■2tt/Z, I, $M Hlekander von Humboldts Reise in die Aequinoctial-Gegenden des neuen Continents. Alexander von Humboldt's Reisc in die Aequinoctial-Gegenden des neuen Continents. In deutscher Bearbeitung vl'n Hermann Hnuff. Nach der Aliordnung und unier Mitwirkung des Verfassers. Cinzlge von A. r, Humboldt antrkannte Ausgabe in dlutschcr Sprache. I. G. C o t t a ' s ch e r Verlag. 1861. Erster Vand. Stuttgart. O3ooo=f5:rf Huchdruckerei der I, G. Eotta'schen Buchhandlunq in Stuttgart und Augsburg. Vorwort. Einem wissenschaftlichen Reisenden kann es wohl nicht verargt werden, wenn er eine vollständige Uebersetzung seiner Arbeiten jeder auch noch so geschmackvollen Abkürzung derselben vorzieht. Vouguer's und La Condamine's mehr als hundertjährige Quartbände werden noch heute mit großer Theilnahme gelesen; und da jeder Reisende gewissermaßen den Zustand der Wissenschaften seiner Zeit, oder vielmehr die Gesichtspunkte darstellt, welche von dem Zustande des Wissens seiner Zeit abhängen, so ist das wissenschaftliche Interesse um so lebendiger, als die Epoche der Darstellung der Jetztzeit näher liegt. Damit aber die lebendige Darstellung des Geschehenen weniger unterbrochen werde, habe ich das Material, durch welches allgemeine tosmische Resultate begründet werden, in besonderen einzelnen Zugaben über stündliche Barometer-Veränderungen, Neigung der Magnetnadel und Intensität der magnetischen Erdkraft zusammengedrängt. Die Absonderung solcher und anderer Vl Zugaben hat allerdings, und ohne großen Nachtheil, zu Abkürzungen in der Uebersetzung des Original-Textes der Reise Anlaß geben können. Diese Betrachtung war auch geeignet mich bald mit dem Unternehmen zu versöhnen, einem größeren Kreise gebildeter Leser, die bisher mehr mit der Natur als mit scientisischem Wissen befreundet waren, einen etwas abgekürzten Text der Reise in die Tropen-Gegenden des Neuen Continents darzubieten. Die Buchhandlung, welche aus edler, ich setze gern hinzu angeerbter Freundschaft meinen Arbeiten eine so lange und sorgfältige Pflege geschenkt hat, hat mich aufgefordert diese nene Ausgabe, welche einen» vielseitig unterrichteten Gelehrten, Herrn Bibliothekar Professor vr. Hauff anvertraut ist, nicht bloß, so viel mein Uralter und meine gesunkenen Kräfte es erlauben, zu revicnen, sondern auch mit Zusähen und Berichtigungen zu bereichern. Es ist mir eine Freude dieser Aufforderung zu entsprechen. Die Naturwissenschaft ist, wie die Natur selbst, in ewigem Werden und Wechsel begriffen. Seit ocr Herausgabe des ersten Bandes der Reise sind jetzt 45 Jahre verflossen. Die Berichtigungen mühten also zahlreich seyn: in geognostischer Hinsicht wegen Bezeichnung der Gebirgs - Formationen und der metamorphosirten Gebirge, des wohlthätigen Einflusses der Chemie auf die Geognosie, wie in allem, was anbetrifft die Vertheilung der Wärme auf dem Erdkörper und die Ursach der verschiedenen Krümmung monatlicher Vll Isothermen (nach Dove's meisterhaften Arbeiten). Die durch die neue Ausgabe veranlaßte Erweiterung des Kreises wissenschaftlicher Anregung kann ich nur freudig begrüße«: denn in dem Entwickelungsgänge physischer Forschungen wie in dem der politischen Institutionen ist Stillstand durch unvermeidliches Verhängnis, an den Ansang eines verderblichen Rückschrittes geknüpft. Es würde mir dazu eine innige Freude seyn noch zu erleben, wie die Unternehmer es hoffen, daß meine in den Jahren freudig aufstrebender Jugend ausgeführte Reise, deren einer Genosse, mein theurer Freund, Aim 6 Bonpland, bereits, im hohen Alter, dahingegangen ist, in unserer eignen schonen Sprache von demselben deutschen Volte mit einigem Vergnügen gelesen werde, welches mehr denn zwei Menschenalter Hinduich mich in nieine» wissenschaftlichen Bestrebungen und meiner Laufbahn durch ein eifriges Wohlwollen beglückt ilnd selbst meinen spätesten Arbeiten durch seine vartheiische Theilnahme eine Rechtfertigung gewährt hat. Berlin, 2«. März 1859. Alklander v. Humboldt. Vorrede des Herausgebers. Die in den Jahren 1799—1804 in Gesellschaft von Bon, pland unternommene Reise in das tropische Amerika bat Humboldts Ruhm frühe begründet. Mit den überschwänglich reichen Ergebnissen derselben beginnt für zahlreiche Zweige der Naturforschung recht eigentlich eine neue Epoche. Das Neisewerk, in dem er seine in der neuen Welt gesammelten Beobachtungen niederzulegen gedachte, war aber in so großartigen! Maßstab angelegt, daß es nur unter den glücklichsten äußeren Umständen vollendet werden konnte. Diese Gunst der Verhältnisse hat demselben gefehlt, und mehrere Abtheilungen des großen Werkes tonnten nicht zu Ende geführt werden. Das erstaunliche astronomische, hydrographische, geographische, meteorologische, geologische, ethnographische, zoologische, botanische Material, das im Werk selbst nicht mehr hatte an die Reihe kommen können, ist nun allerdings auf andern Wegen in die Wissenschaft übergegangen, und so besteht der Hauptvcrlust, der mehr die IX gebildete Welt im Allgemeinen als die Wissenschaft selbst betrifft, darin, daß auch derjenige Theil, der die eigentliche Reisebeschreibung geben sollte, die Relation riistorique, Bruchstück geblieben ist. Diese Reisebeschreibung erschien vom Jahr 1614 an in drei Quartbänden in französischer Sprache. Die Umstände, unter denen Humboldt dieselbe in Paris ausarbeitete, machen es begreiflich, daß er dazu die Sprache, wühlte, welche in neuerer Zcit als Organ des wissenschaftlichen wie des diplomatischen Verkehrs in gewissem Grad an die Stelle der lateinischen getreten ist. Dieses vortreffliche Vuch kann mit Rccht eines der schönsten Denkmale dcs deutschen Geistes heißcn, und jeder Deutsche, der dasselbe kennt und zu schätzen weiß, muß sich wundern, daß es nicht längst in einer seiner würdigen Weise der deutschen Literatur einverleibt worden ist, der es trotz seines fremden Gewandes seinem innersten Grunde nach angehört. Dieser auffallende Umstand erklärt sich aber aus den» widrigen Schicksal, welches das Vuch erfahren. In den Jahren 1615—1«29 erschien, ohne Humboldts Dazuthun, eine vollständige deutsche Uebersehung jener drei Vände der Relation lustorique in sechs Bänden. Dieselbe ist aber in sprachlicher und materieller Beziehung in einem Grade mangelhaft, wie er felbst in dem um die Form leider allzuwenig bekümmerten Deutschland selten vorkommt, und somit völlig unbrauchbar. Humboldt fühlte sich dadurch in hobem Gmde abgestoßen: er mochte, wie er selbst schreibt, dieses Buch niemals auch nur in die Hand nehmen, und es konnte nicht dazu beitragen, ihn mit der deutschen Gestalt seines schönen Werkes auszusöhnen, daß seitdem verschiedene deutsche Auszüge und Bearbeitungen der Reisebeschreibung erschienen sind, die bequemerweise nur jene Uebersetzung zu Grunde legten, und aus ihr zahllose Sprachsünden, Mißverständnisse und Irrthümer herübernahmen. So sehen wir denn hier aus einem nichts-würdigen Buch, das die Form des Originals häßlich verunstaltet, aber wenigstens äußerlich vollständig ist, andere Bücher abgeleitet, welche dem Werk den Hauptwerth und den vor-nebmsten Reiz rauben, indem sie die Form ganz zerstören, und eben damit auch die wahrhaft künstlerische Anordnung desselben kaum noch in Spuren erkennen lassen. Humboldts Neise-beschreibung und ein poetisches Werk, nicht zu übertragen, sondern auszuziehen und unizuarbeiten, ist ungefähr gleich verständig. Das Buch ist ein der höheren Literatur angehörendes Werk, ein eigentliches Kunstwerk. Als der Herausgeber die Ehre hatte, mit A. v. Humboldt über die Art der deutschen Bearbeitung des Werks zu verhaw deln, äußerte jener in einem Schreiben an diesen unter Anderem Folgendes: „Neben Ihren großen Arbeiten über alle Zweige der Xl Naturwissenschaft wird Ihre Reisebeschreibung für jeden Geschichtschreiber eines dieser Zweige eine wichtige Quelle bleiben, daneben aber die gesundeste Nahrung, das trefflichste Anregungsmittel für die zun» Studium irgend einer Erfahrungswissenschaft be stimmte Jugend. Wenn ich mir vergegenwärtige, was ich selbst als Jüngling diesem Werke schuldig geworden bin, so rrtenne ich seinen Werth aufs Lebhafteste; aber auf dem Standpunkt meiner gegenwärtigen literarischen Erfahrung erkenne ich auch, in welchem Verhältniß es zu der immer wachsenden Menge derjenigen stedt, welche sich dilettantisch mit der Wissenschaft beschäftigen, welche sich gerne bilden mögen, wenn noch ein anderer Genuß dabei ist, als der ernste, welcher aus dem Gefühl innerer Veredlung entspringt. Werden diese vom großen Namen des Versassers noch so sehr angezogen, so sehen sie sich durch das bedeutende Volumen des Werks an der Schwelle abgewiesen, und wagen sie sich dennoch hinein, so werden sie bald gewahr, daß sie nur über Massen strenger Wissenschaft hinweg den Schritten der Reisenden durch die großartigste Natur folgen könnten. Und doch ist nach meiner Ueberzeugung in diesem Werk ein allgemein zugängliches Vuch enthalten, dem in unserer Zeit, die auf Diffusion des Naturwissens durch den Körper der Gesellschaft ausgeht, an bildender Kraft kaun« etwas gleich käme. Die Zeiten sind vorbei, wo ganze bisher unbekannte Stücke Natur dem Seefahrer in die Hände sielen, wo ganze Idyllen, XII wie Otaheite, entdeckt wurden, wo der Reisende nur zu erzählen brauchte, was er gesehen, um die Wißbegierde zu vergnügen und die Einbildungskraft zu entzünden. Von der Breite der Natur hat sich der Geist der Tiefe zugewendet, und da die unwissenschaftliche Neugier der immer mehr ins Detail dringenden Forschung nicht folgen kann, so begreift sich, daß heutige Reisebesckreibungen nicht den Neiz haben und den Einfluß üben können wie früher, wenn es der Reisebeschrciber nicht versiebt, durch das zu wirken, was in den jetzigen Geistern an die Stelle der brennenden Neugier nach neuen Naturprodukten, nach neuen Ländern und Völkern getreten ist. Seit es keine Naturwunder im früheren Sinn mehr gibt, sind es vor allem die Gedanken der Natur in ihren Bildungen, die Gesetze in ihren Bewegungen, was die produktiven und die receptiven Kräfte, die Forscher und die Dilettanten, die das Wort Suchenden und die an das Wort Glaubenden beschäftigt. Alexander v. Humboldt ist einer der ersten, nach Rang und Zeit, welche die Naturwissenschaft in die so fruchtbare Laufbahn gewiesen haben, die sie seit einigen Mensckenaltern verfolgt. Und neben so Vielem und Grosiem hat er auch ein Reiscwerk geschaffen, wie es recht eigentlich dem Wefen und Bedürfniß der beutigen Cultur entspricht. Es gewährt einerseits wahren Kunstgenuß durch die trefflichen Schilderungen einer gewaltigen Natur und der Menschheit in einem ihrer merkwürdigsten Bruchstücke: XIII andererseits fesselt und befreit es zugleich den Geist durch Ideen. Während der Leser auch im gemeinen Sinn Neues in Menge erfährt, während es keineswegs an den kleinen und großen Vorfällen fehlt, welche die Einbildungstraft beschäftigen und die Neugier reizen, sieht er fast bei jedem Schritt einen jener umfassenden Gedanken, von welchen die heutige Wissenschaft beherrscht wird, entstehen oder sich bestätigen, und er lernt an hundert lebendigen Beispielen, wie die wahre Naturwissenschaft zu Stande kommt. Ich wüßte nichts, was anregender und bildender wäre. Für den „«ens,-»,! reacl^r" ist das Buch, wie es vorliegt, nicht bestimmt; es ließe sich ihm aber sehr leicht zugänglich machen, und müßte dann als treffliches Ail-dungsmittel in den weitesten Kreisen wirken." Schon vor Jahren beschäftigte A. v. Humboldt der Gedanke, diefes sein Buch, auf das er, neben dem Rssni sur i'4tu.t politiyue clß 1a Nouveüe ^8p»FN6, selbst sehr viel hielt, endlich in einer deutschen Ausgabe aus dem hier ange» deuteten Gesichtspunkt unter seinen Auspicien erscheinen zu lassen. Als aber die Sache ernstlich zur Sprache kam, hatte er, fast ein Achtziger, bereits das große Unternehmen des Kosmos begonnen, und so verstand es sich von selbst, daß er die Ueber-tragung fremden Händen überlassen mußte. Der Plan der neuen Ausgabe wurde in den letzten Jahren zwischen ihm und dem Herausgeber im Allgemeinen und Einzelnen festgestellt; er XIV konnte sick noch selbst von der Art der formellen und materiellen Vebandlung überzeugen, auch alle wünschenswerten Anordnungen treffen, indem ihm ein Theil des Manuscripts gedruckt vorgelegt wurde, und er schrieb sofort die Vorrede, die eine seiner letzten Arbeiten, vielleicht die letzte war, so dasi er mit einer lebhaften Erinnerung an die ersten schönen Zeiten seiner außerordentlichen Laufbahn aus dem Leben schied. Das Buch ist reich an Allem, was die Einbildungskraft fesseln und ergötzen kann, an vortrefflichen Schilderungen tropischer Landschaften, wie einzelner Gewächse dieser wundervollen Lander, an den belebtesten Auftritten aus dem Thierleben, an den scharfsinnigsten Beobachtungen über die geistigen und geselligen Verhältnisse der Nacen, welche in Südamerika neben uud durch einander wohnen. Erst durck Humboldt ist das eigentliche Wesen des eingeborenen Amerikaners nach Körper und Seele den Europäern bekannt geworden, und die Beschreibung ihrer Körperbildung, ihres Charakters, ihrer Sprachen und Gebräuche, die Würdigung ihrer Tugenden und ihrer Laster ist in die ganze Neisebeschreibung mit großer Kunst eingekochten. Humboldt wird ja gerade dadurch zu einer so eigenthümlichen und außerordentlichen Erscheinung, daß sich in ihm mit der Schärfe und Unbestechlichkeit der Urtheilskraft eine so bedeutende künstlerische Begabung paart. Dnrch dieselbe Kunst der Darstellung, wodurch er uns mit dem Antlitz und der Geberdung XV der tropischen Natur so vertraut macht, werden auch seine wissenschaftlichen Erörterungen so klar und anschaulich, das; sie selbst wie organische Naturbildungen erscheinen, was sie ja auch im Grunde sind. Zu allen Vorzügen des Buchs kommt für den ernsten Leser noch der unschätzbare Vortheil, daft er auf jedem Schritt den Gedanken und Thaten dcs Mannes folgt, der vielleicht mehr als irgend einer die Natur in der Richtung gelichtet hat, in der sie unsern Sonden zugänglich ist, und daß er so, wie schon oben ausgesprochen worden, überall unmittelbar zusieht, wie die wahre Wissenschaft zu Stande kommt. Nach meiner Erfahrung und Empfindung gilt es kaum etwas, das dem allgemein Unterrichteten das eigentliche Wesen, die Genesis, die Entwicklung und die Grenzen des Naturwissens klarer machte, als die Art und Weise, wie Humboldt in seiner Reisebeschreidung so viele große und kleine, a'er für das in einen höheren Gesichtspunkt gerückte Auge gleich wichtige Erscheinungen bespricht,, wie die Meeresströmungen, die Verthcilung der Gewächse nach der Meercshöhe, die Erdbeben, die Theorie des tropischen Regens, die Ursachen der Contraste zwischen den Klimaten benachbarter Orte, die hydrographischen Verhältnisse des Landstrichs Zwischen Orinoco und Rio Negro, die Milch des Kuhbaums und die Milch der Gewächse, welche das Cautschuc geben, die schwarzen und die weißen Wasser in Guyana, die Plage der Moskitos, das Pfeilgift der Indianer, die Wintervorräthe Erde XVl essender Ottomaken, die Fabel vom „vergoldeten Mann" (ei liorgcio), und hundert andere Gegenstände, an denen der junge Forscher seinen ungemcinen Scharfsinn geübt, und die jetzt längst in den Schatz der Wissenschaft aufgenommen sind und vertraute Elemente unserer Naturanschauung bilden. Sollte nun aber das zunächst ohne Nücksicht auf das größere Publikum geschriebene Werk in den hier berührten Ve-ziehungen gemeinnützlich werden, so war es den Bedürfnissen derer anzupassen, welche sich im Sinne unserer Zeit über die Geschichte des Kampfes zwischen Geist und Natur im Allgemeinen unterrichten möchten. So kamen denn der Verfasser und der jetzige Herausgeber übercin, das Buch als litcrarisches Produkt möglichst unversehrt zu erhalten, nirgends auszugsweise zu verfahren, sondern im Ganzen überall dem Texte treu zu bleiben und nur die kürzeren und längere', streng wissenschaftlichen Er-curse und Abhandlungen, die ins Einzelne gehenden mineralogischen und geologischen, chemischen, physiologischen, pharmaceutischen, medicinischen, statistischen, nationalökonomischen u. s. w. Erörterungen abzulösen und von den Anmerkungen nur die beizubehalten, welche dem erwähnten Zwecke förderlich seyn konnten. der Herausgeber. Erstes Kapitel. Vorbereitungen. — Abreise von Spanien. — Aufenthalt auf brn canarischen Inseln. Wenn eine Regierung eine jener Fahrten auf dem Weltmeer anordnet, durch welche die Kenntniß des Erdballs erweitert und die physischen Wissenschaften gefördert werden, so stellt sich ihrem Vorhaben keinerlei Hinderniß entgegen. Der Zeitpunkt der Abfahrt und der Plan der Reise können festgestellt werden, sobald die Schiffe ausgerüstet und die Astronomen und Naturforscher, welche unbekannte Meere befahren sollen, gewählt sind. Die Inseln und Küsten, deren Produkte die Seefahrer kennen lernen sollen, liegen außerhalb des Bereichs der staatlichen Bewegungen Europas. Wenn längere Kriege die Freiheit zur See beschränken, so stellen die kriegführenden Mächte gegenseitig Pässe aus; der Haß zwischen Volk und Volk tritt zurück, wenn es sich von der Förderung des Wissens handelt, das die gemeine Sache aller Völker ist. Anders, wenn nur ein Privatmann auf seine Kosten eine Reise in das Innere eines Festlandes unternimmt, das Europa m sein System von Colonien gezogen hat. Wohl mag sich der Reisende einen Plan entwerfen, wie er ihm für seine wissenschaftlichen Zwecke und bei den staatlichen Verhältnissen dcr zu Humboldt, Rcls«, !, - 1 bereisenden Länder der angemessenste scheint; er mag sich die Mittel verschaffen, die ihm ferne vom Heimathland auf Jahre die Unabhängigkeit sichern: aber gar oft widersetzen sich unvorhergesehene Hindernisse seinem Vorhaben, wenn er eben nieint es ausführen zu können. Nicht leicht hat aber ein Reisender mit so vielen Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt als ich vor meiner Abreise nach dem spanischen Amerika. Gerne wäre ich darüber weggegangen und hätte meine Neisebeschreibung mit der Besteigung des Pic von Teneriffa begonnen, wenn nicht das Fehlschlagen meiner ersten Plane auf die Richtung meiner Reise nach der Rückkehr vom Orinoco bedeutenden Einfluß geäußert hätte. Ich gebe daher eine flüchtige Schilderung dieser Vorgänge, die für die Wissenschaft von keinem Belang sind, von denen ich aber wünschen muß, daß sie richtig beurtheilt werden. Da nun einmal die Neugier des Publikums sich häusig mehr an die Person des Reisenden als an seine Werte heftet, so sind auch die Umstände, unter denen ich meine ersten Reiseplane entworfen, ganz schief aufgefaßt worden. ' ' Ich muß hier bemerken, daß ich von einem Werke in secks Bänden, das unter dem seltsamen Titel: „Reise um die Welt und in Südamerika, von A. v. Humboldt, erschienen bei Vollmer in Hamburg," niemals Kenntniß genommen habe. Diese in meinem Namen verfaßte Ncisebeschveibung scheint nach in den Tageblättern gegebenen Nachrichten und nach einzelnen Abhandlungen, die ich i» der ersten Classe des französischen Instituts gelesen, zusammengeschrieben zu seyn. Um das Publiknm aufmerksam zu machen, hielt es der Compilator für angemessen, einer Reise in einige Länder des neuen Continents den anziehendere» Titcl einer „Reise um die Welt" ;» geben. Von früker Jugend auf lebte in mir der sehnliche Wunsch, ferne, von Europäern wenig besuchte Länder bereisen zu dürfen. Dieser Drang ist bezeichnend für einen Zeitpunkt im Leben, wo dieses vor uns liegt wie ein schrankenloser Horizont, wo uns nichts so sehr anzieht als starke Gemüthsbewegungen und Bilder physischer Fährlichkeiten. In einem Lande aufgewachsen, das in keinem unmittelbaren Verkehr mit den Colonien in beiden Indien steht, später in einem fern von der Meeresküste gelegenen, durch starken Bergbau berühmten Gebirge lebend, fühlte ich den Trieb zur See und zu weiten Fahrten immer mächtiger in mir werden. Dinge, die wir nur aus den lebendigen Schilderungen der Reisenden kennen, haben ganz besondern Reiz für uns; Alles in Entlegenheit undeutlich Umrisscne besticht unsere Einbildungskraft i Genüsse, die uns nicht erreichbar sind, scheinen uns weit lockender, als was sich uns im engen Kreise des bürgerlichen Lebens bietet. Die Lust am Botanisiren, das Studium der Geologie, ein Ausflug nach Holland, England und Frankreich in Gesellschaft eines berübmten Mannes, Georg Forsters, dem das Glück geworden war Capitän Cool auf seiner zweiten Reise um die Welt zu begleiten, trugen dazu bei, den Reiseplanen, die ich schon mit achtzehn Jahren gehegt, Gestalt und Ziel zu geben. Wenn es mich noch immer in die schönen Länder des heißen Erdgürtels zog, so war es jetzt nicht mehr der Drang nach einem aufregenden Wanderleben, es war der Trieb, eine wilde, großartige, an mannichfaltigen Naturprodukten reiche Natur zu sehen, die Aussicht, Erfahrungen zu sammeln, welcke die Wissenschaften förderten. Meine Verhältnisse gestatteten nur damals nicht, Gedanken zu verwirklichen, die mich so lebhaft beschäftigten, und ich hatte sechs Jahre Zeit, mich zu den Be-obacktungen, die ich in der neuen Welt anzustellen gedachte, vorzubereiten, mehrere Länder Europas zu bereisen und die Kette der Hochalpen zu untersuchen, deren Bau ich in der Folge mit dem der Anden von Quito und Peru vergleichen konnte. Da ich zu verschiedenen Zeiten mit Instrumenten von verschiedener Construction arbeitete, wählte ich am Ende diejenigen, die mir als die genauesten und dabei auf dem Transport dauerhaftesten erschienen: ich fand Gelegenheit, Messungen, die nach den strengsten Methoden vorgenommen worden, zu wiederholen, und lernte so selbstständlg die Grenzen der Irrthümer kennen, auf die ich gefaßt seyn mußte. Im Jahre 1795 hatte ich einen Theil von Italien bereist, aber die vulkanischen Striche in Neapel und Sicilien nicht besuchen können. Ungern hätte ich Europa verlassen, ohne Vesuv, Stromboli und Aetna gesehen zu haben; ich sah ein, um zahlreiche geologische Erscheinungen, namentlich in der Trappformation, richtig aufzufassen, mußte ich mich mit den Erscheinungen, wie noch thätige Vulkane sie bieten, näher bekannt gemacht haben. Ich entschloß mich daher, im November 1797, wieder nach Italien zu gehen. Ich hielt mich lange in Wien auf, wo die ausgezeichneten Sammlungen und die Freundlichkeit Iacquins und Josephs van der Schott mich in meinen vorbereitenden Studien ausnehmend förderten; ich durchzog mit Leopold von Buch, von dem seitdem ein tressliches Werk über Lappland erschienen ist, mehrere Theile des Salzburger Landes und Steiermark, Länder, die für den Geologen und den Landschaftsmaler gleich viel Anziehendes haben; als ich aber über die Tiroler Alpen gehen wollte, sah ich mich durck» den in ganz Italien ausgebrochenen Krieg genöthigt, den Plan der Reise nach Neapel aufzugeben. Kurz zuvor hatte ein leidenschaftlicher Kunstfreund, der bereits die Küsten Illyriens und Griechenlands als Alterthumsforscher besucht hatte, mir den Vorschlag gemacht, ihn auf einer Neise nach Oberegypten zu begleiten. Der Ausflug sollte nur acht Monate dauern: geschickte Zeichner und astronomische Werkzeuge sollten uns begleiten, und so wollten wir den Nil bis Assucm hinaufgehen und den zwischen Tentyiis und den Katarakten gelegenen Theil des Said genau untersuchen. Ich hatte bis jetzt bei meinen Planen nie ein außertropisches Land im Auge gehabt, dennoch konnte ich der Versuchung nicht widerstehen, Länder zu besuchen, die in der Geschichte der Cultur eine so bedeutende Rolle spielen. Ich nahm den Vorschlag an, aber unter der ausdrücklichen Bedingung, daß ich bei der Rückkehr nach Alexandrien allein durch Syrien und Palästina weiter reisen dürfte. Sofort richtete ich meine Studien nach dem neuen Plane ein, was mir später zu gute kam, als cs sich davon handelte, die rohen Denkmale der Mexican« mit denen der Völker der alten Welt zu vergleichen. Ich hatte die nahe Aussicht, mich nach Egypten einzuschiffen, da nöthigten mich die eingetretenen politischen Verhältnisse, eine Reise aufzugeben , die mir so großen Genuß versprach. Im Orient standen die Dinge so, daß ein einzelner Reisender gar keine Aussicht hatte, dort Studien machen zu können, welche selbst in den ruhigsten Zeiten von den Regierungen mit mißtrauischem Auqe angesehen werden. Zur selben Zeit war in Frankreich eine Entdeckungsreise in die Südsee unter dem Befehl des Capitäns Vaudin im Wert. Ter ursprüngliche Plan war großartig, kühn, und hätte verdient unter umsichtigerer Leitung ausgeführt zu werden. Man wollte die spanischen Besitzungen in Südamerika von der Mündung des Rio de la Plata bis zum Königreich Quito und der Landenge von Panama besuchen. Die zwei Corvctten sollten sofort über die Inselwelt des stillen Meeres nach Neuholland gelangen, die Küsten desselben von Vandiemcnsland bis Nuyts-land untersuchen, bei Madagascar anlegen und über das Cap der guten Hoffnung zurückkehren. Ich war nach Paris gekommen, als man sich eben zu dieser Reise zu nisten begann. Der Charakter des Capitän Baudin war eben nicht geeignet, mir Vertrauen einzuflößen: der Mann hatte meinen Freund, den jungen Botaniker van der Schott, nach Brasilien gebracht, und der Wiener Hof war dabei mit ihm schlecht zufrieden gewesen : da ich aber mit eigenen Mitteln nie eine so weite Reise unternehmen und ein so schönes Stück der Welt hätte kennen lernen können, so entschloß ich mich, auf gutes Glück die Expedition mitzumachen. Ich erhielt Erlaubniß, mich mit meinen Instrumenten auf einer der Corvetten, die nach der Südsee gehen sollten, einzuschiffen, und machte nur zur Bedingung, daß ich mich von Capitän Baudin trennen dürfte, wo und wann es mir beliebte. Michaur, der bereits Persicn und einen Theil von Nordamerika besucht hatte, und Vonftland, dem ich mich anschloß, und der mir seitdem aufs innigste befreundet geblieben, sollten die Reise als Naturforscher mitmachen. Ich hatte mich einige Monate lang darauf gefreut, an einer so großen und ehrenvollen Unternehmung Theil nehmen zu dürfen, da brach der Krieg in Deutschland und in Italien von neuem aus, so daß die französische Regierung die Geldmittel, die sie zu der Entdeckungsreise angewiesen, zurückzog und dieselbe auf unbestimmte Zeit verschob. Mit Kummer sah ich alle meine Aussichten vernichtet, ein einziger Tag hatte dem Plane, den ich für mehrere Lebensjahre entworfen, ein Ende gemacht: da beschloß ich nur so bald als möglich, wie es auch sey, von Europa wegzukommen, irgend etwas zu unternehmen, das meinen Unmuth zerstreuen könnte. Ich wurde mit einem schwedischen Consul, Stiöldebrand, bekannt, der dem Dey von Algier Geschenke von Seiten seines Hofes zu überbringen hatte und durch Paris kam, um sich in Marseille einzuschiffen. Dieser achtungswerthc Mann war lange auf der afrikanischen Küste angestellt gewesen, und da er bei der algierischen Regierung gut angeschrieben war, konnte er für mich auswirken, daß ich den Theil der Atlaskette bereisen durfte, auf den sich die bedeutenden Untersuchungen von Desfontaines nicht erstreckt hatten. Er schickte jedes Jahr ein Fahrzeug nach Tunis, auf dem die Pilger nach Mekka giengen, und er versprach mir, mich auf diesem Wege nach Egypten zu befördern. Ich besann mich keinen Augenblick, eine so gute Gelegenheit zu benutzen, und ich meinte nunmehr den Plan, den ich vor meiner Reise nach Frankreick entworfen, sofort ausführen zu können. Bis jetzt hatte kein Mineralog die hohe Bergkette untersucht, die in Marocco bis zur Grenze des ewigen Schnees aufsteigt. Ich konnte darauf rechnen, daß ich, nachdem ich in den Alpcnstrichen der Berberei Einiges für die Wissenschaft gethan, in Egypten 8 bei den bedeutenden Gelehrten, die seit einigen Monaten zum Institut von Cairo zusammengetreten waren, dasselbe Entgegenkommen fand, das mir in Paris in so reichem Maaße zu Theil geworden. Ich ergänzte rasch meine Sammlung von Instrumenten und verschaffte mir die Werke über die zu bereisenden Länder. Ich nahm Abschied von meinem Bruder, der durch Rath und Beispiel meine Geistesrichtung hatte bestimmen helfen. Er billigte die Beweggründe meines Entschlusses, Europa zu verlassen; eine geheime Stimme sagte uns, daß wir uns wiedersehen würden. Diese Hoffnung hat uns auch nicht betrogen, und sie linderte den Schmerz einer langen Trennung. Ich verließ Paris mit dem Entschluß, mich nach Algier und Egypten einzuschiffen, und wie nun einmal der Zufall in allem Menschenleben regiert, ich sah bei der Rückkehr vom Amazonenstrom und aus Peru meinen Bruder wieder, ohne das Festland von Afrika betreten zu haben. Die schwedische Fregatte, welche Skiöldebrand nach Algier überführen sollte, wurde zu Marseille in den letzten Tagen Oktobers erwartet. Vonpland und ich begaben uns um diese Zeit dahin, und eilten um so mehr, da wir während der Reise immer besorgten, zu spät zu kommen und das Schiff zu versäumen. Wir ahnten nicht, welche neuen Widerwärtigkeiten uns zunächst bevorstanden. Skiöldebrand war so ungeduldig als wir, seinen Bestimmungsort zu erreichen. Wir bestiegen mehrmals im Tage den Berg Notre Dame de la Garde, von dem man weit ins Mittelmeer hinaus blickt. Jedes Segel, das am Horizont sichtbar wurde, setzte uns in Aufregung: aber nachdem wir zwei Monate 9 in großer Unruhe vergeblich geharrt, ersahen wir aus den Zeitungen, daß die schwedische Fregatte, die uns überführen sollte, in einem Sturm an den Küsten von Portugal stark gelitten und in den Hafen von Cadix habe einlaufen müssen, um ausgebessert zu werden. Privatbriefe bestätigten die Nachricht, und es war gewiß, daß der Iaramas — so hieß die Fregatte — vor dem Frühjahr nicht nach Marseille kommen konnte. Wir konnten es nicht über uns gewinnen, bis dahin in der Provence zu bleiben. Das Land, zumal das Klima, fanden wir herrlich; aber der Anblick des Meeres mahnte uns fortwährend an unsere zertrümmerten Hoffnungen. Auf einem Ausflug nach Hiöres und Toulon fanden wir in letzterem Hafen die Fregatte Voudeuse, die Bougainville auf seiner Reise um die Welt befehligt halte. Ich hatte mich zu Paris, als ich mich rüstete, die Expedition des Capitans Baudin mitzumachen, des besondern Wohlwollens des berühmten Seefahrers zu erfreuen gehabt. Nur schwer vermöchte ich zu schildern, was ich beim Anblick des Schiffes empfand, das Commerson auf die Inseln der Südsee gebracht. Es gibt Stimmungen, in denen sich ein Schmerzgefühl in alle unsere Empfindungen mischt. Wir hielten immer noch am Gedanken fest, uns an die afrikanische Küste zu begeben, und dieser zähe Entschluß wäre uns beinahe verderblich geworden. Im Hafen von Marseille lag zur Zeit ein kleines ragusamschcs Fahrzeug, bereit nach Tunis unter Segel zu gehen. Dieß schien uns eine günstige Gelegenheit: wir kamen ja auf diese Weise in die Nähe von Ägypten und Syrien. Wir wurden mit dem Capitün wegen des Ueberfahrtspreises einig: am folgenden Tage sollten wir lv unter Segel gehen, aber die Abreise verzögerte sich glücklicherweise durch einen an sich ganz unbedeutenden Umstand. Das Vieh, das uns als Proviant auf der Ueberfahrt dienen sollte, war in der großen Kajüte untergebracht. Wir verlangten, daß zur Bequemlichkeit der Reifenden und zur sichern Unterbringung unferer Instrumente das Nothwendigste vorgekehrt werde. Allermittelst erfuhr man in Marseille, daß die tunesische Regierung die in der Berberei niedergelassenen Franzosen verfolge, und daß alle aus französischen Häfen ankommenden Personen ins Gefängniß geworfen würden. Durch diese Kunde entgingen wir einer großen Gefahr: wir mußten die Ausführung unserer Plane verschieben und entschlossen uns, den Winter in Spanien zuzubringen, in der Hoffnung, uns im nächsten Frühjahr, wenn anders die politischen Zustände im Orient es gestatteten, uns in Carthagena oder in Cadir einschiffen zu können. Wir reisten durch Catalonien und das Königreich Valencia nach Madrid. Wir besuchten auf dem Wege die Trümmer Taragonas und des alten Sagunt, machten von Barcelona aus einen Ausflug auf den Montserrat, dessen hoch aufragende Gipfel von Einsiedlern bewohnt sind, und der durch die Contraste eines kräftigen Pflanzenwuchses und nackter, öder Felsmassen ein eigenthümliches Landschaftsbild bietet. Ich fand Gelegenheit, durch astronomifche Rechnung die Lage mehrerer für die Geographie Spaniens wichtiger Punkte zu bestimmen; ich maß mittelst des Barometers die Höhe des Centralplateau und stellte einige Beobachtungen über die Inclination der Magnetnadel und die Intensität der magnetischen Kraft an. Die Ergebnisse dieser Beobachtungen sind für sich erschienen, und ich verbreite 11 mich hier nicht weiter über die Naturbeschaffenheit eines Landes, in dem ich mich nur ein halbes Jahr aufhielt, und das in neuerer Zeit von so vielen unterrichteten Männern bereist worden ist. Zu Madrid angelangt, fand ich bald Ursache mir Glück dazu zu wünschen, daß wir uns entschlossen, die Halbinsel zu besuchen. Der Baron Forell, sächsischer Gesandter am spanischen Hof, tam mir auf eine Weise entgegen, die meinen Zwecken sehr förderlich wurde. Er verband mit ausgebreiteten mineralogischen Kenntnissen das regste Interesse für Unternehmungen zur Förderung der Wissenschaft. Er bedeutete mir, daß ich unter der Verwaltung eines aufgeklärten Ministers, des Ritters Don Mariano Luis de Urquijo, Aussicht habe, auf meine Kosten im Innern des spanischen Amerika reisen zu dürfen. Nach all den Widerwärtigkeiten, die ich erfahren, besann ich mich keinen Augenblick, diesen Gedanken zu ergreifen. Im März 1799 wurde ich dem Hofe von Aranjuez vorgestellt. Der König nahm mich äußerst wohlwollend auf. Ich entwickelte die Gründe, die mich bewogen, eine Reise in den neuen Continent und auf die Philippinen zu uuternehmen, und reichte dem Staatssecretür eine darauf bezügliche Denkschrift ein. Der Ritter d'Urquijo unterstützte mein Gesuch und räumte alle Schwierigkeiten aus dem Wege. Der Minister handelte hiebei desto großmüthiger, da ich in gar leiner persönlichen Beziehung zu ihm stand. Der Eifer, mit dem er fortwährend meine Absichten unterstützte, hatte keinen andern Beweggrund als seine Liebe zu den Wissenschaften. Es wird mir zur angenehmen Pflicht, in diesem Werte der Dienste, die er mir erwiesen, dankbar zu gedenken. 12 Ich erhielt zwei Pässe, den einen vom ersten Staats-secretär, den andern vom Rath von Indien. Nie war einem Reisenden mit der Erlaubniß, die man ihm ertheilte, mehr zugestanden worden, nie hatte die spanische Regierung einem Fremden größeres Vertrauen bewiesen. Um alle Bedenken zu beseitigen, welche die Vicekönige oder Generalcapitäne, als Vertreter der königlichen Gewalt in Amerika, hinsichtlich des Zwecks und Wesens meiner Beschäftigungen erheben könnten, hieß es im Pah der pi-imei-a «soretarm ci« 68W60: „ich sey ermächtigt, mich meiner physikalischen und geodätischen Instrumente mit voller Freiheit zu bedienen; ich dürfe in allen spanischen Besitzungen astronomische Beobachtungen anstellen, die Höhen der Berge messen, die Erzeugnisse des Bodens sammeln und alle Operationen ausführen, die ich zur Förderung der Wissenschaft vorzunehmen gut finde." Diese Befehle von Seiten des Hofes wurden genau befolgt, auch nachdem in Folge der Ereignisse Don d'Urquijo vom Ministerium hatte abtreten müssen. Ich meinerseits war bemüht, diese sich nie verläugnende Freundlichkeit zu erwiedern. Ich übergab während meines Aufenthalts in Amerika den Statthaltern der Provinzen Abschriften des von mir gesammelten Materials über die Geographie und Statistik der Colonien, das deni Mutterland von einigem Werth seyn konnte. Dem von mir vor meiner Abreise gegebenen Versprechen gemäß übermachte ich dem naturhistorischen Cabinet zu Madrid mehrere geologische Sammlungen. Da der Zweck unserer Reise ein rein wissenschaftlicher war, so hatten Bonpland und ich das Glück, uns das Wohlwollen der Colonisten wie der mit der Verwaltung dieser weiten Landstriche betrauten Europäer 13 zu erwerben. In den fünf Jahren, während deren wir den neuen Continent durchzogen, sind wir niemals einer Spur von Mißtrauen begegnet. Mit Freude spreche ich es hier aus: unter den härtesten Entbehrungen, im Kampfe mit einer wilden Natur haben wir uns nie über menschliche Ungerechtigkeit zu beklagen gehabt. Verschiedene Gründe hätten uns eigentlich bewegen sollen, noch länger in Spanien zu verweilen. Abbe Cavanilles, ein Mann gleich geistreich wie mannigfaltig unterrichtet; Me, der mit Hanke die Expedition Malaspinas als Botaniker mitgemacht und allein eine der größten Kräutersammlungen, die man je in Europa gesehen, zusammengebracht hat; Don Casimir Ortega, Abbs Pourret und die gelehrten Verfasser der Flora von Peru, Ruiz und Pavon, stellten uns ihre reichen Sammlungen zur unbeschränkten Verfügung. Wir untersuchten zum Theil die meiicanischen Pflanzen, die von Sesse, Mocmo und Cervantes entdeckt worden, und von denen Abbildungen an das natur-historischc Museum zu Madrid gelangt waren. In dieser großen Anstalt, die unter der Leitung Clavijos stand, des Herausgebers einer gefälligen Uebersetzung der Werke Buffons, fanden wir allerdings keine geologischen Suiten aus den Cordilleren; aber Proust, der sich durch die große Genauigkeit seiner chemischen Arbeiten bekannt gemacht hat, und ein ausgezeichneter Mineralog, Hergen, gaben uns interessante Nachweisungen über verschiedene mineralische Substanzen Amerikas. Mit bedeutendem Nutzen Hütten wir uns wohl noch länger mit den Naturprodukten der Länder beschäftigt, die das Ziel unserer Forschungen waren, aber es drängte uns zu sehr, von der Vergünstigung, die der 14 Hof uns gewährt, Gebrauch zu machen, als daß wir unsere Abreise hätten verschieben können. Seit einen» Jahr war ich so vielcn Hindernissen begegnet, daß ich es kaum glauben konnte, daß mein sehnlichster Wunsch endlich in Erfüllung gehen sollte. Wir verließen Madrid gegen die Mitte Mais. Wir reisten durch einen Theil von Altcastilien, durch das Königreich Leon und Galizien nach Corunna, wo wir uns nach der Insel Cuba einschiffen sollten. Der Winter war streng und lang gewesen, und jetzt genossen wir auf der Reise der milden Früh: lingstemperatur, die schon so weit gegen Süd gewöhnlich nur den Monaten Mai und April eigen ist. Schnee bedeckte noch die hohen Granitgipfel der Guadarama; aber in den tiefen Thälern Galiziens, welche an die malerischen Landschaften der Schweiz und Tirols erinnern, waren alle Felsen mit Cistus in voller Blüthe und baumartigem Heidekraut überzogen. Man ist froh, wenn man die castilische Hochebene binter sich hat, welche fast ganz von Pflanzenwuchs entblöst, und wo es im Winter empfindlich kalt, im Sommer drückend heiß ist. Nach den wenigen Beobachtungen, die ich selbst anstellen konnte, besteht das Innere Spaniens aus einer weiten Ebene, die dreihundert Toisen (584 Meter) über dem Spiegel des Meeres mit secundären Gebirgsbildungen, Sandstein, Gips, Steinsalz, Jurakalk bedeckt ist: das Klima von Castilien ist weit kälter als das von Toulon und Genua: die mittlere Temperatur erreicht kaum 15 Grad der hunderttheiligen Scale. Man wundert sich, daß unter der Breite von Calabrien, Thessalien und Kleinasien die Orangenbäume im Freien nicht mehr fortkommen. Die Hochebene in der Mitte des Landes ist umgeben von einer 15 tiefgelegenen, schmalen Zone, wo an mehreren Punkten Chamärovs, der Dattelbaum, das Zuckerrohr, die Banane und viele Spanien und dem nördlichen Afrika gemeinsame Pflanzen vorkommen, ohne vom Winterfrost zu leiden. Unter dem 36—40. Grad der Breite beträgt die mittlere Temperatur dieser Zone 17—iiO Grad, und durch den Verein von Verhältnissen, die hier nicht aufgezählt werden können, ist dieser glückliche Landstrich der vornehmste Sitz des Gewerbsteißes und der Geistesbildung geworden. Kommt man im Königreich Valencia von der Küste des Mittelmeeres gegen die Hochebene von Mancha und Castilien herauf, so meint man, tief im Land, in weithin gestreckten schroffen Abhängen die alte Küste der Halbinsel vor sich zu haben. Dieses inertwürdige Phänomen erinnert an die Sagen der Samothracier und andere geschichtliche Zeugnisse, welche darauf hinzuweisen scheinen, daß durch den Ausbruch der Wasser aus den Dardanellen das Becken des Mittelmeeres erweitert und der südliche Theil Europas zerrissen und vom Mittelmeer verschlungen worden ist. Nimmt man an, diese Sagen seyen keine geologischen Träume, sondern beruhen wirklich auf der Erinnerung an eine uralte Umwälzung, so hätte die spanische Centralhochebene dem Anprall der gewaltigen Fluthen widerstanden, bis die Wasser durch die zwischen den Säulen des Hercules sich bildende Meerenge abflößen, so daß der Spiegel des Mittelmeeres allmählig sank und einerseits Nicder-egypten, andererseits die fruchtbaren Ebenen von Tarragona, Valencia und Murcia trocken gelegt wurden. Was mit der Bildung diefes Meeres zusammenhängt, dessen Daseyn von so 16 bedeutendem Einfluß auf die frühesten Culturbewcgungen der Menschheit war, ist von ganz besonderem Interesse. Man könnte denken, Spanien, das sich als ein Vorgebirge inmitten der Meere darstellt, verdanke seine Erhaltung seinem hochgelegenen Boden'. ehe man aber auf solche theoretische Vorstellungen Gewicht legt, müßte man erst die Bedenken beseitigen, die sich' gegen die Durchbrechung so vieler Dämme erheben, müßte man wahrscheinlich zu machen suchen, daß das Mittclmcer einst in mehrere abgeschlossene Becken getheilt gewesen, deren alte Grenzen durch Sicilien und die Insel Candia angedeutet scheinen. Die Lösung dieser Probleme soll uns hier nicht beschäftigen, wir beschränken uns darauf, auf den auffallenden Contrast in der Gestaltung des Landes am östlichen und am westlichen Ende Eurobas aufmerksam zu machen. Zwischen dem baltischen und dem schwarzen Meer erhebt sich das Land gegenwärtig kaum fünfzig Toisen über den Spiegel des Oceans, wahrend die Hochebene von Mancha, wenn sie zwischen den Quellen des Niemen und des Dnieper läge, sich als eine Gebirgsgruppe von bedeutender Höhe darstellen würde. Es ist höchst anziehend, auf die Ursachen zurückzugehen, durch welche die Oberfläche unseres Planeten umgestaltet worden seyn mag; sicherer ist es aber, sich an diejenigen Seiten der Erscheinungen zu halten, welche der Beobachtung und Messung des Forschers zugänglich sind. Zwischen Astorga und Corunna, besonders von Lugo an, werden die Berge allmählich höher. Die secundären Gcbirgs-bildungen verschwinden mehr und mehr, und die Uebergangs-gebirgsarten, die sie ablösen, verkünden die Nähe des Urgebirgs. 