tiatodna in uniyerzitetna knjiinita v Ljubljani i4.c)5tiö cbst Vv7ai5 Viertes Capitel. Eine Episode von den Scoglien . . 8? Fünftes Capitel. Dalmatische Landschaften.....163 Sechstes Capitel. In der Zawoijc........203 Siebentes Capitel. Eine Meerfahrt längs der Küsten 204 Achtes Capitel. Anf Mcleda............282 Nenutes Capitel, In den Bocchc.........812 Zehntes Capitel. Wintertagc und Erinnernna.cn von den Zaratiner Scoglien.....344 Eilftes Capitel. Die Hero von Gant'Andrea . . , »71 Zwölftes Capitel. Frühlingstage an drr Küste . . . 395> Dreizehntes Capitel. Bilder »on der nördlichen Küst?, Eine dalmatische Familie. , 41A Vierzehntes Capitel. An der troatischei, Gränze. Eine Insel im Quarnerolo. Schluß , 436 Anhaue;. Eiue Hochzeit in Peroi..........462 Dchlwchtiett und scine 3nselm e lt. Erstes Capitel. Huf dem Meere. Es ist nicht zu verwundern, dasi sich finstere (bedanken in demjenigen festsetzen, welcher auf schwante», Schiffe vor dem Henlen der See die Worte des Nachbars nicht mehr vernnmnt, welcher kaum einen Schritt von ihm ent< ferut steht. „Der Nebel anf dem Meere und dcr Verdruß iu der Brust," so hat ein südslavisches Lied diese Augenblicke gekennzeichnet. Die Gedmttenrcihen beginnen sich zu verwirren nnd es klingelt in dcr Hirnhöhle von schmerzlichen Mittönen, wie die kleine Schisfsküche vom Geklinge der sorgsam aufgehängten Oefäsie. Die Vorstellungen folgen sich nicht mehr in regelmäßiger Getreuntheit, eine nach der andern. Wird eine einzige angeregt, so zittert sympathisch der voNe Inhalt des Gedächtnisses mit, wie er sich in den letzten vierundzwanzig Stunden angesammelt hat: der eilende Kahn im braunen Lagnncngrase von Mestre, schweigende Nachtwandler, die im dürftigen Vamvcnschcin über die öden Vrücken Venedigs huschen — die lichterglänzcnde piazza — das Donnern des Meeres am fernen Lidn, welches denjenigen Entsetzen Noi^ Dalmatien, l 2 einjagte, welche alls der (Gondel zum Dampfer fuhren, der uuangefochtcu, vom ^tegelt triefend, im nächtlichen Canal liesst; das Hallen der Mitternachtsglockcn, von der fernen Brandnng fast übertäubt; am granen Morgen die Schatten der vorübereilenden Wogen, wie sie durch das kleine Kabinenfeuster anf die gegenüberliegende Wand fallen; der rilhige Fittigschlag der Sturmvögel über dem ächzenden Dampfer und das stete Vlaugran, in welches der kaltc Himmel nnd das fchänmende Meer gehüllt sind. So liege ich denn verdrossen und denke au den Dichter"), dem es vor siebzehn Jahrhunderten auf seiner Pil^ gerfahrt nach Dalmatien gerade so zu Muthe gewesen sein würde, als er in den Seufzer ausbrach: Q.uando te dulci Latio remittent Dalmatao monies ! Indessen, wie gesagt, eine Vorstellung drängt die andere nnd wir find nicht umsoust anf dem Meere, dem Elemente der Bewegung und der Nastlosigkeit. In der Kabine sitzt ein alter, augenscheinlich reicher Boccchesc, der mit aller Gewalt feine Mntterfprache, das Slavische von Prevasto und Rifano, nicht reden will, so sehr auch ein rothbemützter morlatischer Nhrder ihm damit in den Ohren liegt. Die Sprache der Bocca ist angenblick lich nicht sehr beliebt auf den kaiserlichen Schiffen. Anf dem Verdeck ist heule kein Reifender zu sehen, die steife „^cvantera" und das kalte Waffer, welches vom Himmel herab und von der See herauf sprüht, scheuche»' sie hinab in die übelriecheude Luft des zitternden Saales. Weit ab ist im grauen Nnnd nichts zu sehen. Selbst der *) Statins. 3 hohe Karst und die Borge Istriens liegen von Nebeln ver^ hüllt da. Fast scheint es, als habe das Unwetter anch die Schiffe weggefegt von der unruhigen Fläche. Das Einzige, welches hente in einiger Entfcrnnng uorübertanzte, trug die heimatliche Flagge des Schwarz-Weiß-Roth. Nur wenn sich der Nebel hie und da ein wenig lichtet, entdeckt man den stahlblanen Rand der istrischen Ufer. Doch weichen die Dünste nicht von ihren Bergketten und so liegen diese flach und öd da, wie die Wcstnfer des Adria, drüben der italienischen Halbinsel entlang. Nicht nnr die Menschen, sondern noch mehr die Natur dieser beiden (Gestade sind so verschieden, als es überhaupt Landschaften sein könne». Während im Westen von den Mündungen des Isonzo an bis znm Tagliamenw, der Piave, der Brenta, dem Po, bis Ravenna, Aneona nnd noch viel weiter hinab, das Meer gegen ebenes Vand an-schlägt, fallen im Osten ineist Felsgestade gegen seinen Spiegel. Die Flüsse Hcsperienö haben sich, mn einen Ausdrnck von Karl Ritter zu gebrauchen, als „Arbeiter" bewährt. Nach Lombardini schleppt der Po allein iu jedem Jahre zweiundvierzig Millionen Kubikmeter in den seichten Adria uud verlängert in demselben Zeitramn sein Delta mn sieb zig Meter. Ravenna, welches dort drüben hinter den Nebeln versteckt liegt, war einst, wie Venedig, in Mitte seiner Lagunen aufgebant und> der Adria befpühltc feine cucheren Manern. Hente liegt es, wie Jeden«, der seine grasbewachsenen Straßen dnrchwandert hat, erinnerlich sein wird, in einer schmutzigen Ebene, weit vom Golfe entfernt. Anf unserem Ostnfcr dagegen, welches wir mit ein- 4 ander zu durchwandern gedenken, verläßt uns der Fels nimmer. Von Trieft, >a noch weiter nördlich von Dnino an, sehen wir Verge, dnrch Istrien, das melancholische (Gebiet der Bora hinab, bis zu den „bösen" Bergen von Albanien, die vom Blute der Gläubigen uud Ungläubigeu beuetztsiud. Ja, der Trotz des Felsgesteins läßt sich nicht einmal von der Fluth Schranken setzen. An zahllosen Stellen schickt er seine Vorposten voraus, die uackteu, triefenden Scoglieu und Klippen, den Schrecken der Schiffer, Von Parenzo in Istrien an, bis nahe zu den ionischen Inseln hinab — welche im Uebrigcn noch leicht mit zu dieser Neihe vou Felsenpfählen gezählt werden können, welche den Strand begleiten — zieht sich eine Welt von kleinen Eilanden hin. Es ist fast nirgends möglich, vom Meere ans den östlichen Strand zu erreichen, ohne sich dnrch ein Wirr sal vou großen und kleinen Felsrücken hindurchzuwinde». Es ist überall derselbe Anblick. Unzählige Felsen liegen im dunklen Meere. Manche derselben durchziehen die Fluth auf mehrere Meilen. Es schaueu Bucheugcstrüpp uud Oelwald von ihnen ans das Meer her, wie von Arbe, oder hochdachige Pinien, wie von Uglian. Diese sind, wie ein Reisender treffend bemerkte, die grünen Schönuflästerchen im graneuFelsantlitz des Landes. Von anderen, wie von deu Hängen Curzolas, ist der ein stige Hochwald verschwunden und nur Ziegen vermögeu noch die Grashalme zn entdecken, welche Sonnenbrand nnd Stürme auskommen lassen. So bildet das Ostufer mehr als zwei Vreitegrade hindurch au vielen Stellen eine Neihe scheinbarer Gebirgsseen, welche durch die Klippe» abgegränzt werden. Oft sind 5 die „Canäle", wie mau diese Wasserengpässe nennt, nur so breit, daß sich zwei Dampfer darin mit Mühe aus-weicheu. Man stelle sich die Thäler der Schweiz bis dahin, wo die grime Matte an das grane Gestein gränzt, mit Wasser angefüllt vor: die hohen Gebirge ragen noch über seinen Spiegel hinaus, die niederen sind von ihm begraben, die mittleren schauen mit schmalen Nucken nothdürftig darüber hinweg — das ist Dalmatian, über solche wellen? bedeckte Gebirgsthäler trägt nns tagelang das Schifs. Nur auf einigen dieser mcerumbraustcn Gebirgszüge wohnen Menschen. Dort gedeihen auch grangrüne Sträucher nnd Pänmc, an deren Stamm sich der salzige Athem der See niederschlägt. Ja ans dem großen Steinfelde von Vrazza reifen edle Wemc! der fenrige Ruschitsch, der ölige Nngawa. Dort ist das Getlipp auch, zwar nicht wie au der Niuicra vou Svalato, von Wem uud Oliuen bedeckt, aber es grünen über den Felsen zu allen Zeiten des Jahres wohlriechende Kräuter, dort erhebt sich auch der Mastix und der Erdbeerbaum, der grosibeerige Wachholder und der Terpcntinbanm, die Cistrose und der Strauch des Iohau-nisbrodcs. Auf anderen, tleiuercn Felseilanden sind nnr Ziegen, mitunter auch Schafe zu sehen. Sie werdeu im Frühling vom Festlande ans hinübergefahren, bleiben den Sommer über ihrem magerm Schicksal überlassen, und werden im Winter wieder abgeholt. Sind die Hirten dabei, so sieht man hie und da eine Feuersäule ans dem dürren Gras gegeu Himmel schlagen; ihreu langgezogenen Ranch weht der Wind ins Meer hinaus; es ist derselbe Wind, der auch 6 den Ranch unseres Schiffes weiter trägt. Der eine, wie der andere, fliegt fort nnd verschwimmt; die Hirten fehen wir nicht mehr, nnd wir selbst eilen in die Ferne.-------- Doch wir werden mit allen diesen Erscheinungen noch eingehende Bekanntschaft machen und beschränken uns vor-länfig anf die Bemerkung, daß die Insel Assa den am weitesten das Meer hinausgeschobenen dieser Scoglien darstellt. Dieselbe liegt weit über ein Drittel jener Entfernnng in der See, welche Dalmatien von dem gegenüberliegenden italienischen Festland trennt. — Wir fahren nunmehr an der istrifchen Küste hiu, dem Strande einer Halbinsel, deren Inneres einen merkwürdigen Bildersaal ausfüllen würde, von dessen Einzclnheiten man sich in Deutschland nichts träumen läßt, obwohl es noch gar nicht lange her ist, daß dieses Gebiet und noch manche, viel weiter südlich aus dem Meer anfragende, Klippe, zum „deutschen Buude" gewählt wurde. Iluter allen Küstenstrichen, von Trieft bis zu den ionischen Insclu hinab, ist dieser der nach Verhältniß flachste. An sanfter Wölbung gleichen seine Berge, wenn auch au Höhe dieselben weit überragend, den Hügeln an den Dünen des norddcntschcn Scestrandes. Sie sind alle dicht mit Oliven bedeckt nnd in diesem Wintermonat, in welchem man die blauen Früchte vom Delbaum herabholt, verräth manche weit über dcu Straud hiugedehnte Nanchwolle die Anwesenheit der Erntelcutc, welche unter den Bänmen ihr Mahl bereiten und sich erwärmen wollen in der frostigcu Seebrise. Weiter vom Strande cutfcrut bedeckt Laubwald manchen der höheren Berge, besonders in den (^aueu der 7 Tschitschen"), welche zu Trieft als die eifrigsten Holzdiebe bekannt sind. Vialicher Grund auch ist mit köstlichen Trau^ l'eu bedeckt, ans welchen die Rohheit derVcwohner abscheu^ lichen Wein keltert. Wenn man im Herbste anf dem Trie-stiuer Markte solche sieht, an deren Beeren Erde klebt, so erkennt man sie als ein Erzeugnis; der istrischen Küste Denn hier liegt die Frncht der Nifosco Rebe anf der Ackerkrume, gleich dem Kürbis oder der Melone. An der einen nnd anderen Stelle wird der istrische Strand so niedrig, daß die Berge an der Ostseite derHalbinsel, welche der Qnarnero bespühlt, nber die Oelhngel des West^ users hcrschaitcn. Vor Allem macht sich da der Pyramiden sonnige Monte Maggiore, die slavische Uischka, bemerklich, welche allch von ssinme ans gesehen wird. Von ihr heißt es lm Volksliede: Und ein Berg ist höher als der andere, doch der höchste ist die hohe Utschta, Man kann wohl sagen, daß dieses Ufer mit seinem einförmigen Hügelland, längs dessen man gegen Daimatien hinab dampft, in den »angcn Stnndcn der Meerfahrt er mndet. So richtet sich der Blick immer gern wieder auf die Erscheinungen des nnrnhigen Gewässers. Da ist hente, so weit das Auge reicht, eine lang gedehnte Flotte kleiner Barken auf dem Meere, deren Segel einmiithig ,^li«.." (hinab, d. h. gegen Süden) gerichtet sind. Es sind meist dalmatinische, ionische, griechische Schifften,, welche sich in solcher Menge angesammelt haben, weil sie das Unwetter allesammt über zwei Wochen *) Ein slavisches Voltten, ii, der Landschaft zwischen Trieft und Finme 8 in Venedig festhielt und welche nnn den ersten halbgünsti^ gen Tag benutzten, nm aus den Vagunen wieder nach ihrem heimischen Strande zu steuern. Hie und da fällt auf den fernen (Gesichtskreis, all welchem sie hinsegeln, ein Sonnenblick aus dem nmwölkten Himmel. Dann gleicht die lange Neihe ihrer Segel einem blendenden Mctscherwall, der sich jenseits der Wasser erhebt An Weiße will ich die kleinen Pyramiden mit den kleinen Salzhügeln vergleichen, welche ich einmal da drüben am Strande von Capo d'Istria liegen sah. Dort ist eine große flache Strecke des Meeres eingedämmt und wird zn einer „Saline" benutzt, anf deren feichtem Grnnd die Salzfrystalle, deren Wasser sich durch Sonncnwärmc und die Pel'dnnstnng im Winde verflüchtigt, liegen bleibell. Die Kruste, die den Boden bedeckt, wird in hohe Haufen znsammen geschaufelt, Hnnderte Uon solchen sah ich im klaren ^icht des Mondes, ein Feld bleu dender Veichensteine. Nicht minder hell heben sich dort die Segel vom granen Himmel, ad. Wir fahren so nahe aneinander, daß der sonst öde Adria belebt aussieht, wie der englische Aermeltanal oder die Enge von Gibraltar, Fällt bei der Nacht Nebel auf das Meer, so hört man nicht selten (^lockeuschall und Trommelwirbel von einer solchen Flotte her, die der Zufall gebildet hat. Damit will eine Barke die andere vor gefährlichem Zusammenstoß warneu. Wie ich oben erwähnt habe, sieht mail bei 'Larenzo die erste jener flachen Kalkiufel», deren Erscheinung für die ganze Klippcnwelt Dalmaticns bezeichnend ist. Die dcntlichste Anschanuug solcher Fclsrückcn, welche sich über das Meer erheben, mag Jemand, der die Alpen bereist hat, gewinnen, wenn er sich etwa die verwitterte Fläche des 9 „Steinernen Meeres" bet Verchtesgaden oder des Karstes bei Adclsberg vorstellt. Es ist der graue, den Einflüssen der Luft und des Wassers so wenig Widerstand leistende, südliche Alftenkatt,überall durchvonAuswaschungen geschärft ten Rändern, Trichtern, Rinnen unterbrochen. Einst waren diese Scoglien mit Vaubwert bedeckt, wie manche Aeußerung römischer Autoren, manche Andeutung slavischer Volkslieder und die Geschichte des Seewesens der Veucdigcr bekunden, die den Grund der ihnen uuterworfeuen Küstenstriche und Bänder abholzten, ^nr Zeit der Muruer uud Iapiden mag also hier das Nicer in schattige Buchten geschlagen haben. Während aber solcher Boden in den Alpen stets kahl erscheint, hat hier nicht selten die Einwirkung des südlichen Himmels Wunder gethan. Es ist bekannt, daß unter fortdauernder Wanne sich der Boden leichter in jene Stoffe zersetzt, von welcheu sich die Pflanzen aufbauen und nähren. So sind die Scoglien vor Parcnzo flache Eilande, von Oliven bedeckt. Hie uud da schaut eiue schwarze Eypresse wie ein Kirchthurm über sie hinweg. Kühe weideu unter den blaßgrüuen Zweigen im Gras, welches unter dem feuchten Himmel kräftiger gedeiht, als mau's der dürftigen Bodenkrume über dem Kalt auseheu möchte. Aehu-liches sieht mau uoch aus mauch anderem Scoglio, namentlich auch auf Lissa, dein gewaltigen ss-elspfeiler. Dort wächst anf dem Gestein ein Nebensaft, welchen man classisch uenneu taun, weil schou Agatharchides bei Ptolomäus mit Begeifternng von ihm spricht. Im Allgemeinen aber ist doch der Unterschied zwischen den Scoglicn in der Nähe des Quaruero und denen in der Nähe der Bocca wahrzunehmen. Die grauen ssclse«, welche überall wieder zwischen l<) dem Pflanzenwuchs der ersteren hervortreten, mahnen zn sehr cm die Gewalt der Vora, welche nicht nnr die Gewächse, sondern auch das nährende Erdreich selbst, feindlich angreift. Anch ist hier die Mannigfaltigkeit der Gewächse nicht jene im südlichen Meere, uud der Wanderer, welcher genau beobachtet, wird die Pflanzendecke des Strandes von Nagnsa von dieser fast so verschieden finden, wie sich etwa eine römische Landschaft von dem Aussehen lombardischer Felder unterscheidet. Einen echt südlichen Anblick dagegen bieten die Ortschaften uud Städte, welche den istrischeu Scoglicn gegen über am Ufer der Halbinsel liegen. — Parenzo mit feinen gelben Häuscru, Novigno, kahl, schnnchig, bunt getüncht, ungehenere Manerwerke über einander gestaffelt, ohne Luft, ohne Sonne — viele Wohnnngen rninenähnlich nnd an Farbenwirknng dem nackten Felsstrcifcn gleich, welchen die Südstürme anf der Grasdecke der Scoglien nackt geleckt habeil — solche Städte könnten ebensowohl einige Breite-grade südlicher, in Apnlien, in Sieilien, sa selbst im verwitterten Griechenland stehen. Ein sonderbarer Geruch von gebratenen Fischen, Oel nnd dem Rauch des morschen Holzes zerfallener Schiffe, mit welchem überall Fcner gemacht wird, oder den Abfällen, die vom Schiffsbau herrühren, empfängt den Fremdling, welcher den von Bettlern nnd Lastträgern angefüllten Molo betritt. Enttäuscht würde sicherlich derjenige sein, welcher sich dieselbe in der vom dalmatinischen Ncd geschilderten Weise vorstellt: Weithin glänzt auf's Meer hinaus die Kuppel Wie eiu Steru erglänzt aus finst'rer Wolke. Dort unten, aber an der Bocca, wo alles wunderlich und östlich zu werden beginnt, wo Meer und Strand die li Spuren serbischer Heldenthaten uicht verlängnen, dort unteu, wo inplötzlich Religion, Sitten, Berge, 'Ansiedlungen, Trachten sich ändern und eine farbenprächtige Wildheit sich über belebte nnd unbelebte Dinge ausbreitet — dort nnteu glänzt allerdings manche Kuppel von den Heiligthnmcrn der rechtgläubigen Kirche, Hier aber, in Novigno, fällt ans dem wirren Mauerwert der durcheinander gewürfelten Häuser nichts Emporragendes in die Augen, als der hohe alabastcrweisie Glockenthurm nnd ein riesiges Standbild der heiligen (Hnphemia auf seiuem Gipfel, der Giralda auf dom Cmnvanil des Domes von Sevilla vergleichbar. Weit glänzeuder und auffallender als dieser Thurm, dünkt aber demjenigen, welcher an der Küste hinfährt, der kleine Pharns, welcher in weiter ,vcrnc ans einem einzelnen Felsen im Meere aufragt. Die Scheiben des Hänschens mitten in der ssluth gläuzen heller als Sterne in, dichte der Abendsonne. Mau nennt diese Warte die „Vaterne" von Novigno. Unter diesen Sternen zuckt es weißlich hin nnd her: es sind dir spitzigen Znnge» der Brauduug, welche nach den sicheren Mauer» haschen. - So wie diese Scoglien vor Novigno ziehen sich die m'el größeren Brionischen Inseln vor Pola hm, der Kriegsflotte des Kaiscrstaatcs ein mächtiger Schutz. Dort hinter diesen auf dem Festlande haust der erste Vorposten jenes Volkes, zu dessen Felsensitz uusere Reise geht. Tort liegt unweit des Strandes Pcroi, seit zwei Jahrhunderten von Cernagorzen") bewohnt, welche um jene Zeit der ^est zu Cattaro entflohen nnd vom Dogen hiehergesetzt wurden, ") Montenegrinern. 12 um die schwarze, reiche Erde uon unnützen Sträuchern uud Dornbüschen zu säubern. Noch immer erkennt man die Heldengestalten und wie die Tschitschen sich durch ihr scheues Wesen und ihre schwcrmüthigeu bieder von anderen Istriern unterscheiden, so diese durch ihren Wuchs uud ihre Au,qen. Merkwürdiger als die Ansiedlnng der peroiesischen Cernagorzen wird manchem Wanderer die große Arena Pola's erscheinen, welche römische Banmeister znr Zeit der Antonine alt diesem Gestade anfgethünut haben. Dieses wunderbare Bauwerk ist so oft nud so vorzüglich beschrieben worden, daß ich hier, im Burüberziehen nach dem Schwarzen Berg, keinen Nanm finde für die Darstellung eiues Gegenstandes, der zwar räumlich nah, ideell uuer-meßlich von unserem Wanderzicl abliegt. Ich habe die Arena mehr als einmal gesehen, meine aber, daß sie, wie jedes Trümmerwert ans jener laugst entschwundenen Zeit, am meisten Einwirkung aus deu Beschauer hervorbringt, wenn die letzten Strahlen der Abendsonne aus ihre rotheu Mauern fallen. Der jetzige Boden der Arena ist stark erhöht, weil die herabgestürzten Stufcusitze als grasbewachsene Hügel in ihrem Innern liegen. Durch die vielen Hunderte von Fensteröffnungen schaneu die glänzenden Wolken des lauen Tezember^Abeudes. Eilt armes Weib sitzt ans einem Stein und dengelt sich die Sense, mit welcher sie das Nachtfuttcr der Ziegen abschneiden will, die ans den gestürzten Stnfcn und in den zerbröckelten Gängen weiden. Neben Scherben nnd Nnrath erblickt man ans der Stelle der einstigen Nau-machieen die Kohlenüberreste der Hirtcnfmer. Zwischen den einzelne» Schutthaufen, welche man überall außerhalb der 13 Arena fur gewöhnliche Grashügel anschauen würde, sind hie und da wohl noch dic Gänge im Theater sichtbar, jetzt eingesenkte Gräben im haushohen Schntt. An anderen Stelleu ragt noch irgend ein Steinpfeiler hervor nnd an wieder anderen versteckt grünes Gestrüpp den Boden. Das Alles ist von der ungeheuren Rotunde der Umfassungsmauer mit ihren Bogenfenstern umgeben, welche unversehrt dasteht wie zur Zeit der Cäfaren. Unbekümmert schreiten draußen die slavischen Weiber mit ihren brauueu Kutten nnd weißen Kopftüchern vorüber nnd es fällt wohl außer den Hirten Niemanden! ein, in die alte» Mauern heraufzusteigen. Zu anderen ^efsnnugen schant das blaue Meer nnd das Grün des Oelbanm's herein. Nach solchem Anblicke erregen die Panzerschiffe im Hafen nnd die vielen Werkzeuge der Macht nnd der Zerstörung weder Bewunderung noch Theilnahme. Man hat ia eben gesehen, daß die Stärke der Völker nicht minder hinfällig ist, als die Starte des Einzelnen uud deutt uach den Cäsaren Roms uicht mehr an ihre Nachfolger, die Cä- faren an der Donau.--------- Am nächsten Morgen hat sich der Scirocco in einen steifen Ostro verwandelt, der die Wellen mehr gerade aus Südeu daherjagt. Während es noch dämmert auf dem bewegten Meere, glüht es schon hoch am Himmel über unserem Scheitel von dunkelrothen Wolken, nnd der Dampfer jagt, von Segeln verstärkt, mit neuen Kräften in die schaumige, halbduukle See hiuaus. Feuerrothe Wolkeu erheben sich nicht minder zu beiden Seiten des Schisfes. Der Dampf, welchen man aus, dem inneren Raum entweichen läßt, zieht vor dem rothen Glase eines Cabinen-fensters vorüber, welches noch von innen durch die nacht- liche Lampe erhellt wird. So glüht es von oben herab und vom Meere herauf, während erst die Ahnung des Tages auf den endlosen Wassern schwebt. Kräftiger drängen Wind nnd See auf das Schiff her, wenn es die Südspitze von Istricn pasfirt hat nnd das Ange anch östlich zur Vinkrn, das Land verliert. Es ist der Qnarnero oder der (>)olf von Fiume, welcher hier über^ schritten wird. Indessen findet das Ange auch auf diesem nnrnhigen Gewässer bald einen Nnhepnnet. Die hohe Berglnppe der Insel Cherso nnd der langgedehxte niedrige stücken der Klippe von Sansego verkiiüden iiberraschend das Fclsland iln Meere. Die hohe Kuppe von Osscro anf Ehcrfo dort drüben ist mit dem Welelnt, dem Greuzgebirge zwischen dein Kroatenland, eine jener Wetterwarten, welche sich der Erfahrung überall darstellen, wo es Verge gibt. Lange bevor die heftigere Meereswallung den Sciroccu, don südöstlichen Wind, meldet, hänge» sich an die beiden Gipfel weisMane Woltenbänle Wichtiger aber sind für nns beide Eilande, Cherso und Sausego, als die merkwürdigsten Beispiele der verschiedenen Bodenluldnng des Insellandes. Wir wollen hier gleich beim (Antritte, unbeschadet unserer späteren genaueren Bekanntschaft einige erklärende Worte über jene Klippen vorausschicken. — Ich habe bereits angedentet, dasi der weitaus größte Theil des Landes ans dein nämlichen älteren Kalt aufgc baut ist, welcher das Karstgebirge und einen Theil der Südalpen bildet. Dieser Kalk setzt vorzugsweise das Festland zusammen, ragt aber anch in Insclgestalt ans dem Meere auf. Auster von diesem älteren Kalk wird das Vand auch von dem jüngeren, sogenannten Jurakalk, gebildet, welcher sich von dem anderen dnrch die Thicrüberreste unterscheidet, die er einschließt. Man findet in ihm manche der ältesten organischen Wesen: Hippuritcn, Echiniten, Nmmnnlite» und ähnliche Schalcnthiere. Seine gewöhnliche Farbe ist bekanntlich grau, erscheint aber anch, vielleicht dnrch den Einflnsi der Vnft verändert, vielfach schwärzlich. Dieses Kaltgerippc des Bandes, welches leider an viel zu vielen Stellen ohne jegliche Vedecknng zu Tage liegt, beweist seine» Ursprnng ans dem Wasser dnrch die regele mäsiigc Schichtung, in welcher nuni es allenthalben vorfindet. Die Schichten sind sammt nnd sonders in dcr^liich tung von Nordwest nach Südost, und in dem Winkel von emem halben Grade geneigt. Sie stellen so recht jene Ge^ birgsart dar, welche man den „Höhlcnkalk" genannt hat — ausgewaschen, durchfurcht, voll vou Klüften. — Ich habe bereits oben daranf hingewiesen, das; solches Gestein, wenn es einmal seiner schützenden Pflanzendecke durch deu Unverstand des Menschen beraubt ist, fortan zu den unfruchtbarsten Gründen der Erdkreise gerechnet werden mag. Anders aber verhält es sich mit dem Sandstein, welcher besonders in den inneren Thälern des Bandes und hie und da auch auf der Küste uud deu Inseln diesen Kalk bedeckt. Dieses graue, in der ^uft anch bläulich gewordene Gestein verwittert freilich noch rafchcr als der Höhlentalt, aber seine Verwitterung erzeugt gnten Bodeu und hält das Wasser fest, welches im Kalt sich nur spärlich vorfindet. Diefer Gegenfatz zwifcheu Kalk- uud Sandboden wird am besten durch die Klippen nm Cherso nnd andererseits 16 durch das Ausfehen des Eilandes Sausego deutlich gemacht. Während dort, auf dem Scoglio La Levrera bei Chcrfo zum Beispiel, der Gruud so gering geachtet wird, daß mau ihu zahllosen Kauinchen überläßt uud sich mit dcu Frcudeu der Jagd begnügt, ließe sich aus der (beschichte des Bodens von Sanfego ein Roman schrcibeu, welcher uicht lninder anregend seiu würde, als die späteren Nobinsonaden, in welchen ganze Familien als Bebauer eines früher ödeu Landes dargestellt werden. Iu der That sind es noch nicht viele Jahre, dasi nur weuige Meuscheu ans der verlassenen Klippe ihre Hütten aufschlugen. Jetzt zählt dieselbe etwa fünfzehnhundert Einwohner. Das Kalkgerüste der Klippe erhebt sich gerade bis znm Wasserspiegel. Ueber diesem wird es von Sand überlagert, dcsseu Fruchtbarkeit in Erstaunen setzt. Wuchtige Trauben, ungeheuerliche Kürbisc, mehlreiche Körner, gcdei-heu anf dem verwitterten Grund. Ja, selbst in dem Aussehen der Menschen läsit sich die üppige Heimat uicht verkennen. Es sind Riesengestalten, welche dort wohnen. Wie anders dagegen ist das Ausschcu der Oberfläche vou Cherso und seinen Klippen gestaltet! Dort laufen auf mauchcr Iufelstrecke Ochsen und Schweine wild im (Gestrupft umher und werden mit Flintenschüssen gctodtct. Auch die Fortpflanzung der Pferde geschieht iu der Freiheit. Schafe uud Ziegen fiudcu uuter den mächtigen Wachholderstaudcn Schutz, welche, von der Vora ab, gegen Süden geneigt sind. Das wichtigste Sta^ tut der Chersioten bezieht sich auf dcu Schutz dicfer Sträucher, welche den Thieren im Sommer Schattcu und im Winter ruhige Luft gewähren. Es heisit deshalb ganz einfach auch nur: „ombrle e bonacce." 17 Zu dem wilden Eindruck, welchen dieses Geklipp und ^elscngewirr im Meere hervorbringt, gesellt sich cmch noch die Erinnerung an eine der unheimlichsten Sagen der hellenischen Heroenwclt. Anf einer von ihnen zerschnitt Medea ihren eigenen Bruder Absyrthos, woher ihnen anch in der alten Welt der Name der Absyrthiden geblieben ist.-------- Schou lauge, bevor das Schiff im weiteu Hafen von Russin piccolo, dem alten Vossinium, Anker wirft, erblickt man dessen Berge, halbnackten Kalk, halb von den schmutzig grünen Oliven bedeckt. Anch die anderen Klippen, welche links nnd rechts aus dem Meere ragen, wie das langgc^ streckte Unie, zeigen dieselbe schwermüthige Abwechslnng von Grün und Gran. Den Hwischenranm aber, zwischen den nntersten Pflanzen nnd dem Meere, bildet ein mehrere Klafter breiter, gelblicher Streifen, dessen oberster Rand die Grenze bezeichnet, bis zn welcher das empörte Salzwasser hinaufschlägt. Die Oliven stehen so weit auseinander, wie etwa die Obstbäume auf dcu schwäbischen Getreidefeldern. Unter ihnen kann der dürftige Graswuchs das verwitterte Geröll nicht verstecken nnd um das Bild der Nacktheit zu vervoll-ständigen, sind die Grenzen aller der kleinen Pflanzungen durch mannshohe Mauern dargestellt, welche zngleich die Aufgabe haben, die Macht der Bora und der Seewinde zn brechen. An gar vielen Stellen nimmt sich der Pflanzenwuchs über dem Gestein deshalb nicht minder dürftig aus, als die Kryptogamcn, welche hie und da als grüue Flecken auf einem Fclsblock kleben. Einen ganz anderen Anblick mochten diese Inseln frei lich zur Zeit der Nömer bieten. Noch in den Tagen des Claudianus hicsi es Dawmtilv ironäosn, das waldreiche. Hlll i-, Talmntien, 2 18 Und »och viel später holten sich die Venetianer ihr Pech aus den hochstämmigen Pinien des Küstenlandes. Jetzt nennen die Italiener das ^and ein „Königreich für Ziegen", Und wenn man dein Eiland Curzola einst wegen seiner Nadel Hölzer die Bezeichnung „('«»-c^i-u, nig-ru." beilegte, so möchte heute auf demselben kaum ein Fleck zu finden sein, auf welchem sich drei Männer iu deu Schatten eines Wald bamues niederlegen könnten. Die Eichen von Beglia grnneu noch in der Erinnerung. Im Jahre 16l>8 erlaubte die erlauchte Republik Venedig ihrem freunde, dem (^roßsultan, am dalmatischen Strande so viel Holz zu schlagen, als er zu der Erbauuug von mindestens zwo'lf^inienschisscn bednrfte. Im Jahre 1870 kann keine Barke mehr alts dem Holze gezimmert werden, welches mau iu Dalmatieu absägt. Da, im Hafen von Lussiu piccolo liegen kleine Schiffe, welche die Balken von dem Staprlplcch kroatischer Eichwälder, von Fiume oder auch Volt Zcngg am Fuße des bewaldeten Wratnik herbeigeschleppt haben. Selbst ans der Nomagna tragen die Segel-barken das Holz herüber, aus welchem die gewandten Nhedcr des Eilandes ihre Schiffe bauen. Es war nicht immer fo iu Russin piccolo. Noch vor huudcrt Jahren besaß dieser Hafen, welcher uunmehr nach driest die meistcu Schiffe baut uud die grösitcu Unter-uehmnugen selbst au ferueu Küsten wagt, sammt allen Rhcderu der Insel Eherso kaum huudertsünfzig Barken. Am Anfange dieses Jahrhunderts hatten seine Schiffer kein anderes (Geschäft, als das Wnrzelzeng uud Gestrüpp-Brennholz, welches sie von den Bauern Chcrso's erhau-dclten, uach Bcuedig zu führen. Ich will hier gelcgeutlich bcnlcrkcn, daß Ehcrso und ^nssiu nur durch eiucu tlcincu 19 Meeresarm, den Caual di Punta Croce, getrennt find uud daß diese beiden, wenn der trennende Canal nicht bestünde, znsammcn weitaus die größte Insel Dalmatiens bildeten. Im Zeitalter des Augustus allerdings gefiel den Römern schon der geräumige Hafen, dessen Hügel im weiten Nuude vielleicht noch mehr Schutz gewähren und einen größeren Binnensee einschließen als die Landzunge von Pola. Aber in späterer Zeit hört man wenig oder nichts mehr von dem Hafen im Absyrthiden Eiland. Dir weiteren geschichtliche» Mittheilungen nach der Zeit, in welcher laut einer Sage der Kaiser Augustus selbst dort mit einer flotte im Hügeln geschützteu Golf den Winter zubrachte, sind nichtssagend. Erst in unseren Tagen tauchte Russin piccolo wieder im Munde der Menschen ans und zwar durch die Betriebsamkeit eiucs armen Doctors, welcher für seine kleine Heimat das gethan hat, was die Rcgicrnng, die Blut und Edelmetalle in gcwaltigeu Mengen ans dem Lande zieht, pflichtgemäß für das sämmtliche verwahrloste Volk dieses „Könige reiches" hätte wirken sotten. Dieser Freund seines Bandes hieß Bernardo Cavponi und schläft erst seit wenigmIahren "i der Kalkerde der Insel. Er begann damit, seine Lands, leute zum Schiffban und zu weiteren fahrten zu ermuutcru. Die Folge davon ist, daß sich allmählig ein ansehnlicher Reichthum auf der Insel angesammelt hat, daß ihre Einwohner uuterrichtet und leutselig siud, und daß sie sich so-uach wesentlich vou andern Knstenbewohueru unterscheiden, deren Loos nur der Regicrnngskuust der kaiserlichen Statt-haltcrei anheimgestelll war. Der Doctor Bernardo Cap-Poui hat Vussin reich gemacht. Dir kaiserlichen Regicrnngs-künstlcr aber habe» über den, alten Augustusthal (wie die Bucht wegen der angeblichen Ueberwinteruug des Augustus 2* 20 heißt) die Spitze eines Berges abgestumpft und ein Fort aufgebaut, welches uach dem Urtheil der Sachuerständigeu völlig unnütz ist. Es leuchtet ohnehin ein, daß mit dem Erbaueil von Festungen, Errichten von Geueraltommaudos, Aufstelleu von Soldaten n. dergl. die Kraft des Staates nur scheinbar befestigt wird. Neben den Uniformen, Beamten und Kaufleuten läuft in ganz Talmaticn ein zerlumptes und unwissendes Volk herum. Wenu man sich über die Rohheit derjenigen verwundert, welche sich unbotmäßig betragen, so sollte man sich vielleicht entsetzen über die geistige Verkom meuhcit derjenige», unter deren Eiuwirkuug uach einem halben Jahrhundert ciu Volk uoch in diesem Znstande verharrt. Mit Ausuahme der Physischen Besitzergreifung hat man wenig österreichisches Wesen Besitz ergreifen gesehen von dem Sinn uud von den Wünschen des Volkes. Hier Soldaten — dort Steuerzahler; darin besteht die Kunst uud die Fähigkeit der Negierenden iu diesem Lande. Weuu etwas zum Leben nnd zum Wohlstände gediehen ist, so geschah es trotz, oder doch wenigstens ohne die Negieruug. Eiu erfreuliches Denkmal der Volkstraft ist die Stadt Lussin piccolo. Sie hat sich in weitem Halbkreise in der ölbewachseucn Bai entwickelt, staffelförmig übereiuandcr gebaut wie eine Stadt der Levaute. Aber ihre Häuser sind ineist weiß lind schmnck, geschmacklos aber frifch getüncht, poesielos wie ein Comptoir, aber hinlänglich sauber, um deu Wohlstand ihrer Insassen zu bcnrknndcn. Dort drinnen ruhen sie aus, die Capitaine von knrzen uud langen Fahrten und genießen auf heimischem Boden den sauer er-ruugeucu Wohlstand. Anch manches Landhans steht verborgen auf den Oclhngeln. 21 Wäre der Voden nicht so dürftig und träte der Fels nicht überall zu Tage, würden mehr AgaUen und Aloe's am feuchten Strande grünen, würden die häßlichen Mancrn nicht scin, welche anch das spärliche Grün noch unterbrechen, so möchte man sich der wechselseitigen Gestaltung der Berge und des Golfes nach an die genuesische Niviera versetzt glauben. Aber im Vergleich zn jener ist Alles noch viel zn nüchtern, kalt uud mürrisch. Die goldene Frucht leuchtet nicht ans dunklem ^aube, der duftige Winter der Mittclmeer-Ufcr hat hier als Vertreter nur den immergrünen Oclbanm. Es ist allerdings wahr, daß derR5. ^') Zwei Landschaften am Mcevc. 26 „Um sie freien zwei heldengleiche Jünglinge. Der eine ist der Held Mijat, der Haiduk, der andere Held ist Zare-witsch Iowan. „Sie aber will sich mit keinem verloben, als mit Held Mijat, dem Haiduken. „Doch die Mntter will sie nicht dem Haiduken geben, denn der Haiduk wird ihr Verderben sein. Sondern sie schreibt dem Iowan einen Brief und spricht in dcm Brief schöne Worte zu ihm: daß er uersammcln solle die Hoch-zeitslcutc und Schwäger, das; er kommen solle um die junge Dirne. „Als dem Iowan dieser Brief zukam und er ihn kaum gelesen hatte, versammelte er sogleich seine Hocl^eitslente und ging hinaus nin die iunge Dirne. „Das (Gerücht davon dringt zn Mijat, dem Haidukcn. Er geht auf das grüne (Gebirge nnd sucht aus dem Gebirge die Haidukeu, daß er die Hochzcitsleute vom Wege abhalte. „Aber Gott gab es und die jungfräuliche Maria, daß er die Haidukeu uicht finden konnte und so geht er allein auf den Weg, um sie abzuhalten. „Iowan führte die Jungfrau fort, aber sie leutt das Pferd nicht, sondern sitzt hinter ihm auf dem Rücken des Rosses. „Doch es geschah ihm Alles zu Leid. Es erwartet ihn Mijat der Haiduk, er erwartet ihn in der Mitte des cbeneu Feldes. „Von ferne spricht Iowan zu ihm: Richt gar stark bist Du, o starker Held! „Scharf blickt Mijat der Haidut und drückt an das Gesicht sein Gewehr und sagt zn sich selbst: lieber Gott, 27 in Allem sei Dir '!>rcis. Leicht könnte ich ihn todten, aber ich fürchte, daß ich das Mädchen treffe. „Daraufsagt zu jenem Mijat: Steig herab vom Roß, Du junger Kämpfer, dasi wir sehen, wer der stärkere Held ist. „Iowcm kaun nicht anders, er steigt vom Pferde sogleich herab und geht Mijat entgegen anf den Kampfplatz. „Das junge Mädchen aber sagt: Kämpfe Du besser. Du mcm theurer Mijat, dcu ich mir auch selbst auserwählt habe! „Als das Mädchen noch diese Worte sprach, zuckte Mijat der Haidut mit dein Säbel und schlug dem Iowan den Kopf ab. ..Darauf trieb er die Hochzeitsleute alle in die Flucht, that aber Keinem eiu beides. „Zum jungen Mädchen aber sagt er: Kehre zurück, Du vou Gott Verfluchte!" In einein amuuthigen Gegensatze zu der wilden Geschichte dieses verschmähten und trotzige» Bräutigams steht eine thränenreiche Viebeösccne, dereu Erinnerung die Strand-bewohuer a,n Qnarncro bewahren. Dk Verse lauten Wort fnr Wort übersetzt folgendermaßen: „Es pflegte eine Mutter ihre einzige Tochter und fuchte drei Jahre laug für sie einen Nameu und wählte ihr deu Namen Zlato Materino (Muttergold). „Als Zlato zu ihrer Reift herauwuchs, hätte sie sich gerne vermählt, aber die Mutter gibt sie keiuem, soudcrn hält sie auf dein Hofe wegen ihrer Schönheit znrüct. „Es warb um sie Burja Zelentschitsch, Ihm aber Wollte sie die Mutter nicht geben, doch die Beiden liebten sich heimlich. „Es warb um sie Kraljewitsch Marko. Diesen, ver^ 28 sprach sie die Mutter, verlobte sie und ließ die Ningc wechseln. „Zlato geht von einem Gemache in's andere nud schreibt eine» kleinen Brief und schickt ihn an den Burja Zelentschitsch. „In dem Briefe schrieb sie ihm dieses: Heirate immer, wohin es Dir lieb ist, mich hat die Mnttcr einem Andern versprochen, verlobt nnd die Ringe wechseln lassen. „Bursa geht von einem (^cmache in das andere, dann schreibt er eilten kleinen Brief nnd schickt ihn an Zlato Materin o: „Heirate immer, wohin es Dir lieb ist, anch ich Held vermähle mich bald, o Zlato, mit der schwarzen Erde. Meine Bettstatt ist eilt hölzerner Sarg nud mein Liebchen ist die schwarze Erde. „Den Brief liest Zlato Materina, liest den Brief und vergießt Thränen. „Zlato geht von einem Oemache in das andere, danu schreibt sie einen kleinen Brief und schickt ihn an den Kral-jewitsch Marko: „In der ersten Woche, welche kommt, versammle die Hochzeitsleute und komme zu mir, und bringe alle Herren und der Herren Söhne." „Es sitzt Zlato am großen Fenster und rnft zu ihrer lieben Mnttcr: Ach, Mutter, wessen sind diese Hochzeitsleute? „Das sind dieHochzeitslente des Kraljewitsch Marko," „Darauf vermählten sich diese und Zlato sagt zum Kraljewitsch Marko: „Führe mich nicht dorthin durch das Vcrgland, sondern führe mich vorbei an dem Hofe Burja's, damit ich dem Burja größeres Vcid mtthne. 29 „Unter dein Fenster ist cm grüner Orangenbaum, unter dem Orangenbaum sitzt Vurja's Mutter, kämmt die Haare und seufzt tief auf. „Es fragt sie Zlato Materin o: Was ist Dir o Mntter, daß du weinst? „Warum soll ich nicht seufzen und wein«!, wenn nur Vurja auf dem Todtcnbett liegt! „Es spricht zu ihr Zlato Matcrino: Ist es erlaubt, d"ß ich zu Bnrja rede? „Rede, o Zlato, so lange es Dir lieb ist. „Zlato geht von einem Gemache in das andere und als sie in Vurja's Gemach gelaugte, neigte sie sich über Vurja's Haupt, neigte sich und weinte. „Als Vnrja wieder zu Wort kam, sprach er so zu feiner lieben Mutter: Was, o Mutter ist hier ausgegosscn worden, daß mich das kühle Wasser benetzt? "Es antwortet ihm darauf die Mutter: Nichts ist hier ausgegosscn worden und nicht benetzt Dich das kühle Wasser, sondern die Thränen sind es von Zlato Materino, welche rinnen wie das Rika-Wasser, diese benetzen Dir die liebe Stirue. „Darauf sagt Burja Zelentschitsch: Wehe mir Hlato, das ist zn spät' „Solches sagt er uud haucht seine Seele aus. "Darauf spricht Zlato Materino: Verflncht sei jede Mutter, welche losreißt die Freundin vom Freund und welche Geneigtes vermählt mit dem Ungeneigten. „Solches sagte sie und hauchte ihre Seele aus. ..Stumm war der Held, stumm auch das Mädchen. —" Es ließe sich ciuc große Ernte sammelu von dieser seltsamen Flora. Ihr Dasein beweist, daß die dichterische 80 Kraft dcr Menschen gar nichts zu schaffen hat mit den Be strebungen dcr Nützlichkeit und mit dem Dasein von Einrichtungen, welche das bürgerliche Wohl gründen. In der That ist die gestaltende Kraft dcr Phantasie regellos, mächtig und uuvergänglich wie das freie Element, dessen Anschlag die Felsküste erschüttert, von deren Klippen die Berggeister, die weißen Wilm herabwinken, au welcher Künigssöhne ihre Bräute iu deu grünen Schluchten sucheu uud die Mutter uuter dem Orangenbäume um den sterbenden Sohn weint. Zwcitrs Capitrl. Zara. Die Insel Premnda, welche, etwa vier oder fünf Stnuden von Zara entfrrut, sich aus dem Gewirrc der Klippen erhebt, ist für die Schifffahrer des adriatischen Meeres dadurch wichtig, dasi nach ihrer Behauptung sich au ihr jene bekannte Meeresströmung theilt, welche von Corfu in der Nichtnng gegen Venedig den Adria durchsiuthet. Nach Angaben der Seeleute dringt ein Strom Wassers in der Tiefe vou etwa zwanzig bis fünfundzwanzig Fnsi von Io^ men heranf gegen das Nordnfcr, Während er sich durch die dalmatische Inselwelt hindurch bewegt, staut er sich au dercu zahllosen Klippen, welche ihn hemmeu. Seine Geschwindigkeit in den Irrgängen des Klippenreiches ist deshalb eiue geringe uud wird für dcu ganzen Tag auf wenig mehr als zwei dentschc Meilen geschützt. So schleppt sich die Strömnng träge fort, bis sie hier in den zaratinischen Klippen auf den breiten Felsrückeu von 31 Premuda trifft. Da foll sie sich nuu spalten; ihr östlicher Theil driugt weiter in den Qnarlicro oder den Golf von Fiume vor, der westliche zieht sich hinüber gegen die Mi'm^ dnngen der großen Alpenfiüsse, die Märte» nnd den flachen Strand der Romagua.. Aber auch der östliche Arm der Strömung, welcher in den Duarnero vordringt, zieht sich Volt Zinnie cm, der istri schcn Osttüste entlang, wieder rückwärts, bewegt sich jenseits des Caps Lromontore nördlich gegen Venedig und trifft am italienischen Gestade wieder mit dem westlichen Stromarm zusanuucu. Dort drüben, wo kein Fels, keine Klippe den Schwall zurückdämmt, flicht er mit unvergleichlich mächtigerer Schnelligkeit wieder gegen den Süden, das ionische Meer hinab. Mehr als das flache ^remnda ziehen die Augen des Seefahrers die zersägten Scoglien auf sich, welche links von ihnen aus dem Meere ragen und den treffenden Namen „w ^ettini" (die Kamine) führen. Es ist em langer, dnrchbrochcucr Fclsrücken, den Zinnen eines halb zerstörten, crenelirtcn Mancrwertes vergleichbar. Ermüdend wäre es, fort und fort den eintönigen Eindruck zu schildern, welchen die endlosen ssclsrückeu von San Rero di Ncmbo, von Scarga, von Uglian und dielen anderen Klippeu in der wogenden See hervorbringen, deren mächtige, schaumige Wogrnkämmc im Sciroceo das Bild der festen „pnttmi" nachznahmen scheiueu. Da wir ohuehiu auf diefcu wunderlichen Archipel noch des Ansführlichercn zu sprechen toininen werden, so richten wir unsere Blicke nunmehr all die herankommende Küste des Festlandes, welche uns schon längst dnrch jenes hohe beschneite Gebirge angekündigt wurde, das Eroatieu vom dalmatinischen Kö^ 32 nigreichc trennt, den langgezogenen Welebit, im sndslauischcn Liede nicht minder gefeiert, als irgend ein Waldgebirge des Serbenlandes. Zwischen diesem nnd Zara erstreckt sich eine weite, nnr wenig von Hügeln wellig unterbrochene Ebene hin, anderen Strande die weiße Stadt aufliegt — nach dem Anssvruche eines Italieners mit dem Pulverdamvf über dem Meere bei rnhigem Wetter vergleichbar. Der erste Anblick des Landes unterscheidet sich in nichts von dem der flachen Scoglieu, welche bisher dnrch ihre fast unnnterbrochenc Aufeinanderfolge (l'unn, in Mu nn die Bewegungen der Ungarn zu beobachten, welche damals in Zara hausten. Von dieser hohen Warte herab, an deren Hängen noch hie und da eine Pinie grünt, erreicht der Blick weite Fernen der grünen Fluth und des grau^ grüuen Festlandes. Die langen Viuicn uon Isola ^rofsa, dem noch längeren äußersten Felswall im Westen, der mit Uglian parallel aus der Fluth emportaucht, Eso, Bu-coguazza und sein WcingefNd, nnd die Stadt selbst nebst dem weiten von uus durch die Klippen des Quarnero her zurück^ gelegten Wege, erscheinen da in gewaltiger Nnndschan, Iadera, dann Diodora, jetzt uon den Slaven Zadar, Uou den Italiencru Zara genanut, liegt auf eincrHalbinsel, welche seit dem Jahre 1409 zn Zwecken der Befestigung durch menschliche Hand m eine vollständige Insel umgewandelt worden ist. Bon außen betrachtet, lasscu die gras bewachseuen Wälle uud die flacheu braunen Dächer, über welche wenig Kirchthnrme hervorragen, keineswegs die au regenden Eindrücke vermuthen, welche der Fremdling in sich aufnimmt, wenn er die mit reinlichen Steinplatten bedeckten Gasseil des Stadtinneren selbst betritt. Zara steht, was seine Gebäude anbelangt, so durch uud durch italienisch ans, wie nur irgend eine Stadt der Halbinsel. Wendet man aber seiue Augen vou den Denkmälern der Baukunst ab auf die Menschen, so erblickt mau überall jenen durchgreifenden Noi>, Dalmatn«, 3 34 Unterschied, welcher in ganz Dalmatien das slavische und das italienische Weseu wie Wasser und Oel auseinander hält. ^) Neben den Cylindern der Kaufmannswelt und der Würdenträger, neben der exotischen Crinoline und Pariser müde waudelt getrennt und nnvcrmifcht die rothe Mütze und das blaue Gewand des Slaven. Das italienische, deutsche oder abendländische Element im Allgemeinen hat hier nicht mehr Berechtigung oder Bedeutung als in Corfu oder im ^iräns. Das lehrt der erste Blick uud das lehrt die Erfahrung von Jahren. Der Strand, der Handel, die Betriebsamkeit am Wasser hat völlig jenes Wesen nun fi-mx'l, angenommen, welches man an allen Küsten des Mittelmeercs findet, von welchem das adriatische Meer nur den sicbenzchuten Theil ausmacht. Da^ zwischen, daneben uud dahinter steht aber das Serbcuvoll, au Gestalt, Anlagen, Gesiuuuug und Sitten so urwüchsig slavisch, wie uur irgend einer der Bruderstämme yvischen der Dran uud dem Pontus. Die Werke der Baukunst sind italienisch, das Volt ist slavisch; das ist der Eindruck, welcher uns nicht mehr verläßt bis zum Berge Dubawizza, dem südlichen Grenz steine des Bandes. Ich habe die Paucru an der Küste, welche die Wurzel stamme eines abgetriebenen Waldes ansgrubeu mit den Matrosen eines russischen Kriegsschiffes redeu gehört, welches ") Bei dn'lü' Gclelicnhl'it möchte ich darauf hiüweiseu, daß di? Mlritnlni des Wortes Mortal' von More uud Vlaäi lMcer llnd Italicucr), wl'lche also aus drm Slnuen einel, ,,ita lieuljchnl ^.cerliewohin'^' mnchni will, lächnlich ist. ^iore, dcr erweich.iidc Konsonant l, und das Wottbildungssüfsix at ,V!sa,»men dilden da^Vort, Mmlak heißtalsn eiusach: mflrüim'^. :;5 draußen auf dem Hteerc ankerte. Sie unterhielten sich beider ^ seitig ohne irgend welche Verwunderung über das ungestörte Verständniß, mit welchem die Mäuuer der fernen Steppe die Klippenbewohncr des südlichen Meeres begriffen. Ich habe die Denkmünzen auf der Brnst derVl'orlalen gesehen, welchc zlir tausendjährigen Erinnerung andiel^rnndungdes rnssischen bleiches geprägt worden sind. Und wer an allein dem noch zweifeln wollte, der vergleiche den Gedankenkreis der gro>> oder weißrussischen Volksdichtung mit den Viedern der Dalmatiner und Bosniaken. Mau wird bemerken, daß sich Völker, welche so denken, ill ihrem innersten Wesen , näher stehen, als die Bewohner der norddeutschen Düne , und der Hochlande von Tirol. Sollte einmal jene verhängnisivollc Zeit über unseren Erdtheil hereinbrechen, in welcher sich die Volker uubekiun wert um die Ergebnisse der beschichte, mit Nichtachtung "llcr künstlichen Schranken, ihren fremden Herren .zum Trotz, sich als gleichartige zn gleichartigen fügen und durch solches Aneinanderschließen uuziehenerliche Staateubilduu-iM darstellen, dann wird man sehen, wohin die Slaven der thrakischenHalbinsel und ihrPrimorie ^ihr „am Meere") mit ihnen, ihre Wünsche senden. Wir werden im Laufe unserer Wanderungen noch mehrmals Gelegenheit haben, durch Thatsachen auf dieses Verhältniß hinzudeuten, von welchem Enrova nichts weiß, oder vorläufig nichts wisseu will. Der italienische Firniß, welchen die mcistnt Neiscbeschreiber, die ans dem Meere an dem Lande vorüber gefahren sind, bei ihrem zeitweiligen Absteigen iu den Nfcrstädten wahrgenommen haben, pappt oberflächlich auf dem wirtlichen Inhalt und ist unwesent lichcr, als die Etiquette auf einer Flasche. 36 Ich werde den Beweis davon nicht schuldig bleibe»., Vorläufig weife ich auf die Freigebigkeit hiu, mit welcher der knauserige Italiener die Sammlungen unterstützt, welche zu Gunsten der armen verwundeten Soldaten veranstaltet werden, die man vom Kampfe gegen die aufständischen Slaven der Vocche in die Spitäler schleppt. Die schlanen Fremdlinge kennen ihren wirklichen Feind. Dieser aber kennt auch sie. Vorläufig wird das ^and mit der Devise „Theile und Herrsche" unter der dermaligen Herrschaft eines Dritten erhalten. Sollte diese Devise einmal zn Schanden werden, so würde sich zeigen, welche Seite über die eigentliche Kraft des Volkes verfügt.