinismus, 18 am 18. Januar 1783 erlassen wurde. 19 Sein Inhalt soll aufgrund seiner Beispielhaftigkeit nun kurz wiedergegeben werden. In seinem Schreiben setzt Arco bei der Metapher des Hirten an, die, wie in Abschnitt 4.3.1 gezeigt, auf dem Konzil von Trient eingeführt wurde: So wie er selbst seien die Pfarrer seiner Diöze-se als Hirten, ihre Pfarrgemeinden dementsprechend als Schafe zu begreifen. 20 Während zu den Pflichten der Pfarrer gehöre, sonntags für ihre Gemeinden zu beten, seien die Gläubigen verpflichtet, dem sonntäglichen Gottesdienst beizuwohnen. 21 Jedoch muss Arco feststellen, dass weder die einen noch die anderen ihren Pflichten nachkamen. Ihre Handlungen, die zwar oft frommen Absichten entstammen, seien von „eingeschlichene[n] Mißbräuche[n]“22 über-schattet. Gemeint sind damit Bittprozessionen, die laut Arco „bis zu unseren Zeiten […] so häufig angewachsen sind, daß [sie] […] von mehreren Kirchspielen fast den ganzen Sommer hindurch, an den 17 Zum Sonntagsgebot als eines der ‚Kirchengebote‘ vgl. LThK, Bd. 5, Sp. 1513. 18 Zu Fürstbischof Arco vgl. Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (Hg.) 1953, 339. 19 Vgl. HkkG, Bd. 2, 410–416. 20 Vgl. ebd., 411. 21 Vgl. ebd., 411f. 22 Zit. nach ebd., 412. 190 10 „ Afterphilosophie“: Einschränkungen und Verbote im 18. Jahrhundert Sonntagen […] abgehalten werden“23. Das habe zur Folge, dass „das Volk zerstreuet, dem Gottesdienste aus Ursache des gehäuften Zu-sammenlaufes nicht gebührendermassen beigewohnet, sofort die Schuldigkeit, selbst die heilige Messe mit geziemender Andacht an-zuhören, verabsäumet, und der höchst nothwendige christliche Unterricht beseitiget wird“24. Daraufhin werden in Arcos Hirtenbrief zwar „Unanständigkei-ten“ und „Ausschweifungen“25 erwähnt, die bei solchen Prozessionen manchen Teilnehmern häufiger unterliefen. Damit denkt er wohl an jene Mitwirkenden, die sich an die vorgegebenen Prozessionsordnungen nicht halten wollten und durch ihr abweichendes Verhalten imstande seien, den Ablauf eines Umzuges negativ zu beeinflussen. Er beschreibt jedoch an keiner Stelle näher jene ‚Unanständigkei-ten‘ und ‚Ausschweifungen‘. 26 Stattdessen fragt er rhetorisch, ob die „gethürmten Kirchfahrten“27 überhaupt zu rechtfertigen seien, wenn diese die Pfarrer bei der Ausübung ihres Amts hinderten und andererseits bewirkten, dass die Gemeinden sich ihren Pflichten den Pfarrern gegenüber entziehen konnten. Um jenes Problem zu lösen, spricht Arco im zweiten Teil seines Hirtenbriefes gleich mehrere auf Prozessionen bezogene Verbote und Einschränkungen aus. Interessanterweise decken sie sich zum großen Teil mit jenen, die knapp zwei Monate zuvor von Joseph II. erlassen wurden. Als Erstes wird in Arcos Brief untersagt, sonntags „einen Betgang, oder Prozession, unter was immer für einen Vor-wande einer Stiftung, Verlobniß, oder alten hergeholten Gewohn-23 Zit. nach ebd., 412. 24 Zit. nach ebd., 412f. 25 Zit. nach. ebd., 413. 26 Vgl. ebd. 27 Zit. nach ebd. 191 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen heit […] abzuhalten“28. Außerdem werden die Umzüge insofern eingeschränkt, dass auser den in der allgemeinen Betwoche, und am Tage des heiligen Evangelisten Markus üblichen Kirchfahrten, den theophorischen Prozessionen, und, wenn sonst wir wegen besonderer Umstände, als z.B. Vorbitten um Regen, gesegnete Aernte, oder wegen sonstiger allgemeiner Anliegen einen Umgang anzuordnen für nöthig fänden, in iedem Kirchspiele nur zwo einzige des Jahrs gelassen werden sollen, welche iedoch, um den sonntägigen Gottesdienst keineswegs zu beeinträchtigen, an einem noch bestehenden Feiertage, nur mit der Bedingniß verrichtet werden dürften, daß […] der christliche Unterricht, und die heilige Messe in eurem eigenen Pfarrgotteshause niemal unterbleibe.29 So wie im Hofdekret vom 27. November 1782 die Sorge um den sonntäglichen Gottesdienst geäußert wurde, so werden in Arcos Brief staatliche Wirtschaftsinteressen unterstützt: [W]ir [wollen] ebenfalls, daß, um das Volk an den Arbeitstagen, welche durch Verminderung der Feiertage zum Beßten des Staates sind vermehret worden, an ihren Geschäften nicht zu hinderen, an keinem dergleichen Tage ein Fest mit Abhaltung des Amtes und der Predigt begangen […] werde.30 Der Hirtenbrief endet schließlich mit dem Aufruf, die ganze Welt-und Regulargeistlichkeit der Seckauer Diözese solle die darin enthal-tenen Bestimmungen vollziehen; jedes Ungehorsam solle des Weiteren geahndet werden. 31 Darüber hinaus wird vom Klerus erwartet, dass er den Inhalt des Schreibens den Gläubigen übermittelt. Dies solle am Sonntag nach dem Empfang des Briefes geschehen. 32 Wie soeben gesehen, konnten Verbote und Einschränkungen von Prozessionen in den Habsburgischen Erblanden nicht nur von 28 Zit. nach ebd., 413f. 29 Zit. nach ebd., 414. 30 Zit. nach ebd., 415f. 31 Vgl. ebd., 416. 32 Vgl. ebd. 192 10 „ Afterphilosophie“: Einschränkungen und Verbote im 18. Jahrhundert weltlicher, sondern genauso von geistlicher Seite angeordnet werden. Die Ähnlichkeit im Wortlaut zwischen dem Hofdekret vom 27. November 1782 und maßgeblichen Teilen von Arcos Hirtenbrief deuten darüber hinaus darauf hin, dass weltliche und geistliche Obrigkeiten beim Erlass solcher Verordnungen aufeinander abge-stimmt handeln konnten. Nichtsdestotrotz erreichten diese Verbote nur selten unmittelbar die gewünschte Wirkung. Angesichts der tiefen Verwurzelung von Prozessionen im alltäglichen Leben stießen sie – bei der Bevölkerung sowie in Teilen der Kirche – vielmehr auf heftigen, manchmal auf mehrmonatigen oder sogar -jährigen Widerstand. 33 10. 1 Antiklerikale Satire bei Ignaz von Born, Joseph Richter und Anton von Bucher Der Druck aufs Prozessionswesen seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde jedoch nicht nur von oben, vonseiten der Obrigkeiten ausgeübt. Als Albert Komploier in seiner anfangs zitierten Predigt ‚Reformatoren‘ verwünschte, die sich anmaßten, Prozessionen ‚mit Mund und Feder‘ anzugreifen, dürfte er wohl auch zeitgenössische Literatur, genauer: die damals florierende antiklerikale Satire im Sinn gehabt haben. Ein wichtiges Beispiel stellt hier das Traktat Specimen monachologiæ dar, das im Jahr 1783 vom Naturwissen-schaftler Ignaz von Born (1742–1791) alias Joannes Physiophilus ver- öffentlicht wurde. In seiner Einleitung werden Ordensgeistliche als eine Spezies verhöhnt, die auf dem Evolutionsniveau irgendwo zwischen dem Affen und dem Menschen einzustufen sei. 34 Im Haupt-33 Vgl. Dörrer 1941, 278–284. 34 Vgl. Physiophilus [Born, Ignaz von] 1783, [7]. 193 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen teil jenes Werkes werden dann einzelne Orden satirisch, formal in der kühlen Art der Linnéschen Klassifikationen vorgestellt – unter ihnen auch die Kapuziner. 35 Nun ist eine zum Teil verblüffend ähnliche Beschreibung in der Bildergalerie klösterlicher Misbräuche enthalten, die der Schriftsteller und Journalist Joseph Richter (1749–1813) 1784 unter dessen Pseudonym Obermayr publizierte. 36 Dort liest man Folgendes über den angeblich typischen Kapuziner: Er berührt weder Gold noch Silber, kömmt aber gleich dem Franziskaner mit seinem Deo gratias und Bart durch die ganze Welt. Er ißt Fleisch, und was ihm vorkömmt. Seine gewöhnliche Leibspeise ist der Stockfisch, durch dessen geschickte Zubereitung sich der Orden einen grossen Ruhm erworben hat. Dieser Nahrung mag er es zu danken haben, daß er beständig meditirt, und nichts denkt. Es geht freylich der Stockfische wegen viel Geld ausser Land; aber es ist besser Geld ausser Land schicken, als keine Kapuziner haben. Der Kapuzinermönch mischt sich ungemein gern in die Seelsorge. Viele Pfarrer bedienen sich seiner zum Predigen, und zum Spaßmachen. Es ist ein ge-schworner Feind der Freygeister, wider die er beständig predigt. Seine besten Argumente liegen in der Faust, mit der er die Kanzel zerschlägt. Seiner Kapuze wegen hat er blutige Kriege geführt. Gegen seine Mitbrüder ist er unversöhnlich; aber gegen das Ungeziefer beweiset er sich als Christ. Er bringt keines um, so sehr es ihn auch plaget. Er ist sehr glücklich in Bekehrung verstockter Delinquenten, und in Austrei-bung der Teufel. Die Kapuziner rühmen sich, daß der Teufel schon bey ihrem blossen Anblick das Feld räume; sie sehen wirklich fürchterlich aus. 35 Vgl. ebd. 36 Interessanterweise spielte Richters Werk eine äußerst bedeutende Rolle für die Entwicklung des slowenischen Dramas. Sein Lustspiel Die Feldmühle aus dem Jahr 1777 bildete die Grundlage für den Text Županova Micka (dt. Micka, Tochter des Bürgermeisters), der 1789 von Anton Tomaž Linhart (1756–1795) verfasst wurde und heute als erste slowenische Komödie gilt. Vgl. Richter 1777; sowie Linhart 1999. 