17 Wir sahen ansehnliche Verge aufgebaut aus altem Sandstein, den die Mineralogen der Freiberger Schule als Grauwacke und Grau-wackenschiefer aufführen. Ich weis; nicht, ob diese Formation, die iin südlichen Europa nicht häufig vorkommt, auch in andern Strichen Spaniens aufgefunden worden ist. Eckige Bruchstücke von lydischem Stein, die in den Thälern am Boden liegen, schienen uns darauf zu deuten, daß die Grauwacke dem Ueber-gangsschicfer aufgelagert ist. Bei Corunna selbst crhebeu sicl, Granitgipfel, die bis zum Cap Ortegal fortstreichen. Diese Granite, welche einst mit denen in Bretagne und Wales in Zusammenhang gestanden haben mögen, sind vielleicht die Trümmer einer von den Fluthen zerlrümmerten und verschlungenen Bergkette. Schöne große Fcldspathkrystalle sind für dieses Gestein charakteristisch, Zinnstein ist darin eingesprengt und von den Galizicrn wird darauf ein mühsamer, wenig ergiebiger Vergbau betrieben. In Corunna angelangt, fanden wir den Hafen von zwei englischen Fregatten und einem Linienschiff blokirt. Tiese Fahrzeuge sollten den Verkeln- zwischen dem Mutterland und 5en Colonicn in Amerika unterbrechen: denn von Corunna, nicht von (5ao!r, lief damals jeden Monat ein Pakctboot O<>i-l-«c» mm-itimc») nach der Havana aus, und alle zwei Monate ein anderes nach Buenos Ayres oder der Mündung des la Plata. Ich werde später den Zustand der Postm auf dem neuen Continent genau beschreiben: hier nur so viel, daß seit dem Ministerium des Grafen Florida Vlanca der Dienst der „Land-couriers" so gut eingerichtet ist, daß Einer in Paraguay oder in der Provinz Iaen de Bracamoros nur durch sie ziemlich Humbvlbt, Ulllsc. ,. 2 18 regelmüßig mit Einem in Neumexico oder an der Küste von Neucalifornien correspondiren kann, also so weit, als es von Paris nach Siam oder von Wien an das Cap der guten Hoff« nung ist. Ebenso gelangt ein Brief, den man in einer kleinen Stadt in Aragonien zur Post gibt, nach Chili oder in die Missionen am Orinoco, wenn nur der Name des Coregimiento oder Bezirks, in dem das betreffende indianische Dorf liegt, genau angegeben ist. Mit Vergnügen verweilt der Gedanke bei Einrichtungen, die für eine der größten Wohlthaten der Cultur der neueren Zeit gelten können. Die Einrichtung der Couriere zur See und im innern Lande hat das Band zwischen den Colonien unter sich und mit dem Mutterland enger ge» knüpft. Der Gedankenaustausch wurde dadurch beschleunigt, die Beschwerden der Colonisten drangen leichter nach Europa und die Staatsgewalt konnte hin und wieder Bedrückungen ein Ende machen, die sonst aus so weiter Ferne nie zu ihrer Kenntniß gelangt wären. Der Minister hatte uns ganz besonders dem Brigadier Don Rafael Clavijo empfohlen, der seit Kurzem die Oberaufsicht über die Seeposten hatte. Dieser Officier, bekannt als ausgezeichneter Schiffsbauer, war in Corunna mit der Einrichtung neuer Werfte beschäftigt. Er bot Allem auf, um uns den Aufenthalt im Hafen angenehm zu machen, und gab uns den Rath, uns auf der Corvette'Pizarro einzuschiffen, die nach der Havana und Mexico ging. Dieses Fahrzeug, das die Post für ' Nach dem spanischen Sprachgebrauch war der Pizarro ein« leichte Fregatte (rreßäta lijer»). 19 Juni an Bord hatte, sollte mit der Alcudia segeln, dem Paketboot für den Mai, das wegen der Blokade seit drei Wochen nicht hatte auslaufen können. Der Pizarro galt für keinen guten Segler, aber durch einen glücklichen Zufall war er vor Kurzem auf seiner langen Fahrt vom Rio de la Plata nach Corunna den kreuzenden englischen Fahrzeugen entgangen. Clavijo ließ an Bord der Corvette Einrichtungen treffen, daß wir unsere Instrumente aufstellen und während der Ueberfahrt unsere chemischen Versuche über die atmosphärische Luft vornehmen konnten. Der Capitän des Pizarro erhielt Befehl, bei Teneriffa so lange anzulegen, daß wir den Hafen von Orotava besuchen und den Gipfel des Pic besteigen könnten. Die Einschiffung verzögerte sich nur zehn Tage, dennoch kam uns der Aufenthalt gewaltig lang vor. Wir benutzten die Zeit, die Wanzen einzulegen, die wir in den schönen, noch von keinem Naturforscher betretenen Thälern Galiziens gesammelt; wir untersuchten die Tange und Weichthiere, welche die Fluth von Nordwest her in Menge an den Fuß des steilen Felsen wirft, auf dem der Wachtthurm des Hercules steht. Dieser Thurm, auch „der eiserne Thurm" genannt, wurde im Jahr 1786 restaurirt. Er ist 92 Fuß hoch, seine Mauern sind vier und einen halben Fuß dick, und nach seiner Bauart ist er unzweifelhaft ein Werk der Römer. Eine in der Nähe der Fundamente gefundene Inschrift, von der ich durch Herrn dc Labordes Gefälligkeit eine Abschrift besitze, besagt, der Thurm sey von Cajus Servius Lupus, Architekten der Stadt Aqua Flavia (Chaves), erbaut und dem Mars geweiht. Warum heißt der eiserne Thurm der Herculesthurm? Sollten ihn die 20 Nömer auf den Trümmern eines griechischen oder phönicischen Bauwerks errichtet haben? Wirklich behauptet Strabo, Galizien, das Land der Galläci, sey von griechischen Colonicn bevölkert gewesen. Nach einer Angabe des Asclepiades von Myrläa in seiner Geographie von Spanien hätten sich nach einer alten Sage die Gefährten des Hercules in diesen Landstrichen niedergelassen. ' Die Höhen von Ferrol und Corunna sind an derselben Vai gelegen, so daß ein Schiff, das bei schlimmem Wetter gegen das Land getrieben wird, je nach der Richtung des Windes, im einen oder im andern Hafen vor Anker gehen kann. Ein solcher Vortheil ist unschätzbar in Strichen, wo die See fast beständig hock) geht, wie zwischen den Vorgebirgen Ortegal und Finisterre, den Vorgebirgen Trilcucum und Arta-brum der alten Geographen. Ein enger, von steilen Granitfelsen gebildeter Canal führt in das weite Becken von Ferrol. In ganz Europa findet sich kein zweiter Ankerplatz, der so merkwürdig weit ins Land hineinschnitte. Dieser enge, gefchlängelte Paß, durch den die Schiffe in den Hafen gelangen, sieht aus, als wäre er durch eine Fluth oder durch wiederholte Stöße nngcmcin heftiger Erdbeben eingcrisfen. In der neuen Welt, an der Küste von Ncuandalusien, hat die I^uim ciol Opisc-o, der „Vischofssce," genau dieselbe Gestalt wie der Hafen von Ferrol. Die auffallendsten geologischen Erscheinungen wiederholen sich auf den Festländern an weit entlegenen Punkten, nnd ' Tie Phönicier und die Griechen besuchten dir Küsten von Gn» lizieü ^«Il.i^i^ wessen des Hmidels mit Zinn, das sie von hier wie ron de» Vassitcridlscheu Inseln bezogen. 21 der Forscher, der Gelegenheit gehabt, verschiedene Welttheile zu sehen, erstaunt über die durchgehende Gleichförmigkeit im Ausschnitt der Küsten, im krummen Zug der Thäler, im Anblick der Berge und ihrer Gruppirung. Das zufällige Zusammentreffen derselben Ursachen muhte aller Orten dieselben Wirkungen hervorbringen, und mitten aus der Mannigfaltigkeit der Natur tritt uns in der Anordnung der todten Stoffe, wie in der Organisation der Pflanzen und Thiere eine gewisse Uebereinstimmung in Bau und Gestaltung entgegen. Auf der Ueberfahrt von Corunna nach Ferrol machten wir über einer Untiefe beim „weißen Signal," in der Bai, die nach d'Auville der purtu« mgAilus der Alten war, mittelst einer Thermometersonde mit Ventilen einige Beobachtungen über die Temperatur der See und über die Abnahme der Wärme in den über einander gelagerten Wafserschichten. Ueber der Bank zeigte das Instrument an der Meeresfläche 1ä"5 bis 13°3 Grad der hunderttheiligen Scale, während ringsumher, wo das Meer sehr tief war, der Thermometer bei 12°8 Lufttemperatur auf 15°—15"3 stand. Der berühmte Franklin und Jonathan Williams, der Verfasser des zu Philadelphia erschienenen Werkes nUwrmomttli'io NaviAUicm/ haben zuerst die Physiker darauf aufmerksam gemacht, wie abweichend sich die Tcmp'.'ratmver-hältnisse der See über Untiefen gestalten, fowic in der Zone warmer Wasserströme, die aus dem Meerbusen von Mexico zur Bank vou Neufoundland und hinüber an die Nordtüsten von Europa sich erstreckt. Die Beobachtung, daß sich die Nähe nner Sandbank durch ein rasches Sinken der Temperatur an der Meeresfläche verkündet, ist nicht nur für die Physik von 22 Wichtigkeit, sie kann auch für die Sicherheit der Schifsfahrt von großer Bedeutung werden. Allerdings wird man über dem Thermometer das Senkblei nicht aus der Hand legen; aber Beobachtungen, wie ich sie im Verlauf dieser Reiscbeschreibung anführen werde, thun zur Genüge dar, daß ein Temperaturwechsel, den die unvollkommensten Instrumente anzeigen, die Gefahr verkündet, lange bevor das Schiff über die Untiefe gelangt. In solchen Fällen mag die Abnahme der Mecrestemperatur den Schiffer veranlassen, zum Senkblei zu greifen in Strichen, wo er sich vollkommen sicher dünkte. Auf die physischen Ursachen dieser verwickelten Erscheinungen kommen wir anderswo zurück. Hier sey nur erwähnt, daß die niedrigere Temperatur des Wassers über den Untiefen großentheils daher rührt, daß es sich mit tieferen Wasserschichten mischt, welche längs der Abhänge der Bank zur Meeresfläche aufsteigen. Eine Aufregung des Meeres von Nordwest her unterbrach unsere Versuche über die Meercstemperatur in der Bai von Ferrol. Die Wellen gingen so hoch, weil auf offener See ein heftiger Wind geweht hatte, in dessen Folge die englischen Schiffe sich hatten von der Küste entfernen müssen. Man wollte die Gelegenheit zum Auslaufen benutzen; man schiffte alsbald unsere Instrumente, unsere Bücher, unser ganzes Gepäcke ein; aber der Westwind wurde immer stärker und man konnte die Anker nicht lichten. Wir benutzten den Aufschub, um an unsere Freunde in Deutschland und Frankreich zu schreiben. Der Augenblick, wo man zum erstenmal von Europa scheidet, hat etwas Ergreifendes. Wenn man sich noch so bestimmt vergegenwärtigt, wie stark der Verkehr zwischen beiden Welten ist, wie 23 leicht man bei den großen Fortschritten der Schifffahrt über den atlantischen Ocean gelangt, der, der Südsee gegenüber, ein nicht sehr breiter Meeresarm ist, das Gefühl, mit dem man zum erstenmal eine weite Seereise antritt, hat immer etwas tief Aufregendes. Es gleicht keiner der Empfindungen, die uns von früher Jugend auf bewegt haben. Getrennt von den Wesen, an denen unser Herz hängt, im Begriff, gleichsam den Schritt in ein neues Leben zu thun, ziehen wir uns unwillkürlich in uns selbst zusammen und über uns kommt ein Gefühl des Alleinseyns, wie wir es nie empfunden. Unter den Briefen, die ich kurz vor unserer Einschiffung schrieb, befand sich einer, der für die Richtung unserer Reise und den Verlauf unserer späteren Forschungen sehr folgereich wurde. Als ich Paris verlieh, um die Küste von Afrika zu besuchen, schien die Entdeckungsreise in die Südsee auf mehrere Jahre verschoben. Ich hatte mit Capitän Naudin die Verabredung getroffen, daß ich, wenn er wider Vermuthen die Reise früher antreten könnte und ich davon Kenntniß bekäme, von Algier aus in einen französischen oder spanischen Hafen eilen wolle, um die Expedition mitzumachen. Im Begriff in die neue Welt abzugehen, wiederholte ich jetzt diefes Versprechen. Ich schrieb Capitän Baudin, wenn die Regierung ihn auch jetzt noch den Weg um Cap Horn nehmen lassen wolle, so werde ich mich bemühen, mit ihm zusammenzutreffen, in Monte Video, in Chili, in Lima, wo immer er in den fpanischen Colonien anlegen möchte. Treu dieser Zusage, änderte ich meinen Reiseplan, sobald die amerikanischen Blätter im Jahr 1801 die Nachricht brachten, die französische Expedition sey von Havre 24 abgegangen, um von Ost nach West die Welt zu umsegeln. Ich miethete ein kleines Fahrzeug und ging von Vatabano auf der Insel Cuba nach Portobelo und von da über die Landenge an die Küste der Südsee. In Folge einer falschen Zeitungsnachricht haben Vonpland und ich über achthundert Meilen ' in einem Lande gemacht, das wir gar nicht hatten bereisen wollen. Erst in Quito erfuhren wir durch einen Brief Delambres, des beständigen Secretärs der ersten Classe des Instituts, dah Ca-pitän Vaudin um das Cap der guten Hoffnung gegangen und die West- und Ostküste Amerikas gar nicht berührt habe. Nicht ohne ein Gefühl von Wehmuth gedenke ich einer Expedition, die mehrfach in mein Leben eingreift, und die kürzlich von einem Gelehrten ^ beschrieben wurden ist, den die Menge der Entdeckungen, welche die Wissenschaft ihm dankt, und der auf-opfemdc Muth, den er auf seiner Lausbahn unter den härtesten Entbehrungen und Leiden bewiesen, gleich hoch stellen. Ich hatte auf die Reise nach Spanien nicht meine ganze Sammlung physikalischer, geodätischer und astronomischer Wertzeuge mitnehmen können: ich hatte die Doubletten in Marseille in Verwahrung gegeben und wollte sie, sobald ich Gelegenheit gefunden hätte, an die Küste der Berberei zu gelangen, nach Algier oder Tunis nachkommen lassen. In ruhigen Zeiten ist Reisenden sehr zu rathen, daß sie sich nicht mit allen ihren Instrumenten beladen; man läßt sie besser nachkommen, »m ' Unter Meilen »hue Vrifatz sind immer französische Lieues zu verstehe». 2 Peron, der »ach laugen schmerzlicht» Leide,! im fiiüfmiddreißigsien Jahre der Wissenschaft entrisse» wiirde. 25 nach einigen Jahren diejenigen zu ersehen, die durch den Gebrauch oder auf dem Transport gelitten haben. Diese Vorsicht erscheint besonders dann geboten, wenn man zahlreiche Punkte durch rein chronometrische Mittel zu bestimmen hat. Aber während eines Seekriegs thut man klug, seine Instrumente, Handschriften und Sammlungen fortwährend bei sich zu haben. Wie wichtig dieß ist, haben traurige Erfahrungen mir bewiesen. Unser Aufenthalt zu Madrid und Corunna war zu kurz, als daß ich den meteorologischen Apparat, den ich in Marseille gelassen, hätte von dort kommen lassen können. Nach unserer Rückkehr vom Orinoco gab ich Auftrag, mir denselben nach der Havana zu schicken, aber ohne Erfolg; weder dieser Apparat, noch die achromatischen Fernröhren und der Thermometer von Arnold, die ich in London bestellt, sind mir in Amerika zugekommen. Getrennt von unsern Instrumenten, die sich am Vord der Corvette befanden, brachten wir noch zwei Tage in Corunna zu. Ein dichter Nebel, der den Horizont bedeckte, verkündete endlich die sehnlich erwartete Aenderung des Wetters. An» vierten Juni Abends drehte sich der Wind nach Nordost, welche Windrichtung an der Küste von^Galizien in der schönen Jahreszeit für sehr beständig gilt. Am fünften ging der Pizarro wirklich unter Segel, obgleich wenige Stunden zuvor die Nachricht angelangt war, eine englische Escadre sey vom Wachposten Sisarga signalisirt worden und scheine nach der Mündung des Tajo zu segeln. Die Leute, welche unsere Corvette die Anker lichten sahen, äußerten laut, ehe drei Tage vergehen, seyen wir aufgebrack't und mit dem Schiffe, dessen Loos wir theilen 26 müßten, auf dem Wege nach Lissabon. Diese Prophezeiung beunruhigte uns um so mehr, als wir in Madrid Mexican« kennen gelernt hatten, die sich dreimal in Cadir nach Vera Cruz eingeschifft hatten, jedesmal aber fast unmittelbar vor dem Hafen aufgebracht worden und über Portugal nach Spanien zurückgekehrt waren. Um zwei Uhr Nachmittags war der Pizarro unter Segel. Der Canal, durch den man aus dem Hafen von Corunna fährt, ist lang und schmal: da er sich gegen Nord öffnet und der Wind uns entgegen war, mußten wir acht tleine Schläge machen, von denen drei so gut wie verloren waren. Gewendet wurde immer äußerst langsam, und einmal, unter dem Fort St. Amarro, schwebten wir in Gefahr, da uns die «Strömung sehr nahe an die Klippen trieb, an denen sich das Meer mit Ungestüm bricht. Unsere Blicke hingen am Schloß St. Antonio, wo damals der unglückliche Malaspina als Staatsgefangener saß. Im Augenblick, da wir Europa verließen, um Länder zu besuchen, welche dieser bedeutende Forscher mit so vielem Erfolg bereist hat, hätte ich mit meinen Gedanken gerne bei einem minder traurigen Gegenstande verweilt. Um sechs ein halb Uhr kamen wir am Thurm des Hercules vorüber, von dem oben die Rede war, der Corunna als Leuchtthurm dient, und auf dem man seit den ältesten Zeiten ein Steinkohlenfeuer unterhält. Der Schein dieses Feuers steht in schlechtem Verhältniß mit dem schönen, stattlichen Bauwerk; es ist so schwach, daß die Schiffe es erst gewahr werden, wenn sie bereits Gefahr laufen zu stranden. Bei Einbruch der Nacht wurde die See sehr unruhig und der Wind bedeutend frischer. Wir 27 steuerten gegen Nordwest, um nicht den englischen Fregatten zu begegnen, die, wie man glaubte, in diesen Strichen kreuzten. Gegen neun Uhr sahen wir das Licht in einer Fischerhütte von Sisarga, das Letzte, was uns von der Küste von Europa zu Gesicht kam. Mit der zunehmenden Entfernung verschmolz der schwache Schimmer mit dem Licht der Sterne, die am Horizont aufgingen, und unwillkürlich blieben unsere Blicke daran hängen. Dergleichen Eindrücke vergißt einer nie, der in einem Alter, wo die Empfindung noch ihre volle Tiefe und Kraft besitzt, eine weite Seereise angetreten hat. Welche Erinnerungen werden in der Einbildungskraft wach, wenn so ein leuchtender Punkt in finsterer Nacht, der von Zeit zu Zeit aus den bewegten Wellen aufblitzt, die Küste des Heimathlandes bezeichnet! Wir mußten die obern Segel einziehen. Wir segelten zehn Knoten in der Stunde, obgleich die Corvette nicht zum Schnellsegeln gebaut war. Um sechs Uhr Morgens wurde das Schiin« gern so heftig, daß die kleine Bramstenge brach. Der Unfall hatte indessen keine schlimmen Folgen. Wir brauchten zur Ueberfahrt von Corunna nach den Canarien dreizehn Tage, und dieß war lang genug, um uns in so stark befahrenen Strichen wie die Küsten von Portugal der Gefahr auszusetzen, auf englische Schiffe zu stoßen. Die ersten drei Tage zeigte sich kein Segel an, Horizont, und dieß beruhigte nachgerade unsere Mannschaft, die sich auf kein Gefecht einlassen konnte. Am siebten liefen wir über den Parallelkrcis von Cap Finisterre. Die Gruppe von Granitselsen, die dieses Vorgebirge, wie das Vorgebirge Torianes und den Berg Corcubion bilden, heißt Sierra de Torinona. Das Cap Finisterre ist niedriger 28 als das Land umher, aber die Torin ona ist auf hoher See 17 Meilen weit ficktbar, woraus folgt, das; die höchsten Gipfel derselben nicht unter 300 Toisen (582 Meter) hoch seyn können. Am achten bei Sonnenuntergang wurde von den Masten ein englisches Convoi signalisirt, das gegen Südost an der Küste hinsteuerte. Ihm zu entgehen, wichen wir die Nacht hindurch aus unserem Curs. Damit durften wir in der großen Cajüte kein Licht mehr haben, um nicht von weitem bemerkt zu werden. Diese Vorsicht, die am Bord aller Kauffahrer beobachtet wird und in dem Reglement für die Patetboote der königlichen Marine vorgeschrieben ist, brachte uns tödtliche Langeweile auf den vielen Ueberfahrten, die wir in fünf Jahren zu machen hatten. Wir mußten uns fortwährend der Blendlaternen bedienen, um die Temperatur des Meerwassers zu beobachten oder an der Theilung der astronomischen Instrumente die Zahlen abzulesen. In der heißen Zone, wo die Dämmerung nur einige Minuten dauert, ist man unter diesen Umständen schon um sechs Uhr Abends außer Thätigkeit gesetzt. Dieß war für mich um so verdrießlicher, als ich vermöge meiner Constitution nie seekrank wurde, und so oft ich an Bord eines Schisses war, immer großen Trieb zur Arbeit fühlte. Eine Fahrt von der spanischen Küste nach den Canarien und von da nach Südamerika bietet wenig Bemerkcnswerthes, zumal in der guten Jahreszeit. Es ist weniger Gefahr dabei, als oft bei der Ueberfahrt über die großen Schweizer Seen. Ich theile daher hier nur die allgemeinen Ergebnisse meiner magnetischen und meteorologischen Versuche in diesem Meercs-striche mit. 29 Am 9. Juni, unter 39° 50' der Vrcitc und 16° 10< westlicher Länge von, Meridian der Pariser Sternwarte, fingen wir an die Wirkung der großen Strömung zu spüren, welche von den a>orischen Inseln nach der Meerenge von Gibraltar und nach dcn canarischen Inseln geht. Indem ich den Punkt, den mir der Gang der Berthoud'schcn Seeuhr angab, mit des Steuermanns Schätzung verglich, konnte ich die kleinsten Aenderungen in der Richtung und Geschwindigkeit der Strömungen bemerken. Zwischen dem 37. und 30. Vrcitengrade wurde das Schiff in vierundzwanzig Stunden zuweilen 18 bis 36 Meilen nach Ost getrieben. Anfänglich war die Richtung des Stromes Ost '/, Eüdost, aber in der Nähe der Meerenge wurde sie genau Ost. Capitän Macintosh und einer der gebildetsten Seefahrer unserer Zeit, Sir Erasmus Gower, haben die Veränderungen beobachtet, welche in dieser Bewegung des Waffers zu verschiedenen Zeiten des Jahres eintreten. Es kommt nicht selten vor, dasi Schiffer, welche die canarischen Inseln besuchen, sich an der Küste von Lancerota befinden, während sie meinten, an Teneriffa landen zu können. Bougainville befand sich auf feiner Ucberfahrt vom Cap Finisterre nach dcn Canarien in, Angesicht der Insel Fcrro um 4 Grade weiter nach Ost, als seine Rechnung ihm ergab. Gemeinhin e, klärt man die Strömung, die sich zwischen den azorischen Inseln, der Südküste von Portugal und den Canarien merkbar macht, daraus, das, das Wasser des atlantischen Oceans durch die Meerenge von Gibraltar einen Zug nach Osten erhalte. De Fleuricu behauptet sogar in den An-' merkungen zur Reise des Capita» Marchand, dcr Umstand, daß 30 das Mittelmeer durch die Verdunstung mehr Wasser verliere, als die Flüsse einwerfen, bringe im benachbarten Weltmeer eine Bewegung hervor, und der Einfluß der Meerenge sch sechshundert Meilen weit auf offener See zu spüren. Bei aller Hochachtung, die ich einem Seefahrer schuldig bin, dessen mit Recht sehr geschätzten Werken ich viel zu danken habe, muß es mir gestattet seyn, diesen wichtigen Gegenstand aus einem weit allgemeineren Gesichtspunkte zu betrachten. Wirft man einen Blick auf das atlantische Meer, oder das tiefe Thal, das die Westküsten von Europa und Afrika von den Osttüsten des neuen Continents trennt, so bemerkt man in der Bewegung der Wasser entgegengesetzte Richtungen. Zwischen den Wendekreisen, namentlich zwischen der afrikanischen Küste am Senegal und dem Meere der Antillen geht die allgemeine, den Seefahrern am längsten bekannte Strömung fortwährend von Morgen nach Abend. Dieselbe wird mit dem Namen Aequinoctial ström bezeichnet. Die mittlere Geschwindigkeit derselben unter verschiedenen Breiten ist sich im atlantischen Ocean und in der Südsee ungefähr gleich. Man kann sie auf 9 bis 10 Meilen in vier und zwanzig Stunden, somit auf 0,59 bis 0,65 Fuß in der Secunde schätzen.' Die Geschwindigkeit, ' Ich habe die Veobachtungen. die ich in beiden Hemisphären anzustellen Gelegenheit gehabt, mit denen zusammengestellt, die in den Weilen von Cook. Lapsrouse. d'Gutrecasteaur, Vancouver. Macartney, Krusenstern und Marchand gegeben sind, und darnach schwankt die Geschwindigkeit der allgemeinen Strömung unter den Tropen zwischen 5 und 18 Meilen in 24 Stunden, somit zwischen 0,2 und t,2 Fuß jn der Secunde. ' 31 mit der die Wasser in diesen Strichen nach Westen strömen, ist etwa ein Viertheil von der der meisten großen europäischen Flüsse. Diese der Umdrehung des Erdballs entgegengesetzte Bewegung des Oceans hängt mit jenem Phänomen wahrscheinlich nur insofern zusammen, als durch die Umdrehung der Erde die Polarwinde, welche in den untern Luftschichten die kalte Luft aus den hohen Breiten dem Aequator zuführen, in Passalwinde umgewandelt werden. Der Aequinoctialstrom ist die Folge der allgemeinen Bewegung, in welche die Meeresfläche durch die Passatwinde versetzt wird, und locale Schwantungen im Zustand der Luft bleiben ohne merkbaren Einfluß auf die Stärke und die Geschwindigkeit der Strömung. Im Canal, den der atlantische Ocean zwischen Guyana und Guinea auf 20 bis 23 Längengrade, vom 6. oder 9. bis zum 2. oder 3. Grad nördlicher Breite gegraben hat, wo die Passatwinde häusig durch Winde aus Süd oder Süd-Süd-West unterbrochen werden, ist die Richtung des Aequinoctialstroms weniger constant. Der afrikanischen Küste zu werden die Schisse nach Südost fortgetrieben, während der Allerheiligenbai und dem Vorgebirge St. Augustin zu, denen die Schisse, die nach der Mündung des La Plata steuern, nicht gerne nahe kommen, der allgemeine Zug der Wasser durch eine besondere Strömung mastirt ist. Letztere Strömung ist vom Cap St. Noch bis zur Insel Trinidad fühlbar, sie ist gegen Nordwest gerichtet mit einer Geschwindigkeit von einem bis anderthalb Fuß in der Secunde. Der Aequinoctialstrom ist, wenn auch schwach, sogar jenseits des Wendekreises des Krebses unter 26 und 26 Grad der 32 Breite fühlbar. Im weiten Becken des atlantischen Oceans, sieben- bis achthundert Meilen von der afrikanischen Küste, beschleunigt sich der Lauf der europäischen Schiffe, welche nach den Antillen gehen, ehe sie in die heiße Zone gelangen. Weiter gegen Nord, unter dem .28. bis 35. Grad, zwischen den Parallelkreisen von Teneriffa und Ceuta, unter 46 und 1« Grad der Länge, bemerkt man keine constantc Bewegung i denn eine I4l) Meilen breite Zone trennt den Aeauinoctialstrom, der nach West geht, von der grosien Wassermasse, die nach Ost strömt und sich durch auffallend bohe Temperatur auszeichnet. Auf diese Wasfermasse, bekannt unter dem Namen Golfstrom (6M-8t,r«ÄM), sind die Physiker seit 1776 durch Franklins und Sir Charles Plagdens schöne Beobachtungen aufmerksam geworden. Da in neuerer Zeit amerikanische und englische Seefahrer eifrig bemüht sind, die Richtung desselben zu ermitteln, so müssen wir weiter ausholen, um einen allgemeinen Gesichtspunkt für das Phänomen zu gewinnen. Der Aeauinoctialstrum treibt die Wasser des atlantischen Oceans an die Küsten der Moskito-Indiancr und von Honduras. Der von Süd nach Nord gestreckte neue Continent halt diese Strömung auf wie ein Damm. Die Gewässer erhalten zuerst die Richtung nach Nordwest, gelangen durch die Meerenge zwischen Cap Catoche und Cap St. Antonio in den Meerbusen von Merico, und folgen den Krümmungen der mezicanischen Küste von Vera Cruz zur Mündung des Rio del Norte, und von da zur Mündung des Mississippi und den Untiefen westwärts von der Ost-spitze von Florida. Nach dieser großen Drehung nach West, Nord, Ost und Süd nimmt die Strömung wieder die Richtung 33 nach Nord und drängt sich mit Ungestüm in den Canal von Bahama. Dort habe ich im Mai 1804, unter 26 und 27 Grad der Breite, eine Geschwindigkeit von 80 Meilen in 24 Stunden, also von 5 Fuß ill der Secunde beobachtet, obgleich gerade ein sehr starter Nordwind wehte. Beim Ausgang des Canals von Bahama, unter dem Parallel von Cap Canaveral, kehrt sich der Golfstrom oder Strom von Florida nach Nordost. Er gleicht hier einem reißenden Strome und erreicht zuweilen die Geschwindigkeit von fünf Meilen in der Stunde. Der Steuermann kann, sobald er den Nand der Strömung erreicht, mit ziemlicher Sicherheit abnehmen, um was er sich in seiner Schätzung geirrt, und wie weit er noch nach New-Vork, Philadelphia oder Charlestown hat: die hohe Temperatur des Wassers, sein starker Salzgehalt, die indigoblaue Farbe und die schwimmenden Massen Tang, endlich die im Winter sehr merkbare Erhöhung dcr Lufttemperatur geben den Golfstrom zu erkennen. Gegen Norden nimmt seine Geschwindigkeit ab, während seine Breite zunimmt und die Gewässer sich abkühlen. Zwischen Cayo Bis-caino und der Bank von Bahama ist er nur 15 Meilen, unter 28'/, Grad Breite schon 17, und unter dem Parallel von Charlcstown, Cap Henlopen gegenüber, 40 bis 50 Meilen breit. Wo die Strömung am schmalsten ist, erreicht sie eine Geschwindigkeit von 3 bis 4 Meilen in der Stunde, weiter nach Norden zu beträgt dieselbe nur noch eine Meile. Die Gewässer des mericanischen Meerbusens behalten auf ihrem gewaltigen Zuge nach Nordost ihre hohe Temperatur dei maßen, daß ich unter 40 und 41 Grad der Breite noch 22° 5 (18" Reaumur) beobachtete, während außerhalb des Stroms das Wasser an der Humboldt. Rcisc, I. 3 34 Oberfläche kaum 17° 5 (14° R.) warm war. Unter der Breite von New-Iork und Oporto zeigt somit der Golfstrom dieselbe Temperatur wie die tropischen Meere unter 16 Grad Breite, also unter der Breite von Portorico und der Inseln des grünen Vorgebirgs. Vom Hafen von Boston an und unter dem Meridian von Halifax, unter 41° 25' der Breite und 67° der Länge, erreicht der Strom gegen 80 Seemeilen Breite. Hier kehrt cr sich auf einmal nach Ost, so daß sein westlicher Rand bei der Umbiegung zur nördlichen Grenze der bewegten Wasser wird und er an der Spitze der großen Bank von Neufoundland wegstreicht, die Volney sinnreich die Barre an der Mündung diefes ungeheuern Meerfttoms nennt. Höchst auffallend ist der Abstand zwischen der Temperatur des kalten Wassers über dieser Bank und der Wärme der Gewässer der heißen Zone, die durch den Golfstrom nach Norden getrieben werden; jene betrug nach meinen Beobachtungen 8°,7—10 (7—8" R.), diese 21—22°,5 (17—18° R.). In diesen Strichen ist die Wärme im Meere höchst sonderbar vertheilt: die Gewässer der Bank sind um 9",4 kälter als das benachbarte Meer, und dieses ist um 3° kälter als der Strom. Diese Zonen können ihre Temperaturen nicht ausgleichen, weil jede ihre eigene Wärmequelle oder einen Grund der Wärme-erniedrigung hat, und beide Momente beständig fortwirken.' ' Wenn es sich von der Meerestemperatur handelt, hat man sorgfältig vier ganz gesondert« Erscheinungen zu «nterschciden: <) die Temperatur des Wassers au der Oberfläche unter verschiedenen Breiten, das Meer als ruhig angenommen; 2) die Abnahme der Wärme in den über einander gelagerten Wasserschichten; 3) den Einfluß der Untiefen 35 Von der Bank von Neufoundland, oder vom 52. Grad der Breite bis zu den Azoren bleibt der Golfstrom nach Ost oder Ost-Süd-Ost gerichtet. Noch immer wirkt hier in den Gewässern der Stoß nach, den sie tausend Meilen von da in der Meerenge von Florida, zwischen der Insel Cuba und den Untiefen der Echildkröteninseln, erhalten haben. Diese Entfernung ist das Doppelte von der Lunge des Laufs des Amazonenstromes von Iaen oder dem Paß von Manseriche zum Gran-Para. Im Meridian der Inseln Corvo und Flores, der westlichsten der Gruppe der Azoren, nimmt die Strömung eine Mecresstrccke von 160 Meilen in der Breite ein. Wenn die Schiffe auf der Rückreise aus Südamerika nach Europa diese beiden Inseln aufsuchen, um ihre Länge zu berichtigen, so gewahren sie immer deutlich den Zug des Wassers nach Südost. Unter 33 Grad der Breite rückt der tropische Aequinoctialstrom dem Golfstrom sehr nahe. In diesem Striche des Weltmeeres kann man an Einem Tage aus den Gewässern, die nach West laufen, in diejenigen gelangen, die nach Südost oder Ost-Süd-Ost strömen. Von den Azoren an nimmt der Strom von Florida seine Richtung gegen die Meerenge von Gibraltar, die Insel Madera und die Gruppe der Canaricn. Die Pforte bei den Säulen des Hercules beschleunigt ohne Zweifel den Zug des Wassers gegen Ost. Und in diesem Sinn mag man mit Recht behaupten, die Meerenge, durch welche Mittelmeer und atlantischer Ocean zu-sammenhängen, äußere ihren Einfluß auf weite Ferne; sehr auf die Temperatur de« Mseies; 4) die Tcmperatnr der Strömungen, die mit coustauter Geschwindigkeit die Gewässer der einci! Zone durch die ruhenden Gewässer der ander» hmdurchfilhren. 36 wahrscheinlich würden aber; auch wenn die Meerenge nicht bestände, Fahrzeuge, die nach Teneriffa segeln, dennoch nach Südost getrieben, und zwar in Folge eines Anstoßes, dessen Ursprung man an den Küsten der neuen Welt zu suchen hat. Im weiten Meeresbeckcn pflanzen sich alle Bewegungen fort, gerade wie im Luftmeer. Verfolgt man die Strömungen rückwärts zu ihren fernen Quellen, gibt man sich Rechenschaft von dem Wechsel in ihrer Geschwindigkeit, warum sie bald abuimmt, wie zwifchen dem Canal von Bahama und der Bank von Neufound-land, bald wieder wächst, wie in der Nähe der Meerenge von Gibraltar und bei den canarifchen Inseln, so kann man nicht darüber im Zweifel seyn, daß dieselbe Ursache, welche die Gewässer im Meerbusen von Mexico herumdreht, sie auch bei der Insel Madera in Bewegung setzt. Südlich von letztgenannter Insel laßt sich die Strömung in ihrer Richtung nach Südost und Süd-Südost gegen die Küste von Afrika zwischen Cap Cantin und Cap Vojador verfolgen. In diesen Strichen sieht sich ein Schiff bei stillem Wetter nahe an der Küste, wenn es sich nach der nicht berichtigten Schätzung noch weit davon entfernt glaubt. Ist die Oeffnung bei Gibraltar die Ursache der Bewegung des Wasfcrs, warum hat denn die Strömung südlich von der Meerenge nicht die entgegengesetzte Richtung? Im Gegentheil aber geht sie unter dem 25. und 26. Grad der Breite erst gerade nach Süd und dann nach Südwest. Cap Blanc, nach Cap Verd das am weitesten sich hinausstreckende Vorgebirge, scheint Einfluß auf diese Richtung zu äußern, und unter der Breite desselben mischen sich die Wasser, deren Bewegung wir von dcr Küste von Hondura bis zur afrikanischen 37 verfolgt haben, mit dem großen tropischen Strom, um den Lauf von Morgen nach Abend von neuem zu beginnen. Wir haben oben bemerkt, daß mehrere hundert Meilen westwärts von den Canarien der eigenthümliche Zug der Aequinoctial-gcwässer schon in der gemäßigten Zone, vom 26. und 29. Nreite-grad an, bemertlich wird: aber im Meridian der Insel Ferro kommen die Schiffe südwärts bis zum Wendekreis des Krebses, ehe sie sich nach der Echützung ostwärts von ihrer wahren Länge befinden. Wie nun aber die nördliche Grenze des tropischen Stroms und der Passatwinde nach den Jahreszeiten sich verschiebt, so zeigt sich auch der Golfstrom nach Stellung und Nichtung veränderlich. Diese Schwankungen sind besonders auffallend vom 28. Breitegrad bis znr großen Vank von Neufoundland, ebenso zwischen dem 48. Grad westlicher Länge von Paris und dem Meridian der Azoren. Die wechselnden Winde in der gemäßigten Zone und das Schmelzen des Eises am Nordpol, von wo in den Monaten Juli und August eine bedeutende Masse süßen Wassers nach Süden abfließt, erscheinen als die vornehmsten Ursachen, aus welchen sich in diesen hohen Breiten Stärke und Richtung des Golfstroms verändern. Wir haben gesehen, daß zwischen dem 11. «nd 43. Grad der Breite die Gewässer des atlantischen Oceans mittelst Strömungen fortwährend im Kreife umhergeführt werden. Angenommen , ein Wassertheilchen gelange zu derselben Stelle zurück, von der es ausgegangen, so läßt sich, nach dem, was wir bis jetzt von der Geschwindigkeit der Strömungen wissen, berechnen, daß es zu seinem 3800 Meilen langen Umlauf zwei Jahre 38 und zehn Monate brauchte. Ein Fahrzeug, bei dem man von der Wirkung des Windes absähe, gelangte in dreizehn Monaten von den canarischen Inseln an die Küste von Caracas. Es brauchte zehn Monate, um im Meerbusen von Mexico herum zu kommen und um zu den Untiefen der Schildkröten-inscln gegenüber vom Hafen von Havana zu gelangen, aber nur vierzig bis fünfzig Tage vom Eingänge der Meerenge von Florida bis Neufoundland. Die Geschwindigkeit der rückläufigen Strömung von jener Bank bis an die Küste von Afrika ist schwer zu schätzen; nimmt man sie im Mittel auf 7 oder 8 Meilen in vierundzwanzig Stunden an, so ergeben sich für diese letzte Strecke zehn bis eilf Monate. Solches sind die Wirkungen des langsamen, aber regelmäßigen Zuges, der die Gewässer des Oceans herumführt. Das Wasser des Amazonen-stroms braucht von Tomependa bis zum Gran-Para etwa fünf-undvierzig Tage. Kurz vor meiner Ankunft auf Teneriffa hatte das Meer auf der Rhede von Santa Cruz einen Stamm der Oeclrei«. oäoratN, noch mit der Rinde, ausgeworfen. Dieser amerikanische Baum wächst nur unter den Tropen oder in den zunächst angrenzenden Ländern. Er war ohne Zweifel an der Küste von Terra Firma oder Honduras abgerissen worden. Die Beschaffenheit des Holzes und der Flechten auf der Rinde zeigte augenscheinlich, daß der Stamm nicht etwa von einem der unterseeischen Wälder herrührte, welche durch alte Erdumwälzungen in die Flötzgebiide nördlicher Länder eingebettet worden sind. Wäre der Cedrelastamm, statt bei Teneriffa ans Land geworfen zu werden, weiter nach Süden gelangt, so wäre er 39 wahrscheinlich rings um den ganzen atlantischen Ocean geführt worden und mittelst des allgemeinen tropischen Stroms wieder in sein Heimathland gelangt. Diese Vermuthung wird durch einen ältern Fall unterstützt, dessen Abbä Viera in semer allgemeinen Geschichte der Canarien erwähnt. Im Jahr 1770 wurde ein mit Getreide beladenes Fahrzeug, das von der Insel Lancerota nach Santa Cruz auf Teneriffa gehen sollte, auf die hohe See getrieben, als sich niemand von der Mannschaft an Bord befand. Der Zug der Gewässer von Morgen nach Abend führte es nach Amerika, wo es an der Küste von Guyana bei Caracas strandete. Zu einer Zeit, wo die Schifffahrtskunst noch wenig entwickelt war, bot der Golfstrom dem Geiste eines Christoph Co-liimbus sichere Anzeichen vom Daseyn westwärts gelegener Länder. Zwei Leichname, die nach ihrer Körperlichkeit einem unbekannten Menschenstamme angehörten, wurden gegen Ende des fünfzehnten Jahrhunderts bei den azorifchen Inseln ans Land geworfen. Ungefähr um dieselbe Zeit fand Columbus' Schwager, Peter Correa, Statthalter von Porto Santo, am Strand.e dieser Insel mächtige Stücke Bambusrohr, die von der Strömung und den Westwinden angeschwemmt worden waren. Diese Leichname und diese Rohre machten den genuesischen Seemann aufmerksam; er errieth, daß beide von einem gegen West gelegenen Festland herrühren muhten. Wir wissen jetzt, daß in der heihen Zone die Passatwinde und der tropische Strom sich jeder Wellenbewegung in der Richtung der Umdrehung der Erde widersetzen. Erzeugnisse der neuen Welt können in die alte Welt nur in kohen Breiten und in der Richtung des Stroms von Florida 40 gelangen. Häufig werden Früchte verschiedener Bäume der Antillen an den Küsten der Inseln Ferro und Gomera angetrieben. Vor der Entdeckung von Amerika glaubten die Canarier, diese Früchte kommen von der bezauberten Insel St. Vorondon, die nach den Seemannsmährchm und nach gewissen Sagen westwärts in einem Striche des Oceans liegen sollte, der beständig in Nebel gehüllt sey. Mit dieser Uebersicht der Strömungen im atlantischen Meer wollte ich hauptsächlich darthun, daß der Zug der Gewässer gegen Südost, von Cap St. Vincent zu den canarischen Inseln, eine Wirkung der allgemeinen Bewegung ist, in der sich die Oberfläche des Oceans an seinem Westende befindet. Wir erwähnen daher nur kurz des Arms des Golfstroms, der unter dem 45. und 50. Grad der Breite, bei der Bank Bonnet Flamand, von Südwest nach Nordost gegen die Küsten von Europa gerichtet ist. Diese Abtheilung des Stromes wird sehr reißend, wenn der Wind lange aus West geblasen hat. Gleich dem, der an Ferro und Gomera vorüberstreicht, wirft er alle -Jahre an die Westküsten von Irland und Norwegen Früchte von Bäumen, welche dem heißen Erdstrich Amerikas eigenthümlich sind. Am Strande der Hebriden findet man Samen von Uiino««, 80ünä6U8, Ooliolios m-ens, (?uiltmdina don-au«, und verschiedener anderer Pflanzen von Jamaica, Cuba und dem benachbarten Festland. Die Strömung treibt nicht selten wohl erhaltene Füsser mit französischem Wein an, von Schiffen, die im Meer der Antillen Schiffbruch gelitten. Neben diesen Beispielen von den weiten Wanderungen der Gewächse stehen andere, welche die Einbildungskraft beschäftigen. HI Die Trümmer des englischen Schiffes Tilbury, das bei Jamaica verbrannt war, wurden an der schottischen Küste gefunden. In denselben Strichen kommen zuweilen verschiedene Arten von Schildkröten vor, welche das Meer der Antillen bewohnen. Hat der Westwind lange angehalten, so entsteht in den hohen Breiten eine Strömung, die von den Küsten von Grönland und Labrador bis nordwärts von Schottland gerade nach Ost-Süd-Ost gerichtet ist. Wie Wallace berichtet, gelangten zweimal, in den Jahren 1682 und 1684, amerikanische Wilde vom Stamme der Eskimos, die ein Sturm in ihren Canoes aus Fellen auf die hohe See verschlagen, mittelst der Strömung zu den orcadischen Inseln. Dieser letztere Fall verdient um so mehr Aufmerksamkeit, als man daraus zugleich ersieht, wie zu einer Zeit, wo die Schifsfahrt noch in ihrer Kindheit war, die Bewegung der Gewässer des Oceans ein Mittel werden konnte, um die verschiedenen Menschenstümme über die Erde zu verbreiten. Das Wenige, was wir bis jetzt über die wahre Lage und die Breite des Golfstroms, so wie über die Fortsetzung desselben gegen die Küsten von Europa und Afrika wissen, ist die Frucht der zufälligen Beobachtung einiger unterrichteter Männer, welche in verschiedenen Richtungen über das atlantische Meer gefahren sind. Da die Kenntniß der Strömungen zu Abkürzung der Seefahrten wesentlich beitragen kann, so wäre es von so großem Belang für die praktische Seemannskunst, als wissenschaftlich von Interesse, wenn Schiffe mit vorzüglichen Chronometern im Meerbusen von Mexico und im nördlichen Ocean zwischen dem 30. und 54. Grad der Breite kreuzten, ganz eigens zum Zweck, um zu ermitteln, in welchem Abstand sich der Golfstrom in 42 den verschiedenen Jahreszeiten und unter dem Einfluß der verschiedenen Winde südlich von der Mündung des Mississippi und ostwärts von den Vorgebirgen Hatteras und Codd hält. Dieselben könnten zu untersuchen haben, ob der große Strom von Florida beständig am östlichen Ende der Vank von Neufound-land hinstreicht, und unter welchem Parallel zwischen dem 32. und 40. Grad westlicher Länge die Gewässer, die von Ost nach West strömen, denen, welche die umgekehrte Richtung haben, am nächsten gerückt sind. Die Lösung der letzteren Frage ist desto wichtiger, als die meisten Fahrzeuge, welche von den Antillen oder vom Cap der guten Hoffnung, nach Europa zurückgehen, die bezeichneten Striche befahren. Neben der Richtung und Geschwindigkeit der Strömungen könnte sich eine solche Expedition mit Beobachtungen über die Meerestemperatur, über die Linien ohne Abweichung, die Inclination der Magnetnadel und die Intensität der magnetischen Kraft beschäftigen. Beobachtungen dieser Art erhalten einen hohen Werth, wenn der Punkt, wo sie angestellt worden, astronomisch bestimmt ist. Auch in den von Europäern am stärksten besuchten Meeren, weit von jeder Küste, kann ein unterrichteter Seemann der Wissenschaft wichtige Dienste leisten. Die Entdeckung einer unbewohnten Inselgruppe ist von geringerem Interesse, als die Kenntniß der Gesetze, welche um eine Menge vereinzelter Thatsachen das einigende Band schlingen. Denkt man den Ursachen der Strömungen nach, so erkennt man, daß sie viel häusiger vorkommen müssen, als man gemeiniglich glaubt. Die Gewässer des Meeres können durch gar mancherlei in Bewegung gesetzt werden, durch einen äußern 43 Anstoß, durch Verschiedenheiten in Temperawr und Salzgehalt, durch das zeitweise Schmelzen des Polareises, endlich durch das ungleiche Maaß der Verdunstung unter verschiedenen Breiten. Bald wirken mehrere dieser Ursachen zum selben Effekt zusammen, bald bringen sie entgegengesetzte Effekte hervor. Schwache, aber beständig in einem ganzen Erdgürtel wehende Winde, wie die Passatwinde, bedingen eine Bewegung vorwärts, wie wir sie selbst bei den stärksten Stürmen nicht beobachten, weil diese auf ein kleines Gebiet beschränkt sind. Wenn in einer großen Wassermasse die Wassertheilchen an der Oberfläche specifisch verschieden schwer werden, so bildet sich an der Fläche ein Strom dem Punkte zu, wo das Wasser am kältesten ist, oder an« meisten salzsaures Natron, schwefelsauren Kalk und schwefelsaure oder salzsaure Bittererde enthält. In den Meeren unter den Wendekreisen zeigt d^r Thermometer in großen Tiefen nicht mehr als 7—8 Grad der hunderttheiligcn Scale. Dieß ergibt sich aus zahlreichen Beobachtungen des Commodore Ellis und Perons. Da in diesen Strichen die Lufttemperatur nie unter 19 — 30 Grad sinkt, so kann das Wasser einen dem Gefrierpunkt und dem Maximum der Dichtigkeit des Wassers