-------- Zara war in altcrZeit eine (loloinc der Nomer, wovon, wenn gar keine anderen sengen melir vorhanden wären^ die ansehnlichen Spuren einer Wasserleitung ein Denkmal bilden würden, die frisches Wasser aus den nördlichen Gebirgen an den salzigen Strand herabführt. Der Sage nach wird sie auf die Regierung Trajan's zurückgeführt. Wo dieses Volt seinen Fnsi hinsetzte, sorgte es zunächst, unbekümmert nm alle Mühen und Kosten, für das wichtigste Bedürfniß der Bürger, für welches das Mittelalter keinen Smn hatte. Von den Dingen, welche letzteres nach Zara brachte, ist am merkwürdigsten der Körper jenes Simeon, welcher nach dem Zengniß der Evangelisten das Kind Jesus im Tempel auf die Hände nahm. Das Volk nennt ihn den heiligen Simeon - meines Wissens der einzige heilige Jude, von welchem die Ueberlieferung etwas weist. Wenn man die Schwierigkeiten bedenkt, einen Körper ans Schutt und Asche des verbrannten Jerusalem nach Zara zn schaffen, so ist allerdings an einem kleinen Wunder nicht zu zweifeln. Ein dantenswenheres Geschenk als letzteres, mit wel 37 chem sich etwa die Ueberreste der drei V^änner imFeucrofcu, Sidrach, Midrach und Abdenayo vergleichen lassen, welche man drüben ans der Insel Arbc aufbewahrt, ist die Umge. staltung eines Theiles des unnn!)eu Festungswalles in einen "umnthigen (Zarten. Man verdankt denselben der Fürsorge des Generals vm: Wclden, welcher vor vierzig Jahren den Vätern der Stadt erlaubte, Ziersträucher nnd Blumen ans die Bastion Grimani zu pflanzen. Zu diesem Haine gelangt man zwar, den Wall an-Ungend, ans jeder der nördlichen Gassen, welche in der ^ichtnng gegen den Hafen zn liegen, am bequemsten aber über den Platz der sogenannten fnnf Brunnen. Diese fünf Brunnen sind mächtige Zisternen, mit Eisen-Nittcrn umgeben, mit Eimern an starken Ketten. Wenn mau in ihre Tiefe hinabhorcht, so vernimmt man das Sauseu des Wassers, welches in unterirdischer Vcituug an ihrcr Höhlung vorüber rinnt. Sowohl diese fünf Brunnen, als das benachbarte ^hor, das anf den kleinen Hafen hinausführt, werden vou der Ueberlieferung »nil dem Wirkeu des großen italienischen Vanmeistcrs Can Michcli in Zusammenhang gebracht, welchem Dalmatien manche Zierde verdankt uud der, ciu Michel Angelo im Kleinen, Festungen nicht minder zu bauen Verstand, als Paläste uud Brnnnen. Neben diesen fünf großeu Zisternen befindet sich der Eingang des Partes, von welchem aus mau sowohl deu Welebit, als die Felsen von Uglian und zu beiden Seiten das Meer erblickt. Hohe Nadelhölzer, Myrthen nnd Vorbcer .qnmeii aus dem alteu Bollwerk. Dazwischcu stehen weiße Götterbilder und hie nnd da erinnert, hinter Gittern ver- 38 wahrt, ein römischer Fries, eillSäuleukilauf, ciu alter grauer Marmor an die Zcitcli der alten Diodora. Allch eiil gelbes Thor wird von dem Walle uud dem (Kartei, überbrückt, welches laut der Inschrift Mclia An^ nina dem Andcnkeit ihres (satten Lcpicius widinete. .Zara ist nicht arm au solchen Erinncrnngcu ans der Kaiserzcit. Auf deui Markte ragt eiuc prächtige Säule uud auch auf dem Platze der fünf Brnnneu selbst erhebt sich eine solche uud eiu alter Thurm, deu nunmehr eine Art Wach' stube veruliziert. Peim Ausgrabcu des Grundes, auf welchem jeht das neue Theater steht, cutdeckte mau Mosaikbödcu, llcbcrrcste Volt Bäder» lind menschliche Skelette. Mit vielem Geschmack hat man inmitten des hartes einen Hügel angebracht, von welchem ans derjenige bequem die Gegend überschauen mag, der sich nicht zum Verge San Michele auf Ugliau hiuüber wagt Weit uud breit cin blauer Gesichtskreis von Meer, Flachland uud Bergeu -in der nächsteu Mhe innnergrünende Vänmc und im Meercshailch der Wohlgeruch von den Vliiten des Gcn^ tens. Es ist cin träumerischer Ort. Klingen dazn aus der Stadt die uuablässigeu turzeil Glockenschläge herüber, vou welcheu es, wie jeder Wanderer 'm Süden weisi, deil gauzen Tag einschläfernd forthellt, so kommt leicht einer jener Angon blicke über den Einsamen, in welchen ihm, von der unver änderlichen M)t- uud Tonflnth umwallt, Vergangenheit und Gegenwart wie ein Wahn erscheinen uud die Zeit selbst, die rastlose, sich ihm als eine wunderliche Tänschuug verflüchtigt, Es wird nicht leicht Jemand dort oben stehen, ohne daß ihn die Hügelketten, welche jenseits des Hafens das 39 nördliche Flachland unterbrechen und sich, immer hoher austeilend, gegen de» Wrlebit hin verdnnkcln, zu einem Vesuche lockten. Sehen wir uns einmal die Vandschaft dort drüben in der Nähe an. Wer nicht den ansehnlichen Umweg nm die Hafcnbncht l>cnun machen will, der steigt an den Strand hinab und l"!^t sich dorthin über den Hasen h inn herfahren. Am Strande, wo die slavische» Fischer nnd Schiffer "uf ihren winzigen Fahrzeugen sitzen nnd sich ihre spärlichen ^ischniahlzeiten zubereiten, hat man Mnße, sich das nervige und wetterharte Geschlecht zu betrachtet!. Es ist heute der Tag der Wintersonnenwende, ein wüthender Scirocco, welcher sctt'st das Wasser des tleinen Hafens ^ii mächtlgcn Scl>an>nwellen aufpeitscht, verkündet ""6 Zurückweichen des Gestirnes gegen »nseren nördlichen ^theil. Tic meisten der Hininner ans den Schissen haben ^Ntti Schutz gegen daö Wasser, welches zn ihnen hinauf-^^ltzt, die Kapuzen ihrer brannen Mäntel über den ,^ops ^'schlagen, So oft ich eine Gesellschaft dieser starten nnd rauhen -^cnsäM bei einander sehe, erinnere ich mich des Zwistes, '"rlchrv vor mehr als huudcrtoreißig Iahreu wrgeu zwanzig 'N'er Vorfahrcu zwischen seiner preußischen Majestät in der durchlauchtigste!, ^epnblit Venedig entstand, Jene lag durch 'hrcii Gesandten, den Baron von Gotter, dem Dogeu fortwährend in den 5hre», er möge ihr zwanzig starke Morlaken ^' Dalmatiner verschaffen, mit welchen der König seine anntc ^uwdamer Niesengarde zu zieren gedachte. Der ^^gc bot alles Mögliche auf, um dem Köuige den Gefallen W erweisen. Ader seine Mühe war umsonst. Es fand sich ^ll'st unter den ärmsten Morlalen iu ganz Talmatien nicht 'w ein einziger Mensch, welcher auch um die höchste Belohnung preußischer Grenadier werden wollte. Dadurch ließ sich indessen der König nicht beschwichtigen und es blieb zuletzt, wenn man sich nicht seinem ,^c>rn aussetzen wollte, mir ein einziges Mittel. Der Doge theilte dem Gesandten mit, daß man Willens sei, acht der stärksten Männer aus der Vene-tianer Miliz selbst, welche er anwerben möge, descrtircn zu lassen, das heiftt, ein Auge zuzudrücken, wenn sie entflöhen. Es fanden sich in der That acht Mann, welche um den Betrag von zweitaufeufünfhundert Heechi'uen den Handel eingingen, Doch diese erwiesen sich noch tlüger, als der Doge. Denn nachdem sie das Blutgeld verjubelt hatten, liesen sie alle miteinander davon, ohne vorher Venedig nnr uiil einem ^ns^e verlassen zu haben. Die Wuth des Königs über diesen Berlnst war grenzenlos und es bedürfte diplo malischer Vermittlnng, um einen Brnch mit der Nepnblit selbst zu verhindern. Dir Stärfe ihres Körpers verdailken die Morlakeu vielleicht dem nnwirthlicheu Boden, der zu wuchtiger Arbeit zwingt, ihrem unausgesetzten Aufenthalt in freier ^uft ^-dcun ihre Hänser haben, wie wir sehen werden, mehr Aehn lichkeit mit deir Schlupfwinkeln wilder Thiere als mit menschlichen Wuyuuiigeu — uud dem energischen Klima, welches in den Miuleruwnaten in viernndzwanzig Stnnden zwciinal zwischen afrikanischer Brühhitze nud eisigem Nord' stürm wechselu tann. Wer ill diesem sonueudurchqlühteu, wiüddurchbrausten tahleu Vcmdc zimpferlich angelegt ist, geht zu ("runde und die Natnr selbst übernimmt die Ausübnng spartanischer lHrziehnngskuust, Das ^ara gegenüberliegende Ufer, zu welcheiu das 41 schiff überfährt, ist nur spärlich mit elenden Dorfern besetzt nnd stellt in seinem wunderlichen, so gänzlich von alleu hörigen Gegenden Europa's verschiedenen Anssehcn den wahren landschaftlichen Typus des ganzen nördlichen Dalmatiens dar. Das breite Schiff ist mit braunen Kapuze» und blau Kleideten Weibern mit dem rothen Gamaschenstrnmpf, den ">e Frauen fast aller slavischen Völker mit Vorliebe tragen, Uark überladeu. Die Vente kehren vom Markte in der Stadt ^uriick, wohin sie Trnthähne, todte Hasen Kohlköpfe gebracht habe,,. Keiner versteht das Wort des Andern, den» der heu^ llNlde Sciroceo verweht jegliche Stintine. Dast die breite ^ährc nnttcn im Hafen tanzt, wie eine, Nichschale, ist nicht zu verwundern, wenn man bedenkt, das? selbst die großeu Dampfer in diesem offenen Port mitunter von den Wind-''»ßen in ihren Beweguuge>: gehemlut werden. Der Schaum spritzt über die ganze Gesellschaft hinüber, die Männer lachen und die Weiber schreien. Hat die Fähre drüben vorsichtig au den weißeu Ilfer ^'lseu angelegt, gegen deren zu harte Bcrührnng sie dnrch "u paar P^„ geschützt ist, die als Puffer oder Polster an lhrer Scitenwand hängen, so hat mau mit der lieberschrei lung dieses kleinen Wasserbeckens, dessen Breite nicht über "nen Wnteuschnsi beträgt, eine Entfernung zurückgelegt, zu welche mau in andern Bändern ebenso viele Tage brauchen Würde, als hier Nnderschlägc geschehen sind. Drüben ist eine italienische Stadt, hier beginnt die U""ische Wildnist. Bon dicseu weifteu Kalkfelseu am Ufer, welche das -teer cmsgewascheu hat, nordwärts zieht sich eiuc viele, 42 viele Meilen lange Strecke hm, deren Einwohner von der abendländischen Civilisation kaum einen Anflug angenom men haben. Ich will versuchen, das Anssehen des Boden« in den Wohnungen eingehend zu schildern, weil hier in Wirklichkeit aus dem Theile für das Ganze gelernt werden kann. Wer hier einige Stunden weit geht, der hat einen zutreffenden Begriff von Natnr und Menschen auf der ganzen nwr-lakischen Küste bis Carlovago, Zeugn,, Buccari, der Umgegend von Finme und noch weiter den Karst hinanf. In der lichten Dämmerung, welche der fenchtc Seiroccosturm über die Erde verbreitet, liegt die ganze von Steintrümmern übersäele Flnr in einer Beleuchtung da, in welcher am meisten die Farben Grün, Grau und Weis; hervortraten. Betrachtet man sich den Boden aber genauer, fo bemerkt mau den verwitterten Kalk von bräunlichen! Ansehen, die größeren weißen Steine, das fpärliche Gras unter de» zerzausten, von den Stiirmcn verkümmerten Oliven n»d die Fnsisteige dinch die Pflanzungen, die sich als breite Bänder von tieferem Braun hindurchgehen. Das Meer züngelt noch l)ie und da durch die weißen Klipvensteine hereil! und wird diefe flache Bucht im trüm mcrbcdeckten (^ra<e Weiustöcke an der Küste liegen- Die wcichen Traube» Mtuugeu stud ihr inchr ausgcsctzt, als die hartcn, die alten ^ebcustöcke mehr als die neuen und die Südlage mehr als lede andere, beider ist bci der großen Armuth uud Unwissenheit des Knstcnvolkes der Gebrauch des Schwefels, wodurch beispielsweise im italienischen Tirol alljährlich die Ernten ^rettet werden, noch nicht hinlänglich in Aufnahme ge tmmuen und so leiden sie selbst an diesem wichtigen Erzeug >"!'e ihres verwüsteten Bodeus schwere Eiubuße. Die Nähe einer Stadt, in welcher es viele wohl habende Leute gibt, verräth sich noch hie und da durch cin wechcs, rothbedachtcs Haus, welches uutev dcu trümmcr-Mlcn Ausiedlungen nicht minder ciuc Oase darstellt, als 44 ein großer, von Steinen fast gesäuberter Garten, inmitten der von den weißen Splittern bedeckten Gründe. Es ist nicht ohne Neiz, dnrch das Eiscngitter in die langen Perspective,, desselben Hineinznschanen, in welchen der sanscnde Wind die Mentha Blüten bewegt, blau wie das empörte Meer nnd die Scoglie», welche in endloser Ferne ihren Hintergrund zu bilden scheinen. lieber diese Mauern schwanken anch Cypressen im warmen Stnrm, nnr auf dein Grnnde des Wohlhabenden vor der Axt sicher. Sie beugen sich gegen Norden, ,vir das Schilfrohr eines Snmpfes. Selbst das Getreidefeld, welches auf der andern Seite der weiß nnd braun gesprenkelten Straße sich hinzieht, zeigt von dem Wohlstand seines Besitzers, den, es ermöglicht war, so viel helfende Arme herbeizuschaffen, daß man nirgends mehr den Kalkschotter ans dem braunen Grnnde hervorragen sieht. Wie mühevoll diese Arbeit ist, erkennt mau, wenn man sich hie und da über die Brüstung einer der Steinmauern bengt nnd die Männer betrachtet, welche mit ihren Hacken breite Fnrchen in den elenden Grnnd hanen. In diesen Fnrchen tnieen oder hucken sie nnd werfen die Steine dnrch die Füße oder über ihren Rücken weg, Es ist ein Geschäft, bei welchem der Mensch starr nnd düster werden muß. Sähe mau nicht an einzelnen Feldern den Erfolg dieser trostlosen Arbeit, so möchte man meinen, diejenigen, welche hier Steine fortwerfen, seien mit solchen zn vergleichen, welche das Meer in Eimeru ausschöpfe,, wollen. An einer Stelle des Feldes befinden sich zwei thurmartige Landhäuser, welche nnnmehr als Seidenspinnereien benutzt werden. Sie rühren vou einer Ansiedelung von 45 Friulancrn her, welche sich im Aufauge dieses Jahrhunderts auf diesem Strande niederließ. Auch weiter oben bei Nona stehe» uoch Häuser dieser Kolonie. Sie siud aber sämmtlich zerfallen uud verödet, gleich wie ihre Insassen verdorben und verkomme» siud iu dem uugastlicheu Laude. Die Sudhäuser zeichnen sich auch durch die Einfriedigung ihrer (Grundstücke aus. Dieselben siud uicht wie die-lenigcn der armen Bauern durch Mauern abgegrenzt, welche aus übercinauder geschichteten Fkalkstciueu bcstchcu, soudern durch Mörtel und Anstrich wohl verbunden. Auf dem Wege ist wenig ^eben zu erspähe». Manche wal ein Bauer in zerlumpten, braunen Mantel, mit durchlöcherter Mühe, zerrissenen Bundschuhe,!, der mit trübselig ger Mieuc ans der Stadt znrnälehrt und welcher den armen Truthahu, den er dort uicht hat verlausen köuneu, an deu Füßeu mit abwärts hängeudem ^topf wieder uach Hause trägt. Ein anderer treibt eineil kleiucu, wolligeu ^se! vor sich her, der Brcnuholz, dünne zusaunueugcbun-bene Zweige, auf dem Rücken schleppt. Der Holzmarkt befindet sich am tleiueu Hafen von Zara und das Holz wird ausschließlich von Eseln getragen. Es ist werth, daß mau sich denselben dort betrachtet. Viele vou dcu müdeu Thiereu legeu sich mit ihrer ^ast auf den Bauch oder gar auf die Hüfte, auderc suchcu die spärliche» Strohhalme, welche für sie in den Schmutz hiugestreut sind. Vor ihuen schlagen die Wellen au den Etraud und sehr häufig übersprüht sie und die Weiber in den weißen langen Wollröcken, welche sie hüteu, der salzige Schaum. Manchmal sieht man auch ciucn Mann im Dornen-gestrüpp uud dem kurzen Strauchwert zwischen den Mauern herumgehen und sich mit eiucr tlcineu Haudsichcl Zweige 46 ' abschneiden, mit welchen er sein Mittagsmahl, den Kohl oder die kleinen Fische bereitet. Die Slaven nennen diese kriechenden Sträucher sammt und sonders, mögcu sie irgendwelcher Gattung angehören, einfach />i Dörfern der schwarzen Verge oder des benachbarten Paschalikö Bosnien. Die Steinmauern, welche die Gehöfte nmgränzen, sind hier noch niedriger, als auf frein» Felde nnd dicDorn^ hänfen anf ihnen noch höher. Skelette von Hnndcn und Schweinen treiben sich in der Ianche, welche die ansgewa scheuen Mnlden der Skopce ausfüllt, umher. Wir treten iu die Behausung eines Mannes, welcher Wein verkauft und zugleich als eifriger Jäger bekannt ist. Seine Hütte ist eine der besten im Dorfe, denn mm, kann durch ihre Thüre eintreten, ohne sich übermäßig zu 49 lrmmneu und ihr Tach besteht aus Bretter», nicht wie das des Nachbarn, aus Binsen. Nichts desto weniger nuisi man sich vergegenwärtigen, daft die Behausung von den meisten Sennhütten unseres Hochgebirges noch manche Bequemlichkeit anllehlucn könnte, Sähe man uur auf den Boden außerhalb der Hütte, so würde mau sich auch wohl aus den scharfkantige», (^rat irgend eines Älvengivfcls versetzt glauben. Der Wirth, ein bejahrter Manu in rother Mütze, blauem (Gewände und den landesüblichen Opanken"), hilft sich nach Morlatcnweife in feiner Hausemrichtnng selbst, lst sein eigener Schneider, Schuster, Schreiner und Küfer, ^r näht eben an einem blanen Wammse, welches er vor sich alls den Knieen liegen hat. Seine Äehansnng, deren Boden sich aus dem mist-^füllten Hofe ohne Schwellenabthcilung in das Innere der Hütte eben fortsetzt, ist iu zwei (Gemächer eingetheilt, von welchen das eine seine Weinfässer enthält, das andere aber zu allem Uebrigen dient. In diesem Vetztcren sieht es denn auch buut ans. Von deu rußigen Balken herab hängen Lederschläuchc, die lm Herbst znr Anfbewahruug des Mostes dieueu. Hier ist em dürrer Holzstamili mit gabeligen Zweigen angebracht, nnt Maiskolben beladen, dort liegt eine Oftanke, in der Anfertigung begriffen. Jetzt ist es noch ein übelriccheudes schmieriges Diug, aber in Knrzcm wird es eine vorzügliche Fußbekleidung fein auf den fchncidcnden Klippen. Man su-ht noch nichts als em Stück ganz frischer Rindshaut, "°" welcher die Haarc weggeschabt worden sind, in die *) Bundschuhe. y<«ü, iiaUnatifii. 50 ^orm eines geschnäbclten ^iacheils znsammengebnnde». Deil oberen Theil stellen ganz rohe Flechsen Ulid Sehnen dar, welche vielleicht noch gestern dieKnochendcs lebendigen Thieres bewegten. Der ganze Schnh ist noch kleberig, wie ei» frisch ans den» Leibe gerissener Darm, nichts desto weniger aber vollkommen fertig nnd es bedarf nur einiger Heit nnd frischer ^nft, in welcher er trocknet, nn^ ihn zn einer vorzügliche» Bekleidnng des ^ußes zn gestalteil. lieben dem Bette — einem Hausrath, welcher in den ineisten Morlatenwohnnngen dnrch Stroh und Vnmven ersetzt wird — steht ein grof;er viereckiger Stein nul einein Brette bedeckt. Dieser Stein ist inwendig ausgehöhlt nnd dient als Behälter desOeles. Nebenan hängen an derWand cinige jener gestrickten, roth nnd dlangrfärbten, mit On asten verschelien, einer Jagdtasche ähnlichen Säcke, welche die Morlaken stets an einer Schnnr nm den Veib tragen. Da^ nebelt aber hängt ein regelrechtes Kapselgewehr, geladen, das Wertzeng »licht minder der Bertheidignng, als der Jagd. So wie das (hesvräch anf diesen (Gegenstand kommt, wird der Mann lebendig nnd erzählt mit (iifer von den Hasen und Waisen und vun den Meervögeln am Strande, welche er erlegt. Während seiner Erzählung henlt derWind im schwär-^cn (Gebälk des Daches, wie in einem Tauerhans, grnn^ zen draußen die Schweine lind vrrsentl sich der Blick dnrch die Oeffnnng des thiirenlosen Einganges hinans in die blaue ^crnc des ebelieu Vandes, von den weißen Wegen durchzogen, wählend mir der Jäger uon seinelt nächtlichen Gängen und von den Mühseligkeiten ans den weiten Stein feldern erzählte, stellte mil der unwillkürliche Eigensinn, 51 nüt welchem das Gedächtnis? uns oft durch die grellsten Gegensätze überrascht, zwei Bilder ans dem Iagdleben der Morlakcn vor das innere Ange, N'elche, wie ich glaube, in Deutschland völlig unbekannt sind, obwohl die beiden bieder, welche dieselben enthalten zu dcu bekauutesteu Gesängen des Voltes an der kroatischen Küste gehören. Ich will sie wortwörtlich und schmucklos übersetzen: „Es leuchtet die Morgenröthe und ich bin schon vor dem Hofe. Es kommt der Tag und ich bin schon anf die Jagd gegangen. „Ich bin auf dem Berge nnd die Sonne geht schon hmtrr den Berg. „Aber ans dem Berge unter einer grünen Fichte, dort lag eiu Mädcho», eiugeschlascu. «Unter dem Kopfe hatte sie ein Bündel Klee, anf dem u3 und Lärm machte. Der Räuber schoß run' Pistole cms ihn ab, deren Kugel fehl ging. Der Kuabe riß ein Gewehr von der Waud und todtrte deu Angreifer. Indessen befindet sich auch die Mutter dieses Knaben „wegen Mordes" dermalen im Zuchthausc zu Capo d'Istria. Vei dieser Gelegenheit erwähne ich, daß die morlakischen Räuber erschießen nicht für „umbriugeu" halten.--------- Einer der merkwürdigsten (^äuge, welche man von Zara aus am Strande unternehmen kann, ist der nach Albanese, einem langen hingestreckten Dorfe, auf der uäm-lichru Halbinsel, auf welcher die Hauptstadt liegt. Dieses Albanese ist, wie der Name andentet, von Al-bauefeu bewohnt, deren Vorfahren vor einigen hundert Jahren unter dein Schutze des Bischofs von Autivari in Albanien vor der Tobsucht der Türken gesichert lebten. Als dieser geistliche Hirt nach Prerasto in der Bocca von Cat-taro übersiedelte, folgteil ihm die armeu ?cnte aus Anhänglichkeit uach uud nicht miuder. als derselbe späterhin Bischof von Zara wurde. Jetzt ist freilich durch Permischuug unt den anderen Kindern des Vaudes uicht blos die Muttersprache dieser Ausiedler verschwunden, sondern sie unterscheiden sich auch sowohl im Wuchs, als in Tracht, Sitten und ("ewohnhei. ten in nichts mehr von ihren morlatischcn Nachbarn. — Der Weg dort hinans führt dnrch das Thor am ttemen Hafen und längs der Basteien, stets hart am Strande des Meerfanales hin, dessen Wellen sich yvischen die Ins^l von ,.^ara und das langgestreckte ^elseneiland hereindrängen. Wenn man nicht dem nächsten Wege nach Albanese folgt, sonder» sich so lang am Meere hält, bis man etwa 54 die Mitte des abseits liegenden Torfes erreicht hat, so ge^ wahrt man ein Naturschanspiel, welches man austerhalb der dalmatischen Küsten wohl nur an wenigen Stellen Europas finden wird. Es liegt in der Natnr des Hohlenkalkes, ans welchem die vom klarst anslaufcnden dinarischcn Alpen gebildet sind, daß sich an vielen Stellen ihres Inueren, dem Auge versteckt, Wasser ansammeln, die oft in weiter Ferne zu Tage treten. Es gibt in diesem Karste Flüsse, welche plötzlich verschwinden und Flüsse, welche ebenso an irgend einer Stelle mächtig hervorbrechen. Ein solcher Fluß ist beispielsweise die Fiumera in der Bocca von Eattaro, deren flaschengrüne Flnth aus der Höhe des Kalkgebirges bis ^um Meer laum eine Wegstunde zurücklegt, Roch viel seltsamer in seiner Art ist aber das Beckeu an diesem Strande, welches man deuKaiserbruunen nennt, und welches laut eiucrIuschrift imIahre 1546 uon ciuer Kuppel überwölbt worden ist. Hier entspringt ein mächtiger Schwall heißen Wasser's nicht eiue Klafter breit vom Meeresstrandc und wäre nicht ringsum eine schützende Mauer gezogen, so würde die Sal^fluth hineiüschlagen und den edlen Vorn verderben. Solche Quellen, welche unmittelbar am Rande des Meeres zu Tage treten, gibt es zwischen hier in der Richtung gegen Earlopago und Zeugg im kroatischen Küsteu-lande eiue Menge. Es ist mir aufgefallen, das; unter den vielen Reisebcschrcibungcu, welche Schilderungen jener Gegend enthalten, sich tcinc Erwähnung dieser Phänomene vorfindet. Indessen erklärt sich die Unterlassungssünde, weuu man bedenkt, daß die Reisenden sich das Vaud, wel chcs sie beschreiben, in der Regel vom Schisse ans anschanrn 'i 5» und es sich wenig angelegen sein lassen, an der uuwirth' lichen nild mitunter gefährlichen Knste umherznwandcrn. Die Duelle, deren .nihalt wie ein starker Buch zu Tan/ konimt nnd das Beckeit mit einer dnrchsiel)tigeli, du»-kelklaren /ilnth ausfüllt, entspringt ans verwittertem, gcl ben Kalkstein, der von der Brandunq dec« Meeres trieft. ?lns ihr schüpfeil die weiMkleidcten Morlatinnen Wasser, und andere schlankgewachsene Weider knieen waschend auf dein niarnwr.qlattcn Mc'lc', der sich von der Quelle iuö Meer hinangeht, stetl< von den brechenden Voqen übevspriiht. V^,n ln'ev sind e^ nnr ivenige Schritte bis ^nni Dorfe 'llbanese, welches, wohl ivegen der nninittelbaren ^'ähe der Hauptstadt, etwa« menschenwürdiger aussiebt, als andere, 'wl'iter landei!,wärts gelegene Ansiedelungen des Morlaken landcs, Das Torf ist nicht ein wirres Durcheinander von lünscnnl'erdachten, fensterlosen, dunkelu Schiuubhöhlen, sondern seiile Hänser, deren Mauern allerdings auch nach ^andessitte hoch mit Dornen bedeckt sind, stehen längs einer Gasse, oft in ansehnlicher Entfernnng von einander, von Weichst nnd ^eigenbäunien, von ,^'ohl nnd Weingärten, ^ sogar von Wcidcgrnnden gelrennt, Äu manchen Stellen erheben sich auch schaltige Oelhaine mitten in der 'l"siedlung hinter wohlgepflegten Hecken, ^s gibt wohl kein Dorf an der ganzen Kiiste, welches, "°" dem trostlosen Inneren der kahlen Hänser abgesehen, «w Fremdling im Ganzen mehr anheimelte, als diese M anesenMusiedlung. Dennoch darf man dem gemnthlichen ^"druct> nicht so weit trauen, daß man sich vermessen "nde, etwa in winterlicher Dämmerung oder gar ;nr 56 Nachtzeit dortselbst zu lustwandeln Mau würde offenbar Gefahr lanfen, freundlich um Geld für ein paar Vund-schuhe oder derglcl^;en angegangen, nild nnter Einständen halb todt geschlagen zu werden. Auch in diesem Puncte sind die Albaueseu den Nachbar» gleich geworden; dcun böse Beispiele verderben gute Sitten und die zahlreichen Geus-dannen, die inan dorthin postirt hat, sind nicht allgegenwärtig. Die Bewohner uou Albanese haben dein italienischen Wcseu der Stadt eiueu watschen Firnis eutnommell, der sich vorzüglich m der Sprache keuuzeichuet, Selbst die Weiber verstehen nothdnrftig italienisch ^» radbrecheu. Statt des landläufigen Grusteo: l),>1„!>. t> ^rn ^,i<»!n«^ drüt^! (Onteu Tag, Bruder!) Oder eö tounnt auch vor, dast vor slavische Wörter der italienische Artikel gesetzt wird. Mau fragt z, B. nm deu Weg und erhält die Ansknnft: <'->. ü<^tl! gehe ul,^,-<',,>" , welches in der Negel deu epitaphifchen Wortschwall der Italiener einleitet. Die (Gräber des armen Volkes sind nur durch dünue Hölzer bezeichnet, nebenan aber liegen monumentale Gruft-steiue. Die gelbeu Kalkstein lagen, welche schief übereiuauder geschichtet deu Grund eines Vandes darstellen, erscheinen in inaucheiu Grabe, welches geöffuet seines Bewohners harrt. 57 Unter eiuigeu Oliveubäumen, welche au der Mauer grü nen, scharren die Hühner des Pfarrhofcs, mauäuual vom Spitz des Geistlichen in die flucht gescheucht. Weiter draußen aberzwischen den Steintrümmeru der Felder ziehen nunmehr die Schafe auf der Winterweide hin uud her. Tie ^andzuuge, auf welcher Albanese steht, vercu.qt sich hinter dem Dorfe immer mehr und mehr, bis sie in einer steinigen Haide zum Meere abfällt. Dart wälzen sich mächtig die blaueil Wogen liegen den gelben Strand. Die Haide ist von eiuem Oelwalde begrenzt, zwischen ihren Trümmern aber blüht schon der lilienweiße (Irocns, welcher nordwärts von den Alpen erst im März feine Blüten «schließt. An der Küste ist alles Wachsthnm vorzeitig. Der Winter nimmt nicht die Farben des Keimens und Glühens vom Vande — er ist uur eine öde, dunkle, stürmische Zeit. Nicht minder verdient die Landschaft duichwandert zu werden, welche sich jenseits des Hafens längs der Straße nach Scardona hinzieht. — Stelleu wir uns einen anderen Wintertag vor, an welchem sich der Sciroceo gelegt hat und sich lein Blatt "M rührt in dertrcibhauswarme», dunst-und duftschweren Luft. Die Stechfliegen tanzen librr dem feuchten Boden in ber Schwüle und nichts bewegt sich in der weiten Runde drr lHrde und des Meeres, als zwitschernde Nögelschaareu, du- Nachlese halten in den Hecken und auf deu Zweigeu der ^elbämue. Das Meer liegt ruhig da wie eiu fauler Teich uud Wn Wasserspiegel bewegt sich uicht um eine Nmc au den zernagten Uferstciuru, Nur an nmncheu Stellen der Bucht "nd riur wimmelnde Beweguug im Wasser wahrgeuom^ 58 men. Es sind die Süßwasser-Quellen, welche auch hier hart am Rande der Salzfluth nnd nicht wenige von ihnen selbst auf ihrem schlammigen (Grunde hervorbrechen. Wenn nian dort Wasser schöpft, su erhält man ein bitterliches (Getränk, wie es entsteht, wenn man Brnnneu- nnd Meerwasser zusammen schüttet. Äußer dieser leisen ^ittcrbcwegnng iiberall unsägliche Nuhc, nnr unterbrochen dnrch das Blöcken der Schafe, welche in der Ferne, von Oelbäumen versteckt, das frisch sprießende (^ras abweiden. Nicht einmal die schlanken Schachtelhalme zwischen den Blocken des Meeresnfers rühren sich, die grauen entlaubten Feigenästc über den Kalksteinen hängen so starr und todt da, als wären sie selbst ein Theil des Felsens, ans welchem sie windeln. Die Landschaft zeigt ein wirres Durcheinander von grauen Mauern, hinter welchen die Oelbäume grünen, von Landhäusern, in deren (^ärtchcn die Myrthe uud die stäche lichte Agave sich über die Steinwälle erhebt, von schwarzen Cyftressen und gelben Fnsisteigen, von runden, hart aus Vchni znsiunmengestampften Dreschtennen, jetzt von dem Negen in Kothlacken verwandelt — von Dbstangern mit braunen Pfützen bedeckt, von stallähnliche» Hütten, aus welchen blauer stanch sich üb er die Felstrnmmer der (^ruud-stücke hiuzieht, vou entlaubteu Hecken, ans welchen die bun^ ten Morlatengcwäuder, uud von zusannnengeschleppten Dornhaufeu, auf welchen die groben Hemden trocknen. Gn anderes Bild bietet die Bandstraße, welche vou hier nach den Städten Scardona und Sebenico, nach Trau, Spalato itild dem Süden des Königreiches führt. Wer auf ihr hingeht, uimmt in lauger Nusdehuuug der Straße wenig wahr, was an die Eigenthümlichkeiten 59 dalmatischen Vandec« erinnert. Vange Reihen von Pappeln und anderen Allecbnnmen begleiten sie bis zu weiter Entfernung von der Stadt, dnrch groftc Eisengittcr dringt der Blick in schöne Ziergärten nüt südlichen Zypressen und nordischen Tannen, Ein Kirchlein steht ain Wege zwischen grüuen Myrthenbäumen. lteber seiner Thüre schwebt ein Engel, darüber hängen die Doppelglocken nnd an die Wand schmiegen sich mächtige Nebenstämme, Bielleicht wird die Strafte ans dein Grnnde von den stattlichen Vänmen bekleidet, weil die Vürger von Zara dnrch solche Pflanzung dem Todten Ehre erweisen wollten, welche ans ihr znr Ruhestätte geführt werden. Wenn mau sich der ersten jener Hügel-reihen nähert, die sich von hier fort und fort bis zum stei" Ulgen Scbenico ziehen, erblickt man den Vrt, an dnnklen Zypressen erkennbar, Jene Hügclreihen sind zn>ar mit ^)el bedeckt, haben ^uer in ihrer Bildnug nild in ihrcm allgemeinen Aussehen, sowie in ihrer nnnnterlirochenei, Aufeinanderfolge viele -Achnlichteit nnt jenen, wclche in Kroatien vom Iusefsthal uu sich um die Ufer der Knlpa, bis (^eneralsti Stol nnd b's zum Wratnit ober Zengg ziehen und ihre höchste Er-yebnllg im Kapclagebirgc zeigcu. freilich steht auf jeuen .irniicr Eichwald (/.«Im!!,, auindrova, wie es in den Volks-l'edern heißt), diese hingegen sind von Oliven bedeckt, doch awchen sich ihre Linien, wie sich das Volk gleicht, welches Aschen ihnen in den sanft geneigten Mnlden haust. Vor dem ssriedhofc rauscht ein brauner, tiefeiuge- ^'nttener Bach dnrch da« Thal zum Meere, — seine k^.s " ^"b ^ "llein, welche die Rnhc des weiten Gesichts- , ^ unterbrechen, an welchem dort die gelbliche Strafte ' "" ^ den Hügel hinaufsteigt, einzelne Pmieu vo,n obersten 60 Hügelrand sich rundlich aus dem trüben Hinunel abheben, hier aus der sserne die schwarzen Zacken von Uglian Herschanen und um Alles sich das grane Meer schlingt. Durch ein eisernes (Gitterthor gelangt man anf das weite, grasbewachsene ^elo. (Troste Hansen rother Erde neben frisch gegrabenen (Gräbern denteit darans hin, daß neue Ankömmlinge erwartet werden. Nelmt eineni srischanf-geworfenen Hiigel steht ein schwarz gekleideter Mann nnd weint. Den Kranz rother Rosen, welcher die fcnchte Erde ^iert, hater eben Hingelegtals wir über die Schwelle schritten. Weit nnd lneit nichts lebendiges. Tas düstere Grün ferner Oelbänme nnd die schwarzen Scoglien ragen allein über die Mauer herüber. Nur das plätschern des Baches, der auch bald im Meere seine Rnhe findet, durchbricht die große Stille. — — Tic Landhäuser, an welchen wir anf unserem Wege vorüber gekommen sind, qeben Stoss zn allerlei Betrachtungen. In Talmatie» ist es nicht gerade nntcr allen Umständen ein Vergnügen, ein Landhaus zn besitzen. In manchem ,^all wird die Villa, die so annnithia, zwischen den ^eigexbänmcn und den gern von Vögeln besuchten Myrthen steht, ihrem Eigenthümer eine unlängbare (Gefahr. — Man kennt aus den Berichten derjenigen, welche in Neapel oder einigen legenden Spaniens gereist sind, die Gewohnheit der Räuber, den Besitzern von VandHäuser« Briefchcn znznstcllen. des Inhaltes, dap man ihr Eigen-thum unfehlbar zerstören würde, wenn nicht binnen einer gewissen Zeit (Neld oder Oeldeswerth au einem bezeichneten Orte für die Herren Räuber hinterlegt sei. Dieser Brauch wird nicht minder in Dalmatien geübt nnd es wäre ln'er zll 61 ^ande vorläufig unmöglich, in solcher Entfernung vuu der Stadt, wie zum Beispiel die Landhäuser meilenweit vom Golfe von Genua hin verstreut sind, sich eiue Villa zu halten, ohne stete Gefahr der Braudschatzuug 0der Zerstörung inderZeit der Abwesenheit von derselben und ohne Lebensgefahr in iencr Zeit, in welcher der glückliche Besitzer fein Tuscnlum selbst gcnießeu will. Die Drohuugeu er< strecken sich in der Regel auf das Niederhaue» der Oel-bäume uud auf das Verbreuneu des Hauses. Diese Erfahrung gilt jedoch vorzugsweise und fast ausschließlich nur für die Morlateulüste, im Kreis Zara. In den anderen Kreisen Nagusa, Spalato, Eattaro tominen derlei Gewaltthaten überaus selten vor, uud uur die Verlikta kanu be^ anspruchen, den Zaratiuer Kreis all Zahl der Uebelthätcr noch weit zu übertreffen. Ich habe mir die Mühe genommeu, aus dcu Weu oer Berbrecheu die Thatsache» zusammen zu stelleu, welche einen sicheren Boden für die Beurtheiluug dieses gräuel-vollen Zustandes bieten. Der Kreis Zara zählt 157,000 Einwohner. In deu Iahreu 1851-63 wurden uutcr dieser Bevölkerung 2659 "Haudlnngeu öffentlicher Gewaltthätigkeit" ucrübt und ^^ll) Menschen schwcr au ihrem Vcibc geschädigt. Ohne Weiteres ermordet aber wurden 507 Menschen, ^loch arger ist es freilich in der Verlikta bestellt. Dort lassen auf eine Beuölterung von 8400 Menschen 766 utige Verbrechen, so daß sich nnter je einundzwanzig ".Ischen ei» Mörder oder Todtschläger befindet. ^ Dle blutigen Verbrechen deö Kreifcö Zara betragen uli?r als das Doppelte derjenigen Unthaten, welche in alle» Hen drei Kreisen zusammen vorkommen. 62 Die Rahe der türkischen Grenze, hinter welcher Ränder und Mörder leicht Schuh und Borsteck finden, erklärt diesen traurigen Sachvcrhalt keineswegs vollstäildig. Denn diese Grenze liegt überall verhältnismäßig nahe und im südlichen Theile uoch weit näher, als i>n nördlichen. Dalmatieu ist überhaupt ein schuialer Landstrich zwischen Meer itnd dem Hanpttamm der din arischeil Alpen, denn seine größte Breite, zwischen Scbenu'o nnd Graw übersteigt nicht zehn geographische Meilen. In der Armuth des Morlakeuvolkcs, welches aus einem wenig ergiebigen, stark verwüsteten Boden lebt, mag die Hauptursache solcher Verwahrlosung gesucht werdcu. Weiter gegen Siidcu gibt das Meer den Bewohnern der schmalen Küste und der Inseln Nahrung durch Schissfahrt und Fischsang. Auch wird der Bodeu immer ergiebiger, i.c weiter man gegen Süden hinabgeht; Wein, ^)el und i^clo fruchte gedeihen reichlicher. Doch istder Unterschied hierin bei weitem nicht so groß, um die Anzahl der Verbrechen im kreise ^ara zu erklären, Ein angeborenes rohes und wildes Wesen läßt sich den Morlaken nicht absprechen. Rechnet man dazu die Nach> läßigkeit der Regierenden, welche freilich hier wie dort gleich grosi ist, so hat Ulan eine weitere Handhabe znr Beur theilung. Als zur Zeit der Römer der furchtbare Aufstand der Dalmatcr ausl'rach, wclcheu Germaniens nur mit der grüßten Mühe niederkämpfte < nach einigen Geschichts schreibern, war es der blutigste Krieg, welchen Rom bis dahin seit den punischr» Kriegen geführt hatte) sprach ihr gefangener Heerführer Baton ;um Germanicns: „An Euch o! Römer, allein liegt die Schuld von dem, was hier ge- 63 schehcn ist. Anstatt Hirten, schicktet ihr Wölfe, nm Euere Heerde zu pflegen." Diese geschichtliche Erinnrrnng ist bis auf dir „Wölfe" zutreffend für den heutigen Tag, Mau nmftte das dritte Glied der Bergleichung in einem anderen, vielleicht in mehreren andere» Vierfiiftern snchcn. — Diejenigen, welche dasVand genan feiulen, niifsen viel von dem Formelwesen, der (^cdant'enlosigkcit und der Fau^ heit der Veamten zn erzählen, welche mit dem Volke zu thun haben. Insbesondere die Würdenträger italienischer Zunge lasse» dem armen slavischen Landbewohner es nnanfh'örlich suhlen, daft die Art nnd Weife, wie regiert wird, in Wirl> lichteit lanm anders als eine nnnöthige ^nälerei genannt werden dürfe. H>omBolt wollen sie Alles: lästige Steuern, Hölle, Abgaben jeglicher Art und zuletzt die Söhne. Was f"r dasselbe geschieht, das sieht Jeder, der sich die Straßen, die Wohnungen nnd die Menschen selbst betrachtet. Wären nicht die Franzosen einige Jahre im ^andc l>ewesen, so winde es viel schlimmer aussehe». Vou den Schutzwäldern ^,<»«<;>n ^ci-i» an, bis zur Erbauung der lNosien Straften, uon der Abschaffnng der Privilegien bis M' Bekämpfung des Herenglanbcns war dir lnrze Ver walwng des Marschall's Marniont eine segensreiche. ^ Österreich hat feineHcrre feit mehr als einein halben Jahr hundert an der 5tliste stehen, aber ohne die Dampfschiffe es Vloyd tonnte lein (^cldbrief unangefochten uon einer l"dt ;nr anderen befördert werden, i^ast i» jedem Monate lw" nian! „ Dir Malviventi sind vom ("cbirge herab. Miegrn". Weder die Truppen noch die ("ensoarmen hindern sie, "1"ab zu stclgen". Z» ihren bergen leben sie vollends fast 64 mibelästigt vom Ertrag ihrer Beutezüge, volli Viehdiebstahl und dem, was sie dem geängstigten Bauern abpressen. Ein bezeichnendes Merkmal der Freiheit, welche sie genieße», ist der Unistand, daß ihre Belustigung dortselbst vorzüglich in Scheibenschießen (!) besteht. Dalmatien ist dermalen, mit Ausnahme der Inseln, auf welchen die llfcrbewohner durch Rhederei mituuter zu bedeutendem Wohlstand gelangen, ein armes ^aud. Im Alterthume mag es anders gewesen sein, denn an zahlreichen Stelleil römischer Dichter begegnen wir Anspielungen ans den Goldrcichthum des Insellandes. Bekannt ist seuc Ode des Martial an Macer: ibis Citoreas, Macer, Haloueas Felix ji u r i f o r a e 0,0Ion« terra« ! Heutzutage wird es Niemandem mehr einfallen, Jemanden glücklich zu preisen., der sich als „Colone" auf diesen Felsen ansiedelt. Auch der bereits früher erwähnte Statins läßt sich in seinem Epithalamns ans Stella veruehmcn: „Der Scheiterhaufen glänzt, vom dalmatischen (holde gesättigt". Heute lebt der (holdreichthum nur mchr in den Sagen der Eiugeborenen, welche von verschütteten Minen >md ver-^ gessenen Slcüen zu erzählen wissen. 65 Dritte» Capitel. Km Zunern des Landes. Aus der Geschichte ist ersichtlich, daß wenige Länder so von der Eroberungssucht, von den Umtrieben fremder Herrscher, von blutigen Kriegen heimgesucht worden sind, als diese Felsküsten von der Zeit der Liburner an bis zu ienem denkwürdige» Zuge, welchen Marmout mit seineu Zehntausend von Nagusa ab geraden Weges zur Donau und auf da« Schlachtfeld von Wagram unternahm. Die vaterländische Muse, die einheimische (äOinor.^lim) "Wila" weift mancherlei von griechischen Kaisern, von Türken (der „schwarzen Arapiua") von den Veuedigeru "Duschde" (Dogen) und vou den ungarischen Kriegen zu singen. In der That gleicht das Schicksal des Landes einen: leuer schwarzen Naben, von welchen die Volkslieder er-Mlen, die „blutig vun den Klauen bis au die Augen" von der Wahlstatt auffliegen. Die gnädigen Schutzherreu des Bandes, die Venetiauer, welche vierhundert Jahre laug das Land „verwaltete,,", wie eben ciue selbstsüchtige Kaufmanns-Republik unterworfene Völkerschaften zu verwalten pflegt, tonnten sich dennoch rühmen, daß ein Klagen und Weinen im Lande War, als das Banner des geflügelte« Löwen, dem Adler Habsburgs weichen muftte. Dem trotzigen Stamm der Dalmatiner erging es wie anderen Leuten, welche die Nuthe kUssen, die sie schlägt. Indessen hat die Republik unbestreitbare Verdienste um die Erziehung des Laudeö. Weun sie beu Leuten zum Gebrauch ihrer eigenen Schifsfahrt die Wälder zerstörte, so befreite sie dieselben durch ihr Verbot 66 des Sclavenhandels doch auch von der Schmach, in Europa neben den Türken die einzige Bevölkerung zn sein, welche luitMenfchen fleisch schacherte. Die Türken selbst, die schwarze „Arapina" sind an vielen Stellen ins Land gebrochen, aber ihre Herrschaft, wie sie ans manchem Voltsliedc hervorgeht, ist mythisch. Niemals waren Theile von Dalmaticn vollständig und gesichert dein Sultan unterworfen. Es ist deshalb nur ein Nachhall serbischer (Gesänge, wenn es ill einein der bekanntesten Volkslieder hciftt: „lieber Gott, was ist das für ein grosies Wunder! Donnert es oder zittert die Erde, oder schlägt das Meer an den Marmorstcin oder toseu auf dein (Gebirge dieWilen? „Es donnert nicht, noch bebt die Erde, noch schlägt das Aleer an den Marmorstein, noch tosen ans dein Verge die Wilen. „Sondern in .Hadar krachen die Kanonen, ein ^est veranstaltet der Aga Wesir Aga, er hat gefangen genommen, den jungen Nodoitsch. Er wirft ihn anf den Boden eines Kerkers, eines Kerkers von zwanzig Klaftern Tiefe". 5ie Türken können nicht angerufen werden, wenn es sich um die Erklärung der Sittenverwilderung handelt. Wenn mau von ^ara anf dem schon beschriebenen Wege nach Albanese dnrch die l^i-tu >ü t^i-i'-l t'«i'n^l, hiuaus-wandelt, un! sich nach Süden, nach Scardona und Se-benico zn begeben, bemerkt man nnler deu doppelteil Thordurchlässen Gestalten ans demVodenim Schmrch im Stanbe kriechen, welche die Vorübergehenden jämmerlich um ein 'Almosen anrufen und in jedem anderen ^aude Europa's von der Straße weg nach irgend einein Wegeort geschafft 67 worden wären. Verstümmelte"), Menschen ohne Arme und Füße, Blinde mit leeren Augenhöhlen stimmen ein herzzerreißendes Geheul an, wenn sie einen Tritt nebeil sich vernehmen. Ich erinnere mich eines Blinden, welcher noch vor zehn Jahren in seinen braunen Mantel eingehüllt hier im Staube lag wie die andere» Armen und Elenden. Dieser hatte emeu kroatischen Gefährten, welcher snr ihn Almosen sammelte. Die Beiden mnßten sedem Meuschen anffallen, welcher in Hara dnrch das benannte Thor auf das Festland hinausging. Als ich uach einigen Jahren wieder lain, waren die Gewohnheitsbettler verschwnnden. Die Geschichte, ein echtes Viorlaken-Stück, zeigt nebst vielen hundert anderen, daß ein Bolt anch ohneTürken und Türkentcrler verwildern mag. Die Beiden hatten folgendes Ende genommen. Der Blinde war mit seinem Begleiter auf deu Jahrmarkt von Benfowac gegangen, um Almosen zu sammelu. Dort überzeugte sich der Blinde, daß ihn sein Begleiter be-stahl. Als sie Nachts miteinander auf dem Stroh eines Stalles schliefen, schnitt er ihm zur Strafe mit einem stumpfen Taschenmesser den Kopf so vollständig ab, daß dieser am nächsten Murgen nebeil dem Leichnam lag. Heute, au einein Feiertage, tanzen an der nämlichen stelle, au welcher einst dieser Blinde seine Klagelante ^'schallen ließ, einige schmntzige Dirnen ihren festlichen Kolo. Es ist ein Tanz, mit welchem die bedeutenderen Feiertage verherrlicht werden. Eine Anzahl von Mädchen nimmt ") Bi!i diescr Oc'll^euhcit wiU ich erwähnen, dus; ein Manzosl', dcr das längst erschienene Büchlein „Myricu und Dalmctticu" benutzte, gelegentlich „verstümmelt" durch inlwt ^ nai^u^u nberfctzt! 5 " 68 sich bei der Hand und dreht sich, völlig in der Weise des „Ninge-Neihe"-Spieles, im Kreise umher. Dazu wird ein unverständlicher Terl gesungen, oder vielmehr geheult. Nach einer Weile find die Stimmen heiser geworden und der Gesang gleicht nnr mehr einem Gejohle, in welchem, anfter Vocalen nichts mehr vernommen wird. Im Hafen liegen hente eine Menge von Fahrzengen, welche den Fischern von Chioggia") gehören. Man erkennt die Herreil leicht an ihren hohen rothen Mntzcn und a» ihren Thonpfeifen, ans welchen sie fortwährend ranchcn, ihre Schiffe aber an den mächtigen braunen Netzen, die zwischen den znsammengerollten gelben Segeln hängen. Sie tonnen alle wegen des Maestral""") nicht auslanfen, nno lungern gemächlich auf dem leicht bewegten Wasser nnter den Basteien des kleinen Hafens. Eine kurze Nast in Alba^ nese vor dem ermüdenden Marsch, welcher nns in das Innere des Bandes bevorsteht. In einer finsteren Höhle credenzt uns ein schmntziges Weib Wein in einem noch schnmtzigeren Thongeschirr. Hur Erklärung des Schmutzes auf dem Weibe diene die Bemerkung, daß ihm der Gebrauch der Seife uou dem Augenblick an uutersagt ist, in welchem es sich «erheiratet, Nur Mädchen gestattet man dieses Mittel der Berschöne-rung und Gefallsucht, das Wnb aber hat deu „Soldaten" (das heißt den Fremden, den Herren) nicht in die Augen zu stecheu. Die Umgebung, in welcher dieser goldgelbe, dem Cipro ühnliche Nein getrunken wird, ist eine abscheuliche. Neben einigen unsauberen Weinfässern, nnr ein schwarzer Schemel ») Om Slädlchen u, deu Lagmm, von Ve»c0iss. *') Nurowcftwuld, 69 And ein anderes Faß, ill welchem nüt großen Steinen beschwert, Weintreber liegen, das Winterfutter der Rinder. In einem anderen Winkel sitzen ein paar Morlaken und erzählen sich von den Räubereieu, welche in letzter Zeit die Umgebung des Dorfes unsicher gemacht haben. Der Eine berichtet von etwa dreißig Schafen, die man vor wenigen Tagen mitten im Dorfe gestohlen hat. Beide sind darüber einig, daß dieselben nirgends anderswohin gebracht wurden, als nach Smokowitsch, einen« Dorfe jenseits der Hafenbncht. Es kann gar kein Zweifel darüber obwalten, denn jenes Dorf ist ja von „griechischen Räubern" bewohnt. Daran knüpft der Andere die Erinnerung an einen vor wenigen Jahren am Ende des Dorfes vorgefallenen Mord an, wobei der vertriebene Pächter den hartherzigeil Herrn ü, l'ir1lmäm«6 durch das Fenster erschoß. Diese beschichten erzählen sich die Morlaken, ihre Nede oft nntcrbrecheud, weil sie dazu ihr hartes Gerstenbrod hinabwürgen und steißig dem Weine zusprechen, der in einem ungeheuren Gefäße vor ihnen steht. Mauclnual stampfen fie vor Vergnügen mit ihren gelben Opanken in den Schlamm des Bodens, daß die Kothstncke bis in den Wein spritzen. Wenn man sich der Thüre dieses Hauses nähert, hört mail ein wunderliches Geschrei, bald fchrill, bald snmmcnd aus allen Theilen des Dorfes. Der Grund dieses Geschreies liegt darin, daß fast das ganze Dorf betrunteu ist und seiner Freude durch Schreien nnd auch durch häufiges Schieße» 'Uft macht. In jedem Hanfe wird Wein getrnnkeu oder Weiu verlauft, Nnd das Getränk ist, wie man in Dentsch-^ud zn sagen Pflegt, selbst dem Unbemitteltsten zugänglich, "a das Volnmen einer gewöhnlichen deutschen Weinflasche 70 etwa auf einen Silbcrgroschen zu stehen kommt. So wird au schöne» Feiertagen immerwährend fort geschrieen nnd geschossen und oft macht das betankende Getränk schließlich seine Wirknng in irgend einer Vlntthat geltend. Versetzen wir uns von dieser Scene weg in einen hellen^ sounenglänzcndenWandermorgcn, in dessen Lichte wir diejenige Fahrt in dasInnere des Landes antreten wollen,welche in Nachstehendem so trcn als möglich geschildert werden soll. Es scheint, dasi mit dem frenndlichen Sonnenschein eine frcnndlichcre Stimmnng in die sollst so mürrischen Einwohner inAlbanese geko>nmen ist. Denn heute gehen Wenige an nns vorüber, ohne uns ihr: nngeu Herren, welche mit der Nachteule auf Vögel jagen, so v^rMtändigtsich die Anzahl dieser Figuren. Es ist eine besondere Eigenthümlichkeit Dalmaticns, daß auf kurzer Wegstrecke fruchtbare und öde Gefilde oder vielmehr bebaute und verlassene fortwährend mit einander abwechseln. Hier sieht man die Zweige junger Weinrebe und das frische Grün i»ngcn Getreide«, den iDel- uud den Feigenbaum und gleich daneben eine nuabsehbare, von grauen Trümmern bedeckte Halde, von welcher kein einzigerGegen^ stand hervorragt, alö ein hochgethürmter hölzerner Wagen, der in weiter Ferne ein schwarzes Viereck in das Blau des Gesichtskreisen einschneldet. Auf diefem Wagen werden die schwarzen Dornbüsche aufgeladen, die mau zwischen den Steinen au^ dem mageren Erdreich reißt, um die luftige Morlatenhütte z» erwärmen oder das Mahl aus Maismehl, Neis oder Kohl zu bereiten. Diese Abwechslung von fruchtbarem und wüstem Land ist nur ein Wert des Zufalles. Der Boden ist hier, wo die Fruchtbäume über dem frischen Gras grünen und dort, wo das schwarze Dorngestrüpp die weiften Steine versteckt, gauz und gar der nämliche, Den eiueu hat der Fleiss des Men scheu bearbeitet, den anderu wüst liegen gelassen oder »ach Iahrzchentcn von Wein und Oel Ernten abermals den Dornen und den Stürmen überliefert. Hierin liegt ein grosser Unterschied zwischen dem Fest lande nnd den Inseln, Auf letzteren wird der Grund mit viel mehr Fleiss und Gewissenhaftigteit benutzt, nud so wüste Haide», wie sie sich iu der Nähe der Hauptstadt, stets wieder vou Weingärten nnd Oclhainen unterbrochen, hiu< 73 ziehen, werden zwischen denWohnstättcn der rührige« Insel^ Bewohner fast nirgends gefuuden. Die erste Ansicdlung, wenn man von der Hauptstadt gegen Osten in das Land hineingeht, heiftt Vlosche nnd liegt auf einem jener steinbedeckten Hügel, die von ferne wegen der zahlreichen, hellgrünen Wachholdcrstandcn, die vereinzelt zwischen den Fclsblöcken hervorsprießcu, grün erscheinen. So wenig man aber ans solchem Grün schließen darf, dasi sich jenes hohe Haus ans der Mitte uon Gras-triften erhebt, ebeilso wenig darf man auf die Mcmnug kommen, daft die zwei Stockwerfe etwas anderes enthielten als morlakischeSchmutzhöhleni unten Wohnung uud Stall, l)>er in vielen Fälleu eine Näumlichteit, oben diirre Zweige und Dornen unter dem nackten Dachgebälk. Die Wachholderstande, slawisch umvik^, welche der Wüste hier manchmal den Schein des Lebens verleiht, ist "e sogenannte großbccrige, weil ihre Früchte im Gegen-1ntze zn der anch in nnsern Wäldern wuchernden Pflanze, "ie Größe einer Kirsche erreichen. Man würde sich indessen lausche ^„„ ,^^ glanben wollte, daft nicht anch solche ^eden, auf denen nichts keimt, als der spilMidelige Strauch, Vilder von tiefer Wirksantteit darstellten. Der vielfarbige '^nnmel, auf welchem vom tiefsten Schwarz der Hagelwolke bis zum Purpnrrand ferner Dünste an Wintcrtagen alle Far-l^en iu grellem Glänze stehen, die matte Sonne, die aus dem ^m-occo-Gewölke einen wehmüthigen Schimmer über Steine und Sträucher ausgicßt — die Stimme ferner Nanbuögel, "anchmal ein dröhnender Donncrschlag aus dem grauen ^rhang, ^. d^ ^,,,, Welebit hiuüber flattert, goldige, herziehende Streifen, unter welchen das fenchte Gestein .^"»zt, das endlose Meer mit seinen Felscneilandrn: das 74 sind die Formen, in welchen der Geist dieser Bildung über-gcw altig zur Seele des Beschauers spricht. Hat man einmal den ersten der Hügel, welche sich vom Meer, mit Thälern nnd Hochflächen abwechselnd, zum Welebit hinziehen, überwunden, so bemerkt man auch — zuerst bei der kleinen Ansiedelung Malpaya — einen jener festen Thürme, in türkischer Sprache Knle genannt, welche aus der Heit herrühren, in welcher die Osmanli's bis vor die Thore der vcnetianischen Städte und au die 1!fer des Meeres hin brandschatzten. Die Kule stehen immer ans den höchsten Puncten der Nmgegend, von welchen aus eine freie Nundschau über die weiten Gefilde geboten ist, Gewöhnlich wurden diese Thürme zur ^cit der (Hrnte von ihren Herren bezogen, welche von dort aus nach den Grnndstücken spähten, von welchen eben die Früchte abgenommen wurden. Eine solche Wahrnehmung war fiir sie das seichen, sich dort einzustellen und den Ha-radsch zn fordern. Die Türken waren von jeher der Mei-uuug, daft Land und Veute nur für diejenigen da seien, welche „regieren". Eine solche Abwechslung von Fruchtbarkeit und Oede keunzeichuet das Land. bis weit in die Gebirge hinein. - Manchmal meiut mau auf einer jener Hochflächen zu wandeln, welche sich vom Nordrande der Alpeil die Donau hinabziehen. Das Land erscheint hier wie dort gegen das Gebirge hin als eiue flache, am Rande verdunkelte Scheibe auf welcher die blaue Kette wie eine Stahlmauer aufliegt. Manchmal aber ist es von welligen Hügeln unterbrochen, deren Zwischenränme durch das Blau des dahinterstehenden Gebirges wie von einem lazurueu See ausgefüllt werden. Da erscheinen zunächst neben der Straße die viereckigen 75 Gruben, in welchen sich das winterliche Regenwasser ansammelt, jenseits dieser die überschwemmten Aecker mit den nackten Zweigen junger Reben, darüber Hinalls weiße Schafe ans den Hängen nnd knapp ans dem Rande der Hänge anfliegend das noch weigere Band des verschneiten Welebit. Ini Ucbrigen gibt es anf dieser Hochfläche, die sich neben Malvaya hinzieht, so frnchtreichc Aecker, wie nur irgendwo anf einer der Inseln, wo der Fleisi der Bewohner das Erdreich von wüstem Gestein sänbert. Vis an die Straße her macht sich die Sorgfalt der Ansiedler bcmert'lich: da stehen jnngc Manlbecrbänme gepflanzt, jetzt noch dnrch eine Hülle von Dornen geschützt. Sie werden späteren Geschlechter» Schatten geben. In solcher Umgebung steht anf einer zweiten Erhöhnng 'n der Hochfläche Babin Dub, die „<Äche derGrosimntter", ^n schmutziges Gehöfte, mitten in einem Bnsche numer^ grüner Bäume. Unabsehbar liegt Ebene und Hügelland Hegen das croatische Grcnzgebirgc hier vor den Angen des Wanderers. Babin Dub war immer ein wenig berüchtigt als Ort, an welchem die Nänber frei ans^ nnd eingingen, nnd deren "esitzcv es nicht atlzn genan nahm niit den Gästen und lhrem Treiben. Jetzt soll es besser geworden sein, in Kurzem nber mag sich Babin Dub zu einer völlig unbedenklichen "Nsicdlung umgewandelt haben, deuu in dein gegenüber^ Agenden Hause sind die Arbeiter beschäftigt, eiu Obdach für eine Gensdarmerie-Abtheilung bcrzustclleil. ^m Iuneru vou Babiu Dub sieht es ein wenig besser ""s, als iu den gewöhnlichen Morlaten-Hcrbergeu auf dcni ^estlande. 