194 10 „ Afterphilosophie“: Einschränkungen und Verbote im 18. Jahrhundert Sie haben vor ihren Klöstern ein grosses Kreuz aufgestellt, zum Zeichen, daß sie Christen sind.37 Während in der Bildergalerie klösterlicher Misbräuche die Orden und ihre alltägliche Lebensweise aufs Korn genommen werden, wird in Richters weiterem, im selben Jahr erschienenen Werk Bildergalerie katholischer Misbräuche auch dem mittlerweile zum großen Teil ein-gestellten Prozessionswesen Aufmerksamkeit geschenkt. 38 Seine Be-gründung hierfür liest sich wie eine Wiederholung von Argumenten, mit denen die Obrigkeiten ihre Verbote gerechtfertigt hatten: Wenn aber diese Prozessionen ohne wichtige Beweggründe angestellt, und ohne Ursache gehäufet werden; wenn sie überdieß den arbeitsamen Bauer und Bürger in seinen Geschäfften hemmen, zu Ausschweifungen den Weg öffnen, und endlich in Maskeraden und Possenspiele ausarten, so verdienen sie, wie die übrigen Misbräuche, die Geißel der Satire.39 Diese ‚Geißel der Satire‘ kommt bei Richter vor allem in Bezug auf Buß-, Fronleichnamsprozessionen und Wallfahrten zur Anwen-dung. 40 Bei den ersteren, die zu den nach der Karnevalszeit stattfindenden „geistlichen Spektakel[n] und Maskeraden“ gehörten und die Richter zufolge im Grunde „ärgerliche der Religion und dem Staate schädliche Gaukelspiele“41 waren, fokussiert er insbesondere die 37 Obermayr [Richter, Joseph] 1913a, 29f. Im Unterschied zur Länge dieses satirischen Portraits wird den Jesuiten – wohl weil deren Orden bei Erscheinen von Richters Werk seit mehr als zehn Jahren verboten war – nur ein einzelner Satz gewidmet: „ De mortuis, non nisi bene! Und also blos zum Beschluß und ewigen Angedenken.“ Ebd., 30. 38 Im darauffolgenden Jahr ließ Richter, diesmal unter dem Pseudonym ‚Pater Hilarion, Exkapuziner‘, zudem den letzten Teil seiner Bildergalerie- Trilogie veröffentlichen. Vgl. Hilarion [Richter, Joseph] 1785. 39 Obermayr [Richter, Joseph] 1913, 99. 40 Vgl. ebd., 26–30; 47–52; 99–102. 41 Ebd., 26. 195 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen Geißler und Kreuzzieher. Laut Richter sei ihr Einsatz eine Folge eines falschen oder zumindest verengten Verständnisses der Nachfolge Christi gewesen: Statt den Gläubigen in diesem Kontext auch die Lehre Christi zu vermitteln, hätten sich Seelsorger in ihren Predigten vielmehr auf sein Leiden konzentriert. 42 Dementsprechend seien sie auch bei den Bußprozessionen vorgegangen: Sie lieferten den Schauspielern die Kleider, schaften die Dekorationen und andere Theaterbedürfnisse herbey, hatten eine prächtige Garderobe von Büsser-kutten, Kapuzen, Geißeln, Stricken und Kreuzen von jedem Kalibre, suchten die Akteurs durch kraftvolle Missionspredigen im Feuer zu erhalten, zeigten ihnen gewisse Vortheile und Handgriffe, und zogen endlich mit ihrer wohl ab-gerichteten Truppe durch die Stadt nach dem Kalvarienberg.43 Den Fronleichnamsprozessionen gegenüber ist Richter weniger kritisch gesinnt und erkennt ihnen als solchen eine erbauliche Funktion zu. 44 Was ihn, die Einzelheiten der Wiener Prozessionen betrachtend, an ihnen dennoch stört, sind die Auftritte der Zünfte: die Fahnen, mit denen diese in der Prozession mitgingen, seien unverhältnismä- ßig groß, teuer, sogar gefährlich; ihre Kleidung sei zu auffällig; und die Musik, mit der sie begleitet wurden, sei zu vulgär gewesen. 45 Au- ßerdem bemängelt Richter aus mehreren, auch aus wirtschaftlichen Gründen die große Zahl an Umzügen während der Oktav: [D]aß diese Prozession in der Stadt allein durch 8 Täge wiederholet wurde, daß man Leuten, die wichtiger Geschäfte wegen durch die Gässen gehen und fahren mußten, den Weg mit Brettern verlegte, Wachs und Gras unnützerweise ver-schwendete, bey der Prozession der wohlehrwürdigen Patern Franziskaner aus Schulbuben Engeln machte, und das Hochwürdigste selbst durch ein 8 tägiges Spazierntragen profanirte, das gehört allerdings in unsre Bildersammlung […].46 42 Vgl. ebd., 26f.; 30. 43 Ebd., 27. 44 Vgl. ebd., 101. 45 Vgl. ebd. 46 Ebd., 101f. 196 10 „ Afterphilosophie“: Einschränkungen und Verbote im 18. Jahrhundert Seine Kritik an den Wallfahrten äußert Richter schließlich am Beispiel von Umzügen, die in das bereits oben erwähnte Mariazell führten. Wie er feststellt, pflegte man aus einem der folgenden vier Gründe dorthin zu gehen: Einige giengen nach Mariazell, um von den überladenen Kanzleygeschäften auszuruhn, und eine kleine Kommotion zu machen – viele um den ewigen Kontreverspredigten ihrer Junonen und Xantippen, oder auch dem Zudringen ihrer Gläubiger auszuweichen – manche, um sich wieder einmal an guten Fo-rellen recht satt zu essen – die meisten aber giengen par compagnie.47 Im Hinblick auf die Wallfahrten selbst beanstandet Richter gleich mehrere Momente. Zunächst merkt er an, dass man in den letzten Jahren vor dem Verbot der Prozession nicht mehr zu Fuß nach Mariazell pilgerte. Genauer: Während dies nur noch die Armen getan hätten, ließen die Reichen sich mit Postkutschen und anderen Be-förderungsmitteln wie z.B. Leiterwagen dorthin fahren. 48 Darüber hinaus tadelt Richter Unangemessenheiten, die auf den Wallfahrten geschehen seien: maßloses Essen, 49 Diebstähle in Wirtshäusern50 sowie in Zimmern, in welchen die Wallfahrer gruppenweise über-nachteten; 51 nicht zuletzt Prügeleien, die sich dabei ereigneten. 52 In der Regel habe man so aus Mariazell einen doppelten Gewinn mit nach Hause gebracht: „ein blaues Aug, und einen leeren Beutel“53. Obwohl die Beschreibungen der Prozessionen, die Richter in der Bildergalerie katholischer Misbräuche liefert, häufig von Witz und 47 Ebd., 49. 48 Vgl. ebd., 48; 50f. 49 Vgl. ebd., 48f. 50 Vgl. ebd., 49f. 51 Vgl. ebd., 50. 52 Vgl. ebd. 53 Ebd., 51. 197 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen ironischen Pointen begleitet sind, bleiben sie im Grunde sachlich und kühl. Im Gegensatz dazu enthält der Entwurf einer ländlichen Charfreytagsprocession sammt einem gar lustigen und geistlichen Vorspiel zur Passionsaction, der zwei Jahre zuvor vom Theologen Anton von Bucher (1746–1817) alias Ordenspater herausgegeben wurde, eine viel radikalere Herangehensweise. Statt Prozessionen distanziert zu kommentieren, entschied sich der Autor, der in den 1780er-Jahren „die Aufklärungssatire in Bayern auf den Höhepunkt“54 brachte, das Genre der Prozessionsordnung zu parodieren. Der Entwurf einer ländlichen Charfreytagsprocession besteht aus zwei Teilen: einem sogenannten Vorbericht und dem eigentlichen Entwurf, also der Ordnung zu einer Karfreitagsprozession. Der erste Teil ist hauptsächlich in Dramenform, als Dialog zwischen mehreren Figuren verfasst, den am Ende eine rätselhafte, ‚Ich‘ genannte Person unterschreibt. 55 Im Mittelpunkt des Geschehens steht Pater Umgang, ein recht einfältiger Ordensgeistlicher, der, wie in einer Fuß- note zu erfahren ist, auf dem Land für den Pater stehe, „der die Proceßion inventirt, oder wenigstens dirigirt“56. P. Umgang eröffnet die Szene, indem er sich einem Gleichgesinnten, dem Gestrengen Herrn, gegenüber fassungslos zeigt angesichts der Verbote und Einschränkungen von Prozessionen: PATER UMGANG Um alle heilige fünf Wunden willen, so hat dann das ver-maledeyte Reduciren kein End mehr, und regiert der höllische – Vitzliputzli – die ganze Welt durch seine Freygeister? 54 Pörnbacher 1988, 1017. 55 Es lässt sich wohl darüber streiten, ob ‚Ich‘ nicht mit einem (halb-)fiktiven Alter Ego des realen Autors des Werkes gleichzusetzen ist. In jedem Fall spielt Bucher hier ganz offensichtlich mit den Grenzen des Fiktiven und Realen. 56 [Bucher, Anton von] 1782, [3]. 198 10 „ Afterphilosophie“: Einschränkungen und Verbote im 18. Jahrhundert DER GESTRENGE HERR Erschröcklich ists für die wahren Katholiken. D’Religion geht im Feuer auf. […] Nichts als Reduciren! Nichts als Reduciren!57 Kurz darauf, nachdem sich den beiden Gesprächspartnern noch die Gestrenge Frau, die Gattin des Gestrengen Herrn, anschließt, wird klar, worauf genau sich das von ihm und P. Umgang ausgerufene ‚Reduciren‘ bezieht: DER GESTRENGE HERR [. .] Alle Herrgott, und Gaisler, und Kreutzzieher seynd abg’schaft in der Charfreytag-Proceßion. Der laidige hölzerne Herrgott in der Rast allein dörf noch herumgetragen werden; die Levendige sind alle – Suma Sumarum alle abg’schaft, völlig abg’schaft.58 Indem P. Umgang sich über die Verbote von Prozessionen beklagt, er-fährt man auch etwas mehr über P. Umgangs künstlerisches Talent und seine vergangene Arbeit: PATER UMGANG […] Reut mich nur die saure Mühe, die ich verschwendet habe. Ist mein spintisiren völlig umsonst, wenn nichts producirt werden darf, und wahrhaftig, heuer wärs prächtiger worden, als es je war. Ich habe viele neue Figuren inventirt, Sprüche ausgebessert, bessere dazu gemacht, und nun habe ich nicht einmal eine Nasen voll Toback davon, will nichts sagen, von einem Schnupftüchl.59 An dieser Stelle mischt sich ‚Ich‘, der die Szene bisher aus der Distanz beobachtet hat, ins Gespräch ein. Auf seine Frage, ob P. Umgang schon jemals eine Prozessionsordnung drucken ließ, eröffnet ihm dieser seinen schon lang gehegten Wunsch, dies tun zu wollen. 