so nahe gerückten Kältegrad nicht an der Oberfläche angenommen haben. Die Existenz solcher kalten Wasserschichten in niedern Breiten weist somit auf einen Strom hin, der in der Tiefe von den Polen zum Aequator geht: sie weist ferner darauf hin, daß die Salze, welche das specifische Gewicht des Wassers verändern, im Ocean so vertheilt sind, daß sie die von der Verschiedenheit im Wärmegrad abhängigen Wirkungen nicht aufheben. Bedenkt man, daß in Folge der Umdrehung der Erde die 44 Wassertheilchen je nach der Breite eine verschiedene Geschwindigkeit haben, so sollte man voraussetzen, das; jede von End nach Nord gehende Strömung zugleich nach Ost, die Gewässer dagegen, die vom Pol zum Aequator strömen, nach West ablenken müßten. Man sollte ferner glauben, das; diese Neigung den tropischen Strom bis zu einem gewissen Grad einerseits ver-langsamen, andererseits dem Polarstrom, der sich im Juli und August, wenn das Eis schmilzt, unter der Breite der Bank von Neufoundland und weiter nordwärts regelmäßig einstellt, eine andere Richtung geben müßte. Sehr alte nautische Beobachtungen, die ich zu bestätigen Gelegenheit hatte, indem ich die vom Chronometer angegebene Länge mit der Schätzung des Schiffers verglich, widersprechen diesen theoretischen Annahmen. In beiden Hemisphären weichen die Polarströme, wenn sie merkbar sind, ein wenig nach Ost ab' und nach unserer Ansicht ist der Grund dieser Erscheinung in der Beständigkeit der in hohen Breiten herrschenden Westwinde zu suchen. Ueberdieß bewegen sich die Wassertheilchen nicht mit derselben Geschwindigkeit wie die Lufttheilchen, und die stärksten Meeresströmungen, die wir kennen, legen nur 8 — 9 Fuß in der Secunde zurück: es ist demnach höchst wahrscheinlich, daß das Wasser, indem es durch verschiedene Breiten geht, die denselben entsprechende Geschwindigkeit annimmt, und daß die Umdrehnng der Erde ohne Einfluß auf die Richtung der Strömungen bleibt. Der verschiedene Druck, dem die Meeresfläche in Folge der wechselnden Schwere der Luft unterliegt, erscheint als eine weitere Ursache der Bewegung, die besonders ins Auge zu fassen ist. Es ist bekannt, daß die Schwankungen des Barometers im 45 Allgemeinen nicht gleichzeitig an zwei auseinanderliegenden, im selben Niveau befindlichen P'.mktcn eintreten. Wenn am einen dieser Punkte der Barometer einige Linien tiefer steht als am andern, so wird sich dort das Wasser in Folge des geringeren Luftdrucks erheben, und diese örtliche Anschwellung wird andauern , bis durch den Wind das Gleichgewicht der Luft wiederhergestellt ist. Nach Vauchers Ansicht rührer, die Schwankungen im Spiegel des Genfer Sees, die sogenannten „Seiches," eben davon her. In der heißen Zone können die stündlichen Schwankungen des Barometers kleine Schwingungen an der Meeresfläche hervorbringen, da der Meridian von 4 Uhr, der dem Minimum dcs Luftdrucks entspricht, zwischen den Meridianen von 21 und 11 Uhr liegt, wo das Quecksilber am höchsten steht', aber diese Schwingungen, wenn sie überhaupt merkbar sind, können keine Bewegung in horizontaler Richtung zur Folge haben. Ueberall wo eine solche durch die Ungleichheit im specifischen Gewicht der Wasserthcile entsteht, bildet sich ein doppelter Strom, ein oberer und ein unterer, die entgegengesetzte Richtungen haben. Daher ist in den meisten Meerengen wie in den tropischen Meeren, welche die kalten Gewässer der Polarregionen aufnehmen, die ganze Wassermasse bis zu bedeutender Tiefe in Bewegung. Wir wissen nicht, ob es sich eben so verhält, wenn die Vorwärtsbewegung, die man nicht mit dem Wellenschlag verwechseln darf, Folge eines äußern Anstoßes ist. De Fleurieu führt in seinem Bericht über die Expedition der Isis mehrere Thatsachen an, die darauf hinweisen, daß das Meer in der Tiefe weit weniger ruhig ist, als die Physiker 46 gewöhnlich annehmen. Ohne hier auf eine Untersuchung einzugehen, mit der wir uns in der Folge zu beschäftigen haben werden, bemerken wir nur, daß, wenn der äußere Anstoß ein andauernder ist, wie bei den Passatwinden, durch die gegen-seitige Reibung der Wassertheilchcn die Bewegung nothwendig von der Meeresfläche sich auf die tieferen Wasserschichten fortpflanzen muß. Eine solche Fortpflanzung nehmen auch die Seefahrer beim Golfstrom schon lange an; auf die Wirkungen derselben scheint ihnen die große Tiefe hinzudeuten, welche das Meer aller Orten zeigt, wo der Strom von Florida durchgeht, sogar mitten in den Sandbänken an den Nordküsten der Vereinigten Staaten. Dieser ungeheure Strom warmen Wassers hat, nachdem er in fünfzig Tagen vom 24. bis 45. Grad der Breite 450 Meilen zurückgelegt, trotz der bedeutenden Winter-kalte in der gemäßigten Zone, kaum 3 — 4 Grad von seiner ursprünglichen Temperatur unter den Tropen verloren. Die Größe der Masse und der Umstand, daß das Wasser ein schlechter Wärmeleiter ist, machen, daß die Abkühlung nicht rascher erfolgt. Wenn sich somit der Golfstrom auf dem Boden des atlantischen Oceans ein Bett gegraben hat, und wenn seine Gewässer bis in beträchtliche Tiefen in Bewegung sind, so müssen sie auch in ihren untern Schichten eine höhere Temperatur behalten, als unter derselben Breite Meeresstnche ohne Strömungen und Untiefen zeigen. Diese Fragen sind nur durch unmittelbare Beobachtungen mittelst des Senkbleis mit Thermometer zu lösen. Sir Erasmus Gower bemerkt, auf der Ueberfahrt oon England nach drn canarischen Inseln gerathe man in die Strömung und dieselbe treibe vom 39. Vreitegrade an die Schisse 47 nach Südost. Auf unserer Fahrt von Corunna nach Südamerika machte sich der Einfluß dieses Zugs der Wasser noch weiter nördlich merkbar. Vom 37. zum 30. Grad war die Abweichung sehr ungleich; sie betrug täglich im Mittel zwölf Meilen, das heißt unsere Corvette wurde in sechs Tagen um 7I Seemeilen gegen Ost abgetrieben. Als wir auf 140 Meilen (Lieues) Entfernung den Parallel der Meerenge von Gibraltar schnitten, hatten wir Gelegenheit zur Beobachtung, daß in diesen Strichen das Maximum der Geschwindigkeit nicht der Oeffnung der Meerenge selbst entspricht, sondern einem nördlicher gelegenen Punkte in der Verlängerung einer Linie, die man durch die Meerenge und Cap Vincent zieht. Diese Linie läuft von der Gruppe der azorischen Inseln bis zum Cap Cantin parallel mit der Richtung der Gewässer. Es ist ferner zu bemerken, und der Umstand ist für die Physiker, die sich mit der Bewegung der Flüssigkeiten beschäftigen, nicht ohne Interesse, daß in diesem Stück des rücklausigen Stromes, in einer Vreite von 120 bis 140 Meilen, nicht die ganze Wassermasse dieselbe Geschwindigkeit, noch dieselbe Richtung hat. Bei ganz ruhiger See zeigen sich an der Oberfläche schmale Streifen, kleinen Bächen gleich, in denen das Wasser mit einem für das Ohr des ge--übten Schiffers wohl hörbaren Geräusch hinströmt. Am 13. Juni, unter 34° 36' nördlicher Breite, befanden wir uns mitten unter einer Menge solcher Strombetten. Wir konnten die Richtung derselben mit dem Compaß aufnehmen: die einen liefen nach Nordost, andere nach Ost-Nord-Ost, trotz dem, daß der allgemeine Zug der See, wie die Vergleichung der Schätzung mit der chronometch'chen Länge angab, fortwährend nach Südost 48 ging. Sehr häusig sieht man cine stehende Wassermasse von Wasserfäden durchzogen, die nach verschiedenen Richtungen strömen : solches kann man täglich an der Oberfläche unserer Landseen beobachten, aber seltener bemerkt man solch partielle Bewegungen kleiner Wassertheile in Folge localer Ursachen mitten in einem Meeresstrome, der sich über ungeheure Räume erstreckt und sich innncr in derselben Richtung, wenn auch nicht mit bedeutender Geschwindigkeit fortbewegt. Die sich kreuzenden Strömungen beschäftigen unsere Einbildungskraft, wie der Wellenschlag, weil diese Bewegungen, die den Ocean in beständiger Unruhe erhalten, sich zu durchdringen scheinen. Wir fuhren am Cap Vincent, das aus Basalt besteht, auf mehr als 80 Meilen Entfernung vorüber. Auf 15 Meilen erkennt man es nicht mehr deutlich, aber die Foya von Mon-chiaue, ein Granitberg in der Nähe des Caps, soil, wie die Steuerleute behaupten, auf 26 Meilen in See sichtbar seyn. Verhält es sich wirklich so, so ist die Foya 700 Toisen (1363 Meter) hoch, also 116 Toisen (225 Meter) höher als der Vesuv. Es ist auffallend, daß die portugiesische Regierung kein Feuer auf einem Punkte unterhält, nach dem sich alle vom Cap der guten Hoffnung und vom Cap Horn kommenden Schiffe richten müssen; nach keinem andern Punkt wird mit so viel Ungeduld ausgeschaut, bis er in Sicht kommt. Tie Feuer auf dem Tlumn des Hercules und am Cap Spichel sind so schwach und so wenig weit sichtbar, daß mau sie gar nicht rechnen kann. Dazu wäre das Capuzinerkloster, das auf Cap Vincent steht, ganz der geeignete Platz zu einem Leuchtthurm mit sich drehendem Feuer, wie zu Cadix und an der Garonnemünduug. 49 Seit unserer Abfahrt von Corunna und bis zum 36. Breitegrad hatten wir außer Meerschwalben und einigen Delphinen fast kein lebendes Wesen gesehen. Umsonst sahen wir uns nach Tangen und Weichthieren um. Am 11. Juni aber hatten wir ein Schauspiel, das uns höcklich überraschte, das wir aber später in der Südsee häufig genossen. Wir gelangten in einen Strich, wo das Meer mit einer ungeheuern Menge Medusen bedeckt war. Das Schiff stand beinahe still, aber die Weichthiere zogen gegen Südost, viermal rascher al^ die Strömung. Ihr Vorüberzug währte beinahe dreiviertel Stunden, und dann sahen wir nur noch einzelne Individuen dem großen Haufen, wie wandcrmüde, nachziehen. Kommen diese Thiere vom Grund des Meeres, das in diesen Strichen wohl mehrere tausend Toisen tief ist? oder machen sie in Schwärmen weite Züge? Wie man weih, lieben die Weichthiere die Untiefen, und wenn die acht Klippen unmittelbar unter dem Wasserspiegel, welche Capitän Vubonne im Jahr 1732 nordwärts von der Insel Porto Santo gesehen haben will, wirklich vorhanden sind, so läßt sich annehmen, daß diese ungeheure Masse von Medusen dorther kam, denn wir befanden uns nur 28 Meilen von jenen Klippen. Wir erkannten neben der Ne6usa äimta von Baster und der N. p6w«i5 ' Diese Kamrelr, dir zum Feldba» diene» und deren Fleisch man im Lande zuweilen eingesalzeil ißt lebten liier ixcht vor der Erode-rung der Insel» durch die Vvlhrücl'urt«. Im sechzehnte» Jahrhundert hatten sich die «Zsrl auf Forlaveulnrc, dergestalt vermehrt, das! in verwildert waren und man Jagd auf sle mache» mußte. Man schoß 'brer mebrerr tausend, damit die ssrnte» üicht zu Grunde giiiqeu, Dir Pferde auf Fortavrntiira smd vr>» berberischer Race mid aui>-aezeiÄmrt schß«. 56 war, als ob das Leuchten des Meeres die in der Luft verbreitete Lichtmasse vermehrte. Zum erstenmal konnte ich an einem zweizülligen Sextanten von Troughton mit sehr feiner Theilung den Nonius ablesen, ohne mit einer Kerze an den Rand zu leuchten. Mehrere unserer Reisegefährten waren Canarier; gleich allcu Einwohnern der Inseln priesen sie enthusiastisch die Schönheit ihres Landes. Nach Mit!ernacht zogen hinter dem Vulkan schwere Wolken auf und bedeckten hin und wieder den Mond und das schöne Sternbild des Scorpion. Wir sahen am Ufer Feuer hin und her tragen. Es waren wahrscheinlich Fischer, die sich zur Fahrt rüsteten. Wir hatlen auf der Neise fortwährend in den alten spanischen Reisebeschreibungen gelesen, und diese sich hin und her bewegenden Lichter erinnerten uns an die, welche Pedro Gutticrez, ein Page der Königin Isabella, in der denkwürdigen Nacht, da die neue Welt entdeckt wurde, auf der Insel Guanahani sah. Am 17. Morgens war der Horizont nebligt und der Himmel leicht umzogen. Desto schärfer traten die Berge von Lan-cerota in ihren Umrissen hervor. Die Feuchtigkeit erhöht die Durchsichtigkeit der Luft und rückt zugleich scheinbar die Gegenstände näher. Diese Erscheinung ist jedem bekannt, der Gelegenheit gehabt hat, an Orten, wo man die Kette der Hochalpen oder der Anden sieht, hygrometrische Beobachtungen anzustellen. Wir liefen, mit dem Senkblei in der Hand, durch den Canal zwischen den Inseln Alegranza und Montana Clara. Wir untersuchten den Archipel kleiner Eilande nördlich von Lancerota, die sowohl auf der sonst sehr genauen Karte von de Fleurieu, als auf der Karte, die zur Reise der Fregatte Flora gehört, so 57 schlecht gezeichnet sind. Die auf Befehl des Herrn de Castries i. I. 1786 veröffentlichte Karte des atlantischen Oceans hat dieselben irrigen Angaben. Da die Strömungen in diesen Strichen ausnehmend rasch sind, so mag die für die Sicherheit der Schifffahrt nicht unwichtige Bemerkung hier stehen, daß die Lage der fünf kleinen Inseln Alegranza, Clara, Graeiosa, Roca del Este und Insierno nur auf der Karte der canarischen Inseln von Vorda und im Atlas von Tosino genau angegeben ist, welcher letztere sich dabei an die Beobachtungen von Don Jose Varela hielt, die mit denen der Fregatte Voussole ziemlich übereinstimmen. Inmitten dieses Archipels, den Schiffe, die nach Teneriffa gehen, selten befahren, machte die Gestaltung der Küsten den eigenthümlichsten Eindruck auf uns. Wir glaubten uns in die euganaischcn Verge im Viccntinischen oder an die Ufer des Rheins bei Bonn versetzt (Siebengebirge). Die Gestaltung der organischen Wesen wechselt nach den Klimaten, und diese erstaunliche Mannigfaltigkeit gibt den: Studium der Vcrtheilung der Pflanzen und Thiere seinen Hauptreiz: aber die Gebirgs-arten, die vielleicht früher gebildet worden, als die Ursachen, von welchen die Abstufung der Klimate abhängt, in Wirksamkeit ssetreten, sind in beiden Hemisphären die nämlichen. Die Porphyre, welche glasigen Feldspat!) oder Hornblende einschließen, die Monolithe (Werners Porphyrschiefcr), Grünsteine, Mandel-stcine und Vasalte zeigen fast so constante Formen wie die einfachen krystallinischen Körper. Auf den Canarien wie in der Auvergne, im böhmischen Mittelgebirge wie in Mexico und an den Ufern des Ganges erkennt man die Trappformation am 58 symmetrischen Bau der Berge, an den gestutzten, bald einzeln stehenden, bald zu Gruppen vereinigten Kegeln, an den Plateaux, die an beiden Enden mit einer runden niedrigen Kuppe gekrönt sind. Der ganze westliche Theil von Lancervta, den wir in der Nähe sahen, hat ganz das Ansehen eines in neuester Zeit von vulkanischem Feuer verwüsteten Landes: Alles ist schwarz, dürr, von Dammerde entblößt. Wir erkannten niit dcm Fernrohr Vasalt in ziemlich dünnen, stark fallenden Schichten. Mehrere Hügel gleichen dem Monte nuovo bei Neapel, oder den Schlacken-und Aschenhügcln, welche am Fuß des Vulkans Iorullo in Mexico in Einer Nacht aus dem berstenden Boden emporgestiegen sind. Nach Abbs Viera wurde auch im Jahr 1730 mehr als die Hälfte der Insel völlig umgewandelt. Der „große Vulkan," dessen wir oben erwähnt, und der bei den Eingeborenen der Vulkan von Temanfaya heißt, verheerte das fruchtbarste und bestangebaute Gebiet; neun Dörfer wurden durch die Lavaströme völlig zerstört. Ein heftiges Erdbeben war der Katastrophe vorangegangen, und gleich starke Stöße wurden noch mehrere Jahre nachher gespürt. Letztere Erscheinung ist um so auffaNender, je seltener sie nach einem Ausbruch ist, wenn einmal nach dem Ausfluß der geschmolzenen Stoffe die elastischen Dämpfe durch den Krater haben entweichen können. Der Gipfel des großen Vulkans ist ein runder, nicht genau kegelförmiger Hügel. Nach den Höhenwinkeln, die ich in verschiedenen Abständen genommen, scheint seine absolute Höhe nicht viel über 300 Toisen zu betragen. Die benachbarten kleinen Berge und die der Inseln Alegranza und Clara sind kaum 100 bis 120 59 Toisen hoch. Man wundert sich, daß Gipfel, die sich auf hoher See fo imposant darstellen, nicht höher seyn sollen. Aber nichts ist so unsicher als unser Urtheil über die Größe der Winkel, unter denen uns Gegenstände ganz nahe am Horizont erscheinen. Einer Täuschung der Art ist es zuzuschreiben, wenn vor den Messungen de Churrucas und Galeanos am Cap Pilar die Berge an der Magellanschen Meerenge und des Feuerlandes bei den Seefahrern für ungemein hoch galten. Die Insel Lancerota hieß früher Titeroigotra. Bei der Ankunft der Spanier zeichneten sich die Bewohner vor, den andern Canariern durch Merkmale höherer Cultur aus. Sie hatten Häuser aus behauenen Steinen, während die Guanchen auf Teneriffa, als wahre Troglodyten, in Höhlen wohnten. Auf Lancerota herrschte zu jener Zeit ein seltsamer Gebrauch, der nur noch bei den Tibetanern vorkommt. ' Eine Frau hat mehrere Männer, welche in der Ausübung der Rechte des Familienhauptes wechselten. Der eine Ehemann ward als solcher nur während eines Mondumlaufs anerkannt, sofort übernahm ein anderer das Amt und jener trat in das Hausgesinde zurück. Es ist zu bedauern, daß wir von den Geistlichen im Gefolge Johanns von Vöthencourt, welche die Geschichte der Eroberung der Canarien geschrieben haben, nicht mehr von den Sitten eines Volkes erfahren, bei dem so sonderbare Vräuchc herrschten. Im fünfzehnten Jahrhundert bestanden auf der Insel Lancerota zwei kleine von einander unabhängige Staaten, die durch eine Mauer geschieden waren, dergleichen man auch in Schottland, ' III Tibrt ist übvigfiie dio Vielmmmerci m'cht so häufig cils man glaubt. u,ld von dev Pricstrvschaft mißbilligt. 60 in Peru und in China findet, Denkmäler, die den Nationalhaß überleben. Wegen des Windes mußten wir zwischen den Inseln Ale-granza und Montana Clara durchfahren. Da Niemand am Nord der Corvette je in diesem Canal gewesen war, so mußte das Senkblei ausgeworfen werden. Wir fanden Grund bei 25 und 32 Faden. Mit dem Senkblei wurde eine organische Substanz von so sonderbarem Vau aufgezogen, daß wir lange nicht wußten, ob wir sie für einen Zooplwtcn oder für eine Tangart halten sollten. Auf einem bräunlichen, drei Zoll langen Stiel sitzen runde lappige Vlätter mit gezahntem Rand. Sie sind hellgrün, lcdcrartig und gestreift wie die Blätter der Adianten und des l^ink^o tülnda. Ihre Fläche ist mit steifen, weißlichen Haaren bedeckt; vor der Entwicklung sind sie concav und in einander geschachtelt. Wir tonnten keine Spur von willkürlicher Bewegung, von Irritabilität daran bemerken, auch nicht als wir es mit dem Galvanismus versuchten. Der Stiel ist nicht holzig, sondern besteht aus einem hornartigen Stoff, gleich der Achfe der Gorgonen. Da Stickstoff und Phosphor in Menge in verschiedenen kryptogamischen Gewächsen nachgewiesen sind, so wäre nichts dabei herausgekommen, wenn wir auf chemischem Wege hätten ermitteln wollen, ob dieser organische Körper dem Pflanzen- oder dem Thierreich angehöre. Da er einigen Seepflanzen mit Adiantenblättern sehr nahe kommt, so stellten wir ihn vorläufig zu den Tangen uud nauntcn ihn ?uou8 vm-tdlius. Die Haare, mit denen das Gewächs bedeckt ist, kommen bei vielen andern Tangen vor. Allerdings zeigte das Blatt, als es frisch aus der See unter dein Mikroskop untersucht wurde, 61 nicht die drüsigten Körper in Häufchen oder die dunkeln Punkte, welche bei den Gattungen Uiv» und I^ucu« die Fructificationen enthalten: aber wie oft findet man Tange, die vermöge ihrer Entwicklungsstufe in ihrem durchsichtigen Parenchym noch keine Spur von Körnem zeigen. Ich hätte diese Einzelnheiten, die in die beschreibende Naturgeschichte gehören, hier übergangen, wenn sich nicht am Fucus mit weinblattähnlichen Blättern eine physiologische Erscheinung von allgemeinerem Interesse beobachten ließe. Unser Seetang hatte, an Madrevoren befestigt, 192 Fuß tief am Meeresboden vegelirt, und doch waren seine Blatter so grün wie unsere Gräser. Nach de Vouguers Versuchen ' wird das Licht, das durch 180 Fuß Wasser hindurchgeht, im Verhältniß von 1 zu 1477,8 geschwächt. Der Tang von Alegranza ist also ein neuer Beweis für den Satz, daß Gewächse im Dunkeln vegetiren können, ohne farblos zu werden. Die noch in den Zwiebeln eingeschlossenen Keime mancher Liliengewächse, der Embryo der Maluen, der Nyamnoidcn, der Pistazie, der Mistel und des Citronenbaums, die Zweige mancher unterirdischen Pflanzen, endlich die Gewächse, die man in Erzgruben bringt, wo die umgebende Luft Wasserstoff oder viel Stickstoff enthält, sind grün ohne Lichtgenuß. Ticsc Thatsachen berechtigen zu der ' In 3? Fade« Tiefe kann der Fncus »ur "on einem Lichte beleuchtet gewesen seyn, das ^N3mal stärker ist als das Mondlicht, also gleich der Hälfte des Licht«, das eine Talgkerze auf l Fup Entfernung verbreitet. Nach meinen direkte» Versuchen wird aber das I.«-!>i Jahr 1720 war die Insel auf 7—8 MrilVn sichtbar. In densslben Strichen ist im Jahr 18ll wirder eine Insel erschienen. Humboldt. Htist, I. 5 66 vom Ursprung der Basalttuppe Insierno wird durch ein Creignih bestätigt, das um die Mitte des vorigen Jahrhunderts in derselben Gegend beobachtet wurde. Beim Ausbruch des Vulkans Temanfaya erhoben sich vom Meeresboden zwei pyramidale Hügel von steimgter Lava, und verschmolzen nach und nach mit der Insel Lancerota. Da der schwache Wind und die Strömung uns aus dem Canal von Alegranza nicht herauskommen liehen, beschloß man während der Nacht zwischen der Iusel Clara und der tioon, ä?! 0ß3t,6 zu kreuzen. Dieß hätte beinahe sehr schlimme Folgen für uns gehabt. Es ist gefährlich, sich bei Windstille in der Nähe dieses Niffs aufzuhalten, gegen das die Strömung ausnehmend stark hinzieht. Um Mitternacht singen wir an die Wirkung der Strömung gewahr zu werden. Die nahe vor uns senkrecht aus dem Wasser aufsteigenden Felsmassen benahmen uns den wenigen Wind, der wehte: die Corvette gehorchte dem Steuer fast nicht mehr und jeden Augenblick fürchtete man zu stranden. Es ist schwer begreiflich, wie eine einzelne Basaltkuppe mitten im weiten Weltmeer das Wasser in solche Aufregung versetze» kann. Diese Erscheinungen, welche die volle Aufmerksamkeit der Physiker verdienen, sind übrigens den Seefahrern wohl bekannt; sie treten in der Südsee, namentlich im kleinen Archipel der Galopagos-Inseln, in furchtbarem Maßstab auf. Der Temperaturunterschied zwischen der Flüssigkeit und der Felsmasse vermag den Zug der Strömung zu ihnen hin nicht zu erklären, und wie sollte man es glaublich finden, daß sich das Wasser am Füße der Klippen in die Tiefe stürzt, und daß bei diesem fortwährenden Zug nach unten 67 die Wassertheilchen den entstehenden leeren Raun, auszufüllen suchen.' Am 18. Morgens wurde der Wind etwas frischer, und so gelang es uns, aus dem Canal zu kommen. Wir kamen dem Infierno noch einmal sehr nahe, und jetzt bemerkten wir im Gestein große Spalten, durch welche wahrscheinlich die Gase entwichen, als die Basaltkuftpe emporgehoben wurde. Wir verloren die kleinen Inseln Alegranza, Montana Clara und Graciosa aus dem Gesicht. Sie scheinen nie von Guanchen bewohnt gewesen zu seyn und man besucht sie jetzt nur, um Orseille dort zu sammeln; diese Pflanze ist übrigens weniger gesucht, seit so viele andere Flechtenarten aus dem nördlichen Europa kostbare Farbstoffe liefern. Montana Clara ist berühmt wegen der schönen Canarienvügel, die dort vorkommen. Der Gesang dieser Vögel wechselt nach Schwärmen, wie ja auch bei uns der Gesang der Finken in zwei benachbarten Landstrichen häufig ein anderer ist. Auf Montana Clara gibt es auch Ziegen, zum Beweis, daß das Eiland im Innern nicht so öde ist als die Küste, die wir gesehen. Der Name Alegranza kommt her von „La Ioyeuse." wie die ersten Eroberer der Canarien, zwei normannische Barone, Jean de Bäthencourt und Gadifer de Salle, die Infel benannten. Es war der erste ' Mit Verwunderung liest man in einrm sonst ganz nützlichen, unter den Seeleuten sehr verbreiteten Vuche, in der neunten Ausgabe des prlil-licul I^'uvi^lnr von Hamilton Moore, ,). 200, in Folge der Masseiiattraetion oder der allgemeinen Schwere lomme ein Fahrzeug schwer von der Küste weg und werde die Schaluppe einer Fregatte von dieser selbst angezogen. H 68 Punkt, wo sie gelandet. Nach einem Aufenthalt von einigen Tagen auf der Insel Graciosa, von der wir ein kleines Stück gesehen, beschloßen sie sich der benachbarten Insel Lancerota zu bemächtigen, und wurden von Guadarfia, dem Häuptling der Guanchen, so gastfreundlich empfangen, wie Cortes im Palast Montezumas. Der Hirtentönig, der keine andern Schätze hatte als seine Ziegen, wurde so schmählich verrathen, wie der mcri-canische Sultan. Wir fuhren an den Küsten von Lancerota, Lobos und Fortaventura hin. Die zweite scheint früher mit den andern zusammengehangen zu haben. Diese geologische Hypothese wurde schon im siebzehnten Jahrhundert von einem Franziskaner, Juan Galindo, aufgestellt. Er war fogar der Ansicht, Konig Iuba habe nur sechs canarifche Inseln genannt, weil zu seiner Zeit drei derselben nur Eine gebildet. Ohne auf diese unwahrscheinliche Hypothese einzugehen, haben gelehrte Geographen den Archipel der Canarien für die beiden Inseln Iunonia, die Inseln Nivaria, Ombrios, Canaria und Capraria der Alten erklärt. Da der Horizont dunstig war, konnten wir auf der ganzcn Ueberfahrt von Lancerota nach Teneriffa des Gipfels des Plc de Teyde nicht ansichtig werden. Ist der Vulkan wirtlich 1905 Toisen hoch, wie Vordas letzte trigonometrische Messung angibt, so muß sein Gipfel auf 43 Seemeilen zu sehen seyn, das Auge am Meeresspiegel angenommen und die Refraction gleich 0,079 der Entfernung. Man hat in Zweifel gezogen, ob der Pic im Canal zwischen Lancerota und Fortaventura, der nach Varelas Karte 2" 29' oder gegen 50 Meilen (Limes) 69 davon entfernt ist, je geseben worden sey. Der Punkt scheint indessen durch einige Officiere der königlich spanischen Marine entschieden worden zu seyn; ich habe an Bord der Corvette Pizzaro ein Schissstagebuch in Händen gehabt, in dem stand, der Pic von Teneriffa sey in 135 Seemeilen Entfernung beim südlichen Vorgebirg von Lancerota, genannt Pichiguera, gesehen worden, und zwar erschien der Gipfel unter einem so großen Winkel, daß der Beobachter. Don Manuel Vazuti, glaubt, der Vulkan Hütte noch 9 Meilen weiter weg gesehen werden können. Das war im September, gegen Abend, bei sehr feuchtem Wetter. Rechnet man 15 Fuß als Erhöhung des Auges über der See, so finde ich, daß man, um die Erscheinung zu erklären, eine Refraction gleich 0,158 des Bogens anzunehmen hat, was für die gemäßigte Zone nicht außerordentlich viel ist. Nach den Beobachtungen des Generals Roy schwanken in England die Nesractionen zwischen '/,„ und '/,, und wenn es wahr ist, daß sie an der Küste von Afrika diese äußersten Grenzen erreichen, woran ich sehr zweifle, so könnte unter gewissen Umstünden der Pic vom Verdeck eines Schiffes auf 61 Seemeilen gesehen werden. Seeleute, die hüusig diefe Striche befahren und über die Ursachen der Naturerscheinungen nachdenken, wundern sich, das; der Pic de Teyde und der der Azoren' zuweilen in sehr großer ' Die H5be dieses Pirs beträgt nach de Fleun'ru <<0N Toisen, nach Ferrer <^38. nach Tofiilo 126N. aber diese Maaße sind nur annähernde Schätzungen. Der Vapitän de« Pi^rro. Don Manuel ^agigal, hat mir aus seinem Tagebuch bewiesen, baß er den Pic der Azoren auf 37 Meilen Entfernung gesehen hat. zu einer Zeit, wo 70 Entfernung zum Vorschein kommen, ein andermal in weit größerer Nähe nicht sichtbar sind, obgleich der Himmel klar erscheint und der Horizont nicht dunstig ist. Diese Umstände verdienen die Aufmerksamkeit des Physikers um so mehr, als viele Fahrzeuge auf der Rückreise nach Europa mit Ungeduld des Erscheinens dieser Berge harren, um ihre Länge darnach zu berichtigen, und sie sich weiter davon entfernt glauben, als sie in Wahrheit sind, wenn sie sie bei hellem Wetter in Entfernungen, wo die Sehwinkel schon sehr bedeutend sevn müßten, nicht sehen können. Der Zustand der Atmosphäre hat den bedeutendsten Einfluß auf die Sichtbarkeit ferner Gegenstande. Im Allgemeinen läßt sich annehmen, daß der Pic von Teneriffa im Juli und August, bei sehr warmem, trockenem Wetter, ziemlich selten sehr weit gesehen wird, daß er dagegen im Januar und Februar, bei leicht bedecktem Himmel und unmittelbar nach oder einige Stunden vor einem starken Regen in außerordentlich großer Entfernung zu Gesicht kommt. Die Durchsichtigkeit der Luft scheint, wie schon oben bemerkt, in erstaunlichem Maaße erhöht zu werden, wenn eine gewisse Menge Wasser gleichförmig in derselben verbreitet ist. Zudem darf man sich nicht wundern, wenn man den Pic de Tcyde seltener er seiner Länge wenigsten« bis a»f zwei Minulen gewiß war. Der Vulkan wurde in Süd 4" Ost gesehen, so daß der Irrthmn in der Länge auf die Schätzung der Entfernung uur ganz unbedeutende» (Einfluß haben lonnte. Indessen war der Winkel, unter dem der Pic der Azoren erschien, so groß. daß Vagigal der Meinung ist, der Vnltan müsse auf mehr als 4« oder 42 Licue« ,u sehen sey». Der Abstand von 3? Lieues setzt eine Höhe von N3i Toisen voraus. 71 sehr weit siebt als die Gipfel der Anden, die ich so lange Zeit habe beobachten können. Der Pic ist nicht so hoch als der Theil des Atlas, an dessen Abhang die Stadt Marocco liegt, und nicht wie dieser mit ewigem Schnee bedeckt. Der Pit on oder Zuck er Hut, der die oberste Spitze des Pics bildet, wirft allerdings vieles Licht zurück, weil der aus dem Krater ausgeworfene Bimsstein von weißlicher Farbe ist; aber dieser kleine abgestutzte Kegel mißt nur ein Zwanzigtheil der ganzen Höhe. Die Wände des Vulkans sind entweder mit schwarzen, verschlackten Lavablöcken oder mit einem kräftigen Pflanzenwuchs bedeckt, dessen Masse um so weniger Licht zurückwirft, als die Vaumblätter von einander durch Schatten getrennt sind, die einen größeren Umfang haben als die beleuchteten Theile. Daraus geht hervor, daß der Pic von Teneriffa, abgesehen vom Piton, zu den Bergen gehört, die man, wie Vouguer sich ausdrückt, auf weite Entfernung nur negativ sieht, weil sie das Licht auffangen, das von der äußersten Grenze des Luftkreiscs zu uns gelangt, und wir ihr Daseyn nur gewahr werden, weil das Licht in der sie umgebenden Lust und das, welches die Luftthcilchen zwischen dem Berge und dem Auge des Beobachters fortpflanzen, von verschiedener Intensität sind.' Entfernt man sich von der Insel Teneriffa, so bleibt der Piton "der Zuckerhut ziemlich lang positiv sichtbar, weil er weißes Licht reflcclirt und sich vom Himmel hell abhebt; da aber dieser ' Ans den Versuchen desselben Beobachters geht hervor, dah, wenn dieser Unterschied für unserc Organe merkbar werde» nnd der Verg sich deutlich vv,n Himmel abheben soll, das eine Licht wenigstens U>" ein Eechzigthei! stärfer scm, m,lß als das andere. 72 Kegel nur 80 Toisen hoch und an der Spitze 40 Toisen breit ist, so bat man neuerdings die Frage aufgeworfen, ob er bei so unbedeutender Masse auf weiter als 40 Meilen sichtbar seyn kann, und ob es nicht wahrscheinlicher ist, daß man in See den Pic erst dann als ein Wölkchen über den, Horizont gewahr wird, wenn bereits die Basis des Piton heraufzurücken beginnt. Nimmt man die mittlere Breite des Zuckerhuts zu 100 Toisen an, fo findet man, daß der kleine Kegel in 40 Meilen Entfernung in Honzontaler Richtung noch unter einem Winkel von mehr als 3 Minuten erscheint. Dieser Winkel ist groß genug, um einen Gegenstand sichtbar zu machen, und wenn der Liton beträchtlich höher wäre, als an der Basis breit, so dürfte der Winkel in horizontaler Nicktung noch kleiner seyn, und der Gegenstand mackte doch noch einen Eindruck aus unsere Organe: aus mitrometrischen Beobachtungen geht hervor, daß eine Minute nur dann die Grenze der Sichtbarkeit ist, wenn die Gegenstände nach allen Richtungen von gleichem Durchmesser sind. Man erkennt in einer weiten Ebene einzelne Baumstämme mit bloßem Auge, obgleich der Sehwintel nickt 25 Secunden beträgt. Da die Sichtbarkeit eines Gegenstandes, der sich dunkelfarbig abhebt, von der Lichtmenge abhängt, die auf zwei Linien zum Auge gelangt, deren eine am Berg endet, während die .andere bis zur Grenze des Luftmecrs fortläuft, so folgt daraus, daß, je weiter man vom Gegenstand wegrückt, desto kleiner der Unterschied wird zwischen dem Licht der umgebenden Luft und dem Licht der vor dem Berg befindlichen Luftschichten. Daher kommt es, daß nicht sehr hohe Berggipfel, wenn sie sich über dem Horizont zu zeigen anfangen, anfangs dunkler 73 erscheinen als Gipfel, die man auf febr große Entfernung sieht. Ebenso hängt die Sichtbarkeit von Bergen, die man nur negativ gewahr wird, nicht allein vom Zustand der untern Luftschichten ab, auf die unsere meteorologischen Beobachtungen beschränkt sind, sondern auch von der Durchsichtigkeit und der physischen Beschaffenheit der höheren Regionen; dm« das Bild hebt sich desto besser ab, je stärker das Licht in der Luft, das von den Grenzen der Atmosphäre herkommt, ursprünglich ist, oder je weniger Verlust es auf seinem Durchgang erlitten hat. Tiefer Umstand macht es bis zu einem gewissen Grade erklärlich, warum bei gleich heiterem Himmel, bei ganz gleichem Thermometer-und Hygrometerstand nahe an der Erdoberfläche, der Pic auf Schissen, die gleich weit davon entfernt sind, das einemal sichtbar ist, das anderemal nicht. Wahrscheinlich würde man sogar den Vulkan nicht häufiger sehen können, wenn die Höhe des Aschenkegels, an dessen Epiße sich die Krateröffnung befindet, ein Viertheil der ganzen Berghohe wäre, wie es brim Vesuv der Fall ist. Die Asche, zu Pulver zerriebener Bimsstein, wirft das Licht nickt so stark zurück, als der Echnce der Anden. Sie macht, daß der Berg bei sehr großem Abstand sick nicht hell, sondern weit schwächer dunkelfarbig abhebt. Sie trägt so zu fagen dazu bei, die Antheile des in der Luft verbreiteten Lichtes, deren veränderliche Unterschiede einen Gegenstand mebr oder weniger deutlich sichtbar machen, auszugleichen. Kahle Kalkgebirge, mit Granitsand bedeckt? Berggipfel, die hohen Savanen der Cordilleren, ' die goldgelb sind, treten allerdings l.O5 pH<,i,.iio5. von s»i>i» . Gras. So heißt die Zone der grasartigen Gewächse, welche unter der Region des ewige» Schnee« liegt. 74 in geringer Entfernung deutlicher hervor als Gegenstände, die man negativ sieht: aber nach der Theorie bestellt eine gewisse Grenze, jenseits welcher diese letzteren sich bestimmter vom Blau des Himmels abbeben. Bei den kolossalen Ncrqqipfeln von Quito und Peru, die über die Grenze des ewigen Schnees hinausragen, wirken alle günstigen Umstände zusammen, um sie unter sehr kleinen Winkeln sichtbar zu machen. Wir haben oben gesehen, daß der abgestumpfte Gipfel des Pic von Teneriffa nur gegen 300 Toisen Durchmesser hat. Nach den Messungen, die ich im Jahr 1803 zu Niobamba angestellt, ist die Kuppe des Chimborazo 153 Toisen unter der Spitze, also an einer Stelle, die 1300 Toisen höher liegt, als der Pic, noch 673 Toisen (1312) Meter breit. Fcrner nimmt die Zone des ewigen Schnees ein Viertbcil der ganzen Berghöhe ein, und die Basis dieser Zone ist, von der Südsee gesehen, 3437 Toisen (6700 Meter) breit. Obgleich aber der Chimborazo um zwei Drittel höher ist, als der Pic, sieht man ilm doch wegen der Krümmung der Erde nur 38'/, Meilen weiter. Wcnn er im Hafen von Guayaquil am Ende der Regenzeit am Horizont austaucht, glänzt sein Schnee so stark, daß man glauben sollte, er müßte sebr weit in der Südsee sichtbar seyn. Glaubwürdige Schiffer haben mich versichert, sie haben ihn bei der Klippe Muerto, südwestlich von der Insel Puna auf 47 Meilen gesehen. So oft er noch weiter gesehen worden, sind die Angaben unzuverlässig, weil die Beobachter ihrer Länge nicht gewis; waren. Das in der Luft verbreitete Licht erhöbt, indem es auf die Berge fällt, die Sichtbarkeit derer, die positiv sichtbar sind; 75 die Stärke desselben vermindert im Gegentheil die Sichtbarkeit von Gegensländcn, die, wie der Pic von Teneriffa und der der Azoren, sich dunkelfarbig abheben. Vougucr hat anf ttieore-tischem Wege gefunden, daß nach der Beschaffenheit unferer Atmospl'äre Berge negativ nicht weiter als auf 35 Meilen gesehen werden können. Tie Erfabrung — und diese Bemerkung ist wichtig — widerspricht dieser Rechnung. Der Pic von Teneriffa ist häusig auf 36, 38, sogar auf 40 Meilen gesehen worden. Noch mehr, auf der Fahrt nach den Sandwichsinseln lictt u,a» den Gipfel des Mowna-Noa ' und zwar zu einer Zeit, wo kein Schnee daiauf lag, dicht am Horizont auf 53 Meilen gesehen. Dieß ist bis jetzt das auffallendste bekannte Beispiel ' Der Mow«a-3ioa auf den Sandwichsinseln ist nach Maichanb über '^ZW Toisen hoch. uach,«illg 2577. aber diese Messungen sind, trotz ihrer zufälligen Uebereinstimmung, keineswegs auf zuverlässigem Wege erhielt. Es ist ei:ie ziemlich auffallende Erscheinung, daß ein Berggipfel unter lii" Vreite, der walirscheinlich i'ibcr 2,'iNN Toisen hoch ist, vl'ü Zch„ee gau; entblößt wird. Die starke Abplattung tes Mowna Rl'a. der Mesa der alten spanischen Karten, seine vereinzelte Lage im Weltmeer nnd die Häufigkeit gewisser Winde, die durch den aufsteigenden Strom abgelenkt, in schiefer Richtung wehe«, mögen die vornehmsten Ursachen seyn. Es läßt sich nicht wohl annehmen, daß sich siapitän Marchand in der Schätzung des Abstände«, '" dem er am U». Oktober l?>ii neu Gipfel des Mo»v».i-Noa sah. bedeutend geirrt habe. Er hatte die Insel O-Whyhre erst am 7. ?! bends verlassen, und nach der Bewegung der Gewässer und deu Mondsbrobachtnngen >nn >, Teneriffa selbst bei nicht gan, klarem Wetter auf 25 bis 36 Meile» z» sehen sey. 76 von der Sichtbarkeit cines Verges, und was nos, merkwürdiger ist, es handelt sich dabei von einem Gegenstand, der nur negativ sichtbar ist. Ich glaubte diese Bemerkungen am Ende dieses Capitels zusammenstellen zu sollen, weil sie sich auf eines der wichtigsten Probleme der Optik beziehen, auf die Schwächung der Lichtstrahlen bei ihrem Durchgang durch die Schickten der Luft, und zugleich nicht ohne praktischen Nutzen sind. Die Vulkane Teneriffas und der Azoren, die Sierra Nevada von Ct. Martba, der Pic von Orizaba, die Silla bei Caracas, Mowna-Noa und der Et. Eliasberg liegen vereinzelt in weiten Meeresstrecken oder auf den Küst?n der Continents, und dienen so dem Seefabrer, der die Mittel nicht hat, um den Ort des Schisses durch Sternbeobachtungen zu bestimmen, gleichsam als Bojen im Fahrwasser. Alles, was mit der Erkennbarkeit dieser natürlichen Vrjen zusammenhängt, ist für die Sicherheit der Schifffahrt von Belang. Zweites Kapitel. Aufenthalt auf Teneriffa. Neise von Santa Cruz »ach Orotava. Besteigung des Pics. Von unserer Abreise von Graciosa an war der Horizont fortwährend so dunstig, daß trutz der ansehnlichen Höhe der Berge Canarias (Isla cl« lu, ^rau (^»ugriu) die Insel erst am 19. Abends in Sicht kam. Sie ist die itonikammer des Archipels der „glückseligen Inseln," und man behauptet, was für ei» Land außerhalb der Tropen sehr auffallend ist, in einigen Strichen erhalte man zwei Getreideernten im Jahr, eine im Februar, die andere im Juni. Canaria ist noch nie von einem uuterr.c^eten Mineralogen besucht worden i sie verdiente es aber um so mehr, als mir ihre in parallelen Ketten streichenden Verge von ganz anderem Charakter schienen, als die Gipfel Lancerota und Teneriffa. Nichts ist für dcn Geologen anziehender als die Beobachtung, wie sich an einem bestimmten Punkte die vulkanischen Bildungen zu den Urgcbirgcn und den secundären Gebirgen verhalten. Sind einmal die canarischcn Inseln in allen ihren Gebirgsgliedern erforscht, so wird sich zeigen, das; man zu voreilig die Bildung der ganzen Gruppe einer Hebung durch unterseeische Feuerausbrüche zugeschrieben hat. Am 19. Morgens sahen wir den Berggipfel Naga (?>ml.Ä 78 lie Na^a, ^,nnF8 oder Nagn), aber der Pic von Teneriffa blieb fortwährend unsichtbar. Das Land trat nur undeutlich hervor, ein dicker Nebel verwischte alle Umrisse. AIs wir uns der Rhede von Santa Cruz näherten, bemerkten wir, daß der Nebel, vom Wind getrieben, auf uns zukam. Das Meer war sehr unruhig, wie fast immer in diesen Strichen. Wir warfen Anker, nachdem wir mehrmals das Senkblei ausgeworfen', denn der Nebel war so dicht, daß man kaum auf ein paar Kabellängen sah. Aber eben da man ansing den Platz zu salutircn, zerstreute sich der Nebel völlig, und da erschien der Pic de Teyde in einem freien Stück Himmel über den Wolken, und die ersten Strahlen der Sonne, die für uns noch nicht aufgegangen war, beleuchteten den Gipfel des Vulkans. Wir eilten eben aufs Vordertheil der Corvette, um dieses herrlichen Schauspiels zu genießen, da signalisirte man vier englische Schiffe, die ganz nahe an unserem Hintertheile auf der Seite lagen. Wir waren an ihnen vorbeigesegelt, ohne daß sie uns bemerkt hatten, und derselbe Nebel, der uns den Anblick des Pic entzogen, hatte uns der Gefahr entrückt, nach Europa zurückgebracht zu werden. Wohl wäre es für Naturforscher ein großer Schmerz gewesen, die Küste von Teneriffa von weitem gesehen zu haben, und einen von Vulkanen zerrütteten Boden nicht betreten zu dürfen. Alsbald hoben wir den Anker und der Pizzaw näherte sich so viel möglich dem Fort, um unter den Schutz desselben zu kommen. Hier auf dieser Rede, als zwei Jahre vor unserer Ankunft die Engländer zu landen versuchten, riß eine Kanonenkugel Admiral Nelson den Arm ab (im Juli 1797). Ter ?O Generalstatthalter der canarischen Inseln ' schickte an den Ca-pitän der Corvette den Befehl, alsbald die Staatsdepeschen sür die Statthalter der Colonien, das Geld an Bord und die Post ans Land schaffen zu lassen. Die englischen Schiffe entfernten sich von der Nhede; sie hattcn Tags zuvor auf das Paketboot sllcadia Jagd gemacht, das wenige Tage vor uns von Corunna abgegangen war. Es hatte in den Hasen von Palmas auf Canaria einlaufen müssen, und mehrere Passagiere, die in einer Schaluppe nach Santa Cruz auf Teneriffa fuhren, waren gefangen worden. Die Lage dieser Stadt hat große Aehnlichkeit mit der von Guayra, dem besuchtesten Hafen der Provinz Caracas. An beiden Orten ist die Hitze aus denselben Ursachen sehr groß; aber von außen erscheint Santa Cruz trübseliger. Auf einem öden sandigen Strande stehen blendend weiße Häuser mit platten Dächern und Fenstern ohne Glas vor einer schwarzen senkrechten Felsmauer ohne allen Pflanzenwuchs. Ein hübscher Hafendamm aus gehauenen Steinen und der öffentliche, mit Pappeln besetzte Spaziergang bringen die einzige Abwechslung in das eintönige Bild. Pon Santa Cruz aus nimmt sich der Pic weit weniger malerisch aus als im Hafen von Orotava. Dort ergreift der Gegensatz zwischen einer lachenden, reich bebauten Ebene und der wilden Physiognomie des Vulkans. Von den Palmen- und Äananengruppen am Strand bis zu der 3icgion des Arbutus, der Lorbeeren und Pinien ist das vulkanische Gestein mit kräftigem Pflanzcnwuchs bedeckt. Man begreift, wie sogar Völker, l",, ' Do» Andres de Pcrlosla. 