7ß Der Voden ist zwar dem der Straße gleich und fast so kothig, als diese an Regentagen, dafür aber zeigt das braune Oebälk des Dachbodens größere Stärke, als landesüblich. Um das Feuer sind Rothmützcn versammelt. Sie schwatzen und rauchen, anch der Sohn des Wirthes, ein Bube von höchstens fünf Iahreu, lanft hernm, indem er ans einer pfeife rancht, die viel länger ist, als er selbst. Ein Gast verzehrt ein Stück hartes Brod, das er aus seiuer Torbica herausnimmt- Es ist von jenem harten, mit Stroh-Brnchstücken undHiilscn llntermengten Dcig gebacken, dessen Mehl von den armen Renten selbst anf ihren Handmühlen bereitet wird. Ein anderer nimmt sein Frühstück ein, getrocknete süße Feigen uud Branntwein. Alle aber tragen Waffen in ihrem dicken Gürtel und widmen dem einsamen Fremdling mehr Neugierde nnd Aufmerksamkeit, als dieser sich vielleicht wünschen mag. Im Allgemeinen aber ist es mit den Vorräthcn nicht übel bestellt zu Babiu Dub. Deuu in einer finsteren Nebenkammer hängen Speckseiten nnd sind ansehnliche Fleischvorräthe anfgehänft. Hinter diesem (Gehöfte gelangt man abermals in ein weites Land von wüsten Strecken nnd nur wenigen Pflanzungen, Wieder tritt die Smrika-Stande, der Wachholdcr, in ihre Rechte. Es scheint aber, als ob die Stürme, die über diese Fläche hingehen, nicht einmal diesen hartlebigen Strauch zum rechten Gedeihen kommen ließen. Lichtgrün, aber winzig erhebt er sich zwischen den sonnen beglänzten Flächen der Kalktrümmer. Hie nnd da ans der Ferne ein Schuß — cr gilt einem Hasen oder einer Schnepfe, die da anf der wunderlichen Haide überwintern. Im Sommer würde dieselbe freilich ein ganz anderes 77 Schauspiel bieten. Ungeheuerliche, thurmhoheStaubwolteu bezeichnen auf weite Strecken den gewundenen Straßenzug. Nirgends ein Tropfen trinkbares Wasser. Dasjenige, was aus den letzte»! Resten der Tümpel geschöpft wird, erzengt böse Fieber. Das ttand erscheint unter der Muth ausge storbcu. Selbst am Straude vou Zara, au welchem mehrere Quellen zu Tage trcteu, wird eiu Schöffel Voll Nasser von oeu Hausfrauen niit theurem Oelde bezahlt. Der arme Morlak hilft sich mit seiucu Weiu-Vorrätheu. Wir befinden uus iu einem Vande, ill welchen: lange Zeit hindurch das Wasser in höhevem Werthe steht, als der Nebeusaft. Ich habe vorhin den Anblick, welchen das Hügelland Ul der Richtnng gegen den Wclebit hin darl'ietet, mit den Hochebenen am Nordabhang der Alpen verglichen. Es kommen aber Strecken, auf welcheu man sich noch weit mehr Ul jeuc öden Flächen versetzt glaubt, welchemandie römische ^ampagna ueunt. Die Seoglien, deren blan-fchwarze Zacken fern aus ^m unsichtbaren Meere aufragen, die „dalmatischen Felsen", wie der Morlat sagt, stellen am Gesichtskreise das Sabmer Gebirge dar. Tauseudc von weiften Schafen ziehen durch weißes Gestrüpp. An Sciroccotageil stehen uilabschbare Regenbogen über der verlassenen Erde im vielfarbigen Gewölk. Bald gläuzt der Welebit wie eine Silbermauer, bald sleht er als ein Lava-Wall da. Hie und da glitzern in del Herue die weißen, von schrägcu Strahlen getroffenen Fels^ läppen, die sich z„ bescheidener Höhe aus derHaide erheben, leber diese rollt nmnchinal leise einer iener hohen morla-lscheu Wagcu hiu, dcreu ^^ader uicht aus Speichcu, nur ^lus einer Holzscheibe bestehen, und an welchen nicht ein "nziger Nagel aus Eisen ist. Zwischen den, Gestrüpp sieht 78 man die Hirten spielen. Fernes Gebell — branuc Kühe, deren Rücken aus dem Wachholdcr-Gestrüpp ragen — Karren mit schwarzen Dornen beladen — der spiegelnde Tümpel des Sees von Nadin — gelbe Wege zn gelben Höhen, wie eine Natter geringelt hier tiefe Wolken, dort helles Licht — ein gefesselter Ränber von Bewaffneten langsam geführt: das sind Eindrücke, welche sicherlich an jene gefeierte Stätte mahnen, nnter deren Boden die Asche der Weltbezwinger liegt. In solcher Umgebung steheil die Häuser von .Zemo-nico. Doch grünen auf den (Grundstücken zunächst um sie herum der Oelbanm nnd die junge Saa! des Getreides nud erhebt der Feigenbaum seiu graues Geäst. Ueber den Häusern steht die Rnine eiues weitläufigen Gebäudes. Es war zur Franzosenzeit ein Stall für die Pferde der Reiter, welche damals für die Sicherheit des Bandes sorgten, wie heute dic Gensdarmen, bei welchen wir einen Besuch abstattcu. Der Reisende im Innern des Landes thut stets am Besten, wenn er sich um Obdach sowohl, als nm Speise au diese Männer wendet. Auch ist es möglich, sich gegen ein geringes Entgelt von ihuen begleite» zu lassen, welche Borsicht namentlich in den gebirgigen Gegenden nicht zu verachten ist. Inmanchem Bezirke sind sicherlich dieGensdarmen die einzigen zuverlässigen Leute der Gegend, die einzigen, welche einem Fremdling mit Rath nnd That au die Hand gehen, die besten Kenner ihrer Widerwärtigkeiten lind Gefahren. Ihre Führer namentlich verdienen in der Regel das höchste Lob. So bilden sie mitten nnter dem Schmutz uud der Herabgekommcnheit der umwohnenden Bauern eine anständige Familie, bei welcher mau immer wieder gern 79 zuspricht, wenn mail einmal sie in ihrer Häuslichkeit kennen gelernt hat. Betrachten wir uns einmal die Scene im Gensdar-meri^Zimmcr zn Zemonico. Vor der Thüre des Hauses wate» Einzelne in hohen Kanonenstiefeln durch den tiefen Koth, der die „Kaserne" von dem gegenüberliegenden „Wirthshaus" trennt. Eben wird ein weiß gekleideter Morlat, einVissaner, mit gefesselten Händen heransgeführt, um nach der Hauptstadt gebracht M werden. Es ist ein Räuber. In der Stube reden dieGensdarmen heute von nichts Anderem, als vuu Tschawlin, dem großen Hanptmann, welcher dort in den blauen Bergen haust nnd auf desseu Kopf zwölfhmidert Gulden Belohnung gesetzt sind. Sem Arm greift weit heraus gegen die Kiistc her. Der Anführer der Gmsdarmeu weiß die eine und audere Familie, bei welcher der Geächtete zeitweilig zuspricht, aber es ist un-'udglich, dieselbe durch ein noch so glänzendes Versprechen trotz ihrer Armuth zu Verräthern zu machen. Vor kurzer Zeit haben die Räuber wieder eiumal den Telegraphen durchgeschnitten und wie sich ei» späterhin gefangener Genosse spaßhaft genug äußerte, „allein »ach Wien telegraphirt". Es wäre zu wünschen, daß Alles in Wien "nkäme, was in diesen Köpfeu ausgeheckt und von diesen Armen hantirt wird. Die Räuber haben sich uicht auf die betanuten Fortschritte der Feuerwaffen eingelassen, dagegen schießen sie nüt Kettenfngcln ans ihren Trombungewehren. In ihrer ^ebciwweise gleichen sie den Wölfen! sie gehen ans ihreu ^'uöden nnd Schluchten nur hervor, wenn sieHunger haben. 80 Ein!' wunderliche Thätigkeit obliegt von ^cit zu Heit den Gcnsdarmeu, Die Bauern griechisclj^rechtglanbiger ^teligion haben den Brauch, den Bund, welchen sie mit der Erkorenen ihres Herzens geschlossen haben nicht sofort durch den Segen der Kirche heiligen zu lassen, sondern mit der Inngfran Mo-uate, Vierteljahre lang auf Probe zu wirthschaften, nm sich der Grundlagen des zukünftigen häuslichen Glückes zu ver gewissern. Dauert solche Probezeit dem Popelt und Seelenhirten zu lauge, so wendet er sich an die öffentliche Gewalt, welche einen Hüter des Gesetzes entsendet, der dein Paare auf der Spitze feiucs Vayonnctes die Wahl übermittelt' entweder am nächsten Tage uor den Altar zu treten oder deu gemeinsamen Herd in der kleiuen Hütte zu verlassen. Während ich in der Stube anwesend war, spielte sogar vor mir selbst ein kleiner Auftritt, welcher eiue Episode aus dem Liebesleben eines jugendlichen Paares belenchtetc. Es erschien ein Morlat mit demüthig abgenommener Mütze und sein ehelich angetrautes, mit Stickereien uud Münze« bedecktes Weib vor dem Herrn Führer, um diesem zu klagen, daß die Schwiegermutter das schuldige „Gewand" des Weibes nicht herausgeben wolle. Es bedürfte einer laugeu Rede des Herrn Führers, bis der klagcudr Morlak begriff, daß dieser, Vertreter der kaiserlichen Autorität seinem Weibe das „Gewand" nicht bcizuschaffen vermöge. Dieses Alles spielt sich ab, während ein Theil der Männer seiner Mahlzeit obliegt, ein anderer sich mit dem Spieleu eiuer alten Zieh-Harmonita oder mit Stiefelwichsen die Heit hinbringt. Außerhalb Zemonico iu der Nichtuug gegen Viljan «1 hin abermals der Anblick der Haidc, nur wenig von Obstbäumen nnd Getreidefeldern unterbrochen. Die Schafheerden im brauneu, rauschenden (Gestrüpp, vou Weibern iu weißen Wollhemdcn gehütet — der fan-sende Wind, welcher den Salzgeruch des Meeres mit sich führt — uereiuzeltc Riuder zwischen dcn grauen Trüm-meru — in der Ferne große seichte Tümpel von Regenwasser über felsbedecktem Boden ....... das ist das Gefilde vor Vilian. Kein Haus in der weiten Umgebung ist vielleicht lehrreicher fiir die Beurtheilung von Menschen und Diugeu, als dasjenige, i» welchem sich dermalen zn Biljan dasObdach der Gendarmerie besiudet. Nach dem Geständnisi des Eigenthnmers sind in früheren Jahren Dutzende vou Räubern beim Augriff auf dasselbe in seiuem Hofe oder vor feinen Maucru niedergeschossen worden. Die Schießscharten, aus welchen die wachsamen Knechte feuerten, hat mau jetzt freilich vermauert, doch sind «och im Fußboden Svuren von jenen Vierecken vorhanden, welche für manches größere Morlakenhaus be-zeichuend siud, Diese Holzvierccke find beweglich, hängen an Stricken und stellen eiucu sogeuaunten Aufzug dar. Die Ocffuung hatte eben so sehr deu Zweck, als Beobachtungsloch zu bleuen, u>n überschauen zu töuuen, was im uutcreuRaume beging, als sich auch auf dein Brette in diesen hinabzu-lassen uud so ebensowohl im Falle einer Gefahr fliehen, als nut den Vertheidigern im uutereu Stockwerk in Verbi ndnng lwcu zu tonnen An der Staumauer ist ein dickes Mauerwerk iu Form emer gewölbtcu Bastion von außen hingcfügt, um deu ""lebeu die Riuder unerreichbar zu machen. Es war früher Nui', Talmalien. <> 82' mehr als einmal vorgekommen, daß sie von außen ein großes ^och durch die Maner brache», und durch dieses die Insassen des Stalles herausführten. Dem ist dnrch erwähnte Verstärkung der Maner nnnmchr vorgebeugt. Ehe die Gensdarmen hicher verlegt wurden, war der Besitzer des Hauses Willens, au den vier Ecken des Gehöftes rnnde Thiirnichen «libriligen zn lassen, in welchen Wächter schlafen sollten. Diese Vorsicht ist jetzt unuöthig. Weun man aber bedenkt, welchen Fährlichteiten sowohl die bewegliche Habe des Hauses als die Grundstücke rings nm her ausgesetzt sind, so N'undert mau sich nicht mehr über das Project der Thürme. Eine der gewöhnlichsten Arten der Erpressnng besteht im Drohen mit Aernte anzünden oder Oelbänme abhacken. Man darf versichert sein, daß, wenn bis zu einem bestimm teu Zeitpunct die geforderten' Kleider, Schuhe, der Wein, das Pulver u. s. w. nicht am bezeichneten Orte hinterlegt sind, gewiß trotz aller angewaudteu Gegenmittel und ver suchter Abwehr die Räuber ihr Wort halteu. Der Besitzer des einzelnen Hanfes zn Piljan hat das erfahren. Trotz seiner Schießscharten und Fallthüren mußte er sich öfter, einmal um die Summe von fünf hundert Gulden, von den Wegelagerern brandschatzen lasfen, wenn er seine Acrutc retten wollte. Auch das aus den Abruzzcn bekannte Mittel des Geißeln-Mitschleppens wird zur Er pressuug vou Geld und Werthgegenstäuden mit Erfolg an gewendet. Im Ucbrigen wirkte oder wirkt die Unsicherheit noch iu audercr Hiuficht überaus schädlich auf den Wohlstaud des Landes ein. Man stelle sich beispielsweise eine Weinlese iu der 83 Art vor, wie sie bei den Morlat'en üblich ist. Die Trauen werden in einer Hast abgenssen, >il^ ob sie gestohlen würden — was theilweise wegen der uugemcincu Zerstückelung der Grundstücke fast auch nothwendig erscheint. Denn, beeilen sich diese ans dem n»d dein Wciufelde nicht, so wird mittlerweile ciu anderes, in geringer oder weiter Entfernung davon gelegenes, nackt ausgeplündert. Bei solcher Hast wirft der Morlak Blätter, Stengel, llnrath jeder Art mit in den Bottich. Die schwarze Tranbe fliegt zur weißen, die reife zur unreifen, die faule zur gesunden. Es wäre nun denkbar, daß es plötzlich einem Besitzer einfiele, seinen Colonen (denn auch hier herrscht, wie iu Italien, durchgäugig das Eoloncnsystein Vor) zn verbieten, baß er das edelste Erzengniß des Bandes in solcher Weise verderbe. Die erste Folge davon wäre, daß der nwrlal'ische Pächter über diese ihm unverständliche Zumuthung in bodenlose Vcrwnndernng geriethe, Weitere Erklärungen blieben ihm unverständlich und die Weinlese geht fort, wie es stets gehalten worden ist — nämlich daß aus dem besten Traubensafte ein Getränk von geringem Werthe gewon uen wird. ^lunmchr möchte aber der Herr des Grundstückes "Mich iu Horn gerathen und bei sich den Entschlnft lassen, forwn sein Eigenthum selbst zu bewirthschaften. Er sagt dem Morlalen, sein Pacht sei gekündigt, uud er könne seiucn Wanderstab hinsetze», wohin er nur immer wolle, "ach langem Hin- uud Herredeu verläßt der Morlak dii,' Hütte—, aber mit denAernteu des „Herru" ist es vorläufig vorüber. Die Wcinstöckr werden ihm abgeschnitten, wenn chre Beeren noch hart wie Wnteuwgcln sind, sciueKirscheu 84 und Oelbänme liegen über kurz oder lang eines Tages gefällt ans dem Grunde. So bleibt also dein Besitzer nichts Anderes übrig, als die Morlaten in ihrer Weise fortwirthschaften zu lassen. Von Verbesserungen im Bau des Bodens ist unter der Hand dieser Leute, von welchen Niemand jemals eine Schule gesehen hat, nichts zu erwarten.- Die Unsicherheit ist also eiues der mächtigsten Hemmnisse, welche der Entwicklung des Landes sich entgegen stellen. Dazu kommt noch, daß selbst der Besitzer wenig Veranlassung hat, sich absonderlich um den Boden zn bemühen. Denn nach dem herrschenden Brauche empfängt er nur den vieUeu Theil des Ertrages, während die übrigen drei Viertel dem Pächter verbleiben. Der Wein aber z. B. wird um so äußerst geringen Preis vertauft, daß, so lange ähnliche Verhält- ' nisse fortdanern, die Thatkraft keineswegs angespornt wird. Es ist sicherlich schade nm das Land. Denn wenn man zu einer jener erweiterten Schießscharten im Hause zn Niljan hinausschaut, so erblickt man weite Weinfelder und eine Anzahl von Mandel- uud Kirschbänmcn über die Flur hin verstreut, welchc, wenn man sie uebcn einander sehen könnte, wohl einen stattlichen Wald darstellten. Das Alles aber muß fort und fort schlecht gepflegt und noch schlechter verwerthet werden, wenn cs »icht vou der Bosheit der Einwohner gefährdet werden soll. In dicfer Hinsicht ist cs eben doch auf den Inseln ganz anders bestellt und wären nicht dieselben Pflanzen und redeten die Menschen nicht die nämliche Sprache, so möchte man sich in einem völlig anderen Lande glauben. Vou Biljan bis Bcnkowac (oder Benkowaz) liegt das 5i5> ^and noch weit öder und wilder da, als auf der bisher durchwanderten Strecke. Nunmehr, in der Regenzeit, bedecken weite Tümpel und milchige Sümpfe den Boden. Von hier nach Zara Vecchia hinübcrzugehcn, das vermöchte nur cm Mensch, dessen Wuchs die Höhe einiger Klafter überschritte. Von diesen Tümpeln ist im Sommer nur mehr der morastige Boden zn sehen. Das Trinkwasscr verschwindet auf Monate. Aus dem Buden aber entsteigen unter der Hitze des dalmatischen Inli jene Fieber, welche der ganzen Bevölkerung Sicchthnm bringen. Von den Gcnsdarmen vermögen es höchstens zwei da auszuhalten — die anderen liegen frostgeschüttclt im Spital. Aber anch jetzt gewährt die Snmpfsteppe einen trostlosen Anblick. In der Ferne weiden Rosse an den matten Spiegeln der Wasser, die ein grauer, wolkiger, uusäglich trübseliger Gesichtskreis verdüstert. Hcerdcn Von Trnthähnen treiben sich anf dem spärlichen (^ras zwischen den Steinen umher, manchmal vor branneil, langborstigen Sänen die Flncht ^'greifend, welche den Morast zwischen den Felsen anfwiih-^». Anf diesen Gründen bemerkt man nicht selten anch die tlcinc schwarze dalmatische Natter, welche langsam uud von "er frischen Dccembcrluft dnrchfröstelt, sich von einem Tümpel zum audern hinriugelt. ^n der Ferne glitzert hie und da ein Streifen Bandes "uf, gn'm, weißlich grau oder schwarz, auf welchen das volle Licht der Sonne dnrch die ^wischcnräunle der schweben Wolkenballen fällt, die der Scirocco abermals von Süden herausgetrieben hat. Vald ist anch das Castell von Benkowac, von einem solchen Streifen getroffen und leuchtet weißlich von seiner Höhe in das schweigende Smnpfland. Vald erreicht uus eine (Gesellschaft. Es ist ein Mor-lat, dessen Haar hinten in einen langen Hops zusammengeflochten nnd mit einer silbernen Kugel geschmückt ist. Ihn begleitet ein „Eolonist", das heisst eine bäuerliche Sicher-heitswache, dessen rothes Gewaud ganz und gar mit Thalern behängt ist. Der Begleiter dieses Wächters ist natürlich ein Dieb, welchen er nach Venkowac ni den Kerker führt. Ich frug diesen Mann, wic viel Silber er an sich hängen habe. Darauf zog er seine rothe Mütze ab und zeigte mir sechzehn Vereinsthalcr, welche auf derselben festgenäht waren, zur offenbaren Augenweide des Diebes, der dieselben mit lüsternem Plicke betrachtete. Nicht minder stolz wies er auf seine mit Neiheu silberner Knöpfe bedeckte Vrust, indem er sagte, die Anzahl dieser Knöpfe sei sechzig. Es war aber auch ein „Anführer" der Colonisten, welchen ich da vor mir hatte. Auch der Mortal, welchen er mit sich führte, hatte iu feiner Weise einen Schmuck auf der Vrust hängen. Derselbe bestand aber nicht aus Silber, sondern ausBlcch und war eine Patrontasche in der Form von neben einander befindlichen Cylindern. Sei» Pulver aber mochte er wohl verschossen haben, sonst wäre er nicht auf dem Wege nach dem (Gefängniß in Ventowac gewcfen. Der Anführer der Ticherheitswachc erzählte mir, daß gestern zur Feier seines Namenstages die ganze Nacht hin durch vor seinem Hanfe geschossen nnd Zivio gerufen worden sei. «? Im ruhigen Deutschland ist für den friedlichsten Staatsbürger ein Waffenpaß nothwendig, wenn er mit Oewehren »nd dergleichen herum gehen wilt. Iil diesem ^ande der (Gewaltthaten herrscht ein anderer branch. Da unsere (besetze unzweifelhaft auch für Dalmatieil gelten, so sind die (hcnsdarmrn anch in ihreni Rechte, wenu sie hie und da eine» der Lungerer vo» der Waffenlast befreien, die er iui Gürtel mit sich schleppt. Doch diese Mühe ist eine vergebliche. Der Tagedieb gehl auf das Bezirksamt und erhält kraft des Schlendrians"), der unsere ganze Regie Ntngtzkunst in diefeni Vande kennzeichnet, seine Gewehre, feine Messer, Handzars und Pistolen wieder znriick. So lange hil'r uicht Ernst gemacht wird, bleibt Alles beim Alten. ........ Ueber daö Aussehen vun ^enlowac ist nichts Ande ^'s zu berichten, als daß es ein schmutziges, verkommenes "lest iil einer baumlosen, wüsten Haide ist. Was trostloser wirkt, der Anblick mancher Häuser, die vrrthierten (Gesichter und Blicke bewaffneter ssaullcuzer oder die Oedr der Stein anger -^ das mag sich Jeder selbst beantworten. Visstl'5 Capitel. Giue Episode von den Sco^lilN. Zur Zeit meines ersten Aufenthaltes in Dalmatien ^- es sind nnumchr sieben Jahre verflossen benutzte ich "') Nci dieser Gelegenheit w,lt ich crivälmen, daß eö iü Dalmalie.i ein (uielleicht auch mehrere) Bezirksamt gibt, in selche»! dlc «„laufenden Acten weder nnmerirt noch einqrtra. »en werden. au einem heiteren Wiutertagc den steifen Nordost, der vom Welcbit herabströmte, uin mit einer Barke, welche im Hafen von Zara segell^^t lag, nach einem jener Felsellriffe hinüber zu fahren, welche sich in nngcmesscurr Zahl südwestlich der Küste entlang biö weit in das Meer hinaus erstrecken. Der geneigte?escr wird aus dem Inhalt der nachstehend mitgetheilten Erinneruugen ersehen, dasi es mir nicht möglich ist, den Scoglio und die 5^ ert lichte it, von welcher ich zu erzählen habe, genau mit Namcu zu bezeichne!«. Für diesen Mangel wird er nicht minder durch ein treues Gemälde der Landschaft als durch die Bekauutschaft mit Menschen entschädigt werden, in deren Schicksal sich ihm augenscheinlich ein Stück vom Wesen dieses Vandes enthüllt. Ich kann weder dem Eiland noch den beuten die Namen geben, welche sie in Wirklichkeit führen, Doch dem Verständigen thnt das nichts zur Sache, Dagegen, hoffe ich, wird feine Theilnahme durch meine Schilderung, welche sich so wenig, als es nur immer zulässig ist, von den Thatsachen entfernt, in höherem (^rade erregt werden, als wenn ich ihm eine trockene Vcschrcibuug jener mcerumbrandetcn Felswällc vorgelegt hätte. Nach dieser Bemerkung gehe ich ohne Weiteres zu meiner Fahrt über. Dieser bot sich vorerst ein wenig erhebendes Angurium in der Fracht des Schisfes, deren Beschaffenheit ich zu spät wahrnahm oder verspürte. Sie bestand nämlich aus Dünger nnd anderem Unflath,Abfällcn, in der Stadt znfammcn gelesenem, faulem Stallstroh und dergleichen, was sich die fleißige» Bewohner der Scoglien anf dem Festland holen, mn ihre Krantfelder und Oelgärten zn düngen. 89 Aber der üble Duft, welcher von dieser Waare ausging, verschwand schnell im frischen Hauch des Meeres und bald hatte ich in, Anschauen der Pracht, die nah und fern um mich ausgebreitet lag, völlig auch den Inhalt der Barte und die schnnchigen Schiffer, die trag cu»f dem Mist herum lagen, vergessen. Da glänzten die fernen Segel nnd die nahen Vögel wie Silbervuncte über der unsäglichen Bläue der aufgewühlten fläche. In zartem Rosaroth, von Abeudwolken uicht ;n unterscheiden, ragten die fernsten Fclscilande ans ^'m Wasser. Noth glänzten die näheren, blau die nächsten Scoglicn. Unser Schis's tanzte krenz und gner durch die hohe» Schaumtäunne, das; die Fährleute die schwcreu Steine, welche als Ballast auf seinem Boden lagen, immerwährend hui- nnd herrücken mußten und das lose eingemachte Steuer mehrmals ans seinen rostigen Angeln gehoben wurde. Iudessen war die lange ,vahrt doch eine glückliche. Wir landete,, zwischen den Mauern des winzigen und Mchte» Hafens, die zugleich den Oclgärten als Einfassung blenten. Die ganze Bevölkerung des elenden Dorfes war "uf den Beiin-n, nin eine der DuckEnteu (slavisch l.,wy zu Renten, welche sich aus dem Meere, auf welchem ich wäh-rend der Ueberfuhr Hunderte sich auf dcu Wellcu schaukeln gesehe» hatte, Hieher verirrt hatte. So oft das arme Thier ^lt dem Kopfe aus dein Wasser empor tanchte, krachten Mintenschüsso ,,„d s>^^.^ steine nach der Stelle. So wnrde uu ganzen Hafen nmher gehetzt znm hohen Ergoßn von ^^ und Inng. Den Eingang ills offene Meer hinaus hatte man durch eine Barke l'escht. Dennoch al'er gelang dem Vogel, wie ich zu meinem groften Bergilügcu be- 90 merkte, unter jener Barke hindurch in die freie» Wellen zu entkommen, aus welchen er bald darauf sich mit lustigem Flügelschlag erhob. lim mich ein wenig ;n erg nicken, folgte ich den Fährleuten in ihre Wohnung. Es war kurze Zeit nach Neujahr uud noch lag auf dem Tische, von den Festtagen her, der große Brodlaib, in welchem ein Vorbeerzweig befestigt ist, woran Aevfel hängen. Mau setzte mir getrocknete Feigeil, Brod uud Wein vor, Im (bespräche mit dcu beuten des Hauses verging mehr als eine Stünde uud es brach der Abend heran. Ich dachte an irgend eine Unterkunft und wollte diefe nicht auf der Lagerstätte meiner Wirthe fuchen — aus Gründen, die sich beim Anblick der Stube vou selbst ergaben. Äm nächsten Morgen vor Tagesanbruch sollte eine größere Barke hinüber »ach einem anderen Seoglio und vo» diesem auf das Festland segeln, Ich gedachte diese (Gelegenheit zu benutzen. vorerst aber handelte es sich um eiu Nachtlager und das kouute sich nirgends finden, als bei dem Priester des Dorfes. Ich forderte den Schiffer auf, mich dahiu zu begleiten. Er willigte, nachdem er bemerkt hatte, dasi ich seinen eigenen Anerbietnngen lein Gehör schenkte, ein. Wir giugeu fort. Das Weib fagte zu mir beim Abschiede: „^ebe wohl, lieber Bruder! Gott gebe Dir einen gutcu Weg!" uud sämmtliche Hausgenossen begleiteten mich einige Häuser weit. Der Schiffer führte mich durch Mauern zwischeu Oel-gärtcu, dereu Bäume, Sträuchern gleich, von der Wurzel an iu vielfache Stämme getheilt, über das iuugc Getreide emporragten. Obwohl wir uus im Januar befandcn, sah ich doch, im letzten Abendstrahl der Sonne, die Veute von der Arbeit des Säcus der Hülselifrüchte heimkehren. Ucberall waren sie auch unter den ^elbänmen mit dem Auflockern des rothen Bodens beschäftigt. Neben manchem Arbeiter stand ein tragbarer, viereckiger Holzfasten, ein Weinbe^ Halter. Der Kohl wächst hoch vom Boden auf, dast er den arbeitenden, rothmübigen Weibern bis au die Hüften reicht. Jeder Flecken Erde zwischen de» grauen Felskuvpeu lst auf diesem Scoglio, wie auf alleu seiueu !)iachbarn mit großem Fleiße bebaut. Aber auch auf dem nackten Boden Moßte der herauuahcude Frühling dieses Vaudes: weiße ("äusblümchen, dann jenes duftige, von deu Slaven Smin geuauute K'raut, erhob sich neben manchem scharfkantigen Kaltblock. Die Kirche liegt anmuthig zwischen 5?cl^ und Feigen-bäumen so versteckt, da st sie, von ferne gesehen, nur mit ihrem llcineu weiften (^lockenthurm darüber hervorragt. Hie nnd da begegneten wir anch Dirnen, welche mäch-l'lie Bündel von Oel- und Myrthenzwcigen auf dem Kopfe ^3^u, f^s^ ^^ einzige Brcuuholz, mit welchem die keilte "uf der Insel ihre dürftigeu Herdsiaunueu unterhalten. Alle "kr, die uns entgegen kamen, grünte» mit dein frommen Zuruf:^ill.l5„5<.! (belobt fei Icslts!) Die Sonne giug eben uuter, als ich mich von dem Schiffer vor dem Hanse des (^eistlichell verabschiedete. ^ leser dentetc nach den, Himmel, über desseu Scheitelpuuct "uumehr schwarzbranne Wolken von Südeu heraufgezogen ^aren und rief mir noch im Weggehen zu: - „Wer weist, l" die Barke morgen ins Meer geht. Wir bekommen Sci-l°"o und am (5ndc gar ein ("cwitter." 92 Diese Aussicht war mir nicht eben angenehm, doch störte sie meinen Mcichmuth nicht absonderlich. Es war am Ende gleichgiltig, ob ich einen Tag länger auf diesem oder auf einem anderen Scoglio verweilte. Die Äatur der Sco-glien ist sich so gleichartig uud ihre (Erscheinungen einander so ähnlich, daß Derjenige, welcher eines dieser Felscilaude gesehen hat, ans diesem und jenem andern uicht mehr viel Neues fiudet. Indessen beschlos? ich doch, die Varte zn benutzen, wenn sich das Wetter nicht gar zn stürmisch anlassen würde. Das Hans, an dessen Thür ich nnnmehr klopfte, war einstöckig nnd uuerwartet sanbcr. Im nächsten Augenblicke that sich die Thür ans und eiu Mann von hageren (^esichtszügen nnd durchdringenden schwarzen Augen stand vor nur. „Ich habe Sie kommen gesehen," sagte er in italienischer Sprache. „Womitkann ich Ihnen dienen in dieser Einöde?" Ich gab mich als fremden zu ertenneu und trug ihm mein Gesuch uor „Sie sind willkommen" , antwortete er in ruhigem Tone uud ohne irgend welche Neberraschung zu verrathen. Ich begann mich zn bedanken, aber er unterbrach mich: „Warteu Sie mit Ihrem Dante! Die (Gastzimmer eines Priesters ans diesem Scoglio ertragen das ^'oben nicht. Ich bitte Sie, mir einstwcileu auf meine Stube zu folgen, während Ihr Schlafgemach hergerichtet wird. He, Mischo!" Auf diesen Nuf erschien ein vierschrötiger Mensch mit rother Morlaken-Mütze Der Priester sagte ihm einige Worte nud er verschwaud wieder hinter einer dunklcn Thür neben der Treppe, Ich übergehe die Aufzählung der nichtssagenden Re- 93 densartcn, welche in der nächsten halben Stunde zwischen u>ls in der kleinen Stube des geistlichen Herrn gewechselt wurden. Das Gespräch nahm erst einen wärmeren und vertraulicheren Ton an, nachdem ich ihn von den Veweggrüuden meiner Reise unterrichtet hatte. Ein Blitz aus seineu finsteren Augen, ein freundliches Vächelu uud ein Händedruck von lhm erregten in mir die Vermuthung, daß der Priester, wie blele seiner Standesgcnofscn, ein eifriges Mitglied der so-genannten volksthümlichen Partei im Vaude sein müsse. Wir tauschten uusere Namen aus. Ich uenne ihn hier Gawro ^azika, weil er doch schon anch in dieser Erzählung emen Nanien haben musi. Es wurden Kerzen angezündet und Wein aufgetragen. Die Unterhaltung belebte sich immer mehr und bezog sich zwn größten Theil ans da« arme Dalmaticu, seine Zustäude von ehedem und feine heutigen Geschicke. Mittlerweile erfüllte sich die Voraussage des Schiffers. Es brach ein Gewitter los, dessen Donner die Insel zu spalten schien, der Oelgarten ranschtc wie ein Wasserfall und das Meer schlug dumpf gegen die Klippe. Bei diefem Sturme wurde es mir immer behaglicher m der sicheren Stube und Mischo trug mehr Flaschen hcr-eul "ls vielleicht gut war. So vergingen in lebendigem Gespräche vier oder fünf stunden. Unter Anderem, was mir der Geistliche sagte, war die "'tschuldigung, dasi er sich schon heute Nacht vou mir verschieden müsse, wenn ich morgen durchans mit der Barte weiter fahreu wollte. Er habe iu frühester Morgenstunde 94 in dein Kirchlein zn lesen, an welchem ich hente vorübergekommen war. Ich theilte ihm des Scherzes halber mit, daß der Fähr» mann uon der Heiligen, der diese Kirche geweiht ist, gesagt hatte, es sei eine „gute" Heilige, Auf diese Bemerkung hin lächelte er ganz anders wie bisher, wie es schien mit eine^ gewissen Bitterkeit. Er schob mir schweigend eine neue Weinflasche hin, ich aber dachte, es sei meine Stunde gekommen nnd bat um die Erlaubnis), mich zurückziehen zu dürfen. „Ihr werdet mir diese Bitte nicht abschlagen, " ant wortetc er wieder mit freundlicher Stimme. „Ich habe sei! zehn Jahren keinen Fremden mehr beherbergt nnd wer weiß, ob ich nicht sterbe, ohne wieder einen Gast in meinem Hause gesehen zu haben." Ich entschuldigte mich mit der Stärke des Rebensaftes, der auf dieseu Felsen wächst. „Ihr müßt Euch daran gewöhnen, wenn Ihr unser Vand durchwandert", fuhr er mit der nämlichen sauften Stimme fort. „Es ist Wein von Veglia und dein ist die Kraft verliehen, daß er die Wirkungen anderer Weine sänf tigt. Stoßt immerhin mit mir an; es ist ohnehin das letzte Glas, das wir in diesem ^ebeu mit eiuander leeren!" Er trat an den Tisch, hob die Flasche in die Höhe, zog den Kork aus und schenkte zwei Gläser voll. Der Wein perlte; er war heller als der gewöhnliche Wein Dalmatiens. „Glückliche Neise!" rief er lächelnd, „Anf fröhliches Wiedersehen!" „Ich will nicht glauben," fnhr ich nach einer Weile, um uur irgend etwas zn reden, fort, „was Ihr vorhin gesagt habt. Wir werden nus wohl in irgend einem Winkel 95 der Erd,,', wir werden uns vielleicht in Deutschlaud, das Ihr später duch besucht, wiedersehen. Ihr habt nüch wie ein Freund aufgenommen- ich liebe es nicht, mich von meiueu Freunden ohne den Gedanken des Wiedersehens zu trennen. Trennung und Hoffnung sind Geschwister." „In nnserem Falle," sagte Vazika, „müssen wir nns 'wohl bescheiden. Ich bin ans diese Insel verbannt, ia, ich möchte sagen ans ihr -— gefangen. Die Nächte dieser Jahreszeit sind reich an Wolken, aber nach reicher ist mein (Gemüth an traurigen Gedanken, die unablässig in ihm brüteu." „Das sind sonderbare Vorstclluugen, o Herr." antwortete ich, „uudesmag'wohl die Einsamkeit sein, welche sie erzeugte. Kommt Ihr einmal wieder hinans von diesem Eiland, was wohl wie ein Gefängnis? anssieht — kommt >>hr wieder hinaus in das Gewühl der Städte, werdet Ihr neue Freudigkeit schöpfen." „Zu spät," sagte 5'azika, den Kopf abwärts bcugeud, als ob er etwas unter dem Tische suchte. Meiu Vliä siel, als er der Richtung seiner Augeu folgte, wieder auf die Etikette der Flasche. ^s stand darauf „Kertschke", das heisit Wein von K'erk, deili slavischen Namen für Veglia, das einige fünfzig Wglien weiter nördlich im O.uaruerolo liegt. Die Schrift ^ar zierlich und dünn. lHs war eine Fraueuhand. "Ihr habt da, wie mir dünkt, einen niedlichen Schreiber", sagte ich plötzlich. ^r sah mich groß au. „Dieses Papier ist von einer Frauenhaud beschne--ben«, fuhr ich fort. »Es mag so fein." 96 Ith konnte keine Spnr Uuii einer Pcrlegeuheit a>l ihm bemerken. An ein Fortschleppen der Unterhaltung war nicht mehr zu denken. Das und die immer weiter vorrückende Nacht bestimmten mich zur Nnhe zn gehen. Ich stand anf, berührte ihn au der Schulter und sagte: „lieber Herr! Dank für die Güte, mit der Ihr mich, den llnliekannten, in Enere Gesellschaft, in Euer Haus aufgenommen habt. Wenn es dcun so sein soll, uuu wohlan — Lebewohl! Ich verabschiede mich jetzt. Euch ruft schou in wenig Stunden Euer Berns, mich ruft die Nothwendigkeit. Machen wir die Trennung kurz, sie wird mir darum nicht weniger schmerzlich." Vazika erhob sich, ohne ein Wort zn entgegnen. Er nahm das ^icht, wir traten anf den Gang. Hier heulte derWind aus allen Fugen, von der Treppe, vom Gebälk, von den Kaminen. Im Zimmer, welches nach rückwärts ging, hatten wir bisher wenig oder nichts davon vernommen, ^azika bedeckte das ^icht nut der Hand nnd in einem Augenblick standen wir in meiner reinlich hergerichteten Stnbe „Es ist eine Schande," sagte er, „daß ich gerade heute von bösen Geistern geplagt bin. Ihr geht morgen über die See und da hätte ich Euch beim Glase die Sorgeu vertrei beu helfen sollen, wie Horaz sagt, statt Ench Gesichter vorzuschneiden. Wenn ich bedente, daft Ihr morgen schon wieder — " „Heute!" fiel ich ihm, sein eigenes Wort wiederholend, lächelnd in die Nedc. „Nochmals herzlichen Dank!" setzte ich, ihm die Hand drückend, hinzu. 97 „Ja, es ist besser so," sagte er, wie sich Plötzlich ermannend. „Mifcho wird Euch pünctlich wecken uud Euch hinab zu den Vooten geleiten. Weiset ihn nicht zurück, bi« Ihr den Fährmann habt; es ist noch stark finster Morgens und bei den schlüpfrigen Wegen könnt Ihr ohne Laterne nicht gehen. Macht mir die Freude und lasit etwas von Euch hörcu, wenn Ihr wieder in derHeimat seid. MitGott!" Die eichene Thüre siel hinter ihm ;u; seine Schritte verhallten anf dem Gang: ich hurte die andere Thüre gehen, ich war allein. Ich betrachtete mit dem beuchter in der Hand die Ein-zelnheiten des Gemaches. So oft ich in eine Wohnung eintrete, in welcher ich auch nur eine tnrze Zeit hausen soll, trachte ich, mir ihr Ausfehen in der Erinnerung aufzubewahren. Ist doch dem Wanderer die Stätte, an welcher er je Weilig lebt, das heißt empfindet und leidet, ein Denkstein «n der Strafte, auf welcher er der Ewigkeit eutgegcu pilgert, Vcim Beziehen einer neucu Behausung scukeu sich frageu-reiche Ahuungc» in Dich nieder: Was wirst Du da schaffeil? Welche Fortschritte in derErkenutuiß des Wahren wirst Du da machen? Und verläßt Du sie, so ist es ein Stück Vebcn, was hiuter Dir liegt — unwiederbringlich wie die Zeit, bleibt ein Theil Deiner Geschichte an diesen Mauern häugeu. Deuu siehst Du sie auch später vielleicht einmal wieder, s" schauen Dich die Wände anders an, es sind nicht mehr die alten — Du selbst siehst sie anders au, Du selbst bist "icht mehr der Alte. Meine Ruudschau ist rasch beeudet. Es war nichts da, was mich besonders intcressiren konnte. Im Gegensatze 5u den anderen Zimmern hatte dieses durchaus nichts 9l°«. Dalmatian. 7 9,^ Geistliches oder Kirchliches an sich. Eine schlanke Vres-cianerklinge und eine geschmacklose Darstcllnng der Schlacht Uon Kossowo, wo Zar Lazar von Serbien Leben nnd Reich uerlor, das war Alles. Das Bett war frisch nnd breit, nach französischer Art; der oben dnrch eine vergoldete '^aust zu sanimengehalteue Vorhang von Kattun war nüt grossen braunen Blninen besäet. Ich that einige Züge ans der großen Flasche, die da stand; das Wasser war kalt, was mir ans die Erhitznng des Abends nnd das gewohnte bittere (Getränt am Seeufer überaus wohl that. Es war fast Mitternacht, gegen Tagesanbruch mußle ich mich erheben, Ich legte mich fast ganz angekleidet auf das Bett. >>ch weiß nicht, welche Beengung anf mich drückte. Es mochte der zn reichlich genosseile Wein, es mochte die Scirocco-Schwüle, es mochte die niedrige Spannung der Luft während des (Gewitters, es konnte Alles dies sein — mir kam es aber vor, als ob noch etwas Besonderes, Un^ greifbares in dieser bleiernen Luft läge. Es gibt einen Znstand der Tänschnng, den wohl mancher meiner Leser kennt. Man liegt ganz ruhig iu einem (^emachc, in welches kein Ton, nicht das geringste (^eränsch der Außenwelt ein dringt. Es ist so stille, daß man nichts fließen hört, als den Strom der Zeit; man hört einen namenlosen, unsäglich leistn - Fluß, ich weift kein anderes Wort. Es ist das Pochen des Blntumlauss, das sich auf diese Weise der Ohreuhohlung offenbart. Dieser Flnß jagte seine Wellen heute besonders gewaltig durch die Adern des Kopfes hinauf. Ich begann zn träumen. 9» Träume hängen in ihrer Färbnng von der gerade vov handenen Vlntmenge im Schädel ab; es wundert mich dem "ach heute nicht mehr, wie besonders bunt die Phautas-Utagorien jener flacht waren. Wie grell belcnchtete Nebel-milder wechselten die Landschaften nnd Personen. Wirr und willenlos, ohne irgend welchen ^nsammcnhang mit meinen .Hu- und ''lbncignngen hellte iniä) das folternde Spiel der Einbildn ngstraft im Flnge dnrch das Wanderleben meiner ^'ljten Monate. Bärtige Screschancr in langen, dunkel bothen Mänteln, hohe Männer nnd Weiber mit der gold-blintenden Mütze der schwarzen Berge, branne Fischer der "dria zogen vorüber. Zuletzt wurde es einsamer; ans ei» "lal lag ich in einem Kerker, Ich wollte mich regen, meine Asseln zn lüften oder zn sprengen, icl, tonnte nicht; ich "ersuchte mich von meinem Vager zu erheben, ich bewegte teiu Glied. Siehe, da drang Lichtschein in meine Zelle; die Thüre öffnete sich von selbst nnd hinein trat die Göttin des Orientes. Ihre schwarzen Haare lrönte das Diadem der ^ünigin, die Angen, tiefe Gluthseecn, waren aus mich ge ächtet, ihr Mund stammelte, sie hob die Hände bittend empor. Ich zuckte nicht, ich regte mich nicht. Ich war lahm, Em Schrei 'der Verzweiflung entfuhr mir ^ ich hatte die betten zerrissen, aber in demselben Augenblicke stürzte das , ewülbe zusammen und hatte mich unter seinen Trümmern ^graben, wenn ich nicht — jäh erwacht wäre nnd daö dröhnen des Gewitters in den Grundvosten des Gebäudes ""spürt hätte. ^ Icht war ich des Tränmens überdrüssig. Die letzte Gaukelei mit der hilfesuchenden Schönheit U"d meinen Aerger, ihr nicht zu Hilfe kommen zu könuen, Mte mich vollends abgespannt. 7« 1l)s) Ich sah »ach meiner Uhr, es war drei Uhr. Wen» ich jetzt aufstand, mir ^icht machte nild noch eine Stunde im Zimmer auf- und abmarschirtc, war es Zeit zum Aufbruch. Im Nothfalle hätte mir immer »och das Betrachten des (Gewitters, das mit ungebrochener Gewalt feine ^enrrgeißeln über die Knsten schwang, die Zeit verkürzt. Ich maß also das Zimmer nach allen Dimensionen; ich las die Notizen nntcr der Schlacht von Kossowo, ich zählte die Secunden zwischen Blitz nnd Donner. Endlich ermannte ich mich zu dem Entschluß, mein Tagebuch durch die Erzählung der heutigen Erlebnisse zu bereichern' aber es blieb beimBersuch, der Bleistift lief keine Zeile weit. Es war langweilig. Ich setzte mich wieder auf mein Bett nieder, denn die Stühle waren mir zu niedrig. Ich sann nach. ' War es nicht auffallend, daß ich seit unserem Eintritt ms Haus außer (Nawro kein lebendiges Wesen bemerkt hatte? Der Knecht Mischo, welcher uns die Vaterne trug, war wühl nicht der einzige Hausgenosse der Hanshaltung. Es mußte andere Hände, auch weibliche, geben, welche zum Beispiel das Zimmer, in welchem ich mich jetzt in so böser Laune herumtrieb, in Stand setzen, in Stand halten mußten. Warnm sah ich davon nichts? Warum war selbst Mischo unmittelbar nach dem Eintreten gänzlich verschwunden? So sann ich fort. Bunte Bilder überkamen mich. Die Kreise meiner Oedanken schwammen in einander — ich schlief ein. Als ich die Auge» wieder aufschlug, war es heller Tag. 101 Meine Uhr zeigte neun, das Schiff mußte längst ans dem Meere fein. Wärmn war ich nicht geweckt worden? Welche Nachlässigkeit zwang mich, statt anf einer bequemen Barke, vielleicht anf einem kleinen offenen Fischerboot, von den Wellen der anfgcregtcn See dnrchnässt anf das Festland zurückzukehren ? Ich wollte Hinansgehen nnd rufen. Die Klinke der Thür wich nicht. Ich beschaute den Niegel: er rührte nnd bewegte sich nicht, weder nach vorn noch nach hinten, er war einfach, Gott weiß feit wauu, eingerostet. Ich riß, was meine Kräfte vermochten. Die Thür blieb wie sie war. Endlich gerieth ich anf den Einfall, einen lebten Blick auf das Schloss selbst zn werfen. Und da sah ich, was ich mit dem ersten gerade so gnl hätte sehen können, das; die ,.^unqe innerhalb der Klammer steckte, mit eine»« Worte, daß das Schloss umgedreht worden war. Jetzt wardieNeihe des Umdrehens an mir: ich drehte mir den ganzen Kopf um, nm der Frage, wae< ich in der Nacht mit dem Schloß axgesangen haben tonne. Hngesperrt? Wo ist der Schlüssel? Dranßcn hallten Schritte. „Endlich!" hörte ich dnrch die dicke Thüre ^azika's Stimme, „endlich sind Sie erwacht. <,^ott! was habe ich für ^orge aufgestanden, ^effneu Sie schnell, ich bitte schuell! ^s ist Ihnen doch nichts zngestossen lieber Herr?" ,,Herr Vazita" , antwortete ich, nm mich vernehmlich ^u machen, schreiend, „ich weiß nicht was geschehen ist, aber "l) kann die Thüre nicht öffnen. Sie ist gefchlosfen, sic "Ulß vc>li außen geschlossen worden sein." „Ach Gott!" hörte ich »och Vazika seufzen, danu eiue 102 geraume Weile nichts mehr. Schritte gingen hin und her. Es wurde geflüstert. Eudlich wurde ein Schlüssel angesetzt, das Schlos; klirrte, die Thüre ging auf. Herein traten ^azita und Mischo. „Gnädiger Herr," sagte Mischo, „verzeihen Sie, gnädiger Herr, bei meiner Seele Seligkeit ich habe geklopft, wie man nur bei einem Herrn, wie Sie sind, klopfen darf. Es war vier Uhr, die Thüre war zu, Sie habeu uicht gc antwortet. Ach, lieber Herr, wie habe ich mich gefürchtet! Ich bin gleich zu meinem Herrn hinauf gegangen, der war aber schon lange aufgestanden nnd nach der Kirche gegangen, hente viel früher als gewöhnlich. Darauf bill ich ihm in die äiirche nachgelaufen und habe es ihm erzählt, Er konnte nicht mel,r fort, denn er ging eben zum Altar. Ach, lieber Gott, was haben wir Beide für eine Äugst ausgestanden. Ievt ist Gottlob Alles vorbei." „Sie hören, wa^ er sagt/' unterbrach ihn ?azika, von dem es mir schien, als ob er einige ^enuirnmg ver bergen wollte, „^ch schickte ihn gleich zu uuferemArzte, Wic's nun der böfe Zufall will, war der fchon vor Tag mit der Varke uach dem anderen Seoglio hinüber gegangen," „Dann eilte ich, fo wie ich in der Kirche nichts mehr zu thun hatte, zum Schlosfer, der auf der oberen Iufel wohnt. Ich wollte Ihre Thüre mit Gewalt anfbrechen lassen, wenu Sie bis dahin tein Veben^eicheu von sich gegeben hätten. Er steht noch im Gange nnten. Mifcho schicke ihn fort. —" Mischo, der die ganze Heit über mit offenen Augen uud Mund dreiu gegafft hatte, lies; nns allein. Ich must gestehen, dast mich Vazika's henchmen über raschte. Warum war er heute früher aufgestanden? Warmu lief er nach der Kirche, den weiten Wcg ;>nu Schlosser hinauf, ohuevorher zuHanse noch einmal nachgesehen zn haben, ob ich mittlerweile nicht wach geworden sei? Woher kam der-Schlüssel, mit dem er mir aufsperrte, während, wie er sagte, der Schlosser im (^angc drunten stehen geblieben war? Auch war mir die Befangenheit nicht entgangen, mit welcher er in feiner Erzählung der Hauptsache, dem Zusperren des Himmerö durch eine unbekannte Hand, ansge wichen war, nm eine Menge ^lebenein^elnheiten vorzu briugcn. Ich sah ihn groß an. „HerrVazika," sagte ich, ,,daö Vorgefallene ist nun eiu-mal uichl mehr rückgängig ;u machen, e^< handelt sich für nnch jetzt nur mehr darum, wo uud wie ich mich während meiner unfreiwilligen Anwesenheit auf Ihrer gastlichen Insel einrichten soll." Vazika sichtlich erleichtert, das? ich die Hnsperr Mge^ legeuheit nicht weiter betrieb, fasite mich rasch am Arm nnd sagte mit herzlichem Tone- ,,Ei< versteht sich von selbst, das; Sie bei uns — dcch Sie bei mir bleiben, Beleidigen Sie mich uicht und uehmen Sie mit dem Wenigen vorlieb, was ich Ihnen bieten kann, und von Herzen gern biete. Sie sind ,'a durch mein ' Verschulden in dir ^agc gekommen." Dagegen tonnte ich nun freilich nichts einwenden. Ich sagte zu. Va^ita zog sich einstweilen, um mir ein Frühstück Nl besorgen, zurück. Ich trat zum Fenster, schlug die Ja ^li>ieu vor und schaute nach dem Himmel, Die dichte Wolkendecke war zerrissen, 5as bewölk hatte sich in kleine, lichte Häufchen znsammengeballt, die in ungeheurer Höhe rasch dahintriebrn: ein sicheres Anzeichen 104 kommender schöner Witterung. Die Spitzen eines alten ruinösen Mauerwerkes, das in einiger Entfernung von meinem Fenster lag, leuchteten im gelbrothen Sonnenschein. Ich freute mich de^ wiedergekehrten Vichtcs. Ali? ich mich wieder gegen mein .Zimmer umwandte, überlegte ich, was wohl Vazita, denn ich zweifelte nicht mehr, daß er selbst es gewesen, bewogen haben könne, mich einzusperren. Nach allerlei Gedanken, deren Lächerlichkeit ich jetzt einsehe, deren Entstehen für damals ich mir aber verzeihe, blieb ich zuletzt bei der Muthmaßung stehen, er könne es aus dem Grunde gethan haben, um einmal eiueu oder zwei Tage laug einen Gesellschafter zu habcu. — Sein gestriges Wesen, die^iliedergeschlagcuheit während des Abcuds auf seinem Zimmer alles das schien mir auf eine Vcrsaueruug zu deuten, die ich mir aus dem ^ebe» au diesem abgelegenen Ort der Erde leicht erklären konnte. Ich überlegte uud zweifelte wieder. Es klopfte, ^azika kam hereiu. „Das Frühstück wird Ihnen gebracht werden, lieber Herr. Was gäbe ich, so lieb mir Ihre Gesellschaft ist, nicht Alles darum, weuu dieser Streich iu meinem Haufe nicht geschehen wäre. Gerade Ihnen mußte das begegnen! Rechnen Sie darauf, dasi ich Alles, was in meinen Kräften steht, aufbieten werde, um Sie die Geschichte vergessen zu macheu. Es thut mir uur leid, daß ich Sie jetzt abermals auf eine Stuude verlasse» muß. Weuu ich zurückkomme, werde ich Ihuen ein wenig unseren Felsen zeigen. Mit Gott?" Eine bleiche Weibsperson hatte mir auf rothlackirtem Mech Chokolade gebracht. Ich trank frisches Wasser dazu, tauchte altbackenes 105 Brod hinein und hatte, von den fröhlichen Sonnenstrahlen draußen cmfgemuutert, bald dir unheimliche Nacht nnd meine räthfelhaftr Gefangenschaft vergessen. Ich hatte in der That nicht länger, als eine Stunde zu warten, bis der Geistliche zurückkam. Er führte mich auf den steinigen Weg, der sich Mischen den uiedrigen Mauern der Oelgärten und Felder gegen einen Hügel hinzieht, die höchste Erhebuug der Insel, von welcher man, wie ich voraussah, wohl das gan'^c Eiland und die anderen Felsen im fernen Meere überblicken mußte. Der feuchte, warme Morgenwiud war uns ein erquicklicher Begleiter. Nachdem wir eine halbe Stuude fast schweigend neben einander hergegangen waren, hörteu die Oelbciumr uud das bebaute ^and auf. — Wirgnicthen in verwitterte Stcinterrassen, das Felsen^ gerippe der Insel. Sie sahen ans wie die langgedchnteu Sitzreihen einer zerstörten Arena oder wie die ungeheuerlichen Treppen zu eiuem verschwundenen Hciligthnme. Nur hie und da grünte, von einem Felsblock, gegen die Stürme des Meeres geschi'cht, ein dnftigcs Unkraut ans einer der scharfkantigen Klüfte. Ta begegnete uns eiu Bauer, welcher einen Bündel Dornen auf feinem Kopfe trug. Der Mauu blieb stehen, A'ü^e den Priester und sagte zu mir gewendet: „Nicht wahr, o Herr, das ist ein wüstes Vand? Hier .".edeihett nicht einmal die heiligen Brode für die Kirche." Mein Begleiter lächelte und ging schweigend mit mir weiter dem Hügel zu. Noch einige hundert Schritte und wir standen auf ^'r Höhe. 106 Dort erwartete mis ein unbeschreiblicher Anblick. Tie bewegte See glich von dort oben herab betrachtet einem matten, blendenden Spiegel von Metall, Hie nnd da nur, wo Scoglien den Wellenschlag abwehrten, lag es in seiner blaueu Pracht da. Wahllose Fclsgipfcl ragten dunkel aus dem Meere und aus der Ferne des Festlandes leuchtete der breite Schneestrcifeu der höheren (Gebirge herüber. Um uus herum lagen graue Felsen, in der ?uft schwärmten Insecteu, die sich des warmen Mittags freuten, die ferne Well aber bildete eine helle, durchschimmernde Kugel. Aus der Tiefe der Insel drangen die Stimmen der Hirte,, zu uns herauf, welche einander auf die zwei Mänuer aufmerkfaul machten, die den absonderlichen Weg nach den Hiigeln eingeschlagen hatten, „Was ist weiter al^ das Meer?" sagte Vazila nach langen» Schwcigeu, Ich schallte ihn verwundert an, er aber fuhr fort: „Ich will es ihnen niit dem Volksliede unserer Schiffer sagen: der Himmel!" Ich nickte ihm Beifall lind schaute entznckt hinaus au deu Gesichtskreis, an welchem sich dir beiden hohen Machte zu vereiuige» scheinen. Wir sprachen kein Wort. Bald führte mich der Priester auf der auderen Seite des Abhangs hinab. Es ging steil hinunter, uud nach weuigeu huudert Schritten standen wir am Saume des Meeres. Hier zog sich ei» breiter Streifen von Kieselsteinen hin, welche der ewige Wellenschlag zu winzigen Körnchen zerrieben W7 hatie. Es war das, was die dalmatinischen bieder einen „glatten Weg auf dem Sande" nennen. — Der Sturm, welcher die Nacht nber bis znm Morgen gewährt hatte, zeigt seine Wirknng noch in der Wallung der See. Dbwohl er sich schon seit mehreren Stunden gelegt, obschon sich jetzt nur die gewöhnliche Brise des Morgens rührte, schlugen dic Wellen den felsigeu Grund herauf, als ob sie von allen Wiudru hcrangepeitscht würdeu, Es war schmi anzuschauen, wie jetzt die weiße Schamnlinic die Spitze,l unserer ^iisie berührte, sich klagend znrnckzog und in eincili Augenblicke sich den vorigen (^rund wieder nahm, dasi der (Zischt unsere ^eiue hinaüflog. Weit lag der Strand besäet mit Tangen, Algen, Muscheln und Schalthicren. Kleines gallertartiges, zap' pclndes Gcwnrni steckte in den ^wischenrän>ne>l der nassen Steine. Millionen solcher Wesen rollte die ivluth heran, Millionen zog sie wieder mit sich hiuaus iu ihren Schoosi, Millionen starben jetzt, Millionen gebar der Augenblick in den Wasserreichen. So wie jetzt schlng sie vor Iahrtansenden, so wie jetzt wird sie wallen, wenn Niemand mehr auf der Erde lebt: so wie hier schläqt nnd brandet sie um die unzähligen.Msten aller (Hrdthcilc. Es gibt doch kein treueres '^ild der Ilnend lichflit, als das Meer: leine Vehrc überzeugt 5ich zugleich so von deiner Nichtigkeit nnd Bcdeutuugslosiqkeit. Was bist Du? In diesen bedanken vertieft hatte ich es fast iibersehcn, ^ü>; wir mitten nliter Kornblume» auf einem ^elsblock, der "ehulichkeit niit einer knnstgerecht hergestellten Ban! in einer "ulagc bcsasi, Platz genommen hatten. Ich war mit dem "?crr nnd mir beschäftigt, Ee hatte daher in dem ersten U)8 Augenblicke für mich fast kein Interesse, als ^azika uuer-wartet mit der Frage herausrückte: „Haben Sie darüber nachgedacht, wie das zugegangen sein mag, dasi Sie heute Morgen eingesperrt waren ?" „Allerdings habe ich darüber nachgesonnen. Für mich steht nur fest, daß es nicht durch ein Versehen meiner selbst geschah. Und um cmf Andere rathen zu können, dazu müßte ich vorerst grusierc Kenntniß der Einwohner Ihres Hauses besitzeil," „Ich will es Ihuen nicht mehr verbergen, ich bin Ihncu die Wahrheit schuldige meine Schwester Darinka hat Sie eingesperrt. „Ihre — Schwester," wiederholte ich mechanisch. „Ja meine unglückliche Darinka. Sie stauucu? Ich werde Ihucu die (beschichte des armen Mädcheus, die durch eiueu Hufall iu nu-ine eigene verflochten ist, erzähleil. Ich habe es mir hcntc, als ich zu Ihnen znrückkam, vorge--nommen, Sie damit bekaunt zu machen. a uicht schreiben, aber meiu ^hcim hatte mir Nach richt von ihrer Aulunft uud dem bctrübeudeu Falle gegeben und mir zugleich als ersten Beweis seiner Zärtlichkeit cm Sümmchen als Naschgeld mit Ermahnungen begleitet, bei^ gelegt. Ich war allein und verlassen ans der Welt, „Dazu der Sturm nnd die Seekrankheit — ich tam herabgestimmt nach Venedig. Diese weltberühmte Stadt, welche so viel des Staunenswerthen iu sich faßt, war der Drt, welcher geeignet war, mich zu zerstreuen nnd mich die Schicksale meiner Familie vergessen zn machen. Voller Ver^ wnudernng ging ich über die Brücken und Bogen, fuhr in ^'u Goudelu umher nnd schlenderte die lauge Riva ent^ laug. Staunend schritt ich die Gänge des Marcusplatzes, wo es so viel zn schancn gibt, ans und ab. Mit Entzücken hörte ich jeden Tag die schönste Musil. 