57 Ebd., [3f.]. 58 Ebd., [5f.]. 59 Ebd., [9f.]. 199 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen Er würde diesen Wunsch nur allzu gerne erfüllt sehen – zumal er be-fürchtet, dass bei den Verboten von Prozessionen niemand mehr die Ehre Gottes retten würde, was seiner Meinung nach wiederum dessen Rache heraufbeschwören könnte: PATER UMGANG […] Ich wollte thun, was an mir liegt. Ich wollte es so machen, wollte meine Proceßionen, und einige andere bekannte Proceßionen zusammenschreiben, und hätte ich wem wers drucken ließ, so wollte ich ihm und seiner Freundschaft lebenslänglich in der heil. Messe ein Me- mento saltem secundarium machen.60 Da ‚Ich‘, wie er meint, so etwas gut gebrauchen könnte, bietet er sich an, P. Umgangs Projekt zu finanzieren. 61 Dieser wiederum kündigt schließlich frohen Mutes an, ‚Ich‘ sein Manuskript binnen drei Tagen zu liefern. 62 Erwartungsgemäß bildet die scheinbar von P. Umgang verfasste Prozessionsordnung den zweiten Teil von Buchers Entwurf einer ländlichen Charfreytagsprocession. Eingeleitet wird sie durch einen längeren Absatz, in dem dieser noch einmal seine Schreibmetho-de erklärt: Es folget dannenhero die versprochene Charfreytagsprocession, wobey Ihnen noch ruckerinnerlich beywohnen wird, welchergestalten ich angemerket, daß ich nicht die Proceßion eines einzelnen Ortes, sondern viele in eine concen-triren, und aus jedem Ort das beste heraus sortiren, und rejectis absurdioribus, dergleichen sich freilich im Alterthum hin und wieder eingeschlichen haben, liefern wolle, doch mit Beibehaltung dessen, was sich an einigen Orten gar nicht reduciren läßt, als worüber ich auch an gehörigen Stellen ursachliche Remar-ken zu annectiren nicht schuldig geblieben bin.63 (Herv. J.D.) 60 Ebd., [10]. 61 Vgl. ebd., [10f.]. 62 Vgl. ebd., [11]. 63 Ebd., 16. 200 10 „ Afterphilosophie“: Einschränkungen und Verbote im 18. Jahrhundert Als Motiv seines Schreibens nennt P. Umgang hier nicht nur den bereits im Vorbericht geäußerten Wunsch, dadurch die Ehre Gottes retten zu wollen. 64 Darüber hinaus tritt er an ‚Ich‘ mit der Bitte heran, sich mit der Herausgabe seines Werks zu beeilen, „daß also der Befehl, Proceßionen aufzuheben, wieder ehestens contraman-dirt“65 würde. Was nun folgt, lässt sich jedoch kaum mit P. Umgangs obigen Aussagen in Einklang bringen. Im Gegenteil: Obwohl in mehrere Teile gegliedert und damit zuerst geordnet und systematisch wirkend, erweist sich seine, in seinen Augen idealtypische Karfreitagsprozession sehr bald als dichte, schwer durchsichtige, ja nie zu enden scheinende Anhäufung von Szenen und Figuren, bei der unzählige Zünfte und Bruderschaften mitwirken. Fast alles, was gezeigt werden sollte, wirkt platt und überzeichnet, von der Erha-benheit oder vom Bußcharakter der Prozession fehlt jede Spur. Um hier nur drei solcher durchaus komischer Momente herauszustel-len: Im zweiten von insgesamt sieben Teilen der Prozessionsordnung, der den „christkatholische[n][] 7er“66, d.h. die sieben heiligen Sakramente zum Thema hat, fällt die Vorstellung des zweiten Sakraments, der Firmung, den Zünften von Schäfflern und Glasern zu. 67 Es treten hier u.a. jesuitische, vom Papst nach Indien entsand-te Missionare in Erscheinung, welche die dortigen Ungläubigen, wie P. Umgang betont, „voll christlicher Starkmuth“68 erwürgen lassen. Die Szene wird durch folgende, ein hohes Maß an Ironie enthalten-de Verse begleitet: 64 Vgl. ebd., 17. 65 Ebd. 66 Ebd., 23. 67 Vgl. ebd., 25. 68 Ebd. 201 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen Die Götzenknecht und ihre Werke Zuzernichten war unsere Stärke.69 Bei der Vorstellung des dritten heiligen Sakraments, der Eucharistie, die die Zünfte der Bräuer und Branntweinbrenner verantworten, führen die Juden, Malchus, der Hauptmann und Judas den gefange-nen Herrgott mit. 70 Nach dessen Verspottung kommt es zur „ Exhi-bitio publica“, die durch ins Absurde gesteigerte Situationskomik ge-kennzeichnet ist: Hier werfen die Juden den Herr Gott über die hölzerne Brucken ins Schinder-bächlein, und sobald er drin liegt, schießt der Hr. Marktschreiber, der in tiefer Trauer mit fliegenden Flor auf den Hut mitreitet, die Pistole los, welches so oft geschieht, als sich eine Hauptaction ergiebt […].71 Auf Bitten des Hauptmanns holen dann Fischer, die vor dem Vorfall nichts ahnend am Bachufer standen, den Herrgott wieder aus dem Wasser heraus. 72 Nicht zuletzt tritt bei der Vorstellung des vierten heiligen Sakraments, der Buße, die der Zunft der Kaminfeger zugeteilt wird, u.a. Judas wieder auf, der sich verzweifelt über dessen Verrat Christi und für alle sichtbar am Haus des Amtsverwalters erhängt. Es sehe so aus, „als thäte er sich zu todt zappeln“73. Die Teufel, die 69 Ebd. 70 Vgl. ebd., 26. 71 Ebd., 27. 72 Vgl. ebd. Indem der Marktschreiber und die Fischer keine konkreten Dramenfiguren sind, entsteht durch ihr Auftauchen in der fiktiven Handlung in der Prozessionsordnung ein Eindruck des Einbruchs des Realen. Dieser Eindruck wird umso stärker, wenn etwa der Hauptmann die Fischer für ihre Mühe belohnen möchte, weshalb sie, wie P. Umgang schreibt, „nach der Proceßion ins Bräuhaus“ gehen, „wo sie mit Stockfisch und Bier tractirt werden“ (ebd.). 73 Ebd., 29. 202 10 „ Afterphilosophie“: Einschränkungen und Verbote im 18. Jahrhundert seinem Tod beiwohnen, „jauchzen […] wie die Gaslbubn auf der Kirchweyh“ und stimmen dabei folgende, nicht gerade lyrisch an-mutende „Arie“ an: Hops sa sa, Hops sa sa sa! Herr Judas macht daladera. Er papelt, Er zapelt, Er wittert, Er zittert, Dadididumba! Der Hals ist zug’schnüret, Und er ist krepiret, Mit Leib, und mit Seel Kommt er in die Höll. Hops sa sa, Hops sa sa sa! In Ewigkeit brinnst du Juda.74 Für eine wahre Übersteigerung dessen, was sonst in den Karfreitagsprozessionen zu erwarten wäre, sorgt jedoch erst die Fortsetzung dieser Szene. Nachdem Lucifer herangeritten kommt, um den Strick, mit dem Judas sich soeben das Leben genommen hat, abzuschneiden, legen ihn die herumlaufenden Teufel auf einen Schinderkarren und führen ihn mit in der Prozession, „wo sie ihm dann das Inngeweyd aus dem Leib winden, und zum heilsamen Schrecken stinkende Lungen, Leber, und Darmtrümer auf den Gassen hin und her unter die Leute werfen“75. Das ist, wie P. Umgang kommentiert, „wahrhaftig ad Motum egregie inventirt, und der Sünder müßte ein steinernes Herz haben, dem so was nicht usque ad interiora penetrirte“76. Die Sze-74 Ebd., 29f. 75 Ebd., 30. Wie beim letzten Beispiel scheint die Grenze zwischen Fiktivem und Realen auch hier zunehmend verwischt zu sein: Laut der Prozessionsordnung wohnte der Amtsverwalter, vor dessen Haus sich Judas erhing, der ganzen „Action“ bei und „schenkt hernach den Teufeln ein Paar Viertl Bier“ (ebd., 31). 76 Ebd., 30. 203 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen ne wird von Lucifer beschlossen, der seinen Schweif, auf dem kleine Teufel reiten, auf einer Schleife hinter sich her zieht. 77 Wie oben gezeigt, hat Joseph Richter für seine satirischen Beschreibungen der Prozessionen sich jener Argumente bedient, die zu dieser Zeit auch in ihren Verbots- und Einschränkungsbestimmungen zu finden sind. Es ist anzunehmen, dass ähnliche Beweggründe auch Bucher dazu brachten, den Entwurf einer ländlichen Charfreytagsprocession niederzuschreiben. Dass Prozessionen zugleich von den Obrigkeiten wie von der Kunst angegangen wurden, mag zunächst seltsam erscheinen. Andererseits spricht dies gerade dafür, dass ihre Aufführungspraxis am Ende des 18. Jahrhunderts – also ungefähr 200 Jahre nachdem sie von der Kirche im Rahmen der Gegenreformation und der katholischen Erneuerung eingesetzt worden waren – tatsächlich nicht mehr dem damaligen Zeitgeist entsprach. 77 Vgl. ebd., 31. 204 2 Auf der Suche nach einer Vorlage: eine kritische Betrachtung 205 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen 206 2 Auf der Suche nach einer Vorlage: eine kritische Betrachtung 11 Die Škofjeloški pasijon: eine erneuerte, von der UNESCO beschützte Tradition Das Ende der Škofjeloški pasijon, wie man sie seit Beginn des 18. Jahrhunderts kannte, lässt sich auf das Jahr 1768 festlegen. Aus der Chronik des Kapuzinerklosters Škofja Loka erfahren wir, dass die Tradition der dortigen Karfreitagsprozessionen vor Ostern jenes Jahres von der geistlichen Obrigkeit plötzlich untersagt und eingestellt wurde: Processio in Parasceve passionem Dominicam repraesentans Anno 1721 caep-ta, hoc Anno, dum jam omnia essent ad eam praeparata, circa finem Quadra-gesimae â Celsissimo et Revmo Archi=Episcopo Goritiensi, interdicta, et ab-rogata est.1 Die Prozession, die am Karfreitag das Leiden des Herrn darstellt und welche zum ersten Mal im Jahr 1721 durchgeführt wurde, wurde von Erzbischof von Gorica [Karl Michael von Attems (1711–1774)] in diesem Jahr [1768], nachdem alles schon vorbereitet worden war, gegen Ende der Fastenzeit verboten und abgeschafft.2 1 Kronika kapucinskega samostana, o. S. 2 Während Škofja Loka bis 1751 kirchlich zum Patriarchat von Aquileia gehörte, lag die Stadt nach dessen Auflösung bis 1787 innerhalb der neu gegründeten Erzdiözese Gorica. Vgl. Blaznik 1973, 392. 