80 welche unter dem schönen Himmel von Griechenland und Italien wohnen, im östlichen Theil von Teneriffa eine der glückseligen Inseln gefunden zu haben meinten. Die Osttuste dagegen, an der Santa Cruz liegt, trägt überall den Stempel der Unfruchtbarkeit. Der Gipfel des Pics ist nicht öder als das Vorgebirge aus basaltischer Lava, das der Punta de Naga zuläuft, und wo Fettpflanzm in den Ritzen des Gesteins eben erft den Grund zu einstiger Dammerde legen. Im Hafen von Orotava erscheint die Spitze des Zuckerhuts unter einem Winkel von mehr als 16'/, Grad, während auf dem Hafendamm von Santa Cruz der Winkel kaum 4 ° 30' beträgt. ' Trotz diesem Unterschied, und obgleich am letzteren Orte der Vulkan kaum so weit über den Horizont aufsteigt, als der Vesuv, vom Molo von Neapel aus gesehen, fo ist dennoch der Anblick des Pics, wenn man ihn vor Anker auf der Rhede zum erstenmal sieht, äußerst großartig. Wir sahen nur den Zuckerhut: sein Kegel hob sich vom reinsten Himmelsblau ab, während schwarze dicke Wollen den übrigen Berg bis auf 1800 Toisen Höhe einhüllten. Der Bimsstein, von den ersten Sonnenstrahlen beleuchtet, warf ein röthliches Licht zurück, dem ähnlich, das häusig die Gipfel der Hochalpen färbt. Allmühlich ging dieser Schimmer in das blendendste Weiß über, und es ging uns wie den meisten Reifenden, wir meinten, der Pic sey noch mit Schnee bedeckt und wir werden nur mit großer Mühe an den Rand des Kraters gelangen können. ' Die Tpitzc de« Vulkans ist m'ü Orl'iava clwa 86UU. von «anla Cruz 2'^,ö8 und verschiedene andere Fettpflanzen, welche ihre Nahrung vielmehr aus der Luft als aus dem Boden ziehen, auf dem sie wachsen, mahnten uns durck ihren Habitus daran, daß diese Inseln Afrika angehören, und zwar dem dürrsten Striche dieses Festlandes. ' Die mittlere Temveiatui dieser Stadt beträgt nur «8". 86 Der Capitän der Corvette hatte zwar Befehl, so lange zu verweilen, daß wir die Spitze des Pics besteigen könnten, wenn anders der Schnee es gestattete; man gab uns abcr zu erkennen, wegen der Blokade der englischen Schiffe dürften wir nur auf einen Aufenthalt von vier, fünf Tagen rechnen. Wir eilten demnach, in den Hafen von Orotava zu kommen, der am Westabhang des Vulkans liegt, und wo wir Führer finden sollten. In Santa Cruz konnte ich Niemanden auffinden, der den Pic bestiegen gehabt liätte, und ich wunderte mich nicht darüber. Die merkwürdigsten Dinge haben desto weniger Reiz für uns, je näher sie uns find, und ich kannte Schaffhauser, welche den Rheinfall niemals in der Nähe gescben hatten. Am 20. Juni vor Sonnenaufgang machten wir uns auf den Weg nach Villa dc la Laguna, die 350 Toisen über dem Hafen von Santa Cruz liegt. Wir konnten diese Höhenangabe nicht verificiren, denn wegen der Brandung batten wir in der Nacht nicht an Bord gehen können, um Barometer und In-clinationscompaß zu holen. Da wir voraussahen, daß wir bei unserer Besteigung des Pic sehr würden eilen müssen, so war es uns ganz lieb, daß wir Instrumente, die uns in unbekannteren Ländern dienen sollten, hier keiner Gefahr aussetzen konnten. Der Weg nach Laguna hinauf läuft an der rechten Seite eines Baches oder Baranco hin, der in der Regenzeit fchöne Fälle bildet; er ist. schmal und vielfach gewunden. Nach meiner Rückkehr babe ich gebort, Herr von Perlasca habe bier eine neue Straße anlegen lassen, auf der Wagen fahren können. Bei der Stadt begegneten uns weiße Kameele, die sehr leicht beladen schienen. Diese Thiere werden vorzugsweise dazu gcbraucht, die 87 Waaren von der Doucme in die Magazine der Kaufleute zu schaffen. Man ladet ihnen gewöbnlich zwei Küsten mit Havana-zucker auf, die zusammen 900 Pfund wiegen, man kann aber die Ladung bis auf 13 Centner oder 52 castilische Arrobas steigern. Auf Teneriffa sind die Kameele nicht sehr häusig, während ihrer auf Lancerota und Fortauentura viele Tausende sind. Diese Inseln liegen Afrika näher und kommen daher auch in Klima und Vegetation mehr mit diesem Continent überein. Es ist sehr auffallend, daß dieses nützliche Thier, das sich in Südamerika fortpflanzt, dieß auf Teneriffa fast nie thut. Nur im fruchtbaren Distrikt von Adexe, wo die bedeutendsten Zucker-rohrhsianzungen sind, hat man die Kameele zuweilen Junge werfen fehen. Diese Lastthiere, wie die Pferde, sind im fünfzehnten Jahrhundert durch die normannischen Eroberer auf den Canarien eingeführt worden. Dic Gucmchen kannten sie nicht, und dieß erklärt sich wohl leicht daraus, daß ein so gewaltiges Thier schwer auf schwachen Fahrzeugen zu transportiren ist, ohne daß man die Guanchen als die Ueberreste der Bevölkerung der Atlantis zu betrachten und zu glauben braucht, sie gehören einer andern Race an als die Westafrikancr. Der Hügel, auf dem die Stadt San Christobal de la Laguna liegt, gehört dem System von Vasaltgebirgen an, die, unabhängig vom System neuerer vulkanischer Gebirgsarten, einen weiten Gürtel um den Pic von Teneriffa bilden. Der Basalt von Laguna ist nicht fäulenförmig, sondern zeigt nicht sehr dicke Schichten, die nach Ost unter eimm Winkel von 30—40 Grad fallen. Nirgends hat er das Ansehen eines Lavastroms, der an den Abhängen der Pics ausgebrochen wäre. Hat der 88 gegenwärtige Vulkan diese Vasalte hervorgebracht, so muß man annehmen, wie bei den Gesteinen, aus denen die Somma neben dem Vesuv besteht, daß sie in Folge eines unterseeischen Aus-bmchs gebildet sind, wobei die weiche Masse wirklich geschichtet wurde. Außor einigen baumartigen Euphorbien, lünoklin X!«iinn und Fackeldisteln (Cactus), welche auf den Cauarien, wie im südlichen Europa und auf dem afrikanischen Festland verwildert sind, wächst nichts auf diesem dürren Gestein. Unsere Maul-thicrc glitten jeden Augenblick auf stark geneigten Steinlagern aus. Indessen sahen wir die Ueberreste eines alten Pflasters. Bei jedem Schritt stößt man in den Colonien auf Spuren der Thatkraft, welche die spanische Nation im sechzehnten Jahrhundert entwickelt hat. Je näher wir Laguna kamen, desto kühler wurde die Luft, und dieß thut um so wohler, da es in Santa Cruz zuni Ersticken heiß ist. Da widrige Eindrücke unsere Organe stärker angreifen, fo ist der Temperaturwechsel auf dem Rückweg von Laguna zum Hafen noch auffallender; man meint, man nähere sich der Mündung eines Schmelzofens. Man hat dieselbe Empfindung, wenn man an der Küste von Caracas vom Berg Avila zum Hafen von Guayra niedersteigt. Nach dem Gesetz der Wärineabnahme machen in dieser Breite 350 Toisen Höhe nur drei bis vier Grad Temperaturunterschied. Die Hitze, welche dem Reisenden so lästig wird, wenn er Santa Cruz de Teneriffa oder Guayra betritt, ist daher wohl dem Rückprallen der Wärme von den Felsen zuzuschreiben, an welche beide Städte sich lehnen. Die fortwährende Kühle, die in Laguna herrscht, macht die Stadt für die Canarier zu einem köstlichen Aufenthaltsort. 89 Auf einer kleinen Ebene, umgeben von Gärten, am Fuß eines Hügels, den Lorbeeren, Myrthen und Erdbeerbäume krönen, ist die Hauptstadt von Teneriffa wirklich ungemein freundlich gelegen. Sie liegt keineswegs, wie man nach mehreren Reiseberichten glauben sollte, an einem See. Das Regenwasser bildet hier periodisch einen weiten Sumpf, und der Geolog, der überall in der Natur vielmehr einen früheren Zustand der Dinge als den gegenwärtigen im Auge hat, zweifelt nicht daran, daß die ganze Ebene ein großes ausgetrocknetes Becken ist. Laguna ist in semein Wohlstand herabgekommen, seit die Seitenausbrüch.' des Vulkans den Hafen von Garachico zerstört haben lind Santa Cruz der Hauptbandelsplatz der Inseln geworden ist: es zälilt nur noch 9000 Einwohner, worunter gegen 400 Mönche in sechs Klöstern. Manche Reisende behaupten, die Hälfte der Bevölkerung bestehe aus Kuttenträgern. Die Stadt ist mit zahlreichen Windmühlen umgeben, ein Wahrzeichen des Getreidebaus in diesem hochgelegenen Striche. Ich bemerke bei dieser Gelegenheit, daß die nährenden Grasarten den Guanchen bekannt waren. Das Korn hieß auf Teneriffa wiio, auf Lancerota triss»; die Gerste hieß auf Canaria ni-ämntÄiwquL, auf Lancerota t»mo86n. Geröstetes Gerstenmehl (F«tw) und Ziegenmilch waren die vornehmsten Nahrungsmittel dieses Volkes, über dessen Ursprung so viele systematische Träumereien ausgeheckt worden sind. Diese Nabrung weist bestimmt darauf hin, daß die Guanchen zu den Völkern der alten Welt gehörten, wohl selbst zur caucasifchen Rac^, und nicht, wie die andern Atlanten,' ' Ich lasse mich hier auf keine Verhandlung über die Eristenz 90 zu den Volksstämmen her neuen Welt: die letzteren kannten vor der Ankunft der Europäer weder Getreide, noch Milch, noch Käse. Eine Menge Capellen, von den Spaniern ermit,«,« genannt, liegen um die Stadt Laguna. Umgcbcn von immergrünen Bäumen auf kleinen Anhöhen, erhöhen diese Capellen, wie überall, den malerischen Rciz der Landschaft. Das Innere der Stadt entspricht dem Aeuhern durchaus nicht. Tie Häuser sind solid gebaut, aber sehr alt, und die Straßen öde. Der Botaniker hat übrigens nicht zu bedauern, daß die Häuser so alt sind. Dächer und Mauern sind bedeckt mit 8Lmp«r-vivum etwÄi-ieuse und dem zierlichen llickomankg, dessen alle Reisende gedenken; die häusigen Nebel geben diesen Gewächsen Unterhalt. Anderson, der Naturforscher bei Capitän Cooks dritter Reise, gibt den europäischen Aerzten den Ratb, ibre Kranken nach Teneriffa zu schicken, keineswegs aus der Rücksicht, welcke manche Heilkünstler die entlegensten Bäder wäblen läßt, sondern wegen der ungemeinen Milde und Gleichmäßigkeit des Klimas der Canarien. Der Boden der Inseln steigt amphi-thealralisch auf und zeigt, gleich Peru und Merico, wenn auch in kleinerem Maaßstab, alle Klimate, von afrikanischer Hitze bis zum Froste der Hochalpen. Santa Cruz, der Hafen von Orotava, die Stadt desselben Namens und Laguna sind vier Orte, deren mittlere Temperaturen eine abnehmende Reihe d« Atlantis ei» und erwähne nur, daß nach Diodor voil Ticilien die Atlanten dic l^erealien nicht kannten, weil sie von der iibrla.ru Menschheit getrennt worden. bevor überhaupt Getreide gebaut wurde. 91 darstellen. Das südliche Europa bietet nicht dieselben Vortheile, weil der Wechsel der Jahreszeiten sick noch zu stark fühlbar macht. Teneriffa daqea.cn, gleichsam an der Pforte der Tropen und doch nur wenige Tagereisen von Spanien, hat schon ein gut Tbeil der Herrlichkeit aufzuweisen, mit der die Natur die Länder zwischen den Wendelreisen ausgestattet. Im Pflanzenreich treten bereits mehrere der schönsten und großartigsten Gestalten auf, die Bananen und die Palmen. Wer Sinn für Natur-schönheit hat, findet auf dieser köstlichen Inscl noch kräftigere Heilmittel als das Klima. Kein Ort der Welt scheint mir geeigneter, die Schwcnnuth zu bannen und einem schmerzlich ergriffenen Gemüthe den Frieden wieder zu geben, als Teneriffa und Madera. Und solches wirkt nicht allein die herrliche Lage und die reine Luft, sondern vor allem das Nichtvorhandensevn der Sklaverei, deren Anblick einen in beiden Indien so tief empört, wie überall, wobin europäisäe Kolonisten ihre sogenannte Aufklärung und ihre Industrie getragen baben. Im Winter ist das Klima von Laguna sehr ncbligt und die Einwohner beklagen sich häusig über Frost. Man hat indessen nie schneien sehen, woraus man schließen sollte. daß die mittlere Temperatur der Stadt über 18°, 7 (15° R.) beträgt, das heißt mehr als in Neapel. Für streng kann dieser Schluß nicht gelten: denn im Winter hängt die Erkältung der Wolken weniger von der mittleren Temperatur des ganzen Jahres ab als vielmehr von der augenblicklichen Erniedrigung der Wärine, der ein Ort vermöge seiner besondern Lage ausgesetzt ist. Die mittlere Temperatur der Hauptstadt von Mexico ist z. B. nur 16 ",8 (13'.5 R.), und doch hat man in hundert Jahren nur 92 ein einzigesmal schneien sehen, während es im südlichen Europa und in Afrika noch an Orten schneit, die über 19 Grad mittlere Temperatur haben. Wegen der Nähe des Meeres ist das Klima von Laauna im Winter milder, als es nach der Meereshöhe seyn sollte. Herr Vroussonet hat sogar, wie ich mit Verwunderung körte, mitten in der Stadt, im Garten des Marquis von Nava, Brod-fruchtbäume (^.rtc,e»rsiu8 inoi8t»,) und Zimmtbäume (I^urug oinnamomum) angepflanzt. Diese köstlichen Gewächse der Südsee und Ostindiens wurden hier einheimisch, wie auck, in Orotava. Sollte dieser Versuck nicht beweisen, daß der Nrod-fruchtbaum iu Calabrien, auf Sicilien und in Grenada fortkäme? Der Anbau des Kaffeebaums ist in Laguna nicht in gleichem Maaße gelungen, wenn auch die Früchte bei Tegueste und zwischen dem Hafen von Orotava und dem Dorfe San Juan de la Rambla reif werden. Wahrscheinlich sind örtliche Verhältnisse, vielleicht die Beschaffenheit des Bodens und die Winde, die in der Blüthezeit wehen, daran Schuld. In andern Ländern, z. B. bei Neapel, trägt der Kaffeebaum ziemlich reichlich Früchte, obgleich die mittlere Temperatur kaum über 18 Grad der hundcrttheiligen Scale beträgt. Auf Teneriffa ist die mittlere Höhe, in der jährlich Schnee fällt, noch niemals besiimmt worden. Solches ist mittelst barometrischer Messung leicht auszuführen, es ist aber bis jetzt fast, in allen Erdstrichen versäumt worden; und doch ist diese Bestimmung von großem Belang für den Ackerbau in den Co-lonien und für die Meteorologie, und ganz so wichtig als das Höhenmaaß der untern Grenze des ewigen Schnees. Ich stelle 93 die Ergebnisse meiner betreffenden Beobachtungen in folgender Uebersicht zusammen. Unterschied der Geringste Untere Grenze ^,^ ^. Mittlere Höhe, Spaliere ranken. Mit Nlüthm bedeckte Orangenbäume, Myrtlien und Cyvressen umgeben Cavellen, welche die Andacht auf freistehenden Hügeln errichtet hat. Ueberall sind die Grundstücke durch Hecken von Agave und Cactus eingefriedigt. Unzählige kryptogamische Gewächse, zumal Farn, bekleiden die Mauern, die von kleinen klaren Wasserquellen feucht erhalten werden. Im Winter, während der Vulkan mit Eis und Schnee bedeckt ist, genießt man in diesem Landstrich eines ewigen Frühlings. Sommers, wenn der Tag sich ncigt, bringt der Seewind angenehme Kühlung. Die Bevölkerung der Küste ist hier sehr stark: sie erscheint noch größer, weil Häuser und Gärten zerstreut liegen, was den Neiz der Landschaft noch erböht. Leider steht der Wohlstand der Vewohncr weder mit ihrem Fleiße, noch mit der Fülle der Natur im Verhältniß. Tie das Land banen, sind meist nicht Eigenthümer desselben: die Frucht ihrer Arbeit gehört dem Adel. und das Lehnssystem, das so lange ganz Europa unglücklich gemacht hat, läßt noch heute das Volk der Canarien zu keiner Vlüihe gelangen. Von Tegueste und Tacoronte bis zum Dorf San Juan de la Rambla, berühmt durch seinen trefflichen Malvasier, ist die Küste wie ein Garten angebaut. Ich möchte sie mit der Umgegend von Capua oder Valencia vergleichen, nur ist die Westseite von Teneriffa unendlich schöner wegen der Nähe des Pics, der bei jedem Schritt wieder eine andere Ansicht bietet. Der Anblick dieses Bergs ist nicht allein wegen seiner imposanten Masse anziehend: er beschäftigt lebhaft den Geist und läßt uns 97 den geheimnisvollen Quellen der vulkanischen Kräfte nachdenken. Seit Tausenden von Jahren ist kein Lichtschimmer auf der Spitze des Pilon gesehen worden, aber ungeheure Seitenausbrüche, deren letzter i.m Jahr 1798 erfolgte, beweisen die fortwährende Thätigkeit eines nicht erlöschenden Feuers. Der Anblick eines Feuerschlundes mitten in einem fruchtbaren Lande mit reichem Anbau hat indessen etwas Niederschlagendes. Die Geschichte des Erdballs lehrt uns, daß die Vulkane wieder zerstören, was sie in einer langen Reihe von Jahrhunderten aufgebaut. Inseln, welche die unterirdischen Feuer über die Fluthen emporgehoben, schmücken sich allmählich mit reichem, lachendem Grün: aber gar oft werden diese neuen Länder durch dieselben Kräfte zerstört, durch die sie vom Boden des Oceans über seine Flache gelangt sind. Vielleicht waren Eilande, die jetzt nichts sind als Schlacken- und Aschenhaufen, einst so fruchtbar als die Gelände von Tacoronte und Sauzal. Wohl den Ländern, wo der Mensch dem Boden, auf dem er wohnt, nicht mißtrauen darf! Auf unseren! Wege zum Hafen von Orotava kamen wir durch die hübschen Dörfer Matanza und Victoria. Diese beiden Namen findet man in allen spanischen Colonien neben einander: sie machen einen widrigen Eindruck in einem Lande, wo Alles Nuhe und Frieden athmet. Matanza bedeutet Schlachtbank, Blutbad, und schon das Wort deutet an, um welchen Preis der Sieg erkauft worden. In der neuen Welt weist er gewöhnlich auf eine Niederlage der Eingeborenen hin; auf Teneriffa bezeichnet das Wort Matanza den Ort, wo die Spanier von denselben Guanchen geschlagen wurden, die man bald darauf auf den spanischen Märkten als Sklaven verkaufte. Humboldt, Reise, I. 7 98 Ehe wir nach Orotava kamen, besuchten wir den botanischen Garten nich: weit vom Hafen. Wir trafen da den französischen Viceconsul Legros, der oft auf der Spitze des Pic gewesen war und an dem wir einen vorlrefflichcn Führer fanden. Er hatte mit Eapitän Vaudin eine Fahrt nach den Antillen ac-macht, durch die der Pariser Pflairzengartcn ansehnlich bereichert worden ist. Ein furchtbarer Sturm, den Ledru in seiner Neise nach Portorico beschreibt, zwang das Fahrzeug bei Teneriffa anzulegen, und das herrliche Klima der Insel brachte Legros zum Entschluß, sich hier niederzulassen. Ihm verdankt die gelehrte Welt Europa's die ersten genauen Nachrichten über den großen Seitenausbruch des Pics, den man sehr uneigentlich den Ausbruch des Vulkans von Chahorra nennt. ' Die Anlage eines botanischen Gartens auf Teneriffa ist ein sehr glücklicher Gedanke, da derselbe sowohl für die wissenschaftliche Votanik als für die Einführung nützlicher Gewächse in Enropa sehr förderlich werden kann. Die erste Idee eines solchen verdankt man dem Marquis von Nava (Marquis von Villanueva del Prado), einein Mann, der Poivre an die Seite gestellt zu werden verdient und im Triebe, das Gute zu fördern , von feinem Vermögen den edelsten Gebrauch gemacht hat. Mit ungeheuren Kosten ließ er den Hügel von Durasno, der amphitheatralisch aufsteigt, abheben, und im Jahr 1795 machte man mit den Anpflanzungen den Anfang. Nava war der Ansicht, daß die Canarien, vermöge des milden Klima's und der geographischen Lage, der geeignetste Punkt seyen, um die ^ Am 8. Juni 1798. 99 Naturprodukte beider Indien zu acclimatisiren, um die Gewächse aufzunehmen, die sich allmählich an die niedrigere Temperatur des südlichen Europa gewöhnen sollen. Asiatische, afrikanische, süd-ameritanische Pflanzen gelangen leicht m den Garten bei Oro-tava, und um den Chinabaum' in Sicilien, Portugal oder Grenada einzuführen, müßte man ihn zuerst in Durasno oder Laguna anbauen und dann erst die Schößlinge der ccmarischen China nach Europa verpflanzen. In besseren Zeiten, wo kein Seekrieg mehr den Verkehr in Fesseln schlägt, kann der Garten von Teneriffa auch für die starken Pflanzensendungen aus Indien nach Europa von Bedeutung werden. Diese Gewächse gehen häufig, ehe sie unsere Küsten erreichen, zu Grunde, weil sie auf der langen Ueberfahrt eine mit Salzwasscr geschwängerte Luft athmen müssen. Im Garten von Orotava fänden sie eine Pflege und ein Klima, wobei sie sich erholen könnten. Da die Unterhaltung des botanischen Gartens von Jahr zu Jahr kostspieliger wurde, trat der Marquis denselben der Regierung ab. Wir fanden daselbst einen geschickten Gärtner, einen Schüler Aitons, des Vorstehers des königlichen Gartens zu Kcw. Der Vodcn steigt in Terrassen auf und wird von einer natürlichen Quelle bewässert. Man hat die Aussicht auf die Insel Palma, die wie ein Castcll aus dem Meere emporsteigt. Wir fanden ' Ich meine dir sshinaarte». die in Peru und im Königreich Neu-Grenada auf dem Nucken der Vordillere», zwischen iUUU und <50U Toisen Meercshöhe an Orten wachsen, wo der Thermometer bei Tag zwischen U ,i»d IN Grad. bei Nacht zwischen 3 und 4 Grad steht. Die orangtgelbe Quinquina (cinclwnÄ luncilali«) ist weit weniger empfindlich al« die rothc (5. ot>lni,8ilulia). 100 aber nicht viele Pflanzen hier: man hatte, wo Gattungen fehl' ten, Etiketten aufgesteckt, mit Namen, die auf Gerathewohl aus Linnä's ß^stvm» ve^tadilium genommen fchienen. Diefe Anordnung der Gewächfe nach den Classen des Cerualsnstems, die man leider auch in manchen europäischen Gärten findet, ist dem Anbau sehr hinderlich. In Durasno wachsen Proteen. der Gojavabaum, der Iambusenbaum, die Chirimoya aus Peru, ' Mimosen und Heliconien im Freien. Wir pflückten reife Samen von mehreren schönen Glycinearton aus Neuholland, welche der Gouverneur von Cumana, Emparan, mit Erfolg angepflanzt hat und die seitdem auf den südamcrikanischen Küsten wild geworden sind. Wir kamen sehr fpüt in den Hafen von Orotav.i,' wen» man anders diesen Namen einer Nhede geben kaun, auf der die Fahrzeuge unter Segel gehen müssen, wenn der Wind start aus Nordwcst bläst. Man kann nickt von Orotava sprechen, ohne die Freunde der Wissenschaft an Cologan zu erinnern, dessen Haus von jeher den Reisenden aller Nationen offen stand. Mehrere Glieder dieser achlungswerthen Familie sind in London und Paris erzogen worden. Don Bernardo Cologan ist bei gründlichen, mannigfaltigen Kenntnissen der feurigste Patriot. Man ist freudig überrascht, auf einer Inselgruppe an der Küste von Afrika der liebenswürdigen Geselligkeit, der edlen Wißbegierde, dem Kunstsinn zu begegnen, die man ausschließlich iu einem kleinen Theile von Europa zu Hause glaubt. ' ^nnana ^norimoli». Lamarck. 2 ruertn lie !ii Oux. Der einzige schone Hafen der Canon?» ist der von Tan Scbastiauo auf der Insel Oomrva. 101 Gcrne hätten wir einige Zeit in Cologans House verweilt und niit ihm in der Umgegend von Orotava die herrlichen Punkte San Juan de la Nambla und Rialexo de Abaro besucht. Aber auf einer Reise wie die, welche ich angetreten, kommt man selten dazu, der Gegenwart zu genießen. Die quälende Besorgnis;, nicht ausführen zu können, was man den andern Tag vorhat, erhält einen in beständiger Unruhe. Leidenschaftliche Natur- und Kunstfreunde sind auf dcr Neise durch die Schweiz oder Italien in ganz ähnlicher Gemüthsverfassung; da sie die Gegenstände, die Interesse für sie haben, immer nur zum kleinsten Theil sehen können, so wird ihnen der Genus; durch die Opfer verbittert, die sie auf jedem Schritt zu bringen haben. Bereits am 21. Morgens waren wir auf dem Weg nach dem Gipfel des Vulkans. Legros, dessen zuvorkommende Gefälligkeit wir nicht genug loben können, der Secretär des französischen Consulats zu Santa Cruz und der englische Gärtner von Durasno theilten mit uns die Beschwerden der Reise. Der Tag war nicht sehr schön, und der Gipfel des Pic, den man in Orotava fast immer sieht, von Sonnenaufgang bis zehn Uhr in dicke Wolkcn gehüllt. Ein einziger Weg führt auf den Vulkan durch Villa de Orotava, die Ginsterebene und das Mal-Pays, derselbe, den Pater Feuillse, Borda, Labillaldiöre, Narrow eingeschlagen, und überhaupt alle Reisenden, die sich nur kurze Zeit in Teneriffa aufhalten konnten. Wenn man den Pic besteigt, ist es gerade, wie wenn man das Chamounythal oder den Aetna besucht: man muß seinen Führern nachgehen und man bekommt nur zu sehen, was schon andere Reisende gesehen und beschrieben haben. 102 Der Contrast zwischen der Vegetation in diesem Striche von Teneriffa und der in dcr Umgegend von Santa Cruz überraschte uns angenehm. Beim kühlen, feuchten Klima war der Boden mit schönem Grün bedeckt, während anf dem Weg von Santa Cruz nach Laguna die Pflanzen nichts als Hülsen hatten, aus denen bereits der Eamen gefallen war. Beim Hafen von Orotava wird der kraftige Pflanzenwuchs den geologischen Beobachtungen hinderlich. Wir kamen an zwei kleinen glockenförmigen Hügeln vorüber. Beobachtungen am Vesuv und in der Auvergne weisen darauf hin, daß dergleichen runde Erhöhungen von Seitenausbrüchen des großen Vulkans herrühren. Der Hügel Montannitta de la Villa scheint wirklich einmal Lava ausgeworfen zu haben; nach den Ueberlieferungen dcr Guanchen fand dieser Ausbruch im Jahr 1430 statt. Der Oberst Franqui versicherte Borda, man sehe noch deutlich, wo die geschmolzenen Stoffe hervorgequollen, und die Asche, die den Boden ringsum bedecke, sey noch nicht fruchtbar. ' Ueberall, wo das Gestein zu Tag ausgeht, fanden wir basaltartigen Mandelstcin (Werner) ' Ich'entnehme diese Notiz einer interessanten Handschrift, die jetzt in Pari« im V6pot des earte» de la Hlarine aufbewahrt wird. Sie führt den Titel: Resumč des operations de la campagne de la Boussole (1776), pour determiner les positions geogra-pliiques des cotes d'Espagne et de Portugal sur l'Ocean, d'une partie des cötes occidentals dc l'Asrique et des lies Canaries, par Ie cnevalier de «orda. Es ist dieß die Handschrift, von der de Fleuiieu i» seinen Note» zu Marchand« Reise spricht und die mir Vorda zum Theil schon vor meiner Abreise mitgetheilt hatte. Ich habe wichtige, noch nicht veröffentlichte Beobachtungen daraus ausgezogen. 103 und Vimsstcinconalomerat, in 5em Rapilli oder Bruchstücke von Bimostein eingeschlossen sind. Letztere Formation hat Aehnlich-teit mit dem Tuff vom Pausilipv und mit den Puzzolanschichtcn, die ich im Thal von Quito, am Fuße des Vulkans Pichincha, gefunden habe. Der Mandelstein hat langgezogene Poren, wie die obern Lavaschichten des Vesuv. Es scheint dieß darauf hinzudeuten, daß eine elastische Flüssigkeit durch die geschmolzene Materie durchgegangen ist. Trotz diesen Uebereinstimmungen muß ich noch einmal bemerken, daß ich in der ganzen untern Region des Pics von Teneriffa auf der Seite gegen Orotava keinen Lavastrom, überhaupt keinen vulkanischen Ausbruch ge« sehen habe, der scharf begrenzt gewesen wäre. Regengüsse und Ueberschwemmungen wandeln die Erdoberfläche um, und wenn zahlreiche Lavaströme sich vereinigen und über eine Ebene ergießen, wie ich es am Vesuv im ^trio äei Oavalli gesehen, so verschmelzen sie in einander und nehmen das Ansehen wirklich geschichteter Bildungen an. Villa de Orotava macht schon von weitem einen guten Eindruck durch die Fülle der Gewässer, die auf den Ort zueilen und durch die Hauptstraßen stießen. Die Quelle ^qua mans», in zwei großen Becken gefaßt, treibt mehrere Mühlen und wird dann in die Weingärten des anliegenden Geländes geleitet. Das Klima in d.r Villa ist noch kühler als am Hafen, da dort von Morgens zehn Uhr an ein starker Wind weht. Das Wasser, das sich bei höherer Temperatur in der Luft aufgelöst hat, schlägt sich häufig nieder, und dadurch wird das Klima lehr nebligt. Die Villa liegt etwa 160 Toisen (312 Meter) über dem Meer, also zweihundert Toisen niedriger als Laguna: 104 man bemerkt auch, daß dieselben Pflanzen an letzterem Orte einen Monat später blühen. Orotava, das alte Taoro der Guanchen, liegt am steilen Abhang eines Hügels; die Straßen schienen uns öde: die Hauser, solid gebaut, aber trübselig anzusehen, gehören fast durchaus einem Adel, der für sehr stolz gilt und sich selbst anspruchsvoll als 60x0 eg,»»,» bezeichnet. Wir kamen an einer sehr hohen, mit einer Menge schöner Farn bewachsenen Wasserleitung vor-über. Wir besuchten mehrere Gärten, in denen die Obstbau me des nördlichen Europa neben Orangen, Gmnatbämncn und Dattelpalmen stehen. Man versicherte uns, letztere tragen hier so wenig Früchte als in Terra Firma an der Küste von (5u-mana. Obgleich wir den Drachenbaun, in Herrn Franqui's Garten aus Reiseberichten kannten, so setzte uns seine ungeheure Dicke dennoch in Erstaunen. Man behauptet, der Stamm dieses Baumes, der in mehreren sehr alten Urkunden erwähnt wird, weil er als Grenzmarke eines Feldes diente, sey schon in, fünfzehnten Jahrhundert so ungeheuer dick gewesen wie jetzt. Seine Höhe schätzten wir auf 50 bis 60 Fuß: sein Umfang nahe über den Wurzeln beträgt 45 Fuß. Weiter oben konnten wir nicht messen, aber Sir Georg Staunton hat gefnnden, daß zehn Fuß über dem Boden der Stamm noch zwölf englische Fuß im Durchmesser hat, was gut mit Norda's Angabe übereinstimmt, der den mittlern Umfang zu 33 Fuß 8 Zoll angibt. Der Stamm theilt sich in viele Aeste, die lronleuchter-artig auswärts ragen und an den Spitzen Blätterbüschel tragen, ähnlich der Jucca im Thale von Mexico. Durch diese Theilung in Aeste unterscheidet sich sein Habitus wesentlich von dein der Palmen. 105 Unter den organischen Bildungen ist dieser Baum, neben der Adansonia oder dem Baobab am Senegal, ohne Zweifel ciner der ältesten Bewohner unseres Erdballs. Die Baobabs werden indessen noch dicker als der Drachenbaum von Villa d'Orotava. Man kennt welche, die an der Wurzel 34 Fuß Durchmesser haben, wobei sie nicht höher sind als 50 bis 60 Fuß. ' Man muß aber bedenken, daß die Adansonia, wie die Ochroma und alle Gewächse aus der Familie der Bombaceen, vicl schneller wächst' als der Drachenbaum, der sehr langsam zunimmt. Der in Herrn Franqui's Garten tragt noch jedes ' Adanso» wundert sich, daß die Vaobabs nicht von andern Reisenden beschrieben worden seyen. Ich finde in der Sammlung des Grynä'utz, daß schon Aloysio Cadamosto vom hohen Älter dieser ungeheuren Väume spricht, die er im Jahr l5U4 gesehen, und von denen er ganz richtig sagt: »eminent!« i»Itilli6il>l8 nun qulxli-.il ma^ni-lullinj.« ('gllllm. nilviß. e. 42. Nm Senegal und bei Pray» auf den Cap Verdischeu Inseln haben Aoanson und Etanntou Adansonien gesehen, deren Stamm 56 bis «N Fuß im Umfang hatte. Den Va^bab mit 34 F»ß Durchmesser hat Oolberry im Thal der Gagnack gesehen. ' Gbenso verhält es sich mit den Platanen (plillanus oceilien-W!l8). die Michaur zu Marietta am Ufer des Ohio gemessen hat und dir 29 Fuß über dem Boden noch 15'/,„ Fnß im Durchmesser hatten. Die Tarn«, die Kastanie«, die Eichen, die Platanen, die kahlen Cypresscn. die Vombar. die Mimosen, die Cäsalpinirn. die Hymenae» und die Drachcnbäume sind. wie mir scheint, dir Gewächse, bei denen in verschiedenen Klimate,! Falle vo» so anßeroldeiltlichein Wachsthum vorkommen, Gine Eiche, die zugleich mit gallischen Helmen im Jahr <9N9 in den Torfgrube» im Departement der Somme bei», Dorf Dsrur. sieben Lieurs von Abbi'villc. gefunden wurde, gibt dem Dr.icheubaum von Orotaua in der Dicke nichts nach. Nach der Angabe von Trauller hatte der Stamin der Eiche 14 Fnß Durchmesser. 106 Jahr Blüthen und Früchte. Sein Anblick mahnt lebhaft an „die ewige Jugend der Natur," ' die eine unerschöpfliche Quelle von Bewegung und Leben ist. Der Trachenbaum, der nur in den angebauten Strichen der Canarien, auf Made« und Porto Santo vorkommt, ist eine merkwürdige Erscheinung in Beziehung auf die Wanderung der Gewächse. Auf dem Continent von Afrika' ist er nirgends wild gefunden worden, und Ostindien ist sein eigentliches Vaterland. Auf welchem Wege ist der Baum nach Teneriffa verpflanzt worden, wo er gar nicht häufig vorkommt? Ist sein Daseyn ein Beweis dafür, daft in sehr entlegener Zeit die Guanchen mit andern, mit asiatischen Völkern in Verkehr gestanden haben? Von Villa dc Orotava gelangten wir auf einem schmalen steinigten Pfad durch einen schönen Kastanienwald (til Nonw c>6 0k8t9n()8) in eine Gegend, die mit einigen Lorbeerarten ' ^ri8lolole8 6« lonFit. vik>o c»i». 6. ' Schonsboe (Flora von Marocco) erwähnt seiner nicht einmal unter den cultivirten Pflanzen, während er doch vom Gart»«, von der Agave und der Hucca spricht. Die Gestalt des Drachenbaumes kommt verschiedenen Arten der Gattung Dracaena am Cap der guten Hoffnung, in China und cms Nenscelanb zu; aber in der neue» Welt vertritt die Incca die Stelle derselben; denn die Usglülcnu twrenliz d'Aitons ist eine ^onvilllariZ', deren Habitns sie auch hat. Der im Handel unter dem Namen Drachenblnt bekannte adstringirende Saft kommt nach unser» Untersuchungen an Ort und Stelle von verschiedenen amerikanischen Pflanzen, die nicht derselben Gattung angehören, unter denen sich einige Lianen befinde». In Laguua verfertigt man in Nonnenklöstern Fahnstocher, die mit dem Saft des Dr.ichenbaumcs gefärbt sind, und die man uns sehr »anpries, weil sie das Zahnfleisch conserviren sollten. 107 und der baumartigen Heide bewachsen ist. Der Stamm der letzteren wird hier ausnehmend dick, und die Blüthen, mit denen der Strauch einen großen Theil des Jahrs bedeckt ist, stechen angenehm ab von den Vlüthen des ll^periouin cnna-I-WN86, das in dieser Höhe sehr häusig vorkommt. Wir machten unter eincr schönen Tanne Halt, um uns mit Wasser zu versehen. Dieser Platz ist im Land- unter dem Namen kino äei DornnMo bekannt: seine Meereshöhe beträgt nach Borda's barometrischer Messung 522 Toisen. Man hat da eine prachtvolle Aussicht auf das Meer und die ganze Westseite der Insel. Beim kino clel voi'naM«, etwas rechts vom Weg, sprudelt eine ziemlich reiche Quelle: wir tauchten cin Thermometer hinein, es fiel auf 15°,4. Hundert Toisen davon ist eine andere eben so llare Quelle. Nimmt man an, daß diese Gewässer ungefähr die mittlere Wärme des Orts, wo sie zu Tage kommen, anzeigen, so findet man als absolute Höhe des Platzes 520 Toisen, die mittlere Temperatur der Küste zu 21" und unter dieser Zone eine Abnahme der Wärme um einen Grad auf 93 Toisen angenommen. Man dürfte sich nicht wundern, wenn diese Quelle etwas unter der mittleren Lufttemperatur bliebe, weil sie sich wahrscheinlich weiter oben am Pic bildet, und vielleicht sogar mit den kleinen unterirdischen Gletschern zusammenhängt, von denen weiterhin die Nede seyn wird. Die oben erwähnte Uebereinstimmung der barometrischen und der thermomctnschen Messung ist desto auffallender, als im Allgemeinen, wie ich anderwärts ausgeführt,' ' So hat Hunter in dn> blauen Vergen auf I.imaica dic Quellen immer kälter gefunden, als sie mich der Höhe, i» der sie zu Tage komme», seyn sollten. 108 in Gebngsländcrn mit steilen Hängen die Quellen cine zn rasche Wärmeabnahmc anzeigen, weil sie kleine Wasseradern aufnehmen, die in verschiedenen Höhen in den Boden gelangen, und somit ihre Temperatur das Mittel aus den Temperaturen dieser Adern ist. Die Quellen des Dornajito sind im Lande berühmt; als ich dort war, kannte man auf dem Weg zum Gipfel des Vulkans keine andere. Quellenbildung setzt eine gewisse Regelmäßigkeit im Etrciäicn nnd Fallen der Schichten voraus. Auf vulkanischem Boden verschluckt das löcherige, zerklüftete Gestein das Negenwasser und läsit es in große Tiefen versinken. Deßhalb sind die Canarien größtentheils so dürr, trotzdem daß ihre Verge so ansehnlich sind nnd der Schiffer fortwährend gewaltige Wolkenmassen über dein Archipel gelagert sieht. Vom Pino del Tornajito bis zum Krater zieht sich der Weg bergan, aber durch kein einziges Thal mehr; denn die kleinen Schluchten (I^runeo») verdienen diesen Namen nicht. Geologisch betrachtet, ist die ganze Insel Teneriffa nichts als ein Berg, dessen fast eiförmige Grundfläche sich gegen Nordost verlängert, und der mehrere Systeme vulkanischer, zu verschiedenen Zeiten gebildeter Gebirgsarten auszuweisen hat. Was man im Lande für besondere Vulkane ansieht, wie der Cha-horra oder Montana Colorada und die Urca, das sind nur Hügel, die sich an den Pic lehnen lind seine Pyramide mastiren. Der große Vulkan, dessen Scitenausbrüche »nächtige Vorgebirge gebildet haben, liegt indessen nicht genau in der Mitte der Insel, und diese Eigenthümlichkeit im Bau erscheint weniger auffallend, wenn man sich erinnert, daß nach der 109 Ansicht eines ausgezeichneten Mineralogen (Cordier) vielleicht nicht der kleine Krater im Piton die Hauptrolle bei den Umwälzungen der Insel Teneriffa gespielt hat. Auf die Region der baumartigen Heiden, MonteVerde genannt, folgt die der Farn. Nirgends in der gemäßigten Zone habe ich kteiis, Lleolinnm und ^gplenium in solcher Menge gesehen; indessen hat keines dieser Gewächse den Wuchs der Baumfarn, die in Südamerika, in fünf, sechshundert Toiscn Höhe, ein Hauptschmuck der Wälder sind. Die Wurzel der 1^61-18 aquilm» dient den Bewohnern von Palma und Gomera zur Nahrung; sie zerreiben sie zu Pulver und mischen ein wenig Gerstenmehl darunter. Dieses Gemisch wird geröstet und heißt Gofio: ein so rohes Nahrungsmittel ist ein Beweis dafür, wie elend das niedere Volk auf den Canarien lebt. Der Monte Verde wird von mehreren kleinen, sehr dürren Schluchten (ealia^as) durchzogen. Ueber der Region der Farn kommt man durch ein Gehölz von Wachholderbäumen (licärli) und Tannen, das durch die Stünne sehr gelitten hat. An diesem Ort, den einige Reisende !a Oai-»,v«Ia nennen, will Edens ' kleine Flammen gesehen haben, die er nach den physikalischen Begriffen seiner Zeit schwcfligten Ausdünstungen zuschreibt, die sich von selbst entzünden. Es ging immer aufwärts bis zum Fclfcn Gayta oder Porti llo: hinter diesem ' Dic Neise wurde im August l7<5 gcmacht. ssarabrla hsißt ein Fahrzeug mit lateinischen Segel». Die Tauum vmn Pic dienten früher als Mastholz und die königliche Marine ließ im Monte Verde schlagen. 110 Engpaß, zwischen zwei Vasalthügeln, betritt man die große Ebene des Ginsters (las I>!»NO8 cle! lietam»). Bei La-perouse's Erpedition hatte Mcmneron den Pic bis zu dieser etwa 1400 Toiscn über dem Meere gelegenen Ebene gemessen, er 'hatte aber wegen Wassermangels und des Übeln Willens der Führer die Messung nicht bis zum Gipfel des Vulkans fortsehen können. Das Ergebniß dieser zu zwei Trittheilen vollendeten Operation ist leider nicht nach Europa gelangt, und so ist das Geschäft von der Küste an noch einmal vorzunehmen. Wir brauchten gegen zwei und eine halbe Stunde, um über die Ebene des Ginsters zu kommen, die nichts ist als ein ungeheures Sandmeer. Trotz der hohen Lage zeigte hier der hunderttheiligc Thermometer gegen Sonnenuntergang 13°,8, das heißt 3°,7 mehr als mitten am Tage aus dem Monte Verde. Dieser höhere Wärmegrad kann nur von der Strahlung des Bodens und von der nxiten Ausdehnung der Hochebene herrühren. Wir litten sehr vom erstickenden Bimssteinstaub, in den wir fortwährend gehüllt waren. Mitten in der Ebene stehen Büsche von Retama, dem ßpartmm nudi^knum d'Aitons. Dieser schöne Strauch, den de MartiMre' in Langucdoc, wo Feuermaterial selten ist, einzuführen räth, wird neun Fuß hoch, er ist mit wohlriechenden Blüthen bedeckt, und die Ziegcnjüger. denen wir unterwegs begegneten, hatten ihre Strohhüte damit geschmückt. Die dunkelbraunen Ziegen des Pics. gelten für Leckerbissen: sie nähren sich von den Blättern des Spartium und sind in diesen Einöden seit unvordenklicher Zeit verwildert. ' Einer bcr Botaniker, die auf Laperousc'ö Eeevcisc umkamen. Ill . Man hat sie sogar nach Madera verpflanzt, wo sie geschätzter sind, als die Ziegen aus Europa. Vis zum Felsen Gayta, das heißt bis zum Anfang der großen Ebene des Ginsters ist der Pic von Teneriffa mit schönem Pflanzenwuchs überzogen, und nichts weist auf Verwüstungen in neuerer Zeit hin. Man meint einen Vulkan zu besteigen, dessen Feuer so lange erloschen ist, wie das des Monte Cavo bei Nom. Kaum hat man die mit Bimsstein bedeckte Ebene betreten, so nimmt die Landschaft einen ganz andern Charakter an,- bei jedem Schritt stößt man auf ungeheure Ob-sidianblöcke, die der Vulkan ausgeworfen. Alles ringsum ist öd und still: ein paar Ziegen und Kaninchen sind die einzigen Bewohner dieser Hochebene. Das unfruchtbare Stück des Pics mißt über zehn Quadratmeilen, und da die untern Regionen, von ferne gesehen, in Verkürzung erfcheinen, so stellt sich die ganze Insel als ein ungeheurer Haufen verbrannten Gesteins dar, um den sich die Vegetation nur wie ein schmaler Gürtel zieht. Ueber der Region des 8^»rtium nudi^nuin kamen wir durch enge Schrunde und kleine, fehr alte, vom Negcnwasscr ausgespülte Schluchten zuerst auf cm höheres Plateau und dann an den Ort, wo wir die Nacht zubringen follten. Dieser Platz, dcr mehr als 1530 Toisen über der Küste liegt, heißt llstantia cle log In AI6868/ ohne Zweifel weil früher die Engländer ' Diese Veneunung war schon zu Anfang des vorigen Iahrhnn-d«rts im Vrauch. Gbru«, der alle spanische» Wörter verdreht, wie «och heute die meistr,, Nettenden, »ennt sie Stancha. c« ist Vor-da'ö 8l«lini> n den schönsten Contrasten hervortreten. Es ist als ob der Vulkan die kleine Insel, die ihm zur Grundlage dient, erdrückte: er steigt aus dem Schooße des Meeres dreimal höher auf, als die Wolken im Sommer ziehen. Wenn sein seit Jahrhunderten halb erloschener Krater Feuergarben auswürfe wie der Stromboli der ärlischcn Inseln, so würde der Pic von Teneriffa dem Schiffer in einem Umkreis von mehr als 260 Meilen als Leuchtthurm dienen. Wir lagerten uns am äußeren Rande des Kraters und blickten zuerst nach Nordwest, wo die Küsten mit Dörfern und Weilern geschmückt sind. Vom Winde fortwährend hin und her getriebene Dunstmassen zu unsern Füßen boten uns das mannigfaltigste Schauspiel. Eine ebene Wolkenschicht zwischen uns und den tiefen Regionen der Infcl, dieselbe, von der oben die Rede war, war da und dort durch die kleinen Luftströme durchbrochen, welche nachgerade die von der Sonne erwärmte Erdoberfläche zu uns heraufsandte. Der Hafen von Orotava, die darin ankernden Schiffe, die Gärten und Weinberge um die Stadt wurdrn durch eine Oeffnung sichtbar, welche jeden Augenblick grösier zu werden schien. Aus diesen einsawen Regionen Humboldt, 3t«lsc, i. 9 130 blickten wir nieder in eine bewohnte Welt; wir ergötzten uns am lebhaften Contrast zwischen den dürren Flanken des Pics, seinen mit Schlacken bedeckten steilen Abhängen, seinen pflanzenlosen Plateaus, und dem lachenden Anblick des bebauten Landes; wir sahen, wie sich die Gewächse nach der mit der Höhe abnehmenden Temperatur in Zonen vertheilen. Unter dem Piton beginnen Flechten die verschlackten, glänzenden Laven zu überziehen; ein Veilchen, ' das der Viola äeoumbens nahe steht, geht am Abhang des Vulkans bis zu 1740 Toisen Höhe, höher nicht allein als die andern krautartigcn Gewächs?, sondern sogar höher als die Gräser, welche in den Alpen und auf dem Nucken der Cordilleren unmittelbar an die Gewächse aus der Familie der Kryvtogamen stoßen. Mit Blüthen bedeckte Netamabüsche schmücken die kleinen, von den Regenströmen eingerissenen und durch die Seitenausbrüche verstopften Thäler; unter der Retama folgt die Region der Farn und auf diese die der baumartigen Hciden. Wälder von Lorbeeren, Rhamnus und Erdbeerbäumen liegen zwischen den Heidekräutern und den mit Reben und Obst-büumcn bepflanzten Geländen. Ein reicher grüner Teppich breitet sich von der Ebene der Ginster und der Zone der Alpenkräuter bis zu den Gruppen von Dattelpalmen und Musen, deren Fuß das Weltmeer zu bespülen scheint. Ich deute hier nur die Hauptzüge dieser Pflanzenkarte an, im Folgenden gebe ich einiges Nähere über die Pflanzengeographie der Infel Teneriffa. Dah auf der Spitze des Pics die Dörfchen, Weinberge und Gärten an der Küste einem so nahe gerückt scheinen, dazu - * Viola cneiranthifoiia. 