112 „Wie war das Alles so ganz anders und viel größer, als in dein kleinen Ragusa! Nnd erst die Kirche von St. Marcus, wie konute sich mit der irgeud eine Kirche vergleichen, die ich bis jetzt gesehcu hatte? Daß eiu audercr Gottesdienst darin war, störte mich nicht, ich sah mehr auf die vielen Bilder und da waren Heilige gerade wie iu unserer Kirche, ganz auf Gold gemalt und neben deneu sieht man Fruchtbäume und allerlei Palmen. „Das weiß ich noch Alles wie heute. Es war das erste Mal, daft ich in die Welt kam, es war eine traurige, aber auch eine schöne Heit voll allerlei Hoffnungen, Wünschen für mich. „Meiu Wirth gewanu mich lieb. <3r ging oft mit mir und zeigte mir die berühmtesten Paläste und erklärte mir manches, was er von der Geschichte ihrer Bewohner Wichte, deren Geschlechter seit Jahrhunderten ansgestorbeu sind oder das Brod der Verbannung essen. „Als ich abreiste, fuhr der Manu mit mir hinaus in die Laguneu und sagte mir erst am Strande vou Mestre Lebewohl. Gott segne ihn!, „Dort blieb ich über Nacht. Am nächsten Tage brachte mich eine Postkutsche nach Padua, wo wir in stockfinsterem Dunkel autamcn, so daß ich gar nichts von deu uieleu Straße» sehen konnte, durch die wir hineinfuhren. „Ich übernachtete in einem Schenkhause, au das mich mein gutmüthiger Wirth in Venedig gewiesen hatte. „Meine Neugierde, die alte und große Stadt, meiuen Wohnort auf mehrere Jahre, ^u sehen, ließ mich weuig schlafen. „Am nächsten Morgen war ich in aller Frühe auf den Beine». Ich.durchwanderte, so viel ich konnte. Ich weist 113 mich noch zu erinnern, daß nur das, was ich sah, nicht so gefiel wie Venedig. Die Hänser waren so finster, die (hassen so eng, die Bewohner so stumm. Es kam mir vor, wie wenn alle Leute dort mit etwas unzufrieden wären. ?lm besten gefiel mir wieder der uralte Dom. „ Das war eine Pracht von Sänlcn und cin Glanz von wunderschönen Bildern. Und diese Bilder waren ganz andere, als die, welche mir bis ietzt immer in den Kirchen vor-gelommen waren. Die Figuren waren nicht so rnhig und steif, der ganze Hintergrund nicht so einförmig mit Gold bemalt, die Köpfe nicht so schicfhängcnd nnd die Hände nicht so brann nnd mager. Die Meister der Schnle, welche diese Bilder schufen, hatten Farbe nnd Bewegung hineinzulegen verstanden. „Die Vorlesungen beganmu einige Tage später. „Um in den Stunden, welche mir ihr Besuch, den ich slcisiig betriel, nnd die Vorbereitung dazu übrig lichen, Kurzweil zn finden, befrenndete ich mich mit mehreren Stu deuten nnd Altersgenossen, Anfangs fand ich es ergötzlich, mich Stunden lang mit ihnen ins ^as<'! zn selben nnd Ta bak zn rauchen. Auch schlenderten wir in der Dämmerung oft anf den Straften umher nnd bewunderten die schönen Mädchen, deren Padua eine Menge besitzt. „Ich besasi eine hübsche Stimme nnd verstand die Mandoline zu spielen. „Darum nahmen mich meine Freunde oft mit, wenn ks galt, Nachts eine Schöne anf den Ballon zu locken und lhr ein Lied zn singen. Doch sang und spielte ich da immer kür Andere: ich selbst hatte noch keinen Gegenstand zur Serenade gefuudeu. »Am liebsten ging ich in den altenDom, um die Orgel Nü^. Düw>,iti>,'N, ^ 114 zu hören und die Bilder zu betrachten. Zuletzt wurde das meine einzige Erholung. Denn ich fand bald keinen Oe^ schmatt mehr au den« Treiben meiner Freuudc, von denen viele gar nichtsnutzig waren und die nichts zu thun wußte», als ihreTage mit Tand hinzubringen. Da gerieth ich wieder in eine sonderbare Gemüthsversassung: ich wollte von meinen Frennden nichts wissen niid sehnte mich doch wieder nach Umgang. Hatte ich diesen gesunde», so erschien er mir leer, und die Veute, mit oe»eu ich sprach, kalt, Ich sties? die Menschen zurück und trachtete sie zu gewinnen — mit einem Worte, ich wußte nicht, was ich wollte. „Bald sollte ich über meinen Zustand aufgeklärt werden. „Es war mein siebcnzehnter Geburtstag, ein üppiger Sonnnertag. Ich fühlte mich au diesem Tag gerade besorg ders verlassen. „Schon sei drei Bierteljahren hatte ich nichts mehr von meiner Mntter gehört. — Meine» Freunde» war ich durch mein souderbares Wesen entsremdet und selbst meine Arbeiten waren über mei» Brüten und Sinnen seit geraumer Zeit ins Stockeil gerathen. „Ich kam aus dem kühlen Dom n»d ging meiner Ge wohnhcit nach uor die Stadt Humus, um dort in den An^ lagc», welche mit Akazien und Weiden besetzt find, auf irgend einer Vauk die Frische des Abends zu genießen. Ich fand sie alle besetzt, nur auf einer war noch uebcn einer älteren und einer iuugen DamePlatz. Ich war Aufangs zu schüchtern, mich da hinzusetzen, ich ging mehrmals an der Bank vorüber, in der Erwartung sie einmal leer zu sinden. „Umsonst, die beide» Damen bliebe» plaudernd siyen. Endlich hatte mich die Nachwirkung uon dcrHitzc des TageS und die lange Bewegung so müde gemacht, daß ich mich er 115 mannte und auf die Bank zuging. — lHrröthcud lüftete ich vor den Damen den Hut uud sah, nachdem ich mich gcseht, , eine Weile auf die audcre Seite. Die Damcu fehlen ihrGe^ sprach in flüsterndem Tone fort. „Allmälig gewann ich mehrÄlinth; ich schaute erst vor uiich hin auf den Sand, dailn recht« nach meiner Nachbarin. D Himmel, was sah ich! da faß ein Engel in (Gestalt einer ^Uligfran ! ^in wnnderliebliches rosiges (Besicht, zluei Hände dou der Farbe des Schnees, gold lockiges, langes, seidenes Haar und diese Augen — Edelsteine in die Farbe des Himmels getaucht. Ihr Mund mit brennenden kippen zuckte, wie wenn er lächeln wollte, als eben ihre Begleiterin ihr etwas ins Ohr flüsterte. Ach Gott, wie war mir ums Herz. „Wenn ich für diese schöne juugc Dame mein Leben vpfcru müßte, wcun ich ihren Danl verdienen könnte, wen» lch ihr gefiele — o welche Seligkeit wäre das. Wie Schupo ^en ftel es mir von den Augen, wao das fei: ^iebe. Wie v>t hatte ich dieses Wort gelesen, wenn ich zu meiner Unterhaltung die großen Dichter zur Hand nahm, Petrarca, ^'iosto. Wic oft hatte ich von meinen Freunden sagen 9^)övt! ich habe ein Vicbchcn, ich bin verliebt. Ich hatte es 'ücht begriffen. Die Bedentung des Wortes hatte mich nicht "cnihrt. Ich hatte uicht recht verstanden, warum mail l'ei ^'N'nadcn singen sollte, warum man Blumen nach dem Balköne warf. „O, hatte ich jel^t taufend Stimmen gehabt, ich hätte kln Iubcllied angestimmt, hätte ich tausend Gärtcu befesfcu, "1 hätte sie verwüstet, um ihr den Raub zn Füstcil zn legen, ^-s war das Gefühl der ^iebe, das sich in einem Augenblick '". "Nr entfaltet hatte. „Ich war verliebt. Bor einer Viertelstunde wußte ich «* 116 noch nicht, was das war. Jetzt fand ich mciue Seligkeit, mein Veben, meine Gegcuwart und Zukunft, mein Alles darin. Welche Gewalt hat die ^iebe! Sie ist urplötzlich da, wie die Welt, als sie Gott erschuf, iu aller ihrer Pracht. Es war eine selige Stunde, vielleicht die einzig glückliche meines Lebeus, Der Himmel selbst hatte mir ein Geburtötagsge-scheut gemacht. Ich sah das Mädchen fort und fort au, ich achtete nicht darauf, daß sie erröthete, daß sie sich zu ihrer Begleiteriu waudte. Wcuu ich eines Wolleus fähig gewesen wäre — ich wäre ihr zu Düften gefallen. Ich schaute sie fort und fort au. „Eudlich erhoben sich beide. Meine blonde Geliebte trug, wie alle iüugcren FraueltBeuetiens, eine schwarzseidcnc Mantille über den Kopf geschlagen. Als sie aufgestaude« war und etwas an der Mautille ebeu zurecht machte, warf sie mir zwischen dem durch deu Arm emftorgehobcueu Stück Seide uud ihrem Dächer eiueu Blick zu, der mich um meine Besinnung brachte, Ich blieb uoch eine Weile wie vom Douucr gerührt sitzen. Dann erhob ich mich rasch uud folgte den Aeideu, welche der Stadt zuschritten. Keiu fuhrwerk, welches sich zwischeu uus drängte, keine Anstanuug der Meugc,welche die brgiuueuoe Sommernacht auf dicStraßeu getriebeu hatte, war im Staude, >uir ihre Fährte zu «erlegen. Zum Glück gingen sie langsam. Mehrmals sah ich Herren, auch ciucn Reiteroffizier hoch zn Roß, sie grüfteu. „Endlich blieben sie vor einem großen uudalleu, reich ausseheuden Hause eiuer Gasse in dcr^iähe desPlaves, ans welchem die Märkte abgehalten werden, stehen. „Die Thür öffnete sich uud Beide trateu eiu, ohue uoch eimnal umgesehen zu haben. Ich war sicher, daß sie mich nicht bemerkt hatten. Ich sah mich nach einer iu der Nähe 117 befindlichen Trattoria um. Etwa fünf Hänser davon, ans der andern Seite der Straße, war eine solche, „Ich aß einen Knchen, legte einen Zwanziger, den drci^ fachen Betrag meiner Rechnung, in die Hand des Kellners, führte ihnindieNische nnd sagte: „Wem gehört das dnntel^ grüne Hauc< mit den vier Balkönen dort?" Der (befragte lächelte nnd sagte: „O, das sind schlimme ^'ente, Austria-candi! Sie sind mit den Oesterreichern ins Vand gekommen und der Alte soll ein Spion sein, der viele ^cute ins Un Mck gebracht hat. Eine schöne Tochter hat er, daö ist wahr, "l'er umn mns? nichts mit ihnen zu thun haben. Sie heißen —" „Nein/'unterbrach sich ^azika, „ich kann den Namen nicht wehr über meine Lippen bringen. Is) will, ich kann nicht! Nennen wir sie die Teufel!" Mit Uel'crraschnng sah ich seine Züge für einen Anger, blick wieder einen entsetzlichen Ausdruck auuehmeu. „D, mein Gott, verzeihe mir!" fuhr er leise fort. „Ich verlieft die Trattoria und irrte eine Zeit lang auf ben Straßen umher. „Vor dem Fenster meiner Geliebten auf- uud abzugehen, dazu hatte ich den Muth nicht. Nach nnd nach kam ich zum Bewußtsein aller Schwierigkeiten, die sich zwischen wlch, einen nnbekannten Menschen nnd die Annäherung an k'" so schönes und wahrscheinlich reiches Mädchen stellen wurden. Wäre ich an jenem Abend jenen Betrachtungen weiter gefolgt, ich würde vielleicht rasend geworden sein. ^ er Leichtsinn meiner siebzehn Jahre half mir weiter: von kr Niedergeschlagenheit ging ich zu den kühnsten Plänen l'er. Briefe schreiben, Ständchen bringen uud uoch mehr ""r scho,, beschlossene Sache. 11» „Die alte finstere Stadt mit ihren winkligen (lassen, war mir heute zum herrlichsten Garten geworden, in dem ich im Frühlichte eincs Morgens rosige Blumen pflückte und dcn(^esang unsichtbarer Vogel vom Paradiese vernahm. „Es war ein grofter, ein feierlicher Abend. „Als endlich die Achter der Verkäuferinnen, die Laternen der (^uckkasteumäuuer und Marktschreier auf den Straßen flackerten, eilte ich nach dem grosicu (iafl'! ^'edrocchi, um mein volles Herz Freunden auszuschütten, an die ich seit Monaten nicht gedacht hatte. „Die herrliche Kolonnade des Hauses glänzte im Vichter-schein, fröhliche Nufe und Orplauder hallten aus den taghell beleuchteten Näumen. Ich ging fast jeden Abend au der fchimmerudeu Vichtfronte vorüber und ihr Aublick hatte nichts Neues mehr für mich, heute aber erschien mir der ^au wie ein festlich beleuchteter Tempel, worin ich deu guten (^öttcru Dankopfer für unennesseues Glück briugeu sollte. „Bald hatte ich meiue Freunde, von deuen fast jeder älter war als ich, gefunden. Sie hatten eben zu spielen aufgehört uud laugweilten sich. „Sie nahmen mich nicht ohne einige Spöttereien über die Ursachen meines Fernbleibens auf. Das schreckte mich nicht ab. Ich konnte es kaum erwarten, bis ich (Gelegenheit fand, ihnen mitzutheilen, was mir begegnet war. Ich schib derte die Schönheit des Mädchens in den begeisterndsten Ausdrücken, ich pries ihren (^eist, ihre Tugend, ohne davon etwas gesehcu oder gehört zu habcu — weist Gott, was ich sprach und wovon ich uoch gesprochen hätte, wenn nicht der meiner Freunde, dem ich am meisten zugethan war, Car lotto, mir den Arm herüber gestreckt und mit abwehrender 119 Vewegung der Hand ganz talt gesagt hätte: „Das ist eine Sbirrensippschaft.'" „Ich fuhr znsaminen. Mein erstes befühl war das der enipörtcn Eigenliebe. „O ich kenne sie, erst »eulich hat uns Maria etwas davon erzählt; der Bater war bei der Untersnchnngs-Com-Nlission in Venedig, welche die Mailänder zum Tod vernr-lheilte. Da wäre mir die Tochter schon wegen des Vaters so zuwider, daß sie schöner sein dürfte, als Alles was man )e gesehen oder gehört, sie wäre mir nur um so unheimlicher. „Dabei machte Carlotto eine Geberde des Abscheues. „Worte wie die, welche ich soebeu vernommen, hätten zu jeder anderen Zeit ganz die beabsichtigte Wirkung gehabt. „Ich liebte mein eigenes, theures Vaterland, das mich geboren. Wenn ich auch den Bestrebungen nicht zugethan war, welche meine italienischen O'ienosscn beseelten, so haßte tch doch Oesterreich nicht minder glüheud als sie. Uns Allen erschien das Kaiserreich ein ungehencres Zucht-und Prügel-haus, seder Beamte oder Offizier machte nus den Eindrnck eines Büttels, eines Fanghuudcs, der mithelfen mnsite, die Länderbeute für die Dynastie festzuhalten. »Solchen Ideen zu eutkommcu, war bei der damaligeu Züchtung aller Köpfe unmöglich. Sie kennen den Theil "taliens, von dem ich spreche, ich habe Ihnen genng gesagt. „Nun, das war aber der Zauber nnd der Bann des Gefühls, das mich so unerwartet umstrickt hatte, daß ich kein Wort vou alledem glaubte, was mir lFarlotto sagte ^nd wozn noch der eine oder der andere beifällig uickte. Der -"ater meiner Angebeteten war kein Spion, kein Helfers-Helfer der Unterdrücker, er tonnte es nicht sein. „Im (Gegentheile, insgeheim regte sich Mißstimmung, 120 ja Aerger gcgeu die Freunde. Sie wollen dich abschrecken, sie sind eifersüchtig — so unverständig uud lächerlich rai^ sonnirte ich. Mau schütlel in eine große und mächlige Flamine ein Mas Wasser, sie zuckt einen Augcublick zusam^ men, dnntelt sür einen Augenblick, bald aber ist das Wasser von der Glut zersetzt und seine Elemente nähren das Feuer, statt es niederzuschlagen. „Verstimmt trennte ich mich uo» meinen Freunden, die ich jetzt für Sclbstsüchllinge hielt. „Noch lange irrte ich an jenem Abend durch die belebten Straßen. Biele, viele Mal ging ich an dem stolzen Hanse vorüber und schaute durch die Vorhänge hinter den Balkon^ thüreu. „Erst als Alles dunkel geworden war, als in deni gau^ zen Gebäude fein Vicht mehr brannle, schritt ich meiner Woh-nuug zu. Müde uud toll legte ich mich uicdcr. „Es gibt Zufälle, die weuumau sie liebt, einellt an den Haaren herbeigezogen erscheinen, im wirklichen?eben nimmt man diese und noch andere, viel seltsamere rnhig hin. „Ich lebte, wie ich Ihnen schon erzählt, von den, l^eld, welches mein Vater in Nagusa hinterlegt hatte. Die Summe, welche davon auf jedes einzelne Jahr meiner Studienzeit entfiel, war hinreichend, meinen Vebensnnterhalt zn sichern. Dagegen genügte sie den Anforderuugcn nicht, welche die Wünsche eines Jünglings, meist zu eigenen! Schaden, an die Quelle seines Einkommens stellen. Ich war deßhalb schon wenige Tage, nachdem ich in die Viste der Stndiren^ den aufgenommen, ans den Gedanlen verfallen, es zu machen, wie viele andere, eben so wenig und weniger mit Glücksgntern Beschenkte, und einen Professor zu bitten, feinen Einfluß für mich geltend zu machen. Es gibt uam 121 lich unter den adeligen Familien viele, welche ihre jungen Knaben nicht ans dem Hanse lassen, sondern trachten, ihnen für dieAnfangsgründe des Latein einen ?chrer zn gewinnen, wie sic anch eine» Maestro fiir Mnstk und Zeichnen haben. „Einen dazn geeigneten finden sieleicht unter den Stn^ deuten der Universität. Eine berechtigte Schcn hielt mich Ut den ersten ))conatcn ab, einen meiner Professoren dabei um seine Vermittlnng anzllgchen. Ich wollte erst dnrch fleißigen Besuch der Vorlesungen nnd dnrch Eifer beweisen, baß ich einer Empfehlung nicht unwürdig wäre. So kam es, daß ich erst uugefähr vierzehn Tage vor dem Ereignisse, welches wie ein Blitz in mein bis jetzt rnhigeö und cinfor-Mlges Dasein zündete, den peinlichen (^ang gemacht hatte. Mein Professor hatte mich gütig ausgenommen nnd mir seme Mitwirknng zngesagt. „Als ich an dem Tage, welcher ans meinen stürmischen siebeltzehnjährigen Geburtstag folgte, in die dunkle Vor lMle des Univclsitätsgebändes trat, kam deiselbe Professor, "^ welchem ich in der genannten Angelegenheit gewesen war, eben die große steinerne Treppe herab. Er winkte mir. „VieberLazika," sagte er, „gehen Sie in die Contrada di Mori, Nnmmer 817 ; klopfen Sie nnd fragen Sir nach dem Herrn ^. ,Ich „enne ihn fortan so, Vazita gebrallchte innner bas Wort-, Tenfel.) Sie finden ihn Nachmittags, Theilen ^le ih,,, uiit, Sie seien der jnnge Mann, über de>> ich an thu geschrieben." Ich dankte und ging weg. „Wie seltsam sieht es nm den Verstand ans, wenn er er Tyrannei cixes (Gefühles, einer Leidenschaft unterworfen ! - ^- war der Vater meiner Angebeteten. Mnßte nicht die kberlegnng von einem solchen wunderbaren Spiel des Zu- 'alles angegriffen, anfgerüttelt werden? Hatte ein solches 122 Zusammentreffen etwas einfaches, alltägliches? Gewiß nicht! „Mir aber fchien da« selbstverständlich. Ich hatte seit vicrundzwanzig Stunden von nichte Anderem, als diesem Haufe geträumt, ich saß neben meiner (beliebten, ich hörte ihre Stimme, ich sah ihr ins Ange, —ich war ja schon lang bei ihr, mir begegnete nichts Unerwartetes. „Es war noch früh. Die Stunden, welche noch zn verfließen hatten, bis ich ^. antreffen konnte, verbrachte ich sinne,,d anf meinem Zimmer. Ich hatte keine rechte Ruhe. Bald las ich, bald ging ich die kleine Stnbe auf und ab, dann fchaute ich über die gegenüberliegenden Dächer hin, auf denen Aloes nnd (5atteen in Scherben standen. „Mir war so bang, mir war so selig zu Muth. Jetzt fühlte ich mich als Mann, dann wieder als scheues Kind. „Ich legte nur hundertmal Alles Anrecht, was ich ihr sagen wollte — nie schien es mir zärtlich und beredt genug. Endlich gericth ich auf deu Einfall, eiu Gedicht zu verfertigen, das meine Nebe ihr zu Füßen legte und es ihr zu überreichen, so wie sich ihre Hand der mcinigen näherte— meine Furchtsamkeit war zu groß, ich lieft wieder davon ab. „Bald kam ich mir wie von hoher Begeisterung getra gen, dann wieder gan^ blöd und gedankenlos vor. So wurde es ^lachmittag. „V. war ein hässlicher Mann. Eine niedrige Stirn, große graue Angen nnter borstigen Brauen, ein ungeheurer Mund uud die größten Ohren, die ich je gesehen, so steht er noch heute vor mir. „Ein sicbcnzehniähriger Jüngling ist kein Menschen' kenner. Damals urtheilte ich nie nach etwas Aeußerlichem und hätte ich es gethan, iu diesem Falle wäre meiu Ilrtheil 123 zurückgetreten oder vcrstnmmt, de»»n cs war der Vater niei-ner (beliebten, welcher vor mir stand. „Ich sollte seinen achtjährigen Sohn, Vnigi, im Katrin unterrichten. Dieser Luigi war, wie ich nachher sah, das Ebenbild seines Vaters. „Wir waren bald über die Bedingungen, die für mich weit über meine bescheidenen Erwartungen hinaus günstig ausfielen, einig. Der Unterricht sollte, nm teinc Zeit mehr zu verlieren, noch an demselben Tage beginnen und täglich fortgesetzt werden, damit der Knabe bis znm Herbste, der herannahte, hinlänglich vorbereitet sei, in eine Erziehnngs-Anstalt in Mailand einzutreten, was bereits eine abgemachte Sache war. „Wir gingen dnrch den (Zarten nach einem Hintergebäude. „Mitten darin Plätscherte ein Springbrunnen, sein Bassin nmfastte ein goldenes Geländer. Daran stand meine Weliebte, zerpflückte eine Oleanderblüte n»d warf die ein-zelnen Blätter ins Wasser, wo sie, vom herabfallenden Strahl getroffen, bald untergingen, bald herauffchwammcu. „Ah, Nina, sieh' das ist unser »euer Vehrer, Herr Lazita. „MeineTochter, sagte er zu mir, mit einer Schwenkung der Hand. „Mir schwindelte es vor dcnAugcn, als ich wieder tlar >el)en konnte, gingen wir die Treppe in den ersten Stock des H'ntergebäudcs hiuanf. "vnh weisi uicht mehr, was ich Vuigi an diesem Tage ^Me, nicht mehr, wie lange ich bei ihm blicl». Als ich zurückkam, sasi Nina auf einer Baut hart am weisü'cticsten 124 Wege mid las in einem rotheingcbundcnen Vnchc, mit Goldschnitt. Es nwchte wohl eine (^edichtsannnlnug sein, „Das führte mir meine eiqeuen projection Verse ins Gedächtniß zurück. Sie sah ans nnd grüsitc uiich freundlich. Ich blieb einen Augenblick stehen, schaute scheu auf sie hin und stürzte, linkisch mich verbeugend, davon. „So ging das mehrere Tage. „Nina ging im (Zarten umher, sasi auf der Vant oder stand am Bruuuen, schöpfte Wasser, um ihre Blumen zu begicsien — ciue stumme Verbeugung meiner, ein frennd-lichcs Vächeln ihrerseits. „Ein Sonntag brachte Abwechslung in die Sache. „Vnigi war mit seiner Erzieherin auf ciuem der Spaziergänge längs der Ufer des Bacchiglione. Sie waren, obwohl die Stunde des Unterrichtes geschlagen hatte, noch nicht zurückgekehrt. „Nina sagte es mir unzarten, Vuigi, meiutesie, habe sich mit der langsamen Dame verspätet. „Sie wissen, sie geht so langsam." „Ich erinnere mich in derThat nicht, sie je gesehen zu haben," antwortete ich etwas verlegen. „O, als Sie draußen vor der Stadt sich zu uns auf die Baut setzten und uns fortgehen — sahen/' sagte sie mit dem Ansdruck einer gewissen Neckerei. „Das Eis war gebrocheu. In fünf Minuten hatte ich etwas geradebrecht, was einer Liebeserklärung so ähnlich als möglich sah. „Sie schlug ein wenig dieAngcn nieder, crrötheteleicht und zuckte die Achseln. Mit der Spitze ihres Füßchens wühlte sie eben eine Blume in den Sand. „Sie fuhr fort, von der langfameu Dame zu sprechen. 125 „Die Ankunft der Erwarteten erlöste uns beide. „Ich verließ dasHaus heute fieberhaft. Liebte^sie mich? liebte ste mich nicht? Diefe Frage sollte sich morgen entscheiden. „Ich brachte die ganze Nacht mit der Abfassung eines Briefes zu, zehnmal zerriß ich ihn, zehnmal begann ich ihn von Neuem. Am Nachmittage des nächsten Tages war er fertig. Die Nachtwache und die Ueberhihung meiner Phantasie hatten mich so erregt, das; ich vor dem Gedanken, ihn selbst zu überreichen, nicht im Geringsten, selbst dann noch, zurückschreckte, als ich sie schon vor mir, am Geländer des staubeudeu Springquells, nachlässig gelehnt stehen sah. „Nina, sagte ich, lesen Sie, es wird mein Vebeu oder mein Tod sein. „Sie sah sich nach allen Seiten um, »ahm mir das Billet aus der Hand, drohte mir mit demselben abwinkend und ging in eiueu Seiteinveg, deu Feigenbäume beschatteten. „Mir war eine schwere Last vom Herzen gefallen, eine andere lagerte sich wieder sofort darüber. Als ich durch den Garteu zurückging, saß sie auf der Baut. „Herr Lazika, sagte sie, auf eiu rosafarbenes Billet deuteud, das ueben ihr lag, ich habe gethan, was ich nicht hätte thun sollen, ich habe Ihnen geantwortet, Glauben Sie unr Alles, was ich Ihnen geschrieben habe. Beherzigen Sie es und dann — geben auch Sie eiue Erwiederung. Bis zu diesem Punct feiner Erzählung war der Priester, ber neben mir saß, gekommen, als ich bemerkte, wie Jemand, ts schien noch ein Knabe zu sein, aus der Ferne her uns zuwinkte. Ich unterbrach Lazika, indem ich ihn darauf aufmerksam dachte. Er fuhr eiu wenig zusammen und sagte: 126 „Nun, ich will Ihnen morgen, wenn ich Sie nicht schon hellte zu sehr gelangweilt habe, weiter berichten. Weiß Gott, ich habe es nnr meiner Schwester wegen gethan. Ich wiederhole die Vitte, wnndern Sie siä> über nichts, wenn Sie sie sehe», sie redet manchmal irre." Ich begriff nichts von alledem. Nachdem wir uns ans den Weg gemacht hatten, blieb der junge Mensch stehen und rührte sich nicht wieder, bis wir ganz nahe zu ihm herangetreten waren. Ta sprang er ^azika entgegen, flüsterte ihm einige Worte zn nnd lief rasch davon, uns voran, „Merken Sie sich einstweilen das, „fnhr Vazika fort, nachdem er, wie mir schien, einige Augenblicke mit sich selbst gckämpft hatte, „Sie hat eingepackt, Alles, was sie besitzt, fest verschlossen und ist der llcbcrzeugnilg, daß Sie sie mit sich uehmcn werden, zn ihrem Bräutigam, Sie hat selbst, wie mir der Knabe sagt, Hauberbricfe in Wasser und Erde, Feuer und Vuft geworfen, damit ihr die Elemente bcistehcn. Sprechen Sic nicht zu Gunsten ihrer Meinung, aber auch nicht gegeu sie. Sie werden mich später besser verstehen." Als wir das obere Stockwerk erreichten, stand Darinka, sie mußte es sein, da. Ihr schwarzes Haar hatte sie mit röthlicheu Citronen-blüthewgeschmückt. Nie habe ich, selbst uutcr den Gestalten der Sndslaucn, ein vollendeteres Weib gesehen. Sie trug ser bische Tracht. Unter ihrer Mütze, welche der griechischen ähnlich war, fiel ihr Haar auf die vollen Schultern herab. Ihre Angcii lachte» mir entgegenkommend zu. Ihre Hand faßte die meüüge uud drückte sie. Dann sagte sie mit sanfter Stimme, deu Kopf etwas zur Seite neigend: „Nun deun, i» acht Tagen also gewiß?" ,127 Lazita, welcher daneben stand und eben im Begriffe gewesen war, uns einander vorzustellen, nickte mir zn. „Wie Sie befehlen, meine Herrin," antwortete ich, nuch verneigend. Darint'a führte n,,^ nach einem (Gemache, welches viel .^rosier war, als die beiden Himmer, die ich im Hanse kannte, das meinige und dasjenige Vazika's, In der Mitte stand em Tisch mit drei bedecken, zwei niedere Souha's zogen stch fast der ganzen ^ängenwand des Zimmers entlang. Um die Ecke eines gegenüberstehenden senden Hansel sah man eine tleine Fläche Meer. Es war hell nnd die Jalousien zurückgeschlagen. Darint'a drückte mir, während ein seltsames Vächrln um ihre kippen spielte, ihr Vedanern aus, daß sie gestern nicht mehr im Staude geweseil war, de6 Brnders (^ast, der auch ihr ein lieber Gast sei, zn bewillkommnen. Sie befragte mich über das Aussehen der Umgegend ""u Ragnsa, einer Gegend, von der sie aus ihrer frühen Kindheit nur mehr ganz nndeutliche Vorstellungen besaß, ^on ihrer Heimath tonnte ich ihr nuu gerade uichts crzäh ^'N, denn ich war niemals diese Strasie gekommen. Doch wichte ich genng von dem Vandc imÄllgemeinen Und dem Landstrich zwischen Meer nnd Herzegowina ixsbe sondere, s» dast ich ihre Nrngierde in dieser Beziehung be friedigte. Ebenso gelang es mir, ihr ein Vergnügen dadnrch zn breite,,, daß ich ihr Manches von Deutschland, vou den volkreichen Städten des Nordens, mittheilte. Sie fuhr manchmal mit Fragen dazwischen, welche klne gänzliche Unbcwnntschaft mit allem dem verriethen, was westlich von der Adria, nördlich vou den Älveu vor< 128 geht. Sie schien in der Umgebung ihres Bruders, der als unterrichteter Mann auftrat, wenig gewonnen zu haben. Vielleicht lag das auch in dev Verfinsterung ihres Gemüthes, die sich am deutlichsten dnrch Seitenblicke ulid Zusammenziehen der Angenbrancn offenbarte Etwas lachender und heiterer wnrde sie, als ich ihr die freie Lebensweise ihres Geschlechtes in unserem Süd-deutschland schilderte, als ich von allerlei Vergnügungen erzählte. Dabei nahm ihr Gesicht die Micue einer Gefangenen an, der ein beredter Freund entweder von ihrer Erlösung oder vom Leben ihrer beglücktere« Schwestern draußen in der Freiheit spricht. Von Zeit zu Zeit schaute sie mich verwundert, dann wieder dankbar an — ich bereitete ihr ein Vergnügen, so viel war augenscheinlich. Bald kamen wir auf Serbien zu sprechen. Sie wußte wenig von den Wirren und dem Streben des Vandes. Wie es schien, war der Aufenthalt, den sie dort nach Erzählung des Bruders mit ihrer Mntter genommen hatte, für die Kenut-nis; ihrer Umgebung ein nnfruchtbarer gewesen. Sie mußte dort so zurückgezogen und von der Gesellschaft gebildeter Männer ausgeschlossen leben, wie es jene Sitteu bedingen. Ueber solchem Hiu und Hcrrcden war allmählig Essenszeit herangerückt. Ich hatte mancherlei vernommen, doch nicht das Geringste, was mir zur Erklärnng dcr sonderbaren Frage hätte dienen können: „Nnn denn, in acht Tagen?" Nach der Mittheilung Gawros hatte sie die Idee gefaßt, daß ich sie in dieser Frist mit »ür uehmcu, sie ihrem Bräutigam zuführen würde. 129 Wo war dieser, wer war er? Vebte er überhaupt? Während ich mich und meine Erinnerungen so befragte, konnte ich nicht nmhin, mitunter einen Blick anf das schöne Räthsel zn werfen, lieber Vcser, wärest Dn mitmirnnd de,n Priester, von dessen Geschichte ich eine Ahnung zn fassen begann, an dem kleinen Tische gesessen, Tn hättest es so wenig unterlassen, als ich. Das große Oval ihres (Gesichtes, die Augen, die feingeschnittene Nase, deren Flügel sich, wie in Leidenschaft, Hoden und senkten, die blühwcißen Hände und der rührende Ton ihrer Stimme — das Geheimniß, das nm dieses Weib sich wob, die malerische Tracht des Orientes, deren Glanz die jugendliche Gestalt in einen weihevollen Rahmen faßte, o ich war nahe daran, an ^a-Uka zu deuten, wie er in der lustigen Allee uor Padua im Abeudstrahl zum ersten Mal die goldgelockte Nina erblickte. Wenn nur dieser scheue Blick, das seltsame Zucken über den -lugen nicht gewesen wäre! Vazita sprach wenig. Mir war's, als ob ihn die Erzählung vou heute Morgen trauriger gestimmt hätte. Dasi ihr Ende ein für davon gab der schwarze pricsterliche Rock hinlänglich ^unde. Was nnchtc dazwischen liegen, zwischen dem Jüngling, der indem Garten Nina's Briefe mit zitternder Hand ent^ gegen nahm und dem blassen Manne, der hier daseinsamste ^eben führte, auf einem Eilande, welches nnr wenige Leute w Europa mit Name» kennen? Doch stille — was liegt zwischen nur selbst, als ich in meines Baters Garten Roseu-sträuße sammelte, um sie bald darauf au einer geliebten ""N,st wieder zu sehen und jetzt, wo ich neben diesen zweien saß, vielleicht nicht glücklicher, als Beide! Der Reiz, welchen Darinta, schön wie eine Gestalt ^«'', Talnuniru, ^ 130 Byrons, auf den Äeschaner hervorbringen »Ulsitc, wurde durch die Wirkung des Malvasiers, den (^awra spendete, nicht beeinträchtigt. Sie hob sich für mich immer mchr und mehr alts der Umrahmung der nns Alle umringenden Gegenstände. Sie schwebte mir uor, wie die Heldinnen jeues Dichters, als ich seine bald glnthvollen, bald schmer^ensdnnklen Verse vor mcineil Augen in Wesenheiten übertreten lief;. Es war in den Iulitagen nnter einem stahlblauen Himinel. Tief unter mir, anl Grunde eines Felsabhangcs, floß Deutschlands schönster Strom dahin. Ich lag im sinnenden Mittag ans einer be< schatteten Nasenbauk,Unbeweglich standen Pappeln und Thllja neben mir; starr und von keinem ^ufthauche bewegt, ragten ihre Wipfel in das Vlan. Da sah ich sie, die Frauen des Korsarcn, des Don Juan, des Manfred, des verlangenden Child Harotd, ich sah die ^arisina. Die heißen Pulse der Iugcud wallten ihnen entgegen. Was damals das flammende innere Auge des Iiing lings sah, das stand Mt vor dem Aens;eren des Mannes. Die (^röße, das Sinnliche, das Dunkle des Ostens — hier hatte es sich in einem Brennpunete der Schönheit ver einigt, llnd wie? War es eine Schöpfnng des Malvasia, war es das büse Auge, das meine Vernunft Uerirrte? Sah ich sie nicht iu der ^c'acht vor mir stehen, die Königin des Orientes? Ja, sie ist es — sie war es. Wie mit einem Zanberschlag wurde es mir klar.' bei mir hatte sie Hilfe gesucht vor ihrem Kerkermeister, vor Lazika — er nnchte es sein - vor mir hatte sie die Hände erhoben nnd ich hatte in oh »mächtiger Ermüdung Alles nur im Halbtraume gesehen. O dieser Gedanke! — Nein doch, es ist eitel Pha»' 131 tasterci. Heute hatte ich Vazika gehört, wie einfach, wie ruhig er sprach. Mit welcher Innigkeit des Mitgefühls er von seiner Schwester redete, welch' trübes Geschick auf ihm selbst lastete — nein, alles ist Blendwerk nnd Trug. Beim Caffee sagte ^azika nach langer Pause zu seiner Schwester: „Tarinka, frage doch unseren Gast, ob er eius Deiner Lieder lieber zur Gnsla oder zur Mandoline hört. Er sitzt so trübsinnig da, du mnßt ihn zerstreuen." Darinka logte ihreCigarrette weg und schaute mich an. „Was mich betrifft," antwortete ich, „ich halte die Gusla wohl für eigenthümlicher, aber auch für viel weniger schön, zur Begleituug eiues Liedes besonders, als dieMan^ doline. Im Ucbrigeu wird mir Ihr Gesang ein hoher Genuß sein uud vereinige ich nieine Bitte mit Dank gegen Sie und Ihren Bruder." Darinka lächelte. Leicht erhob sie sich, nahm eine an ewer rothseidenen Schleife hängende Mandoline herab nnd begann nach dem melaucholisch-toueudeu Vorspiel, welches bie melodische» Gesäuge Serbiens einleitet, folgendes Vied, während welche», ich an dieWilas dachte, die „aus weißem" Halse singe»: „Trübe fließt der Dunai hi» a» Bnda,") Drin in Bnda, in dein finstern Kerker Lieget Grujo; unerfahreuer Iüugling, D'rinnen liegt er schon im neuuteu Jahre, Auf der Schulter sitzet ihm ein Falke, Zwitschert, daß er reiche im zu essen, Dreht die Augcn, ihn verlangt zu trinken. *) Ofen. 9* 132 „Wachse, Falke, bis dn ganz erwachsen, Daß ich einst dich schicken kann zur Heimat, Daß doch du sie siehst und kennen lernest." Ihm entgcguet d'rauf der junge Falke: „Ach, Du Orujo, unerfahrener Iüngliug: Schickst Dn mich, ich kann sie nicht erkennen". Sprach zum jungen Falken d'rauf der Jüngling: „Ach, mein lieber, theurer, jnnger Falke, Diese sei'n die seichen dir von meiner Heimat: In der Mitt' des Hofs ein weißer Brnnneu, An dem Brunnen steht ein weißer Neinstock, An dem Stocke auch eiu Baum, eiu krummer." Flattert auf der Falk uud fliegt zum Hofe; War der Hof schou ganz mit Gras bewachsen, War der weiße Weinstock schon vertrocknet, War versiegt schon längst der weiße Bruuueu; Traf drei Kukukvögel an im Hofe: Jeden Abend ruft der erste Kukuk, Iedeu Morgen ruft der zweite Kukuk, Doch der dritte ruft deu ganzen Tag fort. Flattert auf der Falk uud fchwiugt sich weiter, Und fliegt fort bis in den dunklen Kerker, Bis hiuein zum unerfahreneu Grnjo. Und er setzt sich auf des Helden Schulter, Und erzählte von den Knkukvögcln: „Jeden Abend ruft der erste Knkuk, Iedeu Morgen ruft der zweite Kukuk, Doch der dritte ruft den ganzen Tag fort". Sprach darauf der unerfahrne Grujo: „Der da rufet jede Nacht der Kukuk, Ist das Weib, das ich zuerst eiust liebte; 133 Der da jeden Morgen ruft, der Kukuk, Das ist, Falke, meine liebe Schwester; Doch der ruft den ganzen langen Tag fort: Das ist, Falke, meiur liebe Mutter". Gawro fchante weg. Ich glaube, er war sehr bewegt. Auch mich hatte das ^ied von dein nnerfahrenen Grujo gerührt. Waren doch hier zwei menschliche Wesen, zwei Gefangene, wie sie sich uannten, über deren Mutter Hof Gras gewachsen, vor deren Thüre die Quelle, welche eiust der Vater, der im hoheu Riedgras des Ufers schlief, gegraben, versiegt war. Das Alles hatte mich aber in dcu ersten Augenblicken bei weitem nicht so eingenommen, als die Stimme Darinta's, deren gittern bei diesem Gesang mit den einfachen Worten Gefühl und zwar schmerzlich bewegtes Gefühl verrieth. Der Wohllaut des südlichen Idioms, der leicht über die Saiteu hintünende Rhythmus des Viedes machten es mir schwer, Dir, lieber ^eser, durch obige nach dem Gedächtniß hingeworfene ltebcrtragnng in unsere Sprache einen Begriff von den Empfindungen zu geben, welche mich überkamen, während ich an der Gestalt hing uud ihren Töne» lauschte. Es war der schönste Augenblick meines Zusammenseins mit Dariuta. ^'azita lieft uns felteu oder nie allem. Wahrscheinlich besorgte er, die Gemüthserschütteruug semer Schwester wahrnehmend, sie möchte feiue Abwesenheit l'mützen, um mich mit dem von ihr entworfeneu Plane, den ihr der Irrsiuu eingab, bekannt zu macheu. Ich weiß nicht, wie ich m eiuer solchen Probe bestanden i:;4 wäre. Ich danke ihm insgeheim, daft er sie mich nicht be-stehen ließ. Er brachte das Gespräch gar oft anf die volksthümliche Dichtung seines Landes, anf die wilde Ader nnd die i^ar benpracht, welche darin glühen. Er sprach selbst mitnntcr völlig im wunderlichen Style jener Vieder. Die steinerne Mnlter Moskwa, die Falken des Kraliewitsch Marko, die Wolkenfchlösser der Wilen, das waren ihm (Gegenstände, wie anderen Landgeistlichen der Vichstall oder dieHantiruug der Knechte. Ileberall zeigte sich bei Gawro der Slave: mit begci stertcn Worten sprach er von der (beschichte des mächtigelt Serbenreiches und von den lmigen Kämpfen, in denen sei» Volk die Welt der (Ihristcnhcit gewesen war. Er hasite das Primat der italienischen Advocaten nnd 5i^auflcnte über das slavische Volk des Insellandes. Dagegen hoffte er znvcr sichtlich auf eine Erhebung aller Serben vom Balkan bis zur Donau nud zu den Klippen des Meeres gegeu die feiud' seligen Unterdrücker, Seine Augen funkelten, während er sprach, nnd wenn seine Rede die Feinde des Bandes berührte, so zog es über sein Gesicht wie eine unheimliche Verzerrung, wie unauslöschlicher Haft. <3s war nach und nach Abend geworden. Von der gestrigen Nacht ermüdet, bat ich meine Wirthe, mich zurückziehen zu dürfeu. Sie willfahrten nur gerne. Ich nahm Abschied. Sie drückten mir die Hände uud begleiteten mich mit Segeuswüuschen. Die wenigen Angenblicke, welche mir die Dämmernng noch gönnte, brachte ich damit zu, die Dinge, die ich heute 135 ficschen und gehört, meinem Tagebuch auzuvertranen. Es wurden mehr Matter, als ich dachte. Bald funkelte der Abeiidstern, der nach dem Ausdruck des dalmatischeu Viedcs, vor dcu anderen Sterncu wandelt wie der Schäfer vor den Schafeu. Endlich kam auch der Mond, aber er wurde bald wieder von einer Wolke versteckt. Ich dachte an einen Gc^ 1"ng, nnt welchem mich im Vaufe des Abends ^azika bekanut gemacht hatte. An seinem Schlnsse hatte es geheißen: „Der Mond fiel herab und ein Knknk klagte". Von diesem Wintennonat bis zu der Zeit, in welcher Wischen den stets grünen Steineichen des Eilandes der nuknf klagt, mußten freilich noch viele Wochen vergehen, ^ch aber war lange in den Traum vom klagenden Kuknk versunken — dem einsamen Vogel der einsamen Insel. Als uach einiger Zeit der Mond wieder hinter der Wolke hervortrat — ich hatte vorher zerstreut die Kerze ausgelöscht — bemerkte ich ein Buch, welches auf dem Tische lag. Tie Strahlen fieleu matt auf die weiften Blätter, als ^"1 sie aufschlng. Ich konnte bei diesem fahlen Scheine nkeuncn, dasi sie nicht bedruckt, sondern beschrieben waren, ^as reizte meine Nengierde. Ich zündete die Kerze an und entdeckte eine Anzahl von biedern, kleinen Begebenheiten und Märchen, die ol,ne Zweifel mein Wirth selbst sich cnt 'uedcr ans dem Munde des Volkes angelegt, oder nach '"auch anderer handschriftlichen Sammlung — die wegen ^s Druckes der Verhältnisse niemals in die Ocffcntlichkeit onwlt — zusammengestellt hatte. "lach cinigeiu Herumblättern fiel nur eine Seite auf, ^'cu Rand von cinnu langen rotheu Striche eingefaßt war, "ls ob dadurch besonders auf dcu Iuhalt dieses Blattes 136 aufmerksam gemacht werden sollte. Ich las es nnd befchl«ß, die Worte deutsch in mein noch aufgeschlagenes Tagebuch zu übertragen. Sie laute».- E i u M ä r ch en vo m Held c u, deruns ret te n wir d. Iu der Herzegowina war ein Maun, der feierte den Iuriew-dan") und giug weit fort, um Wein zu kaufen, damit er den Namenstag festlich begehen könne. Hierauf kaufte er hundert Oka Wein lud sie aus und kehrte zurück. Als er durch eiu hohes Gebirge (p1«,mn») zog, sticsi er auf eine Höhle und da die Nacht einbrach, beschloft er in dieser Höhle zu übernachten, Aber welch' ei» Wunder. Er fiudet iu der Höhle eine Mila. Er war ein wenig erschrocken und frug sie, ob er da übernachten dürfte. Die Wila antwortete ihm: Ja. So lud er den Weilt ab setzte sich zum Feuer und frug die Wila, was sie da mache. Sie antwortete ihm, daft sie hier den Kraljewitsch Marko bediene. Als der Herzego-winer voil Marko hörte, frente er sich und bat die Wila, sie möge ihm die Thüre des l^einachcs öffnen, in welchem Marko sei. Die Wila öffnete ihm und da gewahrte er zuerst Scharaz^) und dann den Marko selbst, aber erhatte nicht *) Dcil Tag des hci>. Grurg. "") Da« uielbcsiina/in-Schlachtruf; des Kömgssohnl's. Der Ilnjew-dan wird auch noch durch andere Gebräuche ansge zeichnet. Morgens vor Smiumanjgang Pflegen sich die Mo» laken an diesem Tage zum ersten Mal zn baden. Die Männer baden sich vorzugsweise im Bache, die Mädchen und Weiber aber tragen am Abend vnrher om.-ijH nach Hanse /d. h. Wasser, welches über ein Mühlrad hiugeganssen isl), damit alles Vöfc und alle Krankheit so von ihnen weggehe nnd adtricfe, wie das Wasser vom Rad. Iu dieses Wasscr lca/>i sü> allerlei Pflanzen und lassen es übernacht stehen. Am Morgen waschen sie sicki damit im Garten in Mittru des Grünen. Vor dcm Iinjrw' 13? mehr den langen Vart und war blind gewurdeu, Marko fragte dir Wila, was für ein Mensch da wäre. Die Wila antwortete ihm, das sei ein Herzegowiner, der ausgegangen sei, nm sich zum Inrjcw dan Weiu zn lanfen. Daranf sagte Marko zum Herzegowiner: „Komni zn mir, Bruder, nnd gib mir die Hand, damit ich fühle, wie jetzt die ^eutc be^ schaffen sind." DerHerzegowiuer wollte Hingeyen, aber die Wila flüsterte ihm zu, er solle das ja nicht thnu, denn Marko würde ihm sofort die Hand zcrquetfchen. Da reichte ihm der Herzegowiner statt der Hand den Kolben seiner Flinte. Marko erfaßte ihn nud zerbrach ihn angenblicklich in zwei Stücke. Darauf fagtc er: ,.Oh, oh, so elende ^'ente sind jetzt auf der Welt!" Ihm antwortete der Herzegowiner: „Um Gott, o Marko, wir haden geglaubt, Du feiest längst gestorben!" Der Held antwortete ihm: „Das bin ich nicht, mein Sohn! Aber als die Flinte in die Weit kam, habe ich Mich in diefe Höhle zurückgezogen. Denn ich habe gesehen, baß die Fliute auch den größten Helden bezwingen kaun und so lauge die Flinte da ist, wird es kein Heldeuthum geben in der Jugend, Jetzt aber werde ich bald aus dieser Höhle herans geheu, nm die verfluchten Türken zn vev Nichten!" Der Herzegowiucr frug: „Wann wird das sein?" Marko antwortete: „SiehstDn dieses Schwert, welches ober bau darf mau auch kein Lammfleisch csscn. an diesem Tasse über soll ein Jeder ein Lamm in sein Haus führen. Auch soll Wcm nicht in den Inrjew dan hinein schlafen, sonst bekommt Man K'upsweh. Siehe Ljubič, Običaji ktul morlaknli u damnluii. U Zadru 1.84(5. 1.^ mir au der Wand hängt? Es fehlt nicht mehr zwei Finger breit, bis es von selbst völlig sich ans der Scheide gezogen hat. Ist es aber einmal ganz heranßen, dann werde ich deu Scharaz besteigen nnd Oott wird mir Angen geben, daß ich die Türken besiege und unser Neich wieder herstelle." Daraus verlangte er von ihm, er solle ihm anch omen Becher von seinem Wein bringen, damit erden heiligen Inrj sciern könne, auch habe er vierhundert Jahre laug keinen Wein mehr getrunken. Der Herzegowiner brachte ihm eine Strana (fünfzig Oka) Wein. Marko ergriff sie nnd trank sie auf eiucu ^ug aus. Darauf frug er ihn, „ob er uoch Wein habe." Der Herzegowiner bejahte es nnd brachte ihm auch die zweite Straua. Der Held trank nicht minder diese auf einen Zug ans. Daranffrug er: „Wie vielWein hast du gehabt?" Der Her^egowiuer antwortete: „Hundert Oka". Marko aber rief: O, elende Welt! Was ist aus dir geworden! Dein Maß ist Betrug. Das war nicht eine Oka, geschweige hundert!" Danach sagte er der Wila, sie solle dem Herzcgowiner einige Ducaten geben, damit er sich noch einnml Wein aus deu Namenstag kanfen möge nnd verbot ihm l>ei seinem ^eben, er solle Niemandem etwas davon erzählen. Der Herzegowiner aber kaufte sich abermals hundert Oka Wein, brachte ihn nach Hanse nnd feierte sein Na-meusfest. Uild wisset, daß dies die Wahrheit ist, daß Marko noch jetzt in jener Höhle lebt, daß er aber bald hcranskom men und die Türken schlagen, sie alle verjagen und nnser serbisches Reich wieder aufrichten wird." 139 Ich uutst gestehen, dasi, bevor diese wunderliche Erzäh-^>ng in meincHände fiel, ich an andere Dinge gedacht hatte, als an unterdrückte Völker und den südslavifchenKyffhäuscr. Die arme Darinka hatte meine Einbildungskraft weit mehr beschäftigt, als der Scrbeukonig Va;ar nnd Marko Kralje witsch mit dem treuen Nosse Schara'^, Nnnmehr aber stogen Meine bedanken hinilber, über das Meer nnd ich erinnerte wich an ein anderes Volt nnd seinen, in der groften Höhlc verborgenen Netter, an den wir in iungeu Jahren geglaubt haben. Bald aber lösten sich alle Gestalten m den »ebel-!)^ch dachte gar nicht mehr daran, den Scaglio ^nver-lassen Es war mir, als müsse ich noch eine nnbeschräntte Zeit iu des seltsamen Priesters Gesellschaft verbleiben. Schon lange vor Mittag holte er mich ab, nnd wir laugen zn nnferem gestrigen Sihc ans dem weistcn ^clshügel. Die Steineichen an seinem ,^nfte rauschten im lanen Morgenwind. Oben aber auf dem Felsen, der die Sonne Zurückwarf, war es fast heiß. Alle Blätter nnd Sicinflächrn ^"h und fern glänzten. Der Boden war feucht überzogen ""'n Dunste des Scirocco. ., ^ch will Ihnen ein ^icd sagen, Herr," begann Va-^"a, „welches Darinka oft anf diefer nämlichen Stelle ge-^'"geu hat." >^ch nickte dankbar nnd der Priester declamirtc mit ustcrer Stimme, während seine Augen nach dem Meere nnd k" ^elseneilanden bliNeu: „Müde bin ich schon zn sitzen An den Fenstern dieser Hütte 140 Nnd zu blicken nach dem Meere, Wüstem Meere, weitem Felde: Ob schon naht des Theuren Segel, Ob schon naht des Theuren Fahne, Ob schon schallt der Tamburmtlang, Rnd dazu des Theuren Lied." In der goldenen Ruhe, die weit nm uns über das todte Gestein sich ausbreitete, fand ich kein Wort der Erwiederung auf diesen rührenden Ausdruck tiefen Gefühles. Solches ist nur dem Volkslied möglich. Wenn es aber noch einc Hinwcisung auf das Schicksal des Mädchens bedurft hätte, so wäre es mir aus diefer, fo seltsam rafch gebotenen Erinnerung feiues Bruders erkennbar geworden. Gawro bemerkte, dasi ich ihn verstand. Er fuhr fort: „Wehe dem Wald ohne Vogel und der Freundin ohne den Freund! So singt nnser Volk. Ich aber setze mit den Worten der Schrift hinzu: Es ist nicht gut, daß der Menfch allein sei." Mich wunderte von diesem Manue nichts mehr und so nahm icl) auch diesen Aussftrnch, der mit seinem eigenen Gewand in solchem Gegensatze stand, ohne Befremden hin-Er aber sagte: „Ich habe Euch hiehcr geführt, um Euch mit dem Reste meiner Geschichte bekannt zu machen. „Sie bewegt mich wie noch lein anderes Erlebniß iudiesemVandc, „antwortete ich und der Tou meiuer Stimme konnte ihm wohl Bürgschaft für die Wahrheit seiu. Er warf mir einen feiner unbeschreiblichen Blicke zu uud fuhr fort: „Was ist die Nebe? Eiu Nichts! Durch einen 141 Blick war sic erzeugt, durch jenen .Brief zur That geworden. „Ich hatte tauiu die Schwelle überschritte», als ich den nur überreichten Brief auseinander rist, dast die eine Hälfte an der losgetrennten Oblate hängen blieb. „Nina schrieb, wie eine Gouvernante schreiben würde: unsere Begegnung sei zu flüchtig, ich gehöre einem anderen Glaubensbekenntnisse an, sie meine, ich sei ein überspannter Unia/rMann und bat mich schließlich, sie m keincVerlegen-heit zu setzen. „Wenn ich mich jetzt an diesesSchreibcu erinnere," fuhr "azikafort, ^.welches der Klugheit eines Nechtsanwaltes feine Schande gemacht haben würde, so deute ich fast neidisch an ""ö Glück meiner eigenen jugendlichen Unbefangenheit, welche mich damals in diesen talten nnd widerwärtigen feilen nichts Anderes sehen lieft, als die Acusteruug holder ^chcu. Ntich aber reizte der Brief zu erhöhter Leidenschaft ^chteit. Ihr töuut Euch deukeu, was ich antwortete. „Alle Liebe, fagte ich, vielleicht in unbcwußtcrErinne ^'uug der italieuischeu Dichter, die ich gelesen hatte, würde u» Himincl vorhergrseheu. Sie entsteht beim Anblick des von Gott bestimmte» Wesens. Gott, der alle Mcuscheu llebt, würde es mir verzeihen, wenn ich zu ciucr Genossen^ '"^"N, zu eiuer Religion übergiugc, die ihu auf andere Weise verehre. Wegeu ihres ^^eichthums und Ranges äußerte ich mich, daß selbst Königstöchter ihre Liebe eiuem '^rt^l od^. sonst einem armen Menschen geschenkt hätten, u'd zuletzt sagte ich, daft ich sie lieben würde bis au das ^nde ineiuer Tage. „Ich übergab ihr deu Brief abermals selbst, als ich "rch den Garten zu,n Hintergebäude ging. 142 „Sie sah mich neckisch, wie gewöhnlich, an und ver schwand. „Als ich wieder herabkam, war sie nicht mehr im Garten. Das erfüllte mich halb mit Furcht, es möge sie mein Brief erzürnt haben, halb mit Hoffnung, weil ich dachte, sic möchte wohl noch tnit Abfassung derAntwort beschäftigt sein. „In dicsein Falle konnte ich mich derFreude hingeben, denn ich dachte wohl, dasi eine Autwort, die so langer Zeit bedürfte, teine abschlägige sein konnte. „Aber dasselbe wiederholte sich durch mehrereTagc. Ich sah sie nicht mehr im karten. Endlich wurde ich unrnhig, „Am fünften oder sechsten Tage stand sie am Geländer des Springbrunnens. Sie war nicht verlegen oder übcr< rascht, als sie mich sah. Ich raffte mich zn der Tollkühnheit aus, zu fragen, ob sie keine Antwort für mich habe. „Daraus antwortete sie, indem sie mir starr und gläsern in die Augen schaute: „Ich dachte, Sie hätten sich überlegt, was ich ^ geschriebeil habe? „Ich schwieg, roth wie eine der Oleanderblüten neben dem Wasserbecken. „Haben Sie sich besonders überlegt, was ich von der — Verschiedenheit schrieb, die Sie uon uns trennt,Herr Lehrer? fnhr sie fort, indem sie einigen (Goldfischen, die im Wasserbecken schnappten, Brod zuwarf. „Die Unterschiede — antwortete ich stammclno ^ ich habe keine Furcht, ich werde Sie ewig lieben, Nina! „Sie bückte sich, nm einm größerenBrodbissen, der ihr beim zerbröckeln entfallen war, aufzuheben. „Ich nahm deutlich wahr, dasi sie lachte. „Ich tonnte kein Wort mehr vorbringen. 