207 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen Dieses Verbot wurde jedoch – wie in der Regel bei Verboten von Prozessionen – nicht auf Anhieb befolgt. Wie aus einer Pfarrmatrikel aus dem Jahr 1777 ersichtlich, gehörte die Aufführung der Škofjeloški pasijon in jenem Jahr zu den kirchlichen Handlungen, die am Karfreitag ausgerichtet wurden. 3 Vermutlich fand der Umzug auch noch in den nächsten Jahren vereinzelt statt, vielleicht sogar bis 1804, als die Pfarrei von Škofja Loka in dem Jahr grundlegend reformiert wurde. 4 Spätestens zu dem Zeitpunkt scheint die dortige Tradition der Karfreitagsprozessionen beendet worden und von da an allmählich in Vergessenheit geraten zu sein. Doch auch diese Zäsur war keine endgültige. Im Unterschied zu den meisten anderen Karfreitagsprozessionen in Europa, deren Zeugnisse im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts zerstört wurden oder ver-lorengingen, hat sich in Škofja Loka innerhalb eines gesamten Kodex der Dramentext von P. Romuald erhalten. Wie schon in Abschnitt 2.1 erwähnt, wurde er im Jahr 1917 zum ersten Mal in vollem Umfang veröffentlicht. Seitdem haben an der Škofjeloški pasijon wiederholt nicht nur Wissenschaftler, sondern auch Kunst- und Theaterschaffende Interesse gefunden. Unter den Inszenierungen von P. Romualds Text, bei denen es vornehmlich darum ging, die vergangene Tradition der Karfreitagsprozessionen von Škofja Loka zu erneuern, gilt als erste diejenige des Literaturwissenschaftlers Tine Debeljak (1903–1989), die im Sommer 1936 anlässlich einer lokalen Gewerbe- und Industrieausstellung entstand. 5 Der Plan, in jenem Rahmen die Altstadt von Škofja Loka als Inszenie-rungsort zu verwenden, musste wegen der sich ergebenden Komple-3 Vgl. Štukl 1999, 111f. 4 Vgl. ebd., 112. 5 Vgl. Štukl 1986, 158f.; sowie Podgoršek 2010, 45. 208 11 Die Škofjeloški pasijon: eine erneuerte, von der UNESCO beschützte Tradition xität eines solchen Unternehmens jedoch modifiziert werden. Anstatt auf den Straßen und Plätzen verlief die Spielhandlung auf einer gro- ßen, mit Kulissen des Marktplatzes ausgestatteten Bühne, die auf dem Hof der Bürgerschule, die seinerzeit die Ausstellung beherbergte, aufgestellt war. 6 Den Charakter eines Prozessionsumzugs erhielt die Inszenierung nur in jenen Momenten, in denen die einzelnen Schauspie-lergruppen die Bühne in ihren jeweiligen Anordnungen betraten. 7 Dass diese Inszenierung im Hinblick auf ihre ursprüngliche Absicht8 misslang, schien auch Debeljak bewusst gewesen zu sein. Noch Jahre später setzte er sich für eine neue, ‚wahre‘ Wiederherstellung der Škofjeloški pasijon ein: Zdaj, ko imajo v Loki muzej […], bi morda kazalo iz kulturno zgodovinskih povodov misliti na pravo zgodovinsko rekonstrukcijo loškega pasijona […].9 Nun, da es in [Škofja] Loka ein Museum […] gibt, sollte man aus kulturhistori-schen Gründen vielleicht an eine wahre historische Rekonstruktion der Passion von [Škofja] Loka denken […]. Nach einem erneut gescheiterten Versuch in der ersten Hälfte der 1990er-Jahre10 kam es 1999 schließlich ein weiteres Mal zu einer solchen Inszenierung. 11 Angeregt wurde sie wie schon zuvor durch die 6 Vgl. ebd.; sowie Planina 2016, 105. 7 Vgl. Podgoršek 2010, 45. Während Debeljaks Inszenierung im Rahmen der Gewerbe- und Industrieaustellung drei Wiederaufnahmen erfuhr, fand sie auch im darauffolgenden Sommer drei weitere Male statt. Vgl. ebd.; sowie Planina 2016, 105. 8 Vgl. Debeljak 2009, 98. 9 Das Zitat stammt aus einem Brief Tine Debeljaks vom 31. Mai 1966. Zit. nach Podgoršek 2010, 45. 10 Vgl. Florjančič 2010, 78f. 11 Hierzu sei angemerkt, dass eine Aufführung der Škofjeloški pasijon, in der es vor allem darum ging, den Text P. Romualds in seiner Vollständigkeit zu präsentieren, bereits im Jahr 1992 als Hörspiel im öffentlich-rechtlichen 209 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen Gemeinde Škofja Loka, die Regie wurde dem Laien und damaligen Studenten der Slowenistik und Ethnologie Marjan Kokalj (1969–) anvertraut. 12 Im Nachhinein bezeichnete dieser seinen Ansatz als „fol-klorno-znanstveno-rekonstrukcijski“13, als „volkskundlich-wissenschaftlich-rekonstruktiv“: Načelo pri režiji je bila izvirna rekonstrukcija, pojmovana kot ljudska igra, kjer mo-rajo igrati amaterji, ki prihajajo iz različnih okolij škofjeloškega območja. Rekonstrukcija mora zajeti vse sestavine ljudske igre: jezik, scenografijo, kostumografi-jo, zbiranje sodelujočih, kulinariko, deloma tudi organizacijo in promocijo […].14 Das Konzept der Regie verfolgte eine originaltreue Rekonstruktion, begriffen als Volksschauspiel, in dem Laien spielen sollten, die aus den diversen Um-gebungen des Gebiets von Škofja Loka kamen. Die Rekonstruktion sollte alle Bestandteile eines Volksschauspiels umfassen: die Sprache, Szenografie, Kostüme, die Zusammensetzung der Mitwirkenden, das Kulinarische, zum Teil auch die Organisation und Werbung […]. In seiner Inszenierung hat Kokalj versucht, sich möglichst treu an P. Romualds Text zu halten. Zu Modifikationen kam es lediglich an solchen Stellen, die Kokalj aus heutiger Perspektive unaufführbar erschienen oder seiner Meinung nach nicht konsequent genug ausgear-beitet waren. Er veränderte das Skript in dessen Dramaturgie zudem dort, wo er es für nötig erachtete, die Spielhandlung dem gegenwärtigen Zuschauer besser vermitteln zu müssen. 15 Aus den ursprünglich 13 Szenen, wie die Škofjeloški pasijon sie vorsieht, wurden dement-Rundfunk stattgefunden hatte. Das Hörspiel, bei dem Aleš Jan (1943–) Regie führte, wurde am 7. Oktober 1992 ausgestrahlt. Vgl. Andres 2018, 139; 148. 12 Es ist hier zu betonen, dass Kokalj bei Fragen zur Škofjeloški pasijon u.a. auf den Rat von P. Metod Benedik, dem damaligen Guardian des Kapuzinerklosters in Škofja Loka, zählen konnte. 13 Kokalj 1999, 116. 14 Ebd., 118. 15 Zu den Unterschieden zwischen P. Romualds Text und Kokaljs Regiebuch vgl. ders. 1999, 120–158. 210 11 Die Škofjeloški pasijon: eine erneuerte, von der UNESCO beschützte Tradition sprechend 20. 16 Während der Prozession, deren Anfang und Schluss am selben Ort in der Neustadt von Škofja Loka stattfanden, wurde jede Szene viermal, d.h. an vier verschiedenen Schauplätzen gespielt, die sich allesamt in der Altstadt befanden. Dort, umgeben von pitto-resken historischen Gebäuden, von denen einige aus dem Mittelalter stammen, wurden auch Sitzplätze für Zuschauer angebracht. 17 Da alle Figuren an allen Schauplätzen vorbeizogen, konnte man unabhängig davon, wo man saß, den ganzen Umzug verfolgen. Konkret bewegten sich die Akteure zunächst bis zum ersten Schauplatz, der mitten auf dem Marktplatz lag. Dort hielten sie inne, um vor dem Publikum betont in Erscheinung zu treten und ihren Text zu sprechen. Danach zogen sie einige hundert Meter weiter bis zum nächsten Schauplatz, wo die Bewegung wieder unterbrochen wurde und die Figuren ihren Text darboten – und so weiter, bis sie am letzten Schauplatz, vor einem ehe-maligen Getreidespeicher aus dem 16. Jahrhundert, noch einmal auf-traten, um dann ihren Weg aus der Altstadt heraus zurück zum Ausgangspunkt der Prozession fortzusetzen und diese dort zu beenden. 16 1. Paradies; 2. Tod; 3. Hölle; 4. Zünfte; 5. Einzug in Jerusalem; 6. Letztes Abendmahl; 7. Samson und der Blutschweiß; 8. Judas und die Verurteilung; 9. Herodes; 10. Geißelung; 11. Krönung; 12. Hieronymus; 13. Seht, der Mensch; 14. Die Schächer; 15. Kreuzweg; 16. Christus am Kreuz; 17. Sieben-Schmerzen-Mutter; 18. Bundeslade; 19. Heiliges Grab; 20. Musik. Vgl. ebd. Eingeführt wurde Kokaljs Aufführung durch eine als Vorspiel betitelte Szene, in der ein Schauspieler in der Rolle eines Kapuzinerpaters das bereits in Kapitel 8 erwähnte, sich im Kodex der Škofjeloški pasijon befindende und als „Vor der Prozession sollte man wissen“ betitelte Schreiben vorlas. Laut Kokalj wurden damit die Umstände kontextualisiert, in denen die Tradition der Karfreitagsumzüge in Škofja Loka entstanden war. Vgl. ebd., 120. 17 Den Mittelpunkt eines jeden Schauplatzes bildete ein schmales, bühnenartiges, direkt vor die Wände der Häuser aufgestelltes Podest, das grundsätzlich alle Figuren, die die Prozession zu Fuß abschritten, betreten mussten. Zwischen diesem Podest und den für die Zuschauer vorgesehenen Sitzplätzen war Platz bestimmt für die Figuren, die sich auf Pferden fortbewegten, sowie für diejenigen Szenen, die auf Traggestellen oder Pferdewagen vorwärts bewegt wurden. 211 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen Während in Kokaljs Inszenierung mehr als 600 Personen auf-traten, 18 haben bei ihren Vorbereitungen insgesamt etwa 1.000 Personen mitgewirkt. 