131 trägt die erstaunliche Durchsichtigfeit der Luft viel bei. Trotz der bedeutenden Entfernung erkannten wir nicht nur die Häuser, die Baumstämme, das Takelwcrk der Skiffe, wir sahen auch die reiche Pflanzenwelt der Ebenen in den lebhaftesten Farben glänzen. Diese Erscheinung ist nicht allein dem hohen Standpunkt zuzuschreiben, sie deutet auf eine eigenthümliche Beschaffenheit der Luft in heißen Ländern. Unter allen Zonen erscheint ein Gegenstand, der sich auf dem Meeresspiegel befindet und von dem die Lichtstrahlen in wagerechter Richtung ausgehen, weniger lichtstark, als wenn man ihn vom Gipfel eines Berges sieht, wohin die Wasserdämpfe durch Luftsckichtcn von abnehmender Dichtigkeit gelangen. Gleich auffallende Unterschiede werden vom Einfluß der Klimate bedingt: der Spiegel eines Sees oder eines breiten Flusses glänzt bei gleicher Entfernung weniger, wenn man ihn vom Kamme der Schweizer Hochalpen, als wenn man ihn vom Gipfel der Cordilleren von Peru oder Mexico sieht. Je reiner und heiterer die Luft ist, desto vollständiger lösen sich die Wasserdämpfe auf und desto weniger wild das Licht bei seinem Durchgang geschwächt. Wenn man von der Südsee her auf die Hochebene von Quito oder Antisana kommt, so wundert man sich in den ersten Tagen, wie nahe gerückt Gegenstände erscheinen, die sieben, acht Meilen entfernt sind. Der Pic von Tey^e genießt nun zwar nicht des Vortheils, unter den Tropen zu liegen, aber die Trockenheit der Luftsäulen, welche fortwährend über den benachbarten afrikanischen Ebenen aufsteigen und die die Westwinde rasch herbeiführen, verleiht der Luft der canarischen Inseln eine Durchsichtigkeit, hinter der nicht nur die Luft Neapels und Siciliens, sondern vielleicht 132 sogar der klare Himmel Penis lind Quitos zurückstehen. Auf dieser Durchsichtigkeit beruht vornehmlich die Pracht der Landschaften unter den Tropen; sie hebt dcn Glanz der Farben der Gewächse und steigert die magische Wirkung ihrer Harmonien und ihrer Contraste. Wenn eine große, um die Gegenstände verbreitete Lichtmasse in gewissen Stunden des Tages die äußern Sinne ermüdet, so wird der Vewohncr südlicher Klimate durch moralische Genüsse dafür entschädigt. Schwung nnd Klarheit der Gedanken, innerliche Heiterkeit entsprechen der Durchsichtigkeit der umgebenden Luft. Man erhält diese Eindrücke, ohne die Grenzen von Europa zu überschreiten: ich bernfc mich auf die Reisenden, welche jene durch die Wunder des Gedankens und der Kunst verherrlichten Länder gesehen haben, die glücklichen Himmelsstriche Griechenlands und Iialiens. Umsonst verlängerten wir unsern Aufenthalt auf dem Gipfel des Pics, des Moments harrend, wo wir den ganzen Archipel der glückseligen Inseln ' würden übersehen können. Wir sahen zu unsern Füßen Palma, Gomera und die Große Canaria. Die Berge von Lanccrota, die bei Sonnenaufgang dunstfrei gewesen waren, hüllten sich bald wieder in dichte Wolken. Nur die gewöhnliche Ncfraction vorausgesetzt, übersieht das Auge bei hellem Wetter vom Gipfel des Vulkans ein Stück Erdoberfläche von 5700 Quadratmcilen, also so viel als ein Viertheil der l Vmi allen kleine» canarischen Ixseln ist nur dir Nocea del Este rom Pic ch bci hellem Wetter »icht zu sehen. Sic liegt A ",5 ab, Salvage dagegen mir 2° <'. Die Insel Madera, die 4 ° 28' entfernt ist, wäre nur dann z» sehen, wen» ihre Verge über 30VN Toi-sen hoch wären. 133 Oberfläche Spaniens. Oft ist die Frage aufgeworfen wordei-, ob man von dieser ungeheuern Puramide die afrikanische Küste sehen tonne. Aber die nächsten Striche dieser Küste sind 2 Grad 49 Minuten im Bogen, oder 56 Meilen entfernt; da nun der Gesichtshalbmesser des Horizonts des Pics 1 Grad 47 Minuten beträgt, so kann Cap Bojador nur sichtbar werden, wenn man ihm 200 Toisen Mcereshöhe gibt. Wir wissen gar nicht, wie hoch die schwarzen Berge bei Cap Bojador sind, sowie der Pic südlich von diesem Vorgebirge, den die Seefahrer Penon grande nennen. Wäre der Gipfel des Vulkans von Teneriffa zugänglicher, fo ließen sich dort ohne Zweifel bei gewissen Windrichtungen die Wirkungen ungewöhnlicher Refraction beobachten. Liest man die Berichte spanischer und portugiesischer Schriftsteller über die Eristenz der fabelhaften Insel San Borondon oder Antilia, so sieht man, daß in diesen Strichen vorzüglich der feuchte West-Süd-Westwind Luftspiegelungen zur Folge hat:' indessen wollen wir nicht mit Viera glauben, „daß durch das Spiel der irdischen Refraction die Inseln des grünen Vorgebirges, ja sogar die Apalachen in Amerika den Bewohnein der Canarien sichtbar werden können." ' »1.2 i-eOslilian lk par.-, loan.« Wir haben schon oben be-mrrlt. daß die amerikanische!! Früchte, welche da« Meer häufig an die Küsten von Fcrro ,md Oomcra wirft, früher für Gewächse der Insel S',a«) Pater sseijoo's Ansicht, da« auf einer Ncbelschicht proji-ciltr Vild der )>,sel Ferro ist. wurde im sechzehnte» Jahrhundert vom .«önig von Purtugal Lndwiq Perdigon geschenkt, als dieser sich mr Eroberung desselben rüstete. 134 Die Kälte, die wir auf'dem Gipfel des Pics empfanden, war für die Jahreszeit sehr bedeutend. Der hnnderttheilige Thermometer' zeigte entfernt vom Boden und von den Fuma-rolcn, die heiße Dämpfe ausstoßen, im Schatten 2°, 7. Der Wind war West, also dem entgegengesetzt, der einen großen Theil des Jahres Teneriffa die heiße Luft zuführt, die über den glühenden Wüsten Afrika's aufsteigt. Da die Temperatur im Hafen von Orotava, nach Herrn Savagi's Beobachtung, 22",8 war, so nahm die Wärme auf 94 Toisen Höhe um einen Grad ab. Dieses Ergebniß stimmt vollkommen mit dem überein, was Lamanon und Saussure auf den Spitzen des Pics und des Aetna, obwohl in sehr verschiedenen Jahreszeiten, beobachtet haben.' Die schlanke Gestalt dieser Berge bietet den Vortheil, daß man die Temperatur zweier Luftschichten fast fenlrecht über einander beobachten kann, und in dieser Beziehung gleichen die Beobachtungen, die man bei der Besteigung des Vulkans von Teneriffa macht, denen, die man bei einer Auffahrt im Lustballon machen kann. Es ist indessen zu bemerken, das; die See wegen ihrer Durchsichtigkeit und wegen der Verdunstung weniger Wärme den hoben Luftregionen zusendet als die Ebenen; daher ist es auf vom Meer umgebenen Berggipfeln im Sommer ' Nach Odonell und Armstrong stand auf dem Gipfel des Pies am 2. August lNN6 um acht Uhr Morgen« der Thermometer im Schalten auf 13 ",8, in der Sonne auf 20 ",5; Unterschied oder Wirkung der Sonne: 6",7. 2 Lamauons Beobachtung crgirbc einen Grad auf W Toisrn, obgleich die Temperatur des Pics um 8" von der von uns beobachteten abwich. Am Aetna fand Saussurc dir Abnahme gleich »l Toisen. 135 kälter als auf Bergen mitten im Lande; dieses Moment hat aber nur geringen Einfluß auf die Abnahme der Luftwarme, da die Temperatur der tiefen Regionen in der Nähe des Meeres gleichfalls eine niedrigere ist. Anders verhält es sich mit dem Einflüsse der Windrichtung und der Geschwindigkeit des aufsteigenden Stroms; letzterer er-böht nicht selten die Temperatur der höchsten Berge in erstaunlichem Grade. Am Abhang des Antisana im Königreich Quito sah ich in 283? Toisen Höhe den Thermometer auf 19" stehen; Labillardiere beobachtete am Kraterrand des Pic von Teneriffa 18°,7, wobei er alle erdenkliche Vorsicht gebraucht hatte, um den Einfluß zufälliger Ursachen auszuschließen. Da die Temperatur der Nhcde von Santa Cruz zur selben Zeit 28° war, so betrug der Unterschied zwischen der Luft an der Küste und der auf dem Pic 9",3 statt 20", die einer Wänncabnahme von einem Grad auf 94 Toisen entsprechen. Ich finde im Schiffstagebuch von I'Emrecastcaur's Erpedition, daß damals in Santa Cruz der Wind Süd-Süd-Ost war. Vielleicht wehte derselbe Wind stärker in den hohen Luflregioncn; vielleicht trieb er in schiefer Richtung die warme Luft vom nahen Festlande der Spitze des Piton zu. Labillardiere's Besteigung fand zudem am 17. Oktober 1791 statt, und in den Schweizer Alpen hat man die Beobachtung gemacht, daß der Temperaturunterschied zwischen Berg und Tiefland im Herbst geringer ist als im Sommer. Alle diese Schwantungen im Maaß der Temperaturabnahme haben auf die Messungen mittelst des Barometers nur insofern Einfluß, als die Abnahme in den dazwischen liegenden Schichten nicht gleichförmig ist, und von der arithmetischen gleichmüßigen 136 Progression, wie die angewandten Formeln sie annehmen, abweicht. Wir wurden auf dem Gipfel des Pics nicht müde, die Farbe des blauen Himmelsgewölbes zu bewundern. Ihre Intensität im Zenith schien uns gleich 41° des Cyanomcters. Man weift nach Saussure's Versuchen, daß diese Intensität mit der Verdünnung der Luft zunimmt, und daß dasselbe Instrument zur selben Zeit bei der Priorei von Chamouny 39" und alls der Spitze des Montblanc 40° zeigte. Dieser Berg ist um 549 Toisen höher als der Vulkan von Teneriffa, und wenn trotz diesen» Unterschied auf ersterem das Himmelsblau nicht so dunkel ist, so rührt dieß wohl von der Trockenheit der afrikanischen Luft und der Nähe der heißen Zone her. Wir fingen am Kraterrand Luft auf, um sie auf der Fahrt nach Amerika chemisch zu zerlegen. Die Flasche war so gut verschlossen, daß, als wir sie nach zehn Tagen öffneten, das Wasser mit Gewalt hineindrang. Nach mehreren Versuchen mit Salpeteraas in der engen Röhre des Fontana'schen Eudiometers enthielt die Luft im Krater neun Hunderttheile weniger Sauerstoff als die Seeluft; ich gebe aber wenig auf dieses Resultat, da die Methode jetzt für ziemlich unzuverlässig gilt. Der Krater des Pics hat so wenig Tiefe und die Luft darin erneuert sich so leicht, daß schwerlich mehr Stickstoff darin ist als an der Küste. Wir wissen überdem aus Gay-Lussacs und Theodor Saussure's Versuchen, daß die Luft in den höchsten Luftregionen wie in den tiefsten 0,31 Sauerstoff enthält. ^ ' Im März 1805 fingen Gay-?nfs.ic mid ich beim Hospiz ,inf dem Moitt steniö in einer stark elektrisch geladene» Wolke Luft a»f 137 Wir sahen auf dem Gipfel des Pics keine Spur von Psora, Lecidium oder andern Kryptogamen, kein Insekt flatterte in der Luft. Indessen findet man hie und da ein hautflügligtes Insekt an den Schwefelmassen angeklebt, die von schwcflichter Säure feucht sind und die Oeffnungen der Fumarolen auskleiden. Es sind Bienen, die wahrscheinlich die Blüthen des ßpartium nu-bi«6nuin aufgesucht hatten und vom Winde schief aufwärts in diese Höhe getrieben worden waren, wie die Schmetterlinge, welche Ramond auf dem Gipfel des Mont-Perdu gefunden. Die letzteren gehen durch die Kälte zu Grunde, während die Bienen auf dem Pic geröstet werden, wenn sie unvorsichtig den Spalten, an denen sie sich wärmen wollten, zu nahe kommen. Trotz dieser Wärme, die man am Nande des Kraters unter den Füßen spürt, ist der Aschenkegel im Winter mehrere Monate mit Schnee bedeckt. Wahrscheinlich bilden sich unter der Schneehaube große Höhlungen, ähnlich denen unter den Glet-scheru in der Schweiz, die beständig eine niedrigere Temperatur haben als der Boden, auf dem fie ruhen. Der heftige kalte Wind, der seit Sonnenaufgang blies, zwang uns, am Fuße des Piton Schutz zu suchen. Hände und Gesicht waren uns erstant, während unsere Stiefeln auf dem Boden, auf den wir den Fuß setzten, verbrannten. In wenigen Minuten waren wir am Fuß des Zuckerhuts, den wir so mühsam erklommen, und dose Geschwindigkeit war zum Tlieil unwillkürlich, da man häufig in der Asche hinunterrutscht. Ungern schieden wir von ">>d zerlegten sie im Volta'schen Eudiometer. Sic enthielt kciiiru Wasserstoff imd nicht um 0.0N2 woü'ger Sauerstoff al« die Pariser L»ft, die wir in hermctisch verschlossene!! Flasche» bei uns hatte,,. 138 dem einsamen Ort, wo sich die Natur in ihrer ganzen Großartigkeit vor uns aufthut: wir hofften die canariscben Inseln noch einmal besuchen zu tonnen, aber aus dem Plan wurde nichts, wie aus so vielen, die wir damals entwarfen. Wir gingen langsam durch das Malpcms': auf losen Lava-blocken tritt man nicht sicher auf. T>er Station bei dcn Felsen zu wird der Weg abwärts äußerst beschwerlich; der dichte kurze Rasen ist so glatt, das; man sich beständig nach hinten überbeugen muß, um nicht zu stürzen. Auf der sandigen Ebene der Rctama zeigte dcr Thermometer 22 ",5, und dieß schien uns nach dem Frost, der uns auf dem Gipfel geschüttelt, eine erstickende Hine. Wir hatten gar kein Wasser: die Führer hatten nicht allein dcn kleinen Vorrath Malvasier, dcn wir der freund-lichcn Vorsorge Cologans verdankten, heimlich getrunken, sondern sogar die Wasscrgefäftc zerbrochen. Zum Glück war die Flasche mit der Kratcrluft unversehrt geblieben. In dcr schöncn Rcgion der Farn und der baumartigen Heiden genossen wir endlich einiger Kühlung. Gne dicke Wol-kensckicht hüllte uns ein; sie hielt sich in 600 Toisen Höhe über der Niederung. Während wir durch diese Schicht kamen, hatten wir Gelegenheit, eine Erscheinung zu beobachten, die- uns später an: Abhang der Cordilleren öfters vorgekommen ist. Kleine Luftströme trieben Wolken streifen mit verschiedener Geschwindigkeit nach entgegengesetzten Richtungen. Dieß nahm sich aus, als ob in einer großen stehenden Wasscrmasse kleine Wasserströme sich rasch nach allen Seiten bewegten. Diese theilweise Vewegung der Wolken rührt wahrscheinlich von sehr verschiedenen Ursachen hc>', und man kann sich denken, daß der Anstoß dazu 139 sehr weit her kommen mag. Man kann den Grund in kleinen Unebenheiten des Bodens suchen, die mehr oder weniger Wärme strahlen, in einem auf irgend einem chemischen Proceß beruhenden Temperaturunterschied, oder endlich in einer starken elektrischen Ladung der 3unstbläschen. In der Nähe der Stadt Orotava trafen wir große Schwärme von Canarienvögeln. ' Tiefe in Europa so wohl bekannten Vögel waren ziemlich gleichförmig grün, einige auf dem Rücken aelblicht i ihr Schlag g ich dem der zahmen Canarienvögel, man bemerkt indessen, dak die, welche auf der Insel Gran Canaria und auf dem kleinen Eiland Monte Clara bei Lancerota gefangen werden, einen stärkeren und zugleich harmonischeren Echlag haben. In allen Himmelsstrichen hat jeder Schwärm derselben Vogelart seine eigene Sprache. Die gelben Canarien-Vögel sind eine Spielart, die in Europa entstanden ist, und die, welche wir zu Orotava und Santa Cruz de Teneriffa in Käsigten sahen, waren in Cadix nnd andern spanischen Häfen gekauft. Aber der Vogel der canarischen Inseln, der von allen den schönsten Gesang hat, ist in Europa unbekannt, der Capi-rote, der so sehr die Freiheit liebt, dasi er sich niemals zähmen lieh. Ich bewunderte seinen weichen, melodischen Schlag in cinem Garten bei Orotava, konnte ihn aber nicht nahe genug 5« Gesicht bekommen, um zu bestimmen, welcher Gattung er ange!ört. Was die Papagcyen betrifft, die man beim Aufcnt- ' I?!inssi!lll <'ill!i!ii», La Caille erzählt m seiner Reisebeschre,-buiig nach dem stap. auf der Insel Salvaste fände» sich diese Vögel in so ungehenrer Menge, daß man in einer gewissen Jahreszeit nichl umhergehen könne, ohne Eier zu zertreten. 140 halt des Cauitän Cook auf Teneriffa gesehcn haben will, so existiren sie nur in Reiseberichten, die einander abschreiben. Es gibt auf den Canarien weder Parageyen noch Asten, und obgleich erstere in der neuen Welt bis Nordcarolina wandern, so glaube ich doch kaum, daß in der alten über dem 28. Grad nördlicher Breite welche vorkommen. Wir kamen, als der Tag sich neigte, im Hafen von Oro-tava an und erhielten daselbst die unerwartete Nachricht, daß der Pizarro erst in der Nacht vom 24. zum 25. unter Segel gehen werde. Hätten wir auf diesen Aufschub rechnen können, so wären wir entweder länger auf dem Pic geblieben, ' oder Hütten einen Ausflug nach dem Vulkan Chahorra gemacht. Den folgenden Tag durchstreiften wir die Umgegend von Orotava und genossen des Umgangs mit Cologans liebenswürdiger Familie. Ta fühlten wir recht, daß der Aufenthalt auf Teneriffa nicht bloß für den Naturforscher von Interesse ist: man findet in Orotava Liebhaber von Literatur und Musik, welche ' Da viele Reisende, welche bei Santa Cruz de Teneriffa anlegen, die Besteigung des Pirs unterlassen, weil sie nicht wisse», wie viel Zeit man dazu braucht. so sind die folgenden Angaben wohl nicht unwillkommen. Nenu man bis zum Haltpunlt der Engländer sich der Maulthiere bedient, braucht man von Orotava au« zur Besteigung des Pic und zur Rückkehr in den Haftn 21 Stunden; nämlich von Orotava zum Pino del Dornajito 3 Etnude». von da zur Felsenstation ß, von da nach der Caldera 3'/,. Für die Rückkehr rechne ick !) Stuuden. Cs handelt sich dabei nur von der Zeit, die man unterwegs zubringt, keineswegs vender, die man auf dir Untersuchung der Produkte des Pic oder zum Ausruhe» verwendet. In einem halben Tag gelangt man von Santa Cruz de Teneriffa nach Orotava. 141 den Reiz europäischer Gesellschaft in diese feinen Himmelsstriche verpflanzt babcn. In dieser Beziehung haben die canarischcn Inseln mit den übrigen spanischen Colonien, Havana ausgenommen, wenig gemein. Am Vorabend des Johannistages wohnten wir einem ländlichen Feste in Herrn Littles Garten bei. Dieser Handelsmann, der den Canarien bei der letzten Getreidctheunmg bedeutende Dienste erwiesen, hat einen mit vulkanischen Trümmern bedeckten Hügel angepflanzt und an diesem köstlichen Punkt einen englischen Garten angelegt, wo man eine herrliche Aussicht auf die Pyramide des Pics, auf die Dörfer an der Küste und die Insel Palma hat, welche die weite Meeresfläche begrenzt. Ich kann diese Aussicht nur mit der in den Golfen von Neapel und Genua vergleichen, aber hinsichtlich der Großartigkeit der Massen und der Fülle des Pflanzenwuchses steht Orotava über beiden. Nei Einbruch der Nacht bot uns der Abhang des Vulkans auf einmal ein eigenthümliches Schauspiel. Nach einem Brauch, den ohne Zweifel die Spanier eingeführt hatten, obgleich er an sich uralt ist, hatten die Hirten die Ioliannisfcucr angezündet. Die zerstreuten Lichtmassen, die vom Winde gejagten Rauchsäulen hoben sich an den Seiten des Pics vom Dunkelgrün der Wälder ab. Freudengcschrci drang ck,s der Ferne zu uns herüber, und schien der einzige Laut, der die Stille der Natur an jenen einsamen Orten unterbrach. Die Familie Cologan besitzt ein Landhaus näher an der Küste als das eben beschriebene. Der Name, den ihm der Eigenthümer gegeben, bezeichnet den Eindruck, den dieser Landsitz macht. Das Haus la Paz hatte zudem noch besonderes 142 Interesse für uns. Vorda, dessen Tod wir bedauerten, hatte hier bei seiner letzten Reise nach den Canarien gewobnt. Auf einer kleinen Ebene in der Nähe hat er die Standlinie zur Messung dcr Höhe des Pics abgesteckt. Bei dieser trigonometrischen Messung diente der große Drachenbaum von Orotava als Signal. Wollte einmal ein unterrichteter Reisender eine neue genauere Messung des Vulkans mittelst astronomischer Repetitionskreise vornehmen, so mühte er die Standliuie nicht bei Orotava, sondern bei los Silos, an einem Orte, Nante genannt, messen; nach Brous-sonet ist keine Ebene in der Nähe des Pics so groß wie diese. Wir botanisirten bei la Paz und fanden in Menge das I^i-ol^en roooelln auf basaltischem, von der See bespültem Gestein. Die Orseille der Canarien ist ein sehr alter Handelsartikel; man bezieht aber das Moos weniger von Teneriffa als von den unbewohnten Infeln Salvage, Graciosa, Alegranza, sogar von Canaria und Hierro. Am 24. Juni Morgens verließen wir den Hafen von Orotava; in Laguna speisten wir beim französischen Consul. Er hatte die Gefälligkeit, die Besorgung der geologischen Sammlungen zu übernehmen, die wir dem Naturalicncabinet des Königs von Spanien übermachten. Als wir vor der Stadt auf die Rhede hinausblickten, sahen wir zu unserem Schreck den Pizarro, unsere Corvette, unter Segel. Im Hafen angelangt, erfuhren wir, er lavire mit wenigen Segeln, uns erwartend. Die englischen bei Tcneriffa stationirten Schisse waren verfchwunden, und wir hatten keinen Augenblick zu verlieren, um aus diesen Strichen wegzukommen. Wir schifften uns allein ein; unsere Reisegefährten waren Canarier gewesen, die nicht mit nach Amerika gingen. 143 Ehe wir den Archipel der Canarien verlassen, werfen wir einen Vlick auf die Geschichte des Landes. Vergeblich sehen wir uns im Periplus des Hanno und dem des Scylax nach den ersten schriftlichen Urkunden über die Ausbrüche des Pics von Teneriffa um. Diese Seefahrer hielten sich ängstlich an die Küsten, sie liefen jeden Abend in eine Bay und ankerten, und so konnten sic nichts von einem Vulkan wissen, der 56 Meilen vom Festland von Afrika liegt. Hanno berichtet indessen von leuchtenden Strömen, die sich in das Meer zu ergießen schienen: jede Nacht haben sich auf der Küste viele Feuer gezeigt, und der große Berg, der Götterwagen genannt, habe Feuergarben ausgeworfen, die bis zu den Wolken aufgestiegen. Aber dieser Berg, nordwärts von der Insel der Gorillas, ' bildete das Westende der Atlaskette, und es ist zudem sehr zweifelhaft, ob die von Hanno bemerkten Feuer wirtlich von einem vulkanischen Ausbruch herrührten, oder von dem bei so vielen Völkern herrschenden Brauch, die Wälder und das dürre Gras der Eavanen anzuzünden. In neuester Zeit waren ja auch die Naturforscher, welche die Expedition unter Contre-admiral d'Entrecasteaur mitmachten, ihrer Sache nicht gewiß, ' Auf dieser Insel sah der carthagiue.lsische Feldl,err zum erstenmal eine große menschenähnliche Affenart, die Gorillas. Er beschreibt ste als durchaus behaarte Weibrr. und als lachst bösartig, weil sie sich mil Nägeln und Zähnen wehrten. Er rühmt sich. ihrcr drei die Haut abgezogen zu haben. «», sic mitznuchmen. Gossclin verlegt die Insel der Gorillas an die Münduüg dcs Flusses Nun. aber nach dieser Annahme mühte der Sumvf. iu dem Ha,!»o eiue Menge Elephanten weide» sah. uuter 35'/, Grad Breite liegen, beinahe am Nordende von Afrila. 144 als sie die Insel Amsterdam mit dicken« Nauch bedeckt sahen. Alis der Küste von Caracas sah ich mehrere Nächte hinter einander röthliche Feuerstrcifen von brennendem Grase, die sich täuschend wie Lavaströme ausnahmen, die von den Vergen herabkamen und sich in mehrere Arme theilten. Obgleich in den Neisetagebüchcrn des Hanno und des Scylar, so weit sie uns erhalten sind, keine Stelle vorkommt, die sich mit einigem Schein von Nccht auf die canarischen Inseln beziehen liesie, ist es doch sehr wahrscheinlich, daß die Car-thager und auch die Phönicier den Pic von Teneriffa gekannt haben. ' Zu Plato's und Aristoteles Zeit waren dunkle Gerüchte davon zu den Griechen gedrungen, nach deren Vorstellung die ganze Küste von Afrika jenseits der Säulen des Her-culcs von vulkanischem Feuer verheert war.' Die Inseln der Seligen, die man Anfangs im Norden, jenseits der riphäischen Gebirge bei den Hyperboräern, ^ später südwärts von Cyrenaica ' Gincr der angesehensten deutschen Gelehrten, Heeren, hält die glückseligen Inseln Diodors von Ticilien für Madrra und Port» Canto. 2 ^rislnlsll'«. ^lirllb. ^U8eli!tm Atla«: vertex 8«mpcr »ivali» lueet naelurni« issnidu«'; aber dieser Atlas ist ssleich dcm Verge Mrvu der Hindu« ein ans richtigen Vegriffeu u>:d mythischen Fiktionen zusammengesetztes Ding, und lag nicht auf einer der brsperischeu Inseln, wie ?Ibbi> Viera und nach ihm verschiedene Reisende annehmen, die den Pic von Teneriffa beschreiben. Die folgenden Stelle« lassen feinen Zweifel hierüber: Herodot IV. <«,l. Strabo XVIl. Mela III. <0. Plinius V. 4. Eolinus I. >l. sogar Diodor von Sicilien III. ^ Die VorsteNung vom Glück, der hohen <5nlt»r und dem Reichthum der Bewohner des Nordens hatten die Griechen, die indischen Völker und die Meiicaner mit einander gemein. 145 gesucht hatte, wurden nach Westen verlegt, dahin, wo die den Alten bekannte Welt ein Ende hatte. Was man glückselige Inseln nannte, war lange ein schwankender Begriff, wie der Name Dorado bei den ersten Eroberern Amerika's. Man versetzte das Glück an das Ende der Welt, wie man den lebhaftesten Geistesgenuß in einer idealen Welt jenseits der Grenzen der Wirklichkeit sucht. Es ist nicht zu verwundern, daß vor Aristoteles die griechischen Geographen keine genaue Kenntniß von den canarischen Inseln und ihren Vulkanen hatten. Das einzige Volk, das weit nach West und Nord die See befuhr, die Carthager, fanden ihren Vortheil dabei, wenn sie diese entlegenen Landstriche in dcn Schleier des Geheimnisses hüllten. Der carthagische Senat duldete keine Auswanderung Einzelner und ersah riese Inseln als Zufluchtsort in Zeiten der Unruhe und politischen Unfälle; sie sollten für die Carthager seyn, was der freie Boden von Amerika für die Europäer bei ihren bürgerlichen und religiösen Zwistigkeiten geworden ist. Die Nömer wurden erst achtzig Jahre vor Octavians Regierung näher mit den canarischen Inseln bekannt. Ein bloßer Privatmann wollte den Gedanken verwirklichen, den der carthagische Senat in weiser Vorsicht gefaßt. Nach seiner Niederlage durch Sylla sucht Sertorius, müde des Waffenlärms, eine sichere, ruhige Zufluchtsstätte. Er wählt die glückseligen Inseln, von denen man ihm an den Küsten von Bätika eine reizende Schilderung entwirft. Er sammelt sorgfältig, was ihm von Reisenden an Nachrichten zukommt; aber in den wenigen Stücken dieser Nachrichten, die auf uns gekommen sind, und Humboldt Reis«, I. 10 146 in den umständlicheren Beschreibungen des Sebosus und des Iuba ist niemals von Vulkanen und vulkanischen Ausbrüchen die Rede. Kaum erkennt man die Insel Teneriffa und den Schnee, der im Winter die Spitze des Pics bedeckt, am Namen Nivaria, der einer der glückseligen Inseln beigelegt wird. Man könnte darnach annehmen, daß der Vulkan damals kein Feuer gespieen habe, wenn sich aus dem Stillschweigen von Schriftstellern etwas schließen ließe, von denen wir nichts besitzen als Bruchstücke und trockene Namenverzeichnisse. Umsonst sucht der Physiker in der Geschichte Urkunden über die ältesten Ausbrüche des Pics: er findet nirgends welche außer in der Sprache der Guanchen, in der das Wort „Echeyde" ' zugleich die Hölle und den Vulkan von Teneriffa bedeutete. Die älteste schriftliche Nachricht von der Thätigkeit des Vulkans, die ich habe auffinden können, kommt aus dem Anfang des sechzehnten Jahrhunderts. Sie findet sich in der Reisebeschreibung 2 des Aloysio Cadamusto, der im Jahr 1505 ' Der Verg hieß auch Aya-dyrma, in welchem Woit Horn (de Orißiu. ^mürie. p. tö3 und 48ü) dru alten Namen des Atlas findet, der nach Strabo, Plinius und Solinus Dyris war. Diese Ableitung ist höchst zweifelhaft; legt man auf die Vokale nicht mehr Werth, als sie bei den orientalischen Völkern haben, so findet man Dyris fast ganz in Daran, wie die arabischen Geographen den öst« lichen Theil des Atlasgebirges nennen. 2 Non silendum puto de insula Teneriffa quac et eximie co-litur et inter orbis insulas est eminenlior. Nam coelo sereno eminus conspicilur, adeo ut qui absunt ab ea ad Icucas hi-spanas sexaginta vel septuaginta, non difficulter cam intueantur. Quod cernatur a longe id efficit acuminatus lapis adamantinus, 547 auf den Canarien landete. Dieser Reisende war nicht selbst Zeuge eines Ausbruchs, er versichert aber bestimmt, der Berg brenne fortwährend gleich dem Aetna und das Feuer sey von Christen gesehen worden, dic als Sklaven der Guanchen auf Teneriffa lebten. Der Pic befand sich also damals nicht im Zustand der Nuhe wie jetzt, denn es ist sicher, daß kein Reisender und kein Einwohner von Teneriffa der Mündung des Pics von weitem sichtbaren Nauch, geschweige denn Flammen, hat entsteigen seben. Eö wäre vielleicht zu wünschen, daß der Schlund der Caldera sich wieder öffnete, die Scitenausbrüche würden damit weniger heftig und die ganze Inselgruppe hätte weniger von Erdbeben zu leiden. Ich habe zu Orotava die Frage besprechen hören, ob anzunehmen sey, daß der Krater des Pics im Lauf der Jahrhunderte wieder in Thätigkeit treten werde. In einer so zweifelhaften Cache kann man sich nur an die Analogie halten. Nun war nach Braccinis Bericht im Jahr 1611 der Krater des Vesuvs in: Innern mit Gebüsch bewachsen. Alles verkündete die tiefste Nuhe. und dennoch warf derselbe Schlund, der sich m ein schattiges Thal verwandeln zu wollen schien, zwanzig Jahre später Feuersäulen und ungeheure Massen Asche aus. Der Vesuv wurde im Jahr 1031 wieder so thätig, als er im ■.' i v i ■ instar pyramidis, in mcdib. Qui mctiti sunt lapidcm ajuut allitudinc lcucarum (]uimkeim ninisuram cxccdmr ab imo öi! xuniinuin vorticom. Is lapis jugiU'«- flagrat, instar Arlnue »nontis: id aflirmant «ostri C.lnisliani qui rajdi aüquando liact-ntiiniadvertiTc. AI. Cadanitist i Navipati« ;:d (orras iiin^iiK-'•'s r. 8. 148 Jahr 1500 gewesen war. So könnte möglicherweise auch der Krater des Pics sich cines Tags wieder umwandeln. Er ist jetzt eine Solfatare, ähnlich der friedlichen Eolfatare von Puz-zuoli; aber sie ist auf der Spitze eines noch thätigen Vulkans gelegen. Die Ausbrüche des Pics waren seit zweihundert Jahren sehr selten, und solche lange Pausen scheinen charakteristisch für sehr hohe Vulkane. Der kleinste von allen, der Stromboli, ist fast in beständiger Thätigkeit. Beim Vesuv sind die Ausbrüche schon seltener, indessen häusiger als beim Aetna und dem Pic von Teneriffa. Die kolossalen Gipfel der Anden, der Cotopari und der Tungurahua speien kaum einmal im Jahrhundert Feuer. Bei thätigen Vulkanen scheint die Häufigkeit der Ausbrüche im umgekehrten Verhältniß mit der Höhe und der Masse derselben zu stehen. So schien auch der Pic nach zwei und neunzig Jahren erloschen, als im Jahr 1792 der letzte Ausbruch durch eine Seitenöffnung im Berg Chahorra erfolgte. In diefem Zeitraum hat der Vesuv sechzehnmal Feuer gespieen. Ich habe anderswo ausgeführt, daß der ganze gebirgigte Theil des Königreichs Quito anzusehen ist als ein ungeheurer Vulkan von 700 Quadratmeilen Oberfläche, der aus verschiedenen Kegeln mit eigenen Namen, Cotopaxi, Tungurahua, Pichincha, Feuer speit. Ebenso ruht die ganze Gruppe der kanarischen Inseln gleichsam auf Einem untermeerischen Vulkan. Das Feuer brach sich bald durch diefe, bald durch jene der Inseln Bahn. Nur Teneriffa trägt in seiner Mitte eine ungeheure Pyramide mit einem Krater auf der, Spitze, die in jahrhundertlangen Perioden aus ihren Seiten Lavaströme ergießt. 149 Auf den andern Inseln haben die verschiedenen Ausbruche an verschiedenen Stellen stattgefunden, und man findet dort keinen vereinzelten Berg, an den die vulkanische Thätigkeit gebunden wäre. Die von uralten Vulkanen gebildete Basaltrinde scheint dort aller Orten unterhöhlt, und die Lavaströme, die auf Lan-cerota und Palma ausgebrochen sind, kommen geologisch durchaus mit dem Ausbruch überein, der im Jahr 1301 auf der Insel Ischia durch die Tuffe des Evomeo erfolgte. Es folgt hier die Liste der Ausbrüche, deren Andenken sich bei den Geschichtschreibern der Insel seit der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts erhalten hat. Jahr 1558. — Am 15. April. Zur selben Zeit wurde Teneriffa zum erstenmal von der aus der Levante eingeschleppten Pest verheert. Ein Vulkan öffnet sich auf der Insel Palma, nahe einer Quelle im?»i-ti6o 6e log Minnas. Ein Berg steigt aus dem Boden: auf der Spitze bildet sich ein Krater, der einen hundert Toisen breiten und über 2500 Toisen langen Lavastrom ergießt. Die Lava stürzt sich ins Meer, und durch die Erhitzung des Wassers gehen die Fische in weitem Umkreis zu Grunde.' Jahr 1646. — Am 13. November thut sich ein Schlund auf der Insel Palma bei Tigalate auf: zwei andere bilden sich am Mceresufer. Die Laven, die sich aus diesen Spalten ergießen, machen die berühmte Quelle Foncaliente oder Fuente ' Dieselbe Erscheinung wiederholte sich <8l1 bei dm AeZ' vulkanischen Gesteins und bilden gleichsam die erste vegetabilische Schicht, womit sich die Lavaströme überziehen. Ueberall wo die Laven verschlackt sind oder eine glänzende Oberfläche haben, wie die Vasaltkuppen im Norden von Lancerota, entwickelt sich die Vegetation ungemein langsam darauf, und es vergehen mehrere Jahrhunderte, bis Buschwerk darauf wächst. Nur wenn die Lava mit Tuff und Asche bedeckt ist, verliert sich auf vulkanischen Eilanden die Kahlheit, die sie in der ersten Zeit nach ihrer Bildung auszeichnet, und schmücken sie sich mit einer üppigen glänzenden Pflanzendecke. In seinem gegenwärtigen Zustand zeigt die Insel Teneriffa oder das Chinerfe' der Guanchen fünf Pflanzenzonen, die man bezeichnen kann als die Regionen der Weinreben, der Lorbeeren, der Fichten, der Retama, der Gräser. Diese Zonen liegen am steilen Abhang des Pics wie Stockwerke über einander und haben 1750 Toisen senkrechte Höhe, während 15 Grad weiter gegen Norden in den Pyrenäen der Schnee bereits zu 1300—1400 Toisen absoluter Höhe herabreicht. Wenn auf Teneriffa die Pflanzen nicht bis zum Gipfel des Vulkans vor« dringen, so rührt dieß nicht, daher, weil ewiges Eis' und die .^ ' Aus Ehinerfe haben die Europäer durch Corruption Tschi-»eriffe, Teneriffa gemacht. - Obgleich der Pic von Teneriffa sich nur in den Winttrmonatt« mit Tchnre bedeckt, könnte der Vulkan doch die seiner Vrcitc ent» sprechende Lchncegreuze erreichen, und wcnn er Sommers ganz schnee. 156 Kälte der umgebenden Luft ihnen unübersteigliche Grenzen setzen: vielmehr lassen die verschlackten Laven des Malvays und der frei ist, so könnte dieß nur von der freien Lage des Berges in der weiten See von der Häufigkeit aufsteigender sehr warmer Winde oder von der hohen Temperatur der Ascl,c de« Piton herrühren. Veim gegenwärtigen Stand unserer Kenntnisse lasse» sich diese Zweifel nicht heben. Vom Parallel der Verge Mexico's bis zum Parallel der Pyrenäen und der Alpen, zwischen dem 20. und dem 45. Grad ist die Curve des ewigen Schnees durch leine direkte Messung bestimmt worden, und da sich durch die wenigen Punkte, welche uns unter 0°, 20°, 45°, 62" und 7l° nördlicher Breite bekannt sind. unendlich viele Curven ziehen lassen, so kann die Beobachtung nur sehr mangelhaft durch Rechnung ergänzt werden. Ohne es bestimmt zu behaupten, kann man als wahrscheinlich annehmen, daß unter 28° l?' die Schneegrenze über iWN Toisen liegt. Vom Aequator an, wo der Schnee mit 24KN Toisen, also etwa in der Höhe de« Montblanc beginnt, bis zum 20. Nreitegrad, also bis zur Grenze des heißen Erdstrichs, rückt der Schnee nur lNU Toisen herab; läßt sich demnach annehmen, baß 8 Grad weiter und in einem Klima, das fast noch durchaus als ein tropisches erscheint, der Schnee schon 40U Toiftn tiefer stehen sollte? Selbst vorausgesetzt, der Schnee rückte vom 2N. bis znm 45. Breite-grad in arithmetischer Progression herab, was den Beobachtungen widerspricht, so finge der ewige Schnee unter der Breite des Pic erst bei 2059 Toisen über der Mceresflächc an, somit 550 Toiscn höher als in den Pyrenäen und in der Schweiz. Dieses Ergebniß wird noch durch andere Betrachtungen unterstützt. Die mittlere Temperatur der Luftschicht, mit der der Schnee im Sommer in Berührung kommt, ist in den Alpen ein paar Grad unter, unter dem Aequator ein paar Grad über dem Gefrierpunkt. Angenommen, unter 28'/? Grad sey die Temperatur gleich Null. so ergibt sich nach dem Gesetz der Wärmeabnahme, auf 98 Toisen einen Grad gerechnet, daß der Schnee in 2053 Toisen über einer Gbcne mit einer mittleren Temperatur von 2<", wie sie der Küste von Teneriffa zukommt, liegen bleiben muß. 157 dürre, zerriebene Bimsstein des Piton die Gewächse nicht an den Kraterrand gelangen. Diese Zahl stimmt fast ganz mit der, welche sich bei der Annahme einer arithmetischen Progression ergibt. Einer der Hochgi'vfcl der Sierra de Nevada de Grenada, der Pico de Veleta, dessen absolute Höhe !78l Toisen betragt, ist beständig mit Schnee bedeckt; da aber die untere Grenze des Schnees hier nicht gemessen worden ist, so trägt dieser Vcrg, der unter 37° l0' der Breite liegt, zur Lösung des vorliegenden Problems nichts bei. Durch die Lage des Vulkans von Teneriffa mitten auf einer nicht großen Insel kann die Curve des ewigen Schnees schwerlich hinaufgeschoben werden. Wenn die Winter auf Inseln weniger streng sind, so sind dagegen auch die Sommer weniger heiß, und die Höhe des Schnees hängt nicht sowohl von der ganzen mittleren Jahrestemperatur als vielmehr von der mittleren Wärme der Sommermonate ab. Auf dem Aetna beginnt der Schnee schon bei 1500 Toisen oder selbst etwas tiefer, was bei einem unter 37'//' der Breite gelegenen Gipfel ziemlich auffallend erscheint. In der Nähe des Polarkreises, wo die Sommerhitze durch den fortwährend aus dem Meere aufsteigenden Nebel gemildert wird. zeigt sich der Unterschied zwischen Inseln oder Küsten und dem innern Lande höchst auffallend. Auf Island z. V. ist auf dem Osterjöckull, unter «5° der Breite, die Grenze des ewige» Schnee« in 482, in Norwegen dagegen, unter 67". fern von der Küste in 600 Toisen Höhe, und doch sind hier die Winter ungleich strenger, folglich die mittlere Jahrestemperatur geringer als in Island. Nach diesen Angabe» erscheint es als wahrscheinlich, daß Vougucr und Sanssure im Irrthum sind, wenn sie annehmen, daß der Pic von Teneriffa die untere Grenze de« ewigen Schnees erreiche. Unter 28" 47' der Breite ergeben sich für diese Grenze wenigstens l!)5N Toisen, selbst wenn man siezwischen dem Aetna und den Bergen von Mcnco durch Interpolation berechnet. Dieser Punkt wird vollständig ins Neiue gebracht werden, wenn einmal der westliche Theil de« Allas gemessen ist, wo bei Marocco unter 3l'/i>° Breite ewiger Schnee liegt. Die erste Zone, die der Reben, erstreckt sich vom MccreZuser bis in 2—300 Toisen Höhe: sie ist die am stärksten bewohnte und die einzige, wo der Boden sorgfältig bebaut ist. In dieser tiefen Lage, im Hafen von Orotava und überall, wo die Winde freien Zutritt haben, hält sich der hunderttheilige Thermometer im Winter, im Januar und Februar, um Mittaq auf 15—17°: im Commer steigt die Hitze nicht über 25 oder ,W", ist also um 5—6" geringer als die größte Hitze, die jährlich in Paris, Berlin und St. Petersburg eintritt. Dieß ergibt sich aus den Beobachtungen Savaggi's in den Jahren 1795—1799. Die mittlere Temperatur der Küste von Teneriffa scheint wenigstens 21° (16°,8N.) zu seyn, und ihr Wma steht in der Mitte zwischen dem von Neapel und dem dcs heißen Erdstrichs. Auf der Insel Madera sind die mittleren Tempe-raturen des Januar und des August, nach Hebcrden, 17",7 und 23°,8, in Rom dagegen 5°,0 und 26°,I. Aber so ähnlich sich die Klimate von Madcra und von Teneriffa sind, kommen doch die Gewächse der ersteren Insel im Allgemeinen in Europa leichter fort als die von Teneriffa. Der (^ii-antimg lon^i-i'oimL von Orotava z. B. erfriert in Marseille, wie de Candvlle beobachtet hat, während dcr (^iinntkus muwdilis von Madcra dort im Freien überwintert. Die Sommerhitze dauert auf Madera nicht so lang als auf Teneriffa. In der Region dcr Rcbcn kommen vor acht Arten baumartiger Euphorbien, Mcsembryanthemum-Arten, die vom (iav der guten Hoffnung bis zum Peloponnes verbreitet sind, die ^äcalik kicima, der Drachenbaum, und andere Gewächse, die mit ihrem nackten, gewundenen Stamm, mit den saftigen 159 Blättern und der blaugrünen Färbung den Typus der Vegetation Afrika's tragen. In dieser Zone werden der Dattelbaum, der Vananenbaum, das Zuckerrohr, der indische Feigenbaum, ^.rum ooloenLm, dessen Wurzel dem gemeinen Volk ein nahrhaftes Mehl liefert, der Oelbaum, die europäischen Obstarten, der Weinstock und die Getreidearten gebaut. Das Korn wird von Ende März bis Anfang Mai geschnitten, und man hat mit dem Anbau des Otaheite'schen Vrodbaums, des Zimmt-baums von den Molukkcn, des Kaffcebaums aus Arabien und des Cacaobaums aus Amerika gelungene Versuche gemacht. Auf mehreren Punkten der Küste hat das Land ganz den Charakter einer tropischen Landschaft. Chamärops und der Dattelbaum kommen auf der fruchtbaren Ebene von Murviedro, an der Küste von Genua und in der Provence bei Antibes unter 39—44 Grad der Breite ganz gut fort: einige Dattelbäume wachsen sogar innerhalb der Mauern von Nom und dauern in einer Temperatur von 2 °,5 unter dem Gefrierpunkt aus. Wenn aber dem südlichen Europa nur erst ein geringes Theil von den Schätzen zugetheilt ist, welche die Natur in der Region der Palmen ausstreut, so ist die Insel Teneriffa, die unter derselben Breite liegt wie Egypten, das südliche Persien und Florida, bereits mit denselben Pflanzengestalten geschmückt, welche den Landschaften in der Nähe des Aequators ihre Großartigkeit verleihen. Bei der Musterung der Sippen einheimischer Gewächse vermißt man ungern die Bäume mit zartgesiederten Blättern und die baumartigen Gräser. Keine Art der zahlreichen Familie der Sensitiven ist auf ihrer Wanderung zum Archipel der 160 Canarien gedrungen, während sie auf beiden Continents bis zum 38. und 40. Breitegrad vorkommen. In Amerika ist die Zokrknokin, uuoinnta Willdenows ' bis hinauf in die Wälder von Virginien verbreitet: in Afrika wächst die Acacia liilmmi-l'erll auf den Hügeln bei Mogador, in Asien, westwärts vom caspischen Meer, hat v. Biberstein die Ebenen von Chvrvan mit ^ollcikl 3t6s>kaniana bedeckt gesehen. Wenn man die Pflanzen von Lancerota und Fortaventura, die der Küste von Marocco am nächsten liegen, genauer untersuchte, könnten sich doch unter so vielen Gewächsen der afrikanischen Flora leicht ein paar Mimosen finden. Die zweite Zone, die der Lorbeeren, begreift den bewaldeten Strich von Teneriffa; es ist dieß auch die Region der Quellen, die aus dem immer frischen, feuchten Rafen sprudeln. Herrliche Wälder krönen die an den Vulkan sich lehnenden Hügel. Hier wachsen vier Lorbeerarten,' eine der Hul.'1-ou« 'I'urneri aus den Bergen Tibets nahestehende Eiche, ^ hie Vißnea Nucanera, die Ulrica I^a der Azoren, ein einheimischer Olivenbaum (OI^u, exeoisk), der größte Baum in dieser Zone, zwei Arten Liätirox^wu mit ausnehmend schönem Laub. ^.rdutus eall^carp», und andere immergrüne Bäume aus der Familie der Myrten. Winden und ein vom europäischen sehr verschiedener Epheu (Ueäera, oanarisnsiL) überziehen 1 Mimosa horridula, Michaux. 2 Laurus indica, L. foetcns, L. nobilis nub L. Til. 3»tfd>eit btefeu Säumen tuad)fen Aridisia excclsa, Rhamnus glandulosus, Erica arborea, Erica Texo. 3 Quercus Canariensis, Broussonct. :,: tftl die Lorbeerstämme, und zu ihren Füßen wuchern zahllose Farn/ von denen nur drei Arten ' schon in der Region der Reben vorkommen. Auf dem mit Moosen und zartem Gras über» zogenen Boden prangen überall die Blüthen der Onmps.nu1k u,urkk, des Olil^snntkemum piuuatiliclum, der Nkntk«, (HNäi-iensig und mehrerer strauchartiger Hypericumarten. ' Pflanzungen von wilden und geimpften Kastanien bilden einen weiten Gürtel um das Gebiet der Quellen, welches das grünste und lieblichste von allen ist. Die dritte Zone beginnt in 900 Toisen absoluter Höhe, da wo die letzten Gebüsche von Erdbeerbäumen, N^i-ios, ln?» und des schönen Heidekrauts stehen, das bei den Eingeborenen Teio heißt. Diese 400 Toisen breite Zone besteht ganz aus einem mächtige» Fichtenwald, in dem auch Broussonets ^uui-perns <^6clru vorkommt. Die Fichten haben sehr lange, ziemlich steife Blätter, deren zuweilen zwei, meist aber drei in einer Scheide stecken. Da wir ihre Früchte nicht untersuchen konnten, wissen wir nicht, ob diese Art, die im Wuchs der schottischen Fichte gleicht, sich wirklich von den achtzehn Fichtenarten unterscheidet, die wir bereits in der alten Welt kennen. Nach der Ansicht eines berühmten Botanikers, dessen Neisen die Pflanzen« geographic Europa's sehr gefördert haben, de Candolle, unterscheidet sich die Fichte von Teneriffa sowohl von der kinug 1 Woodwardiu radicans, Asplenium palmatum, A. cana-riense, A latiftilium, Nothalaena subcordata, Tricliomanes ca-nariensis, T. speciosus unb Davallia canariensis. 2 3*»ei Acrostichum unb fca« Ophyoglossum lusitanicum. 3 Hyperium canariense. H. floi ibundum uitb H. glandulosum. ^uinbcltt, »Helft. I. . 