143 „Beschämt ging ich durch das Vorderhaus auf die Straße. Wie ich uach Haufe kam, tonnte ich mich uicht ent sinnen. Sie hatte mich ausgelacht. Ich war arm, ein hoffnungsloser Studeut und —- uicht römisch-katholisch. „Bei diesem Gedanken stieg mir plötzlich das Blut zu Kopf. „Wie! dachte ich, reich kannst du uicht plötzlich werden, auch uicht mit einem Mal ein Mächtiger, aber — römisch, das hast dn in Deiner Gewalt! „Im nächsten Augenblicke zitterte ich, Ich dachte au dcu Gram, deu ich meiuer Mutter bereiten würde, wcuu sie er-führe, das; ich uuter die Heiden gegangen war. Ich preßte ^le Hand auf nieine Brust: sie fühlte das hölzerne schwarze .Bild der Gottcsgrbärcriu, das mir einst meiu Bater um "en Hals gehängt. Er hatte es um viel Geld von eiuem Mann gekauft, der es uebst gelbein Wachs und weißem Weihrauch von einer Wallfahrt zum heiligen Berge Athos Mitgebracht hatte. „MeinBatersagte mir damals, ich solle bei allem Uu-9lück, das mich treffeu möge, meine Andacht au das Bild achten uud die wnndcrthätige Mutter würde mich uicht ver^ lassen. Welchen Anstand aber gab es, der schmerzlicher für "uch war, als dn, worin ich mich eben befand? Ich sollte den Glauben meines Vaters aufgeben, der mich überaus geliebt, meiner Mutter, die ich so lange nicht mehr gesehen hatte! Es entspann sich in meiner Brust ei» böser stamps, "us welchen, mich erst nach vielen Stuudeu der Schlaf erlöste, Ich tremmte uou der Kreuzfahnc des König Vazar "ud sah den Popen, der mich in meiner Jugend unterrichtete, .^ldstvahleud am Altare stehen, als hätte er die Meßgewän-der des heiligen Iowau au. L44 „Als ich wieder erwachte, schien die Sonne iu mein Himmcr. Ich fühlte mich etwas gestärkt, ich hatte mehr Lebensmut!) als gestern, wo ich verlassen in dem Schatten der Dämmerung allein dagesessen war. Der Olanz des Tages fachte ein ucnes ^ebeu an. „Die(Nröße des Opfers, welches ich ihr zu bringe» genöthigt schien, däuchte mir im dichte des neuen Tages ge-riuger als gestern im Dunkel, in welchem sich gern der Sinn zum Innigen wendet. „Plötzlich trieb es mich an, augenblicklich etwas zu unternehmen, was mir das Huriickweichen nicht mchr möglich machte. „A>l diesemTagc erfüllte sich an mir,wenn auch iu au-dcrem Sinne, das Wort der heiligen Bücher: „Bater und Mutter wirst Du verlasseu uud dem Weibe folgen." „Mit Selbstüberwindung kämpfte ich jeden Gedanken nieder, der sich noch gegen mein Unternehmen erhob. Ich wollte voli nichts mehr hören, Nnr einfiel hatte ich, Noch heute sollte sie aus meinem eigenen Mnnoc vernehmen, daß ich die ersteil Schritte gethan hatte, um ihr das gröftte Opfer zu bringen, das möglich war. Ich schwelgte im Poraus iu dem t^enussc dieses Gcdanteus. „Um iedcn inneren Widerspruch niederzuschlagen, begab ich mich ins Iesuiteu-Collegium. „Dort liesi ich mich bei Pater Euphcmius, ciuem zu jeuer Zeit bekannten Kanzelrcdner, anmelden. Der würdige Mann fragte mich nm mein Begehr. O ^iebe, Du erhebst nicht nur zu hohen Thaten, wie die Dichter sagen, Du bist eine Leidenschaft, darum erniedrigst Du deiue Sclaven. So beautwortete ich die freundliche Frage, was mich bewogen habe, meiner Mutterkirche deu Rückeu zu dreheu, mit der 145» ^Uge: Es ist meine Ueberzeugung, dasi ich inich der wahren Kirche hingebe. Damals sage ich, war es für mich eine Lüge; 'ch hatte diese Ueberzeugung nicht. Jetzt, nach vielen Jahren, nachdem ich im Gebet nnd in der Sühne gerungen, hat ^ott in seiner Barmherzigkeit sie mir geschenkt. Der fromme Herr lies, sich täuschen. Er ahnte nicht, welche Wallung von Unrnhe nnd Leidenschaft hinter meinem glatten (Besicht ans lmd abtrieb. „Er sagte mir, ich solle noch einige Tage überlegen nnd dann wieder zn ihm kommen. Er that es ohne Zweifel, um über meine Person die Erknndignngen einzugehen, die ihm nothwendig dünkten, ehe er mich in seinen Umgang zog. „Jetzt hatte ich die Brücke hiuter mir zerstört. Wenn ^s auch nicht der Drang meiner Veidenschaft gethan hätte, schon mein Ehrgefühl wäre zu start gewesen, jetzt noch zu^ lüctzubleibeu. „Ich war imTanmel, ich wollte im Taumel sein. Zum "stcn Mal seit ich in Padua studirte, besuchte ich Morgens ^n Weinhaus. Ich verlieft es erst, als ich die Stunde wahrnahm, die mich in Ninas Haus rief. Ich fand Gele ^liheit, ihr znznflüstern, was ich gethan hatte. „ Sie schien es nicht zu brachte». ' »Wahrscheinlich glaubte sie, es sei nur ein im Wirbel "kr Vinlnldnngstraft aufgegriffener Borsatz, mit dem ich "uch selbst belöge. Ich will die Thatsache abwarteu — so "'"Ute ich, dachte sie. „Diesi Zurückstoßen, weit cutfcrut, mir die Angeu zu "ttnen nnd mich über die Natnr meines Engels aufzutläreu, I^b meinem Ncuthc, das Äcgonneue weiter zn führen, ucuc schwingen. Mit einer Inbrunst, die nicht den Geheimnissen unserer Religion, sondern dem Zwecke galt, der mich nnd W°". Talmas». >«> 146 Alles antrieb, was ich dachte und that, folgte ich den Unterweisungen des Pater Enphemius, der selbst uieiu Lehrer geworden war. „Mit Hingebung besuchte ich alle Kirchen. Stundenlang betrachtete ich im Ehore, von Madonna dell' Arena das wunderbare Leben der heiligen Jungfrau, von Giotto'K Meisterhand den Mauern anvertraut. Wollüstig durch-schauert saß ich iu ihren» farbigen Dämmerschein, sah die leuchtenden Engelsgestalten auf den Bildern, schwamm im Meere der Stimmen und Tüne, die hcrabflosseu. Und doch flössen sie uicht herab, um meiue Leidenschaft zu beleben, soudern zum Vobe (Gottes, der die Reinheit und das^icht ist. „So wurde mir selbst der Manbe znm Siuueugenuß, der Sinnengenus; zum (klauben. Ich athmete eine verderbliche ^uft. Sie konnte Veib und Seele tödteu. „Eines Tages, an dem ich weniger aufgeregt als gewöhnlich, sprach Pater Enphemius zn mir über die christliche Tugend der Wahrheit. Ich weis; uicht, hatte seine Miene au jenem Tage etwas besonders Feierliches, oder war es der Ernst des (Negeustaudes, der aus ihm sprach. Ich fühlte zum ersteil Male, seit ich diesen Unterricht genoss, eine Er-regnNg, die einem wahrhast sittlichen (^efühlc gleich l'am. Die Täuschung, in der ich mich selbst befand und die ich auf Andere übertragen hatte, fiel mir auf die Seele. Ich gelobte mir, inuerlich anders zn werden und uach außen die Wahrheit zu sagen. „Mein Entschluß hielt uach. „Als am uächsteu Tage PaterEnphemius seine ^'ehr-stunde beendigt hatte, fragte ich ihn, ob er mir erlaube, ihm etwas anzuvertrauen, das mir auf das Gewissen drückte. Er forderte mich dazu auf. Ich erzählte ihm nun mein gan- 147 zes Verhältniß zu dein Hause ^.'s Ich schilderte ihm, so weit es mir einem so würdigen Manne gegenüber gelingen konnte, meine ^iebe zu Nina. „Ich verschwieg ihm nicht, daß ihre Forderungen es waren, welche mir zuerst den (bedanken eingegeben hatten, zu seiner Kirche überzutreten, ^atcr Enphemins sann eine Weile »ach. Dann schante er mich scharf an und sagte: „Mein Sohn, Dn hast gesündigt, aber es liegt in der Hand Gottes, sich ans dein sündigen Samen lebendiges für sein Ncich zu erziehen. Das Vorderste, was Du thun mnstt, ist, ^ich dem Vater des Mädchens zu entdecken, zu dem Du in weltlicher Vicbe entbrannt bist, das bist Du der Wahrheit schuldig. Sage ihm, dasi Du seine Tochter liebst. Er mag ^irantworten, was er will, so wird etwas daraus eutsteheu: die Wahrheit. Diese besitzest Du uicht, dcnn Dn hast Dich, Du hast Andere getäuscht. Wenn Du gehört hast, was der von Gott beruscue Anwalt seiues Kiudcs von Dir uud Deiuer Zukunft hält, so wirst Dn besser wissen, worauf Du stehst. Vielleicht öffnen sich Deiue Augen, Geh mit Oott!" „Es bedürfte mehrerer Tage, bis ich deu Muth fand, der Weisung meines Seelsorgers nachznkommcn. „Mittlerweile war sich das Benehmen Ninas immer gleich geblieben. Manchmal hatte sie eine» freundlichen ^lick füv mich, fo legte ich mir ihn wenigstens ans; meist "l'cr floh sie weme Gegenwart. «Ick) besauu mich lange, ob ich Nina vorher etwas von deinem Vorsatze mittheilen sollte oder nicht. Ich konnte darüber nicht mit mir einig werden. Ich fragte den Vater Euphemins. „Er befahl mir, es nicht zn thun. „So l'am denu der Tag heran, an dem ich selbst die 148 ^oose meiner Zukunft ziehen sollte. Zitternd legte ich die Hand auf das Schloß der Thüre, die ins Zimmer ^.'s führte. Das gebieterische „Herein!" muftte mehrmals wie--berholt werdeu. „Sie kommen docli nicht, über ^uigi i,n klagen?" herrschte er mich an. „Ich fand keine Worte, eine unendliche Verlegenheit mußte auf meinen Zügen zu lesen seiu. „Ah, Sie sind vielleicht in Verlegenheit und brau-cheu Vorschuß? Nur uicht so zaghaft. Wieviel wünscheu Sie. Wollen Sie deu ganzen Monat voraus? Bedenken Sie, etwas abznverdieucn, wofür man das t^eld schon hat, ist sauer. „Ich war wie versteinert. „^'ange Zeit konnte ich keine Sylbe hervorbringen. Unterdessen schante mich ^. mit höhnischen Blicken an. Er weidete sich an meiner Befangenheit. „Ich weiß nicht, welcher (^eist mir endlich diennfelige Kraft eingab, das Unmögliche zu vollbringen. Der Schweiß quoll anf meiner Stirn. Ich zerknitterte meinen Hnt und sagte mit vernehmbarer Stimme: „Eavalierc, ich liebe Ihre Tochter." „Eine dnnkle Nöthe flog überfein fettes (Besicht hinan. Eine breite Ader schwoll auf seiner Stirne, Er stemmte die rechte Hand in die Seite, stützte die ^inke rückwärts auf den Tisch und erhob sich. „Ein abgebrochenes (Gelächter, das wie das Wuthkeuchen eines Hnndcs klang, entrang sich seinem dicken Hals. „Taft doch der Teufel in das Bettelgesiudel —l Rühren Sie sich nicht, bleiben Sie da — uicht vou der 149 Stelle! Haben Sie Angst, daß ich Sie auspeitsche, was sie verdient haben, Facchino!" „Er klingelte. „Ein Bedienter bekam den Anftrag, Nina zn holen. Es verstrichen mehrere Minuten, bis sie kam. Es waren Augenblicke, wie sie die Berflnchtcn der Verdammniß durchleben müssen. >,Als sie eintrat, machte sie große Angen, zn ihrem Vater und — ,nir grnifrn worden zn sein. „Wiederholen Sie vor m«ner Tochter, wac Sie sich vorhin erfrecht haben, mir zn sagen." „Ich blieb stnmm. Ans mehrfache! Nnn? von Seite ^'^ wurde ich uicht tnhiler. Endlich trat er hart an mich ')erau, zog mich au dein Brustsanm meines^i^ockes nnd sagte: "Ich habe Sie ansgesordert, das zu wiederholen, was Sie vorhin mir gesagt haben, nnd zwar laut." Dabeiwar er vom Z°rn fast übergössen. „Nina, ich sagte Ihrem Vater, daß ich Sie liebe." ^-ui erneuertes Wnthgelächter des Vaters, ein mnnteres Kichern der Tochter war die Antwort. „Nina," sagte der Alte, als er wieder zn sich gekom-'"en war, „wie tommt's, daß dieser Bube dazu —" „Nina ließ ihn nicht ausreden. „Vieber Vater," sagte sie, „er dauert mich eigentlich, ^ch sslanbe, die vielen Bücher haben ihn närrisch gemacht. ^' schrieb mir einen Brief. Ich zeigte ihn der alten Gou-ernante, ^ ^Ul verständiges Frauenzimmer ist. Ich bat '^, ihn in ineiiiem Naiuen zn beantworten. Ich küulmertc 'Utch uicht, was dariu staud, ich weiß es heute uoch uicht. ^ch merkte ,nir uur etwas, was sie gleich aufaugs sagte, als ^ ihr seinen Brief geigte! von Ungleichheit des Ranges 150 glaube ich. Ich fragte die (^onvernante noch, ob ich ihm beim Ueberrcichcn etwas sagen sollte, es hätte nur Spaß gemacht. Sie meinte, ich sollte ihn zn einer Antwort anffor-dern. Das that ich ihr zu lieb, weil ich glaubte, sie würde sich gern mit dem Schreiben ein wenig ihre Langeweile vertreiben. Du weißt ja, feit Vuigi alle Tage größer wird, hat sie weuig mehr zu thun. Ich glaube, sie ist selbst eine alte Nomauuärriu. Die Beiden hätteu gut zu eiuander gepaßt. Deuke Dir, vor einigen Tageu erzählte mir Herr Vazika da gar von Jesuiten und katholisch werden — (Hott weiß, was noch! Ich hätte nicht gedacht, dasi es so ernstlich bei ihm rappelt." „Mir rannen große Thränen herab. „Ich will Vitorelli hinter ihn schicken, der thut den Bubcu uuter die Fuchtel, da lernt der Kerl Gedanken sammeln," sagte der Alte zu seiner Tochter gewaudt. „Thue das nicht, Bater. Er hat vielleicht ohnehiu schon, ohne daß wir es wisse», zuviel Aussehen mit seiner Narrheit gemacht." „Dabei hüpfte sie fort. „Meiu Schmerz verkehrte sich allmählia. ill Wuth, iu Naserei. „V. wollte mir eben den ^ohn für den letzten Monat hinhalten. Er bemerkte mir dabei, daß ich selbstverstäudlich heute deu letzten Schritt in sein Hans gethan hätte. Morgen, sagte er, würde er mciuem Professor schreiben lind sich für seine Empfehlung bedanken. „Ich schlug ihm zuerst auf die Haud, daß die Silberstücke auf deu Steinen des Zimmers umherrollte», dauu in das fette (Besicht. Darauf stürzte ich zur Thüre hiuaus, die Treppe hiuab iu den (karten. 151 „Nina stand lächelnd da und nahm von einem großen 'Geranienstock, der auf der Brüstung des Geländers stand, welle Blätter ab. Ich glaube, der Blick, mit dem ich sie nnstierte, war entsetzlich. „Wer wird denn die Albernheit so weit treiben, sie dummer, garstiger Mensch. Seieu Sie froh, wenn Papa deinem Bräutigam nichts sagt. Der tonnte Ihnen ein Andenken schicken." „Es war das letzte Mal, daß ich meine erste ^'iebe sah. ".Hn Hause angekommen, brütete ich. Allmählich machte meine Wuth einein Nachcgcfühl Platz. Ich mußte wissen, ^uer dieser Bräutigam war. „Ich werde ihn vernichten, das war von uun an mein einziger Gedanke." „In den Städten Italiens sind die Verhältnisse grosser Familieu ebenso allgemein bekannt, besonders in der Nachbarschaft ihrer Wohnhäuser, wie in deutschen Kleinstädten ^ie Gattin eines Bürgers die Kleider der Gattin des andern kennt. „Es wnnderte mich deshalb nicht, daß nur ^azika Mahlte, er habe i» derselben Trattoria, in welche er am ersten Abend seiues Zusammentreffens mit Nina gegaugeu war, um den Nameu des Hausbesitzers zu erfragen, im Wei-^'ren Folgendes vernommen: „Nina hatte seit einem halben Jahre ciuen Bräutigam. Er hieß Vitorelli, war ein Mann von sechzig Jahren und nilgeheurem Vermögen. Dieses sollte er sich als Lieferant während der Expedition in Neapel Anfangs der zwanziger Jahre gemacht haben. „Er war in der Stadt schon deßwegen allgemein uer-'haßt, weil er als eifriger Anhänger der Regierung galt. 152 Man schrieb ihm großen Einflns; bei Civil- und Militär-beHürden zu. „Ich hatte Alles vergessen, den Pater Envhcmius, Nina, meine .Zukunft — ich sah nur Eines, wollte uuv Eines — Nache. Noch in der Trattoria schrieb ich an diesen Bitorelli einen Brief, in welchem ich ihn zu einem,Zwei-kampfe auf Pistolen unter der Bedingung herausforderte^ daß der Eine von uns auf dem Platze bleiben sollte. „Ich trug ihu selbst aus die Post und lies; mir einen Empfaugscheiu darüber geben. Dauu giug ich zu eiuem Waffeuschmiede uud kaufte mir inu das weuige Geld, das ich noch in Händen hatte, ein paar mächtige Pistolen. Es war zu jener ^Zcit in Italien streng verboten, Waffeu zu taufen oder zn besitzen, ohne sich durch einen von der Behörde erhaltenen „Waffenpas?" lcgitimiren zn können. Der Waffenschmied understand daher meinen Bitten lauge Heit. Erst als ich ihm dnrch meine Papiere bewies, daß meine Mutter uud Schwester iu Scrbieu wohuteu uud die Lüge hinzusetzte, ich würde morgen eine Neise antreten, sie zu besuchen uud meiu Leben laug uicht ntehr uach Italieu^ fouderu von dort dnrch die türkischen Provinzen in meine Heimat Dalmatien gehen, erst da entschloß er sich, wenn auch mit großem Widerwillen uud unter fortwährendem Einschärfen des Stillschweigens, mir die Waffe als Ver-theidigungs-Werkzeuge znrNeisc durch jene unsicheren Mn^ der anzuvertrauen. Pulver uud Kugeln dagegen kuuute ich nirgends bekommen; zuletzt tröstete ich mich damit, das; das Vitorelli besorgcu könne, der mit den (Gewalthabern anf gutem Fuße stand. „Ter Abend, die Nacht, der nächste Tag verflossen mir ili Erwartuug des Augeublickes, iu welchem ich meineilt in I5:i lien Tod verhaßten Gegner gegenüber stehen, wo ich ihn zur Zielscheibe meines Gewehres würde machen können. Den gauzen Tag übte ich mich, eine Pistole in der Hand,, M der Positur, wie ich sie nur bei einem Duell vorstellte; ich streckte die Hand, mit der Pistole beschwert, H>iertcl-stlnidcn lang ans, um sie daran zn gewöhnen, nicht zn erzittern „Sollte er, der alte, reiche Mann, vielleicht es ver-schmähen, mir Genugthuung zn geben? Für diesen Fall war ich entschlossen ihm ans der Straße eine solche Beleidigung zuzufügen, daß er gezwungen war, sich mir gegenüber zu stellen. „Am dritten Tage früh, klopfte es gewaltsam an meine Thüre. Ich öffnete noch schlaftrunken. „ Hwei Gensdarmen und ein Polizeiagent traten in mein Himmer. Ich nnchte Alles, was ich besaß, zusammenpacken, es wurde von dem Vüttel versiegelt. Meine Papiere, Briese und die zwei Pistolen nahmen die Gensdarmen besonders mit. Auf alle meine Fragen, znletzt ans mein Wüthen und Toben — Achselzucken. Endlich sagte mir der Mann, ich sei Politisch verdächtig, es liege m>e Denunciation gegen mich vor nnd er habe Befehl, mich nach Mantna zn bringen. Bei dem Worte Mantna lief es mir kalt den Rücken hinanf. Bergesfeu war für den Augeublick die ^ache — ich dachte: Gott erhalte Dich Deiner Mntter und Schwester. „Vor der Hansthüre stand ein Wagen. Meine drei Begleiter setzten sich mit mir hinein. Während wir durch die Straßeil der Stadt Padna hiuansfuhrcu, hörte ich manches Mädchen, manche Frau, wie sie mir nnd den Oensdarmen nachschauten, rnfcn: „Ach, der arme junge 154 Mensch! " Sie aber, für die ich mein Leben, ja die Selig keit meiner Seele gegeben hätte, sie lachte unterdes; viel leicht mit ihrem Vater, mit ihrem Bräutigam über dcu ver^ rückten Jungen, der Alles so „ernst" genommen hatte. Und dieser Bräutigam! War er nicht am Ende der Vcranlasser meiner Gefangenschaft? War er nicht der Anstifter des Elendes, das über mich hereinbrechen sollte? Ich glaube es jetzt weniger als damals, wo ich eine schmerzliche Woll-' lnst darin empfand, solchen bedanken nachzuhängen. Ich glaube es war der gegen L. geführte Schlag, der diesen so entflammt hatte, dasi er selbstständig, wenn anch vielleicht unter Mitwirkung Vitorelli's, den meine Hcransfordernng geärgert haben mnßte, die für ihn nicht schwierigen Schritte that, mich in's Verderben zu stürzen. „Bei der Allmacht einer unsichtbaren Polizeigcwalt, welche die damalige Zeit bezeichnet, war ihm, dem einstufte reichen Mauue, es rasch gelungen, den Jüngling ohne Frennde nnd Hilfsmittel zu vernichten. „Nach drei Tagen langten wir vor Mantua au. „Nachdem wir die Manern dieser nngeheuercuFestnng, welche einem Menschen in meiner Lage wie eben so viele Grabgewölbe vorkommen müssen, passirt hatten, hielt der Wagen. Man brachte mich in ein Bureau. Dort notirte man meinen Namen, Alter, Stand und alle übrigen ^cr^ sönlichkeiten. „Tann hieß es: In die Kasematte. Meine bisherigen Begleiter nahinen von mir Abschied. Es waren freundliche Leute gewesen, ich dankte ihnen dafür. Zwei Feldjäger nahmen mich in die Mitte. Nach einem halbstündigen Marsch über Basteien nnd Brücken, dnrch Thore nnd Einlässe kamen wir an ein grosies Thor, das in einen in den Wall hinein- 155 gebauten dunklen Gang führte. Links und rechts wareu Thüren mit Nummern. Ganz am Ende des finsteren Gauges, der durch eiuige Laternen beleuchtet war, stand auf einem Blechtäfelcheu über einer Thür eine Nmumer. „lieber Gott, es war ein dunkler feuchter Kerker. An den steinernen Mauern trof Wasser herab, oben hatte sich grauer Salpeter angesetzt. „Erspart mir, Euch hier, im Anblick des Meeres, das Gemälde menschlicher Erbärmlichkeit auszuführen. „Fürmich gab es keiueu Tag, keiue Nacht. Das Wasser trof immer fort, die modrigeil Krystalle des Salzes oben schimmerten gleich röthlich von der Ampel, ob Souue oder Mond iu der Welt droben am Himmel stand. Als man mich zum ersten Mal herausführte, sagte man mir, ich sei drei Wochen da. Ich war krank und lcbeussatt. Deuten hatte ich in der Luft meines Kerkerlochrs fast verlernt; es fehlte wenig, ich war blödsinnig, Ich wurde vor drei Männer Nl Nuiform geführt. Einer las mir vor. Ich kann mich erinnern, daß es sich um Hochverrath haudelte. Auch von verheimlichtem Waffenbesitz uud Mißhandlung und Vcrfol» gnng kaiserlicher Diener wurde geredet. Doch ließ in An^ betracht meinerIngend die oberste Behörde Gnade für Necht ergehen. Anstatt mich in einer.Helle der Snmvfveste vermodern zu lassen, wurde ich auf zwölf Jahre einen: Rcgi^ mente als Gemeiner zngctheilt, das damals in der Bukowina stand. „Trotz ihrer Mahnnngen wußte ich nichts über Mitschuldige auszusagen. „Vorlänfig Wanderteich in die Zelle zurück. Nach sechs Tagen wnrde ich endlich dem Tageslicht wiedergegeben. „In dem Hof einer Kasernestmiden achtzehn Schicksals- 15« und Allersgeuosfe,,, die vielleicht wegen ähnlicher verbrechen die Strafe der Eiittheilnng in kaiserliche ^l"egimenter, oder vielmehr die Gnade, zu erdulden hatten. So wurden wir zusammen zu Fuß weiter eskortirt. Jede Mittheilung zwischen uns war streng verboten, „Wir waren sechsuudfünfzig Tage auf dem Äiiarsche. Fast au jedem der letzteren Tage blieben in den Garnisous-örteru, die wir passirteu, einige zurück. Denn es war nicht der Wille der obersten (Gewalt, das; die Verschwörer beisammen bleiben sollten. Endlich langten ich und ein Jüngling, den ich später überaus lieb gewann, in unserem ^e stimmuugsorte an. „Ich war so heruntergekommen, daß Anfangs die Ruhe, die ich iu der Kaserne genoß, die Ordnung uud Regelmäßigkeit, in welcher alle Thätigkeit abgemacht, nach welcher die wenigen Bedürfnisse eines geineinen Soldaten befriedigt wurden, mir und meiuem (Genossen wie eine Er holung vorkam. „Bald sollte uns das anders werdeil' ichwurdewegen eines leichten Fehlers, der meiner noch großen Nnkenntniß des Dienstes entsprang, ,zn einem Detachemcnt versetzt, welches in einem elenden Dorse lag. Dadurch wurde ich von meinem unglüälicheu Freunde getrennt. Während der drei Jahre, in denen ich in jenem traurigen Orte alle Oede des Kasernenlebens durchmachen mnßte, kam ich geistig immer weiter herab. Mein Zustand grenzte an Stumpfsinn und ich weiß nicht, was ans nur geworden wäre, wenn nicht ein mitleidiger Hanptmann nach Verlauf dieser Zeit meiue Rückversetznng durchgesetzt hätte. Dort hatte ich, wenn ich auch mit deu Gemeinen des Neginientes mich gar nicht ver-stäudigeu konnte, und Offiziere wie Nuteroffiziere meine Au- 157 nähernng mieden, wenigstens den Trost, meinen Vands-uiauu — als solchen betrachtete ich ihn — an meiner Seite zu haben. „Su vergingen noch fünf Jahre des Eleuds nnd der Knechtschaft. Da war eine Katastrophe, die meinem Geiste, wie meinem Körper eiugegrabeu bleiben wird, die Veran-lassnng znr Äefrcilllig. „Man hatte mir etwas als groben Fehler angerechnet; ei>le Bagatelle, ich will Sir daniit nicht langweilen. Der erst vor Knrzcm aiigekommenc nene Oberst erkannte ans Gassen — das heisst Svießrutheulaufcn. Mehrere Offiziere hatten den Muth, sich für mich zu verwenden, es half nichts. Es wurde gestattet, das; man mir Handschuhe über die Schnltern legte, damit sie weniger zerfleischt wurden. Noch höre ich das eintönige Geheul der Trommeln, welche unablässig gerührt wnrden, bis ich niedersank. Nach einigen Gängen brach ich zusammen. Voll den mir zugedachten Hieben, wnrde mir jedoch keiner geschenkt. Ohnmächtig wie i«,l) war, wnrde ich auf eine Bank gebunden. Die Soldaten mußten so oft cm mir vorübergehen, als ich es noch au ihnen hätte thuu sollen, uudmuszteu mich mit Gerteu schlageu. Hier" — sagte Vazika mit unheimlicher Gebcrde seinen schwarzen Nock am Aermel znrnckstrcifeiid — „scheu Sie!" Ich erblickte Narbeu, die wie bläuliche Natteru über deu Vorderarm sich dahiuschläugeltcu. „So ist mein Veib", sagte Vazika. „Welche Eindrücke die Geißelung meiner Erinueruug — doch ucin," sagte er hinzn, „Gott ist die Viebe! „Ich lag mehrere Wochen fiebernd im Vazareth. „Kaum war ich hergestellt und tonnte ohne zn große Schmerzcu wieder Gewehr uud Tornister trageu, ließ mich 15« der Oberst zu sich kommen und eröffnete mir, ich sei dnrch die Gnade Seiner Majestät trotz meiner Ilnwürdigkcit, vou der ich erst neulich ein Exempel gegeben, des Militärdienstes entlassen und tünnc mich nach Hanse begeben. „Ihr habt wohl schon sagen gehört", fnhr Lazita fort, „daß auf Gefangene, die über eine bestimmte Heit hinaus im Kerker festgehalten werden, die Antiiudignng der Freiheit oft unr wenig Eindruck hervorbringt. Ist eine Neihe von jammervollen Jahren vorüber, so befindet sich der Elende in einem solchen Zustande, daß er nicht plötzlich — sei ei? auch durch Verkimdnng — hohen Glückes — sondern nach und nach zur Theilnahme angeregt werden muß. „Tic Springfeder ist gebrochen. Anch bei mir war sie vernichtet. „Mein erstes Gefühl war ein schmerzliches über die Trennung vou meinem Frenude, dem die Thränen in den Augen standen, als ich ihm mein „Glück" ankündigte, Uuser Abschied war herzzerreißend — ich habe ihn nicht mehr gesehen. Jetzt richt sein gequälter ^eib wahrscheinlich längst in der scythifthen Erde. Gott, dessen alle Erde ist, wird auch ihn in seineu Händen tragen." Ueber dieWangc des armen Priesters rann eine Thräne. Das alte Meer rauschte sein Amen dazu herauf. Er schwieg eine Weile uud ich schaute tief bewegt hiu-aus in deu eudlosen Himmel, iu die Sonnenstrahlen, die durch das dunkle Oellanb zu Füsieu des Hügels auf die braune Erde sielen und auf die fcrucu blauen sselsrücken des selig glänzenden Meeres. Dann fuhr er fort: „Das Wert, welches Pater Enphemins zn Padua begonnen, das meine Leidenschaft uud die folgenden Schick^ sal« unterbrochen hatten, war in der Vereinsamung des 153 fremden Bandes herangereift. Müde richtete ich meine Bücke nach oben — hier hatte ich nichts mehr zu finden. Ich selbst ein Mühseliger, wollte mich dem Berufe widmen, die Mühseligen zu trösten. Ich beschloss Priester zu werden. „Vorerst wollte ich uoch meine Mutter und Schwester sehen, von denen ich als Soldat manchmal Briefe erhalten hatte. Sie waren noch in Belgrad. Arm wie ich war, machte ich mich durch Siebenbürgen und das Bauat zu Fuß auf den Wcg. „Ich kam bis !i?rawizza. T^ort beniachtta.tr sich ein Fieber meines Körpers, der durch die Anstrengungen entkräftet war. „Ich lag lauge in einem Spital. „Meiner Mutter wollte ich, um ihr uicht das ganze Elend aufzudecken, nicht schreibeil. „Wohl aber hatte ich mich iu Nagusa erkundigen lassen, wie es mit dem Neste mciucs Vermögens stehe. Es war noch da. Der Kaufmann, der es verwaltete, theilte mir mit,, es freue ihn, wieder etwas von nur zu höreu. Er hatte mich seit acht Iahreu für verschollen gehalten. Es mußten also die Briefe, die ich während meiner Dienstzeit in dieser Au-gelegeuhcit geschrieben hatte, unterschlagen worden sein. „Endlich tam ich in Belgrad an. Unser Wiedersehen wurde getrübt durch das Erstauueu meiner Mutter, mich so abgehärmt wiederzusehen. „Nach einem dreimonatlichen Aufeuthalte reiste ich, von Segenswünschen begleitet ab. Zuerst besuchte ich meine Heimat — dauu giug es dem uur von Gott angewieseneu neuen Berufe zu. Ich meldete mich zur Aufnahme iu das Priestersemiuar zu U. Sie wurde mir gewährt. „Als ich bei einbrechender Dämmenmg die lange Allee von Trauerweiden, die zu fener malerisch am Fuße der Alpen gelagerten Stadt führt, mit den crinüdelen Pferde«: langsam hinfuhr, traten mir die Schatten, die sich anf die Erde zu legen begannen, wie entschwnndene Gestalten meines Vcbens vor die Seele. Mein Vater, meine Freunde, mcine — nein, sie war es nicht! sie winkten mir entgegen. Mich aber schleppte der Wagen immer näher uud näher dahin, wo das Nothwendigste, das Vergessen des Vergangeneil und das Hoffe» auf das Znkünftige war. „Was soll ich Euch von den vier Iahreu, die ich iu jenen Maneru zubrachte, erzählen? Ich war in der That allen« Irdischen entfremdet. „Als ich zum Priester geweiht war, hatte ich an nieinen Dberhirten nur eine Bitte: die, mir ein Seclensorgeramt in der allergrößten Abgeschiedenheit zu gewähren. Er schickte mich auf diesen Felsen. Die llcbcrliefernng erzählt, daß die Kreuzfahrer, ans dem heiligen ^andc zurückkehrend, hier ihre Aussätzigen anstand brachten. Hier bin ich, hier bleibe ich, hier halte ich mich selbst gefangen. Das Meer, das diese Insel umrauscht, führt zwar hiuaus in die Welt — aber es führt zu Menschen, das heißt zu Elend. Hier lebe ich iu meiner Beschränktheit rnhig nieine Tage fort. Ich arbeite für den Herrn, was ich taun, ich unterstütze uud tröste die Armen, welche unser Eiland bewohnen, wie es mir meiu Amt auferlegt. Dein Neich komme' Das ist mein tägliches Gebet.---------" ^azika vcrstnmmte. Wir standen auf u»d schritten laugsam über den Hügel unserem Hause zu. Oft bliebeu wir stehen uud schautcu über die Nosmarinbüsche des Ge-tlipvcs stillschweigend hinaus auf die weite See. Dauu lenkten wir wieder, jeder iu seineu bedanken versenkt, «uscrc 161 Schritte weiter. Wir hatten nicht ein Wort gesprochen, Oft lac; mir die Frage nach Darinta auf der Zunge, doch war mir das Schweigen dieses Mannes ehrwürdig. Als wir zu Hause bei Tische saßen, sagte das schöne Mädchen: „Ich frene mich, was Lnigi sagen wird, wenn er mich wieder sieht. Wenn sie ihm nur nicht gesagt haben, baß ich irrsinnig bin, die bösen Menschen. O, wenn ich ihu sähe, ich wäre wieder klug. Wie werde ich ihn zanken, daß er mich nie besncht hat! Er wird glauben, ich sei böse! O und wenn er es dann so recht meint, so werde ich ihm um den Hals fallen". Ein dnrchdringcnder, starrer Blick Lazika's hemmte sie inmitten ihrer Rede. Sie schlug die Augen nieder, klopfte uiit der Gabel auf den Teller, wie ein Kind, und fragte mich, wie ich heute geschlafen hätte. Ich antwortete Anfangs, durch ihr Benehmen verwirrt, etwas linkisch. Bald aber knüpfte sich das Gespräch lebendig, wie gestern, an. Sie saug wieder Lieder, erzählte mir Geschichten und Abeuteuer vou den Ilfern der Rcssawa. Auch ich wurde mittheilsam, ich sprach ihr vou mcineu Freunde» uud vou meiner Heimat. Sie fasite Alles leicht und belustigte sich. Bon Zeit zu Zeit uur wurde ihre Miene etwas düsterer. Dauu schielte sie uach Gawro uud schaute auch mich wie frageud au. Wir treuuteu uns spät. — — Am nächsten Morgen, der wieder in wunderbarer Klarheit über dem südlichen Laude leuchtete, führte mich Lazit'a, ernst gestimmt, nach einer anderen Richtung. Wir Nmgcn lang ohne zu steige» am Ufer des Meeres fort. Endlich bogeu wir ein. Wir standen vor einer kleinen 162 Schlucht. Ich sah über einem weißen Stein eine Nebe, die sich um eine Föhre schlang, wie auf dem (^rabc des leider berühmten Galio Tcnnitsch. Auf dem Steilie aber stand geschrieben: moj«) m^joi (meiner Mutter.). Ich begann den Zusammenhang zn fassen. „Hier habeich", sagte Lazika, „meiner Mntter ein Kenotaph errichtet. Sie schläft freilich weit fort an der Donau, aber mir ist es, als ob sie hier läge. Es ist mein liebster Sftaziergang, meine schönste Erholung. Ich glaube, fuhr er weicher fort, so sollte es jeder Mensch halten. Die Stätte, wo der schläft, der ihn am meisten geliebt hat, und sei es uur eine angenommene, uur ein Ort der Erinnerung, wie diese, sollte eines seiner größten Heiligthümer sein. Die Rebe, die sich um den Baum schlingt, ist ein Sinnbild der Liebe. Weht mich ja doch hier ein Hauch des einzig wahren und ewigeu Geistes an — der Odem der Liebe." „Ich wußte nicht, daß Ihre Mutter todt sei", warf ich uach einigen Augenblicken dazwischen. „Sie starb im zweiten Jahre, das ich im Priester-seminar zubrachte. Sie hat die Leidensgeschichte ihres Sohnes nie erfahren. „Ich war schon drei Jahre auf dieser Insel, da schrieb ich meiner Schwester, die noch immer beim Onkel in Velgrad wohnte, was mit mir geschehen war. „Ich theilte ihr mit, daß ich katholischer Priester anf dieser Insel sei, und bat sie, die weite Reise nicht zu scheuen uud mich einmal zu besuchen, denn ich sei zu vereinsamt und sehne nnch, wieder eines der Meinigen, deren letztes sie war, zn sehen. „Nach uier Wochen kam das Kind hier an. Sie er- 163 wähnte keiu Wort von nun^„i „eucn Glaube», meinem »enen Staude. „Sie freute sich über men, Haus, m^v Einrichtung und versprach mir, während ihresHierseins eine gln^clus-frau spielen zu wollen. „Das dauerte so mehrere Tage, währcud welcher Zeit ich oft über das Unrecht nachdachte, das ich beabsichtigte, indent ich wünschte, sie längere Zeit um mich zu behalten. Ein junges Mädchen dieses Alters darf nicht in einem Kerker wohnen, wie ich, der ich mit dem Leben abgerechnet habe, so dachte ich mir. Ihre Bestimmung ist Gattin und Mutter zu werden -— und sie dieser entgegen zn führen, dazn war hier keine Möglichkeit. „Ich begann, an Trennung nud Oeschiedensein gewöhnt, bereits wieder au Mittel zu denken, wie sich diese meine Absichten verwirklichen ließen, als sie mir eines Tages erröthend anvertraute, sie habe einen Vräntigam. Sie habe nüt den Verwandten des Onkels öfter Bälle besncht, welche 5ne Offiziere zn Semlin veranstalteten. Dort habe sie ihren GeliMen kennen gelernt, der noch sehr jnng, aber reich und s° liebenswürdig fei, daß keine Gewalt der Erde mehr sie werde von ihm abspenstig machen. Auch er liebe sie lttnig. Er habe eben jetzt nach Italien, seiner Heimat, geschrieben, um dic Znstimmung seiner Eltern zn erlangen, ^r habe durchaus nicht haben wollen, daß sie ihren Bruder besuche, nnd habe sich erst bei ihrem festen Versprechen, bald wieder zurückzukehren, beruhigt. „Darauf ging sie fort. Sie zeigte mir eineu Brief, er war voll der glühendsteil Liebesuersicherunge». „Ich las die Unterschrift: LuigiL. „DerBrief entfiel meinen Händen. Ich war starr vor 11" 164 Entsetzen. Herr, Dein Gericht ist unbegreiflich! Mein ehemaliger Zögling — ber Ssirossc eines verfluchten Geschlechtes, d« Äruder — ich konnte nicht mehr, ich war ohnm^tig. „Die ThräuenDariuka's, welche auf meineStirne fielen, erweckten mich. Sie schluchzte. „Was habe ich dir gethan, mein Bruder? O, ich Unglückliche! „Ich tröstete sie mit einer Lüge. Ich sagte, es überkämen mich öfter Anwandlungen solcher Schwäche. Tarauf versprach ich ihr, Ferneres über die Sache mit ihr zn verhandeln, uud ging auf mciue Kammer. „Der Bruder einer Nina sollte des reinen Herzens Da-rinka's würdig sein? Nimmermehr! Diese Brut kauu uur AnHeil bringen. „Ich rang die gauze Nacht mit mir selbst. Der Abscheu vor den Verräthern kämpfte in mir mit dem Streben nach dem Glück des einzigen Wesens, welches mir auf der Welt noch am Herzen lag. Der Streit war schrecklich — endlich siegte die Selbstverläuguung. „Gott hat vielleicht gewollt, dasi der Bruder durch Liebe fühnt, was Vater uud Schwester durch Bosheit gesündigt haben, sagte ich zu mir selbst. „Jetzt sprach ich mit Dariuka. „Ich sagte ihr etwa Folgendes: Das unstäte Lebeu eiues Soldaten fei weniger geeignet, hänsliches Glück zu grüuden, als eine andere Lebensstelluug. Ich würde aber Alles aufbieten, um sie zu unterstützen. Daranf stellte ich ihr die eigene Unerfahrenheit vor und schloß damit, daft ich die Hilfe, die ich ihr bieten werde, vor meinem Gewissen erst 165 verantworten könne, wenn ich Weiteres über ihren Bräutigam würde erfahren haben. „Sie lächelte und gab sich zufrieden. — „Drei Monate später hatte ich die Gewißheit in den Händen, daßLuigi ein würdiger Sprosse seines Hanfes war. „Eines Abends that ich den verhängnißvollen Schritt und legte Darinta die drei Vriefe vor, die ich von verschiedenen Renten zn Semlin über ihn erhalten hatte. „Der Inhalt dieser Briefe brachte leine Wirknng auf Darinta hervor. Sie erklärte Alles für Verleumdung und ^eid. Sie sagte, jener Mann, welcher den peinlichsten der drei Briefe geschrieben, gönne ihr daö Glück, Luigi zu besitzen, nicht, weil er selbst eine Tochter habe. Vergebens stellte ich ihr uor, dasi ich von einem Verlöbnis;, von ihr und allen diesen Dingen nicht eine Zeile erwähnt hätte. Sie wendete dagegen ein, diese Leute wüßten Alles nnd ich sei der Betrogene. Dabei wurde sie leidenschaftlich nnd endlich gelobte sie, niemals von dem Verleumdcteu lassen zu wollen. „Iu dieser Noth glaubte ich, ihre Rettung darin zu sin-°en, das; ich sie in die Familiengeschichte dieses Menschen ln so fern einweihte, als sie mit meinen eigenen tranrigcn Schicksalen verflochten war. „Ich hoffte, damit zuerst einen gewaltigen Stnrm, so-ann Gleichgiltigkeit hervorzubringen. Es war ein gewagtes Kittel, aber das letzte. „EinesAbends nuuerzählte ich ihr meiu eigenes Leben on dem Tage au, au welchem ich im Vaumgange zu Pa- dua die Schwester zum ersten Mal gesehen, bis zu dem, an welchem ich im Kasernenhofe mit Nnthcn gepeitscht wurde. „Ich konnte Darinka nur am Anfang dieser Erzählung ansehen. 166 „Von dem Augenblicke an, in welchem ich meine Verfügung aus L.'s Haus berichtete, ahnte sie die schreckliche Entwickelnng. Mit anfgerissenen Augen, mit athemloseu Lippen saß sie da — eine Bildsäule des Entsetzeus. „Ich hatte ansgesprochen nud sie starrte mich noch inuner an. „Plötzlich legte sie ihren Kopf auf das Kissen des Divaus. Ein langes Schluchzen — daun raunen die Thränen nnanfhörlich. Ich war in Verzweiflung — es rente mich Alles, was ich gethan hatte. „Die Krankheit ihrer Liebe war geheilt, aber das bren-ueude Eisen war zu tief gcdrnugen. „Als sie von den Mägden in ihr Bett getragen wurde, hörten diese sie murmeln: „Du hast nicht gewollt, o Gott!" „Als ich am nächsten Morgen ans der Kirche zurück kam, stieg sie ebeu die Treppe herab. Sie umarmte mich und dankte mir, dasi ich sie so glücklich gemacht habe. Sie lachte wie ein Kind. „Mir wnrde es nnheimlich zn Mnth. Ich sah sie genauer an uud gewahrte feneu scheuen, seitwärts gcwaudteu Blick, deu Sie bemerkt haben werdcu. Sie war wahnsinnig. „Nur dreimal sah ich ein Bewußtsein, eine Erinnerung mi den Unglücklichen in ihr anflenchten, der den ^rnnd ihres Verhängnisses gelegt hat. Es war jedes Mal, so oft mich Fremde besnchten. Sie sind der Dritte. Bon diesen glanbt sie, sie führten sie ihrem Vräntigam zn. Bon einen: meinte sie sogar, er sei von ihm nach ihr geschickt. „Sie sperrte Sie ein, damit sie während IhrerAnwesen-heit Zeit gewönne, ihre Hochzeitsansstattnng, wie sie es nennt, einzupacken. „Sie will mit Ihncn zn Lmgi, der in der Blüthe der 167 Jugend gestorben ist. Hätte ich manchen Negnngcn meiner Schwäche nachgegeben, so wäre sie jetzt mit ihm verloren, an Leib und Seele verloren. Ein einziger Blick von mir bändigt sie. Ich weist nicht, wie das ist, aber dann scheint sie irgend ein unbestimmtes Gefühl ihres Irrsinns nnd der Nothwendigkeit des Gehorsams zn überkommen.-----------" Ehe ich am nächsten Abend das Felsciland verlief?, waren Gawro, Darinka nnd ich zn einem Abschicdsmahle versammelt. Hell funkelten die Kerzen in den Wein, den bei dieser feierlichen Gelegenheit Silberbccher faßten. Darinka war heiter nnd schien nicht an ihren Luigi zu denken. Wir beide schwiegen. Ich glaube, jeder von uns sann darüber nach, wie alles Leben ewiges Kommen, ewiges Verabschieden ist. Die Fluth der menschlichen Bestrebungen hatte uns au einander geführt. Ihn ließ sie hier zurück, mich trug sie weiter. Als ich sieben Jahre später wieder an einem Iauuar-lage nach Lazita und feiner Schwester fragte, wies mau mich nach der niedrigen Mauer des Kirchhofes. Hart an dieser befindet sich ihr Grab. Es ist ein Noseustranch dar auf gepflanzt, der zugleich Knospen, Blüthen nnd rothe ^Nichte trägt, als sollte dadurch das wandcllose Leben iu-nntteu der Vergänglichkeit angedeutet werden. Zwei Kreuze ohue Inschrift bczcichneu die Stätte. 9tiugs herum auf der rothen Erde wuchert der blaublüthige Meuthastrauch. So viel hat sich dort iu siebcu Iahreu geäudert. Gerade so aber wie damals schlug die tiefgrüne Welle "n den gelben Kalt der jäh abfallenden Küste. Gerade so veilchenroth glänzten die Gebirge des Festlandes im Abend- 168 strahl und, nachdem sie schueebleich geworden waren, schielt die ewige Meerfluth den vielfarbigen Schimmer in sich aufgenommen zu haben, welcher jene nach kurzen: Verweilen verlassen hatte. Mistes Capitel. Dalmatische Landschaften. Wenn man längs des „Canales von Zara" zur alte», halb in Trümmer verwandelten Bischofsstadt Nona nordwärts wandert, geht man nahe der Stadt durch Olivengärten und Getreidefelder, in weiterer Entfernung aber durch Haiden, auf welcheu Büsche stehen, die den Hirtenknaben nicht bis zur Hüfte reichen und über welche die wol-ligeu Nucken der Schafe überall hinwcgschancn. Manchmal lodert eine hohe Flamme, bei welcher die Schäfer, unbekümmert um die Gefahr eines Brandes; ihr Mahl kochen, über das vergilbte ssaub oder über die grünen Nadeln der Wachholderstandeu eniftor. An noch mehreren Stellen aber zeigen die verkohlten Ueberrcstc von Büschen nnd zusammengetragenen Zweigen die Zahl der geselligen Fener an, welche vor kürzerer oder längerer Zeit an der Zerstörung des spärlichen Wuchses arbeitete». Wohl steht, der eine vom auderen durch weite Entfernung getrennt, noch hie nnd da ein höherer Buchcnstamm über dem niedrigen Nachwnchs. Doch ist selbst dieses Uebcr-bleibsel aus einer Zeit, in welcher der Steinboden noch reichlicher beschattet wurde, nur ein trauriges Denkzeichen. Nicht nur die gelbe Straße durchzieht das weite Ge- 169 filde, sondern auch zahllose Wege zwischen den Gärten und Weideplätze», zwischen dein Gestrüpp uud den offene» Trümmerhalde». Die meisten dieser Wege schlangeln sich zwischen Mauern von lose aufeinander gelegten Steinen hin, welche aus den Pflanzungen hinter ihnen zusammengetragen worden sind. Auf diese Wege werden alle Steine hinausgeworfen, welche der ^andbebauer von seinem Grunde entfernt. Es ist deßhalb nirgends ein mühseligeres Gehen, als innerhalb solchen Gemäuers, an welchem sich, mu den eugen '^fad noch schwieriger zn machen, in üppiger Fülle Dornhecken angesiedelt haben. Es ist in diesen Hohlwegen zwischen den Mauern überall der nämliche Anblick, Vor uns die graue» Steinhaufen, hinter ihnen der Oclhain und über ihm das Weiß der Gebirge. Wir kommen an einem Dorfe vorüber. Es ist ein Feiertag. Auf einem großen Steiuhaufeu uebeu der Kirche sitzen die weiß und roth gekleideten Weiber und auf dem schmutzigen Voden nebenan tanzen Dirnen in bunterem Gewände den einförmigen Kolo. Dabei stoßen sie ein wüstes Geheul aus, welches einer uuuuterbrocheuen Weheklage seicht, die aus uächtlicher Ferne in nnscre Ohren dringt. Wieder einige Schritte weiter ist weißes Stroh über eu Boden hiugestrcnt, welches den armen Thieren des dür- l-'en Landes vielfach das Heu ersetze» muß, woUou sie iu vasser- und triftreicheu Gegenden genährt werden. In 'l!em Stroh wühlen Rinder, Schweine und Hühner ein- Mächtig umher. In ziemlicher Entfernung, von der Straße ostwärts, uegt ein Snßwasscrsee, dessen Ufer zwifchcn gelbem Röhricht 170 versumpft sind. Rings um ihn her dehnt sich schon endlos die Steiuhaide aus, nur von Schafen belebt, welche in dem ungeheuren Revier hin- und herwauderud die kurzen Halme zwischen den Felsen aufsuchen. Besonders wird diese Oede noch durch das hohe Grenzgebirge verdüstert, welches mit seiueu grauen und des Pflanzenwuchses entblößten Abhängen wie eine uubewcgliche Gewitterwolke den Gesichtskreis verhüllt. Vor uus steigt der Vodeu sanft zu weißen Steiukup-veu au, über dereu Nuuduug der schwarzblaue Scirocco-himmel aufliegt. Keine Bewegung weit uud breit — nur ein Schiffleiu auf dem duukleu Meere, die Nufe der Hirten in der sseruc. Das einzige ^'ebeu auf dem weißen Grunde, so weit das Auge reicht, ist das Gras, welches auf der Strafte wächst. Sonst reguugslose Wüste. Ein Gegenstand schimmert noch weißer, als das Steiufeld! es sind die Trümmer eiues fcrneu Hauses, die iu der Sonne glänzen, uud die eiuzige Uuterbrechuug der blendenden Wüstenfarbe ist der uugeheuerliche Schatte» des Wauderers, welchen die niedrige Wintersonne über die Steine hinwirft. Wenn man eine solche Wüste durchwandert hat, dann erfreuen selbst die dürren, raschelnden Büsche wieder das Auge. Welche Schrecken mag eine Sommerreise durch diese wasscrlose, flammende Oede bieten! Ich erinnere mich eines Tages, a» welchem die Haide vor Nona ein Bild darbot, welches in solcher Erhabenheit nur eutsteheu kann, wenn das Ange mit einem Blick drei erhabeue Diuge, das Meer, das wüste Land nnd das hohe Gebirge zu umfassen vermag. Es war Abend und über den schwartn Scoglien von 171 Eestrugu, Melada und Isto hatte sich cm unabsehbares Gebirge von goldigen Wolkengipfeln angehäuft. Sonst war der weite Himmel überall von Gewitterwolken überlagert und der hohe Zug der dinarischen Alpen konnte nur an manchem rosarothen ssleck erkannt werden, welcher durch eine ^ückc der Wetterwand hindnrchlenchtctc. Weit draußen am Meere glänzten braun nud golden niedrige Vandznngcn in der Fluth uud jenseits grauer Buchten. Neben mir aber that sich plötzlich eine Pforte ans, deren Wölbung weit über das höchste Gebirge emporragte: es loderte ans der gelben Haide, ans welcher alle die feuchten Steine im Abcndlichtc glänzten, mit einem Mal ein Doppel-Hlcgenbogrn auf, so nahe, daß seine vielfarbige Wamme durch einen Wurf erreicht zu werden schien lind der Kopf meiner Schatteilgestalt sich innerhalb seiner Wölbung auf dein goldgelben Bodcn bewegte. Sturmvögel, dereu Fittige mitunter, wie Schaumkämme, im grellen dichte weißlich blitzten, flogen unter ihm hindurch in den Himmel hinein, welchen der wandelnde - Vorhang des fcruen Wetters abschloß. Da, wo der Bogen ans der Erde in den Wachholdcr-I'üschei, aufzustehen schien, gingen die äußersten Aeste des ^tranches, vielfarbig brennend uud züngelnd, wie ein Flam-U!cnstrom in das Wesen des himmlischen Gebildes über. Je mehr sich die Sonne dem Rande der Scoglien näherte, desto höher hob sich der Bogen von der Erde und desto undeutlicher wurde manche Farbe in seiner Wölbung. Bald brannte nur mehr hoch in den grauen Dünsten ewe veilcheurothe Flamme uud uach kurzer Zeit erlosch auch öiese. Nunmehr aber begannen die dichten Woltenballen 172 sich mGluthröthe anzufachen nnd bald brannte es über den schwarzen Mauern, als ob der Feuerkeru der Erde aus ihren Graten hervortreten wolle. Im Scheitelpunkte aber, am klaren Himmel, schimmerte die Mondsichel. Bei derReinheit derLuft in diesem südlichen Lande ist auch schwachen Augen der dunkle Theil der Kugel, vom Erdschein matt erhellt, vollkommen wahrnehmbar. So sah es am Abend in dieser Wüste aus.-------- Hie und da findet man auf der Straße nach Nona Wachholdcr- und andere Busch-Anpsianzuugen iu Vierecken, durch Mauern gegen die Nnthaten der Hirten uud deu Hunger ihrer Pflegebefohlmeu geschlitzt. Es sind die kleinen Anfänge einer Wiederbcwaldung, die neben Menschen uud Thiereu uoch den Sonnenbrand, deu Wassermangel und die ungebändigten Stürme zu gefährlichen Feinden hat. Jetzt, iu der winterlichen Regenzeit, erhält sich freilich manche Lacke in den Mulden des Karstbodens nnd die Sümpfe vor Nona, in welchen zur Sommerszeit ans dickem Koth gefährliche Fieberdünste steigen, sind überall von trübem Wasser überfluthet. Es gibt wenig Städte, welche von außen betrachtet, eilten so trübseligcu Anblick gewahren, als dieses Nona. Ueber das Sumpswasscr, welches die grauen Manern umgibt, führt eiue steinerne Brücke. Rings den Mauern entlang steht braunes Riedgras. Links dringt der Vlick iu die seichte Mecrbucht, jenseits welcher sich die Berge von Pago erheben, nud rechts über die trostlose Oede, die sich bis zum Welebit hin fortsetzt. Vor der Stadt erhebt sich auf emem Hügel ein zertrümmerter Thurm, der mit allerlei düsteren Türkenlegendeu in Zusammenhang gebracht wird. Weu» mau das uiedrige Thor mit dem Beuetianer 173 ^öwen— dessen Wasserumgebung, dessen Verwitterung und Aehnliches stark an den Eingang in die Stadt Trau erinnern— durchschritten hat, so steht man in einer schmutzigen Gasse, in welcher besonders der Gegensatz zwischen den weißen nencn Hänsern und zahlreichen Nnincu nnd altem Manerwerk auffällt. Dieses Manerwerk — der Ueberlieferung nach soll es von nicht weniger als vierzehn zerstörten Kirchen herrühren — nimmt fast so viel Namn ein, als die bewohnten Gebäude, nnd gibt der Stadt ein Gepräge, welches sicherlich einzig in seiner Art ist. Hier ein Wohnhaus mit grünen Fensterläden nnd rothem Ziegeldach, nebenan ein mächtiges Mauerwerk ohne Dach, ohne Fenster, ohne Gebälk — dieses Schanstück wiederholt sich fort nnd fort iu der alten Ansiedelung. Welcher Aufeinanderfolge von Mord und Brand, von Blutvergießen nnd Verheernngen das arme Nona solche Eigenthümlichkeit verdankt, das lese mau in den Geschichtsbüchern nach. Das Land Dalmatien ist mcht miuder arm an Erinnerungen solcher Gränel, als die Ueberlieferungen sämmtlicher Südslaven. Dieses Volk war von jeher das unglückliche Vollwerk des Abendlaudes gegeu das blutgierigste Volk der Erde, nnd wer über manche Erscheinungen seiner heutigen Verwahrlosung uud seiueö Elendes vcrdam-wend den Kopf schüttelt, der erinnere sich daran, daß der Türke seine Ausicdclnngen Jahrhunderte laug mit der Brandfackel licdroht nnd der Venetiancr Kaufherr dem Ackerbauer ein Herr war, der zu Zeiten nicht weniger Fluch auf sich lud, als die Mordbrenner vom Altai.