19 Bei seinem Vorgehen ließ sich Kokalj von einem Einladungsbrief aus dem Jahr 1713 inspirieren, der dem Kodex der Škofjeloški pasijon beigelegt war. 20 Darin wird die Verantwortung für die Erstellung einzelner Szenen nicht nur den Bürgern von Škofja Loka auferlegt, sondern – beinahe ausschließlich – den Bewohnern der umherliegenden Dörfer, die ebenso der Herrschaft Bischoflack zugehörten. 21 Auf der Rückseite des Briefes befindet sich außerdem eine nicht datierte Liste, die ähnliche Bestimmungen enthält, wie z.B. „2dam: Retezhe inu goreina vash. Paradish“, „2. Reteče und Gorenja vas – Paradies“, „8va: Dorfarje inu zerengrob Kervavi put“, „8. Dorfarje und Crngrob – Blutschweiß“ oder „13tia: Suha inu trata – Christus na Krishu“, „13. Suha und Trata22 – Christus am Kreuz“23. Davon ausgehend, dass diese Art und Weise einer sozusagen delegierenden Produktionsweise in der Herrschaft Bischoflack des 18. Jahrhunderts gang und gäbe war, setzte Kokalj sie auch bei seiner eigenen Inszenierung ein. Die Verteilung der Szenen lässt sich bei ihm wie folgt skizzieren: Žabnica – Paradies, Zünfte (die Hafnerzunft, die Mau-rerzunft), Christus am Kreuz; Visoko – Tod, Christus am Kreuz; Selca – Hölle, Zünfte (die Bäckerzunft), Kreuzweg; Železniki – Zünfte (die Schmiedezunft), Tod, Einzug in Jerusalem, Sieben-Schmerzen-Mutter; Poljane – Zünfte (die Schusterzunft), Letztes Abendmahl; Sv. Duh – Zünfte (die Bäckerzunft, die Schneiderzunft), Judas und die Verur-18 Vgl. Florjančič 2007. 19 Vgl. ders. 2010, 80. 20 Zu welchem Zeitpunkt dies geschah, ist jedoch nicht nachvollziehbar. 21 Vgl. ŠP, 270. 22 Reteče, Gorenja vas, Dorfarje, Crngrob, Suha und Trata sind Dorfnamen. 23 ŠP, 273. 212 11 Die Škofjeloški pasijon: eine erneuerte, von der UNESCO beschützte Tradition teilung; Sv. Jošt – Zünfte (die Fleischhackerzunft); Suha – Judas und die Verurteilung; Sora – Herodes, Hl. Hieronymus; Gorenja vas – Krö- nung; Gorenja vas pri Retečah – Seht, der Mensch; Reteče – Seht, der Mensch; Žiri – Die Schächer; Sorica – Bundeslade; Pevno – Heiliges Grab; Puštal – Heiliges Grab; und Crngrob – Tod, Heiliges Grab. 24 Die Stadt Škofja Loka beteiligte sich schließlich bei folgenden Szenen: Einzug in Jerusalem, Blutschweiß, Geißelung, Krönung, Christus am Kreuz und Musik. 25 Wie oben angeführt, ging es Kokalj bei seiner Inszenierung der Škofjeloški pasijon vor allem um eine ‚originaltreue Rekonstruktion‘. Als Inszenierungsprinzip sah er diese u.a. im Spektakulären begründet, das sowohl frühneuzeitliche Karfreitagsprozessionen als auch das zeitgenössische Theater seiner Ansicht nach kennzeichneten: Trend današnjega časa v gledališču je spektakel, močan vizualni učinek, če-mur pasijon s svojo množičnostjo in hitro se menjajočim dogajanjem kot nalašč ustreza.26 Der Trend der heutigen Zeit im Theater heißt Spektakel, starker visueller Ef-fekt. Die Passion mit ihrer Masse an Teilnehmern und der sich schnell ändern-den Handlung entspricht dem vollkommen.27 24 Vgl. Kokalj 1999a. Alle Darsteller waren Laien mit sehr unterschiedlichen Erfahrungen auf dem Gebiet der Kultur. Während einige von ihnen schon lange als Mitglieder ortsansässiger Vereine und ähnlicher, auch weniger formaler Lokalgruppierungen agierten, war die Teilnahme an Kokaljs Inszenierung für die meisten ihr erster öffentlicher Auftritt. Vgl. Oblak 1999a. 25 Konkret ging es um die Schüler der Musikschule Škofja Loka, die Mitglieder des Bildungsvereins Sotočje (dt. Zusammenfluss), die Schauspieler des Kulturvereins Loški oder (dt. Theaterbühne Loka) und um die Musiker des städtischen Blasorchesters. Vgl. Kokalj 1999a, 161–165. 26 Kokalj 1999, 116. 27 Zu weiteren Gründen, die laut Kokalj die Rekonstruktion der Tradition der Karfreitagsprozessionen in Škofja Loka gerechtfertigt haben, vgl. ebd. 213 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen Nun scheint ebendieses Moment – das potenziell Spektakuläre der Škofjeloški pasijon – auch die Gemeinde Škofja Loka erkannt und dementsprechend gehandelt zu haben: Ihr Organisationskomitee hat Kokaljs Inszenierung von Anfang an als touristisches Event vermark-tet, für das eine eigene Corporate Identity entworfen wurde, 28 und an dem möglichst viele Zuschauer teilnehmen sollten. 29 Als größte und wichtigste Zielgruppe wurden dabei die slowenischen Christen bestimmt. 30 Um diese weitestmöglich zu erreichen, wandte sich das Organisationskomitee an christliche Medien sowie an alle Pfarreien in Slowenien. 31 Einen zusätzlichen Ansporn hinsichtlich eines Besuchs der Gläubigen in Škofja Loka gab außerdem ein Empfehlungs-brief der slowenischen Bischöfe, die darin die Veranstaltung ausdrücklich begrüßten. 32 Im Hinblick auf P. Romualds Text als das älteste erhaltene slowenische Drama stellten vor allem die Schüler der Sekundarstufe eine weitere bedeutende Zielgruppe für das Organisationskomitee dar. 33 Um bei ihnen Interesse für Kokaljs Inszenierung zu wecken, wurden alle höhere Bildungseinrichtungen im Land, konkret: die Slowenischlehrer an diesen Schulen kontaktiert. 34 Nicht zuletzt hat das Organisationskomitee für die Škofjeloški pasijon in zahlreichen lokalen, regionalen wie nationalen Medien intensiv geworben. Im zweiten Programm des öffentlich-rechtlichen Rundfunks z.B. konnte man über mehrere Wochen wiederholt einen Spot mit folgendem Text hören: 28 Zur Corporate Identity der Škofjeloški pasijon vgl. Miklavc et al. 1999. 29 Vgl. Oblak 1999, 172. 30 Vgl. ebd., 173. 31 Vgl. ebd., 172f.; 187. 32 Vgl. ebd., 173. 33 Vgl. ebd. 34 Vgl. ebd., 187. 214 11 Die Škofjeloški pasijon: eine erneuerte, von der UNESCO beschützte Tradition Veliki gledališki, kulturni in verski spektakel! Prvo zapisano, ohranjeno dramsko delo v slovenskem jeziku! Od 27. marca do 5. aprila si ga lahko ogledate na ulicah in trgih Škofje Loke, s 600 igralci in nad 80 konjeniki! [...] Tradicija Škofjeloškega pasijona se po več kot 200 letih spet nadaljuje. Pridite, Škofja Loka vas pričakuje. 35 Großes Theater-, Kultur- und Glaubensspektakel! Das erste geschriebene, erhaltene Dramenwerk in slowenischer Sprache! Vom 27. März bis 5. April können Sie es auf Straßen und Plätzen von Škofja Loka sehen, mit 600 Darstellern und über 80 Reitern! […] Die Tradition der Škofjeloški pasijon geht nach mehr als 200 Jahren weiter. Kommen Sie vorbei, Škofja Loka erwartet Sie. Die Premiere von Kokaljs Inszenierung musste schließlich wegen schlechten Wetters verschoben werden, die erste Vorstellung fand somit erst am 28. März 1999 statt. 36 Bis zum 10. April folgten dieser – nachmittags oder abends – sechs Wiederholungen, zwei darunter am Karfreitag. 37 In dieser Zeit zog die Škofjeloški pasijon ca. 40.000 Zuschauer an, was sogar die hoch gesteckten Ziele und Erwartungen des Organisationskomitees übertraf. 38 Wohl auch deshalb wurden während der darauffolgenden Osterzeit im Jahr 2000 fünf weitere Vorstellungen durchgeführt. 39 Nach einem gescheiterten Versuch, P. Romualds Text im Jahr 2006, anlässlich des 300. Jubiläums der Ankunft der Kapuziner in Škofja Loka sowie des 400. Jubiläums ihrer Ankunft auf dem Gebiet des heutigen Slowenien, wieder aufzuführen, 40 verpflichtete sich die Ge-35 Zit. nach ebd., 181. 36 Vgl. ebd., 181; sowie Štibelj 1999, 213. 37 Vgl. ebd. 38 Vgl. Oblak 1999, 172. 39 Im Vergleich zu den Vorstellungen des vorherigen Jahres blieben diese jedoch weniger besucht. Vgl. Štibelj 2020, 143f. 40 Vgl. Primožič 2010, 81. 215 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen meinde Škofja Loka im folgenden Jahr dazu, dies in den Jahren 2009, 2015 und 2021 zu tun. Durch ihren Erlass vom 17. November 200741 wurde erstmals die Rechtsgrundlage geschaffen, die eine Kontinui-tät der in 1999 wiederbelebten Tradition von Karfreitagsprozessionen gewährleisten soll. Das Papier ist außerdem von Bedeutung, als darin zentrale organisatorische wie inhaltliche Fragen langfristig ge-regelt sind. So wird u.a. verfügt, dass ein vom Bürgermeister bestell-ter Fachausschuss für jedes für die Aufführung der Škofjeloški pasijon vorgesehene Jahr aufs Neue einen Regisseur vorschlagen soll. 42 Dieser wiederum darf anhand von P. Romualds Text nicht selber die Tradition von Karfreitagsumzügen in Škofja Loka rekonstruieren, denn die Škofjeloški pasijon wird fortan ausdrücklich als „die Erneuerung der Rekonstruktion“ begriffen, „die bereits [in den Jahren 1999 und 2000] auf den Straßen und Plätzen von Škofja Loka durchgeführt wurde“43. In der Tat versuchten beide Regisseure aus den Jahren 2009 und 2015, Borut Gartner (1963–) und Milan Golob (1980–), in ihren Arbeiten Kokaljs Inszenierung zu folgen. 44 Sie vergrößer-41 Vgl. https://www.uradni-list.si/1/content?id=83454 (zuletzt abgerufen am 11.11.2020). 42 Vgl. ebd. In den Fachausschüssen zur Škofjeloški pasijon von 2009 und zu jener von 2015 stand jedes Mal auch den Kapuzinern von Škofja Loka ein Sitz zu. Vgl. D. Ž. 2008; sowie „Škofjeloški pasijon 2015“ 2016, 202. 