11 162 atlantio» in den Bergen bei Mogador, als von der Fichte von Aleppo, ' die dem Becken des mittelländischen Meeres angehört und nicht über die Säulen des Herkules hinauszugehen scheint. Die letzten Fichten fanden wir am Pic etwa in 1200 Toisen Höhe über dem Meer. In den Cordillercn von Neuspanien, im heißen Erdstrich, gehen die mericanischen Fichten bis zu 2000 Toisen Höhe. So sehr auch die verschiedenen Arten einer und derselben Pflanzengatwng ini Bau übereinkommen, so verlangt doch jede zu ihrem Fortkommen einen bestimmten Grad von Wärme und Verdünnung der umgebenden Luft. Wenn in den gemäßigten Landstrichen und überall, wo Schnee fällt, die constante Bodenwärme etwas höher ist als die mittlere Lufttemperatur, so ist anzunehmen, daß in der Höhe des Portillo die Wurzeln der Fichten ihre Nahrung aus einem Boden ziehen, in dem in einer gewissen Tiefe der Thermometer höchstens auf 9 bis 10 Grad steigt. Die vierte und fünfte Zone, die der Retama und der Gräfer, liegen so hoch wie die unzugänglichsten Gipfel der Pyrenäen. Es ist dieß der öde Landstrich der Insel, wo Haufen von Bimsstein, Obsidian und zertrümmerter Lava wenig Pflanzen-Wuchs aufkommen lassen. Schon oben war von den blühenden ' ?inu8 Ii»1epen5i8. Nach de ssandolles Bemerkung hieße diese Fichte, die in Portugal f?h!t und am Abhang von Frankreich und Svanie» gegen das Mittelmeer in Italien, in Kleinasien und in drv Varbarei vorkommt, besser ^inu» M0nl>n. Sir ist der Herr» schende Vanm in den Fichtenwäldern de« südöstlichen Frankreichs, wo sie von Gouan und Gerard mit der P»NU8 8>!ve8lli8 verwechselt worden ist. 163 Büschen des Alftenginsters sspartimn nudi^enum) die Rede, welche Oasen in einem weiten Aschenmee« bilden. Zwei krautartige Gewächse, ßoropkularin, ziakrat» und Violg, okeii^u-UüsaN«^ gehen weiter hinauf bis ins Malpays. Ueber einem von der afrikanischen Sonne ausgebrannten Rasen bedeckt die (Aüäouj» pÄsokälis dürre Strecken: die Hirten zünden sie häufig an, wobei sich dann das Feuer sehr weit verbreitet. Dem Gipfel des Pic zu arbeiten Urceolaricn und andere Flechten an der Zersetzung des verschlackten Gesteins, und so erweitert sich auf von Vulkanen verheerten Eilanden Floras Reich durch die nie stockende Thätigkeit organischer Kräfte. Ucberblicken wir die Vegetationszonen von Teneriffa, so sehen wir, daß die ganze Insel als ein Wald von Lorbeeren, Erdbeerbäumen und Fichten erscheint, der kaum an seinen Rändern von Menschen urbar gemacht ist, und in der Mitte ein nacktes steinigtes Gebiet umschließt, das weder zum Ackerbau noch zur Weide taugt. Nach Broussoncts Bemerkung läßt sich der Archipel der Canarien in zwei Gruppen theilen. Tie erste begreift Lancerota und Fortauentnra, die zweite Teneriffa, Canaria, Gomera, Ferro und Palma. Beide weichen im Habitus ihrer Vegetation bedeutend von einander ab. Die ostwärts gelegenen Inseln, Lancerota und Fortaventura, haben weite Ebenen und nur niedrige Berge: sie sind fast auellenlos, und diese Eilande haben noch mehr als die andern den Charakter vom Continent getrennter Länder. Die Winde wehen hier in derselben Richtung und zu denselben Zeiten; Lupkordia maui-ittmicü, ^.twpu, fruteseens und 8cmoliu8 arboi'68-(NN8 wuchern im losen Sand und dienen wie in Afrika den 164 Kameelen als Futter. Auf der westlichen Gruppe der Canarien ist das Land höher, stärker bewaldet, besser von Quellen bewässert. Auf dem ganzen Archipel finden sich zwar mehrere Gewächse, die auch in Portugal, ' in Spanien, auf den Azoren und im nordwestlichen Afrika vorkommen, aber viele Arten und selbst einige Gattungen sind Teneriffa, Porto-Santo und Madera eigenthümlich, unter andern Unoäner», kloenm», Losen, Oknarmn,, Drug», kitto8s>orum. Ein Typus, der sich als ein nördlicher ansprechen läßt, der der Kreuzblüthen,' ist auf den Canarien schon weit seltener als in Spanien und Griechenland. Weiter nach Süden, im tropischen Landstrich beider ' Willdenow u»d ich haben nntcr den Pflanzen vom Pic von Teneriffa das schöne sal^ium pb?llum s0rcn>8 cmöulii. ^VMli.) erkannt, die Link in Portugal gefimdc». Die Canarien haben nicht die Dicken!« l^ulcita, den einzigen Vaumfarn. der u.iter 39° der Vreite vorkommt, wohl aber ^splenium palmalum und Africa I^a mit der Flora der Azoren gemein. Letzterer Vaum findet sich in Portugal wild, Hofmannsegg hat sel,r alte Stämme gesehen, es bleibt aber zweifelhaft, rb er in diesem Theil unsels Continent« einheimisch oder eingeführt ist. Denkt man über die Wanderungen der Gewächse nach und zieht man in Betracht, daß es geologisch möglich ist, daß Portugal, die Azoren, die ^anarirn und die Atlas-tette einst durch nunmehr im Meer versunkene Länder zusammengehangen haben, so erscheint das Vorkommen der Hl^icil fzv» im westlichen Europa zum mindesten ebenso auffallend, als wenn dir Fichte von Aleppo auf den Azoren vorkäme. 2 Von den wenigen struciferen in der Flora von Teneriffa fuhren wir an: Cheiranthus lon£i!blius. Ch. frutescens, V.h. scoparis, Erysimum bicorne, Crambe strigosa, C. laevigata. 165 Continente, wo die mittlere Lufttemperatur über 23° ist, verschwinden die Kreuzblüthen fast gänzlich. Eine Frage, die für die Geschichte der fortschreitenden Entwicklung des organischen Lebens auf dem Erdball von großer Bedeutung erscheint, ist in neuerer Zeit viel besprochen worden, nämlich, ob polymorphe Gewächse auf vulkanischen Inseln häufiger sind als anderswo? Die Vegetation von Teneriffa unter« stützt keineswegs die Annahme, daß die Natur auf neugebildetem Boden die Pflanzenformen weniger streng festhält. Broussonet, der sich so lang auf den Canarien aufgehalten, versichert, veränderliche Gewächse seyen nicht häufiger als im südlichen Europa. Wenn auf der Insel Bourbon so vicle polymorphe Arten vor« kommen, sollte dieß nicht vielmehr von der Beschaffenheit des Bodens und des Klimas herrühren, als davon, daß die Vegetation jung ist? Wohl darf ich mir schmeicheln, mit dieser Naturskizze von Teneriffa einiges Licht über Gegenstände verbreitet zu haben, die bereits von so vielen Reisenden besprochen worden sind; indessen glaube ich, daß die Naturgeschichte dieses Archipels der Forschung noch ein weites Feld darbietet. Die Leiter der wissenschaftlichen Entdeckungsfahrten, wie sie England, Frankreich, Spanien, Dänemark und Rußland zu ihrem Ruhme unter« nommen, haben meist zu sehr geeilt, von den Canarien wegzukommen. Sie dachten, da diese Inseln so nahe bei Europa liegen, müßten sie genau beschrieben seyn: sie haben vergessen, daß das Innere von Neuholland geologisch nicht unbekannter ist als die Gebirgsarten von Lancerota und Gomera, Porto-Santo und Terceira. So viele Gelehrte bereisen Jahr für 166 Jahr ohne bestimmten Zweck die besuchtesten Länder Europa's. Es wäre wünschcnswerth, daß einer und der andere, den ächte Liebe zur Wissenschaft beseelt und dem die Verhältnisse eine mehrjährige Reise gestatten, den Archipel der Azoren, Madera, die Canarien, die Inseln des grünen Vorgebirgs und die Nordwestküste von Afrika bereiste. Nur wenn man die atlantischen Inseln und das benachbarte Festland nach denselben Gesichtspunkten untersucht und die Beobachtungen zusammenstellt, gelangt man zur genauen Kenntniß der geologischen Verhältnisse und der Verbreitung der Thiere und Gewächse. Vevor ich die alte Welt verlasse und in die neue übersetze, habe ich einen Gegenstand zu berühren, der allgemeineres Interesse bietet, weil er sich auf die Geschichte der Menschheit und die historischen Verhängnisse bezieht, durch welche ganze Volksstämme vom Erdboden verschwunden sind. Auf Cuba, St. Do-mingo, Jamaica fragt man sich, wo die Ureinwohner dieser Länder hingekommen sind; auf Teneriffa fragt man sich, was aus den Guanchen geworden ist, deren in Höhlen versteckte, vertrocknete Mumien ganz allein der Vernichtung entgangen sind. Im fünfzehnten Jahrhundert holten fast alle Handels-völter, besonders aber die Spanier und Portugiesen, Sklaven von den Canarien, wie man sie jetzt von der Küste von Guinea holt. ' Die christliche Religion, die in ihren Anfängen die menschliche Freiheit so mächtig förderte, mußte der europäischen ' Die spanischen Geschichtschreiber spreche» vnn Fahrten, welche die Hugenotten ucm La Rochelle unternommen haben sollen. »>m Guanchensklaven z» holen. Ich fami dieß nicht glauben, da diese Fahrten nach dem Jahr <530 fallen müßten. 167 Habsucht als Vorwand dienen. Jedes Individuum, das gefangen wurde, ehe es getauft war, verfiel der Sklavern. Zu jener Zeit hatte man noch nicht zu beweisen gesucht, daß der Neger cin Mittelding zwischen Mensch und Thier ist: der gebräunte Guanche und der afrikanische Neger wurden auf dem Markte zu Sevilla mit einander verkauft, und man stritt nicht über die Frage, ob nur Menschen mit schwarzer Haut und Wollhaar der Sklaverei verfallen sollen. Auf dem Archipel der Canarien bestanden mehrere kleine, einander feindlich gegenüber stehende Staaten. Oft war dieselbe Insel zwei unabhängigen Fürsten unterworfen, wie in der Südsee und überall, wo die Cultur noch auf tiefer Stufe steht. Die Handelsvölkcr befolgten damals hier dieselbe arglistige Politik, wie jetzt auf den Küsten von Afrika: sie leisteten den Bürgerkriegen Vorfchub. So wurde ein Guanche Eigenthum des andern, und dieser verkaufte jenen den Europäern; manche zogen den Tod der Sklaverei vor und tödteten sich und ihre Kinder. So hatte die Bevölkerung der Canarien durch den Sklavenhandel, durch die Menschenräuberei der Piraten, besonders aber durch lange blutige Zwiste bereits starke Verluste erlitten , als Alonso de Lugo sie vollends eroberte. Den Ueberrest der Guanchen raffte im Jahr 1494 größtentheils die berühmte Pest, die sogenannte Modorra hin, die man den vielen Leichen zuschrieb, welche die Spanier nach der Schlacht bei Laguna hatten frei liegen lassen. Wenn ein halb wildes Volk, das man um sein Eigenthum gebracht, im selben Lande neben einer civi-linrten Nation leben muß, so sucht es sich in den Gebirgen und Wäldern zu isoliren. Inselbewohner haben keine andere Zuflucht, 168 und so war denn das herrliche Volt der Guanchen zu Anfang des siebzehnten Jahrhunderts so gut wie ausgerottet; außer ein paar alten Männern in Candelaria und Guimar gab es keine mehr. Es ist ein tröstlicher Gedanke, daß die Weißen es nicht immer verschmäht haben, sich mit den Eingeborenen zu vermischen: aber die heutigen Canadier, die bei den Spaniern schlechtweg Islenos heißen, haben triftige Gründe, eine solche Mischung in Abrede zu ziehen. In einer langen Geschlechtsfolge verwischen sich die charakteristischen Merkmale der Racen, und da die Nachkommen der Andalusier, die sich auf Teneriffa niedergelassen, selbst von ziemlich dunkler Gesichtsfarbe sind, so kann die Hautfarbe der Weißen durch die Kreuzung der Racen nicht merkbar verändert worden seyn. Es ist Thatsache, daß gegenwärtig kein Eingeborener von reiner Race mehr lebt, und sonst ganz wahrheitsliebende Reisende sind im Irrthum, wenn sie glauben, bei der Besteigung des Pics schlanke, schnellfüßige Guanchen zu Führern gehabt zu haben. Allerdings wollen einige canarische Familien vom letzten Hirtenkönig von Guimar abstammen, aber diese Ansprüche haben wenig Grund i sie werden von Zeit zu Zeit wieder laut, wenn einer aus dem Voll. der brauner ist als seine Landsleute, Lust bekommt, sich um eine Officiersstelle im Dienste des Königs von Spanien umzuthun. Kurz nach der Entdeckung von Amerika, als Spanien den Gipfel seines Ruhms erstiegen hatte, war es Brauch, die sanfte Gemüthsart der Guanchen zu rühmen, wie man in unserer Zeit die Unschuld der Bewohner von Otaheiti gepriesen hat. Bei beiden Bildern ist das Colorit glänzender als wahr. Wenn die 169 Völker, erschöpft durch geistige Genüsse, in der Verfeinerung der Sitten nur Keime der Entartung vor sich sehen, so finden sie einen eigenen Reiz in der Vorstellung, daß in weit entlegenen Ländern, beim Dämmerlicht der Cultur, in der Nildung begriffene Mcnschenvereine eines reinen, ungestörten Glückes genießcn. Diesem Gefühl verdankt Tacitus zum Theil den Beifall, der ihm geworden, als er den Römern, den Unterthanen der Cäsaren, die Sitten der Germanen schilderte. Dasselbe Gefühl gibt den Beschreibungen der Reisenden, die seit dem Ende des verflossenen Jahrhunderts die Inseln des stillen Oceans besucht haben, den unbeschreiblichen Reiz. Die Einwohner der zuletzt genannten Inseln, die man wohl zu stark gepriesen hat und die einst Menschenfresser waren, haben in mehr als einer Beziehung Aehnlichkeit mit den Guanchen von Teneriffa. Beide sehen wir unter dem Joche eines feudalen Regiments seufzen, und bei den Guanchen war diese Staats-form, welche so leicht Kriege herbeiführt und sie nicht enden läßt, durch die Religion geheiligt. Die Priester sprachen zum Volt: „Achaman, der große Geist, hat zuerst die Edlen, die Achimenceys, geschaffen und ihnen alle Ziegen in der Welt zugetheilt. Nach den Edeln hat Achaman das gemeine Volt geschaffen, die Achicaxnas; dieses jüngere Geschlecht nahm sich heraus, gleichfalls Ziegen zu verlangen: aber das höchste Wesen erwiederte, das Volk sey dazu da, den Edeln dienstbar zu seyn, und habe kein Eigenthum nöthig." Eine solche Ueberlieferung mußte den reichen Vasallen dcr Hirtenkönige ungemein behagen; auch stand dem Faycan odcr Obervnest>.'r das Recht zu, in den Adelstand zu erheben, und ein Gesetz verordnete, daß jeder 170 Achimencey, der sich herbeiließe, eine Ziege mit eigenen Händen zu melken, seines Adrls verluftig sey,, sollte. Ein solches Gesetz erinnert keineswegs an die Sitteneinfalt des homerischen Zeitalters. Cs befremdet, wenn man schon bei den Anfängen der Cultur die nützliche Beschäftigung mit Ackerbau und Viehzucht mit Verachtung gebrandmarkt siebt. Die Guanchcn waren berühmt durch ihren hohen Wuchs; sie erschienen als die Patagonen der alten Wclt und die Geschichtschreiber übertrieben ihre Muskelkraft, wie man vor Bougainville's und Cordoba's Reisen dem Volksstamm am Südende von Amerika eine kolossale Körpergröße zuschrieb. Mumien von Guanchen habe ich nur in den europäischen Cabinetten gesehen; zur Zeit meiner Reife waren sie auf Teneriffa fehr selten; man müßte sie aber in Menge finden, wenn man die Grabhöhlen, die am östlichen Abhang des Pics zwischen Arico und Guimar in den Fels gehauen sind, bergmännisch aufbrechen ließe. Diese Mumien sind so stark vertrocknet, daß ganze Körper mit der Haut oft nicht mehr als sechs bis sieben Pfund wiegen, das heißt ein Drittheil weniger, als das Skelett eines gleich großen Individuums, von dem man eben das Muskelfleisch abgenommen hat. Die Schädelbildung ähnelt einigermaßen der der weißen Race der alten Egypter, und die Echneidezähne sind auch bei den Guanchen stumpf, wie bei den Mumien vom Nil. Aber diese Zahnform ist rein künstlich und bei genauerer Untersuchung der Kopfbildung der alten Guanchen haben geübte Anatomen ' gefunden, daß sie im Jochbein und im Unterkiefer von den 1 Sßlnmtnbad), Decas quinta collectionis craniorum diver-sarum gentium illustrium. 171 egyptischm Mumien bedeutend abweicht. Oeffnet man Mumien von Guanchen, so findet man Ueberbleibsel aromatischer Kräuter, unter denen' immer das (^6lwpo6iuin klmdr08ioi6sL vorkommt; zuweilen sind die Leichen mit Schnüren geschmückt, an denen kleine Scheiben aus gebrannter Erde hängen, die als Zahlzeichen gedient zu haben scheinen und die mit den Quippos der Peruaner, Mericaner und Chinesen Aehnlichkeit haben. Da im Allgemeinen die Bevölkerung von Inseln den umwandelnden Einflüssen, wie sie Folgen der Wanderungen sind, weniger ausgesetzt ist als die Bevölkerung der Festländer, so läßt sich annehmen, daß der Archipel der Canarien zur Zeit der Carthager und Griechen vom selben Menschenstamm bewohnt war, den die normannischen und spanischen Eroberer vorfanden. Das einzige Denkmal, das einiges Licht auf die Herkunft der Guanchen werfen kann, ist ihre Sprache; leider sind uns aber davon nur etwa hundert und fünfzig Worte aufbehalten, die zum Theil dasselbe in der Mundart der verschiedenen Inseln bedeuten. Außer diesen Worten, die man sorgfältig gesammelt, hat man in den Namen vieler Dörfer, Hügel und Thäler wichtige Sprachreste vor sich. Die Guanchen, wie Basken, Hindus, Peruvicmer und alle sehr alten Völker, benannten die Oertlichkeitcn nach der Beschaffenheit des Bodens, den sie bebauten, nach der Gestalt der Felfen, deren Höhlen ihnen als Wohnstätten dienten, nach den Vaumarten, welche die Quellen beschatteten. Man war lange der Meinung, die Sprache der Guanchen habe keine Aehnlichteit mit den lebenden Sprachen: aber seit die Sprachforscher durch Hornemanns Reise und ourch die 172 scharfsinnigen Untersuchungen von Marsden und Ventura auf die Berbern aufmerksam geworden sind, die, gleich den slavi-schen Völkern, in Nordafrika über eine ungeheure Strecke verbreitet sind, hat man gefunden, daß in der Sprache der Guanchen und in den Mundarten von Chilha und Gebali mehrere Worte aleiche Wurzeln baden. Wir führen folgende Beispiele an: Himmel, Guanckisch Tigo, Berberisch Tigot. Milch, — A ho, — Acho. Gerste, — Temasen — Tomzeen. Korb, — Carianas — Carian. Nasser. — Aenuin — A nan. Ich glaube nicht, daß diese Sprachähnlichteit ein Beweis für gemeinsamen Ursprung ist; aber sie deutet darauf hin, daß die Guanchen in alter Zcit in Verkehr standen mit den Berbern, einem Gcbirgsvolk, zu dem die Numidicr, Getuler und Garamanten verschmolzen sind und das vom Ostende des Atlas durch das Harudje und Fezzan bis zur Oase von Eyuah und Audjelah sich ausbreitet. Die Eingeborenen der Canarien nannten sich Guanchen, von Guan, Mensch, wie die Ton-gusen sich Pye und Donky nennen, welche Worte dasselbe bedeuten, wie Guan. Indessen sind die Völker, welche die Nerbersprache sprechen, nicht alle desselben Stammes, und wenn Scylax in seinem Periplus die Einwohner von Cerne als ein Hirtenvolk von hohem Wuchs mit langen Haaren beschreibt, so erinnert dieß an die körperlichen Eigenschaften der canarischen Guanchen. Je genauer man die Sprachen aus philosophischem Gesichts- 173 punkte untersucht, desto mehr zeigt sich, daß keine ganz allein steht; diesen Anschein würde auch die Sprache der Guanchen ' noch weniger haben, wenn man von ihrem Mechanismus und ihrem grammatischen Bau etwas wüßte, Elemente, welche von größerer Bedeutung sind als Wortform und Glcichlaut. Es verhält sich mit gewissen Mundarten wie mit den organischen Bildungen, die sich in der Reihe der natürlichen Familien nirgends unterbringen lassen. Sie stehen nur scheinbar so vereinzelt da: der Schein schwindet, so bald man eine größere Masse von Bildungen überblickt, wo dann die vermittelnden Glieder hervortreten. Gelehrte, die überall, wo es Mumien, Hieroglyphen und Pyramiden gibt, Egypten sehen, sind vielleicht der Ansicht, das Geschlecht Typhons und die Guanchen stehen in Zusammenhang mittelst der Verbern, ächter Atlanten, zu denen die Tibbos und Tliarycks der Wüste gehören.' Es genügt hier aber an der Bemerkung, das, eine solche Annahme durch keinerlei Aehn-lichkeit zwischen der Berbersprache und dem Coptischen, das ' Nach Paters Untersuchungen zeigt die Sprache der Guanchrn folgende Aehnlichkeiteu mit den Sprachen roeit aus einander gelegener Voller: Hund bei den Huronen in Amerika «i^uienun. bei den Guanchrn iixu;gn; Mensch bei den Peruanern c«i->> bei den Guanchrn caran; König bei den Mandingo« in Afrika man 8«, bei den Guauchc» mouse 5. Der Name der Insel Gomera kommt im Worte Gomer zum Vorschein, das der Name cincs Vcrberstammes ist. (Vater. Untersuchungen über Amerika. S. r» <-. Gott. und illmo^uron. Tempel, scheinen arabischen Ursprungs, wenigsten« bedeutet in letzterer Sprache ulmnkilll-um heilig. ' Hornemann« Neise von ssairo nach Mourzouk. 174 mit Recht für ein Ueberbleibsel des alten Egyptischen gilt, unterstützt wird. Das Volk, das die Guaucken verdrängt hat, stammt von Spaniern und zu einem sehr kleinen Theil von Normannen ab. Obgleich diese beiden Volksstämme drei Jahrhunderte lang demselben Klima ausgesetzt gewesen sind, zeichnet sich dennoch der letztere durch weißere Haut aus. Die Nachkommen der Normannen wohnen im Thal Teganana zwischen Punta de Naga und Punta de Hidalgo. Tie Namen Grandville und Dampierre kommen in diesem Bezirke noch ziemlich häusig vor. Die Canarier sind ein redliches, mäßiges und religiöses Volt: zu Haus zeigen sie aber weniger Betriebsamkeit als in fremden Ländern. Ein unruhiger Unternehmungsgeist treibt diese Insulaner, wie die BiZcayer und Catalanen, auf die Philippinen, auf die Marianen, und in Amerika überall hin, wo es spanische Colonien gibt, von Chili und dem la Plata bis nach Neumerico, Ihnen verdankt man großentheils die Fortschritte des Ackerdaus in den Colonien. Der ganze Archipel hat kaum 160,000 Einwohner, und der Islenos sind vielleicht in der neuen Welt mehr als in ihrer alten Heimath. QSttintiltn Elnnwhncr aufdieQ,Vi, Teneriffa hatte auf 73 i.I. 1790 70,000, 958 Fortaventura „ „ 63 9,000, 142 Die große Canaria „ „ 60 50,000, 833 Palma 27 „ 22,600, 837 Lancerota » /, 26 10,000, 384 Gomera ,. „ 14 7,400, 528 Ferro » „ 7 5,000, 714 175 An Wein werden auf Teneriffa geerntet 30 — 24,000 Pipes, worunter 5000 Malvasier; jährliche Ausfubr von Wein 8—9000 Pipes: Gesammt-Getreideernte des Archipels 54,000 Fanegas zu hundert Pfund. In gemeinen Jahren reicht diese Ernte aus zum Unterhalte der Einwohner, die großentheils von Mais, Kartoffeln und Bohnen (^risoies) leben. Der Anbau des Zuckerrohrs und der Baumwolle ist von geringem Belang, und die vornehmsten Handelsartikel sind Wein, Branntwein, Drseille und Soda. Bruttoeinnahme der Negierung, die Tabakspacht eingerechnet, 240,000 Piaster. Auf nationalökonomifchc Erörterungen über die Wichtigkeit der canarischen Inseln für die Handelsvölker Europa's lasse ich wich nicht ein. Ich beschäftigte mich während meines Aufenthalts zu Caracas und in der Havana lange mit statistischen Untersuchungen über die spanischen Colonien, ich stand in genauer Verbindung mit Mimnern, die auf Teneriffa bedeutende Aemter betleidet, und fo hatte ich Gelegenheit, viele Angaben über den Handel von Santa Cruz und Orotava zu sammeln. Da aber mehrere Gelehrte nach mir die Canarien besucht haben, standen ihnen dieselben Quellen zu Gebot, und ich entferne vhne Bedenken aus meinem Tagebuch, was in Werken, die vor dem mcinigen erschienen sind, genau verzeichnet steht. Ich beschränke mich hier auf einige Bemerkungen, mit denen die Schilderung, die ich vcm Archipel der Canarien entworfen, gegossen seyn mag. Es ergeht diesen Inseln, wie Egypten, der Krimm und so vielen Ländern, welche von Reisenden, welche in Contrasten Wirkung suchen, über das Maaß gepriesen oder heruntergesetzt 176 worden sind. Die einen schildern von Orotava alls, wo sie ans Land gestiegen, Teneriffa als einen Garten der Hesperiden: sie können das milde Klima, den fruchtbaren Boden, den reichen Anbau nicht genu^ rühmen; andere, die sich in Santa Cruz aufhalten mußten, fahen in den glückseligen Inseln nichts als ein kahles, dürres, von einem elenden, geistesbesckränttcn Volke bewohntes Land. Wir haben gefunden, daß die Natur auf diesem Archipelagus, wie in den meisten gebirgigen und vulkanischen Ländern, ihre Gaben sehr ungleich vertheilt hat. Die canarischen Inseln leiden im Allgemeinen an Wassermangel: aber wo sich Quellen finden, wo künstlich bewässert wird oder häusig Negen fällt, da ist auch der Boden ausnehmend fruchtbar. Das niedere Volk ist fleißig, aber es entwickelt seine Thätigkeit ungleich mehr in fernen Colonien als auf Teneriffa srlbst, wo dieselbe auf Hindernisse stößt, die eine kluge Verwaltung allmählich aus dem Wege räumen könnte. Die Auswanderung wird abnehmen, wenn man sich entschließt, das unangebautc Grundeigenthum des Staats unter der Einwohnerschaft zu vertheilen, die Ländereien, welche zu den Majoraten der großen Familien gehören, ;u verkaufen und allmählich die Feudalrechte abzufchaffen. Die gegenwärtige Bevölkerung der Canarien erscheint allerdings unbedeutend, wenn man sie mit der Bevölkerung mancher europäischen Länder vergleicht. Die Insel Madera, deren fleißige Bewohner einen fast von Pflanzcnerde entblößten Felsen bebauen, ist siebenmal kleiner als Teneriffa, und doch doppelt so start bevölkert: aber die Schriftsteller, die sich darin gefallen, die Entvölkerung der spanischen Colonien mit so grellen Farben 177 zu schildern und den Grund davon in der kirchlichen Hierarchie suchen, übersehen, daß überall seit der Regierung Philipps V. die Zahl der Einwohner in mehr oder minder rascher Zunahme begriffen ist. Bereits ist auf den Canarien die Bevölkerung relativ stärker als in beiden Castilien, in Estremadura und in Schottland. Alle Inseln zusammengerückt stellen ein Gebirgs-land dar, das um ein Siebentheil weniger Flächeninbalt hat als die Insel Corsica und doch gleich viel Einwohner zählt. Obgleich die Inseln Fortaventura und Lancerota, die am schlechtesten bevölkert sind, Getreide ausführen, während Teneriffa gewöhnlich nicht zwei Drittheilc seines Bedarfs erzeugt, so darf man doch daraus nicht den Schluß ziehen, daß auf letzterer Insel die Bevölkerung aus Mangel an Lebensmitteln nicht zunehmen könnte. Die canarischen Inseln sind noch auf lange vor den Uebeln der Uebervölkerung bewahrt, deren Ursachen Malthus so sicher und scharfsinnig entwickelt hat. Das Elend des Volts ist um vieles gelindert worden, seit der Kartoffelbau eingeführt ist uud man angefangen hat mehr Mais als Gerste und Weizen zu bauen. Die Bewohner der Canarien sind ihrem Charakter nach ein Gebirgsvolt und ein Iuselvolk zugleich. Will man sie richtig beurtheilen, muß man sie nicht nur in ihrer Heimath sehen, wo ihr Fleiß auf gewaltige Hemmnisse stößt: man muß sio beobachten in den Steppen der Provinz Caracas, auf dem Rücken der Anden, auf den glühenden Ebenen der Philippinen, überall wo sie, einsam in unbewohnten Ländern, Gelegenheit finden die Kraft und die Thätigkeit zu entwickeln, welche der wahre Reichthum des Colonisten sind. Humboldt, Rtist. i. 12 178 Die Canarier gefallen sich darin, ihr Land als einen Hheil des europäischen Spaniens zu betrachten, und sie haben auch wirklich die castilianische Literatur bereichert. Die Namen Clavigo (Verfasser des Pen sad or), Viera, Yriarte und Ne-tancourt sind in Wissenschaft und Lttcratur mit Ehren genannt: das canarische Volk besitzt die lebhafte Einbildungskraft, die den Bewohnern von Andalusien und Grenada eigen ist, und es ist zu hoffen, daß die glückseligen Inseln, wo der Mensch wie überall die Segnungen und die harte Hand der Natur empfindet, dereinst einen eingebornen Dichter finden, der sie würdig besingt. drittes Kapitel. Ueberfnbrt von Teneriffa an dir Küste von Eiidcimeri'f«. — Anknnft in stumana. Am 25. Juni Abends verließen wir die Rhede von Santa Cruz und schlugen den Weg nach Südamerika ein. Es wehte stark aus Nordost und das Meer schlug in Folge der Gegenströmungen kurze gedrängte Wellen. Die canarischen Inseln, auf deren hohen Bergen ein röthlicher Duft lag, verloren wir bald aus dem Gesicht. Nur der Pic zeigte sich von Zeit zu Zeit in Blinken, wahrscheinlich weil der in der hohen Lustregion herrschende Wind dann und wann die Wolken um den Piton verjagte. Zum erstenmal empfanden wir, welchen lebhaften Eindruck der Anblick von Ländern an der Grenze des heißen Erdgürtels, wo die Natur so reich, so großartig und so wundervoll auftritt, auf unser Gemüth macht. Wir hatten nur kurze Zeit auf Teneriffa verweilt, und doch schieden wir vou der Insel, als hätten wir lange dort gelebt. Unsere Ueberfahrt von Santa Cruz nach Cumana, dem östlichsten Hafen von Terra Firma, war so schön als je eine. Wir schnitten den Wendekreis des Krebses am 2?., und obgleich der Pizarro eben kein guter Segler war, legten wir doch den neunhundert Meilen langen Weg von der Küste von 180 Afrika zur Küste der neuen Welt in zwanzig Tagen zurück. Wir fuhren auf 50 Meilen westwärts am Vorgebirge Vojadvr, am weißen Vorgebirge und an den Inseln des grünen Vorgebirges vorüber. Cin paar Landvdgel, die der starke Wind auf die hohe See verschlagen, zogen uns einige Tage nach. Hätten wir nicht unsere Länge mittelst der Secuhren genau gekannt, so wären wir versucht gewesen zu glauben, wir seyen ganz nahe an der afrikanischen Küste. Unser Wcg war derselbe, den seit Columbus erster Reise alle Fahrzeuge nach den Antillen einschlagen. Vom Parallel von Madera bis zum Wendekreis nimmt dabei die Breite rasch ab, während man an Länge fast nichts zulegt; hat man aber die Zone des beständigen Passatwindes erreicht, so fährt man von Ost nach West auf einer ruhigen, friedlichen See, die bei den spanischen Seefahrern ei Ooilo cle ws Damns heißt. Wie alle, welche diese Striche befahren, machten auch wir die Beobachtung, daß, je weiter man gegen Westen rückr, der Passat, der Anfangs Ost-Nord-Ost war, immer mehr Ostwind wird. Hadley' hat in einer berühmten Abhandlung die Theorie ' Daß fortwährend ei» oberer Luftstrom vom Aequator zu den Polen und ein unterer von den Polen Mn Acqnator geht, dieß ist, wie Nrago dargethan hat, schon von Hookc erkannt worden, Erine Ideen hierüber entwickelte der berühmte englische Physiker in einer Rede vom Jahr 1N8«. „Ich glaube, fügt er hin,u, daß sick mehrere Erscheinungen in der Luft »nd auf dem Meere. namentlich die Winde, aus Polarströmen erklären lassen," Hadley führt diese interessante Stelle nicht an; andererseits nimmt Hookr. wo er auf die Passatwinde selbst zu sprechen kommt, Galilei's unrichtige Theorie an, nach der sich die Grde und die Luft mit verschiedener Geschwindigkeit bewrgen sollen. 181 des Passats entwickelt, wie sie gemeiniglich angenommen ist, aber die Erscheinung ist eine weit verwickeitere, als die meisten Physiker glauben. Im atlantischen Ocean ist die Länge wie die Abweichung der Sonne von Einfluß auf die Richtung und die Grenzen der Passatwinde. Dem neuen Continent zu gehen sie in beiden Halbkugeln 8 bis 9 Grad über den Wendekreis hinauf, während in der Nähe von Afrika die veränderlichen Winde weit über den 28. oder 37. Grad hinunter herrschen. Es ist im Interesse der Meteorologie und der Schifffahrt zu bedauern, daß die Veränderungen, denen die Luftströmungen unter den Tropen im stillen Ocean unterliegen, weit weniger bekannt smd als das Verhalten derselben Ströme in einem engeren Meeresbecken, wo die nicht weit auseinander liegenden Küsten von Guinea und Brasilien ihre Einflüsse geltend machen. Die Schiffer wissen seit Jahrhunderten, daß im atlantischen Ocean der Aeauator nicht mit der Linie zusammenfällt, welche oic Passatwinde aus Nordost und dic aus Südost scheidet. Diese Linie liegt, nach Hadley's richtiger Beobachtung, unter dem 3. bis 4. Grad nördlicher Breite, und wenn ihre Lage daher rührt, daß die Sonne in der nördlichen Halbkugel länger verweilt, so weist sie darauf hin, daß die Temperaturen der beiden Halbkugeln' sich verhalten wie 11 zu 9. In der Folge, wenn von der Luft über der Südsce die Rede ist, werden wir sehen, daß westwärts von Amerika der Südost-Passat nicht so weit über den Aequator hinausreicht als im atlantischen Ocean. ' Nimmt man mit Nepimis an, daß die südliche Halbkugel nur um '/.. kälter ist als die nördliche, s" "gibt die Rechnung für die nördliche Grenze des Ost-Süd-Ost-Passats l " 28'. 182 Der Unterschied in der Luftströmung dem Aeauator zu vom einen und vom andern Pol her kann ja nicht unter cillcn Längengraden derselbe seyn, das heißt auf Punkten der Erdkugel, wo die Festländer sehr verschieden breit sind und sich mehr oder minder weit gegen die Pole erstrecken. Es ist bekannt, daß auf der Ueberfahrt von Santa Cruz nach Cumana, wie von Acapulco nach den Philippinen, die Matrosen fast keine Hand an die Segel zu le^en brauchen. Man fährt in diesen Strichen, als ginge es auf einem Flusse hinunter, und es ist zu glauben, daß es kein gewagtes Unternehmen wäre, die Fahrt mit einer Schaluppe ohne Verdeck zu machen. Weiter westwärts aber, an der Küste von St. Martha und im Meerbusen von Mexico weht der Wind sehr stark und macht die See sehr unruhig.' Je weiter wir uns von der afrikanischen Küste entfeinten, desto schwächer wurde der Wind: oft blieb er einige Stunden ganz aus, und diese Windstillen wurden regelmäßig durch elektrische Erscheinungen unterblocken. Schwarze, dichte, scharf umnssene Wolken zogen sich im Ost zusammen: man konnte meinen, es sey eine Vö im Anzug und man werde die Marssegel einreffen müssen, aber nicht lange, so erhob sich der Wind wieder, es sielen einige schwere Regentropfen und das Gewitter verzog sich, ohne daß man hatte donnern hören. Es war interessant, während dessen die Wirkung schwarzer Wolken zu ' Die spanischen Seeleute nenne», die sehr starke» Passatwinde in Carthage»« In» brißMe« lie Iz 8»nti» HliMlin, und im Meer-lmse» vo» Merico li»8 prll«8 p«ls«8. Vei letzteren Winden ist dev Himmel grau und umwölkt. 183 beobachten, die einzeln und sehr tief durch das Zenith liefen. Man spürte, wie der Wind allmühlig stärker oder schwächer wurde, je nachdem die kleinen Haufen von Dunstbläschen sich näherten oder entfernten, ohne daß die Elektrometer mit langer Metallstange und brennenden! Docht in den untern Luftschichten eine Aenderung in der elektrischen Spannung anzeigten. Mittelst solcher kleinen, mit Windstillen wechselnden Böen gelangt man in den Monaten Juni und Juli von den canarischen Inseln nach den Antillen oder an die Küsten von Südamerika. Im heißen Erdstrich lösen sich die meteorologischen Vorgänge äußerst regelmäßig ab, und das Jahr 1803 wird in den Annalen der Schifffahrt lange denkwürdig bleiben, weil mehrere Schiffe, die von Cadir nach Cumana gingen, unter 14° der Länge und 48" der Breite umlegen mußten, weil mehrere Tage lang ein heftiger Wind aus Nord-Nord-West blies. Welch bedeutende Störung im regelmäßigen Lauf der Luftströmungen muß plan annehmen, um sich von einem solchen Gegenwind Rechenschaft zu geben, der» ohne Zweifel auch den regelmäßigen Gang des Barometers in feiner stündlichen Schwankung gestört haben wird! Einige spanische Seefahrer baben neuerlich einen andern Weg nach den Antillen und zur Küste von Terra Firma als den von Christoph Columbus zuerst eingeschlagenen zur Sprache gebracht. Sie schlagen vor, man solle nicht gerade nach Süd steuern, um den Passat aufzusuchen, sondern auf einer Diagonale zwifchcn Cap St. Vincent und Amerika in Länge und Breite zugleich vorrücken. Dieser Weg, der die Fahrt abkürzt, da man den Wendekreis etwa 20° westwärts vom Punkte schneidet, wo ihn die Schiffe gewöhnlich schneiden, ist von 184 Admiral Grcwina mehrcremale init Glück eingeschlagen worden. Dieser erfahrene Seemann, der in der Schlacht von Trafalgar einen rühmlichen Tod fand, kam im Jahr 1802 auf diesem schiefen Wege mehrere Tage vor der französischen Flotte nach St. Domingo, obgleich er zufolge eines Befehls des Madrider Hofs mit seinem Geschwader im Hafen von Ferrol hatte einlaufen und sich dort eine Zeitlang aushalten müssen. Dieses neue Verfahren kürzt die Ueberfahrt von Cadix nach Cumana etwa um ein Zwanzigtheil ab; da man aber erst unter dem 40. Grad der Länge die Tropen betritt, so läuft man Gefahr, länger mit den veränderlichen Winden zu thun zu haben, die bald aus Süd, bald aus Südwest blasen. Beim alten Verfahren wird der Nachtheil, daß man einen längeren Weg macht, dadurch ausgeglichen, daß man sicher ist, in den Passat zu gelangen und ihn auf einem größeren Stück der Uebcrfahrt benutzen zu können. Während meines Ausenthalts in den spanischen Colonien sah ich mehrere Kauffahrer ankommen, die aus Furcht vor Kapern den schiefen Weg eingeschlagen hatten und ausnehmend rasch herübergekommen waren; nur nach wiederholten Versuchen wird man sich bestimmt über einen Punkt aussprechen können, der zum mindesten so wichtig ist als die Wahl des Meridians, auf dem man bei der Fahrt nach Buenos Ayres oder Cap Horn den Aeauator schneiden soll. Nichts geht über die Pracht und Milde des Klimas im tropischen Weltmeer. Während der Passatwind stark blies, stand der Thermometer bei Tag auf 23—24 Grad, bei Nacht zwischen 22 und 22,5. Um den Reiz dieser glücklichen Erdstriche in der Nähe des Aequators voll zn empfinden, muß mau in 185 rauher Jahreszeit von Acapulco oder von den Küsten v IMrabülbuz« sich uicht wohl, wie eine ähnliche Stelle i»> Periplus des Seylai, anf die Kiiste von Afrika bezirken lan». Seht man uoraus, daß das mit Gras bedeckte Meer, das die phö'uicischcn Schiffe in ihrem Laufe aufhielt, das Al«r X, so brauch! man nicht anzunehmen, daß die Alten im atlantische» Meer über den III), Grad westlicher Länge vom Meridian von Pari« hinausgekommen seyen. 187 Inseln gleich, weit entfernt ist: die Ungeschicktesten können darnach ihre Länge berichtigen. Die zweite Fucusbank ist wenig bekannt; sie liegt unter 32 und 26° der Brei«e, 80 Seemeilen westlich vom Meridian der Bahamainfeln, und ist von weit geringerer Nusdelmung, Man stößt auf sie auf der Fahrt von den Cavcosinseln nach den Bermuden. Allerdings kennt man Tangarten mit 800 Fuß langen Stengeln,' und diese Klyvtogamen der hoben See wachsen sehr rasch; dennoch ist kein Zweifel darüber, das; in den oben beschriebenen Strichen die Tange keineswegs am Meeresboden haften, sondern in einzelnen Bündeln auf dem Wasser schwimmen. In diesem Zustand können diese Gewächse nicht viel länger fortvegetiren als ein vom Stamm abgerissener Naumast. Will man sich Rechenschaft davon geben, wie es kommt, dab bewegliche Massen sich seit Jahrhunderten an denselben Stelleu befinden, so muß man annehmen, daß sie oom Gestein vierzig bis fünfzig Faden unter der Meeresftäche herkommen und der Nachwuchs fortwährend wider ersetzt, was die tropische Strömung wegreißt. Diese Strömung führt die tropifche Seetraube in hohe Breiten, an die Küsten von Norwegen und Frankreich, und die Algen werden füdwärts von den Azoren keineswegs vom Golfstrom zusammengetrieben, wie manche Seeleute meinen. ' Es wäre zu wünschen, daß die Schiffer in diefen mit Pflanzen bedeckten Strichen häufiger das Senkblei auswarfen: man versichert, holländische Seeleute l'abcn mittelst Leinen aus 1 Fucus siganteus, Forster, cbcr Laminaria pyrisera, La-niouroux. 188 Seidenfäden zwischen der Bank von Neufoundland und der schottischen Küste eine Reihe von Untiefen gefunden. Wie und wodurch die Algen in Tiefe», in denen »ach der allgemeinen Annahme das Meer wenig bewegt ist, losgerissen werden, darüber ist man nock nicht im Klaren Wir wissen nur nach den schönen Beobachtungen von Lamourour, daß die Algen zwar vor der Entwicklung ihrer Fructisicationcn ausnehmend fest am Gestein hängen, dagegen nach dieser Zeit oder in der Jahreszeit, wo bei ihnen wie bei den Landpsianzen die Vegetation stockt, sehr leicht abzureißen sind. Fische und Weich-tbiere, welche die Stengel der Tange benagen, mögen wohl auch dazu beitragen, sie von ihren Wurzeln zu lösen. Vom 22. Breitegrad an fanden wir die Meeresfläche mit fliegenden Fischen' bedeckt; sie schnellten sich zwölf, fünfzehn, ja achtzehn Fuß in die Höhe und sielen auf den Oberlauf nieder. Ich scheue mich nicht, hier gleichfalls einen Gegenstand zu berühren, von dem die Reifenden so viel sprechen, als von Delphinen und Haifischen, von der Seekrankheit und dem Leuchten des Meeres. Alle diese Dinge bieten den Physikern noch lange Stoff genug zu anziehenden Beobachtungen, wenn sie sich ganz besonders damit beschäftigen. Die Natur ist eine unerschöpfliche Quelle der Forschung, und im Maaß, als die Wissenschaft vorschreitet, bietet sie dem, der sie recht zu befragen weiß, immer wieder eine neue Seite, von der er sie bis jetzt nicht betrachtet hatte. Ich erwähnte der fliegenden Fische, um die Naturkundigen 1 Exocoetus volitans. 189 auf die ungeheure Größe ihrer Schwimmblase aufmerksam zu machen, die bei einem 0.4 Zoll langen Fisch 3,0 Zoll lang und 0.9 breit ist und 3'/- Kubikzoll Luft enthält. Die Blase nimmt über die Hälfte vom Körperinhalt des Thieres ein, und trägt somit wahrscheinlich dazu bei, das; es so leicht ist. Man könnte sagen, dieser Luftbehälter diene ihm vielmehr zum Fliegen als zum Schwimmen, denn die Versuche, die Provenzal und >ck> angestellt, beweisen, daß dieses Organ selbst bei den Arten, die damit verseben sind, zu der Bewegung an die Wasserfläche herauf nicht durchans nothwendig ist. Bei einem jungen 5.9 Zoll langen Erococtus bot jede der Brustflossen, die als Flügel die-ncn, der Luft bereits eine Oberfläche von 3'/,« Quadratzoll dar. Wir haben Munden, daß die neun Nervenstränge, die zu den zwölf Strahlen dieser Flossen verlaufen, fast dreimal dicker sind als die Nerven der Bauchflossen. Wenn man die ersteren Nerven galvanisch reizt, so gehen die Strahlen, welche die Haut drr Brustflossen tragen, fünfmal kräftiger auseinander, als die der andern Flossen, wenn man sie mit denselben Metallen galvanisirt. Der Fisch kann sich aber auch zwanzig Fnß weit wagrecht fortschnellen, ehe er mit der Spitze seiner Flossen die Meeresfläche wieder berührt. Man bat diese Bewegung und die eines flachen Steins, der auffallend und wieder abprallend ein paar Fusi hoch über die Wellen hüpft, ganz richtig zusammengestellt. So ausnehmend rasch die Bewegung ist, kann man doch deutlich sehen, daß das Thier wäbrcnd des Sprungs die Luft schlägt, das heißt, daß es die Brustflossen abwechselnd ausbreitet und einzieht. Dieselbe Bewegung beobachtet man am fliegenden Seescorpion auf den japanischen Flüssen, der 190 gleichfalls eine große Schwimmblase hat, während sie den meisten Seescorpionen, die nicht fliegen, fehlt.' Die Ezocoetus können, wie die meisten Kiemeuthiere, ziemlich lange und mittelst derselben Organe im Wasser und in der Luft athmen, das heißt der Luft wie dem Wasscr den darin enthaltenen Sauerstoff entziehen. Sie bringen einen großen Theil ihres Lebens in der Luft zu, aber ihr elendes Leben wird ihnen dadurch nicht leichter gemacht. Verlassen sie das Meer, um den gefräßigen Goldbrassen zu entgehen, fo begegnen sie in der Luft den Fregatten, Albatrossen und andern Vögeln, die sie im Flug erschnappen. So werden an den Ufern des Orinoco Rudel von Cabiais,' wenn sie vor den Krokodilen aus dem Wasscr flüchten, am Ufer die Beute der Jaguars. Ich bezweifle indessen, daß sich die fliegenden Fische allein um der Verfolgung ihrer Feinde zu entgehen, aus dem Wasser schnellen. Gleich den Schwalben fchießen sie zu Tausenden fort, gerade aus und immer gegen die Richtung der Wellen. In unsern Himmelsstrichen sieht man häusig am Ufer eines klaren, von der Sonne beschienenen Flusses einzeln stehende Fische, die somit nichts zu fürchten haben können, sich über die Wasserfläche schnellen, als machte es ihnen Vergnügen, Luft zu athmen. Warum sollte dieses Spiel nicht noch häufiger und länger bei den Exocoetus vorkommen, die vermöge der Form ihrer Brustflossen und ihres geringen fpecififchen Gewichts sich sehr leicht in der Luft halten? Ich fordere die Forscher auf, zu untersuchen, ob andere fliegende Fische, z. B. Nxoooktus 1 Scorpnena porcus. 8. scrofa, S. dactyloptcra, Delaroctye. 2 Cavia Capybara. L. 191 6xiÜ6N8, 1>iß,lg, Vs>1itau8 und ^. 