-------- Ich nahm in Nona, wie überall, meine Zuflucht zu "en Gensdarmcu, die ein reinliches Obdach gewähren. Ihr Befehlshaber, ein alter graubärtiger, mit einem Verdienst- 174 kreuz geschmückter Lombarde aus Pavia, geleitete mich hinaus auf die Landzunge von Brevilaqna, wo er in einer jämmerlichen Hütte Nachforschnngen nach einem Todtschlag vorzunehmen hatte, der hier vor wenigen Tagen verübt worden war. Nicht weit davon entfernt bemerkte ich ein Haus, in welchem zu meinem Erstanncn die Menschen das Erdgeschoß, die Rinder aber das erste Stockwerk bewohnten. Es war lustig anzuschauen, wie drei oder vier von diesen, hinter ihnen im Gefolge Schweine, die Treppe hinaufstiegen. Es geschieht das, wie mir ein Bauer sagte, aus Furcht vor Diebstählen. Wir haben in Biljan gesehen, in welcher Weise die Mauern des Erdgeschosses verstärkt werden mußten, um die Diebe abzuhalten, eine Bresche zu brechen. Sinnreicher ist ohne Zweifel und sicherer die andere Einrichtung. Aufklärung, die den absonderlichen Brauch wohl in manchem Falle zutresfcud erläutert. Er meinte, viele Mäuner flöchten sich die Haare nur deßhalb in jener Weise zusammen, damit man deutlich erkenne, daß die Träger noch niemals wegen eiues Verbrechens im Gefängnisse waren. Denn in den Strafanstalten schneidet den Zopf das Messer nnerbittlich ab. Unter einer Bevölkerung, in welcher es so viele Unheilstifter gibt, mag deßhalb der Zopf wohl wie ein glttcs Leu-mundszengniß oder ein öffentliches Ehrenzeichen betrachtet werden. Bei Gelegenheit der Begleitung durch den wackern Lombarden machte ich anch die Bemerkung, daß mehrere Personen, insbesondere Weiber, welche uns entgegeu kamen, sich bei unserem Anblick bekreuzten. Späterhin erfuhr ich, 175 daß ich da nur etwas Alltägliches beobachtet hatte und daß es in vielen Dörfern Sitte ist, beim Anblick eines Städters,. namentlich aber einer uniform — kurz eines „Herren" — zum Schutz gegen den bösen Feind, gegen das Wunderliche, Fremde und Seltsame, das der Fremde für den armen Mor- laken an sich hat, das Zeichen des Krenzcs zn machen. Ich halte diesen Brauch, so sehr er anfänglich violleicht lächerlich scheint, für ein Zeichen, welches Mitleid und noch Anderes erregen musi. Was hat in Wirklichkeit der kümmerlich lebende Mensch dicserFelsküsten von den Kaufleuten, den Soldaten, beu Negierenden Anderes gesehen, als die Nothwendigkeit, chnen Steuern au Blut und Besitz zu bringen, ihnen, die anderer Sprache nnd audereu Glaubens sind? Wären die ^ensdarmcu nicht, ich wäre sicherlich in Verlegenheit, wenn ich die Vortheile aufzählen sollte, die diesem Volk aus dem imstande erwachsen sind, das; sein Fürst unter audereu "buigskrouru auch dic des Inselreiches trägt.------- Wendcu wir uns ab vou dem wenig erquicklichen Vilde und versetzen wir uns anf ein Schiff, welches mit volleu Segelu, die der Macstral bläht, den Kanal von Zara hinab gegen die Scoglien von Sebcnico hinrauscht. Es hat Wein "cm der Insel Cnrzola nach Trieft gebracht nud fährt nun^ wehr mit Getreide, welches die Schiffer an den Mühlen, "le von den Wasserstürzcn der Kerta getrieben werden, Wahlen lassen wollen. Es ist Morgen--das heißt, die Sterne beginnen urplötzlich vor dem Schimmer zu verschwiuden, welcher über ^e bosnischen Gebirge heraufdringt. Nur mehr iu weiter ^erue des Westens jenseits der Scoglien, anf dem offenen Meere, wallt das Meer noch in der eigenthümlichen finsteren Bläue, die ihm die Dämmeruug verleiht. Noch brennt auch 176 die Laterne auf dem Deck und der Patron der Varte schläft im Strohlager, das er sich zwischen feinen Säcken zurecht gemacht hat. Wenige Fahrten bringen eine folche Menge von Sco-glien in unsern Gesichtskreis, als diese. Da ist zuerst, wenn Nglian mit seiner höchsten, burg-gekrönten Knppe auf der „Sciroccoseitc" hinter uns liegt, das langgestreckte Pasman, dessen höchste Spitze den Berg der Nachbarinsel sicherlich noch um eiu Bedeutendes überragt. Bald aber, so wie wir die Höhe der wiuzigen Au-siedeluug „Torre" am Festlande erreicht haben, tauchen auch Me eigenthümlichen winzigen Eilande auf, vou welcheu manches nicht grösier ist, als eiue der zahlreicheu Fischerbarken, die zwischen ihnen hin und her segelu. Andere aber durchziehen den Meerkaual wohl auf die Strecke eiuiger hundert Klafter und über ihre sanften Hügel scheinen die huhen Kuppen von Pasmau, welches abermals durch eineu Kaual uou ihuen getrenut ist, so kuapp aufzuliegen, daß die Täuschung entsteht, als ob zwischen ihnen nnd der langeu Insel kaum eine Schafheerde, geschweige denn ein Arm, des Meeres Naum hätte. Da entwickelt sich ein echt dalmatisches Pauorama: Der Scoglio mit zertrümmertem Hanse gerade vor Torre und gegenüber von Merljan, dem Dorfe auf Pasmau — fernab im Südeu nichts als unendliche Kuppen und spitzige Oipfel, die aller Orteu aus dem Meere empor ragen — dann Viograd, die „weifte Stadt" (Zara Vecchia) mit Häusern und Mauerwerk, die eiu Hohn auf seineu Nameu sind—hinter der „weißen Stadt" ansteigend ödes ^aud und an seiuem Räude, scheiubar in weuigeu Stunden zu erreichen, der silberfarbige Welebit in vollem Schnecglanz. 177 Falten in bläulichem Silberschein unterbrechen seinen geradlinigen Wall wie grüne Falten hier die Oelhänge von Pasman. Auf Pasman bemerken wir eine Bildung, die uns im dalmatischen Inselreiche selten aus den Augen kommt, jene wellenförmigen Berge, die neben einander dastehen, wie ein zu Erde gewordenes Meer, ein Abbild oder Nachbild der erregten Fluth, die ihre weißen Ränder umdrängt. Die nächsten dieser „Wellenberge" erscheinen in grüner Farbe, oie fernen aber, die vom Gcsichtsrande im Meere herschauen, sind alle in die Farbe des Himmels nnd des Wassers getaucht. Es kann in der That kaum cm mehr großartiger Anblick gedacht werden, als die Unzahl Uon blauen Pyramiden im endlosen Meer, die dnnl'eln Scoglicn vor den uchtblauen, die weißen Segel dazwischen, ans dem Festlande der Welcbit mit seiner blendenden Winterdecke und der ^wischenranm, die Tiefen zwischen all diesen Höhen, mit der wallenden Flnth ausgefüllt. Der Raum, welchen die See in der (legend des Canals „di Mezzo", um die Insel ^'Incoronata herum, überwogt, zeigt alle die verschiedenen Arten von Scoglieu, selche der Wanderer auf der ganzen Küste von Dalmatien hui verstrent findet — die schwarzen und die weißen aus-geuagten Riffe, die nackten Steinhaufen, die flachen, spärlich mit Oel bedeckten Rücken, die dunkeln Kämme, einem langen Boote ähnlich — die winzigen Kaltterrassen, die Alande, welche eine Treppe darstellen, die Blöcke, die nur w der Größe eines Hauses aus dem Wasser hervorragen, "le Eilande, die aus vier oder fünf sanft gewölbten Kuppen ^stehen, anf denen die Nebe gedeiht - die Klumpen, die wle der Rücken eines Nilpferdes ans der Flnth schauen, N°^, Talma,ic„. 12 17« ferne graublaue Häuge mit scharfen Graten, flache Bänke, kaum eiue Klafter sich über das Meer erhebend mit Hirten-hntten, ans Steinen zusammengetragen — uah und fern ein Gewimmel von Zacken in allen Farben, über welches die glänzenden Meervogel dahin schweben mit Flügeln, weiß wie der Schnee des Welebit: das ist die Landschaft der Küste. Vergada, neben dessen Felsrand unser Schiff dahin treibt, ist ein Musterscoglio nach Art derjenigen, welche Kuppen tragen. Hie und da schallt ein weißes Haus von seinen Hüheu herab, vom gegenüber liegenden Festland aber uur weißes Gebirg über weiße Kalkwüsten. Auch Morter, das langgestreckte, ist cm Scoglio, wie huudert andere. Bon vielen, kaum einen Flintenschuß von seinem Strande entfernten Riffelt gehütet, bedeckt einen Theil seiiler Berge der Oelbaum, während andere blendend weiß dastehen. Und dazn ist die Grenze zwischen dem Wachs-thnm und der Steiuöde so haarscharf und fo ohne jeden sichtbaren Grund, daß die Verschiedenheit in Erstaunen setzt. Ueber manche Einsattelung aber schanen die rosigen Schueeberge der dillarische« Alpen, Auch diese und jene Ansiedelung erhebt sich auf feinem Rücken: Iezera in dichtem Änsch, Stretw, in Mitten von braunen Weingärten, au einer weit einschneidenden Bucht, deren blaues Wasser die gelben Wände bespült. Zur Rechten erscheiut Capri, ein Felsenriff, wie sein berühmter Namensbruder im tyrrhe-uischeu Meer, welches wegen der Unthaten des Tiberius uud der blauen Wunder seiner Höhle in der ganzen Welt genannt wird — dann Zuri, und endlich beginnt, bald hinter dem winzigen Dörfchen „Tre Bocconi" jene Ein-zwcigmig der See in das Festland, welche sich, all Sebenico 179 Vorbei, bis tief i» die verwitterten Felsen von Scardona hinein fortzieht, eine Bocca im kleineren Maßstabe und eine bizarre Laune der Natur, wie jene, die an den Steinhängeu des Schwarzen Verges endet. Abermals tanchen vor dem Blicke des Seefahrers weiße, gelbe, braune, schwarze Inseln und Vandznngen in Weiter ^nndc auf, hier verengt sich das Meer zn einem Alnssc, dort wieder zu einem mäßigen Landsec, hier sind die Wr hoch und jäh, dort niedrige, graue Väuke wie hinter dem Wasseren gpasse, den das alte Venetianer Fort Sau Wccol<'> beherrscht. Das Meer hat in diesen seichten Schluchzn eine grasgrüne Farbe, völlig verschieden von der, in welchor cs sich draußen, ili seiilem nnnmschränktcn ^tannle zeigt. Vor uns liegt Sebcnico ntit seinen gelben, zertrüm Merteu Castellen nnd seiner Domtnpvcl, mit Häusern, die am Berge hin über einander geschichtet liegen, gleich wie "e Kall'lagcn, ans denen das geschichtete Ufer des Golfes besteht. In dieser Stadt beginnt das eigentliche Dalmatien, lenes Dalmatien, mit dessen Betreten man in eine nene uud völlig fremdartige Welt gerathen zu sein scheint. Die blendenden Häuser anf den völlig nackten Kalkfelscn, auf deren scharfen Graten ein unbewölkter, tiefblauer Himmel auf liegt — die zerlumpten Gestalten in rothen Turbanen nnd luit Waffe», die Unzahl von Bettlern, deren Klcidnng nnr "us lose zusammenhängenden Fetzen besteht, die eugen ^"ssen, in welchen man fortwährend über Treppen zu s^gen glaubt, die Lastträger und die beladeueu Esel, das dürre, verbrannte ^and und das schmerzliche grelle Licht in " Steinwüste — das Alles ist nicht mehr europäisch und ,2* 180 erhoben sich statt der Glockenthürme und Kuppeln Minarete aus dem Hänsergewirr, so würde wohl Jeder sich urplötzlich in eine Stadt der Türkei versetzt meinen. Ich knüpfe sofort au Sebeuico die Schilderung einer Fußwanderung an, welche ich vor Jahren von hier aus durch die Voraia, eine der janliuervullsten Wüsten des Laubes, uach dem gefeierten Troghir (Trau) und nach dem blühende» Garten der „fünf dastclle" unternahm. Der Wirth vom „Pcllegrino" einem sauberen weißen Hause mit grünen Läden und gastlichem Inneren, ein Mann von frcuudlichemWcsen (ein wcißerRabe nnter de» Wirthen des Bandes), dessen Entgegeut'ommen ganz dem Eindruck seiuer Herberge entspricht, die demFreuldling uach Klingen-drath's Gasthaus zu Zara unbedingt das beste Obdach in ganz Dalmatien bietet, — Iadrow, der Wirth vom Pelle-grino, also gab mir uud meiuent ^Reisegefährten eine schriftliche Empfehlung an Don (Giovanni Vitizza, den Pfarrer eines der „Dörfer" mit, welche an der Straße in die Vo-rai,a gelegen sind. Dabei empfahl er uus mit allem Eifer, wir sollten das Haus dieses geistlichen Herrn zu nnserem Nachtquartier wähleu, weil die ganze Strecke bis zum Ufer oou Traii hiuab für ciueu Tagmarsch viel zu laug sei uud sich von Verpolic angefangen keine Stelle mehr befinde, an welcher wir unser Haupt niederlegen könnten. beider fand dieser Nath bei uns weniger Beifall als die Flaschen von Tartaro- und Maraschino-Wein, mit welchen Iadrow unsere Reisetaschen ausstattete. Dieser Nebensaft gehört (wie, uebeubei bemerkt, auch Herr leiben-frost zu Wieu, der es verstehen muß, anerkennt) zu den besteu Erzeugnissen des dalmatischen Bacchus und eignet sich, mit der „Rose" von Almissa, unter allen anderen fast 181 ausschließlich zur Versendung in weinbedürftige Läuder. Wohl mit diesem Getränke ausgerüstet traten wir also getrost unseren Weg an. Damals gab es das vornehme Cafl> Zanchi uoä, nicht, welches jetzt vor der Stadt den übrigen Schmutzhöhlen und wüsten Winkeln kokett Hohn spricht, und darum nahmen wir eine Schale des erwärmenden Schwarzen im „Regenbogen" ein, vor dessen Fenstern lauernde Bettler auf uns hereinschauten, wie die Stechfliegen auf dem Netze, das über emen Schlafenden gespannt ist. — Es war ein heller Tag, der 2. März des Jahres 1866. Wir kamen damals geraden Weges a us der von abendländischer Gcsittnng bedeckten Welt, aus einem deutschen Wmter, und darum brachte Alles, was wir da sahen und verspürte«, auf uns einen Eindruck von gesteigerter Wirkung hervor. Scbenico, das weiße, mit seiner zerstörten Akro-Pvlis im blendenden dichte des reinen Himmels mitten "uf den sselshalden, ans welchen kein Grashalm gedeiht — die Hitze, die zwischen den Klippen des Trümmer^ Meines blühenden Veilchen und Geranie», nicht minder aber auch die Schafhirten mit ihren langen sslinten, öle wir Anfangs fast für Räuber hielten — der grelle Schein, der uns überall umgab uud unseren Augen weh Hat, die rittlings, nach Art der Dulcinea und Mari-Bornes, auf Eseln einhertrabcnden Weiber, die rothmützigcn Mullenzcr, die im Schatten irgend welches Steinhaufens lhre Siesta hielte» — das war uns, wenigstens meinem Gefährten, völlig ein neues und unerwartetes Schauspiel. Manchmal zog eiue schwere Sommerwolke über deu Hlmmel uud warf einen scharf begränzten Schatten auf ewes der graueu Iöcher, iu deren Mulden wir dahin 182 gingen, daß auch einem scharfen Auge die Tänschuug entstand, als ob dort hoch oben, uou der Thorheit der Morlaken nnberührt, noch eine dunkle Pflanzung von Krummholz gedeihe. Aber die Wolke wanderte vorüber und der Grat blendete wieder wie vorhin im dichte dieser stechenden Sonne. Auf der ersten Strecke des Weges unterbrach allerdings noch hie und da ein dürftiges Olivengehölz den grauen Karst, der sich hier bis an die (kränzen des Gesichtskreises ausdehnt. Aber die Steinwüste war doch das am meisten in die Angen fallende Schanstück. Frühling! dein Zauber verleugnet sich nicht einmal auf den trostlosen Trnmmerhalden der Borasa! An mancher Stelle lenchtete uns doch die weiße Kirschblnthe oder der Mandelbanm in seiner rosarothen ^enzvracht. Besonders hinter den weißen Mancrn eines Kirche Hofes, dessen Kreuz, wenige Miglien von Sebenico entfernt, blinkend in die Herrlichkeit des Meeres schaut, Prangte jene rosenfarbene Blüthe, und die Brüstungen der Mauer waren von den herabgefallenen Blättern bedeckt. Ilebcrall Nosmaringeruch, schwüle Wärme, wohliger Hauch der Blütheu auf dem Steingesild — es war in Wirklichkeit ein ächt südlicher Märzanfang, wie er etwa den Wanderer in Sicilien entzücken mag. Aber die Einöde machte bald ihr Necht geltend. Zuerst begannen die Augen zu schmerzen in dem blendenden Licht, welches der verwitterte Kalt zurückwirft, dann quälte der Dnrst. Nach ermüdenden, Marsche gelangten wir in dem Hause Don Giovanni Bitizza's zu Verpolic an. 183 Dieses Dorf besteht aus einer Anzahl jämmerlicher Steinhütten, Don Giovanni aber bewohnt ein bequemes Hänschcn. Es hat sich uus gastlich erwiesen. Wir Wurden freundlich gespeist und getränkt, und mit allerlei belehrenden Neden uuterhalten, derr» wichtigste wir jedoch m den Wind schlngen, nämlich den Rath, an diesem Tage nicht weiter zn gehen. Endlich, als Don Giovanni gewahrte, daß wir seiner Einladung nicht folgen wollten, gab er uns wenigstens eine Empfehlung au den Franziskaner-Mönch Mit, der im Dorfe Voraja die Stelle eines Ortsgeistlichen bekleidet und der augenscheinlich aus der Einsamkeit des Klosters in eine noch tiefere Stille der ihn umgebenden Welt verfetzt worden ist. Auf dem Wege dorthin begann die Vora sich ans den gräulichen Felsen zu erhebeu, in welchen sie lauert, stets bereit, hervorzubrechen und das keimende Wachsthum anf den Steinhalden, die Gesundheit der Thiere U"d Menschen zn bedrohen. Wir erreichten Voraja, vom eisigen Wind der Helfenwüstr dnrchkältet und von einem Menschenknäuel, dessen Aussehen jeglicher Beschreibung spottet, angestarrt. Schmutz, Hnnger, Perwal)rlosniig — die Versuukenheit geistiger »nd körperlicher Eigenschaften in einem Ge-sammtbilde: das stand über den Hütten und auf den Gesichtern der Menschen von Boraja geschrieben, zu deren Seelcnhirtcn wir nns nunmehr durch die Steiuriffe und ^othpfützen des „Dorfes" hindnrchschlugen, in der an-genehmen Erwartung eines Obdaches, welches uns cnd-l'ch vor der Bora und dem Anblicke solcher Mitbrndcr buf unserer irdischen Pilgcrbahn fchützen follte. 184 Der Mönch bewohnte ein Haus umi gutem Aussehen und lag auf eiuerArt uoil'1'oltroua, als wir, von einer anmnthigen Morlalin geführt, die Schwelle überschritten und ihm unser Anliegen, das iu nicht« Geringerem bestand, als in der Bitte, uns die Nacht über unter diesem Dache in irgend einem beliebigen Winkel ausruhen zu lassen, iu wohl stylisirtcn Worteil vortrugen. Nach dieser Rede eutspcmn sich ein kurzes Gespräch, welches ungefähr folgendermaßen lautete Der Mönch: Was thut Ihr da in unserem Dalmatien und wer seid Ihr? Wir nannten ihm unsere Namen und fügten hinzu, es sei uusere Absicht, das ?and und seine Bewohner kennen zu lerneil, zu welchem Behufe wir durchaus keiu zuverlässigeres Mittel wüßten, als dasselbe zu Fuß zu durchwandern. Bei solcher Waudcruug aber müßten sich Fälle, wie der nnsrige, die wir um ciu Obdach baten, immerfort ereignen, bis einmal (Gasthäuser (und bei dem namhafteu Fortschritt, den das dalmatische Volt uuter der Aegis der „Nationalen" macht, am Ende gar Hotels) iu der Voraja uud an auderen Orteu stünden. Der Mönch: Meine Hcrreu, iu Dalmatien sind nur Felsen und menschliches Eleud zu sehe». Wir Anderen schantcn uns uud den geistlichen Herrn verwundert an. Darauf wagte ich die Einwendung, daß uns das Land eine Menge von merkwürdige« Dingen zn enthalten schiene uud daß wir. mit seiller Erlaubniß, obwohl Fremdlinge, hierin einer andern Meinung sein müßten, als Seine Hochwürdeu. Der Mönch: Jeder nach seinem Geschmack, uud ich will darüber mit Euch uicht streiten. Doch was Eure Auge- 185 legenhcit anbetrifft, so thut es mir leid, Euä, sagen zu wüsscn, daß ich Euch nicht hier behalten kann. Wir: Unser Wunsch ist auf nichts Anderes geachtet, als ans ein Obdach, Der Vora und der Nacht zu entgehen, nehmen wir gerne auch mit dem bloßen Fußboden vorlicb. Der Mönch! Es thut mir leid, meine Herren, aber dieses Haus ist ein Hans des Elends. Ich kann >ncht Herren, wie Ihr seid, empfangen. Wir wiederholten unsere Bitte in einem dringlichen Tone. Der Nordsturm heulte im Kamin nnd die «urcht vor dem Kampfe mit ihm in der menschenleeren Wildnift, Uier welche nunmehr schon die Dämmerung hereinlnach, stärkte nnscrc Oednlo, die zu schwinden begann. Der Mönch: Ich habe Euch bedeutet, daß ich ^uch nicht beherbergen tann. Ich habe nberhanpt nichts, "ls Nasser in dem Brunnen vor dem Hanse. Wenn ^hr das wollt, so lauu ich Euch dienen. Es wnrde in der That kein Obdach bewilligt, sondern das trnbe Wasser in einer schnnchigen Flasche 'Ikrcingetragen. Vei der Dürre, die allenthalben in der ^«lteinode herrscht, mnßten wir selbst diese Labung will-kmnmen heißen. Nach einigen Worten, denen es wohl an gewinnender ktonnng gebrechen mochte, standen wir denn wieder ^außen im heulenden Nordstnrm, Um das Unbehag- He unserer ^'age sich zn vergegenwärtigen, bedenke man, üß wir noch mehr als fnnf starke Gehstnndcn von raü entfernt waren, daß es dunkelte und an eine Unter- "">t bis dorthin nirgends zn denken war. Außerdem 186 stand dic Boraja damals in den: Rufe, daß es nächtlicher Weile nicht geheuer fei zwischen ihren kahlen Wänden — nicht von Hexen nnd Wileu, sondern von Näubern und Schlimmerem. So machte» wir uns denn mit wellig Behagen auf den Weg. Wer die Äora Nachts uicht üu KalkgeklipP des dinarischen Karstes hat toben gehört, der hat keine zu-treffende Borstellung von dem Unheimlichen, mit welchem manchmal die Erscheinungen der unbelebten Natur sich zu äußern vermögen. Ein Klage-, ein Jammer-, ein Nache - Geheul ist es, was von Millionen Stimmen scheinbar aus den verborgenen Höhlen dieser Schluchten ausgcstoßen wird. Es ist, als tobte die Natnr über den Wahnsinn des Menschengeschlechtes, der die Banmlroucn vertilgt hat, au welche,: sich vor Jahrtausenden die Vuftwclleu brachen. Schadenfroh jauchzt es, diejenigen mit einsamem Tod uud Verderben bedrohend, dereu Ahnen das grüne Neich mit ihren Aerteu zerstört haben. Der Sturm hemmt den Athem, unterdrückt die Stimme. Von Zeit zu Feit muß ihm der Wanderer den Nückeu kehren, um wieder eine andere ^nft zu schöpfen, als die vom eisigen Strom, der sich ihm mit rasender Eile entgegen wirft. Iu solchem Tosen, von einer Nacht umgeben, welche es verhindert, die Hand vor den Augen zu scheu, glaubt das verwirrte Ohr huudertfältige Stimmen zu vernehmeu: Rufe aus der Heimath, lustige Gesänge, das ssreudeugeschrei von Zechern und das Bellen des Schakals, der in mancher Kluft dieser (Gebirge wohnt und 167 das Tönen ferner Glocken mit seinem wnsteu Geheul begrüßt. Ich übergehe manches Einzelne nnd vermeide es, ben Vcser mit der Schilderung des einförmigen, nächtlichen Kampfes mit der Herrin der Wildnift, der Aora, zu ermüden. Nach etwa drei Stunden bemerkten wir dicht vor uns einen Gegenstand, finsterer als die Nacht, die uns umgab. Es war ein Hans. Wir tasteten an der Wand herum, bis wir Holz berührten. In der Voraussetzung, wir möchten die Thüre gefunden haben, schlugen wir mit einem Steine dagegen. Einer drinnen fragende» weiblichen Stimme antworteten wir mit Bitten, dießmal mit besserem Erfolge, als bei dem ssranziskauer der Voraja. Mau öffnete uus, und suhrte uns in ein elendes Gemach, in welchem sofort eu'e Ampel augczüüdrt wurde. Nunmehr erfuhren wir, daß wir uns in einer ^wpatnica (sprich: Prapatnizza) genannten Aüsiedcluug befanden, und daß wir in das Haus eiues kaiserlichen U"d köxiglichett Wegcmachcrs gerathen seien. Dieser Wegemacher ösfnete eine — nach Art der "berösterreichischru Gcbirgsbaueru — buut bemalte Truhe ">'d holte eine große Flasche hervor, in welcher sich etwas ^'M befand. Sodann schlug er u»ö vor, er wolle sich selbst "Ut seinem Weibe nnd >i'iude anf den Boden der Stube lgen, wcihreud wir sein „Bett" einnehmen sollte,,. Diese Eiuladung kam aus gutem Herben, aber wir 'chlugen sie aus uud hätten sie, wie sich von selbst versteht, aus' ^schlagen, auch wenn das Vett aus Eidcrduueu uud 188 Seidendecken bestanden hätte, und nicht ans ein paar Brettern, die anf zwei leere, umgestürzte Zuckerfässer ge-le.qt und mit lumpen nothdürftig bedeckt waren, in welche eingewickelt ein etwa dreijähriges Kind schlief. Mitternacht war vorüber uud wir begrüßten den Fußboden, dessen Wände nnd Dach die Bora abhielten, mit Entzücken. Dieses Haus gehört dem Staat und ist deßhalb mit Fenstern versehen. An ihnen riß nnd tobte der Sturm die ganze Nacht fort, wir aber schliefen, den Kopf auf nnsere Reisetaschen gelegt, jenen Schlaf, der Ermüdete erquickt, die nach langem Hoffen nnd Harren einen Ort der Nnhe gefnnden haben. Die Sonne stand schon hoch über dein kahle» Gebirge, als wir trotz der Vorsicht, mit welcher der arme Wegemacher und sein Weil» in der Stube umherginge», über irgend einem (Geräusch erwachten. !"cr Wegmacher wollte von keiner anderen Dankesbezeugung, als derjenigen, die wir ihm in aufrichligeu Worteu abstatteten, ctwaö wissen, und so machten wir uns denn getrost nach Traii anf den Weg, mit dem angenehmen befühl, welches eine gute Handlung oder eine freundliche Erfahrung in nns hervorrufen. Unter allerhand Gesprächen, die sich zumeist um den Gegensatz bewegten, welchen die Moral des Seelsorgers nnd die des Vcsorgers der Straße darstellen, erreichten wir jene gewundene Straße, die nach dem alt-berühmten, in den Gesängen der Slaven viel gefeierten Troghir (Trau) hinabführt. Aus der kalte» Voraja, in welcher die Aora gebietet, gelangt man da wieder in die warme Tiefe, in 189 welcher das Meer an einen immer blühenden Strand schlägt. Es ist allbekannt, daß sich an Schönheit des Wachsthums und Ueppigkeit der Plauzenwelt kein Landstrich Dalmatiens mit der Bucht messen kann, welche sich halbmondförmig von West nach Ost zwischen Trau nnd Spalato hinzieht, nordwärts von hohen, grancn Gebirge» geschützt, deren Kette in ihrem Bau uud Aussehen viele Achnlichkcit mit den Kalkalpen bietet, welche das gesegnete Unteriunthal von Baiern trennen. Aber, während nm diese,Hcit nicht nnr jene Alpe», sondern das liebliche Thal selbst von klafterhohem Schnee bedeckt sind, empfingen nns hier die Sonne nnd die Wohlgcriiche der Maien, Wohin das Auge schante, erhoben Blüthe» ihre Kelche ans dem hohen Gras nntrr den Oelbänmen, Die gelben Dolden hoher Euphorbien, der stachcliche Cactus mid manche, uns unbekannte Krone, erhoben sich neben dichtem, glänzend grünen Gcstränch — weiße Maßliebchen nnd blane Scabiosen überdeckten die Furche» Mischen den Weingeländcn, uud die Sturnmacht der Boraja schwand aus uuserem Gedächtniß, wie ein schauriges Wintcrmärchen, das wir als Kinder von unseren Mägden gehört, während wir uns vor dein eigenen Schatten fürchtete», welche die flackernde Ampel an die Wand warf. Trau steht auf einer Art von Halbinsel und hat zwei Häfen. Wie es »uu schon in der Beschaffenheit s° alter Berühmtheiten liegt, ist es ein finsterer, wüster Drt, iu dessen Gassen kein Wagen fahren kann. In der That wirkt der Eintritt durch das enge Thor, zu welchem 190 man über die eine Brücke gelangt, beklemmend. Die Gasse ist nicht viel über eine Klafter breit, voll von Unflath und üblen (Gerüchen, nnd der Wind der Voraja könnte da Gutes stiften, wenn er in diese Höhlen eindränge. Der erste Eindruck ist sicherlich bei den Meisten der Eindruck, sofort wieder Humus, zurückzukehren in die blühende Landschaft, in welcher statt der Schmutzwände Oelbäume nnd lange Neihen uun Neben stehen nnd schon der Mäher sich anstrengt, mit der Sichel die langen grünen Halme einznhcimfen. Nach kurzer Nast in einem dnnl'len, armseligen „Gasthause", aus dessen Fenstern man, wie aus den meisten Häuseru der Stadt, den Gegcnüberwohnenden die Hand reichen kann, begaben wir uns denn abermals in die Gasse« des gefeierten Troghir hinab, um dem, mitnnter so Peinlichen Studium der Landestuude uach Kräften zu obliegeu. Ich wüßte nicht, daft mir außer einer mächtigen Palme, die in einem Garten nahe am Meere sich über die Manern erhebt, irgend Etwas, was ich da sah, einen erfrenlichen Eindruck gemacht hätte. Abgemagerte, gelbe Huude in den schmutzigen Winkeln, die im Koth nach irgend einer Nahrung wühlen, Bettler, abgerissenes Bolt, Unrath und Verwitterung — das sind wohl die einzigen Dinge, die mir in der Erinilerung geblieben sind. Die Anwesenheit von zwei Fremden war dieser „Seestadt" ein Ereigniß voll solcher Bedeutung, daß sich bei unserem Erscheinen Gruppen von Neugierigeu bildeten, ja, daß Viele, nicht zufrieden mit einem flüchtige» Anblick unserer Persönlichkeit, uns nach allen Richtuugeu verfolgte«. Vor dem Fenster eines Caffeehanses, das ein 191 Granbründner dort hält, sammelten sich dic Köpfe schwarz wie ein Mnckenschwarm auf einem Fliegeunetz, um uns Vcide zu betrachten, die von diesen Maueru gegen ihr Andringen geschützt waren wie von den Mauern des Wegmacherhauses zu Boraja gegen die Bora. Venn "Hinansgehen aber löste sich dieser Klumpen n< ein Spalier ans, von welchem aus sich uus zwei 9teihcu uou Händen entgegenstreckten, die mit Kupfer-stücken bedacht sein wollten. Ter Hafen uon Tra>> ist verschlammt nnd seicht, ^s arbeitet dort hänfig eine Maschine, welche den Grund vertiefen soll, damit der Port mächtigeren Schissen zu^ länglich werde. Am Ufer aber stehen die Mädchen und Frauen vou Trail, dercu Schönheit die ihrer Vaterstadt überlebt hat, und Plaudern, stricke»,, webeu, waschen im Angesicht des Meeres, aus welchem diesen Mauern wlst Hteichthümer zugetragen wurden, und der Gärten, die noch so dnften nnd grünen, wie zn den Zeiten, in welchen der steinerne geflügelte Mve ihrer Thore «och auf diesem Meere, wie anf den anderen, das Sinnbild unerreichter Macht war. Es sind nur wenige Schisse im Hafen, die meisten, unt den Vlätterballen der Snmach - Pflanze beladen, welche auf deu beuachbarten Vergen gepflückt nnd als 6ärbeftoff nach fernen Bändern gebracht wird. Es wird Abend. Die Schiffer liegen am Molo Uniher oder sitzen um das Feuer ans dem Bord ihrer "einen Fahrzeuge, welches ihnen die bescheidene Mahlzeit bereitet. Immer mehr goldglänzend hebt sich die Mondscheibe vom Himmel ab. Ueber den tiefen Strand saust hoch oben die trockene Bora hin, das erkennt das Ange 192 alt dem wunderbaren dichte, mit welchem durch diese kalte, durchsichtige Lnftschichte die nach und nach hervortretenden Sterne strahlen. In diesem Nachtglanze erscheint das Kalkgebirge im Norden wie eine lichtbranne Wolke — nebelhaft nnd doch scheinbar mit den Händen zu fassen. Das ist so eine Nacht, ill welcher im fernen Norden der Schnee unter den Tritten tracht nnd in spiegelnder Kälte die glänzende Welt erstarren will. Höven wir aber, was die auf dem Schiffe dort singen: „InngeFinmanerinen"), weiße Fimnanerincn gingen, sie gingen alle hinab znm Meere, znm Meere, zum großen Schiffe. Dort riefen sie den jungen Capita»: „Lieber Capitäu, theurer Capitän! Gib nns heraus auf's Land die schönsten Schiffer!" „Ich kann sie ench nicht geben, o meine Theueren, denn ich mnß noch in dieser Nacht die Segel entfalten, denn ich mnß fahren, fahren den Weg nach Troghir, der Stadt." „Lieber Capitän, wolle das nicht thun, foudcru gib uns die Schiffer, damit wir sie lieb haben." Der Capitän spricht auf dem Schiffe: „Auf die Beine ihr Schiffer, hebt die Anker empor nud wickelt die Segel los?" „Lieber Capitan, wolle das nicht thuu, ob deiner Schiffer wollten wir sterben, denn es sind Schiffer von unserem Volke. Laß sie uns auf das Land, du wirst tWick haben. Gott wird abwendeu Unheil vom Schiffe!" *) Finmancrin heißt auch skwisch Nictiujicc. 193 Der Capitäu vom Schisse verheißt den Jungen: „Wenn zurück wir segeln, dann werde ich sie euch lassen, dann könnt ihr, o Theure, mit ihnen tosen." Hie uud da flackerte ein Feuer auch am Strande, aber aus den Häuseru drangeu uur wenige dichter — Troghir geht früh schlafen — es ist alt. Im Ganzen schien uns bei diesem Gange, als ab der Schlamm, welcher sich im Hafen des Städtchens angesammelt hat, ein Sinnbild des Zustandes sei, in welchem stch das einstige Emporium am hcntigcu Tage befindet. Wenig erbaut suchtcu wir uusere Vagerstätten auf und ergötzten uus an den rabenschwarzen Schatten nnd den fast laghellen Dichtern, welche unter dem Glänze des Mondes diesem trümmerartigen Häuserhaufen ein ganz wuuder-liches Aussehen geben. Am nächsten Morgen sehten wir unseren Wanderstab gegen Spalato hin in Bewegung. Die Bucht ist, wie oben bemerkt wurde, das fruchtbarste uud schönste Gelände kon ganz Dalmatien. Man nennt sie die „Riuicra dcr fünf Kastelle", auch schlechthin die „Riviera", und sie zeichnet sich in diesem felsigen nnd wüsten Vandc als solche noch weit mehr aus, als die „Riuiera" von Ge--uua in dem blühenden Italien, Es war in der That ein amnnthiger Spaziergang auf dieser Straße mit ihren Durchblicken dnrch die Oli-veubäume auf das Meer, deu Blumen au dcu Wcggc-länden, dem Vogclgczwitscher in den Zweigen, uud selbst "as Zirpen der Cicaden machte uus Bergungen, weil es uns an diesem Märztagc mitten i» den Sommer vcr^ iMe, in dessen Glnth diese Thiere sich am lärmendsteu geberde». Indessen bedürfte es der Oicadcn nicht, um 194 Uns cinc» Sommertag zu vergegenwärtigen. Die ^nft lag so schwül über den weiten Pflanzungen, daß man im dichte eines jener dentfchen Inninachinittage zli gehen glanben mochte, ans die eine Dämmerung m>t Wetter-leuchten nnd eine Nacht der Gewitter folgt. Auch zog sich im Osten eine graue Dnnstwand hin, welche an heißen Tagen wie der Rauch erscheint, der sich von der gnälen den Gluth in die Höhe hebt. In Wirklichkeit hatte sich auf die Stürme des Winters, urplötzlich der schwüle Frühling dieses Bandes eingestellt. Alles, außer den Cicaden, lag lautlos da unter dieser Wärme, (3s war als ob der Erdboden mit allem Lebendigen inbrünstig sich dem (^ennsse des heißen Strahles hingäbe, nachdem er Monate lang von der Jagd der Stürme und den Nnthe» der Winterregeu heimgesucht worden war. Ein rothbemützter Bursche, der auf einem Esel uor uns dahin trottete und jedem Mädchen, welches uns entgegen kam, etwas Schönes zu sagen wußte — das entfernte Krachen der Schüsse, mit welchen bei der dritten Veste, dem Eastel Vecchio, ein Fest gefeiert wurde: das waren so die Zeichen, welche uns das ^ebcn der Menschen an der Niviera gab — sonst sahen wir unr die weiten Gärten, die Oelwäldchen und die dichten Weingelände, in welchen jener Saft gedeiht, der als „(^tel!« 6i 8pnllitn" im ganzen Inselreiche hoch berühmt ist. Nicht wenig belustigte uus die Sprödigkeit, mit welcher die Mädchen den Scherzen des Burschen zuhörten, der so jung und hübsch war, wie nnr irgend Einer, der die rothe Mütze trägt. Die Sprüdigleit ist so zu sagen Sitte nnd es ist dies ein wesentlicher Unterschied zwischen 19b ben Morlakiuuen und dm gefügigeren Italienerinnen der Städte. Mir ficl dabei ein Lied ein, das ich ans der Sammlung des Herrn Iuranic übersetzt hatte: (Inranic) Pie spröde Märe: Die Sonne sinkt nnd der Kolo zerstreut fich. Jeder Jüngling") geht seinem Hanse zn. Dieser dem Hanse der Mutter, jener dein des Mädchens, ein Anderer anch zu dem der trenen Araut, die schöne Märe aber znm Hofe der Mutter. Der Ntarc aber verlieh es Gott, dast sie vor Iwan auf den weißen Hof kam nnd vor ihm den Hof verschloss Marc im Hofe, nnd Iwan vor dem Hofe. Die ganze Nacht stand Iwan vor dem Thore, anf Iwan fiel der stille Than, — Iwan hatte nichts als das geschmeidige Hemd, welches Hm die schöne Märe gewebt hatte, nnd nm den Hals die seidene Mahrama (türkisch, Halstnch), welche ihm von der schonen Märe geschenkt worden war, nnd in der Hand die silberne Tomlinra. Sanft schlng er die Tombnra, schöner hatte sie noch 'ue geklnngcn, nnd er sang dazu hinanf zur Märe. „Märe, du meine Turteltaube, Marc, du mein Qmt-^uapfcl, meine Kehle ist vertrocknet, mciu Pferd habe ich zn ^ode gehegt, indem ich nm deinen Hof hcrmnsang, saug und mich herumtummeltc. Aber das Alles macht mir keine ^°rge,wenn nur Du, o Märe, mein wärest." Damit kehrte Iwan zn seinem Hofe znvücl. *) Der Ansdrnck >nkk ist durch lein deutsches Wort i,l snner vollen Vedcntnng zu czeben. Man könnte eben so wohl "Hcld" c>l<< „Il'inglmg üdersctzcli. 13* 196 Es war noch nicht die Morgenröthe, es war auch noch nicht der weiße Tag, als den Iwan die liebe Mutter aufweckt: „Stehe auf, Iwan, meiu rechter Sohn, die Sonne ist am Hofe vorübergegangen, aber es war nicht die heiße Sonne, sonderu es war die schöne Marc. Sie hat keineu Vlick auf deineu Hof geworfen, die Iuuge denkt nur daran, dich zu täuschen. Aber ich, o Iwau, will dich lehren, wie du die Märe täuschen sollst. " „Bleibe im Hause drei Sommermonate und lasse dir Mädchenhaarc wachseu und ziehe deiuer Schwester (Gewand an. Nimm, o Iwo, deu beschlageueil Eiiucr und gehe, o Iwo, an den Duuaj, au das Wasser." „Aber gehe nicht dorthiu, wohilt man um das Wasser geht, soudern gehe vorüber au dem weißen Hofe der Marc. Rufe sie uicht bei dem Namen Märe, sondern rnfe sie theure Freundin und Genossiu, theure Freundin und Genossin, gehen wir um Wasser," Es vergingen drei Sommermonate, Iwau ließ sich Mädchcuhaare wachsen, zog der Schwester Gewand an, nahm auch den bcschlageneuEimer nud ging hinaus au den Duuaj, au das Wasser. Aber er ging uicht dahiu, wohin mau um das Nasser geht, sonderu er ging vorüber au dem weißen Hose der Märe, rief ans dem Hofe heraus die Marc. Aber er rief sie nicht bei dem Namen Märe, souderu er rief sie theure ^renndin uud Genossiu, theure Frcuudiu uud Genossin, gehen wir um Wasser. Die Genossin antwortete der thenreu Freuudiu: „Um Gott, o ssreuudin, ich will uicht. Deuu am Was' ser steht der juugc Iwau und wird mir das weifte Gesicht küssen." 197 Leise sprach darauf.zu Marc die Freundin: „Glaube mir, o meine liebe Genossin, sieh, ich gebe bir ein wahrhaftiges Gclübnisi, daß Iwan nicht am Dunaj ist am Wasser. Sondern der Held ist am hohen Thurme, ist ertrankt an einer Krankheit und wird nimmer genesen." Ans dieses hin wurde die Iuugfrau getäuscht, sie nahm eiucn beschlageuen Eimer und ging hinans mit der Genossin au den Duuaj. Nls sie kameu an den Dunaj, au das Wasser, sprach >)ic Freundin ,zn ihrer Freuudiu: „Um Gott, o meiue Frcundiu, was würdest du Iuugfrau jetzt thun, wenn hier der junge Iwan wäre?" Dic Frenndiu antwortete ihrer Freundin: „Iu deu Dnuaj würde ich mich stürzen, in das Was->tr und uicht würde ich mich in seme Häude gebcu. Wie das hört der junge Iwan, faßt er sie an deu weißen Händen und setzt sie rittlings auf das Ross und führt sie dnrch das ebene Gefilde. So hielten Hochzeit diese Iuugen und brachten in ^ielie ihre Tage hin. — — Genau so wie in diesem ^iede verhalten sich die Sprö-dm in Wirklichkeit. Nur nehmen sie es mit der Treue des-I^tigcn, dem sie sich hiugebcu, meist über alle Vegriffe streug. ^er Verführer, dem sie folgeu, kaun sie uur durch die Vcr-lieiftuiig der ncu1ii nulla" gefiel mir, nnd so dnldeten wir es denn, daft die wackeren Ploiarchen etwa die dreifache Zeit, die nothwendig gewesen wäre, aufwendeten, um uus an dem Strande der spalatinischcn Halbinsel auszuladen. Wir stiegen in der „Vocanda Tcdesco" zu Spalato ab, welche nicht minder wie hnndcrt andere Häuser und Häuschen in das Trnmmcrwcrk des diocletiamschen Palastes hinein gemanert ist. Im Garten blühten zahlreiche Nosenbämnc nnd der Schatten der finsteren Stube dieser Einkehr war willkommen. Vom duukcln Weiue fielen uusere Blicke durch die geöffnete Thüre auf die rotheu Blumen drausieu, und ermüdet wie wir waren, gaben wir uus schweigeud der Betrachtung dieser Dinge hin, an denen sich Hafiz ergötzt hätte. Was trabte da durch den (^ang zwischen den No-scnbänmeu Herrin? Sind wir in der That nach jenem östlichen Vande entrückt? Ein Mann mit weißem Turban auf weißem Zelter, gefolgt Volt Reitern mit rothem Feß, von Bewaffneten und Dienern. Ein Teppich wird ausgebreitet neben den Rosenbänmen, der Mann läßt sich auf ihm nieder. Sein langer Vart ist weiß wie Tnrban und Noß — er blickt mit stolzer nnd doch freundlicher Miene 201 um sich. Dem Diener, welcher ihm die Pfeife gereicht hat, befiehlt er Kupfermünzen nnter die hnndert Bettler auszutheilen, welche von den ottomanischcn Gensdarmen, seilien Begleitern, nnr mit Mühe zurückgedrängt werden. Für einen Türken wahrlich ein absonderlicher Anblick, in der ersten Stadt der abendländischen Welt, die er betritt, vorerst nichts zn sehen als Bettler. Dieser vornehme Türke war einHadschi, ein Mckka-pilgrim, nno wollte mit dem nämlichen Dampfer, mit welchem auch wir gegen Süden zn kommen trachteten, hinab gegen Corfu uud noch weiter nach Egypten reifen. Er war ans dem Innere» von Bosnien gekommen und machte hier mit der kleinen Karawane seiner ehrerbietigen Begleiter die erste Rast vor der weiten ^ahrt znr Stadt des Propheten. llus kam dieser phantastische Aufzug aus jener Welt, die wir bisher nnr ans Büchern und ans den Eostümen der Theater kannten, gar wundersam vor, nnd es danerte lange, bis unsere Nede anf Anderes siel, als auf diesen Greis nud sein wasfenklirrendes Gefolge. —- Den Altertumsforschern bleibt es überlassen, eine Beschreibung des Domes, einst eines Tempels d<^s Jupiter Capitolinus, der Porta Anrea, der vielen Gewölbe, Bogen und Gänge, der Maueru uud Säulen des alten Palastes zn geben, welchen Dioelctianns, der Christen-Verfolger, sich hier erbauen lieft. Nirgends wird ansierhall, der italischen Halbinsel ein Schaustück zu finden sein, dessen Anblick so lebendig in die Pracht und Kraft des Römervolkes versetzt. Das Merkwürdigste in Mitten diefes glanzvollen Palastes, dessen alte Mauern jetzt durch so viele Fenster 202 durchlöchert sind und dessen Quadev die Vorderseite so vieler Häuser bilden, bleibt jedoch der Tempel des Jupiter, zur Kirche umgestaltet, auf der „Piazza del Duo-uw". NeberaN schwarze Mauern und weiße Treppen, märchenhafte Durchblicke iu Sänlengänge und ^ülbuu-gen — die große dunkle Sphynr an deu Stufen, die zum alten Tempel hinanführt, au dcsseu Thoren jetzt der Hirtenbrief des christlichen Bischofs angeklebt hängt, der feine Gläubigen über das allgemeine Concil unterrichtet — die anderen weißen Marmorbcstieu daneben mit ihrem Schuppeupanzcr uud ihren offenen Nachen, über allem diesem der weifte Glockenthurm, .leicht und luftig wie die Arbeit eines venctianischcn Goldschmiedes aufgebant, der statt aus Maueru nur ans übereinandcrgefügten Bogen und Säulru besteht — das kann nnr der nach einer Schilderung sich vorstellen, dessen Einbildungskraft fich mit leichten Schwingen zu erheben vermag. Die Vi'ichersammlung der Stadt Spatato bewahrt ein von Nobert Adams und Clarisfeau verfaßtes großes Prachtwerk über deu ganzen Palast anf. Ich habe es nicht betrachtet — wohl aber unterließ ich es nicht, die alten Gänge einen Tag über nnd auch uoch bei hercingcbrochener Nacht im Moudesglanz zu dnrchstreifcu, immer wieder die schwarze Sphynx nnd den tiefen Himmel zwischen den Säulen zn betrachten uud dabei die Vewohner des alten Kaiser^ Palastes mit den italienischen Krämern unserer Tage zu vergleichen, von welchen nicht wenige sich dnrch Wucher nnd Ausbeutung der Versnukenheit des Morlaken-Volkes bereichern. Die meisten Gassen von Spalato sind nicht minder eng, als die (lontradc von Troghir. Doch begegnet man 203 überall regem Vcden. Sie sehen aus wie die Wege uud Mätze in den Städten Veuetieus aussehen und — an der Ecke der ContradaCampanile undContrada^gniSanti— fehlt auch der Heiligen bliese nicht, stets von Blumen und Dichtern »ingeben. So möchten die korkholzähnlichen, gelbbraunen Wäude des alten Palastes, in deren Wirrsal der Kern der Stadt steckt, uicht Ulillder als die Behausung des lebenden Geschlechtes uns völlig nach Italien hinüber versctzen, wenn nicht ein Blick aus die nächsten uns nmgebeudcu Menschen, die Morlat'en mit ihren Turbanen nnd brannen Mänteln, die waffentragenden Männer, die bnnten Gewänder der Frauen nnd der Klang slavischer Sprache, welche selbst im Innern der Stadt so häufig vernommen wird, als das romanische Idiom, uus bei jedem Schritte au das Gestade gemahuteu, an welchem unser altes arisches Brudervolk, die Slaveu, seit Jahrhunderten die Bollwerke des Abendlandes bilden. Srchütw Capitel. )n der Zaworje. Wer Dalmatiru keuuen lcrueu will, darf sich leiues-Wegs damit beguügeu, aiu Strande hin zu gehen, die Uferstädte zu besichtigen und au der cineu oder audcru Insel zu landen. Es ist das freilich, mit Beuützuug der Dampfschiffe, die bequemste nud auch diejeuige Art, welche vou den meisten Reifende» beliebt wird. Selbst Manche von Deujeui-gen, welche über das Land geschrieben haben, kennen nnr die Küste. 204 Die Widerwärtigkeiten, welche namentlich nut ciucr Fußwanderung dnrch das Innere verknüpft sind, schrecken Manchen ab, doch sind dieselben keineswegs so groß, als man sich insgemein vorstellt. Im Winter erscheinen dieselben mitunter Peinlicher, wenn sich ihnen Hlegen oder Vora beigesellt — doch ziehe ich diese Jahreszeit zum angegebenen Zweck immer noch dem Sommer vor mit seiner Gluth und seinem Wassermaugel, mit dem Mangel an genießbarer Fleischuahrung in den einsamen Dörfern und den Fiebern, welche vornehmlich die Gesundheit des Fremden bedrohen. Ich schildere also eine Wanderung durch die auf den Karten sogenannte ^aworjc, einen Landstrich, welcher sich in der Richtung vonSeardona gegen Clissa hinzieht und sowohl vom Flußgebiete der (lettina, in welchem Vtt'likka uud Sige liegeu, als vomMecrcsstrande zwischen Sebenico uud Spalato durch ansehnliche Oebirgsreihcn getrennt wird.— Ich hatte mich au» Abend zu Sebenii,» an einer theatralischen Scene ergötzt, welche in der Kirche für das gläubige Volt ausgeführt wurde. Zwei Mouche trateu vor deu Altar und begamienein lantcsGesvräch, eine „Disputation", wie sie namentlich in den religiösen Wirren des sechzehnten Jahrhunderts gebräuchlich war. Der eine dieser Männer spielte dicNolle des Freigeistes, der andere die des Frommen. Sie begannen alle jene (Gegenstände zu besprechen, wegen welcher von .Zweiflern Widerstreben gegen die äiirche uud ihre Ordnung erregt wird. Der Sieg verblieb dem Frommen und der Advokat des Teufels mußte sich vor allen Leuten fnr überwunden erklären. Die Versammlung trennte sich augeuscheiulich bewegt. Am nächsten Morgen durchwauderte ich uochmals die 205 ganze, am kahlen Gebirge empor klimmende Stadt, betrachtete den Dom uud seine grüne Kuppel mit der lustig schwebenden „Oiralda" auf ihrem höchsten Knauf, seine Pforte mit der herrlichen Rosette, den grauen Säulcu, deu weißeu und schwarzen Mariuormäuulein, die Reliquie, den Körper des hciligeu Christoph ^derselbe kommt vou Venedig bis Cattaro iu drei Ercmplarcu vor) uud schritt, nachdem ich das Alles zur (Genüge bewundert, am sonueugläuzcudcn Mittag die blendende Straße hinan, die zwischen den beiden zertrümmerten Castcllen auf deu zwei, Sebenico überragenden, Hügelu zwischen ihnen hindurch bergan uord-ostwärts ins ^'and führt. Mau legt dort kaum einige hundert Schritte zurück uud sieht eine Umgebung vor sich, die eine dalmatische Landschaft vou vorzüglichster Eigenthümlichkeit darstellt. Die Steine glänzeu im kahlcu ^aud unter der zertrümmerten, verstaubten Akrovolis des Bischofssitzes. Hwi-schcn den Steinen steigt die Straße okerfarbeu gegeu das vou Bäumcu uud freiwilligem Pflauzcnwuchs entblößte Land an. Im Sommer mag das (Hrün der Nebenblätter ein wenig die Todtenfarbe des Bodens zudecken, nunmehr aber tragen felbst die grauen Aestc einzelner weniger Feigenbäume, die hie und da über die Mauern und Steinhau-feu hervorragen, dazu bei, ein großes Wüstenbild zu schaffen. Sicht malt iu der Feruc eine winzige l^ruvUc von Oelbäu^ meu, welche sich vom Bodeu abhebt, so verstärkt auch diese den traurigeu Eindruck — man möchte sie mit einem Rostfleck auf verwitterter Metallfläche vergleicheu. lieber alle Beschreibung wunderbar abcr ist die Wirkimg des Meeres zwischen diesen Höhenzügen, ^andzungcn uud Scoglieu. Es ist als stünde mau auf ciuem Berge und 206 sehe den Abgrund zwischen sich und den anderen Gebirgsgraten statt mit Luft mit Wasser angefüllt, welches nnr die schmalen Nucken, Spitzen und Kamine hervorragen läßt. Man versetze sich, (um ein Beispiel zn wählen, welches Vielen nnter meinelt Vesern ans eigener Anschauung bekannt ist) anf die „Hohe Salve" in Tirol. Die zahllosen Gruppen der Alpen schanen mit den Gipfeln ans dem Meere — vom Wilden Kaiser, von den BerchtesgadencrÄer-gen, von den Tanern erblickt man nichts als lange Inseln, niedrige Eilande. In der Nähe flnthet das Meer bläulich in dc» Zwi-schenränmen der Felswände, die es überflnthet hat, ans der Ferne dagege» blickt es als matter Silberspiegcl zwischen den dunkeln Felsiulgethümen. Es ist in der That eine grüße Landschaft nnd wer sich einen Begriff von der Natur des Insclrciches machen will, findet von dieser Höhe aus einen Anblick, der, wc»n sich auch gegen Süden noch oft widerholend, doch von keinem mehr eigentlich typischen übertroffcn wird. Weiter landeinwärts erscheint der Grnnd nicht mehr so nackt, wie an der Küste des Meeres. Die geneigten Stein Halden, noch mehr aber die Mulden zwischen ihnen, sind mehr und mehr vou Oelbäumen gesprenkelt. Ja, an maucher Stelle ist es dem Fleiße selbst gelungen, rundliche Flächen, die vor dem Winde mehr geschützt sind, von Steinen so zn säubern, daß jnxge Getreidehalme sprießen. Diese rundlichen Oasen, die meist nur wenige Klafter im Durchmesser haben nnd von einer Mauer umgeben find, verkünden in der Erstarrung deu Frühling, der bald mit den südlichen Winden ins Vand tommeu wird. 207 Männer in Turbanen und Zöpfen mit Metallstücken, die ihucu klirrend bis zur Hüfte hinadhängen, Esclkara wancn, hinter ihnen die Treiber mit den knrzstieligen, tnotenähnlichen Peitschen, Weiber in bnnteu Gewändern und weißen Kopftüchern, den Spinnrocken in der Hand, die dein „^:>^ l)«u8L" mit frenndlichem » viek (iu Ewigkeit) beantworten, „3rondaren" (bäuerliche Sicherheits-wachen) mit langen Gewebren — das ist die Staffage. Seardona ist von Sebenico zehn Miglieu") entfernt, ^s giebt einen halsbrecherischen Fußweg dnrch die Stein-Halden, welcher die Entfernung stark abkürzt, doch wird der Wanderer gnt daran thnn, sich an die Straße zu halte». Die grauen Manern, welche die „Gruudstücke" (richtiger: Steinfelder) abgrenzen, kriechen hier wie Blindschleichen durch manche Olivcugruppe anf die granen Grate hinauf, dort erheben sich zwischen den Oelbänmen hohe Steinpyramiden, von den benachbarten Weideplätzen aufgelesen. Wenn es auf der Welt ein Symbol der Oe-ungsamteit gibt, so ist es ein dalmatisches Schaf, welches im Stande ist, sich anf solcher „Weide" zu nähren —-sei es nun, dasi die Weide ans dem winzigen Grase l»e^ stehe, welches wie Grünspan nber dem Boden liegt oder aus den Keimen, die zwischen diesem und jenem Block aufsprießen oder in den nmmanerten Vierecken, in welchen Gras von Strohfarbe, eine»! verkümmerten, ver gilbten Saatfelde ähnlich, seine ranschenden, dürren Halme zeigt — ein schwefelgelber ,^leck anf dem Grnnd non Löschpapier^arl'e. ") Dr>- tiichtigc Fnßgängkr lcgt ciue Miglie in ^o.nlziss Miiuttcu zurück. 