43 https://www.uradni-list.si/1/content?id=83454 (zuletzt abgerufen am 11.11.2020). 44 Vgl. Gartner 2010, 128–130; sowie Arsovski 2015, 16. Wie bei Kokaljs Inszenierung haben auch hier die Kapuzinerpatres von Škofja Loka daran mitgewirkt. Während im Programmheft zu Gartners Inszenierung beide Kapuziner P. Metod Benedik und P. Robert Podgoršek – neben dem Pfarrer Alojz Snoj – unter „Pomoč režiserju pri študiju besedila“, „Unterstützung des Regisseurs beim Studium des Textes“ angegeben werden (vgl. Gartner 2010, 112, 128); wird im Programmheft zu Golobs Inszenierung der Kapuziner P. Jožko Smukavec unter „Asistenca režije“, „Regieassistenz“, genauer als: „duhovni vodja“, „geistlicher Leiter“ („Škofjeloški pasijon 2015“ 2016, 216) angeführt. 216 11 Die Škofjeloški pasijon: eine erneuerte, von der UNESCO beschützte Tradition ten zwar ihrerseits deutlich die Gruppenszenen, 45 rückten einige Fi-gurengruppen in der Prozession weiter nach vorn oder weiter nach hinten46 oder führten sogar neue Figuren ein. 47 Dennoch achteten sie stets darauf, die Integrität von Kokaljs Škofjeloški pasijon nicht zu beeinträchtigen. 48 Wie zu Beginn dieser Untersuchung erwähnt, wurde im März 2013, also zwischen den letzten beiden bisher stattgefundenen Inszenierungen die Aufnahme der Škofjeloški pasijon auf die seit 2008 bestehende Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit bei der UNESCO beantragt. Angestoßen wurde dieses Projekt – wie schon im Falle der Rekonstruktion der Škofjeloški pasijon – durch die Gemeinde Škofja Loka, die sich in ihren Bestrebungen u.a. mit den Kapuzinern von Škofja Loka, dem Staats-45 In Gartners Škofjeloški pasijon sind insgesamt mehr als 800, in der von Golob mehr als 900 Personen aufgetreten. Vgl. Gartner 2010, 93–119; sowie „Škofjeloški pasijon 2015“ 2016, 201–268. 46 Gartner änderte bspw. in der Szene mit den Zünften deren Reihenfolge und stellte die Schneiderzunft hinter die Schusterzunft. Vgl. Gartner 2010, 100; 129. Golob seinerseits rückte die gesamte Zünfteszene in der Prozession mehr nach vorne. Vgl. „Škofjeloški pasijon 2015“ 2016, 226f.; sowie Golob 2016, 19. 47 Besonders erwähnenswert sind hier die Eingriffe von Gartner und Golob in das Ende der Prozession. Bekanntermaßen war in P. Romualds Text vorgesehen, dass sich nach der letzten Szene das Volk dem Umzug anschließen sollte. Während Kokalj diese Regieanweisung für undurchführbar hielt und deshalb ignorierte (vgl. Kokalj 1999, 158), inszenierte Gartner sozusagen das Volk, indem er am Ende der Prozession die Mitglieder des Gemischten Chors des Gymnasiums Škofja Loka singend und in ihrer alltäglichen Kleidung mitgehen ließ. Vgl. Gartner 2010, 110f.; 137. Golob behielt jenen Chor in dessen Inszenierung bei, ließ die Sänger dafür jedoch kuttenartige Kostüme anziehen, die goldgelb bzw. grün waren, also in Farben, die auch in den Wappen des Hochstiftes Freising und der Gemeinde Škofja Loka vorkommen. Vgl. ders. 2016, 21. 48 Zur Problematisierung dieser Position aus der Perspektive der Regie vgl. ebd., 24f. 217 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen ministerium für Kultur und dem Slowenischen ethnographischen Museum als nationalem Koordinator für den Schutz des immateriellen Kulturerbes zusammenschloss. 49 Noch vor der Entscheidung des Zwischenstaatlichen Ausschusses für den Erhalt des immateriellen Kulturerbes bei der UNESCO, die auf seiner Jahressitzung Ende November 2014 getroffen werden sollte, 50 erhielt das Kulturministerium jedoch die Nachricht, der Antrag Sloweniens erfülle nicht alle Kriterien für die Aufnahme der Škofjeloški pasijon auf die UNESCO-Liste. Bemängelt wurde dabei die Angabe, wie durch die Aufnahme in die Liste eine breitere Sichtbarkeit des immateriellen Kulturerbes gewährleistet werden sollte. Des Weiteren wurde dem Ausschuss zufolge nicht ausreichend dargelegt, warum die Tradition der Škofjeloški pasijon zwischen 1936 und 1999 unterbrochen wurde. 51 Schließlich wurden im Antrag Angaben zu den Schutzmaß- nahmen vermisst, die die langfristige Bewahrung der Škofjeloški pasijon absichern sollten. 52 Die slowenische Seite zog daraufhin den Antrag aus dem Verfahren zurück53 – um ihn sogleich bei der nächsten Gelegenheit wieder einbringen zu können. 54 In den folgenden Monaten fügte sie nicht nur 49 Vgl. Nabergoj et al. 2018, 165. 50 Zur Ausschusssitzung vgl. https://ich.unesco.org/en/9com (zuletzt abgerufen am 11.11.2020). 51 Interessanterweise hat der Ausschuss nicht kommentiert, dass diese Tradition auch während des gesamten 19. Jahrhunderts ausgeblieben war. 52 Vgl. http://www.unesco.org/culture/ich/en/10-representative-list-00748 (zuletzt abgerufen am 11.11.2020). 53 Vgl. https://ich.unesco.org/en/10-representative-list-00748#10.41 (zuletzt abgerufen am 11.11.2020). 54 Hätte die slowenische Seite die offizielle Ablehnung ihres Antrags in der Sitzung des Komitees abgewartet, hätte sie laut UNESCO-Regelwerk vier Jahre vergehen lassen müssen, um ihn erneut stellen zu dürfen. Vgl. Igličar 2015, 184. 218 11 Die Škofjeloški pasijon: eine erneuerte, von der UNESCO beschützte Tradition die vom Ausschuss gewünschten Erklärungen hinzu. 55 Sie überarbeitete darüber hinaus das gesamte Dossier nochmals inhaltlich und versuchte dabei Momente hervorzuheben, die mit den von der UNESCO vertretenen Werten stärker in Einklang waren: etwa die Mitwirkung der lokalen Bevölkerung bei der Erstellung des Antrags sowie an den vorgesehenen Schutzmaßnahmen; die Mitwirkung von Frauen, Kindern und Jugendlichen bei der Durchführung der Škofjeloški pasijon; die Bedeutung der Übertragung des sogenannten Passionserbes von einer Generation zur nächsten; den Respekt und Dialog mit Gemeinschaften anderer Glaubenshaltungen. 56 In diesem Kontext wurde auch das Präsentationsvideo, das schon dem ersten Antrag beigelegt worden war, neu montiert: Alle Szenen, die als gewaltsam begriffen werden konnten und somit die UNESCO-Richtlinien zur Erstellung des Antrags missachteten, wurden herausgeschnitten. 57 Ende März 2015 wurde in Paris ein zweiter Versuch unternommen, um die Škofjeloški pasijon auf die Repräsentative Liste des im-55 Die slowenische Delegation hat diesbezüglich u.a. die Vermutung geäußert, dass durch die Aufnahme der Škofjeloški pasijon in die UNESCO-Liste künftig auch ähnliche, europäische wie nicht-europäische Traditionen besser geschützt werden würden. Vgl. „Nomination file no. 01203”, https:// ich.unesco.org/en/RL/skofja-loka-passion-play-01203; 6 (zuletzt abgerufen am 11.11.2020). Im Hinblick auf den Ausfall der Škofjeloški pasijon zwischen 1936 und 1999 wurde mit Hinweis auf die politischen Umstände argumentiert: Während es bis 1945 aufgrund der Vorkriegszeit und des 2. Weltkrieges unmöglich gewesen sei, P. Romualds Text aufzuführen, soll das politische Regime nach 1945 nur die Aufführung von Ausschnitten erlaubt haben. Vgl. ebd., 6f. In Bezug auf die Schutzmaßnahmen zur langfristigen Bewahrung der Škofjeloški pasijon wurde schließlich eine Reihe von Aktionen angekündigt, u.a. die Veranstaltung von Kulturevents wie Konzerte, Ausstellungen und Workshops, ferner die Förderung von wissenschaftlichen Untersuchungen zum Thema Passion sowie die Einführung der Škofjeloški pasijon in die Lehrprogramme der Schulen in Škofja Loka. Vgl. ebd., 8–10. 56 Vgl. Nabergoj et al. 2018, 166. 57 Vgl. ebd. 219 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen materiellen Kulturerbes der Menschheit zu setzen. Diesmal hatte der zwischenstaatliche UNESCO-Ausschuss vor der endgültigen Entscheidung keine Einwände – bis auf einen, der sich auf eine kleine technische Formalie im Antrag bezog. 58 Daher beschloss die slowenische Seite, den Antrag aus dem Verfahren nicht wieder zurückzuziehen, um das Versehen vor und während der nächsten Sitzung des Ausschusses, die vom 28. November bis 2. Dezember 2016 in Addis Abeba stattfinden sollte, zu erklären. 59 Am 1. Dezember wurde schließlich die Škofjeloški pasijon – als erstes immaterielles ‚kulturelles Element‘ aus Slowenien überhaupt – auf die UNESCO-Liste aufgenommen. 60 Welche konkreten Auswirkungen dieser prestigeträchtige Titel, der keineswegs von ewiger Dauer sein muss, 61 auf die wiederbelebte Tradition von Karfreitagsprozessionen in Škofja Loka haben wird, lässt sich bisher noch nicht sagen. Die nächsten Aufführungen der Škofjeloški pasijon sind für das Jahr 2021 geplant, in der Folge sollen sie alle sieben Jahre stattfinden. 62 Das UNESCO-Siegel ist jedoch nicht das einzige Merkmal, das ab 2021 die Škofjeloški pasijon mitprägen dürf-te. Während von 2008 an die Gemeinde Škofja Loka als ausschließli-58 Als problematisch wurde ein nicht aktiver Hyperlink erachtet. Vgl. ebd., 167. 59 Vgl. ebd. 60 Vgl. ebd., 168. 