1i,'run6ft auch so große Schwimmblasen haben wie der tvopische Erocoetu?. Dieser geht mit dem warmen Wasser des Golfstroms nach Norden. Tie Schiffsjungen schneiden ihm zum Spaß ein Stück der Brustflossen ab und behaupten, diese wachsen wieder, was mir mit den bei andern Fischfamilicn gemachten Beobachtungen nicht zu stimmen scheint. Zur Zeit, da ich von Paris abreiste, batten die Versuche, welche Dr. Vrodbelt in Jamaica mit der Luft in der Schwimmblase des Schwertfisches angestellt, einige Physiker zur Annahme veranlaßt, daß unter den Tropen dieses Organ bei den Seesischen reines Sauerstoffgas enthalte. Auch ich hatte diese Vorstellung, und so war ich überrascht, als ich in der Luftblase des Erocoews nur 0,04 Sauerstoff auf 0,94 Stickstoff und 0,02 Kohlensäure fand. Der Antheil des letzteren Gases, der mittelst der Absorption durch Kalkwasser in graduirtcn Röhren ssemessen wurde,' schien constanter als der des Sauerstoffs, von dem einige Exemplare fast noch einmal fo viel zeigten. Nach Mots, Configliachi's und Delaroche's interessanten Beobachtungen muß man annehmen, daß der von Vrrdbelt secirte Schwertfisch in großen Mecresticfen gelebt habe, wo manche Fifche bis zu 94 Procent Sauerstoff in ihrer Schwimmblafe zeigen. Am ersten Juli, unter 17° 42> der Breite und 34« 21' der Länge stießen wir auf die Trümmer eines Wracks. Wir konnten einen Mastbaum sehen, dcr mit schwimmendem Tang überzogen war. In einem Strich, wo die See beständig ruhig ' Authracometcr, gekrümmte Röhren mit einer großen Kugel. 192 ist, kannte das Fahrzeug nicht Schiffbruch gelitten haben. Vielleicht daß dicse Trümmer aus den nördlichen stürmischen Meeren kamen, und in Folge der merkwürdigen Drehung, welche die Wasser des atlantischen Meeres in der nördlichen Halbkugel erleiden, wieder zum Fleck zurückwanderten, wo das Schiff zu Grunde gegangen. Am dritten u»d vierten fuhren wir über den Theil des Oceans, wo die Karten die Vank des Maalstvoms verzeichnen; mit Einbruch der Nacht änderte man den Curs, um einer Gefahr auszuweichen, deren Vorhandensein so zweifelhaft ist, als das der Inseln Fonseco und Santa Anna.' Es wäre wohl tlüger gewesen, den Curs beizubehalten. Die alten ' Die Karten von Iefferys und Va»-Keulcn geben vier Inseln an, die nichts als eingebildete Gefahren sind: die Inseln Garca und Santa Anna. westlich von den Azoren, die grüne Insel id etwa unter 5?° der Länge. Sollte an diesem Punkt, „och östlicher al« Barbados, ein vrrsmilenes vull.imschrs Eiland unter dem Meere«, spiegel liege»? 200 durch den Canal zwischen Tabago und Trinidad zu laufen, und da er wußte, daß unsere Corvette sebr langsam wendete, so fürchtete er gegen Süden unter den Wind und der Mündung des Dragon nahe zu kommen. Wir waren allerdings unserer Länge sicherer als der Vrcite, da seit dem eilstcn, keine Beobachtung um Mittag gemacht worden war. Nach doppelten Höhen, die ich nach Douwe's Metbode am Morgen aufgenommen hatte, befanden wir uns in 11" 6' 50", somit 15 Minuten weiter nach Nord als nach der Schätzung. Die Gewalt, mit der der große Orinocostrom seine Gewässer in den Ocean ergießt, mag in diesen Strichen immerhin den Zug der Strömungen steigern; wenn man aber behauptet, bis auf 60 Meilen von der Mündung des Orinoco habe das Mcerwasscr eine andere Farbe und sey weniger gesalzen, so ist dieß ein Mährchen der Küstenpiloten. Der Einfluß der mächtigsten Ströme Amerika's, des Amazonenstroms, des la Plata, des Orinoco, des Mississippi, des Magdalenenstroms, ist in dieser Beziehung in weit engere Grenzen eingeschlossen, als man gemeiniglich glaubt. Obgleich das Ergebniß der doppelten Sonnenhöhen hinlänglich bewies, daß das hohe Land, das am Horizont aufstieg, nicht Trinidad war, sondern Tabago, steuerte der Capitän dennoch nach Nord-Nord-West fort, um letztere Insel aufzusuchen, die sogar auf Borda's schöner Karte des atlantischen Oceans fünf Minuten zu weit südlich geseht ist. Man sollte kaum glauben, daß an Küsten, welche von allen Handelsvölkern besucht werden, so auffallende Irrthümer in der Breite sich Jahrhunderte lang erhalten könnten. Ich habe diesen Gegenstand anderswo besprochen, und so bemerke ich hier nur, daß sogar 201 auf der neuesten Karte von Westindien von Arrowsmith, die im Jahr 1803, also lange nach Churruca's Beobachtungen erschienen ist, die Breiten der verschiedenen Vorgebirge von Ta-bago und Trinidad um 6—11 Minuten falsch angegeben sind. Durch die Beobachtung der Sonnenhöhe um Mittag wurde die Breite, wie ich sie nach Douwe's Verfahren erhalten, vollkommen bestätigt. Es blieb kein Zweifel mehr über den Cchisss-ort den Inseln gegenüber, und man beschloß, um das nördliche Vorgebirge von Tabago zu laufen, zwischen dieser Insel und la Grenada durchzugehen und auf einen Hafen der Insel Margarita loszusteuern. In diesen Strichen liefen wir jeden Augenblick Gefahr, von Kapern aufgebracht zu werden, aber zu unserem Glück war die See fehr unruhig, und ein kleiner eng-lifcher Kutter überholte uns, ohne uns nur anzurufen. Bon-ftland und mir war vor einem solchen Unfall weniger bang, seit wir so nake am amerikanischen Festland sicher waren, daß wir nicht nach Europa zurückgebracht wurden. Der Anblick der Insel Tabago ist höchst malerisch. Es ist ein sorgfältig bebauter Felsklumpen. Das blendende Weiß des Gesteins sticht angenehm vom Grün zerstreuter Baumgruppen ab. Sehr bobe cylindrische Fackeldisteln krönen die Bergkämme und geben der tropischen Landschaft einen ganz eigenen Charakter. Schon ihr Anblick sagt dem Reisenden, daß er eine amerikanische Küste vor sich hat: denn die Cactus geboren ausschließlich der neuen Welt an, wie die Heidekräuter der alten. Der nordöstliche Theil der Insel Tabago ist der gebirgigste, nach den Höhenwinkeln, die ich mit dem Sextanten genommen, scheinen indessen die höchsten Gipfel an der Küste nicht über 140 bis 202 150 Toisen hoch zu seyn. Am südlichen Vorgebirge senkt sich das Land und läuft in die „Sandspitze" aus, die nach meiner Rechnung unter 10° 20' 13" der Breite und 62" 47' 30" der Länge liegt. Wir sahen mehrere Felsen über dem Wasserspiegel, an denen sich die See mit Ungestüm brach, und beobachteten große Regelmäßigkeit in der Neigung und dem Streichen der Schickten, die unter einem Winkel von 60° nach Südost fallen. Es wäre zu wünschen, daß ein geübter Mineralog die großen und kleinen Antillen von der Küste von Paria bis zum Vorgebirge von Florida bereiste und die ehemalige, durch Strömungen, Erderschütterungen und Vulkane auseinander gerissene Bergkette untersuchte. Wir waren eben um das Nordcap von Tabago und die kleine Insel St. Giles gelaufen, als man vom Mastkorb ein feindliches Geschwader signalisirte. Wir wendeten sogleich und die Passagiere wurden unruhig, da mehrere ibr kleines Vermögen in Waaren gesteckt hatten, die sie in den spanischen Co-lonien zu verwerthen gedachten. Das Geschwader schien sich nicht zu rühren, und es zeigte sich bald, daß man eine Menge einzelner Klippen für Segel angesehen hatte. Wir fuhren über die Untiefe zwischen Tabago und la Grenada. Die Farbe der See war nicht merkbar verändert, aber ein paar Zoll unter der Oberfläche zeigte der Thermometer nur 23°, während er ostwärts auf hoher See unter derselben Breite und gleichfalls an der Meeresfläcke auf 25 °,6 stand. Trotz der Strömung zeigte die geringere Temperatur des Wassers die Untiefe an, die nur auf wenigen Karten angegeben ist. Nach Sonnenuntergang wurde der Wind schwächer, und je näher der 203 Mond zum Zenith rückte, desto mehr klärte sich der Himmel auf. In dieser und in den folgenden Nächten sielen sehr viele Sternschnuppen: gegen Nord zeigten sie sich nickt so häufig als gegen SNd, über Terra Firma, an deren Küste wir jetzt hinzufahren ansingen. Diese Vertheilung weist darauf hin, daß diese Meteore, über deren Wesen wir noch so sebr im Unklaren sind, zum Theil von örtlichen Ursachen abhängig seyn mögen. Am 14. bei Sonnenaufgang kam die Bocca de Dragon in Sicht. Wir konnten die Insel Cbacachacarreo sehen, das westlichste der Eilande zwischen dem Vorgebirge Paria und dem nordwestlichen Vorgebirge von Trinidad. Fünf Meilen von der Küste, bei der Punta de la Vaca, wurden wir gewahr, daß eine eigenthümliche Strömung die Corvette nach Süd trieb. Durch den Zug des Wassers, das aus der Vocca de Dragon kommt, und durch die Bewegung von Ebbe und Fluth entsteht eine Gegenströmung. Man warf das Senkblei aus und fand 36—43 Faden Tiefe über einem Grund von grünlichem, sehr feinem Thon. Nach Dampiers Grundsätzen hätten wir in der Nähe einer von sehr bohen, steil aufsteigenden Gebirgen gebildeten Küste keine so geringe Meeresticfe erwartet. Wir lotbeten fort bis zum Okldo 66 tres puntas und fanden überall erhöhten Meeresgrund, dessen Umriß das Streichen der ehemaligen Meeresküste zu bezeichnen scheint. Die Temperatur des Meeres war hier 23—24 Grad, somit 1,5 bis 2 Grad niedriger als auf hoher See, das heißt jenseits der Nünder der Bank. > Das (üado äe tr68 puntns, von Columbus selbst so benannt,' l Im August 1588. 204 liegt nach meinen Beobachtungen unter 65° 4' 5" der Länge. Es erschien uns um so höher, da seine gezackten Gipfel in Wolken gchüllt waren. Das ganze Ansehen der Verge von Paria, ihre Farbe und besonders ihre meist runden Umrisse ließen uns vermuthen, daß die Küste aus Granit bestehe: die Folge zeigte aber, wie sehr man sich, selbst wenn man sein Leben lang in Gebirgen gereist ist, irren kann, wenn man über die Beschaffenheit der Gebirgsart aus der Ferne urtheilt. Wir benutzten eine Windstille, die ein paar Stunden anhielt, um die Intensität der magnetischen Kraft beim Oado 6« tr?5 riuntaZ genau zu bestimmen. Wir fanden sie größer als auf hoher See ostwärts von Tabago, im Verhältniß von 257 zu 229. Während der Windstille trieb uns die Strömung rasch nach West. Ihre Geschwindigkeit betrug 3 Meilen in der Stunde: sie nahm zu, je näher wir dem Meridian der T e-stigos kamen, eines Haufens von Klippen, die aus der weiten See aufsteigen. Als der Mond unterging, bedeckte sich der Himmel mit Wolken, der Wind wurde wieder stärker und es stürzte cin Platzregen nieder, wie sie dem Heisien Erdstrich eigen sind und wir auf unfern Zügen im Binnenlande sie so oft durchgemacht haben. Die am Bord des Piznrro ansgebrochene Seuche breitete sich rasch aus, seit wir uns nahe an der Küste von Terra Firma befanden: der Thermometer stand bei Nacht regelmäßig zwischen 22 und 23°, bei Tag zwischen 24 und 27°. Die Congestions gegen den Kopf, 5>ie ausnehmende Trockenheit der Haut, das Darniederliegen der Kräfte, alle Symptome wurden immer bedenklicher; wir waren aber so ziemlich am Ziele unserer 205 Fahrt, und so hofften wir alle Kranke genesen zu sehen, wenn man sie an der Insel Margarita oder im Hafen von Cumana, die für sehr gesund gelten, ans Land bringen könnte. Diese Hoffnung ging nicht ganz in Erfüllung. Der jüngste Passagier bekam das bösartige Fieber und unterlag ihm, blieb aber zum Glück das einzige Opfer. Es war ein junger Asturier von neunzehn Jahren, der einzige Sohn einer armen Wittwe. Mehrere Umstände machten den Tod des jungen Mannes, aus dessen Gesicht viel Gefühl und große Gutmüthigkeit sprachen, ergreifend für uns. Er war mit Widerstreben zu Schiffe gegangen; er hatte seine Mutter durch den Ertrag seiner Arbeit unterstützen wollen, aber diese hatte ihre Liebe und den eigenen Vortheil dem Gedanken zum Opfer gebracht, daft ihr Sohn, wenn er in die Colonien ginge, bei einem reichen Verwandten, der auf Cuba lebte, fein Glück machen könnte. Der unglückliche junge Mann verfiel rasch in Betäubung, redete dazwischen irre und starb am dritten Tage der Krankheit. Das gelbe Fieber oder schwarze Erbrechen rafft in Vera Cruz nicht leicht die Kranken fo furchtbar fchnell dahin. Ein anderer, noch jüngerer Asturier wich keinen Augenblick vom Bette des Kranken und bekam, was ziemlich auffallend ist, vie Krankheit nicht. Er wollte mit seinem Landsmann nach San Iago de Cuba gehen und sich dort von ihm im Hause des Verwandten einführen lassen, auf den sie ihre ganze Hoffnung gesetzt hatten. Es war herzzerreißend, wie der, welcher den Freund überlebte, sich seinem tiefen Schmerze überlieft und die unseligen Rathschläge verwünschte, die ihn in ein fernes Land getrieben, wo er nun allein und verlassen dastand. 206 Wir standen beisammen auf dem Verdeck in trüben Gedanken. Es war kein Zweifel mehr, das Fieber, das an Bord herrschte, hatte seit einigen Tagen einen bösartigen Charakter angenommen. Unsere Blicke hingen an einer gebirgigen, wüsten Küste, auf die zuweilen ein Mondstrahl durch die Wolken siel. Die leise bewegte See leuchtete in schwachem phosphorischem Schein: man hörte nichts als das eintönige Geschrei einiger großen Scevögel, die das Land zu suchen schienen. Tiefe Ruhe herrschte ringsum am einsamen Ort'. aber diese Ruhe der Natur stand im Widerspiel mit den schmerzlichen Gefühlen in unserer Brust. Gegen acht Uhr wurde langsam die Todtenglocke geläutet; bei diesem Trauerzeichen brachen die Matrosen ihre Arbeit ab und ließen sich zu kurzem Gebet auf die Kniee nieder, eine ergreifende Handlung, die an die Zeiten mahnt, wo die ersten Christen sich als Glieder Einer Familie betrachteten, und die auch jetzt noch die Menschen im Gefühl gemeinsamen Unglücks einander näher bringt. In der Nacht schaffte man die Leiche des Asturiers auf das Verdeck, und auf die Vorstellung des Priesters wurde er erst nach Sonnenaufgang ins Meer geworfen, damit man die Leichenfeier nach dem Gebrauch der römischen Kirche vornehmen konnte. Kein Mann an Bord, den nicht das Schicksal des jungen Mannes rührte, den wir noch vor wenigen Tagen frifch und gesund gesehen hatten. Der eben erzählte Vorfall zeigte uns, wie gefährlich diefes bösartige oder atactische Fieber sey, und wenn die langen Windstillen die Ueberfahrt von Cumana nach Havana verzögerten, so mußte man besorgen, daß es viele Opfer fordern könnte. An Bord eines Kriegsschiffs vder eines Transportschiffs machen 207 einige Todesfälle gewöhnlich nicht mel,r Eindruck, als wenn man in einer voltreichen Stadt einem Leichenzug begegnet. Anders an Bord eines Paketboots mit kleiner Mannschaft, wo zwifchen Menfchen, die dasselbe Reiseziel haben, sich nähere Beziehungen knüpfen. Die Passagiere auf dem Pizarro spürten zwar noch nichts von den Vorboten der Krankheit, beschlossen aber doch, das Falnzeug am nächsten Landungsplatz zu verlassen und die Ankunft eines andern PostschW zu erwarten, um ihren Weg nach Cuba oder Mexico fortzusetzen. Sie betrachteten das Zwischendeck des Schiffes als einen Herd der Ansteckung, und obgleich es mir keineswegs erwiesen schien, daß das Fieber durch Berührung anstecke, hielt ich es doch durch die Vorsicht gerathen, in Cumcma ans Land zu gehen. Es schien mir wünschenswert!), Neuspanicn erst nach einem längeren Aufenthalt an den Küsten von Venezuela und Paria zu besuchen, wo der unglückliche Löffling nur sehr wenige naturgeschichtliche Beobachtungen hatte machen können. Wir brannten vor Verlangen, die herrlichen Gewächse, die Böse und Nredemcyer auf ihrer Reise in Terra Firma gesammelt und die eine Zierde der Gewächshäuser zu Schönbrunn lind Wien sind, auf ihrem heimathlichen Boden zu sehen. Es hätte uns sebr webe gethan, in Cumana oder Guayra zu landen, ohne das Innere eines von den Naturforschern so wenig betretenen Landes zu betteten. Der Entschluß, den wir in der Nacht vom vierzehnten auf den fünfzehnten Juli faßten, äußerte einen glücklichen Einfluß auf den Verfolg unserer Reisen. Statt einige Wochen verweilten wir ein ganzes Jahr in Terra Firma: ohne die Seuche an Nord des Pizarro wären wir nie an den Orinoco, an den 208 Cassiauiare und an die Grenze der portugiesischen Besitzungen am Rio Negro gekommen. Vielleicht verdanken wir es auch dieser unserer Reiserichtung, daß wir während eines so langen Aufenthalts in den Aequinoctialländern so gesund blieben. Bekanntlich schweben oie Europäer in den ersten Monaten, nachdem sie unter den glühenden Himmel der Tropen versetzt worden, in sehr großer Gefahr. Sie betrachten sich als accli-matisirt, wenn sie die Regenzeit auf den Antillen, in Vera Cruz oder Carthagena überstanden haben. Diese Meinung ist nicht ungegründct, obgleich es nicht an Beispielen fehlt, daß Leute, die bei der ersten Epidemie des gelben Fiebers durchgekommen, in einem der folgenden Jahre Opfer der Seuche werden. Die Fähigkeit sich zu acclimatisiren scheint im umgekehrten Verhältniß zu stehen mit dem Unterschied zwischen der mittleren Temperatur der heißen Zone und der des Geburtslandes des Reisenden oder Colvnisten, der das Klima wechselt, weil die Lufttemperatur den mächtigsten Einfluß auf die Reizbarkeit und die Vitalität der Organe äußert. Ein Preuße, ein Pole, ein Schwede sind mehr gefährdet, wenn sie auf die Inseln oder nach Terra Firma kommen, als ein Spanier, ein Italiener und selbst ein Vewolmer des südlichen Frankreichs. Für die nordischen Völker beträgt dcr Unterschied in der mittleren Temperatur 19—21 Grad, für die südlichen nur 9—10. Wir waren so glücklich, die Zeit, in der der Europäer nach oer Landung die größte Gefahr läuft, im ausnehmend beißen, aber fthr trockenen Klima von Cumana zu verleben, einer Stadt, die für sehr gesund gilt. Hätten wir unsern Weg nach Vera Cruz fortgesetzt, so hätten wir leicht das Loos mehrerer 209 Passagiere des Paketboots Alcuoia theilen können, das mit dem Pizarro in die Havana kam, als eben das schwarze Erbrechen auf Cuba und an der Ostküste von Mexico schrecklich? Verheerungen anrichtete. Am 15. Morgens, ungefähr gegenüber dem kleinen Berge St. Joseph, waren wir von einer Menge schwimmenden Tangs umgeben. Die Stengel desselben hatten die sonderbaren, wie Blumenkelche und Federbüsche gestalteten Anhänge. wie sie Don Hypolito Ruiz auf seiner Rückkehr aus Chili beobachtet und in einer besondern Abhandlung als die Geschlechtsorgane des k'uous natlM8 beschrieben hat. Ein glücklicher Zufall setzte uns in den Stand, eine Beobachtung zu berichtigen, die sich nur Einmal der Naturforschung dargeboten l-atte. Die Bündel Tang, welche Vonpland aufgefischt hatte, waren durchaus identisch mit den Vremplaren > die wir der Gefälligkeit der gelehrten Verfasser der peruanischen Flora verdankten. Als wir beide unter dem Mikroscop untersuchten, fanden wir, das; diese angeblichen Befruchtungswelkzeuge, diese Pistille und Staubfäden eine neue Gattung Pflanzenthiere aus der Familie der Ccratophyten seyen. Die Kelche, welche Ruiz für Pistille hielt, entspringen aus hornartigen, abgeplatteten Stielen, die so fest mit der Substanz des Iucus zusammenhängen, daß man sie gar wohl für bloße Nippen halten könnte: aber mit einem sehr dünnen Messer gelingt es, sie abzulösen, ohne das Parcnchym zu verletzen. Die nicht gegliederten Stiele sind Anfangs schwarzbraun, werden aber, wenn sie vertrocknen, weiß und zerreiblich. In diesem Zustande brausen sie mit Säuren auf, wie die kalkigte Substanz der Sertularia, deren Spitzen mit den Kelchen des von Ruiz Humboldt, Ntls«. I. 14 210 beobachteten Fucus Aehnlichkeit baben. In der Südsee, auf der Ueberfahrt von Guayaquil nach Acapulco, haben wir an der tropischen Seetraube dieselben Anhängsel gefunden, und eine sehr sorgfältige Untersuchung überzeugte uns, daß sich hier ein Zoophyt an den Tang heftet, wie der Epheu den Baumstamm umschlingt. Die unter dem Namen weiblicher Blüthen beschriebenen Organe sind über zwei Linien lang, und schon diese Größe hätte den Gedanken an wahrhafte Pistille nicht aufkommen lassen sollen. Die Küste von Paria zieht sich nach West fort und bildet eine nicht sehr hohe Felsmauer mit abgerundeten Gipfeln und wellenförmigen Umrissen. Es dauerte lange, bis wir die hohe Küste der Insel Margarita zu sehen bekamen, wo wir einlaufen sollten, um hinsichtlich der englischen Kreuzer, und ob es ge-. fährlich sey, bei Guayra anzulegen, Erkundigung einzuziehen. Sonnenhöhen, die wir unter sehr günstigen Umständen genommen, hatten uns gezeigt, wie unrichtig damals selbst die gesuchtesten Seekarten waren. Am 15. Morgens, wo wir uns nach dem Chronometer unter 66° 1' !5" der Länge befanden, waren wir noch nicht im Meridian der Insel St. Margarita, während wir nach der verkleinerten Karte des atlantischen Oceans über das westliche sehr hohe Vorgebirge der Insel, das unter 66" 0' der Länge gesetzt ist, bereits hätten hinaus seyn sollen. Die Küsten von Terra Firma wurden vor Fidalgos, Nogueras und Tiscars, und ich darf wohl hinzufügen, vor meinen astronomischen Beobachtungen in Cumana, so unrichtig gezeichnet, daß für die Schifsfahrt daraus hätten Gefahren erwachsen können, wenn nicht das Meer in diesen Strichen beständig ruhig wäre. 211 Ja die Fehler in der Breite waren noch größer als die in der Länge, denn die Küste von Neu-Andalusien läuft westwärts vom ^apo öe ti-68 kuuws 15—20 Meilen weiter nach Norden, als auf den vor dem Jahr 1800 erschienenen Karten angegeben ist. Gegen eilf Uhr Morgens kam uns ein sehr niedriges Eiland zu Gesicht, auf dem sich einige Sanddüncn erhoben. Durch das Fernrohr ließ sich keine Spur von Bewohnern oder von Anbau entdecken. Hin und wieder standen cylindrische Cactus wie Candelaber. Der fast pflanzenlose Boden schien sich wellenförmig zn bewegen in Folge der starken Brechung, welche die Sonnenstrahlen erleiden, wenn sie durch Luftschichten hindurchgehen, die auf einer stark erhitzten Fläche aufliegen. Die Luftspiegelung macht, daß in allen Zonen Wüsten und sandiger Strand sich wie eine bewegte Eee ausnehmen. Das flache Land, das wir vor uns lMcn, stimmte schlecht zn der Vorstellung, die wir uns von der Insel Margarita gemacht. Während man beschäftigt war, die Angaben der Karten zu vergleichen, ohne sie in Uebereinstimmung bringen zu können, signalisirte man vom Mast einige kleine Fischerboote. Der Capitän des Pizarro rief sie durch einen Kanoncnfchuß herbei- aber ein solches Zeichen dient zu nichts in Ländern, wo der Schwache, wenn er dem Starken begegnet, glaubt sich nur auf Vergewaltigungen gefaßt machen zu müssen. Die Boote ergriffen die Flucht nach Westen zu. und wir sahen uns hier in derselben Verlegenheit, wie bei unserer Ankunft auf den Cana-rien vor der kleinen Inscl Graciosa. Niemand an Bord war je in der Gegend am Land gewesen. So nchig die See war, 212 so schien doch die Nähe eines kaum ein paar Fuß hohen Eilands Vorsichtsmaßregeln zu erheischen. Mau steuerte nicht weiter dem Lande zu, und da das Senkblei nur drei bis vier Faden Wasser anzeigte, warf man eilends den Anker aus. Küsten, aus der Ferne gesehen, verhalten sich wie Wolken, in denen jeder Beobachter die Gegenstände erblickt, die seine Einbildungskraft beschäftigen. Da unsere Aufnahmen und die Angabe des Chronometers mit den Karten, die uns zur Hand waren, im Widerspruch standen, so verlor man sich m eitlen Muthmaßungen. Die einen hielten Sandhaufen für Indiauerhütten und deuteten auf den Punkt, wo nach ihnen das Fort Pampatar liegen mußte, andere sahen die Ziegen-heerden, welche im dürren Thal von San Juan so häufig sind; sie zeigten die hohen Verge von Macanao, die ihnen halb in Wolken gehüllt schienen. Der Capitän beschloß einen Steuermann ans Land zu schicken: man legte Hand an, um die Schaluppe ins Wasser zu lassen, da das Boot auf der Rhede von Santa Cruz durch die Brandung stark gelitten hatte. Da die Küste ziemlich fern war, konnte die Rückfahrt zur Corvette schwierig werden, wenn der Wind Abends stark wurde. Als wir uns eben anschickten, ans Land zu gehen, sah man zwei Piroguen an der Küste hinfahren. Man rief sie durch einen zweiten Kanonenschuß an, und obgleich man die Flagge von Castilien aufgezogen hatte, kamen sie doch nur zögernd herbei. Diese Pirogucn waren, wie alle der Eingeborenen, aus Einem Baumstamm, und in jeder befanden sich achtzehn Indianer vom Stamme der Guayqueries, nackt bis zum Gürtel und von hohem Wuchs. Ihr Körperbau zeugte 213 von großer Muskelkraft und ihre Hautfarbe war ein Mittelding zwischen braun und kupferroth. Von weitem, wie sie unbeweglich dasaßen und sich vom Horizont abhoben, konnte man sie für Vronzestatuen halten. Dieß war uns um so auffallender, da es so wenig dem Begriff entsprach, den wir uns nach manchen Reiseberichten von der eigenthümlichen Körperbildung und der großen Körperschwäche der Eingeborenen gemacht hatten. Wir machten in der Folge die Erfahrung, und brauchten deßhalb die Grenzen der Provinz Cumana nicht zu überschreiten, wie auffallend die Guayaueries äußerlich von den Chaymas und den Caraiben verschieden sind. So nahe alle Völker Amerikas mit einander verwandt scheinen, da sie ja derselben Race angehören, so unterscheiden sich doch die Stämme nicht selten bedeutend im Körperwuchs, in der mehr oder weniger dunkeln Hautfarbe, im Vlick, aus dein bei den einen Seelenruhe und Sanftmuth, bei andern ein unheimliches Mittelding von Trübsinn und Wildheit spricht. Sobald die Piroguen so nahe waren, daß man die Indianer spanisch anrufen konnte, verloren sie ihr Mißtrauen und fuhren geradezu an Bord. Wir erfuhren von ihnen, das niedrige Eiland, bei dem wir geankert, sey die Insel Coche, die immer unbewohnt gewesen und an der die spanischen Schiffe, die aus Europa kommen, gewöhnlich weiter nördlich, zwischen derselben und der Insel Margarita durchgehen, um im Hafen von Pam-Patar einen Lootsen einzunehmen. Unbekannt in der Gegend, waren wir in den Canal südlich von Coche gerathen, und da die englischen Kreuzer sich damals häusig in diesen Strichen zeigten, hatten uns die Indianer für ein feindliches Fahrzeug 214 angesehen. Die südliche Durchfahrt hat allerdings bedeutende Vortbeile für Schisse, die von Lumana nach Barcelona gehen; sie hat weniger Wassertiefe als die nördliche, weit schmalere Durchfahrt, aber man läuft nickt Gefabr aufzufahren, wenn man sich nahe an den Inseln Lola's und Moros del Tunal hält. Der Canal zwischen Coche und Margarita wird durch die Untiefen am nordwestlichen Vorgebirge von Coche und durch die Vank an der Punta de Mangle? eingeengt. Die Guayqueries gehören zum Stamm civilisirter Indianer, welche auf den Küsten von Margarita und in den Vorstädten von Cumana wohnen. Nach den Caraiben des spanischen Guyana sind sie der schönste Menschenschlag in Terra Firma. Sie genießen verschiedener Vorrechte, da sie seit der ersten Zeit der Eroberung sich als treue Freunde der Castiliancr bewährt haben. Der Konig von Spanien nennt sie daher auch in seinen Handschreiben „scine lieben, edlen und getreuen Guayanerin." Die Indianer, auf die wir in den zwei Piroguen gestoßen, hatten den Hafen von Cumana in der Nacht verlassen. Sie wollten Bauholz in den Cedrowäldern ' holen, die sich vom Cap San Jose bis über die Mündung des Rio Caruvano m'naus erstrecken. Sie gaben uns frische Cocosnüsse und einige Fische von der Gattung Okoew^on, deren Farben wir nicht genug bewundern tonnten. Welche Schätze enthielten in unsern Augen die Kähne der armen Indianer! Ungeheure Vijaoblätter' bedeckten Bananenbüschel: der Schuppenpanzer eines Tatou,' die 1 Cedrela odorata. Linnč. s Hcliconia bihai. 3 9ttm«btsi, Dasypus, Cachicamo. 215 Frucht der O68L6utig. ouM^ die den Eingeborenen als Trink-gefasse dienen, Natuvkörper, die in den europäischen Cabinetten zu den gemeinsten gehören, hatten ungemeinen Neiz für uns, weil sie uns lebhaft daran malmten, daß wir uns »m heißen Erdgürtel befanden und das längstersehnte Ziel erreicht hatten. Der Patron einer der Piroguen erbot sich an Bord des Pizarro zu bleiben, um uns als Lootse zu dienen. Der Mann empfahl sich durch sein ganzes Wesen: er war ein scharfsinniger Beobachter und hatte sich in lebhafter Wißbegier mit den Meeresprodukten wie mit den einheimischen Gewächsen abgegeben. Ein glücklicher Zufall fügte es, daß der erste Indianer, dem wir bei unserer Landung begegneten, der Mann war, dessen Bekanntschaft unsern Neisezwecken äußerst förderlich wurde. Mit Vergnügen schreibe ich in dieser Erzählung den Namen Carlos del Pino nieder: so hieß der Mann, der uns sechzehn Monate lang auf unsern Zügen längs den Küsten und im innern Lande begleitet hat. Gegen Abend ließ der Capitän der Corvette den Anker lichten. Bevor wir die Untiefe oder den kigeer bei Coche verließen, bestimmte ich die Länge des östlichen Vorgebirges der Insel und fand sie 66° 11' 53". Westwärts steuernd hatten wir bald die kleine Insel Cubagua vor uns, die jetzt ganz öde ist, früher aber durch Perlenftscherei berühmt war. Hier hatten die Spanier unmittelbar nach Columbus und Ojcda's Reisen eine Stadt unter dem Namen Neucadix gegründet, von der keine Spur mehr vorhanden ist. Zu Anfang des sechzehnten Jahrhunderts waren die Perlen von Cubagua in Sevilla und Toledo, wie auf den großen Messen von Augsburg und Brügge bekannt. Da Neucadix kein Wasser hatte, so mußte man es 216 an der benachbarten Küste aus dem Manzanaresflusse holen, obgleich man es, ich weiß nicht warum, beschuldigte, daß es Augenentzündungen verursache. Tie Schriftsteller jen^r Zeit sprechen alle vom Neichlhum der ersten Ansiedler und vom Luxus, den sie getrieben: jetzt erheben sich Dünen von Flugsand auf der unbewohnten Küste und der Name Cubagua ist auf unsern Karten kaum verzeichnet. In diesem Striche angelangt, sahen wir die hohen Berge von Cap Macanao im Westen der Insel Margarita majestätisch am Horizont aussteigen. Nach den Höhenwinkeln, die wir in 18 Meilen Entfernung nahmen, mögen diese Gipfel 500—600 Toisen absolute Höhe haben. Nach Louis Verthouds Chronometer liegt Cap Macanao unter 66° 47' 5" Länge. Ich nahm die Felsen am Ende des Vorgebirges auf, nicht die sehr niedrige Landzunge, die nach West fortstrcicht und sich in eine Untiefe verliert. Die Länge, die ich für Macanao gefunden, und die, welche ich oben für die Ostspitze der Insel Coche angegeben, weichen von Fidalgo's Beobachtungen nur um 4 Zeitsccunden ab. Der Wind war sehr schwach; der Capitän hielt es für rathsamer, bis zu Tagesanbruch zu laviren. Er scheute sich bei Nacht in den Hafen von Cumana einzulaufen, und ein unglücklicher Zufall, der vor Kurzem eben hier vorgekommen war, schien diese Vorsicht zu gebieten. Ein Paketboot hatte Anker geworfen, ohne die Laternen auf dem Hintertheil anzuzünden: man hielt es für ein feindliches Fahrzeug und die Batterien von Cumana.gaben Feuer darauf. Dem Capitän des Post-schisses wurde ein Bein weggerissen und er starb wenige Tage darauf in Cumana. 217 Wir brachten die Nacht zum Theil auf dem Verdeck zu. Der indianische Lootse unterhielt uns von den Thieren und Gewächsen seines Landes. Wir hörten zu unserer großen Freude, wenige Meilen von der Küste sey ein gebirgiger, von Spaniern bewohnter Landstrich, wo empfindliche Kälte herrsche, und auf den Ebenen kommen zwei sehr verschiedene Krokodile ' vor, ferner Voas, elektrische Aale' und mehrere Tigerarten. Obgleich die Worte Vava, Cachicamo und Temblador uns ganz unbekannt waren, ließ uns die naive Beschreibung der Gestalt und der Sitten der Thiere doch alsbald die Arten erkennen, welche die Creolen so benennen. Wir dachten nicht daran, daß diese Thiere über ungeheure Landstriche zerstreut sind und hofften sie gleich in den Wäldern bei Cumana beobachten zu können. Nichts reizt die Neugicrde des Naturkundigen mehr als der Bericht von den Wundern eines Landes, das er betreten soll. Am 16. Juli 1799, bei Tagesanbruch, lag eine grüne, malerische Küste vor uns. Die Berge von Neuandalusien begrenzten, halb von Wolken verschleiert, nach Süden den Horizont. Die Stadt Cumana mit ihren: Schloß erschien zwischen Gruppen von Cocosbäumen. Um neun Uhr Morgens, ein und vierzig Tage nach unserer Abfahrt von Corunna, gingen wir im Hafen vor Anker. Die Kranken schleppten sich auf das Verdeck, um sich am Anblick eines Landes zu laben, wo ihre Leiden ein Ende finden sollten. 1 Crocodilus aculus unb C. Bava. 3 Gymnotus elcctricus, Temblador. Viertes Kapitel. Grster Aufenthalt in Cumana. — Die Ufer des Manzanares. Wir waren am 16. Juli mit Tagesanbruch auf dem Ankerplatz, gegenüber der Mündung des Rio Manzanares, angelangt, konnten uns aber erst spät am Morgen ausschiffen, weil wir den Besuch der Hafenbeamten abwarten mußten. Unsere Blicke hingen an den Gruppen von Cocosbäumen, die das Ufer säumten und deren über sechzig Fuß hohe Stämme die Landschaft beherrschten. Die Ebene war bedeckt mit Büschen von Cassicn, Cavpar!s und den baumartigen Mimosen, die gleich den Pinien Italiens ihre Zweige schirmartig ausbreiten. Die gefiederten Blätter der Palmen hoben sich von einem Himmelsblau ab, das keine Spur von Dunst trübte. Die Sonne stieg rasch zum Zenith auf; ein blendendes Licht war in der Luft verbreitet und lag auf den weißlichen Hügeln mit zerstreuten cylindrischen Cactus und auf dem ewig ruhigen Meere, dessen Ufer von Alcatras,' Reihern und Flamingos bevölkert sind. Das glänzende Tageslicht, die Kraft der Pflanzenfarben, die l Ein brauner Pelican von der Größe des 3chwans. ?elic»nu8 219 Gestalten der Gewächse, das bunte Gesieder der Vögel, alles trug den großartigen Stempel der tropischen Natur. Cumana, die Hauptstadt von Neu-?lndalusien, liegt eine Meile vom Landungsplatz oder der Batterie 6e 1a Looo«,, bei der wir ans Land gestiegen, nachdem wir über die Barre des Manzanares gefahren. Wir hatten über eine weite Ebene' zu gehen. die zwischen der Vorstadt der Guayqueries und der Küste liegt. Die starke Hitze wurde durch die Strahlung des zum Tbeil pflanzenlosen Bodens noch gesteigert. Der hunderttheilige Thermometer, in den weißen Sand gesteckt, zeigte 3?°,7. In kleinen Salzwasserlachen stand er auf 30°,5, während im Hafen von Cumana die Temperatur des Meeres an der Oberfläche meist 25°,2 bis 26°.3 beträgt. Die erste Pflanze, die wir auf dem amerikanischen Festland pflückten, war die ^vieennin. Wm6nw8g, (MäNZi? pristo), die hier kaum zwei Fuß hoch wird. Dieser Strauch, das ßeguvium, die gelbe <3ttmpkrenn. und die Cactus bedecken den mit falzsaurem Natron geschwängerten Boden; sie gehören zu den wenigen Pflanzen, die, wie die europäischen Heiden, gesellig leben, und dergleichen in der heißen Zone nur am Meeresufer und auf den hohrn Plateaus der Anden vorkommen. Nicht weniger interessant ist die rumänische Avicennia durch eine andere Eigenthümlichkeit: diese Pflanze gehört dem Gestade von Südamerika und der Küste von Malabar gemeinschaftlich an. Der indische Lovtfe fübrte uns durch seinen Garten, der viel mehr einem Gehölz als einem bebauten Lande glich. Er 1 El Salado. 220 zeigte uns als Beweis der Fruchtbarkeit des Klimas einen Käsebaum (Lorndax kLptkpi^IIum), dessen Stamm im vierten Jahre bereits gegen dritthalb Fuß Durchmesser hatte. Wir haben an den Ufern des Orinoco und des Magdalenenflusses die Beobachtung gemacht, d'aß die Bombax, die Carolineen, die Ochromen und andere Bäume aus der Familie der Malven ausnehmend rasch wachsen. Ich glaube aber doch, daß die Angabe des Indianers über das Alter des Käsebaums elwas übertrieben war: denn in der gemäßigten Zone, auf dcm feuchten und warmen Boden Nordamerikas zwischen dem Mississippi und den Alleghanis werden die Bäume in zehn Jahren nicht über einen Fuß dick, und das Wachsthum ist dort im Allgemeinen nur um ein Fünftheil rascher als in Europa, selbst wenn man zum Vergleich die Platane, den Tulpenbaum und (^upi-68LU8 äistioka wählt, die zwischen neun und fünfzehn Fuß dick werden. Im Garten dcs Lootsen am Gestade von Cumana sahen wir auch zum erstenmal einen Guama' voll Blüthen, deren zahlreiche Staubfäden stch durch ihre ungemeine Länge und ihren Silberglanz auszeichnen. Wir gingen durch die Vorstadt der Indianer, deren Straßen geradlinigt und mit kleinen ganz neuen Häusern von sehr freundlichem Ansehen besetzt sind. Dieser Stadttheil war in Folge des Erdbebens, das Cumana anderthalb Jahre vor unserer Ankunft zerstört hatte, eben erst ' lnßil 8PUI-I». Die weißen Staubfäden. 60 bis 70 an der Zahl, sitzen an einer grünlichen Vlumenkroue, haben Seidenglanz u»d an tler Spitze einen gelben Staubbeutel. Die Blüthe der Guam« ist 18 Linien lang. Dieser schöne Vaum, der am liebsten an feuchten Orten wächst, wird zwischen 8 und 10 Toisen hoch. 221 neu aufgebaut worden. Kaum waren wir auf einer hölzernen Brücke über den Manzanares gegangen, in dem hier Vavas oder Krokodile von der kleinen Art vorkommen, begegneten uns überall die Spuren d!cser schrecklichen Katastrophe: neue Ge« bäude erhoben sich auf den Trümmern der alten. Wir wurden vom Capitän des Pizarro zum Statthalter der Provinz, Don Vicente Emparan, geführt, um ihm die Pässe zu überreichen, die das Staatssecretariat uns ausgestellt. Er empfing uns mit der Offenheit und edlen Einfachheit, die von jeher Züge des bastischen Volkscharakters waren. Ehe er zum Statthalter von Portobelo und Cumana ernannt wurde, hatte er sich als Cchiffscapitän in der königlichen Marine ausgezeichnet. Sein Name erinnert an einen der merkwürdiasten und traurigsten Vorfälle in der Geschichte der Seekriege. Nach dem letzten Bruch zwischen Spanien und England schlugen sich zwei Brüder des Statthalters Emparan bei Nacht vor dem Hafen von Cadir mit ihren Schiffen, weil jeder das andere Schiff für ein feindliches hielt. Der Kampf war so furchtbar, daß beide Schiffe fast zugleich sanken. Nur ein sehr kleiner Theil der beiderseitigen Mannschaft wurde gerettet, und die beiden Brüder hatten das Unglück, einander kurz vor ihrem Tode zu crtrnncn. Der Statthalter von Cumana üusierte sich sehr zufrieden über unsern Entschluß, uns eine Zcillang in Neuandalusien aufzuhalten, das zu jener Zeit in Europa kaum dcm Namen nach bekannt war, und das in seinen Gebirgen und an den Ufern seiner zahlre cbcn Ströme der Naturforschung das reichste Feld der Beobachtung bietet. Der Statthalter zeigte uns mit 222 einheimischen Pflanzen gefärbte Baumwolle und schöne Möbeln ganz aus einheimischen Hölzern; er interessirte sich lebhaft für alle physischen Wissenschaften und fragte uns zu unserer großen Verwunderung, ob wir nicht glaubten, daß die Luft unter dem schönen tropischen Himmel weniger Stickstoff (nxotieo) enthalte als in Spanien, oder ob, wenn sich das Eisen hier zu Lande rascher orydire, dieß allein von der größeren Feuchtigkeit herrühre, die der Haarhygrometer anzeige. Dem Reisenden kann der Name des Vaterlandes, wenn er ihn auf einer fernen Küste aussprechen hört, nicht lieblicher in den Ohren klingen, als uns hier die Worte Stickstoff, Eisenoxyd, Hygrometer. Wir wußten, daß wir, trotz der Befehle des Hofs und der Empfehlung eines mächtigen Ministers, bei unserem Aufenthalt in den spanischen Colonien mit zahllosen Unannehmlichkeiten zu kämpfen haben würden, wenn es uns nicht gelang, bei den Regenten dieser ungeheuren Landstrecken besondere. Theilnahme für uns zu wecken. Emparan war ein zu warmer Freund der Wissenschaft, um es seltsam zu finden, daß wir so weil hergekommen, um Pflanzen zu sammeln und die Lage gewisser Oertlichkeiten astronomisch zil bestimmen. Er argwöhnte keine andern Beweggründe unserer Reise als die in unsern Pässen angegebenen, und die öffentlichen Beweise von Achtung, die er uns während unseres langen Aufenthalts in seinem Regierungsbezirke gegeben, haben Großes dazu beigetragen, uns überall in Südamerika eine freundliche Aufnahme zu verschaffen. Am Abend ließen wir unsere Instrumente ausschiffen und fanden zu unserer großen Befriedigung keines beschädigt. Wir Mietheten ein geräumiges, für die astronomischen Beobachtungen 233 günstig gelegenes Haus. Man genoß darin, wenn der Seewind wehte, einer angenehmen Kühle: die Fenster waren ohne Scheiben, nicht einmal mit Papier bezogen das in Cumana meist statt des Glases dient. Sämmtliche Passagiere des Pizarro verließen das Schiff, aber die vom bösartigen Fieber Befallenen genasen sehr langsam. Wir sahen welche, die nach einem Monat, trotz der guten Pflege, die ihnen von ihren Land^leuten geworden, noch erschrecklich blaß und mager waren. In den spanischen Colonien ist die Gastfreundschaft so groß, daß ein Europäer, käme er auch ohne Empfehlung und ohne Geldmittel an, so ziemlich sicher auf Unterstützung rechnen kann, wenn er trank in irgend einem Hafen ans Land geht. Die Catalonier, Galizier und Viscayer stehen im stärksten Verkehr mit Amerika. Sie bilden dort gleichsam drei gesonderte Corporationcn, die auf die Sitten, den Gewcrbfleiß und den Handel der Evlonien bedeutenden Einfluß haben. Der ärmste Einwohner von Sigrs oder Vigo ist sicher, im Hause eines catalonischen oder galizischen Pulpero (Krämer) Aufnahme zu finden, ob er nun nach Chili, oder nach Mexico odcr auf die Philippinen kommt. Ich >habe die rührendsten Beispiele gesehen, wie für unbekannte Menschen ganze Jahre- lang unverdrossen gesorgt wird. Man tann hören, Gastfreundschaft sey leicht zu üben in einem herrlichen Klima, wo es Nahrungsmittel im Ueberfluß gibt, wo die einheimischen Gewächse wirksame Heilmittel liefern, und der Kranke in feiner Hängematte unter einem Schuppen das nöthige Obdach findet. Soll man aber die Uebcrlast, welche die Ankunft eines Fremden, dessen Gemüthsart man nicht kennt, einer Familie verursacht, für nichts rechnen? und die 224 Veweise gefühlvoller Theilnahme, die aufopfernde Sorgfalt der Frauen, die Geduld, die während einer langen, schweren Wiedergenesung nimmer ermüdet, soll man von dem Allem absehen? Man will die Beobachtung gemacht haben, daß, vielleicht mit Ausnahme einiger sehr volkreichen Städte, seit den ersten Niederlassungen spanischer Ansiedler in der neuen Welt die Gastfreundschaft nicht merkbar abgenommen babe. Der Gedanke thut wehe, daß dieß allerdings anders werden muß, wenn einmal Bevölkerung und Industrie in den Eolonien rascher zunehmen, und wenn sich auf dcr Stufe gesellfchaftlicher Entwicklung, die man als vorgeschrittene Kultur zu bezeichnen pflegt, die alte castilianische Offenheit allmählich verliert. Unter den Kranken, die in Cumana ans Land kamen, befand sich cm Neger, der einige Tage nach unserer Ankunft in Raferei verfiel; er starb in diesem kläglichen Zustand, obgleich sein Herr, ein fast siebzigjähriger Mann, der Europa verlassen hatte, unl in San Blas, am Eingang des Golfs von Cali-fornien, eine neue Heimath zu suchen, ihm alle erdenkliche Pflege hatte zu Theil werden lassen. Ich erwähne dieses Falls, um zu zeigen, daß zuweilen Menschen, die im heißen Erdstrich geboren sind, aber in einem gemäßigten Klima gelebt haben, den verderblichen Einflüssen der tropischen Hitze erliegen. Der Neger war ein junger Mensch von achtzehn Jahren, sehr kräftig und auf der Küste von Guinea geboren. Durch mehrjährigen Aufenthalt auf der Hochebene von Castilien hatte aber seine Constitution den Grad von Reizbarkeit erhalten, der die Miasmen der heißen Zone für die Bewohner nördlicher Länder so gefährlich macht. 