208 So lassen sich als» die Einzelnheiten der Landschaft zwischen hier und Gnlin, dem Kreuzwege, an welchem die Straßenziigc nach Seardona nnd Derns sich theilen, in folgende bestimmte Erscheinungen zusammenfassen: blanes Nceer in der Tiefe von granen oder braunen, fast völlig nackten Schluchten, znckcrhntförmige Stem-Haufen, Muldeu uon spitzigen Kalktrümmern ausgefilllt, gelbes Gras zwischen stachelichcn Giuepre-Sträuchern, die sich voit der Bora haben gegen Süden drehen lassen, ferne Gesichtskreise des Nordens mit weis;cm Schueege^ birge, thunuhohen Gräbcil, in welchen, je einer vom andern über hundert Schritt entfernt, ein elender Strauch an der steilen Waud hängt, (Gräben, in welche der hoheNand des Straßenhügels pechschwarze, scharfe Schatten wirft — hie nnd da gar eine Buche »lit rauschenden Blättern im gelben Gras — nnd über das Alles jagt die Bora hin, die eisig ans den bosnischen Gebirgen herüber Pfeift, deren Schnccstrcifen als Silbcrwand den Gesichtskreis der Hochfläche absperrt. Am Kreuzwege gibt eine weis;e Stciusäule den Wanderern Richtung und ^änge ihrer Wege an. Da-nebcn steht — wie aller Orten an Krenzwegen — ein Wirthshaus, ciuc echte Morlaken Herberge. Der Boden drinnen ist die Erde, wie dranßen nnd anch nicht weni^ ger tothig. Man stelle um irgeud eiue Pfütze herum vier Mauern und setze ein Dach darüber, so hat man uicht mehr und nicht weniger als das „Innere" einer solchen Kneipe. Doch — ein Bett steht darinnen, aber es gleicht andern Lagerstätten wie der Boden einem dent schen Erdstrich! Bewaffnete stehen darinnen, von denen eben Einer einem Trnthahn, der zornig herein kam, mit 209 einem Messer, das er aus dein Gürtel gezogen, den Kopf abgeschlagen hat znm unbändigen Gelächter der ganzen Notte. Der Wein riecht start' nach denVockschläuchcn. Statt eines Brettes dient ein viereckiger Balken als Bank. Die „Voeali" sind mit einer Schmutzrindc glasirt, wie ein kupferner Kessel mit Zinn. Die Hochebene, auf welcher das dicht daneben befindliche Dorf Gulin steht, unterscheidet sich gar sehr von der Strecke, die wir bisher durchwandert haben. Gnlin, ein schmnhiges Dorf, ist nntcr Bäumen versteckt und in geringer Entfernung gedeiht ein ansehnlicher Buchenhain dnrch Mauern gegen die Wanderungen der Ziegen uud Schafe geschützt. Doch scheint das Alles nur da zu sein, um den Gegensatz der entschlichen Wüste zu verstärken, die sich bis dahin ausdehnt, wo der Weg sich in Windungen zn der mcererfüllten Schlucht von Scardoua senkt. Diese Wnste wird von Nichts belebt, als von dein traurigen Gehenl unsichtbarer Hirten, die in der Ferne zwischen den Steinen, welche Alles überlagern, ihre Heerden hüten. Der Gesang der Morlaken ist ein Ding ohne Gleichen. Man stelle sich vor, ein Mann stosie, so lange ihm der Athem reicht, einen Brustton aus, schlage sich dabei aber mit der flachen Hand fortwährend an die ausgestreckte Kehle, so daß ein unbeschreibliches Trcmolaudo entsteht, ein O—o—o o—o—o — o!? und so weiter bis iu's Unendliche. Das Eintönige, Oedc, Verkommene und Freud" lose dieses Bandes wird durch Nichts besser dargestellt, als durch diese Klage aus der Ferne. Die Natur hat hier iu der menschlichen Vnngc das Werkzeug gefnnden, mit welchem sie ihr Wesen offenbart, O —o-o — o- o - o !! Nnab No^ Dali!!«,!!'», 14 210 lässig auf unsere Wanderung wird uus dies blödsiuliigc Trauerlied verfolgen, sei es im Buschwerk der Ginepre-Staudeu, in dent Gewirr der Stciublöcke, in den Klüften, in den Rinnsalen ausgetrockneter Flüsse, oder im endlosen Wirrsal der nackten Karstfelsen. Die Wüste ist trostlos nnd erhaben, Nnr in weiter Entfernung von einander erhebeu sich schwarze Dornbüsche über das Gestein. Am Gesichtskreis des Nordostens aber läuft der alabasterne Wulst hin, das Greuzgebirge. Die Steiuflächc der Wüste schneidet das Gebirge mitten entzwei und läßt nils nur die beschneiten Höhen erblicken. llnter solchen Eindrücken gelaugt der Wanderer dahin, wo der Weg sich wieder zum Meere senkt. Iu vielen Ninduugeu steigt sie nieder uud mit dein Schutze, den die abfallenden Wände geben, je mehr sie zur Tiefe hinab geht, erscheinen auch wieder die Oelbäume und das junge Oclgestrüpp, in welchen laughaarige Hiegen sich herum treibeu. Auch smaragdene Saaten tauchen auf, gesegnete Kreise, die der Fleiß des Menschen geschaffen, mitten im Karst und endlich kommt jenseits des blauen Wasserabgrundes Scardoua zum Vorschein, eiu Haufeu durcheinander geschobener gelber Würfel — aus den Olivenhainen der absteigende» Straße betrachtet ein Steinhaufen in der Stein- und Wasserwüste. Bald aber verschwinden die Gruppen der Oelbäume wieder uud an ihre Stellen treten wieder wellenförmige graue Felsenriffe, in deren Nitzen seit Iahrhuuderteu sich kaum mehr eiu Moos angesiedelt hat. Die Nippen, das Gerüste der Hochebene, der Wüste dort oben brechen hervor — eiu wahrhaft schrecklicher Anblick iu völlig todtem Stein zu gehen, links, rechts, oben, uuten - Alles starr, 211 zerrissen, todt, verwittert und dazu den Anblick jener Stadt über der Bucht ohne Schatten, ohne Baum, ohne Gebüsch, ein Wirrfal, von geschichteten Steinen in Mitten der wüst zerstreuten. Dnrch diese tödtliche Einöde saust die Bora, vom Wiedcrhall verstärkt, nnd der arme Wegmacher — ein Wegmacher mit Turban nnd Hand-schar — zittert im eisigen Hauch dieses fluchbeladenen Windes. Bald, je nach den Windnugeu der Straße, nähert man sich wieder Buchtnngen, von der Bora weniger bedroht, in welchen der Oelbanm neben der pichte gedeiht — der südliche Frnchtbanm neben nordischen Nadelhölzern. Plötzlich endet bie Strafte an einem brannen Felsen beim llfer, der sich ihr qner entgegen stellt. Man mnß die Fähre erwarten, welche lins vom jenseitige,, Nande der Schlncht entgegen kommt. Mittlerweile können wir den Geschmack des Wassers prüfen nnd darans ersehen, ob wir uns in einem Svalte des Gebirges, den die Kerl'c ansfüllt oder an einer Bai befinden, mit welcher das Meer in die Kallfelseu hinein-züngelt, ob wir ein Flußbett oder eincu Fjord vor uus haben, ob wir an der Ndria oder am Titius ldies ist der alte Name der Kerka) stehen. Die Probe fällt unentschieden ans. Das Wasser, welches den Grund der nackten Steinschlncht überwallt, m welcher Scardona, wie ein Block in einer Sandgrube, auf deren Boden sich vom letzten Ntgeu eiu Tümpel angesammelt hat, mit seinem gelbliche» Manerwerk liegt -^ dieses Wasser schmeckt weder füft, wie eiu Flust, 14* 212 noch salzig wie das Meer. Es ist eine Mischung von Beide». Wunderlich ist der Anblick der völlig nackten Wände neben dem lichtgrüncn Wasser, über welches die Bora, hinpfeift, daß die Fährleute weit ab von der Stelle getrieben werden, an welcher ihre Barke zn landen pflegt. Was soll mau nun von der Stadt Scardoua, dem slavischen Skradin, dieser alten Glorie des Äburueu Bolkes sagen? Von Außen sieht sie wohl säst orientalisch aus, wie Sebeuico, voin Hafen aus betrachtet, inwendig aber unterscheidet sie sich nicht sehr vou eiuem etwas schmutzigen deutschen Landstädtchen. Eine lauge Gasse, in welche verschiedene kleiuc übelriechende Sackgassen münden — im Ganzen eine öde Ansiedelung, in welcher Schmutz und Langeweile aus allen Fenstern schalte». In einem Hanse am kleinen Hafen, zum „Bcruardo" geuauut, wird mau auf eigeuthümliche Weise emufangen — es ist dieses das einzige „Gasthaus" dieser Stadt. Es gibt, wie versichert wird, gar uichts zu esseu, als ciu Stück Brod. Wer sich mit dieser Nusknuft zufrieden gibt, erhält auch weiter uichts. Der Beharrlichere aber überwindet schließlich die Gedankeuträgheit und die Gleichgültigkeit der Beherrschern: des Hecrdfeuers uud es stellt sich heraus, dasi ihm der Tisch mit Allem, was da kreucht und fleucht, gedeckt werden kann, vom Steinhuhn zum Haseu, vom Ochfeu zur Gaus. Dieselbe Autwort wird jedem Fremdling ertheilt und uur der Uuter-uehmende gelangt zum Mahle. Es ist die verkehrte Welt.--------- Es versteht sich von selbst, daß Jemand, der aus weiter 213 Ferne Hieher gepilgert kommt, dic Wandcrnng zu keinein anderen.Zwecke unternommen hat, als mn von hier ans uach den Wasserfallen dcr Kcrl'a zu gehen, welche nicht unr dein dalmatischen Volke als eiil Weltwunder gelten, sonder»! anch, vorzüglich dnrch die Schriften englischer Touristen, in ganz Enrova ob ihrer Säiönhcit zn einem gewissen ^tufe gelangt sind. Ich must gestehon, daß ich Anfangs nicht wenig an der Möglichkeit zweifelte, daß in Dalmatic», einem Lande, in welchem nnr die (^renzgebirgc dnrch einigen Wald und dnrch mittelmäßige Erhebung den QneNen Schntz gewähren, ein Fluß von einigem Wasscrvermügen zusammen-rinnen nnd an irgend einer jähen Stelle einen „Sturz" darstellen könne, wovon es der Mühe werth wäre, in Europa zn reden, welches in seinen Alpenländcrn so herrliche Schaustücke dieser Art iu ziemlicher Anzahl besitzt. Indessen mochte ich ans (^rnnd dieser l^ i>iiuil gebildeten Anschannng doch nicht abstehe», zn dem viel-bernfencn Wnnder zn wallen, und erzähle hier mit vollständiger Uiiparthellichkeit die Eindrücke, die ich vou dieser Wanderung mitgebracht habe. Zuvörderst erwähne ich, daß von Scardona ans der steinige Weg fortwährend an: linken Ufer der Bucht Mischen dieser und den durchfurchten, nackte» Wänden luli hinzieht und keineswegs verfehlt werden kann. Doch lst es gerathen, sich irgend einen jungen Vnrschen, der "le Fälle gnt tennt, sich als Wegweiser mitzunehmen, «amit der Fremdling im Cöewirrc der Inselchen untrr den Fällen die besten Standorte rascher finde nnd anch nicht versänme, znm „Meere" hinaufzusteigen, dem 214 großen Seebecken, zu welchem der Fluß in geringer Entfernung oberhalb der Stürze angestaut wird. Das Aller-beste aber ist, in einer Barke zu den Fällen zn fahren. Denn auf dein Wege, den ich beschreiben werde, sieht nlan nur den westlichen (freilich weit aus stärksten) Theil, des Falles. Der östliche bleibt durch einen Niesenfelscn versteckt, an dem der herabdonnerude Schwall des Flusses sich in zwei ungleiche Hälfte» bricht. Wer im Nachen kommt, übersieht von der Mitte der wassererfüllten Schlucht aus die beidcu. Bei dem gewöhnlichen niedrigen Wasserstande des Sonnners mag im Uebrigen wohl anch derjenige, der auf dem von mir zu beschreibenden Wege gekommen ist, bei den Mühlen sich in einem Kahne unterhalb des westlichen Stmzes uach dem östlichen hinüber fahren lassen — fällt aber, wie bei Gelegenheit meines Besuches, nach langen Regengüssen der Sturz in gewaltiger Fülle, so gehen nnter ihm die Wogen zu hoch uud zu reißend, und der Fremdling muß auf den Anblick des Falles hinter jenem vorstehenden Felsen verzichten. Anf dem westlichen Ufer liegt Scardona, anf dem östlichen Sebenico, so wie Verona östlich, Brescia westlick vom Gardasee liegen Und so wie man dort die bezüglichen Ufer das veroncsische und das brcscianische nennt, so bezeichnet man hicr die eine (größere) Hälfte des Sturzes mit dem Namen: der „Fall von Scardona", jenen anderen hinter dem Felsen mit „Fall von Sebenico". Die Fälle überhaupt können in etwa einer Stnnde von Scardona ans erreicht werden, während ihre Entfcrnnng von Sebenico etwa vier Stunden beträgt. Und so ist denn manchem Reisenden die Täuschung entstanden, als sei ein entfernter, auf den Karten gar nicht auffindbarer 215 Wasserfall gemeint, wenn man von den ^klZcato 6i 8edenieo" sprach. Ich trat den Gang am linken, westlichen Ufer in Begleitung eines Wegweisers an einem heiteren Winter^ morgen an. Wo der vorspringende Fels, eine Wand, eine Berghalde die Bora abwehrten, erwärmte die Sonne wie an einem Frühlingstage, an andern Stellen dagegen rasselten die Steine von den kahlen Hängen nnd erstarrten die'Glicder, wenn sie nicht rührig bewegt wurden. Anßerhalb der finsteren Schattentegel, welche die Felsen ans das Wasser des Golfes werfen, erblickte ich die aufstäubenden Schanmstreifcn, welche der Nordwind mit schrillein Geheul dahin trieli. Gegen ihn kämpften mühselig einige Barke,> an, die sich mit den Rudern gar langsam an den Felswänden und längs der nackten Geröllufer fortfchoben. Sie waren mit Getreidesäcken belastet, deren Inhalt in den Mühlen, welche die Wasserstürze treiben, in Mehl verwandelt werden soll. Diese Mühlen sind in den, wasserarmen ^ande weit anf und ab die einzigen, nnd es werden deshalb ans ansehnlichen Entfernungen die Körner Zu ihnen hin geschafft. Fnrcht erregend tobte die Bora in den Schluchten, m welchen kci» Grashalm keimt. In der Ferne riß sie Wasser von der Oberfläche los uud zermalmte es zu grauem Staub, der wie eine Wolke auf trockener Heerstraße umher flog. Wo die Sonne auf das Wasser des Golfes auffiel, stiegeu Dünste in die eisige Boraluft. Der Weg windet sich längs der Bergwand hin, die bald als GetlipP vorspringt, bald als Schlucht zu^ Rücktritt, Ich gehe bald neben den Dämpfen, die vom 216 Wasserspiegel ill die Vora steigen, bald hoch über ihnen. Vald jagt mir der Wind ins Gesicht, bald treibt er mich vorwärts, bald gehe ich durch frostigen Schatten der Bergwand, bald im blendenden ^icht über den Kalksteinen. Je näher den Wasscrstürzen, desto ausgedehnter werden im Golfe die Niedinfeln, zwischen welchen sich Millionen weißer Schanmflockcn, vom Winde aufgepeitscht, dahin drängen. Nunmehr erscheinen die breiten, glänzenden Stürze chintcr ungeheuerlichen Wolken, die rnhig und stätig 'von ihrem Fuße emporsteigen. Das Auge vermag solches ^icht uur auf wenige Augenblicke zu ertrageu — es wendet sich von dem Schauspiel ab, um angezogen sofort wieder zn ihm zurück zu kehren. 5, Mau begreift beim Anblick desselben und bei dem Donner, der in unsere Ohren fällt, wohl, daß von günstigem Winde das Geräusch bis nach Scardona hinab getrageu wirk'. Drüben liegt eine kleine Kapelle an der versengte« Felswand, dem heiligen Joseph geweiht. In ihrer Mähe beginnt die süße Fluth der herabrollenden Kerle sich mit dein andrängenden Meerwasser '^n vermischen Mid beginnt in den Wellen der Bncht jener süßsaure "Geschmack, der ihren Inhalt bis weit gegen Sebeuieo hin als eine Vereinigung von Fluß und Meer erkennen läßt. i. .'.Wo iu der Landschaft des mittleren Dalmaticns Häuser stehen, erheben sich neben ihnen Pappeln, nnd ,deshalb sehen wir auch die Stürze znerst durch den Nahmenloser Vänme, welche sich neben den Mühlen rnch wtti Landzungen und Inseln unter den Stürzen 217 augesiedelt haben. Es ist als glostetc eiu Brand zwischen diesen Bänmcn — solch dichter Qnalm zieht hoch über ihre Spitzen in die ^nft hinauf. Beim ersten Anblicke erkennen wir, daß sich der Wasserfall der Kerka wesentlich von den Stürzen der Alpen unterscheidet. Er ist mehr in die Vreitc als in die Höhe angelegt nnd gleicht einer Niescncaseade, im Style derjenigen, wie man sie in den Gärten sieht, die un Geschmacke von Versailles angelegt sind. Bon den bekannteren Natnrerscheinnngcn der Art dürfte der Nhein^ fall seiner Structur nach am besten mit ihm zusammen gestellt werden können. Es ist wahr, daß er diesem, selbst jetzt im Winter zur ^cit der Fülle, an Menge des herabstürzenden Wassers nachsteht. Was ihm aber hieran gebricht, das wird durch den seltsamen Neiz der Umgebung, dnrch den Anblick der Schluchten in ihrer gräßlichen Nacktheit, durch den Pflanzenwuchs auf den Inseln, nnd durch bie seltsamen Ilnigcbnngen des Flusses oberhalb der Fälle — kurz gesagt dnrch das fremde und in hohem Grade eigenthümliche Wesen der Landschaft vollständig ausgewogen und mehr als das. Einzig ist die Kolonie von Mühlen — es mögen deren wohl zwanzig sein — die im Staube des FalleS, unmittelbar vor den zerschmetterten Wogen, im Schatten von Oel- und Weidenbänmen stehen. Sie alle in Ve-wegung zu setzen, hat man das Wasser in eben so viele Kanäle geleitet, »nd so gehen wir zwischen ihneu in emem Gewirr von jäheil Schanmbächen hin, einen« Labyrinth von Wasser und Inseln. Ich habe erwähnt, daß der Fall im Allgemeinen 218 sich in zwei große Hälften theilt. Aber auch unser Theil, der Fall von Scardonci, allem gleicht einer überfließenden Schale, von welcher seitwärts, neben dem Hanptschwall, sich Traufe» herabstürzen. Das Wasser fällt im Halbkreise. Lassen wir vorläufig dm Hauptsturz und seine drohnenden dunkeln Wolken aus den Auge» und steigen wir seitwärts die Höhe an, eine Wildniß uon Esiheu, moosbedecktcn Felsen, Manlbeerbäumen und Olivengruppen, in welche vielleicht fünfzig kleine Schaumcascaocn — im Style des Stanbbaches — aus einer Höhe von etwa hundert Fnß herabwallen. Hier sieht man mit Entzücken — besser vielleicht gesagt, mit Wehmuth — was dieses Land sein gönnte, wenn der meuschliche Wahnsinn mit seinen Wäldern nicht zugleich auch seiue Quellen und Bäche vcruichtet hätte. Man ist von der Steinwüste, die huudert Schritt vor dem Wasscrfall beginnt, nnd sich fast über das ganze Land hin ausdehnt, in ein schattiges Reich getreten, aus der östlichen Oede, in einen lieblichen Winkel des deutschen Garten nud Waldlaudes. Ileberall rauscht es iu deu dichten Wipfeln, überall schäumt es zwischen den Zweigen, muosbedeckte Brücken, dichte Haine hoher Weiden, weiße Säuleu, die auf eine Wölbuug von Oelbaum-Kronen herabstürzen nnd in Mitten des dunkeln Daches verschwinden — uud über Allem die große, unbewegliche Rauchwolke des Falles. Wie wohlthuend ^dimkt dem Wanderer das heimathliche Geräusch tlapperuder Mühleu, uachdem er Wochen lang keine anderen Wasser hat ranschen hören, als die der graueu Brandung oder dir salzigen Wülste 219 um das Schiff! Aber die Mühlknechte erscheinen nicht in der vaterländischen Tracht der Unschuld, sondern stehen in braunen Morlateu-Mäuteln hermn, nnd die Kunden gleichen keineswegs den vierschrötigen ^andwirthen. Sie sitzen, den Tnrban auf dem Kopfe, den Handschar im Oürtel, mit langen Pfeifenrohren anf den Barken, die vor den Mühlen angelegt sino, nnd ihre Angen, ihre Hautfarbe, ihr Gespräch hat nichts gemein mit dem Wesen unserer dickbackigen, kleinangigen, runden Banern im dentschen Getreideland. Selbst ans dem Bode u guillt hier an mancher Stelle das Wasser, das vom ^lnsse oben dnrch unterirdische Kalkritzeu hindnrchsickcrt, und benel^t das reichliche Gras, das überall nnter diesem Himmelstrichc anfsprießt, wo der Boden Uom gesegneten Naß getränkt wird. Auch das Mauerwerk der einen oder anderen verlassenen Mühle steht dazwischen. Noch schäumt, weuu man vom Nande der Manern hinabschaut, der Mühlbach in der Tiefe wie in den Tagen, in welchen er das große Rad umwälzte — lim die verwitterten Ränder der Mauern aber hat sich dichtes Buschwerk angesiedelt, das banschig ins Innere hinein hängt, nnd sich des kühlen Wasserhanches erfreut, der ans der fuistern Tiefe des zerfallenen Gebäudes emporsteigt. Dranßrn neben dem Manerwcrk "ehen nngeheure Rohre, nut gelblichtcm Schaft nnd gelblichter Rispe, die, wie ein Pendel, hin nnd her schwanken in der Luftwallnng, welche von den stürzenden Wassern erzengt wird. Auffallend ist die Ausbeutung der Bächlein, die Wäsche nnd die schmutzigen Tücher der Morlaken zu rnnigen. Diefe sind nm eine Walze gebunden, welche 220 vom Wasser getrieben wird, und zwei hölzerne Hämmer, welche fortwährend darauf schlagen, haltet» sie au dieser Walze fest, Eine vielleicht gewaltthätige, aber jedenfalls wirksame Art, diese Gespinnstc zu reinigen. Es ist eiu wunderlicher Anblick, diese umwickelten .Walzen, deren Hülle ohne Beihilfe irgend eines Menschen unaufhörlich mit eiuer Kraft zerklopft wird, die eiuciu Mcuschcu die Kuochen zermalmte und ringsum überall die schäumendeu Stürze — dreißig, vierzig an der.Zahl und über ihnen der Epheu an der triefenden Felswand, dessen Blätter von dc» absprühenden Tropfen erzittern und manche kleine, grünnmrangte Tropfsteinhöhle im Kalk, der uur durch solche Höhlung sichtbar wird, weil ihu soust aller Orten das Grün verhüllt. Das Merkwürdigste bleibt, wie sich begreift, der große Wassersturz selbst. Da fällt der quirlende Strom über etwa sechs Absätze herab. Er hat mit Nichts mehr Aehulichteit als mit einem Gletscher, der in der Mittagssonne glänzt. Die duuklcrcn Awischcnränme, beim Gletscher die Klüfte, das sind hier die langen Vinirn, an welchen der Fels dnrch den Schanm schaut. Nur der aufstäubende Wasfcrdunst beeinträchtigt den Werth dieser Vergleichung. Die Aehulichteit mit einem Gletscher, der sich zäh um einen Felsen beugt und rasch über dir unter ihm steil gelagerten Felsterrassen gegen seine Stirnmoräue abbricht, ist aber in hohem Grade überraschend, wenn man sich die Erscheinungen des Douuers und des hoch aufwirbcludeu Wasscrstaubeö weg dcntt. Namentlich wcuu die Sonue im Mittag steht, verschwiudeu die vielfach schillcrudcu Farbcu uud es bleibt nur der Anblick einer geneigten, matt geschliffenen Silbcrsläche, die von 221 dunkeln Schattcnlinicn, wic der Gletscher von seinen Schrültdcn, dnrchzogen wird. Jeder einzelne der Dutzende von Neben-Stürzen, die der überquellende Fluß obeu seitwärts über den Felsrand hinab schämncn läßt, verdiente nicht nur in Dal-niatien, sondern anch in unseren dentschen Waldgebirgen einen Besuch — der wolkige Schanm-Gletschcr aber, die gekrümmte breite Straße schnceblendeudeu dichtes ist werth, daß mau von den großen Wasserfällen der Tancrnkette Hieher eine Pilgerschaft unternimmt, — doch nur in den kühlen, niemals in den heißen Monaten oder Mr Herbstzeit, wenn die südliche Sonne sogar die Wasseradern der hohen dinarischcn^taltbcrge zu trocknen beginnt, oder die kühlen Bocken im fernen Nordost unter monatc-langer Dürre staubig werden, wie eine Mnlde in der Boraja. Am frühen Morgen läßt sich der quirlende Strom nicht mit einer erstarrten, silbernen Gletschcrmasse vergleichen. Der untere Theil der Schamnwolkcn dunkelt blau "us den Wallungen; erreichen sie aufsteigend das Licht der Sonne, so schimmern sie in milchigem Glänze, aber doch scheint der Strudel des Sturzes durch sie hindurch. So werden die blauen Dünste alls dem Abgrund ins Licht zurückgeschlcudert, aus dem sie gekommen sind. Gerade vor diesen zitternden Wolken, oft von ihnen be-uetzt, zicht sich, von Weiden undMaulbeerbänmcn beschattet, ei» grüner Plan hin, welchen die^entcden „Garten" nennen. In ihm steht cin^nsthäuscheu. Hichcr flüchten sich zur heißen Heit des Jahres häufig die Einwohner von Scardona nnd Sebenico ans der Glnt nnd den Ansdünstnngen 222 ihrer unfläthigen Mauern, um den Hauch des frischen Stromes einzuathmen und sich bei einer Mahlzeit im Grünen zu ergötzen. Es gibt sicherlich wenige Speisesäle in der Welt, die sich mit diesem vergleichen lassen, dessen Hintergrund die wallende Wand voll zuckender Achter uud Silberblitzc ist. In einer der Mühlen zwischen den zahllosen Rinn salcn befindet sich eine Schenke, deren betnrl'anter Wirth zu feinem dnnkeln Wein einladet. Tort drinnen ist es an heißen Tagen wohlig zu sitzen: durch die Thüre sieht mau auf die grüne, schaumige Kerke hinab, die, nachdem sie sich Uom Sturz über die jähen Felsterrassen wieder gesammelt, eilig dem salzigen Meere zustrebt. Vielleicht nichtminder als der Wasserfall wird manche» Wanderer das „Meer" liberraschen, zu welchem sich der Fluß oberhalb der Fälle ausgebreitet hat. Zu diesem steigt man links des Falles an der brüchigen Bergwand hinauf. Oben erreicht man vorerst eiuen weiten Wiesen- und Baum-Anger, durch desscu Geäst und Gestrüpp die weißen Staubwolken, die der Wind vom Sturze zurückjagt, getrieben werden. Das Wasseratom, kaum in der Tiefe der Brandung ange tommen,mußwicderin dieHöhc uud sinkt in die eilendeuWirbel herab, um denselben Weg zwischen den Donnern im Gischte noch einmal und vielleicht noch Hunderte Mal zurück zulegen. Die Bergwand zur Vint'en läßt uns, auch beim Au^ blick dieser grünen, wassercrquickteu Aue, nicht vergessen, daß wir uns im verwüsteten ^ande Talmatien befinden. Bis an deu Nand desjenigen Bodens, welchen die letzten Wasseräderchen zn erreichen und zu tränken vermögen, erstreckt sich die Steiuwnste. 223 Auf der Aue aber stehen graue Pappeln, Oelbäume, gelbe Weideustämme, Wachholderbäume und große Gruppen von Röhricht, drei, vier Klafter hoch und in der Morgen^ fonne gar wunderlich glänzend, dicht neben einander, auch fehlen zwischen ihnen mannshohe Schachtelhalme nicht, die den feuchten Boden anzeigen. Einige hundert Schritte weiter zeigt sich abermals eine grüne Fläche: es ist der See, das „Meer", welches die Kerka bildet, zwischen nackten öden Bergen, von dunkler Farbe. Es ist eine erhabene Wildnis;. Die einzige menschliche Ansiedelnng an diesem Wasserbecken ist ein zertrümmertes Haus auf einem steinbedeckten Hügel. Von diesem aus, den weiße Blöcke überlagern, sieht man am besten hinein in die weite Wasserrnnde — einen mächtigen Alpensee — den die Bora durchfegt, und aus dessen Klüfteu es tausend' stimmig heult. Einige Nohrinseln erheben sich kaum über das Wasser. Mitten im „Meere" aber ragt ein Fels auf, hoch, breitrückig, auf dessen Erhebung wohl ein ansehnliches Dorf Raum fände — eine wüste Hochfläche im öden See. Keine Stimme, kein Laut. Das Dröhnen des Wasserfalles, das Pfeifen der Bora über der Wasserfläche nnd in den Schluchten, das Zittern welker Disteln um die zerfalleneu Maueru des Hauses — soust bewegt sich Nichts iu der Todtenstille der Wasserwildniß. Wir kehren zurück. Da, wo jetzt unter dem Sturze die Barken mitGetreidc liegen, landen im schwülen Sommer täglich Schiffe, welche Wasser aus dem frischeu Gebirgsstrom in Fässern nach Sebeuico hinab führen. Jetzt, in der kühlen Jahreszeit 224 begnügen sich die Einwohner der Stadt mit dem schmutzigen Inhalt ihrer Cistcrnen. — — — Versetzen wir nns nunmehr wieder auf jenen Krcnz-weg bei dem Buchwalde des Dorfes Gulin und bei der weißen Säule. Nir schlagen nunmehr die nordöstliche Nichtung gegen Dernis ein. Hier wird die graue Wüste vielfach Volt Wiesen nnd Saatfeldern unterbrochen, uud die grüne Farbe überwältigt die andere der Oede, das aschfarbene Steiufeld. In kurzer Entfernung gelangen wir zu der einsamen Herberge „bei den fünf Sternen", nnd einem Gensdarmeriepostcn in der Ansiedelung Konjewrat. Die Gensdarmen sind eben von einem Strcifznge anf türkische Räuber aus Pctrowac in Bosnien, welches am Ab^ hange des berüchtigten Prifchikagebirges liegt, ermüdet uach Hause gekommen. Die Vauditeu haben in der Nacht eine Heerde aus der Umgebung fortgeführt uud alle Mühe, ihrer habhaft zu werden, erwies sich bis jetzt als fruchtlos. Es ist ein gar anstrengendes Leben, das diese Männer in der Oedc dieser wilden Gegend führen. Anf der Haide, durch welche der Weg hinführt, ist Gelegenheit, den großen Unterschied zu beobachten, welchen bei Nacht die Ausstrahlung der Wärme in die kalte Voraluft nnd bei Tage die Wirkung der südlichen Sonne auf diesem Vodcn hervorbringen. Während Schweißtropfen von der Stirne des Wanderers fallen, welchen der Strahl der Mittagssonne belästigt, bemerkt er große (?isstücke iu deu Negenpfützcn, die sich auf den Wiesen uud zwischen den Steinblöcken angesammelt haben. Die Annäherung an die Gebirge des Nordostens wird 225 uichtnur au dem deutlicheren Hervortreten ihrer meist kahlen Hänge wahrgenommen, sondern auch an großen Karawanen von Eseln, die mit Vrettern beladen sind und so die Ueber-reste der Ausbeute von den verheerten Buch- nnd Eichwäldern znm Meeres strande hinabschlevvcn. Wie sich leicht begreift, wird auch die Gestaltung des Bodens näher au den Vcrgeu immer mannigfaltiger. Schon bei dem elenden Dorfe Radouitsch beginnt der erstarrte Wellenschlag der Erdrinde. Ein.tiefer Stein-graben zieht sich mitten durch die Wüstenei. Sein Boden bietet Gedreidehalmen mehr Schutz, als die Fläche jenseits seiuer Nänder, Daruni bemerkt man in seiner Tiefe maucrnmzännte Felder, während oben Schafe zwischen schwarzem Doruge-strüpp weiden. Graue Wüste und blauer Vergrand des Gesichtskreises, das ist abermals der Schauplatz der Wanderung. Man sieht nichts bebendes, als die langhaarige», schwarzkopfigen Schafe, welche hie und da hungrig von einem Trümmerfeld znm anderen über die gelbe Straße ziehen. Nnr an sehr wenigen Stellen ist es den Menschen gelungen, zwischen deu Steinen eine kleine Strecke Gruud aufzufinden, welcher sie den Samen von Feldfrüchten anvertrauen. Dort fliegen dunl'le Rinder vor den bleichen Stcin-kuppen des Karstes, dcr sich in langen Kliftvenreihcn weit m das Land hinein fortzieht, eine unabsehbare Neihe aus-llefressener, haarscharfer Kanten neben der anderen — an zusehen wie dieWogcnrcihc», welche, foweitdaöAugc reicht, aus der hoheu See sich dem Strande znwälzeu. Nos, Dülmlltien. l5 220 Die Hütten, welche in weiter Entfernung von einander in solchem Gcklipp stehen, enthalte» das liebermasi der Armseligkeit und des Schmntzcs. In mancher derselben wird Wein feilgeboten. Ermüdet lieft ich mich auf einem Steine nieder, welcher vor einer derselben als Sitz dient, Anf der Schwelle der Thüre lag die stattliche Wirthin von zerrissenen Gewändern bedeckt. Vor ihr kniete ein Mädchen und machte, über sie hingrbengt, anf die Schmarotzerthiere ihres Kopfes Jagd. Ihr völlig nackter Sohn bettelte de» Ankömmling an, während ein anderer Bursche mit einein dicken Kopf voll von struppigen, strohfarbenen Haaren sich mit den Truthennen im Kothe herumbalgte und ein mächtiges schwarzes Schwein im Inneren der Hütte den besudelten Vodeu auf^ wühlte. Wenn man das ungestörte Schalten und Walten dieser Thiere betrachtet, so begreift man die zahlreichen Ver-letzuugeil, welche in diesem Lande dcuMensche» von Schweinen beigebracht worden sind. Ileberall begegnet mail Verstimm melungeu, welche in der Ncgcl davon herrühren, daß das Schwein irgend ein Stück des Kindes, seines Schlafgcnossen, verzehrt hat. Unter den Bettlern, welche dir einen Arm ohne Hand, ein (Besicht ohne Nase oder mit tiefen Gruben entgegenstrecken, dir einen Fuft ohneZehcn entgegenhalten, sind die meisten als Kinder in dieser Weise verunglückt. Nicht jeder Wanderer bringt es sofort über sich, in solchen Höhlen zuzusprechen. Die Erschöpfung aber und das Bedürfnis; nach Speise und Trank zwingen ihn bald, sich in das landesübliche z» finden. Manche der Klüfte und Gräben, welche durch die 227 Steimvüste klaffen, werden von der Straße au feinem hohen Gange durchschritten. Negclmäßig bemerkt man in diesen Gräben, deren Hänge einen Schutzwall gegen die Bora dar stellen, kleine Pflänzlingen von buchen nnd winzige Saatfelder von wenigen Klaftern im (Gevierte. Oben aber, wenn auch all spärlichen Stellen ein solches Saatfeld hie und da das Ange des Wanderers er frcnt, erscheint sofort nnd immer wieder bald die ebene Steinwüste, bald eine lange Anfeinanderfolge klaftcrhoher Stcinwoge». lieber diese schallt den ganzen Tag nl>er von irgend einem zwischen den Felsripvcn versteckten Hirten jenes gurgelnde Geheul, das eintönigste nnd traurigste aller Lieder, m welcheni die menschliches Stimme sich in eine» Dudele sack verwandelt zu haben scheint. Häufig tönt auch dieser Gesang'aus einer der finsteren Hütten, wo Dutzende von Kehlen ihn ansstoßcn, stets von ben kreisenden Weinkrügeu angefrischt. Dort liegen sie in der Asche nm die knisternden sslänuuchen der Wachholder-staude herum, triuken bei Tag, trinke» bei Nacht — denn der schwere Wein ist wohlfeiler als gutes Wafser. Der Gegensatz zwischen dem Lärm dieser Orgien, der aus den finsteren Thüren dringt, uud der grauen Stciu^ wüjte, welche jene Hütte» in unendlicher Rnnde umgibt, bringt einen wunderlichen Eindrnck anf den Wanderer hervor. Die Straße gewinnt einigermaßen an ^eben, je mehr man sich Dernis nähert, einem grossen Marktflecken oder auch einer Stadt, wie man de» Häuferhanfen immer neu-"en u,ag. Hl^n bemerkt Kohlenstiicke ans dem dortigen Vergwcrk anf dem Wege verstreut, Esel mit Trnthähnen 15* 22« beladen ziehen der Stadt zu, hie und da tränkt ein Treiber das Saumthier an irgend einer gelben Pfütze zwischen den Steinen, die Wiesen nnd Felder nehmen größeren Umfang an. In höchst bedeutendem Grade aber überraschend ist der graue Felsenpaß, durch welchen man, sowie nach der lange» Wüste die erste Vergreihc erreicht ist, gegen Dernis hindurch schreiten muß. Weder oben, noch ans der Seite, noch unten entdeckt das Auge in dieser Klamm eineu grünen Halm. In der Tiefe aber dröhnt nnd summt es: dort zwäugt sich die gelbe Eiccola durch die grauen Pforten — ein Bild, welches durch die Nacktheit des Gesteins nnd dic Abwesenheit irgend einer anderen Farbe, als der grauen des Karstes, eine ganz andere Wirkuug hervorbringt als die gewaltigsten Klammen in den Alpen. Denn über deu donnernden Wassern der letzteren beugeu sich die schwanken Aeste uon Sträucher», zittern die Farrcntrauter an der feuchten Wcnid, hängen die braunen Wurzeln duftiger Tannen, nnd jenseits ihrer Felsenthore erfreut sich das Auge am Duukel des Bergwaldes, an den Alpenrosen zwischen den dunkeln Verg föhren «der an dem saftigen Graswuchs der Matteu. Hier aber ist die Erde uud der Fels so verwüstet wie die Mauer», die letzten Thürme nud Bollwerke von Terms, welche sich bis auf die Höhe über diesen Wasserabgrund hinaufziehen und kahl ins kahle Land blicke». Schrecklich anzuschauen ist das ^icht der Abend souue auf den grauen Felsen, die feit Iahrhnnderten keinen lebendigen Keim beherbergen. Es scheint ei» Strahl jenes dichtes zu sein, welches auf der Erde 229 liegen wird, wen» ihre Wesen gestorben sind, und sie als kahle Mondkngel kalt sich durch den kalten Naum be. wegt — ein unheimliches, furchtbares Licht, welches nur noch gesteigert wird, wenn die Sonuc völlig zum Nande des Gesichtskreises gesunken ist. Dauu lodert der todte Kalk roth wie ein Nordlicht, fcnriq wie sommerliches Abendgewölk auf dem Meere — eine Trinmvhfackcl der Verheerung, weithin sichtbar in dem wüsten Lande, sicht-bar denen, welche in den Steinfcldern gehen, sichtbar im Inneren der Hütten voll Elend. — — Dernis liegt anf dein nördlichen Abhang der ersten Höhenreihe, welche von den dinarischen Nlpcn ans gegen die wüste Hochfläche vordringt, die wir bisher durchwandert haben. Nur weniges Mauerwerk dringt bis anf den westlichen Abhang hoch über die Ciccola herüber — es sind die gelben Trümmer, welche wir aus weiter Entfernung entdeckt haben. Dieser Höhenzug ist eine Scheide des Wachsthums. Während wir bis zu ihm hin nnd bis in seine Schlucht hinei», in welcher er von der donnernden diccola dnrch^ rissen wird, durch ödes Land gegangen sind, liegt jenseits Zwischen ihr nnd den bosnischen Gebirgen eine gras- und frnchtteiche Hochebene, anf welche der erste Blick crfrent und überrascht fällt, so wie man die Engen der Klamm hilttcr sich hat. Dieses Hoch^ nnd Binnenland Dalmaticns unterscheidet sich völlig von dem größten Theile der Küste nnd der Scoglien. Um den Gegensatz an einem Beispiele zu erläutern, nehmen wir fnr dieses die Gegend Zwischen Dernis nnd Knin, oder anch die Zaworie, die wir durchwandern werden, für jenes aber die nns be- 230 reits bekannten Wüsteneien von Scardona und dem „Meere" ober dem Sturze der Kerka. Wären die Einwohner nicht, der Anblick ihrer Hütten nnd manches Schauspiel, welches mit dem Elend der slavischen Bevölkerung in diesem Lande zusammenhängt, so möchte man sich wohl an vielen Stellen dieser inneren Hochfläche auf die fruchtbareu Gründe Deutschlands versetzt meinen. Zu dieser Täuschung trägt nicht wenig das lebendige Wasser bei, welches hier, in erfreulichem Gegensatze ;n den Küsteu-strichen, aller Orten dnrch die Auen rinnt. Indessen darf man sich auch dieses Land, welches wegen seiner Entfernung vom Meere weniger ansgesogen und verwüstet wnrde, keineswegs als ein Arkadien vorstellen. Wir werden sehen, wie anch hier öde Felswüsten den fruchtbaren Ackergrimd n»d die grüneu Wiesen auf lange Strecken hiu unterbrechen; grün uud fruchtbar nuisi es vor Allem ge-uauut werden im Gegensatz zn jenen ailderen Landstrichen, von welchen wir nnnmchr schon mehr als einen dnrch^ wandert haben, welcher als trauriges Musterbild für noch viel mehr andere aufgestellt werden kaun. Ehe man Dernis erreicht, muß die Eiccola auf ciuer Brücke überschritten werden. Es geschieht dies gerade an dem Punkte, an welchem sie den grauen Schlnnd des Felsenthores betritt. Von keiner Stelle aus ist deshalb der Einblick in die Klamm günstiger, als hier. Man sieht den rauschenden Fluß, anf welchem eben die Wellen der dunklen Tiefe einen Abglanz der Glnth mit sich in die Nacht der Klüfte forttragen, welche hoch oben am Rande brennt, zwischen den Windungen der gräßlichen Wände verschwinden. Einen Unterschied gegen die Klammen der Alpenwelt stellen die Wände nicht nur durch die Abwesenheit jeglichen Pflanzen- 231 lebens, sondern auch durch das Aussehen ihrer Ober' flächen dar. Die Klammen der Hochalften sind Spalten im Gebirge, welche im Laufe der Jahrtausende von Strömen durchgebrocheil wurden, die unvergleichlich reicher, mächtiger und gewaltsamer waren, als die Gewässer, die nnnmchr aus der stacht ihres Bodens heraufdonnern. Ihre Wände sind deshalb glatt oder die vorspringenden Felskanten ragen mit scharfen Ecken mitunter auch in geschweiften Bogen über die Tiefe. Hier aber ist der Fall augenscheinlich ei» anderer. Das kleine Wasscrhat einen schon vorhandenen Spalt benützt, um uach Westen durch die Bergkette hindnrch abzufließen. Die Wände desselben sehe» keineswegs aus, als wären sie nach nnd nach von einer großeu Flnth durch-sägt worde», sondern ihrewulstige Oberfläche ist abgebröckelt, nachdem die Decke des Planzenwnchses durch Menschenhand, dnrch Quellen mangel, durch Sonnengluth und Stürme zerstört war. So sehen also die Wände dieser Kluft aus wie die Wände einer Sandgrube. Jedenfalls aber ist die Aussicht vou der Ciccolabrncke bei Dernis eine der merkwürdigsten Pcdnten im Vande. Um eine Stadt oder einen Marktflecken wie Deruis zuschildern, ist es vielleicht am besten, wenn man die einfachen Erlebnisse eines Neiscabendes ohne schmückendes Beiwerk erzählt. Als ich iu der Dämmerstuude ermüdet ankam und "nch an dem pnrpnrrothen Olauze der Kalkwüstcu satt ge !eheu hatte, trat ich vorerst in eiue Varbicrstilbe ein, in welcher nach einer mir gewordenen Mittheilung Vier verkauft wurde. Bei dem Besitzer dieser Verschönerungsanstalt 232 erkundigte ich mich nach dem Vorhandensein irgend eines Hauses, in welchem man dem Fremdling ein Obdach bietet. Denn die Gastfreundschaft der wackeren Geusdarmeu nehme ich nur in Anspruch, wenn die unbedingte Nothwendigkeit zwingt. Ich erfuhr, daß ein gewisser Vuzzola einen „Albergo" halte, Dieses Haus befindet sich am Nordende des Städtchens Ich durchschritt seine schmutzigen (lassen, ans welchen die Bewohner plaudernd in der frosttlareu Abendluft standen, während der Mond schon anfing, graue Schatten in die undeutlichen Lichter zu zeichnen. Das Haus Vuzzola's, in welchem, wie das schon iu vielen dalmatischen Herbergen üblich, Niemand vou dem Autömmliug Kenntniß nahm, enthält eiu finsteres uud altes Gemach, iu welchem die Honoratioren des Ortes, fünf oder sechs au der Zahl, ihr Abendessen eiuznnchmen pflegen. Nach vielen Bitten verhieß mau mir, anch für mich sorgen zu wollen, doch sollte ich anderweitig eine Unter-s'uuft sucheu — wo, das kouute mir freilich Nicmaud au-geben. So ging ich denn wieder vou dannen uud flüchtete mich zu meineu Freuudcu, deu Oeuödarmeu. Aber anch diese hatten keinen Strohsack mehrzu ihrerVerfüguug.Doch nahmcu sie sich meiner au nud giugeu zum Herr» Bürger^ meister, um dcsseu Vcrmittlliug anzurufeu. So gelaug es deuu endlich, iu irgeud eiuem Haufe Obdach zu erhalteu. Als ich zu den Oensdarmen zurückkehrte, hatten zwei ihrer Kameraden ebeu eill paar Nänber iu fesseln hereingebracht. Darob gab es deuu mm am Abend in der kalten 233 Stube beim Buzzola cm langes Reden über die Räuber mit ihren Thaten im Grenzlande. Einer der Anwesenden war in seinem Leben einmal mehrere Stunden lang bei ihnen Gefangener gewesen, ohne daß sie ihm seine goldene Uhr, ein Geldstück oder irgend welche andere Habscligkeit genommen hätten. Es war unr ihre Absicht gewesen, oenMcmn über das auszufragen, was mail znKni» eben über dieNäuberimGebirge spräche. Man hieß ihn am Mahle Theil nehmen, behandelte ihn freundlich und gab ihm Grüße an den einen und den andern Würdenträger zu Knin mit. Ein Anderer erzählte die Geschichte eines Oberanfsehers der ssinanzwachc, welcher zu Sebenico mit gebundenen Händen und Füßen ins Meer geworfelt wurde, ohne daß es gelang, die Schuldigen zur Verantwortung zu ziehen. Die meisten Glossen aber wurden in dieser Versamm» lung, welche durchgängig ans Renten bestand, die ihre Gegend wohl kennen, über den einen nnd anderen Bekannten gemacht und zwar in Bezug anf dessen Verhalten gegen die Nänber. Wenn Alles das wahr ist, was ich an jenem Abende hurte (nnd ich muß gestehen, daß mir Aehnliches an mehr als einem Orte erzählt wurde), dann ist es ein Wunder zn nennen, daß die Anzahl der Gefährdungen des Eigenthums nicht eine weit größere ist, als in Wirklichkeit. Die Summe der Anktagen, welche, von manch gewichtiger Stimme vorgetragen, gegen manchen Diener der Gerechtigkeit gerichtet wird, läßt sich in den bestimmten Vorwurf der Bestechlichkeit zusammenfassen. Ich halte die Namen bereit, verschweige sie aber in diesem Bnche. Es giebt in Dalmaticn Diebe, welche, sei es durch deu 2^4 Ertrag ihrer Beute, oder durch andcrwärtig erworbenes Be-sitzthum, verhältnißmäsiig fast wohlhabend genannt werden tonnen. Jene Schiffernachrichten nun erzählen, daß es dem Auge der Gerechtigkeit solchen gegenüber selten gelinge, uollgiltige Beweise ihrer Schandthaten aufzufinden und sie deshalb nach knrzer Frist vou der öffentlichen (Gewalt wegcu Mangels derselben entschlüpfen gelassen wurdeu. Der regelmäßige Vorgang hiebet soll nach denselben Nachrichten der sei», daß der „Herr Profoß" dein Delinquenten eine gcwiße Smnme bestimmt, nach deren Einhändigung es „gut mit ihm gehen würde". In der That pflegt fodann der „Herr Adjunkt" kurze Zeit darauf das Verfahren eiuzustcllen. In einzelnen Fällen find sogar die Geldbeträge be^ kannt, welche hiebei flüssig gemacht wurden. Dieselben richten sich selbstverständlich uach der Bedeutuug des Diebstahles und der Schwere der angedrohten Strafe. Nm de» Folgen eines in d,r Gegend von Tran (^ian) ausgeführten Ochsendiebstahles zn entgehen, wurden dem „Herrn Pro foßen" von einem sicheren Spitzbuben zweihundert (dulden eingehändigt, worauf das löbliche Gericht keiue Schuld an dem Manne fand, während in einem anderen Falle vier undzwauzig Thaler genügten, um die Kcrkerthnren vor einem rachsüchtigen FelduerwüsterundBraudstifterzu öffnen. Und so fort. Daß die Nachricht von solchen Opcratiouen in die Oeffentlichkcit dringt, ist keineswegs zu verwundern. Der Befreite hat uichts mehr zu fürchten, der Wein löst die Zunge uud bei dem Zustande von Betrunkenheit, der aller Orteunormal ist, wird dieDiserctioudesdanlschuldigen Halunken nicht lange währen. Der italieuische Beamte, der sich zu solcher Gcbah 235 rung hergibt, ist nicht so vollständig verächtlich, wie es auf den ersten Vlick scheint. Das Volk, dessen Interessen ihm anvertraut sind, ist nach seiner Ueberzeugung wenig mehr als eiue Thierheerdc. Es erscheint ihm in der Hauptsache gleichgiltig, wie es in dieser zugeht. Ob die Crapulc, die Ausschreitungen, die Vergehen, die Verbrechen, weniger oder mehr zahlreich vor-kommeu, das hat nichts zu bedeuteu, sind es ja doch nur nmoi'Illccilill, russisches Lumpengesindel, Menschennnkraut, welche Volt deu Folgen betroffen werden. Da er ferner uicht nündcrvon der Trefflichkeit seiner Verwaltung insoferne nber^ zeugt ist, als er weiß, daß nur die allerwenigsten Straffälligen überhaupt beigebracht werden, so geräth er ans die Mcinnng, daß es auf diesen oder jenen llcbellhäter mehr nicht an-knmmc Bleibt aber noch ein leichter Serupel in ihm hängen, so vergeht er vor der klingende!! Lockung, welche bekanntlich ans die Sühne des „Kulturvolkes" nicht minder einwirkt, als auf die „russische" Canaille. Daß uuter folcheu Umständen die Gensdarmeu, deuen dergleichen am wenigsten verborgen bleibt, ihre Schuldigkeit im vollsten Maße mit Resignation nnd ^ufopfenttig, nnd noch weit mehr als ihre Schuldigkeit thun, ist schwer erklärlich und ill gewissem Grade bewuuderuswerth. Es kaun ihnen uicht zur Aneiferuug dienen, daß eiu völlig überwicscuer Bösewicht, dem sie uicle Stuudeu der Nachtruhe geopfert, nach welchem sie Manche ermüdenden Marsch dnrch diese entsetzlichen Wüsten zurückgelegt haben, sie wenige Wochen, nachdem cr von chneu iu Kcttcu uud Banden eingebracht worden ist, °b ihrer unfruchtbaren Mühe am Schauplcch seilicr Unthaten selbst verhöhnt. Nur der soldatische Geist, die Zucht 236 und Ordnnng dieser Truppe, welche meist aus Slaveu uud Deutschen besteht, bringe» solche Selbstvcrlängnung zu Wege. Mau muß mit den armen Teufeln im wüsten Lande umhergegangen sein, um zu würdigen, was sie trotz der Lumpenwirthschaft der sogenannten „autouomen" Partei, in deren Händen sich das Landvolk befindet, bei Tag und Nacht gegen geringen Loh» unverdrossen leisten. Ich möchte fast sagen, die wackeren Oensdarmen sind den autonomen Cafseehaus Hockern unbequem, weil sie ihnen zn viel Arbeit machen. Die Liederlichkeit — nm nicht mehr zu sagen — der Behörden hat in Bezng auf die Sicherheit des Landes noch einen anderen Nebclstand in ihrem Gefolge. Es ist bekannt, daß die Gcnsdarmen ohne De-nnnciantcn nnd Znträger ans dem Volke selbst (die sogenannten c>«>uii<^nti) gar häufig nichts ausrichten würden und dies nmsomehr, als eiue große Anzahl vou ihnen der slavischen Landessprache wenig oder fast gar nicht knndig ist. Die Nebelthäter wissen das und sind in der Negel anch wohl in der Lage, denjenigen zu errathen, durch dessen Vermittlung sie den Häschern in die Hände fielcn. Gelingt es nnn dem nämlichen Nebelthäter, tnrze Zeit daranf anf die beschriebene Weise der Untersuchung zu entkomme», so ist das Haus, das Feld, der Weingarten, das Leben des Angebers und seiner Familie vogrlfrei. Darum hält Mancher, welcher der Gerechtigkeit einen nützlichen Wink zn geben im Stande wäre, mit diesem znrück. Zur Steuer der Wahrheit muß iudcssen angegeben werden, daß nicht nnr in der Nichtsnntzigkeit eines Bruchtheiles der italienischeu Beamten, sondern auch in 237 der allgemeinen Verwahrlosung des Volkes und in dem Schrecken, welchen mancher Nebelthäter nm sich her zu verbreiten versteht, ein wichtiger Gruud des allgemeinen Elendes vorliegt. Diejenigen, welche im Ucbrigen geneigt wären, Angaben zu machen, die zur Entdeckung des Uebelthäters führten, schweigen aus Furcht vor der Rachc, die derselbe alt ihnen nehmen wird, wenn er durch die augegebeucu Mittel seine Freiheit rasch wieder erhält. Demselbeu Schrecken ist es auch zuzuschreiben, daß sich fortwährend Menschen finden, welche durch Meineide die lügenhafte Verantwortung eines Angcfchuldigten unterstützen. Wie es in dieser Bcziehnng mit dem öffentlichen Aewnßtsein anssieht, ergibt sich anch aus der gemeinsamen Abwehr, welche uon allen Lenten mit vereinten Kräften gegen die Hebnng des Waldbaues nnd Verbesserung des Vodens unternommen wird. Gelangt es beispielsweise zur Kenntniß der Behörden, daß Leute aus dieser oder jeuer Gemeinde ohne irgendwelche Berechtigung einen der kümmerlichen Vnsch-Wälder niederschlagen, deren Pflege endlich nach vieler Mühe bis zn einem gewissen Grade gediehen ist, so sendet man die Gensdarmcn aus, von welchen die Frevler überrascht und znr Rechenschaft gezogen werden sollen. Diese aber haben in der Steinwüste viele Helfershelfer. Nenn sich die Gcnsdarmen nähern, ziehen sie sich gewarnt ans dem Gestrüpp zurück und es bleibt den Wächtern des Gesetzes nichts, als das leere Hinsehen auf den vcrliichteten Pflanzenwuchs. Alle Erkundigungen sind umsonst. Niemals hat irgend Jemand etwas von 2-; 8 dell Frevlern gesehen oder gehört. Und so wiederholt sich dasselbe Spiel ohne Abwechslung fort nnd fort. Was gegen solches Uebel im Lande geschehen soll, ist nicht so schwer anzndcnten als es scheint. In dieser Beziehung stimmen Alle übereiu, welche hinreichende Kenntniß von den Anstanden des Volkes haben. Sie behaupten, daß Nichts besser werden wird im Lande, bis die Einrichtnng von Schulen ans ein künftiges (Geschlecht ihre segensreiche Wirksamkeit bewährt haben wird. Nnd bis dahin — wird der einzige Damm gegen das Elend einer bethörten nnd hilfslosen Menge die Gensdarmerie-Kascrnc sein. Der nächste Morgen gwnte, ich nahm in der großen Caffeestnbe des Ortes, welche mit Steindruckbildern ge ziert ist, die Scenen ans dem Leben der Flenr de Marie in den Geheimnissen von Paris darstellen, mein Frühstück ein und schritt mit dein Aufgang der Sonne hinaus in die Hochfläche, welche von der trüben Ciccola be wässert wird. Lange Bänke blauen Nebels schwebten am Fuß der Bergkette, welche diese Mnlde von dem östlichen Thaie der Cetina trennt. Ans jenem Dnnstreviere kam der glitzernde Flnß herangezogen, sich dnrch weite grüne Anen windend — ein Bild, so nncndlich verschiede» von Allem dem, was wir bisher in Dalmatien gesehen haben. Noch wnnderlichcr wird der Eindruck, der uns an die grüne Heimat gemahnt, wenn wir die dichten Hecken nnd die schönen Aaumreihcn sehen zwischen del, Wiesen und dem schwarzen Grunde sorgsam gepflügter Aecker und von den fernen himmelfarbeneu Bergen wirkliches Gclänte 239 heruberdriugt, sonntäglicher Schall eherner Glocken, nicht abgehackte Hammertöne und wälschcs (Gebimmel. Es ist heute Sonntag, aber es bedarf nicht des festlichen Tages, u>u uns in eine freudevolle Stimmung zu versehen. Fast mißtrauen wir unseren Augen, weuu wir wahr^ nehmen, wie dort das Sonnengold auf dem Hügel durch glitzernden Dunst verklärt iü leibhaftige Obsthaine fällt und durch den blancnSonnendnft des MorgensHäuser herüber blinken, deutschen Dorfhäuscru ähnlich, beschattet von fruchttragenden Bäumen, Auch stattliche Kirchthnrme erheben sich hie und da aus der Landschaft, in welcher sich die Straße nebelt schwarzen Feldern hinzieht, deren feuchte Schollen nnnmehr in der Morgensoiiue knistern, weil die Wasserbläschen vom nächtlichen Thau uuter den warmen Strahlen plagen. ' Der Weg zieht sich allmählig in die langen Hügel-reihen hinein, welche vom östlichen Gebirge bis auf diese Hochfläche herüber reichen, Manche dieser Hügel gleichen einem halbgeschorenen Pudel. Die eine Abdachnng ist mit mannshohem Lanbwald brdeckt, die andere aber eine kahle Trümmerhalde. So sind die Hügelreihen nm Nnschitsch und Gradaz beschaffen. Hinter dem lehteren Ort ist es abermals eine weite grüne Ane, durch welche die (üiccola langsam fluthet, vou deichen, hochhalmigrn (^ras- nnd Schilfufrrn eingefaßt. Das wäre iu der That ein prächtiger Fluß zu ciucr ^'ust fahrt im Nachen. In sausten Windnngen rollt das Wasser "lgleich zwischen den flacheu (Gestaden. An Sonntage» verlassen viele ihre Dörfer, welche scmst alle Tage neben dein Feuer ihrer Hütte liegen. Sie 240 gehen hinaus, mn nach den Feldern zu sehen, ihren Thieren nachzuschauen, die anf den Steinflächen weiden, die Hirten zu besuchen, sich am Grasabhang zu sonnen, wenn die Luft so warm über der Erde liegt wie heute. Dieses Hermugeheu der Menschen stellt manches Genrebild znscnnmcn, welches man an anderen Tagen weniger häufig gewahrt. Hier spielen Kinder aus dem Dorfe, welches dort entfernt hinter den buschbewachsenen Blöcken liegt. Sie haben sich ein hochborstigcs Schwein als Spielgefährten mitgenommen, welches sich an der feuchten Erde unterhalb der Quelle ergötzt, während sie sich selbst neben dem Wasser über den Grashang hinabrollen lasse». Nebenan haben sich Mädcheu, weist nnd roth nach Landessitte gekleidet, in schwarzem Dorugcstrüpsi ein Feuer angemacht, bei welchem sie sich eine Speise zubereiten. Ab und zu gehen sie zu dem Bache, welcher hier iu kleineu Fällen znr Ciccola hinabrinnt, und holen sich das Wasser, dessen sie zur Vereitung ihres Mahles bedürfen. Selbst in den wilderen Schluchten, welche nunmehr von hier in der Richtung gegen Ogorje sich hinziehen, ist der Quellen- und Sastreichthnm der Hochfläche unverkennbar. Es ist nicht ein einziger Hügel da, der völlig kahl wäre, und selbst die Steinfelder, die von grünen Wiesen umgeben werden, erscheinen nicht so nackt, wie die Steinfelder am Meere, die sich endlos fortziehen. Es sprießt und keimt überall zwischen ihren Blöcken. Die Samen der weite» Grasflächen trägt der Wind anch in die Oede hinein. Die Landschaft hat, von der Unterbrechung dnrch einzelne Steinflächen abgesehen, viele Aehulichtcit mit dem 241 Hügellande im füdlicheu Böhmen, nahe an den Nferu der Sazawa. Aian geht in Schluchten, aber ihre Hänge sind mit saftgrünen Wiesen bedeckt, und anf dem Rande der Höhen heben sich zahlreiche Bänmc schwarz in schroffen Umrissen Volt dem klaren Himmel ab. Hie nnd da kommt ein kleiner Bach von diesen Hängen, ties in den Boden eiugeschnitten, träge znr Ciccola herab. Da fehlt dann die kleine Mühle nicht, uon einem Vaumauger halb versteckt, in deren Innerem das angestaute Wasser lärmt, ohne die klappernden Näder in Be-weguug zu setzen. Die Mühle ist jetzt geschlossen, kein Mensch geht ant« noch ein, und es vergehen vielleicht lange Monate, bis wieder einmal kleine Karawaneu von Eseln ihr die Säcke uoll von Körnern zutragen, die aus den ergiebigen Gründen dort jenseits des Baches gewonnen worden sind. Am Wege steht manche herrliche Buche, eines deutscheu Hochwaldes würdig, Ueberreste aus den Zeiten des wald^ reichen Dalmatieus, Ihnen gegenüber kann man nicht selten an den Hängen den Borgaug beobachten, durch welchen so viele Strecken des Maudes in eine Wüste verwandelt worden sind. Noch liegt ans ihm die dichte Humuserde, aber die Wurzeln der Bäume sind schou herausgezogen und es bedarf uur mehr der Negeuzeitcn eiuiger Jahre, um die, jetzt noch dicke Erdschicht allmählig zu dem anderen Oesteiu an der Straße hinabzuflößen. Schon bemerkt man bei dem Einblick, den manche offenlicgende spalte in den inneren Aufban des Hügels gestattet, das graue sselsgesteiu unter der Erde, welches in uicht sehr ferner Zeit die Oberfläche aller derjenigen Hügel darstellen wird, aus welchen das thörichte Volk selbst die Stümpfe der Mo«, Dalniatien. 