61 Bei Unterlassung der Schutzmaßnahmen, zu denen sich Slowenien in seinem Antrag verpflichtet hatte, kann die UNESCO den Titel im Prinzip jederzeit aberkennen. In Paragraf 40 ihrer Operational directives for the implementation of the Convention for the safeguarding of the intangible cultural heritage ist Folgendes dazu ausgeführt: „An element shall be removed from the Representative List of the Intangible Cultural Heritage of Humanity by the Committee when it determines that it no longer satisfies one or more criteria for inscription on that list.“ https://ich.unesco. org/doc/src/ICH-Operational_Directives-7.GA-PDF-EN.pdf#p170 (zuletzt abgerufen am 11.11.2020). 62 Vgl. https://www.uradni-list.si/1/content?id=83454 (zuletzt abgerufen am 11.11.2020). 220 11 Die Škofjeloški pasijon: eine erneuerte, von der UNESCO beschützte Tradition che Trägerin der Tradition im nationalen Register des immateriellen Kulturerbes verzeichnet war, wurde dieses Amt am 3. Juli 2018 auf die Gemeinde und das Kapuzinerkloster Škofja Loka aufgeteilt. 63 Im betreffenden Schreiben des Kulturministeriums wird die Tätigkeit des Klosters u.a. folgendermaßen beschrieben: Bratje kapucini so po svojem duhovnem izročilu varuhi duhovne vsebine pasijona in skupaj z Občino Škofja Loka soodgovorni, da Škofjeloški pasijon ostane zvest prvotnemu namenu – to je oznanilu božje ljubezni v Jezusu Kristusu in povezanosti ljudi med seboj.64 Die Kapuzinerbrüder sind laut ihrer geistlichen Überlieferung die Hüter des geistlichen Inhaltes der Passion und zusammen mit der Gemeinde Škofja Loka dafür mitverantwortlich, dass die Škofjeloški pasijon ihrem ursprünglichen Zweck treu bleibt – das ist die Verkündigung der Liebe Gottes in Jesus Christus und die Verbundenheit der Menschen zueinander. Wie zuvor an mehreren Stellen erwähnt, waren die Kapuziner von Škofja Loka bereits seit der ersten Rekonstruktion der Škofjeloški pasijon im Jahr 1999 in die Produktionsprozesse eingebunden und wirkten dabei u.a. als Berater der jeweiligen Regisseure mit; bei der bisher letzten Inszenierung von 2015 wurde der Guardian des Klosters sogar ausdrücklich ‚geistlicher Leiter‘ genannt. Die Eintragung des Kapuzinerklosters in das Register des immateriellen Kulturerbes als Mitträger ist daher nur folgerichtig. Noch wichtiger allerdings scheint in diesem Eintrag sein symbolischer Wert zu sein: Erst durch ihn wurde den Kapuzinern von Škofja Loka die Rolle, die sie vor mehr als 200 Jahren durch das Verbot der Škofjeloški pasijon verloren hatten, offiziell wieder zuerkannt. 63 Vgl. http://www.mk.gov.si/fileadmin/mk.gov.si/pageuploads/Ministrstvo/ Razvidi/RKD_Ziva/Rzd-02_00001.pdf (zuletzt abgerufen am 11.11.2020). 64 Ebd. 221 Boris Kobe: Škofjeloški pasijon, 1967. Ikonoteka SLOGI – Gledališki muzej … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen Dank Allen voran möchte ich Erika Fischer-Lichte für die Unterstützung zu Beginn meiner Recherchen zur vorliegenden Studie danken. Joachim Küpper gebührt der besondere Dank dafür, dass ich von 2013 bis 2016 als wissenschaftlicher Mitarbeiter in seinem ERC-Forschungsprojekt „DramaNet – Early Modern European Drama and the Cultural Net“ an der Freien Universität Berlin tätig sein konnte. Meinen Kolleginnen und Kollegen Konstanze Ameer, Pauline Beaucé, Toni Bernhart, Stephanie Bung, Gautam Chakrabarti, Gaia Gubbini, Katja Gvozdeva, Sven Thorsten Kilian, Agnes Kloocke, Tatiana Korneeva, DS Mayfield, Jan Mosch, Kirill Ospovat, Leonie Pawlita und Madeline Rüegg danke ich für den regelmäßigen fachlichen und kollegia-len Austausch. Oto Luthar danke ich für die akademische Heimat, die er mir von 2017 bis 2020 an seinem Forschungszentrum der Slowenischen Akademie der Wissenschaften und Künste (ZRC SAZU) gegeben hat. Während dieser Zeit des intensiven Austauschs hatte ich die Möglichkeit, das Manuskript zum vorliegenden Buch fertigzustellen. Für Auskünfte und anregende Gespräche während meiner Arbeit und Recherchen an dieser Studie danke ich Metod Benedik, Helena Dobrovoljc, Alojzij Pavel Florjančič, Marta Gartner, Milan Golob, Igor Grdina, Rebecca Mak, Katja Mihurko Poniž, Miriam Možgan, Matija Ogrin, Neda Pagon, Carmina Peter, Iztok Podbregar, Špela Spanžel, Matthias Warstat und Gita Zadnikar. Nada Grošelj sei für die Hilfe bei der Übersetzung der lateinischen Text-stellen gedankt. Im Rahmen meiner Recherchen konsultierte ich vor allem die Be-stände der Universitätsbibliothek und der Philologischen Bibliothek der Freien Universität Berlin, der Zweigbibliothek Theologie sowie 224 des Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrums der Humboldt-Universität zu Berlin, der Staatsbibliothek zu Berlin, der Bayerischen Staatsbibliothek, der Österreichischen Nationalbibliothek, der slowenischen National- und Universitätsbibliothek, der Theologischen Bibliothek der Universität Ljubljana und der Bibliothek des Kapuzinerklosters Škofja Loka. Zu großem Dank bin ich dem Europäischen Forschungsrat (ERC) für die Förderung meiner Mitarbeiterstelle im Forschungsprojekt „DramaNet – Early Modern European Drama and the Cultural Net“ in den Jahren 2013 bis 2016 verpflichtet. Hinsichtlich der Förderung meiner Stelle am ZRC SAZU in den Jahren 2017 und 2018 danke ich dem Öffentlichen Stipendien-, Entwicklungs-, Behinderten- und Un-terhaltsfonds der Republik Slowenien (JŠRIPS RS). Dem Verlag ZRC und seinem Leiter Aleš Pogačnik bin ich dankbar für die Aufnahme dieser Studie in das Programm und für die Begleitung des Produktionsprozesses. Für die Förderung des Buches danke ich der Slowenischen Forschungsagentur (ARRS). Vito Pinto danke ich für das umsichtige Lektorat und Korrektorat. Für die Gestaltung des Buches bin ich Primož Fijavž dankbar. Jurij Kobe und seiner Familie gebührt großer Dank für die Erlaubnis, das Bild Škofjeloški pasijon (1967) von Boris Kobe im Buch verwenden zu dürfen. Dem Slowenischen Theaterinstitut und der Lei-terin seiner Ikonothek Tea Rogelj sei für die Fotografie des Bildes gedankt. Zu guter Letzt gilt meiner Familie sehr großer Dank: Ohne ihre Geduld und stetige Unterstützung wäre dieses Buch nicht denkbar gewesen. Ljubljana, im November 2020 Jaša Drnovšek 225 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen Siglenverzeichnis HkkG: Handbuch der k. k. Gesetze (Joseph Kropatschek [Hg.] [1785– 1790]: Handbuch aller unter der Regierung des Kaisers Joseph des II. für die K. K. Erbländer ergangenen Verordnungen und Gesetze in einer Sistematischen Verbindung. 18 Bde., Wien: Moesle [2. Auflage für die Bände 1–11]) LThK: Lexikon für Theologie und Kirche (Kasper, Walter et al. [Hg.]: Lexikon für Theologie und Kirche. 11 Bde., Freiburg: Herder, 3. Auflage, 1993–2001) SkkG: Sammlung der k. k. Gesetze (Joseph Kropatschek [Hg.] [1786]: Sammlung aller k.k. Verordnungen und Gesetze vom Jahre 1740. bis 1780., die unter der Regierung des Kaisers Joseph des II. theils noch ganz bestehen, theils zum Theile abgeändert sind, als ein Hilfs- und Ergänzungsbuch zu dem Handbuche aller unter der Regierung des Kaisers Josephs des II. für die k.k. Erbländer ergangenen Verordnungen und Gesetze in einer chronologischen Ordnung. 8 Bde., Wien: Mößle) ŠP: Škofjeloški pasijon (Romuald, oče [2009]: Škofjeloški pasijon. Znanstvenokritična izdaja. Hg. v. 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(Herzog von Bayern) 93 Bizer, Ernst 77 Alegambe, Philippe de 126 Blasting, Ralph 160 Ambrogio da Firenze 103 Blaznik, Pavle 25, 47, 49, 207 Ambrogio da Urbino 103 Bobadilla, Nicolás 81 Ambrosius Catharinus 90 Boberski, Heiner 43 Ameer, Konstanze 224 Bodenstein, Andreas (= Karlstadt) Amsdorf, Nicolaus von 129 124 Andres, Rok 210 Bonaparte, Napoleon 76 Angelo da Fano 103 Bonelli, Constantino 91 Angelo d’Asti 90 Boogaart II, Thomas A. 143, 146 Angelus von Neumarkt 103 Born, Ignaz von Arco, Joseph Adam von 19, 190–193 (= Physiophilus, Joannes) 193 Aristoteles 58 Borromeo, Carlo 38 Arsovski, Nika 216 Borromeo, Hortensia 38 Arturo M. da Carmignano Braun, Placidus 131 di Brenta 103 Brodrick, James 93 Attems, Karl Michael von 26, 207 Broët, Paschase 81 Augustinus 37 Brooks, Neil C. 148, 149 Brückner, Wolfgang 120f., 123, 139 B Bucher, Anton von (= Ordenspater) Bainton, Roland H. 74 19, 193, 198, 200, 204 Baldovino, Belissario 91 Bühler, Adolph 38f., 43 Bartolomé de los Mártires 90 Bung, Stephanie 224 Baudelaire, Charles 58 Bauer jun., Josef Ritter von 34 C Bauerreiß, Romuald 146 Calvin, Jean 76, 124 Baumgartner, Augustin 93 Camaiani, Pietro 91 Bäumer, Remigius 142 Campi, Emidio 87 Beaucé, Pauline 224 Cancik, Hubert 111 Beckett, Samuel 58 Canisius, Petrus 92f., 127, 131, 139 Belloni, Giovanni Andrea 91 Carafa, Gian Pietro Benedik, Metod 26, 45, 50, 52f., (Papst Paul IV.) 75 102–106, 141, 210, 216, 224 Carranza, Bartolomé de 90 Benedikt von Nursia 172 Castiglione, Baldassare 70 Benedikt XIV. (Papst) 140 Caterina de‘ Medici 66, 102, 124 Benrath, Karl 75f. Chakrabarti, Gautam 224 Bernardino da Siena (= Ochino) Charles IX. (König) 102 72, 74–76 Cibo, Caterina 66 250 Clemens V. (Papst) 