225 Der Boden, auf dem die Stadt Cumana liegt, gehört einer geologisch sehr interessanten Bildung an. Da mir aber seit meiner Rückkehr nach Europa einige Reisende mit der Beschreibung von Küstenstrichen, die sie nach mir besucht, zuvorgekommen sind, so beschränke ich mich hier auf Bemerkungen, die außerhalb des Kreises ihrer Beobachtungen fallen. Die Kette der Kalkalpen des Vrigantin und Tataraaual streicht von Ost nach West vom Gipfel Imposible bis zum Hafen von Mochima und nach Campanario. In einer sehr fernen Zeit scheint das Meer diesen Gebirgsdamm von der Felsenküste von Araya und Maniquarez getrennt zu haben. Der weite Golf von Cariaco ist durch einen Einbruch des Meeres entstanden, und ohne Zweifel stand damals an der Südküste das ganze mit salzsaurem Natron getränkte Land, durch das der Mauzanares läuft, unter Wasser. Ein Blick auf den Stadtplan von Cumana läßt diese Thatsache so unzweifelhaft erscheinen, als daß die Becken von Paris, Oxford und Wien einst Meerboden gewesen. Das Meer zog sich langsam zurück und lcgte das weite Gestade trocken, auf dem sich eine Hügelgruppe erhebt, die aus Gips und Kalkstein von der neuesten Bildung besteht. Die Stadt Cumana lehnt sich an diese Hügel, die einst ein Eiland im Golf von Cariaco waren. Das Stück der Ebene nordwärts von der Stadt heißt „der kleine Strand" (klaga i:kiog); sie dehnt sich gegen Ost bis zur Punta Delgada aus, und hier bezeichnet ein enges mit 6omplii'6iia, ilava bedecktes Thal den Punkt, wo einst der Durchbruch der Gewässer stattfand. Dieses Thal, dessen Eingang durch kein Außenwerk Humboldt. Reise, I. ' » 1'Ü 226 vertheidigt wird, erscheint als der Punkt, von wo der Platz einem Angriff am meisten ausgesetzt ist. Der Feind kann in voller Sicherheit zwischen der Punta Arenas del Barig on und der Mündung des Manzanares durchgehen, wo die See 40 bis 50 und weiter nach Südost sogar 87 Faden tief ist. Er kann an der Punta Delgada landen und das Fort St. Antonio und die Stadt Cumana im Rücken angreifen, ohne daß er vom Feuer der westlichen Batterien auf der Plaga Chica an der Mündung des Stroms und beim Cerro Colorado etwas zu fürchten hätte. Der Hügel aus Kaltstein, den wir, wie oben bemerkt, als eine Insel im ehemaligen Golf betrachten, ist mit Fackcldisteln bedeckt. Manche davon sind 30—40 Fuß hoch und ihr mit Flechten bedeckter, in mehrere Aeste kronleuchterartig getheilter Stamm nimmt sich höchst seltsam aus. Bei Maniquarez an der Punta Araya maßen wir einen Cactus, dessen Stamm über vier Fuß neun Zoll Umfang hatte. Ein Europäer, der nur die Fackeldisteln unserer Gewächshäuser kennt, wundert sich, wenn er sieht, daß das Holz dieses Gewächses mit dem Alter sehr hart wird, daß es Jahrhunderte lang der Luft und Feuchtigkeit widersteht, und daß es die Indianer von Cumana vorzugsweise zu Rudern und Thürschwellcn verwenden. Nirgends in Südamerika kommen die Gewächse aus der Familie der No-paleen häufiger vor als in Cumana, Coro, Curasao und auf der Insel Margarita. Nur dort könnte der Botaniker nach langem Aufenthalt eine Monographie der Cactus schreiben, die nicht in Hinsicht auf Blüthen und Früchte, aber nach der Form des gegliederten Stamms, nach der Zahl der Gräten und der Stellung der Stacheln ausnehmend viele Varietäten bilden. Wir 227 werden in der Folge sehen, wie diese Gewächse, die für ein heißes, trockenes Klima, wie das Egyptens und Californiens, charakteristisch sind, immer mehr verschwinden, wenn man von Terra Firma ins Innere des Landes kommt. Die Cactusgebüsche spielen auf dürrem Boden in Südamerika dieselbe Rolle, wie in unsern nördlichen Ländern die mit Binsen und Hydrocharideen bewachsenen Brüche. Ein Ort, wo stachlichte Cactus von hohem Wuchs in Reihen stehen, gilt fast für undurchdringlich. Solche Stellen, Tunales genannt, halten mcht allein den Eingebornen auf, der bis zum Gürtel nackt ist, sie sind eben so sehr von den Stämmen gefürchtet, die ganz bekleidet gehen. Auf unsern einsamen Spaziergängen versuchten wir es manchmal in den Tunal einzudringen, der die Spitze des Schloßberges krönt und durch den zum Theil ein Fußweg führt. Hier ließe sich der Bau dieses sonderbaren Gewächses an Tausenden von Exemplaren beobachten. Zuweilen wurden wir von der Nacht überrascht, denn in diesem Klima gibt es fast keine Dämmerung. Unsere Lage war dann desto bedenklicher, da der Cascade! oder die Klapperschlange, der Coral und andere Schlangen mit Giftzähnen zur Legezeit solche heiße trockene Orte aufsuchen, um ihre Eier in den Sand zu legen. Das Schloß St. Antonio liegt auf der westlichen Spitze des Hügels, aber nicht auf dem höchsten Punkt: es wird gegen Osten von einer nicht befestigten Höhe beherrscht. Der Tunal gilt hier und überall in den spanischen Niederlassungen für ein nicht unwichtiges militärisches Vertheidigungsmittel. Wo man Erdwerke anlegt, suchen die Ingenieurs recht viele stachlichte Fackeldisteln darauf anzubringen und ihr Wachsthum zu befördern, wie 228 man auch die Krokodile in den Wassergräben der festen Plätze hegt. In einem Klima, wo die organische Natur eine so gewaltige Trieb-' kraft hat, zieht der Mensch fleischfressende Reptilien und mit furchtbaren Stacheln bewehrte Gewächse zu seiner Vertheidigung herbei. Das Schloß St. Antonio, wo man an Festtagen die Flagge von Castilien aufzieht, liegt nur 30 Toisen über dem Wasserspiegel des Meerbusens von Cariaco. Auf seinem kahlen Kalkhügel beherrscht es die Stadt und liegt, wenn man in den Hafen einfährt, höchst malerisch da. Es hebt sich hell von der dunkeln Wand der Gebirge ab, deren Gipfel bis zur Schneeregion aufsteigen und deren duftiges Blau mit dem Himmelsblau verschmilzt. Geht man vom Fort St. Antonio gegen Südwest herab, so kommt man am Abhang desselben Felsen zu den Trümmern des alten Schlosses Santa Maria. Dieß ist ein herrlicher Punkt, um gegen Sonnenuntergang des kühlen Seewindes und der Aussicht auf den Meerbusen zu genießen. Die hohen Berggipfel der Insel Margarita erscheinen über der Felsenküste der Landenge von Araya; gegen Westen mahnen die kleinen Inseln Caracas, Picuito und Boracha an die Katastrophe, durch welche die Küste von Terra Firma zerrissen worden ist. Diese Eilande gleichen Festungswerken, und da die Sonne die untern Luftschichten, die See und das Erdreich ungleich erwärmt, so erscheinen ihre Spitzen in Folge der Luftspiegelung hinaufgezogen, wie die Enden der großen Vorgebirge der Küste. Mit Vergnügen verfolgt man bei Tage diese wechselnden Erscheinungen; bei Einbruch der Nacht sieht man dann, wie die in der Luft schwebenden Gesteinmassen sich wieder auf ihre Grundlage niedersenken, und das Gestirn, das der organischen Natur 229 Leben verleiht, scheint durch die veränderliche Beugung seiner Strahlen den starren Fels vom Fleck zu rücken und dürre Sandebenen wellenförmig zu bewegen. Die eigentliche Stadt Cumana liegt zwischen dem Schlosse St. Antonio und den kleinen Flüssen Manzanares und Santa Catalina. Das durch die Arme des ersteren Flusses gebildete Delta ist ein fruchtbares Land, bewachsen mit Mammea, Achra, Bananen und andern Gewächsen, die in den Gärten oder Char as der Indianer gebaut werde«. Die Stadt hat kein ausgezeichnetes Gebäude auszuweisen, und bei der Häufigkeit der Erdbeben wird sie schwerlich je welcke haben. Starke Erdstöße kommen zwar im selben Jahr in Cumana nicht so häusig vor als in Quito, wo doch prächtige, sebr hohe Kirchen stehen: aber die Erdbeben in Quito sind nur scheinbar so heftig, und in Folge der eigenthümlichen Beschaffenheit des Bodens und der Art der Bewegung stürzt kein Gebäude ein. In Cumana, wie in Lima und mehreren andern Städten, die weit von den Schlünden thätiger Vulkane liegen, wird die Reihe schwacher Erdstöße nach Ablauf vieler Jahre leicht durch größere Katastrophen unterbrochen, die in ihren Wirkungen denen einer springenden Mine übnlich sind. Wir werden öfters Gelegenheit haben, auf diese Erscheinungen zurückzukommen, zu deren Erklärung so viele eitle Theorien ersonnen worden sind, und für die man eine Classification gefunden zu haben glaubte, wenn man senkrechte und wagrechte Bewegungen, stoßende und wellenförmige Bewegungen annahm. ^ ' Diese Gintheilung schieibt sich schon aus der Zeit des Posidonius 230 Die Vorstädte von Cumana sind fast so start bevölkert als die alte Stadt. Es sind ihrer drei: die der Serritos auf dem Wege nach der Plaga chica, wo einige schöne Tamarindenbäume stehen, die südöstlich gelegene, San Francisco genannt , und die große Vorstadt der Guayqueries oder der Guay-gueries. Der Name dieses Indianerstamms war vor der Eroberung ganz unbekannt. Die Eingeborenen, die denselben jetzt führen, gehörten früher zu der Nation der Guaraunos, die nur noch auf dem Sumpfboden zwischen den Armen des Orinoco lebt. Alte Männer versicherten mich, die Sprache ihrer Vorfahren sey eine Mundart der Guaraunosprache gewesen, aber seit hundert Jahren gebe es in Cumana und auf Margarita keinen Eingeborenen vom Stamme mehr, der etwas anderes spreche als castilianisch. Das Wort Guayqueries verdankt, gerade wie die Worte Peru und Peruvia ner, seinen Ursprung einem bloßen Mißverständnisse. Als die Begleiter des Columbus an der Insel Margarita hinfuhren, auf deren Nordküste noch jetzt der am höchsten stehende Theil dieser Nation wohnt, stießen sie auf einige Eingeborene, die Fische harpunirten, indem sie einen mit einer sehr feinen Spitze versehenen, an einen Strick gebundenen Stock gegen sie schleuderten. Sie fragten sie in Haytischer hei. Es ist die 5uceu58in und die inelinatin des Seneca s()une5Uone8 nlltui-ales. 1.1b. VI. e. 21). Aber schon der Scharfsinn der Alten machte die Bemerkung, daß die Art und Weise der Erdstöße viel zu veränderlich ist, als daß man sie unter solche vermeintliche Gesetze bringen könnte. (Plato bei Plntarch li« plucit. ?NlIo8. I.. III. e. ig.) 231 Sprache, wie sie hießen; die Indianer aber meinten, die Fremden erkundigen sich nach den Harpunen aus dem harten, schweren Holz der Macanapalme und antworteten: Guaike, Guaike, das heißt: spitziger Stock. Die Guayqueries, ein gewandtes, civilisirtes Fischervolk, unterscheiden sich jetzt auffallend von den wilden Guaraunos am Orinoco, die ihre Hütten an den Stämmen der Morichepalmen aufhängen. Die Bevölkerung von Cumana ist in der neuesten Zeit viel zu hoch angegeben worden. Im Jahre 1800 schätzten sie Ansiedler, die in nationalökonomischen Untersuchungen wenig Bescheid wissen, auf 20,000 Seelen, wogegen königliche bei der Landesregierung angestellte Beamte meinten, die Stadt sammt den Vorstädten habe nicht 13,000. Depons gibt in seinem schätzbaren Werk über die Provinz Caracas der Stadt im Jahre 1802 gegen 28,000 Einwohner; andere geben im Jahr 1810 30,000 an. Wenn man bedenkt, wie langsam die Bevölkerung in Terra Firma zunimmt, und zwar nicht auf dem Land, sondern in den Städten, so läßt sich bezweifeln, daß Cumana bereits um ein Drittheil volkreicher seyn sollte als Vera Cruz, der vornehmste Hafen des großen Königreichs Neuspanien. Es läßt sich auch leicht darthun, daß im Jahr 1802 die Bevölkerung kaum über 18,000 bis 19,000 Seelen betrug. Es waren mir verschiedene Notizen über die statistischen Verhältnisse des Landes zu Hand, welche die Negierung hatte zusammenstellen lassen, als die Frage verhandelt wurde, ob die Einkünfte aus der Tabakspacht durch eine Personalsteuer ersetzt werden könnten, und ich darf mir schmeicheln, daß meine Schätzung auf ziemlich sichern Grundlagen ruht. 232 5 Eine im Jahr 1792 vorgenommene Zahlung ergab für die Stadt Cumana, ihre Vorstädte und die einzelnen Häuser auf eine Meile in der Runde nur 10,740 Einwohner. Ein Schatzbeamter, Don Manuel Navarete, versichert, daß man sich bei diefer Zählung höchstens um ein Drittheil oder ein Viertheil geirrt haben könne. Vergleicht man die jährlichen Taufregister, so macht sich von 1792 bis 1800 nur eine geringe Zunahme bemerklich. Tie Weiber sind allerdings sehr fruchtbar, besonders die eingeborenen, aber wenn auch die Pocken im Lande noch unbekannt sind, so ist doch die Sterblichkeit unter den kleinen Kindern furchtbar groß, weil sie in völliger Verwahrlosung aufwachsen und die üble Gewohnheit haben, unreife, unverdauliche Früchte zu genießen. T>ie Zahl der Geburten beträgt im Durchschnitt 520 bis 600, was auf eine Bevölkerung von höchstens 16,800 Seelen schließen läßt. Man kann versichert seyn, daß sämmtliche Indiancrtinder getaust und in das Taufregister der Pfarre eingetragen sind, und nimmt man an, die Bevölkerung sey im Jahr 1800 26,000 Seelen stark gewesen, so käme auf dreiundvierzig Köpfe nur Eine Geburt, während sich die Geburten zur Gesammtbevölkerung in Frankreich wie 28 zu 100 und in den tropischen Strichen von Mexico wie 17 zu 100 verhalten. Vermuthlich wird sich die indianische Vorstadt allmählich bis zum Landungsplatz ausdehnen, da die Fläch?, auf der noch teine Häuser oder Hütten stehen, höchstens 340 Toiscn lang ist. Tem Strande zu ist die Hitze etwas weniger drückend als in der Altstadt, wo wegen des Zurückvrallens der Sonnenstrahlen vom Kalkboden und der Nähe des Berges St. Antonio die 233 Temperatur der Luft ungemein hoch steigt. In der Vorstadt der Guayqueries haben die Seewinde freien Zutritt, der Boden ist Thon und damit, wie man glaubt, den heftigen Stößen der Erdbeben weniger ausgesetzt, als die Häuser, die sich an die Felsen und Hügel am rechten Ufer des Manzanares lehnen. Bei der Mündung des kleinen Flusses Santa Catalina ist der Saum des Ufers mit sogenannten Wurzelträgern ' besetzt; aber diese Man glares sind nicht groß genug, um der Salubrität der Luft in Cumana Eintrag zu thun. Im übrigen ist die Ebene theils kahl, theils bedeckt mit Büschen von ßysu-vium portulaogstruin, 6ompkr6na llavn., Aompkrerm m)'ltifs)Iin,, I'alinurn ou8pi6awm, I'alinum oumanense und I'oi-Wigoa länuzwos». Unter diesen krautartigen Gewächsen erheben sich da und dort die ^.vioennig, tomLutosa, die ßooparig, 6ulol8, eine strauchartige Mimose mit sehr reizbaren Blättern, besonders aber Cassien, deren in Südamerika so viele vorkommen, daß wir auf unsern Reisen mehr als dreißig neue Arten zusammengebracht haben. Geht man zur indischen Vorstadt hinaus und am Fluß gegen Süd hinauf, so kommt man zuerst an ein Cactusgebüsch und dann an einen wunderschönen Platz, den Tamarindenbäume, Vrasilienholzbäume, Vombax und andere durch ihr Laub und ihre Blüthen ausgezeichneten Gewächse beschatten. Der Boden bietet hier gute Weide, und Melkereien, aus Rohr erbaut, kegen zerstreut zwischen den Baumgruppen. Die Milch bleibt frisch, wenn man sie, nicht in der Frucht des Flaschenkürbis- 1 Rhizophora Mangle. 234 baums, die ein Gewebe aus sehr dichten Holzfasern ist, sondern in porösen Thongefäßen von Maniquarez aufbewahrt. In Folge eines in nördlichen Ländern herrschenden Vorurtheils hatte ich geglaubt, in der heißen Zone geben die Kühe keine sehr fette Milch; aber der Aufenthalt in Cumana, besonders aber die Reise über die weiten mit Gräsern und krautartigen Mimosen bewachsenen Ebenen von Calabozo haben mich belehrt, daß sich die Wiederkäuer Europa's vollkommen an das heißeste Klima gewöhnen, wenn sie nur Wasser und gutes Futter finden. Die Milchwirthschaft ist in den Provinzen Neu-Andalusien, Barcelona und Venezuela ausgezeichnet, und häufig ist die Butter auf den Ebenen der heißen Zone besser als auf dem Nucken der Anden, wo für die Alppflanzen die Temperatur in keiner Jahreszeit hoch genug ist und sie daher weniger aromatisch find als auf den Pyrenäen, auf den Bergen Estremadura's und Griechenlands. Den Einwohnern Cumana's ist die Kühlung durch den Seewind lieber als der Blick ins Grüne, und so kennen sie fast keinen andern Spaziergang als den großen Strand. Die Castilianer, denen man nachsagt, sie seyen im Allgemeinen keine Freunde von Bäumen und Vogelgesang, haben ihre Sitten und ihre Vorurtheile in die Colonien mitgenommen. In Terra Firma, Mexico und Peru sieht man selten einen Eingeborenen einen Baum pflanzen allein in der Absicht, sich Schatten zu schaffen, und mit Ausnahme der Umgegend der großen Haupt« städte weiß man in diesen Ländern so gut wie nichts von Alleen. Die dürre Ebene von Cumana zeigt nach starken Regengüssen eine merkwürdige Erscheinung. Der durchnäßte, von den Sonnen- 235 strahlen erhitzte Boden verbreitet jenen Visamgeruch, der in der heißen Zone Thieren der verschiedensten Classen gemein ist, dem Jaguar, den kleinen Arten von Tigerkatzen, dem Cabia'i',' dem Galinazogeier, - dem Krokodil, den Vipern und Klapperschlangen. Die Gase, die das Vehikel dieses Aroms sind, scheinen sich nur in dem Maaße zu entwickeln, als der Boden, der die Reste zahlloser Reptilien, Würmer und Insekten enthält, sich mit Wasser schwängert. Ich habe indianische Kinder vom Stamme der Chaymas achtzehn Zoll lange und sieben Linien breite Scolopender oder Tausendfüße aus dem Boden ziehen und verzehren sehen. Wo man den Boden aufgräbt, muß man staunen über die Massen organischer Stoffe, die wechselnd sich entwickeln, sich umwandeln oder zersetzen. Die Natur erscheint in diesen Himmelsstrichen kraftvoller, fruchtbarer, man möchte sagen mit dem Leben verschwenderifcher. Am Strande und bei den Melkereien, von denen eben die Rede war, hat man, besonders bei Sonnenaufgang, eine sehr schöne Aussicht auf eine Gruppe hoher Kalkberge. Da diese Gruppe im Hause, wo wir wohnten, nur unter einem Winkel von drei Grad erscheint, diente sie mir lange dazu, die Veränderungen in der irdischen Refraction mit den meteorologischen Erscheinungen zu vergleichen. Die Gewitter bilden sich mitten in dieser Cordillere, und man sieht von weitem, wie die dicken Wolken sich in starken Regen auflöfen, während in Cumana sechs bis acht Monate lang kein Tropfen Regen fällt. Der höchste Gipfel der Bergkette, der sogenannte Vrigantin, nimmt 1 Cavia capybara. Lin. 3 Vultur aura. Lin. 236 sich hinter dem Brito und dem Tetaraqual höchst malerisch aus. Sein Name rührt her von der Gestalt eines sehr tiefen Thals an seinem nördlichen Abhang, das dem Innern eines Schiffes gleicht. Der Gipfel des Veras ist fast ganz kahl und abgeplattet, wie der Gipfel des Mowna-Noa auf den Sandwichinseln: es ist eine senkrechte Wand, oder, um mich des bezeichnenderen Ausdrucks der spanischen Schiffer zu bedienen, ein Tisch, eine mesa. Diese eigenthümliche Nildung und die symmetrische Lage einiger Kegel, die den Vrigantin umgeben, brachten mich anfänglich auf die Vermuthung, daß diese Verg-gruppe, die ganz aus Kalkstein besteht, Glieder der Basaltoder Trappformation enthalten möchte. Der Statthalter von Cumana hatte im Jahr 1797 muthige Männer ausgeschickt, die das völlig unbewohnte Land untersuchen und einen geraden Weg nach Neu - Barcelona über den Gipfel der Mesa eröffnen sollten. Man vermuthete mit Necht, dieser Weg werde kürzer und für die Gesundheit der Reisenden nicht so gefährlich seyn als der längs der Küste, den die Couriere von Caracas einschlagen; aber alle Bemühungen, über die Bergkette zu kommen, waren fruchtlos. In diefen Ländern Amerika's, wie in Neuholland ' im Westen von Sidney, bietet nicht sowohl die Höhe der Cordilleren als die Gestaltung des Gesteins schwer zu besiegende Hindernisse. Durch das von den Gebirgen im Innern und dem südlichen Abhang ' Die blauen Verge in Neuholland, die Verge von Carmarthen und Laudsdown, sind bei hellem Wetter anf 30 Meilen nicht mehr sichtbar. Nimmt man den Höhenwinkel zu einem halben Grad an, so hätten diese Verge etwa 62N Toisen absoluter Höhe. 237 des Cerro de San Antonio gebildete Längenthal fließt der Manzanares. In der ganzen Umgegend von Cumana ist dieß der einzige ganz bewaldete Landstrich; er heißt die Ebene der Charas, ' wegen der vielen Pflanzungen, welche die Einwohner seit einigen Jahren den Fluß entlang versucht haben. Ein schmaler Pfad führt vom Hügel von San Francisco durch den Forst zum Kapuzinerhospiz, einem höchst angenehmen Landhaus, das die aragonesischen Mönche für alte entkräftete Missionäre, die ihres Amtes nicht mehr walten tonnen, gebaut haben. Gegen Ost werden die Waldbäume immer kräftiger und man sieht hie und da einen Assen,' die sonst in der Gegend von Cumana sehr selten sind. Zu den Füßen der Cap-Paris , Bauhinien und des Zygophyllum mit goldgelben Blüthen breitet sich ein Teppich von Bromelien' aus, deren Geruch und deren kühles Laub die Klapperschlangen Hieher ziehen. Der Manzanares hat sehr klares Wasser und zum Glück nichts mit dem Madrider Manzanares gemein, der unter seiner Prächtigen Brücke noch schmaler erscheint. Er entspringt, wie alle Flüsse Neu - Andalusiens, in einem Striche der Savanen (Llanos), der unter dem Namen der Plateaus von Ionoro, Amana und Guanipa bekannt ist und beim indianischen Dorfe San Fernando die Gewässer des Nio Iuanillo ausnimmt. Man hat der Regierung öfter, aber immer vergeblich, den Vorschlag gemacht, beim ersten Ipure ein Wehr bauen zu lassen, um ' cllllei-l». verdorben ^IiÄl-a, heißt eine von einem Garten umgebene Hütte. ' Der gemeine Machi, oder Heulaffe. 2 Chihuchihue, au« der Familie der Ananas. 238 die Ebene der Charas künstlich zu bewässern, denn der Boden ist trotz seiner scheinbaren Dürre ausnehmend fruchtbar, sobald Feuchtigkeit zu der herrschenden Hitze hinzukommt. Die Landleute, die im Allgemeinen in Cumana nicht wohlhabend sind, sollten nach und nach die Auslagen für die Schleuße ersetzen. Vis das Projekt in Ausführung kommt, hat man Schöpfräder, durch Maulthiere getriebene Pumpen und andere sehr unvollkommene Wasserwerke angelegt. Die Ufer des Manzanares sind sehr freundlich, von Mimosen, Erythrina, Ceiba und andern Bäumen von riesenhaftem Wuchs beschattet. Ein Fluß, dessen Temperatur zur Zeit des Hochwassers auf 22° fällt, während der Thermometer an der Luft auf 30—33° steht, ist eine unschätzbare Wohlthat in einem Lande, wo das ganze Jahr eine furchtbare Hitze herrscht und man den Trieb hat, mehreremale des Tags zu baden. Die Kinder bringen so zu sagen einen Theil ihres Lebens im Wasser zu: alle Einwohner, selbst die weiblichen Glieder der reichsten Familien, können schwimmen, und in einem Lande, wo der Mensch dem Naturstande noch so nahe ist, hat man sich, wenn man Morgens einander begegnet, nichts Wichtigeres zu fragen, als ob der Fluh heute kühler sey als gestern. Man hat verschiedene Bademethoden. So besuchten wir jeden Abend einen Cirkel sehr achtungswerther Personen in der Vorstadt der Guay-queries. Da stellte man bei schönem Mondschein Stühle ins Wasser; Männer und Frauen waren leicht gekleidet, wie in manchen Bädern des nördlichen Europa, und die Familie und die Fremden blieben ein paar Stunden im Flusse sitzen, rauchten Cigarren dazu und unterhielten sich nach Landessitte von der ungememen Trockenheit'der Jahreszeit, vom starken Regenfall 239 in den benachbarten Distrikten, besonders aber vom Luxus, den die Damen in Cumana den Damen in Caracas und Havana zum Vorwurf machen. Durch die Bavas oder kleinen Krokodile, die jetzt sehr selten sind und den Menschen nahe kommen, ohne anzugreifen, ließ sich die Gesellschaft durchaus nicht stören. Diese Thiere sind drei bis vier Fuß lang: wir haben nie eines im Manzanares gesehen, wohl aber Delphine, die zuweilen bei Nacht im Fluß heraufkommen und die Badenden erschrecken, wenn sie durch ihre Luftlöcher Wasser spritzen. Der Hafen von Cumana ist cine Nhede, welche die Flotten von ganz Europa aufnehmen könnte. Der ganze Meerbusen von Cariaco, der scchsunddreißig Seemeilen lang und sechs bis acht brrit ist, bietet vortrefflichen Ankergrund. Der große Ocean an der Küste von Peru kann nicht stiller und ruhiger seyn als das Meer der Antillen von Portocabello an, namentlich aber vom Vorgebirge Codera bis zur Landspitze von Paria. Von den Stürmen bei den antillischen Inseln spürt man nie etwas in diesem Strich, wo man in Schaluppen ohne Verdeck das Meer befährt. Die einzige Gefahr im Hafen von Cumana ist eine Untiefe, Laxo ösi Norro roxo, die von West nach Ost 900 Toisen lang ist und so steil abfällt, daß man dicht dabei ist, ehe man sie gewahr wird. Ich habe die Lage von Cumana etwas ausführlich beschrieben, weil es mir wichtig schien, eine Gegend kennen zu lernen, die seit Jahrhunderten der Herd der furchtbarsten Erdbeben war. Ehe wir von diesen außerordentlichen Erscheinungen sprechen, erscheint es als zweckmäßig, die verschiedenen Züge des von mir entworfenen Naturbildcs zusammenzufassen. 240 Die Stadt liegt am Fuße eines kahlen Hügels und wird von einem Schlosse beherrscht. Kein Glockenthurm, keine Kuppel füllt von weitem dem Reisenden ins Auge, nur einige Tamarinden-, Cocosnuk- und Dattelstämme erheben sich über die Häuser mit platten Dächern. Die Ebene ringsum, besonders dem Meere zu, ist trübselig, staubig und dürr, wogegen ein frischer, kräftiger Psianzenwllchs von weitem den geschlängelten Lauf des Flusses bezeichnet, der die Stadt von den Vorstädten, die Bevölkerung von europäischer und gemischter Abkunft von den kupferfarbigen Eingeborenen trennt. Der freistehende, kahle, weiße Schloßberg San Antonio wirft zugleich eine große Masse Licht und strahlender Wärme zurück; er besteht aus Breccien, deren Schichten versteinerte Seethiere einschließen. In weiter Ferne gegen Süden streicht dunkel ein mächtiger Gebirgszng hin. Dieß sind die hohen Kalkalpcn von Neu-Andalusien, wo dem Kalk Sandsteine und andere neuere Bildungen aufgelagert sino. Majestätische Wälder bedecken diese Cordillere im innern Land und hängen durch ein bewaldetes Thal mit dem nackten, thomgten und salzhaltigen Boden zusammen, auf dem Cumana liegt. Einige Vögel von bedeutender Größe tragen zur eigenthümlichen Physiognomie des Landes bei. Am Gestade und am Meerbusen sieht man Schaaren von Fischreihern und Al-catras, sehr plumpen Vögeln, die gleich den Schwänen mit gehobenen Flügeln über das Wasser gleiten. Näher bei den Wohnstätten der Menschen sind taufende von Galinazogeiern, wahre Chakals unter dem Gesieder, rastlos beschäftigt, todte Thiere zu suchen. Ein Meerbusen, auf dessen Grunde heiße Quellen vorkommen, trennt die secundären Gebirgsbildungen 241 vom primitiven Schiefergebirge der Halbinsel Araya. Beide Küsten werden von einem ruhigen, blauen, beständig vom selben Winde leicht bewegten Meere bespült. Ein reiner, trockener Himmel, an dem nur bei Sonnenuntergang leichtes Gewölk aufzieht, ruht auf der See, auf der baumlosen Halbinsel und der Ebene von Cumana, während man zwischen den Berggipfeln im Innern Gewitter sich bilden, sich zusammenziehen und in fruchtbaren Regengüssen sich entladen sieht. So zeigen denn an diesen Küsten, wie am Fuße der Anden, Himmel und Erde scharfe Gegensätze von Heiterkeit und Bewölkung, von Trockenheit und gewaltigen Wassergüssen, von völliger Kahlheit und ewig neu sprossendem Grün. Auf dem neuen Continent unterscheiden sich die Niederungen an der See von den Gebirgsländern im Innern so scharf, wie die Ebenen Unterägyptens von den hochgelegenen Plateaus Abyssiniens. Zu den Zügen, welche, wie oben angedeutet, der Küstenstrich von Neu-Andalusien und der von Peru gemein haben, kommt nun noch, daß die Erdbeben dort wie hier gleich häusig sind, und daß die Natur für diese Erscheinungen beidemal die« selb'.'« Grenzen einzuhalten scheint. Wir selbst haben in Cumana sehr starke Erdstöße gespürt, eben war man daran, die vor Kurzem eingestürzten Gebäude wieder aufzurichten, und so hatten wir Gelegenheit, uns an Ort und Stelle über die Vorgänge be- der furchtbaren Katastrophe vom 14. December 1797 genau zu erkundigen. Diese Angaben werden um so mehr Interesse haben, da die Erdbeben bisher weniger aus physischem und geologischem Gesichtspunkt, als vielmehr nur wegen ihrer schrecklichen Folgen für die Bevölkerung und für das allgemeine Wohl ins Auge gefaßt worden sind..... Humboldt. Reise. I. , 16 242 Es ist eine an der Küste von Cumana und auf der Insel Margarita sehr verbreitete Meinung, daß der Meerbusen von Cariaco sich in Folge einer Zertrümmerung des Landes und eines gleichzeitigen Einbruchs des Meeres gebildet habe. Die Erinnerung an diese gewaltige Umwälzung hatte sich unter den Indianern bis zum Ende des fünfzehnten Jahrhunderts erhalten, und wie erzählt wird, sprachen die Eingeborenen bei der dritten Reise des Christoph Columbus davon, wie von einem ziemlich neuen Ereigniß. Im Jahr 1530 wurden die Bewohner der Küsten von Paria und Cumana durch neue Erdstöße erschreckt. Das Meer stürzte über das Land her, und das kleine Fort, das Jakob Castellon bei Neu-Toledo gebaut hatte, wurde gänzlich zerstört. Zugleich bildete sich eine ungeheure Spalte in den Bergen von Cariaco, am Ufer des Meerbusens dieses Namens, und eine gewaltige Masse Salzwasser, mit Asphalt vermischt, sprang aus dem Glimmerschiefer hervor. Am Ende des sechzehnten Jahrhunderts waren die Erdbeben sehr häufig, und nach den Ueberlieferungen, die sich in Cumana erhalten haben, überschwemmte das Meer öfter den Strand und stieg 15—20 Toisen hoch an. Die Einwohner flüchteten sich auf den Cerro de San Antonio und auf den Hügel, auf dem jetzt das kleine Kloster San Francisco steht. Man glaubt sogar, in Folge dieser häusigen Ueberschwemmungen habe man das an den Berg gelehnte Stadtviertel angelegt, das zum Theil auf dem Abhang desselben liegt. Da es keine Chronik von Cumana gibt, und da sich wegen der beständigen Verheerungen der Termiten oder weißen Ameisen in den Archiven keine Urkunde befindet, die über hundert fünfzig 243 Jahre hinaufreicht, so weiß man nicht genau, wann diese früheren Erdbeben stattgefunden haben. Man weiß nur, daß näher unserer Zeit das Jahr 1766 für die Ansiedler das entsetzlichste und zugleich für die Naturgeschichte des Landes merkwürdigste gewesen ist. Seit fünfzehn Monaten hatte eine Trockenheit geherrscht, wie sie zuweilen auch auf den Inseln des grünen Vorgebirges beobachtet wird, als am 21. Oktober 1766 die Stadt Cumana von Grund aus zerstört wurde. Das Gedächtniß dieses Tages wird alljährlich mit einem Gottesdienst und einer feierlichen Procession begangen. In wenigen Minuten stürzten sämmtliche Häuser zusammen. An verschiedenen Orten der Provinz that sich die Erde auf und spie nach Schwefel riechendes Wasser aus. Diese Ausbrüche waren besonders häufig auf einer Ebene, die sich gegen Casanay, zwei Meilen östlich von Cumana hinzieht, und die unter dem Namen ti^rrg, linse»,, hohler Boden, bekannt ist, weil sie überall von warmen Quellen unterhöhlt zu seyn scheint. Während der Jahre 1766 und 1767 lagerten die Einwohner von Cumana in den Straßen und begannen mit den: Wiederaufbau ihrer Häuser erst, als sich die Erdbeben nur noch alle Monate wiederholten. Hier auf der Küste traten damals dieselben Erscheinungen ein, die man auch im Königreich Quito unmittelbar nach der großen Katastrophe vom 4. Februar 1797 beobachtet hat. Während sich der Boden beständig wellenförmig bewegte, war es, als wollte sich die Luft in Wasser auflösen. Durch ungeheure Regengüsse schwollen die Flüsse an; das Jahr war ausnehmend fruchtbar, und die Indianer, deren leichten Hütten die stärksten Erdstöße nichts anhaben, feierten nach einem 244 uralten Aberglauben durch festlichen Tanz den Untergang der Welt und ihre bevorstehende Wiedergeburt. Nach der Ueberlieferung waren beim Erdbeben von 1766, wie bei einem andern sehr merkwürdigen im Jahr 1794, die Stüße bloße wagerechte wellenförmige Bewegungen; erst am Unglückstage des 14. December 1797 spürte man in Cumana zum erstenmal eine hebende Bewegung von unten nach oben. Ueber vier Fünftheile der Stadt wurden damals völlig zerstört, und der Stoß, der von einem starken unterirdischen Getöse begleitet war, glich, wie in Niobamba, der Explosion einer in großer Tiefe angelegten Mine. Zum Glück ging dem heftigsten Stoß eine leichte wellenförmige Bewegung voraus, so daß die meisten Einwohner sich auf die Straßen flüchten konnten, und von denen, die eben in den Kirchen waren, nur wenige das Leben verloren. Man glaubt in Cumana allgemein, die verheerendsten Erdbeben werden durch ganz schwache Schwingungen des Bodens und durch ein Sausen angekündigt, und Leuten, die an solche Vorfälle gewöhnt sind, entgeht solches nicht. In diesem verhängnißvollen Augenblick hört man überall den Ruf: Uis6lio0läia! temblk, temlila! ^ und es kommt selten vor, daß ein blinder Lärm durch einen Eingeborenen veranlaßt wird. Die Aengstlichsten achten auf das Benehmen der Hunde, Ziegen und Schweine. Die letzteren, die einen ausnehmend scharfen Geruch haben und gewöhnt sind, im Boden zu wühlen, ver: künden die Nähe der Gefahr durch Unruhe und Geschrei. Wir lassen es dahingestellt, ob sie das unterirdische Getöse zuerst ' Erbarmen! sie (die Erde) bebt! sie bebt! 245 hören, weil sie näher am Boden sind, oder ob etwa Gase, die der Erde entsteigen, auf ihre Organe wirken. Daß letzteres möglich ist, läßt sich nicht läugnen. AIs ich mich in Peru aufhielt, wurde ein Fall beobachtet, der mit diesen Erscheinungen zusammenhängt und der schon öfters vorgekommen war. Nach starken Erdstößen wurde das Gras auf den Savanen von Tu-cuman ungesund; es brach eine Viehseuche aus und viele Stücke scheinen durch die bösen Dünste, die der Boden ausstieß, betäubt oder erstickt worden zu seyn. In Cumana spürte man eine halbe Stunde vor der großen Katastrophe am 14. December 179? am Klostcrberg von San Francisco einen starken Schwefelgeruch. Am selben Ort war das unterirdische Getöse, das von Südost nach Südwest fortzurollen schien, am stärksten. Zugleich sah man am Ufer des Manzanares, beim Hospiz der Kapuziner und im Meerbusen von Cariaco bei Mariguitar Flammen aus dem Boden schlagen. Wir werden in der Folge sehen, daß letztere in nicht vulkanischen Ländern so auffallende Erscheinung in den aus Alpenkalk bestehenden Gebirgen bei Cumanacao, im Thale des Rio Bor-dones, auf der Insel Margarita und mitten in den Savanen oder Llanos von Neu - Andalusien ziemlich häusig ist. In diesen Savanen steigen Feuergarben zu bedeutender Höhe auf; man kann sie Stunden lang an den dürrsten Orten beobachten, und man versichert, wenn man den Boden, dem der brennbare Stoff entströnlt, untersuche, sey keinerlei Spalte darin zu bemerken. Dieses Feuer, das an die Wasserstofsauellcn oder Salse in Modena und an die Irrlichter unserer Sümpfe er-mnert, zündet das Gras nicht an, wahrscheinlich weil die Säule 246 des sich entbindenden Gases mit Stickstoff und Kohlensäure vermengt ist und nicht bis zum Boden herab brennt. Das Volt, das übrigens hier zu Land nicht so abergläubisch ist als in Spanien, nennt diese röthlichen Flammen seltsamerweise „die Seele des Tyrannen Aguirre;" Lopez d'Aguirre soll nämlich, von Gewissensbissen gefoltert, in dem Lande umgehen, das er mit seinen Verbrechen besteckt.' Durch das große Erdbeben von 1797 ist die Untiefe an der Mündung des Nio Bordones in ihrem Umriß verändert worden. Aehnliche Hebungen sind bei der völligen Zerstörung Cumana's im Jahr 1766 beobachtet worden. Die Punta Del-gada an der Westküste des Meerbusens von Cariaco wurde damals bedeutend größer, und im Rio Guarapiche beim Dorfe Maturin entstand eine Klippe, wobei ohne Zweifel der Boden des Flusses durch elastische Flüssigkeiten zerrissen und emporgehoben wurde. Wir verfolgen die lokalen Veränderungen, welche die verschiedenen Erdbeben in Cumana hervorgebracht, nicht weiter. Dem Plane dieses Werkes entsprechend suchen wir vielmehr die Ideen unter allgemeine Gesichtspunkte zu bringen, und alles, was mit diesen schrecklichen und zugleich so schwer zu erklärenden Vorgängen zusammenhängt, in Einen Rahmen zusammenzufassen. Wenn Naturforscher, welche die Schweizer Alpen oder ' Wenn das Volk in Cumana und auf der Insel Margarita von e! lil'gnn spricht, so ist immer der schändliche Lopez d'Aguirre gemeint, der im Jahr 4560 sich am Aufstand Fernandos de Guzman gegen den Statthalter von Omegua und Dorado, Petro de Ursua. betheiligte und sich nachher selbst ti-ai^nr, Verräthcr, nannte. 247 die Küsten von Lappland besuchen, unsere Kenntniß von den Gletschern und dem Nordlicht erweitern, so läßt sich von Einem, der das spanische Amerika bereist hat, erwarten, daß er sein Hauptaugenmerk auf Vulkane und Erdbeben gerichtet haben werde. Jeder Strich des Erdballs liefert der Forschung eigen« thümliche Stoffe, und wenn wir nicht hoffer» dürfen, die Ursachen der Naturerscheinungen zu ergründen, so muffen wir wenigstens versuchen die Gesetze derselben kennen zu lernen und durch Vergleichung zahlreicher Thatsachen das Gemeinsame und immer Wiederkehrende vom Veränderlichen und Zufälligen zu unterscheiden. Die großen Erdbeben, die nach einer langen Reihe kleiner Stöße eintreten, scheinen m Cumana nichis Periodisches zu haben. Man hat sie nach achtzig, nach hundert, und manchmal nach nicht dreißig Jahren sich wiederholen sehen, während an der Küste von Peru, z. B. in Lima, die Epochen, die jedesmal durch die gänzliche Zerstörung der Stadt bezeichnet werden, unverkennbar mit einer gewissen Regelmäßigkeit eintreten. Daß die Einwohner selbst an einen solchen Typus glauben, ist auch vom besten Einfluß auf die öffentliche Ruhe und die Erhaltung des Gewerbfieißes. Man nimmt allgemein an, daß es ziemlich lange Zeit braucht, bis dieselben Ursachen wieder mit derselben Gewalt wirken können: aber dieser Schluß ist nur dann richtig, wenn man die Erdstöße als lokale Er» scheinungen auffaßt, wenn man unter jedem Punkt des Erdballs, der großen Erschütterungen ausgesetzt ist, einen besondern Herd annimmt. Ueberall, wo sich neue Gebäude auf den Trümmern der alten erhoben, hört man Leute, die nicht bauen 248 wollen, äußern, auf die Zerstörung Lissabons am ersten N°« vember 1755 sey bald eine zweite, gleich schreckliche gefolgt, am 31. März 1761. Nach einer uralten, auch in Cumana, Acapulco und Lima sehr verbreiteten Meinung ' stehen die Erdbeben und der Zustand der Luft vor dem Eintreten derselben sichtbar in Zusammenhang. An der Küste von Neu - Andalusien wird man ängstlich, wenn bei großer Hitze und nach langer Trockenheit der Seewind auf einmal aufhört und der im Zenith reine, wolkenlose Himmel sich bis zu sechs, acht Grad über dem Hon» zont mit einem röthlichen Duft überzieht. Diese Vorzeichen sind indessen sehr unsicher, und wenn man sich nachher alle Vorgänge im Luftkreis zur Zeit der stärksten Erderschütterungen vergegenwärtigt, so zeigt sich, daß heftige Stöße so gut bei feuchtem als bei trockenem Wetter, so gut bei starkem Wind als bei drückend schwüler, stiller Luft eintreten können. Nach den vielen Erdbeben, die ich nördlich und füdlich vom Aequator, auf dem Festland und in Meeresbccken, an der Küste und in 2500 Toisen Höhe erlebt, will es mir scheinen, als ob die Schwingungen des Bodens und der vorhergehende Zustand der Luft im Allgemeinen nicht viel mit einander zu thun hätten. Dieser Ansicht sind auch viele gebildete Männer in den spanischen Colonien, deren Erfahrung sich, wo nicht auf ein größeres Stück der Erdoberfläche, so doch auf eine längere Reihe von Jahren erstreckt. In europäischen Ländern dagegen, wo Erdbeben im Verhältniß zu Amerika selten vorkommen, sind die 1 Aristoteles, Meteorologica, Lib. II. Seneca. Quaest. natur. Lib. VI. c. 12. 249 Physiker geneigt, die Schwingungen des Bodens und irgend ein Meteor, das zufällig zur selben Zeit erscheint, in nahe Beziehung zu bringen. So glaubt man in Italien an einen Zusammenhang zwischen dem Sirocco und den Erdbeben, und in London sah man das häusige Vorkommen von Sternschnuppen und jene Südlichter, die seitdem von Dalton öfters beobachtet worden sind, als die Vorläufer der Erdstöße an, die man vom Jahr 1748 bis zum Jahr 1756 spürte. An den Tagen, wo die Erde durch starke Stöße erschüttert wird, zeigt sich unter den Tropen keine Störung in der regelmäßigen stündlichen Schwankung des Barometers. Ich habe mich in Cumana, Lima und Riobamba hievon überzeugt; auf diefen Umstand sind die Physiker um so mehr aufmerksam zu machen, als man auf St. Domingo in der Stadt Cap Franyais unmittelbar vor dem Erdbeben von 1770 den Wasserbarometer um I'/, Zoll will haben fallen sehen.' So erzählt man auch, bei der Zerstörung von Oran habe sich ein Apotheker mit seiner Familie gerettet, weil er wenige Minuten vor der Katastrophe zufällig auf feinen Barometer gesehen und bemerkt habe, daß das Quecksilber auffallend stark falle. Ich weiß nicht, ob dieser Behauptung Glauben zu schenken ist, da es fast unmöglich ist, während der Stöße selbst die Schwankungen im Luftdruck zu beobachten, so muh man sich begnügen, auf den Barometer vor oder nach dem Vorfall zu fehen. Im gemäßigten Erdstrich äußern die Nordlichter mcht immer Einfluß auf die Declination der Magnetnadel und die Intensität der magnetischen Kraft; ' Dieses Fallen entspricht nur zwei Linien Quecksilber. ,t 250 so wirken vielleicht auch die Erdbeben nicht gleichmäßig auf die »ms umgebende Luft. Es ist schwerlich in Zweifel zu ziehen, daß in weiter Ferne von den Schlünden noch thätiger Vulkane der durch Erdstöße geborstene und erschütterte Boden zuweilen Gase in die Luft ausströmen läßt. Wie schon oben angeführt, brachen in Cu-mana aus dem trockensten Boden Flammen und mit schweflichter Säure vermischte Dämpfe hervor. An andern Orten spie ebendaselbst der Boden Wasser und Erdpech aus. In Riobamba bricht eine brennbare Schlammmasse, Moya genannt, aus Spalten, die sich wieder schließen, und thürmt sich zu anseh«: lichen Hügeln auf. Sieben Meilen von Lissabon, bei Colares, sah man während des furchtbaren Erdbebens vom 1. November 1755 Flammen und eine dicke Rauchsäule aus der Felswand bei Alvidras, und nach einigen Augenzeugen aus dem Meere selbst hervorbrechen. Der Rauch dauerte mebrere Tage und wurde desto stärker, je lauter das unterirdische Getöse war, das die Stöße begleitete. In die Atmosphäre ausströmende elastische Flüssigkeiten können lokal auf den Barometer wirken, freilich nicht durch ihre Masse, die im Verhältniß zur ganzen Luftmasse sehr unbedeutend ist, sondern weil sich, sobald ein großer Ausbruch erfolgt, wahrscheinlich ein aufsteigender Strom bildet, der den Luftdruck vermindert. Ich bin geneigt, anzunehmen, daß bei den meisten Erdbeben der erschütterte Boden nichts von sich gibt, und daß, wenn wirklich Gase und Dämpfe ausströmen, dieß weit nicht so oft vor den Stößen, als während derselben und hernach stattfindet. Aus diesem letzteren Umstand erklärt sich eine 251 Erscheinung, die schwerlich abzuläugnen ist, ich meine den räthselhaften Einfluß, den die Erdbeben im tropischen Amerika auf das Klima und den Eintritt der nassen und der trockenen Jahreszeit äußern. Wcnn die Erde erst im Moment der Erschütterung selbst eine Veränderung in der Luft hervorbringt, so sieht man ein, warum so selten ein auffallender meteorologischer Vorgang als Vorbote dieser großen Umwälzungen in der Natur erscheint. Für die Annahme, daß bei den Erdbeben in Cumana elastische Flüssigkeiten durch die Erdoberfläche zu entweichen suchen, scheint das furchtbare Getöse zu sprechen, das man während der Erdstöße auf der Ebene der Cha ras am Rande der Brunnen vernimmt. Zuweilen werden Wasser und Sand über zwanzig Fuß hoch emporgeschleudert. Aehnlich? Erscheinungen entgingen schon dem Scharfsinn der Alten nicht, die in den Ländern Griechenlands und Kleinasiens wohnten, wo es sehr viele Höhen, Erdspalten und unterirdische Ströme gibt. Das gleichförmige Walten der Natur erzeugt aller Orten dieselben Vorstellungen über die Ursachen der Erdbeben und über die Mittel, durch welche der Mensch, der so leicht das Maaß seiner Kräfte vergißt, die Wirkungen der Ausbrüchc aus der Tiefe mildern zu können meint. Was ein großer römischer Naturforscher vom Nutzen der Vrunnen und Höhlen sagt, ' wieder- ' In pulei8 esl remeclium. qunle et ci-ebi-i 8peeu5 prnebent: cunerPttim i8t. I.ib. VI. c. 4—3l), den Keim alles dessen enthält, was in unserer Zeit über die Wirkung elastischer