50, 146 F Clemens VI. (Papst) 176f. Faber, Peter 81f. Clemens VII. (Papst) 66f. Faganel, Jože 26f. Clemens VIII. (Papst) 166 Falcetta, Egidio 91, 93 Clemens XIV. (Papst) 187 Fasani, Raniero 174 Clemente da Noto 52 Felbecker, Sabine 111, 143, 145f., Codure, Jean 81 148f. Coelestin, Georg 129 Ferdinand Colonna, Marcantonio 91 (Erzherzog von Innerösterreich, = Colonna, Vittoria 70f., 74 Kaiser Ferdinand II.) 105f. Conrad, Anne 97 Ferdinand I. (Kaiser, 1503–1564) Contarini, Gasparo 70f., 74, 82, 84 34f., 88, 140 Cuthbert, Father 51, 65, 69, 75–77, Ferdinand II. 90, 101–104 (Erzherzog von Österreich) Cuvillon, Jean 93 47, 102, 140 Fichte, Joerg O. 150 D Fijavž, Primož 225 Dalmases, Cándido de 82 Fischer-Lichte, Erika 149, 224 Damasceno da Venezia 105 Flacius, Matthias 34–36 Davis, Natalie Zemon 160 Flanigan, Clifford C. 111f. Debeljak, Tine 26, 208, 209 Florey, Gerhard 134 Dedic, Paul 105 Florjančič, Alojzij Pavel 26, 209, Deželak Trojar, Monika 25 212, 224 Dixon, C. Scott 130 Foggia, Cesare 91 Dobrovoljc, Helena 224 Forster, Johann 129 Dominikus 78 Fortunato da Verona 52f. Dörrer, Anton 11f., 110, 153–156, Francesco da Ascoli Piceno 103 166f., 188, 193 Francesco da Jesi 77, 90 Dović, Marijan 32 Francesco da Milano 90 Drenas, Andrew J. G. 102 Francesco da Taranto 103 Drnovšek, Jaša 126, 153, 185 Franck, Sebastian 118 Duba und Leipa, Zbyněk Berka von Franz Xaver 81, 84 103 Franziskus von Assisi 64f., 68, 73, Dückher, Franz 38 78, 92, 104 D. Ž. 216 Frech, Karl Augustin 87 Friedberg, Emil 146 E Friedrich, Markus 80, 141f. Eber, Paul 129 Fuhrich, Fritz 142 Egeria 15, 119f. Eire, Carlos M. N. 124 G Eliade, Mircea 110 Gabriel von Innsbruck 103 Gartner, Borut 216f. 251 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen Gartner, Marta 224 Hsia, Ronnie Po-chia 63, 88 Gatz, Erwin 163, 166f. Hubensteiner, Benno 25, 48f. Gebhardt, Jörg 173 Gereon von Köln 147 I Gertz, Jan Christian 173 Igličar, Aleksander 218 Gewecke, Frauke 148 Ignatius de Loyola 18, 77–86, 93f., Giannone, Pietro 74 138f., 178–180 Giberti, Gian Matteo 70, 96f. Ippolito II. d’Este 124 Giovanni da Valenza 90 Iriarte, Lázaro 51, 64, 68, 101, 139, Giovanni Evangelista 140, 142 da Cannobio 90 Girolamo da Montefiore 90 J Girolamo da Pistoia 90, 101 Jacobs, Arsenius 89–92 Giulio da Cividale del Friuli 103 Jacobus de Voragine 78 Giulio da Venezia 103 Jan, Aleš 210 Giulio Terenziano da Milano 75 Jay, Claude Le 81, 92 Giustiniani, Paolo 66 Jedin, Hubert 87f., 90, 93, 96, 124f. Glazik, Josef 96 Jeromen, Janko 28 Golob, Milan 216f., 224 Jesus Christus 16, 18, 28, 37, 40f., Götz, Ulrike 49 43f., 46, 50–52, 68, 71, 80, 82f., 97, Grdina, Igor 28, 224 104, 112f., 118–122, 131, 138, 140, Gregor XIII. (Papst) 101f. 142, 144, 149, 150, 173–175, Gretser, Jakob 16, 126–129, 131–133, 178–180, 196, 221 141, 174, 180f. Johann III. (König von Portugal) 84 Grošelj, Nada 224 Johannes XXII. (Papst) 146 Gubbini, Gaia 224 Jorga, Nicolae 81, 88, 101 Gvozdeva, Katja 224 Joseph II. (Kaiser) 19, 160, 186, 191 Juliana von Lüttich 143f. H Julius III. (Papst) 83, 101 Hacker, Fritz 180f. Jung, Amand 43f. Händl, Claudia 175 Helena (Kaiserin) 119, 147 K Henri II. (König) 66, 124 Kapfing und Liechteneck, Anton Heribert von Salurn 142 Eckher von 47–49, 162 Hoces, Diego de 81 Kapfing und Liechteneck, Johann Hoflehner, Johannes C. 153 Franz Eckher von 48f. Högl, Gabriele 155 Karl V. (Kaiser) 70, 77, 87, 121 Hohenegger, Agapit 185 Käsbacher, Jeremias 11f. Honorius III. (Papst) 64 Khlesl, Melchior 105 Hosius, Stanislaus 93 Kennel, Patrik 11 Hospinian, Rudolf 129 Kiening, Christian 153 Hren, Tomaž 52f., 105f. Kilian, Sven Thorsten 224 252 Kirchner, Thomas 111 Ludwig von Sachsen 130, 159 Klieber, Rupert 38f., 160, 162, 167 Luthar, Oto 224 Kloocke, Agnes 224 Luther, Martin 87f., 123, 126–129, 131 Knorr, Antje 154f. Kobe, Boris 225 M Kobe, Jurij 225 Maccabei, Girolamo 91 Koblar, Anton 31 Mais, Adolf 34 Koblar, France 27, 33f., 38, 43, Mak, Rebecca 224 44–50, 53 Mantuani, Josip 31–33, 47, 53 Kokalj, Marjan 210–217 Maria 28, 37, 112, 142 Komploier, Albert 185f., 193 Maria Theresia 19, 186 König, Hermann 127 Maria von Spanien 35 Konstantin (Kaiser) 119 Mariano da Alcamo 103 Korneeva, Tatiana 224 Markus Sittikus 34, 38–40, 43f., 46, Kroesen, Justin E. A. 118 149, 159 Krüninger, Ulrich 155 Martin, Franz 38 Krünitz, Johann Georg 12 Matteo da Bascio 64–66, 68, 70, 77, Kubatzki, Jana 111 138 Kustatscher, Erika 11 Matthäus von Nonsberg Kutscher, Artur 43 (= Massaeus Ananiensis) 130 Küpper, Joachim 14, 54, 57–60, 63, Mattia Bellintani da Salò 67 224 Maurus von Latzfons 11, 12 Kuster, Nikolaus 103f. Maximilian II. (Kaiser) 35 Mayer, Sigrid 154f. L Mayfield, DS 224 Laferl, Christopher 35 Melanchton, Philipp 129 Laínez, Diego 81f., 92–95, 124f. Meyer, Joseph 164 Largier, Niklaus 172, 174f., 177, 181 Michael, Wolfgang F. 27, 149 Laurentius von Brindisi 15, 100, Mignanelli, Fabio 75 103–106 Mihurko Poniž, Katja 224 Layer, Adolf 154f., 180 Miklavc, Jure 214 Lenhart, Ludwig 134, 149, 155 Mitterwieser, Alois 153, 161, 167 Leo X. (Papst) 51, 64 Möller, Norbert 118 Leopold I. (Kaiser) 140 Morone, Giovanni 70 Linhart, Anton Tomaž 194 Mosch, Jan 224 Linke, Hansjürgen 150 Možgan, Miriam 224 Lobkowitz, Zdeněk Vojtěch Popel Müller, Gerhard 139 von 104 Müller, Jan-Dirk 25 Lorenzo de‘ Medici 66 Löther, Andrea 144–147 N Ludovico da Fossombrone 66, 69, 73f. Nabergoj, Saša 218f. Ludolf von Sachsen 78 Nikolaus IV. (Papst) 51 253 … in den vnbeweglichen vnd vnuerruckten Fußstapffen O Reichmann, Viktor 37 Oblak, Tina 213–215 Richter, Joseph (= Obermayr; Ogrin, Matija 25f., 49, 153, 168, 224 Hilarion, Pater) 19, 193–197, 204 O‘Malley, John W. 79, 83, 85f., 92–94 Robert de Thourotte 144–146 Ospald, Hans 39 Rodrigues, Simão 81 Ospovat, Kirill 224 Rogelj, Tea 225 Otto Truchsess von Waldburg 92, Romuald 67 131 Romuald von Štandrež 13, 25–28, Otto II. (Kaiser) 24 31–33, 36–38, 42, 44–48, 109, 113f., 161, 171, 208–210, 214–217, 219 P Rovere, Urbano Vigerio della 91 Pagon, Neda 224 Rovtar, Bernarda 26 Paulus von Tarsus 140f. Röwekamp, Georg 119 Paul III. (Papst) 69–71, 74, 76, 82, Rubin, Miri 143–149 84, 87, 92, 101 Rummel, Peter 130f. Paul V. (Papst) 50, 67, 171 Rupel, Mirko 27 Pawlita, Leonie 224 Rüegg, Madeline 224 Peinlich, Richard 106 Peter, Carmina 224 S Petrus Damiani 18, 172, 173 Salmerón, Alfonso 81, 92–94 Pietro Fauno 91 Sarcerius, Erasmus 129 Pinto, Vito 225 Savonarola, Girolamo 74 Pius V. (Papst) 101 Schiller, Friedrich 140 Planina, France 209 Schmeller, Johann Andreas 180 Podbregar, Iztok 224 Schmidt, Leopold 139 Podgoršek, Robert 208f., 216 Schmucki, Oktavian 72, 138, 141, 178 Pogačnik, Aleš 225 Schneider, Bernhard 160–162, 166f. Pogačnik, Jože 27 Schulze, Ursula 174 Polanco, Juan Alfonso de 93f. Schweizer, Christian 90 Pontius Pilatus 28, 120 Sengpiel, Oskar 112 Portia, Girolamo 106 Sikora, Adalbert 188 Pozzo, Antonio del 91 Smets, Moritz 34 Pörnbacher, Hans 198 Smukavec, Jožko 216 Preconio, Ottaviano 91 Snoj, Alojz 216 Pretnar, Tone 26f. Snoj, Marko 24 Primožič, Tadeja 215 Spanžel, Špela 224 Putzer, Peter 43 Sprenger, Ulrike 165, 174 Stabej, Veronika 23 R Stainhauser, Johann 38f., 41, 134f., 182 Raffaele da Fossombrone 66 Stapper, Richard 147 Rampold, Reinhard 118 Stella, Tommaso 91 Rausch, Fred G. 154 Stemmler, Theo 150 254 Š Štibelj, Klemen 215 Štukl, France 48, 208 TTanzer, Gerhard 161 Thomas von Aquin 146 Tommaso da Città di Castello 90, 95 Tomek, Ernst 34 U Urban IV. (Papst; = Pantaléon, Jacques) 144–146 Urban VIII. (Papst) 161, 163 V Valjavec, Fritz 160 Valvasor, Johann Weikhard von 25, 33, 45 Vittorio da Vicoli 103 W Wainwright, Elizabeth 111f., 149 Warmbrunn, Paul 131 Warstat, Matthias 224 Weiß, Karl 34 Welti, Ludwig 38 Widmann, Hans 38f. Wilhelm V. (Herzog von Bayern) 154 Wilz, Leo 154f., 181 Wollgast, Siegfried 118 Würth, Ingrid 175, 177 ZZadnikar, Gita 224 Zambeccari, Pompeo 91 Zini, Pietro Francesco 96 Zoepfl, Friedrich 154, 181 Zollitsch, Robert 95 Zwingli, Ulrich 124 255 rnovšek Jaša D Wie lässt sich die große Zahl an Karfreitagsprozessionen erklären, die vom 16. bis 18. Jahrhundert das katholische pffen Europa prägten? Jaša Drnovšek stellt diese frühneuzeitlichen Umzüge als eminent politische Phänomene dar, die stauß allein vor dem Hintergrund der Gegenreformation und katholischen Erneuerung bestehen konnten. Er greift da-ten F bei Joachim Küppers Theorie der kulturellen Produktion auf, nach der Kultur als virtuelles Netzwerk betrachtet ruck werden kann. Drnovšek beleuchtet in seiner kulturhistorisch-komparatistischen Studie eingehend die Genuer schichte des Kapuziner- und Jesuitenordens, die beide nd v maßgeblich zum Aufschwung der Karfreitagsprozessionen beitrugen. Eine besondere Rolle kommt dabei der en v Škofjeloški pasijon zu, dem ältesten slowenischen Drama, dessen wiederbelebte Aufführungstradition seit 2016 un-eglich ter dem Schutz der UNESCO steht. nbew en v n d … i 34 € ISBN 978-961-05-0507-5