1« 242 Bäume ausgegrabcn hat, in deren Schutz sich einst befrucht tender Thau sammelte. Das Nauscheu des Gewässers in jener kleinen Schlucht wird dann verstummt seiu und sich unr vernehmen lassen, wenn nach landen Regentagen die Flnth, von keinem Pslanzcnwnchs mehr zurückgehalten, hoch angeschwellt ihr Geröll gegen die Flnren hinabwälzt, welche jetzt noch dort unten grünen. Wenn ich alle Einzelheiten der nmgcbendcn Landschaft von hier bis gegen Nomljan hin beschreiben wollte, müßte ich Vieles wiederhole,,, was den: ^escr scholl mehrmals dargestellt worden ist. Es folgen sich, um das Bild mit wenigen Striche,: zu zeichneu, Häuschen am langsamen Wasser, von einer Grnvfte glänzender Pappeln umgebe,,, graue, nackte Eng-vässe, durch welche man voll einer Stnfc des Thales in eine höhere gelangt, grüne Flächen mit glöckelndcn Schaf-heerden, steile Abstürze, a>, deren hohem Naud die Hirteu rnfeil, Wüsteneien, deren fast stockende Wasser die Mcinnng hervorrufen, man befinde sich auf einer sslichscheidc; Karstzüge, spärlich grüu gefleckt, im Osten aber begleitet uns meist die hohe Kalkkette, überlagert von langen Schneestreifen und unendlichem Geröll. In der Mulde deö Thales aber steht Sumpfwasser hinter Steinwällen, unentschieden, ob es sich nach Hiord oder nach Süd wenden sott, bald von ^andznngcn mit dürftigem Nnschwald , bald von kleinen Inseln mit Stachclgestrnpp unterbrochen. Das wehmüthige Geheul der Hirtcu driugt allenthalben auf den Weg her, ohue daß das Ohr in diesen Orüudeu zu unterscheiden vermöchte, woher die Stimme» dringen. Kommen sie ans dem Obsthain neben den 243 Häuseru dort, dringen sie von dort unten herauf, wo eine Mühle zniischen Pappeln lärnit, oder von dort drüben, wo ciu Pferd i,l der brau neu Erde versiuken will, als ginge es auf zerriebener ^'ohe, oder aus de» Kalktrümmern ober j^cnem ausgewaschenen Orabeu, oder gcheu sie vou jcncm Menschen aus, der dort wie ein schwarzer Punkt au der weißen Felswand hängt? Niemand wüßte das in dieser vielgestaltigen, widerhallenden Einöde zn sagen, Ehe man zu eiueiu einsamen Hanse gelangt, welches Wrba (die Weide) heißt, erblickt man uoch eiumal Wein auf grau-kahler Höhe, ringsum aber Strinseldcr mit mächtigeu Blöcken. Hier war es, wo meiner Wanderung säst ein vor-zeitiges Ende bereitet worden wäre. Ich vernahm hinter einem der großen blocke einen Schuß mid int nächsten Augeubliäe belehrte mich das Schwirren dicht uebcn meiucm Ohr, daß die Kugel Reuige Handbreit vou mir entfernt vorüber geflogen war. Es ist nicht zu verwundern, daß die vielen Räuber-Agenden, welche man auf der Wanderung zn höreil bekommt, bei solchem Anlaß nachträglich s^nrcht einjagen, und daß die vollständig sichere llcberzeugnug, die man sich aus alten Erfahrungen gebildet hat, nämlich die Ueber-zeuguug, daß es die Herren Malviventi niemals in solcher ^"eise auf harmlose Fremdlinge abscheu, urplötzlich erschüttert wird oder auch ganz verschwindet. Ich bcschlennigte in Folge dessen meine Schritte >el)r stark, um die benachbarte Wrba zu erreichen, ^ie ^«rba ist eine aus Holz gezimmerte Hütte, viel sauberer als die meisten Ansiedelungen im ^andc. 16' 244 Der beturbante Wirth lag eben auf den Knieen^ beniüht, die Fnnken anzufachen, welche noch in der Asche feines erloschenen Herdfeuers glänzten. Ich trug ihm mit einiger Aufreguug das Abenteuer vor, dem ich socken entkommen war. Er aber erhob sich lächelnd und führte mir in das Gedächtnis; zurück, daß es heute Sonntag sei, ein Tag, au welchem sich Jeder mit Scheibenschießen beschäftigt, der über ein (bewehr nnd Kugeln gebietet. So halte denn auch derjenige, desseu Geschoß mich uahezu getroffen hätte, sich ohne Zweifel jenseits der Straße au einem Block, oder au eiuem Äaunie ein Ziel befestigt, nach welchem, er schoß, lim diejenigen, die anf der Straße vorüber gingen, kümmerte er sich freilich (^üu morl!,« schmerzen könne, und einem noch Aermeren gegenüber beruhigt sich der Malvivent vielleicht mit einen, paar Dpanken oder einem Trnthahn. Das ist die Wahrheit über diese Leute im Allgemeinen nnd der Fremdling soll sich von Reden, welche anders lanten, dnrchans nicht irre machen lassen. Es ist für den Ankömmling überaus schwer, sich in bkn widersprechenden Reden zurecht zu finden, welche er darüber von allen Seiten zu hören bekommt, nud das umsomehr, je weniger ^eutc sich in den Städten finden, welche das ^and ans eigener Anschannxg kennen. An, allerwenigsten darf man hoffen, von den Beamten darüber reinen Wein eingeschenkt zn erhalten. Diese wissen in der ^egel am wenigsten. Ich erinnere mich an eine Warnung, die mir zur ^eit meines ersten Anfenthaltes in Dalmaticn ein italienischer Beamter zntommen liest, nnd welche nichts weniger "^sagte, als daß es gefährlich sei, sich anch nnr eine halbe Etnndc weit von der Stadt zn entfernen. Solche» ^Häuptlinge» aber steht die Thatsache eutgege», daß ein vernünftiger Fußwandcrer bis znr Sutorina hinab — um wie viel mehr noch auf deu Scoglien — keiner "»stlicheu Gefahr begegnen wird. Ausgenommen aber werden müssen manche Ueber-«lUlge ans den Grcnzgegenden nach Bosnien, die gebirgige 240 Umgegend von Knin, Verlika, Imoski und mancher Strich an der unteren Narenta. Auch der llebelgaug nach Kroatien über den Welebit ist keineswegs vollständig geheuer. In diesen Gegenden erscheint es rathsam, sich mit Geusdarmen und zuverlässigen Geleitsmännern zu umgebe«. Hat man die Grcnzgcbirge, welche die eigentlichen Sitze der Nänberhordeu, wie der Raubvögel siud, überschritten, so ist selbst in Bosnien nicht mehr viel zu besorgen, wenn man sich nicht allzusehr von den großen Straßen entfernt, die vou den wackeren türkischen Gens-darmen thatkräftig überwacht werden. Tie Näuber in jenen Grenzgcbirgcn stellen ili ihren? Benehmen anch deßhalb eine Ansnahmc von den Branchen der Malviventi in Dalmaalmatlcn gesungen wird nnd, wortgetreu uach einem blcser Texte übersetzt, folgendermaßen lautet: 256 „Lieber ist mir Viwn»-') als Sarajewo, Sarajewo wird oft von der Pest verheert. „Und so wurde es auch jetzt verheert und es starben alle Jünglinge uud Mädchen, es starb auch Ilija, das einzige Kind seiner Mutter. „Nnd die Mutter beweinte es und begrub den Sohn im Hofe. „lieber dem (^rabe vergoß sie ihm Thränen uud es sprach zu ihm die alte Mutter: „O Ilija, du mein theures Kind! Nie sehr quält mich die Neue, dast ich dich nicht an eine Iuugfrau vermählt, oder dir theuereBrüder geboren, oder dir eine grüne Dolama'^') zugeschnitten, oder dir ein weiches Hemd genäht habe. „Das todte Haupt antwortete aus dem Orabe: „Ich deuke uicht darau, o meine liebe Mutter! „Die schwarze Erde ist meine Iuugfrau, uuo die Würmer sind meine Brüder. „Das grüne (^ras ist mir Dolama lind der harte Fels Hemd, „Aber mu das bitte ich dich, o meine liebe Mutter: Gehe hin zu meinem Pobratine""") und grüfte ihn, dast er nicht den (klauben eines Mädchens berücke, „Denn schwer ist der Flnch eines Mädchens. Wenn es flucht, so wird es im Himmel gehört, Wenn es seufzt, *) Eine St«dt m dee H^ccaowiua. "") Dolmcm, Uedcrwn'f fin eincn Mann. ""*) Der Verbrüderst, derirnisse, mit welchen man nnch einer bekannten fndslavischen Sittc die Ceremonie der Vevbin« dung eingeht. 25,7 so erhört es Gott, wenn es jauunert, so erreicht der Jammer deu Himmel. „Solches ist der Fluch eines Mädchens. Weun du es alier nicht thust, o Mutter, so wird ihn ein schlimmer Tod todten, wie er auch mich Heldcu getödtet hat." Dieses wunderliche Lied, welches mehr verschweigt, als erzählt, stimmte überein mit dem Eindruck eines räthselhafteu uud unbekannten Fluches, welcher hier über Berg und Thal zu schweben fcheiut. Die „Dolama" dieses Landes siud die steiubcdeckteu Wüsten uud der graue 3els ist seilt Gewaud uud sicherlich ist auch au diesem Tode das Verderben des jungfräulichen Waldes Schuld, der einst lustig auf allen Häugeu grünte. Vom Kirchhofe zu Prugowo au bis zum Castelle dou Elissa ist es abermals zum großcu Theile Wüste, welche wir durchwauderu. Die Bora hat während der Nacht die kalkigen Schlammtümpel des Steiulandes mit einer Eisdecke über-zogen. An mancher derselben sieht mau uuumehr einen Morlakeu iu seiuer brauueu Kutte stehen, das Eis ei»" schlagcu uud sich traukeu «lit der zähen Flüssigkeit. Die schneidende uud überaus trockeue Luft dieser Höhen erzeugt uicht nur Hunger, sondern noch weit mehr Durst, so kalt sie uns auch auwcheu mag. Weuu mau dcu beschneiten Mossor betrachtet, der M) gerade vor uns im Süden erhebt, so dcutt man schwerlich daran, dasi den Wanderer hier unten die Lust anwandeln tanu, die Eisdecken grauer PfWen aufzuschlagen, um seineu Durst zu stillen. Uud dennoch ist es eiue Wahrheit, dasi Iemaud, welcher Stuudeu laug 'n einem solchen Luftstrom hingeht, der nur über Noö. Dalmatic». ^ 258 trockene Wüsten streicht, sein Verlangen, wie sehr ihn auch vielleicht der Hunger zu belästigen beginnt, doch vorzüglich nach einer Quelle richtet. In dem Steinfelde sieht man hie und da Menschen, welche gebückt eine Danaiden-Arbeit verrichten, indem sie beflissen sind, die Kalktriimmer von irgend einem Grunde wegzuräumen. Mancher auch durchfurcht mit eiuem elenden Pfluge, der nur aus einem einzigen Balken besteht, in welchem ein krummes Eisen befestigt ist, den nothdürftig Uon Felstrümmern gesäuberten Boden, eine unfruchtbare Arbeit in der unfruchtbaren (Krde. In dieser Oede überrascht dcu Wanderer, der in Dalmatien so seltene Anblick eines Schlosses, welches am Hange einer grauen Brda(lir<1li — Steinbcrges) erbaut ist. Diese Ansiedelung heisi Koujsto uud das Gefilde, über welches sie sich erhebt, ist traurig auzuseheu im öde» Winter, wenn die Vom zwischeu den Steiueu heult, mag aber noch trauriger zur Sommerszeit sein, weuu die Heisie ^uft linbewegt in der wasscrlosen Wüstenei stockt. Das graue Gefilde vou Koujsko wird durch eiueu hoheu Karstrücken, über welchen sich die gelbbraune Straße hiuaufschlängelt, von dem Thale zwischen Sign und Salona getrennt. Bor dem Anstieg zil dieser Höhe, auf welche die Bora hinstürmte, als wolle sie dieselbe gegeu Jeden vertheidige,,, der sie zu betreten im Begriffe stand, hielt ich Rast in einer kleinen Herberge an ihrem Fuße. Auch hier lag eiu inngcö, buutgekleidetes uud mit edleu Metallen geschmücktes Frauenzimmer auf der Schwelle und liesi sich die langen schwarzen Haare dnrchsucheu. Die 259 Wirthin erhob sich ans der Asche des Feuers und brachte einen Krug Wein, legte auch das Rippenstück eines Schweines über einen Nost und ließ es au den Kohlen schnwrren. Manchmal drang die Bora zur offenen Thüre herein und wirbelte die Asche von derHerdstätte weg im finsteren Naumc muhcr. (Geflügel trieb sich in Schaaren herum nnd haschte nach den Krinnchen, die beim Verzehre» eines längst gebackenen Brodes auf den Boden fielen. So stieg ich denn wieder gestärlt dem Nordwinde entgegen über die gewundene Strafte, und die Krümmungen »st abkürzend, durch die scharfen Klippcu, dcreu verwitterte leihen einem Manne etwa bis zur Hüfte reichen. Die Bora hat die Eigenschaft, daß alleGegelMnde, die Sterne bei der Nacht, die Gebirge an, Tage, durch ihre Strömung hindurch sich iu einer uubeschreiblicheu Klarheit zeigen. Demicuigen, welcher allmählig an den ?ln-blick des wilden Bandes und der düsteren Menschen gewöhnt, nach nnd nach auch den Kampf gegen deu wüthcndeu Wind nicht mehr fo lästig empfindet, geht eine Ahnnng des (Gefühles anf, welches dort oben den Geier und i» den glänzenden Schluchten des Schncegebirges den Verbannten ^urchdringcll mag, wenn er aller Satzuugen und alles Zwanges ledig, vom Feuer seiuer Höhle aus oder uon den braten, deneu kein Audercr naht, iu die mühselige uud arbeitende Welt hinabschaut. Ein überraschcudes Bild ist aufgerollt, wenn mau dle Höhe der Klippen erreicht hat, nud sich der verwitterte Verg südlich scntt in den von Weingärten und Getreidefeldern bedeckten Thallessel zwischen Sign uud Clissa. Weit mehr noch aber wird das Auge angezogen durch 17* 260 den Anblick der grauen Salzfluth, dessen es in den durchwanderten Steinwüsten so lange entbehrt hatte. Es erscheint das Meer und jenseits des Meeres dunkle Wände, die Eilande von Brazza und Solta, Würden wir noch höher stehen, so erblickten wir die lang/ gezogenen Linien von ^esina nnd ans den Mossor dort drüben umfaßte unser Blick wohl die gesammte Welt dieser Eilande bis nach Lissa und Cnrzola hinüber. Auf dein Wege über die grauen Klippen herauf hatte sich mir ein wohlbewaffneter Mortal' aligeschlossen, der nach Clissa hinabging um dort Schafe einzukaufen. Seiner Einladung folgte ich in das Hans eines Freundes, welches nur wenige hundert Schritte von der alten Veste entfernt liegt. Der Hausherr saß mit seinen Nassen neben dem Fener in der Asche nnd sprach fleißig einem großen Wein kruge zu. Die Weiber waren daneben mit dem Aus hülsen von Maiskörnern beschäftigt. Dazwischen gingell Schweine und Schafe herum und ließen sich die trockenen Blätter des Maises schmecken. Ein Schas lwn öfter znm Herrn des Hanfes heran^ gehüpft, welcher ihm den Weinkrug hinhielt, woraus das Thier begierig trank. Dieses Schaf, versicherte nns der Mann, verlasse das Haus niemals nnd es fiele ihn, nicht ein, den anderen auf die Weide hinaus zu folgen. Nachdem wir dieses Hans uud seine Insassen verlassen hatten, erschien bald vor nns der Felsent'egel von Clissa, mit den gelben Mauern gekrönt, eine scharf bezeichnete Silhouette, die sich vom fernen Meere abhebt. Unten stehen die dnnklen Oelbäumc, oben wüthet die Vora 261 in dem kahlen Gebirge und im Hintergrunde blaut die viel zerklüftete Inselwelt. Man kann an dieser Stätte nicht vorüber gehen, ohne sich an wichtige Zwischenfälle der Geschichte dieses Landes zu erinnern. Die Grafen dieses Castelles waren es, welche zuerst jene, von den Ottomanen verfolgten und bedrängten christlichen Krieger aufnahmen, welche in der Geschichte unter den Namen der Nskoken") bekannt geworden sind. Nachdem die Türken (1537) sich des festen Vollwerkes bemächtigt hatten, zogen sich die llskoken weiter nach Zengg und Carlopago (On-iop^u) unter drn Schutz der Grafen Arangipani und der Könige von Ungarn. Aber die Nskoten von Zcngg blieben nicht mehr die Krieger von Clissa, Aus deu einstmaligen Kämpfern gegen die Ungläubigen wurden Räuber zu Land uud zur See, und es währte uicht lange, bis sie von Zengg aus selbst bis »ach (Hhioggia hinüber fuhren, nm unter den Augen der Beherrscherin der Meere selbst zu plüuderu. Wohl mag es auch eine Bande vou Nskoken ge-weseu seiu, welche sechzig Jahre nach der Eiunahme ^lissa's durch die Türkeil einen Bersuch machte, die Veste wieder zn gewinnen. Diese Bande war vom Bischof von Zcngg nnd der ganzen Klerisei von Spalato, den Archidiaconus an der Spitze, angeführt. Aber die Türken hatten nicht minder Glück als im Jahre 15:t7, dem nämlichen Jahre übrigens, in welchen, auch die Nagusäer lhre Schiffe rüsteten, um sich an dem unglücklichen Zuge ^) Dcr Name kommt uon dem slavischen Nurte nzka^iti, sich flüchte,,. 262 Karl's des Fünften gegen Tunis zu betheiligcn. Sie schlugen die Bande und ihre Auführer nieder und nur Wenige entkamen, mu zu melden, daß sie deu Halb-nioud nicht hatten von deu Mauern der Vcrgveste herald wcrfcu tonnen. Der Weg, welcher unter ihren kahlen Häugeu neben den weißeil Dächern der uuten augcsie^ delteu Häuser, stets im Augesichte der Iuselu, fuh gegen die Gewässer von Salona, den alten Iadrus, hiuabzieht, ist uns, außer durch die Erinnerung au die Gräuel der Ustoken, anch nuch dadurch uierkwürdig, daß zur selbeu Hcit, in lurlcher die Türken dort oben saßen, bis zum Ende des sechzehuten Iahrhundertes, die Karawanen von den Ilfern des adriatischen Meeres von Spalato aus auf dicseni Wege ihre kostbaren basten beförderten, die nach Staiubul nud selbst bis nach dem fernen Per^-sieu und Indien bestimmt waren. (3s hat sich in unsercu Tagen mehrfach ereignet, daß man die alten Haudelswege mit Vcnütznng oer^ jenigen Mittel, wclcl>e unser vorgeschrittenes Wissen bietet, wieder aufgenommen hat. So hoffen denn auch jetzt die Einwohner von Spalato, daß jener Schicncnstrang, welcher in knrzer Heit aus dem Innern des türkischen Neiches nach irgend einer Stadt am Adria gelegt werden wird, an keiner anderen Stelle ausmünden werde, als an derjenigen, wo der alte Cäsar scineu Nieseupalast erbaut hat und die Morgenländer Jahrhunderte lang die Fracht venetianischer Galeeren in Empfang nahmen. Diese Meinnng wird gerechtfertigt, weuu mau eine Karte der östlichen Länder genau betrachtet, und es dürfte wohl der Tag kommen, an welchem die locomotive viel gewaltigere Lasten durch die Schluchteu schleppt, als einst 263 die Karawanen zur Zeit der Uskoten. Früher freilich gefiel den Türken als Stappelplatz noch mehr Nagusa, welches noch dermalen keine Meile von ihrer Grenze entfernt liegt, und die vierzigtausend Einwohner, welche um das Jahr 1400 zu Nagusa saßen, verdankten ihr Dortsein fast alle der Vorliebe ihrer östlichen Nachbarn für die blühende Stadt des Omblathales. Die Strafte, welche von Clissa in mächtig ans-greifenden Windungen zum Meere hinabführt, kann in den Hohlwegen und Vachbettcn abgeschnitten werden, welche sich auf den steilen Hängen überall durch den ölbedcckteu Boden hindurchzieht. Gegen Südosten hat man verschobene Bergcoulissen, die mächtige Alpcnland^ schaft der Poljizza, dercu steile Hänge über Nlmisfa ins Meer fallen. Hinter uns ragen die grauen Jacher über einen grünen Garten und vor uus erscheint die baumreiche Halbinsel, die Halbinsel Spalato's, welche mit ihren Aelsrändern vom Kanal der füuf Castelle umfluthet wird. Nicht wenig erfreulich wird es jedem Wanderer dünken, wenn er, die durchschritteuen Wildnisse im Gedächtniß, uuumehr Salona betritt, seiuc weiße« Häuser in Gärten und deu llareu Fluft sieht, welcher zwischen V lumen und Baumaugern dahiurauscht. Es hat in der That dieses Städtchen nicht das mindeste Dalmatische, besser gesagt Morlatische, an sich und es scheint, als ob aus zenen Tagen der Nömcrzeit, iu welchen hier alle Ueppigkeiten Roms zu scheu waren, ein gewisses Behagen au den Einrichtnngeu und den ^ebenserfordernissen emer besseren Welt sich bis heute uuter den Ansiedlern "halten hätte. 264 Salona hat vollständig das Aussehen einet« deutschen Städtchens am Fuße der Alpen, in welchem Fremdlinge von weit nnd breit ihre Sommerfrische halten. Hoch über den Pappeln des Flusses ragen die wolkigen Verge, und dieser selbst rauscht so jugeudfrisch, als wären noch Hunderte von Meilen bis zum Meere hin, welches ihn jenseits der nächsten Wiese erwartet. Weiße Manern mit grüncil ^ä'dcn stehen jenseits der Gartenzäuue, und selbst kleine Vadhäuscheu fpriugen in den Flnß vor, in welchem znv Sommerszeit die Ein-wohncr sich in den Welleil des Flüßchens kühlen. Es mag angenehm sein, am lauen Abe»d nnter den glänzenden Sternen vor den Manern des „(5afü Diocleziano" zu sitzen nud zugleich das heimliche Murmeln des Flusses zwischen den Gärten wie das dunkle Nauschen der Meereswogen au dem uou Oelbäumen überschatteten Gestade zu vernehmen- Siebentes Capitel. Oin e Mecrfati rt länsss der Kulten. In einer Nacht mehrere Stunden vor Sonuenanf gang bestieg ich das Schiff, welches mich von Sebeuiro l,is weit hinab in die Vocche bringen sollte. Die orangefarbene Mondsichel hing über den Felsen, als ob sie die Flamme eines ^euchtthurms wäre, der deu Ausweg ails dem bleichen Felsen labyrinth zn zeigen habe. Wir waren schon im Angesichte des endlosen Oc- 265 wimmels von Felsspitzcn, welche von der Insel Zuri bis zur Incoronata allenthalben sich ans dem Meere erheben, als sich am ostlichen Himmel eine rothe Wand erhob, von welcher Strahlen zum Zenith empordraugen nnd dessen nächtliches Grau allmählich auflösten. Nach und nach leuchtete selige Klarheit, silbernes ^icht anch zwischen iener rothen Wand und dem Scheitelpunkte des Himmels. Zuletzt schwand das Roth am Himmelsraude in Gold, und über öic See, welche, von einem starken „Greco" bewegt, ans das verdeck herstänbte, fielen Strahlen, neben welchen das Meer urplötzlich seine lebendige grüne Farbe erhielt. Die Sonne trat heranf, nnd das Gebell der weiten Fläche War angefacht. ^lnnmehr erblickte man im tUligen Lichte die weite, vom Wasser umwallte Gebirgswelt mit den Gipfeln, die ln so geringer Höhe über den weisicn Kranz ihrer Brandung nnftorschauen. Mitunter sieht das Alles aus, als wären sämmtliche Basteien, Thürme, Vorwerke, Schanzen, Wälle klner ungeheueren Festung bis nahe au den Nand hin unter Wasser gesetzt, Dazwischen glänzt hie nnd da eine einzige Ufer-ilelle in weiter Ferne an dem zernagten Mauerwert so blendend weift, daß sie nicht mehr zu unterscheiden ist von einem Segel, welches ei» greller Sonnenblick aus ein cm Streifwetter trifft. Auch in die Vögel schien mit dem Aufgange des rotheu Gestirnes Leben gekommen zu sein. Die großen Möven (Crocaji geuauut) verliesieu die breiten Straßen hiutcr dein Schiffe uicht mehr, deren breite Wogenspitzen purpurn funkelten. Sie flogen anf, sie flogen ab, berührtet« einen Augen- 266 blick das wallende Wasser und glänzten im nächsten hoch über ihm uor den Goldfransen des Aufganges oder einem der schwarzblanenFelsen, die nächst uns im Meere waren. Sie bewegen sich in steten Kreisen, doch dem Zuge des Schiffes folgend, so etwa, wie der Mond dort, welcher dnrch eine erbleichende Wolkcnlncke schaut, um unsere Kngel sich dreht und ihr doch folgt im ^aufe um den rothen Vall, welcher dort in der Tiefe endloser Wolkeu-coulissen flammt. Auf dieser Fahrt ist das Ufer des Festlandes nicht minder merkwürdig, als die fernen Scoglien und die nahen Felsbänte, durch deren unabsehbare Schaar das Schiff sich durch den Greco hindnrchkämpft, während drunten die Kohlen wie Erzglanz glühen, die Campen schwanken, die Kessel klirren und Sprühregen roth schillernd das Berdeck überstäubt. Auf dem Festlande dehnt sich jene Wüste, welche wir in der Voraja durchwandert haben, die dort hinter den nächsten Vergen liegt, fast bis zum Meere herab aus. Da ziehen sich graue Auchtcn, nm die hcrnin gar spärliche Ginepre^Sträncher wachsen, in das felsige ^'and hinein. Au seinen« Strande erhebt sich hie und da eine, aus rohen Steiueu zusammengelegte Hirtenhütte und mancher Riff, die verwitterte Kaute einer halb umgelegten Kaltplatte, ragt mit seinen zerfressenen Rändern halb aus dem Schaum empör, ein lauger schwarzer Molo, welcher sich vom Lande in die Salzftnth hineinzieht. Im Meere draußeu erscheint ^issa in dämmernder Ferne, eine hohe blaue Knppe. Piel näher aber schwimme» Scoglien auf dem 267 Wasser, wenige Fuß über dasselbe erhaben, völlig nackt, fladenförmige Felsen, Nucken steinerner Mecrnngehener. Wenn mau in der Gegend von Punta Nogosnizza das Festland betrachtet, so hat man den gewöhnlichen An blick dalmatischen Ornndes, den granen Voden dnrch die bücken der entfernt von einander stehenden Vänme wohl sichtbar und die gclbgraueu Steinuiaueru, welche in langen Linien und Vierecken das Alles abgrenzen und cinzirkeln. Ans diesen Scoglirn aber sieht man gar keine Spur mensch licher Anwesenheit, und nnr aus einein einzigen erhebt sich ein gelbes Gemäuer, am meisten einer Kirche ähnlich. So wechselt die Ansicht, ze nachdem der Blick sich nach Dsteu oder nach Westen wendet. Hier spärliche nnd niedrige Vnsche ans dem Felsland, dort die Inseln nnd icnseits derselben die blinkende Metallfläche des Meeres am Oe^ sichwrande. Je mehr aber, über Tran nnd Veechio nnd ^irona hinweg, sich dem l^'anal della ^^razza nähert, auf welchen von allen Seiten hohe (Gebirge Herabschanen, desto groß artiger gestaltet sich die Rnndschau. Was ist denn eine Schwcizerlandschaft, ein Thal des Hochgebirges gegen das Stück Erdoberfläche, welches vor uns liegt? Erst, wann durch jene die Flntl, des viel' farbigen Meeres ranschen wird, dann mögen sie sich »lit den Wasscrthälcrn Dalmatiens vergleichen. In weiter Nnnde stehen im Meere nmhrr die Ge-bn'ge, oben vom Winter mit glänzendem Schnee bedeckt, unten blan dämmernd wie Kornblumen. Vor ihnen erheben sich die gelben Scoglien, um sie wallt in der Ferne das grüne, näher das purpurne, noch näher das blaue Meer nnd vor nnserem Schiffe der weiße 268 Schaum. Dazwischen ziehen sonueuglänzende Segel, denen der dunkle Schleppkahn folgt, stehen unbewegliche röthliche Pyrainiden, ragen schwarze Blöcke schauintriefend, erheben sich Inselchen, gebogen wie der schwarze Rücken verschwundener Saurier, ragen plötzlich gelbliche Steinhansen, weift umzüngelt, ans der bnnte» Wasserfläche. Und das Alles wallt nnd haucht und schäumt und weht dir Leben und Gesundheit zu. — Fürwahr ein Genuß, welcher die Mühseligkeiten der Reise ganz anders belohnt, als das finstere Elend der Steinwüsten im Inneren. Ehe man Spalato erreicht, fährt man an den steilen, gelben Abstürzen der Insel Bna hin, auf deren Rücken, den Oelbaume bedecken, Erdöl qnillt. An den gelben Wänden hat sich hie nud da auf einem Vorsprunge Strauchwerk angesiedelt. Sonst aber erscheint die Seite des Eilandes so kahl, wie nur irgend eine der ausgehöhlten Scoglien-Pyramiden. Schon zeigt sich wieder im Osten der hohe weiße Gipfel des Mossor, uud zur Tinten erscheinen die blendenden Dörfer der „füuf Castelle" im Hintergrund der Bucht. Ueber die Berge vou Almissa hängt ein silberglänzender Bogen herab, der bis zum Meere reicht — einem Gletscher Grönlands vergleichbar, dessen Eiswand von den Wellen aufgelöst wird. Im Meere draußeu dagegen schließt unter einen« hellgrünen Lnftstreifen, der unheimlich und sturmdrohcnd im Südwesten glänzt, das langgestreckte Vesina, das lieder-reiche „Hwar" der Slaven, den weiten Gesichtskreis. So viele Reize auch eine Seefahrt demjenigen gewährt, so sehr ermüdend würde ohne Zweifel für den 269 Leser eine Aufzählung der Erscheinungen des Ufers wie des Meeres werden, die sich auch reichlich wiederholen. Da es nns vorläufig — bei dieser Fahrt — nnr um eine panoramenhaftc Ansicht des Landes zu thun ist, um cincn Anblick aus der Vogelperspektive, so können wir nns, nach der eingehenden Schilderung dor wesent^ lichen Merkmale des Uferlandes im Vorhergehenden, mit wenigen, bezeichnenden Strichen begnügen. Die erste größere Ansiedelung, welche man im Süden von Svalato erreicht, ist Almifsa, hart am Abstürze des Kalkgebirges ins Meer nelegen, ein schmutziges Felsenloch, von Cypressen überragt, mit gelben und braunen Häusern, trübem Wasser im Hafen, ein Sebenico im Kleinen. In weiligen Stnndcn später wird Makarska erreicht, welches ihm gleicht, wie sich Städte nur gleichen können. Schneefleckeu und Wolkcnkrouen auf den grauen Festlaudgebirgcn, Oelbänmc auf braunem Boden, glanzvolle Mceresfernen zwischen den Iuselu, dnnklo Hacken von Lesina und Curzola, alte Thürme auf Klippen, drohende Nebel über Bergstirnen herabgezogen. ^ überall nnzählbarc Scoglieu, bis das Schiff im Hafen des blüthenreichen Orawosa Anker wirft — Landschaften nnd Scebildcr, jedes einzelne voll vou Pracht und Farbcuglanz, doch numö glich in ihrer Aufeinanderlege eines unbeschadet des andern zu beschreiben, ohne bie Einbildungskraft des Lesers zu verwirren. Der Spaziergaug, welcher vou (^rawofa nach Na-gusa hinüber führt, ist ohne Zweifel einzig iu Dalma-tien. Dieser Weg gleicht in der That deu berühmten ä7<) Küsten vou Sorrent oder der nicht miltder gefeierten Riviera des lignrischen Meeres. Das grüne Meer schäumt in steile Buchten hinein, an deren Felswänden Agaven, Aloes und Cacteen jeder Art grüucn und in deren Spalten keine Jahreszeit die Pracht südlicher Blnmen welken läßt. In geringer Entfernung fließt die Ombla, der alte Orion, urplötzlich aus den Felsspalten aufquellend, durch ein kurzes Thal voll südlicher Herrlichkeit dem Meere zu, einer jener Flüsse, welche mehr mächtige Quelleu genauut wcrdcu können, die unweit des Strandes aus dem Kalte zu Tage treten, gleich dem Kaiser-bruunen zu Borgo Erizzo. Von diesem Flnsse singt ein ragnsäischer Dichter das seltsame Distichon: Danubio et Nilo non vilior Oinbla fuisset, Si modo progrcssus posset habere suos.*) Der Weg ober den duftigen Buchten des Meeres erinnert völlig an jene berühmten Landschaften, welche die Einbildungskraft Claude Murrain's geschaffen Hat. Es ist ciue griechische Gegend mit ihrem Meer uud mit ihrcnl Himmel, mit ihren glänzenden Pflanzen mid schroffen Bergstirncn. Anch fehlt die Nachtigall nicht in den (Bärten, aus welchen die Palme ihre langen Zweige erhebt und wie beim Sophokles die Nachtigallen Attika's, fo werden von den Dichtern Ragusa's, des slcwischen Athen, die der Gärten von Grawosa gepriesen. Als ich zum ersten Male von der kleinen Ha- ") Die Omdla würde nicht ^criu^!.- jciu als Donau und Nil, wcün sie nur auf ihrer Bahn wciler fonschreilen könnte. 271 fenstadt nach Nagnsa hinübergiug — es war ein sonnenheller Februarmorgen — konnte ich mich nicht satt scheu an der Plüthenmenge, welche eine unoer-gleichlick) größere war, als auf jeden« anderen Gefilde, welches ich bisher dnrchwandert hatte. Wie groß war mein Erstannen, als auf den Tisch des (Gasthauses ein hoher Strauß anfgesetzt wurde, an dessen langen Stielen eiförmige Früchte hingen von der Farbe nnserer Eicheln. Man sagte wir, das seien Datteln, in den (Bärten von Nagusa gewachsen. Sie reife,! allerdings nicht, und der Kern bedeckt sich niemals mit der braunen, honigsüßen Hülle, die Datteln bleiben länglichte, strohgelbe Wülste, doch lfl anch ihr Heranreifen bis zn solcher Entwickelung kln Anzeichen der warmen Sonne, welche dem 5,'ande bbu Nagusa leuchtet. Eine einzige der Frostnächte, welche die nördlichen Gegenden in der Nähe des We-lebit jeden Winter heimsuchen, würde den Vaum todten, «essen Früchte da vor mir in einer hohen Garbe standen. Die Bedcntnng Nagusa's wird durch die vielen ^onsnlate bestätigt, deren Behausungen in den Bärten "ehen i,s d^ Banmgangc, welchen man, von Gra-wosa herkommend, durchschreitet und welcher zu einer ^''wßstadt zu führen scheint, nicht zu eiuer Ansiede-luug, deren Reichthum und Pedmtnng seit Iahrhuu-^erteu im Sinken begriffen ist. Was den Fremdling zunächst in Nagnsa über-nascht, das ist die Sauberkeit der Straßen und der Hnuser, die Abwesenheit von all dem Uuflath, wel-6)er morlakifchem Wesen anhaftet. 272 Der „Eorso", man kann sagen die einzige geräumige Straße Nagusa's, sieht so reinlich aus, wie irgend ein anderer Corso drüben in den größeren Städten der italienischen Halbinsel. Keine andere Stadt Dalmaticns hat einen ähnlichen öffentlichen Weg anf-zuweisen. Es gilit al,er auch keine Stadt im ^'ande, deren Geschichte gleich merkwürdig wäre, als die des alten slavischen Dubrownik. Bon seiner Gründung an — Flüchtlinge anö Epidaurns siedelten sich im Jahre 659 an ihrem Strande an — bis zu Marmont, dem Herzog von Nagusa, welcher der Stadt und dem v^ande durch weise Ncgiernng neues Leben gab, von Kriegen, Erdbeben, Seuchen — das hat die Chronik von Nagusa mit den geringsten Orten des Festlandes und der Inseln, aber die Vlüthc südslavischer Dichtkunst, welche sich in ihren Mauern entfaltete, gibt ihr einen absonderlichen Vorzug uor allen übrigen Municipicn. Es kann nicht gezweifelt werden, dasi folche Blüthe vor Allem ihr Entstehen einem besonderen lim stände verdanket. Nagusa hatte nicht gegen die Einflüsse wälfchcn Wesens zu kämpfen, welches allen anderen Städten durch die Oberherrschaft Venedigs aufgedrängt wnrde. Es behielt seine volksthümliche Freiheit lange Zeit unter dem Schutze der Türken, und der südslavische Geist konnte sich wenigstens innerhalb der Manrrn dieser kleinen Stadt ungestört entwickeln. Es ist Sache der ^itcratnrgeschichten und Biographien, die Poeten und Schriftsteller aufzuzähleu, 273 welche vom fünfzehnten Jahrhunderte an zu Ragusa „blüthen". Auch haben sich manche Ncisebeschreibun-gen über Dalmaticn, weit mehr mit diesem anregenden Gegenstalidr, als mit den Eigenthümlichkeiten der Natur und den heute lebenden Menschen beschäftiget. Ich tanu aus diesem Ornndc eine Abhandlung, welche stch gar leicht darüber zusammen schreiben ließ, bei Seite lassen. Dennoch aber will ich erwähnen, baß die Nagnsäer Dichter, wenn sie sich jemals einer andern Sprache bedienten, als ihrer heimischen, in der nämliche» schrieben, in welcher zu ihrer Zeit das ganze gebildete Enropa poetischer Kurzweil oblag, nämlich "er lateinischen. Daß aber die Slaven Ragnsa's italienisch gedichtet haben, davon ist mir kein hervorragendes Beispiel bekannt. Von allen Poeten Ragusas wird am meisten Hieronymus Cavagin genannt, welcher sich durch eine dichterische Chronik der dalmatischen Familien unter dem Titel „Reichthum und Armuth" hervorgethan hat. Auch ein Poet aus Curzola, Peter Cauavclli, erregte "urch seine Dichtungen in lateinischer uud slavischer Sprache gegen das Ende des siebeuzehute» Iahrhuu-b"ts großes Aussehen. Mir dünkt, die Dichterschule Nagusa's und das Aufblühen heimischen Schriftenthumeö dortselbst seien Thatsachen, welche den watschen Aufklärern, die alles geistige ^eben iu Dalmatien als Abklatsch italienischen Besens hinstellen möchten, zu denken geben können. Da ist eine Stadt, welche nicht ihrer Votmäßigkeit und "tm Hwange der Beucdiger uuterworfen ist, und in dieser Stadt geht die geisterhafte Wila der heimatli- N«n. Dalmatic». 18 274 chen Verge durch die blühenden Gärten hin und regt die begabten Söhne dieses warmen Landes zum Gesänge an. Was wäre wohl geschehen, wenn es im Inselreiche noch mehr als einen Freistaat, Ragusa, gegeben hätte? Ich glaube, in diesem Falle hätte an den Ufern des „Großen Meeres" (so nennt die Bibel das Bin-nenwasser, welches sich zwischen den drei Erdtheilen ausbreitet) sich unter dem Einflüsse eines milden Himmels der slavische Volksgeist, dessen Schöpferkraft in so Uielen biedern erkannt wird, sich unangefochten entwickelt und Früchte von wunderbarer Beschaffenheit gezeitigt. — — Nachdem wir so einen raschen Blick auf die Felsküste geworfen haben, welche sich vom viernnd-vierzigsten Breitegrade bis über den dreiundvierzigsten hinauf erstreckt, ist es dem Leser vielleicht erwünscht, in eben so allgemeinen Umrissen mit den Schicksalen dieser Gestade vor der Einwanderung des Slavenvolkes bekannt zu werden. Selbst wenn ich nicht die Absicht hätte, über qiese Vergangenheit nur wenig zu sagen, weil ausführliche Mittheilungen aus diesem Gebiete dem Zwecke des Bnches nicht entsprechen, würde mich die Spärlichkeit der Quellen zur Kürze verhalten. Die alten Schriftsteller wissen gar wenig von Dalmatien zu erzählen. Ich habe bereits früher darauf hingedeutet, daß sich das fremde, östliche Weseu, das dem Wanderer auffällt, wenn er zu Nagusa, Trau oder in irgend einer anderen Stadt des mittleren und südlichen Dal- 275 matieus aus i'and steigt, in der Gegend von Zara viel weniger bemcrtlich macht, als jenseits der Kerka. So wurde denn anch im Alterthume von den Römern und Griechen der Kerkafluß, damals Titius geheißen, als die Nordgränze des Landes angesehen, wahrend seine südliche» Marken so ziemlich die nämlichen waren, wie hent zu Tage. Die Gegend von Fwme bis Sebenico hinab, welche jetzt in das croa-üsche Küstenland und in den nördlichen Theil von Dalmatien zerfällt, wurde von den Alten stets Lilmr-nien genannt. Wenn wir bei der Uebersicht der Schicksale des Bandes zu jener Zeit ebenfalls von Norden nach Süden fortschreiten, so finden wir eine Anzahl von Eolouien nnd kleinen Städten an der Küste, von deren größtem Theile selbst der Name verschwunden l>l und Niemand mehr mit einiger Sicherheit zn sagen wüßte, wo sie gestanden haben können. Von wenigen anderen dagegen hat sich der "ame deutlich erhalte« uud besteht an ihrem Orte noch heute eine Ansiedelung, die vielleicht bedeutender t>l als der gleichnamige Ort vor tauseud und so vielen hundert Jahren. Versetzen wir uns in das croatische Küstenland hinauf, so finden wir zuerst Sema, das heutige Zengg, an der Strafte von Aquileja nach Siscia gelegen. Tacitus erwähnt es im vierten Vuche 'klner Historie«, Plinius spricht davon und in den ver-lHiedenen Itinerarien wird seiuer Erwähuung gethan. Weiter südlich, dort wo jetzt, der Insel Pervic-chio gegenüber, das schmutzige Dorf San Giorgio sich zwischen dem Meere uud dem Kalkfelsen ausbreitet, hatte 1s» 276 das kleine Völkchen der Lopsier, welches Ptolemäus erwähnt, eine kleine Niederlassung, Lopsica genannt. Ich will gleich bei dieser Gelegenheit bemerken, daß die alten Geographen, wenn sie von den Einwohnern der Illyris Barbara (so nannte man bezeichnender Weise schon damals das ^and) sprachen, stets eine Menge winziger Völkerschaften «erstanden, welche sich einander fortwährend in den Haaren lagen, und von denen wohl die meisten ein ^ebe» geführt haben mögen, wie heut .zu Tage die Einwohner der Cerna-gora. Bald tauchte dieser Name, bald ein anderer als der des herrschenden oder des mächtigsten Stammes auf, uud es kann keinem Zweifel unterliegen, daß schon von den frühesten Zeiten an diesen» Küsten^ strich ein Tummelplatz unaufhörlicher Kämpfe, Un ordnuugeu und Wauderzüge war. Was insbesondere die Liburner an der kroatischen Küste und in der Gegend von Hara anbelangt, so galten dieselben vor allen anderen als die gewandte^ sten Seefahrer. Ihre Schiffe mögen im adriatischen Meere und im Quarnero so bekannt gewesen sein, wie heut zu Tage die der Fischer von Chioggia- Eine ganze Neihe römischer Autoren weiß von ihren Fahrzeugen zu berichten, welche überall turzweg I^kurniog,« hießen. Der Grund, aus welchem die ^iburner so eifrig der Schifffahrt oblagen, mag wohl derselbe gewesen sein, welcher noch heut zu Tage die Scoglianer von ihren Felsenriffen hinaus auf das Meer treibt, die Unwirthlichkeit des Felsbodens. Die Alten schildern uns das ^and als von ram 277 he» Bergen bedeckt lind uon geringer Fruchtbarkeit. Die Hinweisung auf die Schafzncht, als den einzigen Gewinn, welcher neben dein Weinbau ans dem Boden gezogen werden konnte, erinnert an die großen Heroen, welche anch jetzt Sommer und Winter das Land durchziehen. Aus einzelnen Nachrichten läßt sich auch schließen, daß die Liburncr mit ihren schnellen Schiffen sich an dem gewinnbringenden Vernsteinhandel der Veneter fleißig betheiligten. So stimmt also Manches mit den Eigenschaften und Verhältnissen, welche wir noch heute all ^and und Volk wahrnehmen. Ganz nnd gar auffallend aber erscheint nns die Nachricht, daft dieses Volk, so rührig zur See und so wild ans dem ^ande, sich uon Weibern regieren ließ. Hentc sind die Weiber so zu sagen die Heloten und Lastthiere der Küstcnbewohner, und wenn es eili Volk gibt, bei welchem man an die Möglichkeit eines Weibcrregimentes am allerweuigfteu denken muß, so sind es die illyrischcn Südslaven. Weiter hinab, der Insel Arbc gegenüber, auf welcher der köstliche Wein Barbado gedeiht, befand nch die Ansiedelung Ortopula, von welcher man noch heute Trümmer bemerkt, die bei Ortpla, dem kleineu Hafen von Starigrad, aus dem Kalkgestcin deutlich hervorragen. Gerade so verhält es sich mit den Trümmern von Argyrnntum, die bei Obrawazzo stehen. — Auch uon Carin, hent zu Tage einem der berüchtigtesten Räuberncster zwischen Benkowaz nnd Obro-^"zzo, unweit des kleinen Golfes von Nowigrad sin- 278 den sich Spuren im Alterthume. Pliuius und Ptolo-mäus erwähnen Corinium in der Illyris Barbara. Auch das öde Nona, welches wir in einem der vorhergehenden Capitel betrachtet haben, das slavische Niu, wird von denselbeu Geographen als Aenona (^.enuna) angeführt. Weit weniger sicher dagegen ist es, wo einst Blandona stand. Die Meisten verlegen es an die Straße, welche von Iadera nach Salona führte. Mannert sucht es an der Ostseite des Binnensees Wrana, welcher südlich von Zara Vecchia in der grauen Steinhaide liegt, nnd zwar in der Umgegend des Dorfes Draschitsch, andere aber verstehen ohne Weiteres Zara Vecchia selbst darunter. Wie unsicher es sich mit allen derartigen Orts-vergleichnngen verhält, zeigt das Beispiel der vielbesprochenen Iadera. Diese Stadt ist nach den einen das heutige Zara, nach den anderen dagegen jenes nämliche Zara Becchia, welches von den anderen für das alte Blandona gehalten wird. Aehnliche Beispiele der Dämmerung, welche über den Oertlichkeiten der Illyris Barbara liegt, finden wir bei der Erklärung des Namens des adriatischen Meeres sowie auch in der Meinung, daß die Donau (Ister) sich in dasselbe ergieße, weil eine der Halbinseln dieses Meeres den Namen Istria trägt. Ein nicht minder zweifelhafter Ort ist die von Strabo angeführte Stadt Ninia, welche Augustus im großen dalmatischen Kriege niederbrannte. Die meiste Wahrscheinlichkeit dürfte jene Meinung haben, welche dieselbe au der Stelle des heutigen Knin sucht. 279 Der Geogravhe von Ravenna erzählt auch von einer Stadt der Liburner Arausa oder Arauzona genannt. Dieselbe wäre nach den am besten begründeten Meinungen an der Stelle des Klosters Wissowatz, uu-weit der großen Wasserfalle der Kerka zu suchen. Bon allen Städten Liburniens aber war am berühmtesten Scardona, am rechten Ufer des Titius, zwölf Millien von seiner Mündung in's Meer entfernt, mit diesem aber durch einen Landsee in Ver-bindnug stehend, also ganz unzweifelhaft die gleichnamige hentige Stadt. Hier aber begann erst das eigentliche Dalmatien, welches nach der mittelalterlichen und heutigen Eintheilung nordwärts bis zum Welebit reicht. Dalmaticn im Verein mit dem Lande der Libur-nier und Iavydcn (deren Hanptstadt Metulum beim Dorfe Metnle in der Nähe des Zirknizer Sees in Krain lag) bildete, wie mehrfach erwähnt, jene Illyris, welche mau im Gegensatze zur griechischen Illyris die Illyris Barbara nannte. Den Namen der Dalmater leitete man allgemein von ihrer Hanptstadt Delminion ab, von welcher freilich Niemand mehr die Lage zu bestimmen weiß. Weit mehr aber als Delminion wird Salona genannt, dessen fabelhafter Goldreichthnm wohl selbst in den Zeiten des Alterthums nur in der Einbildungskraft einiger wenig unterrichteten Scribenten bestand', ^eiu Ort in Dalmatien ist den Nümcrn auch nur annähernd so bekannt, als diese Stadt, welche aller-blngs durch ihre Größe und Pracht die andern auch w der Weise überragte, daß vielleicht sie sämmtlich 280 zusammen nicht so groß waren, als die Ansiedelung am salonischen Golfe. Constantin Porphyrogenetos berichtet, daß sie halb so groß als Constantmopel war. Solche Größe nun verdankte sie freilich dem Blicke der Römer für die Wichtigkeit ihrer strategischen Lage. Ich habe schon bei der Betrachtung von Spalato darauf hingewiesen, daß in allen Jahrhunderten durch die Schlucht von Clissa hierdurch hier der beste Weg ans dem Inneren der großen thraci-fchen Halbinsel ans Meer mündet. In Anbetracht dieser Lage versäumten die Römer es auch nicht, die Stadt zu vergrößern, zu erweitern nnd ihr all-mählig eine Wichtigkeit zuzuwenden, welche heut zu Tage erst wieder erreicht werden kann, wenn der besprochene Schienenweg aus demselben Engpasse „Clis-sura" hervor zu Tage tritt, bis zu welchem die Römer die Mauern Salona's vorgeschoben hatten. Spalato, welchem nunmehr diese Rolle zufallen soll, war zu iener Zeit ein kleiner Flecke»!, Spalatum, etwa drei Millien vom großen Salona entfernt. Als unsere unruhigen Ahnen, die Gothen, jenes Salona zerstört hatten, flüchteten sich die Einwohner nach Spalatum hinüber, wo die Villa des Kaisers stand. Aon den Inseln, welche Spalato gegenüber liegen, ist es vor Allen: Lesina mit seiner griechischen Stadt, welche bei den Alten vielfach genannt wird. Man nannte sie zu jener Zeit Paros oder anch Pharia, von welchem Namen die Slaven, bei welchen Lesina Hwar heißt, noch eine deutliche Erinnerung bewahren. Die Trümmer jener griechischen Stadt, die vom Consul Aemilius Pawllus zerstört wurde, findet man noch 281 unweit volt Citta Vecchia, welches heute der Hauptort der Insel ist. Traü bestand als Tragurium nnd war wegen seines Marmors berühmt. Lissa hieß bei den Griechen Issa und war vorzüglich wegen der Gewandtheit feiner Seefahrer und. der Schnelligkeit seiner Barken (1<>inl»i ^sanl) bekannt. Auf dem Festlande, in der oberen Narenta hauste das kriegerische Volk der Autariaten. Auch dieses unterlag zuletzt den Römern und war zu der Zeit, tn welcher Strabon seine Geographie schrieb, fchon nahezu ausgestorben. Weiter hinab, längs des Pri-Morje von Ragusa, wird Corcyra erwähnt, welches „Schwarz" heißt wegen der Fichten und Pinien, die feinen Strand bedeckten. Die Schakale, welche bis auf die neueste Zeit dortselbst hausten, sind nunmehr verschwunden. Die Insel Meleda wird von dcu Griechen als Melita erwähnt. Sie lag der Halbiusel Hyllis, dem heutigen Sabbioncello gegenüber, uud war wegen ihrer Hunde bekaunt, was jedoch von vielen Schriftstellern als eine Verwechslung mit den Huudeu der Insel Mclita (Malla) bezeichnet wird. Auf der nämlichen Verwechslung scheint die Angabe zu beruhen, welche deu Apostel Paulus dortselbst mit seinem Gefährten Schiff-bnlch leiden läßt. Die Bocca von Cattaro (deren italienischer Name schwerlich von dem slavischen N<.k, d. h. der Fels-"bhang, die steile Wand, abgeleitet ist) war den Alten „die Bucht der Nhizonäer bei Epidaurus", d. h. Nagusa Vecchia. In ihrem Hiutcrgruude lag Rhi- 282 zon, das heutige Rifano, die einzige Stadt der Bocche, welche in den Zeiten des Alterthums erwähnt wird. Dieses sind die hauptsächlichsten Oertlichkeiten, die mit den (beschicken des Bandes in alter Zeit zusammen hängen. Eine sehr bedeutende Nolle hat Dalmatien in der alten Geschichte nicht gespielt. Dennoch aber findet der Freund der Landeskunde bei fast allen griechischen und römischen Schriftstellern eine große Anzahl von Daten, welche indessen für uns, die wir die (beschichte des Landes nur ganz nebenfächlich überschauen, nicht hinlängliches Interesse darbieten. Achtes Capitel. Auf Mel'eda. 1. Mitten auf der Insel Meleda, nicht viel unterschieden von dem Ansehen der anderen grcmen Inselriffe des Landes, ragt ein Berg empor, Grad» genannt, weit im Meere sichtbar. Zwischen seinem mittäglichen AbHange und dem Meere erhebt sich eine kleine Ansiedelung, Babino Polje, „das Feld der Großmutter". Dieses Babino Pölze ist ein so schmutziges und verlassenes Nest, wie nnr irgend eines auf den öden Eilande»! jenes Meeres. Viele Leute von Babino Polje ernähren sich vom Fang der Fische, welcher ihnen dadurch leichter gemacht ist, daß sie nicht, wie die Bewohner der meisten au- 283 deren Klippen des Inselreiches, eine lange Fahrt zu machen haben, bevor sie das hohe Meer erreichen, welches, von keiner vor die Insel hingelagerte» Fels-reihe abgehalten, frei an den gelblichen Felsstraud schlägt. Bon einer nächtlichen Fahrt auf dem Meere, auf welcher er eine ansehnliche Menge der von den Slaven Podlanizza genannten Fische erbeutet hatte, kehrte eben ein Nachen zurück, welcher seinen Oeuosseu, deren Schiffe noch draußen vom Dunkel verborgen waren, einen bedeutenden Vorsprung abgewonnen hatte. Der Ostro (Südwind), von welchem den größten Theil der Nacht über das Meer bewegt worden war, hatte sich gelegt nnd die zwei Männer in dem kleinen Schiffe verdankten ihre raschere Ankunft am Strande nur dem größeren Eifer, mit welchem sie in die Ruder griffen. Der Mond stand noch hoch am Himmel uud einzelne Klippen des Users warfen pechschwarze Schatten in die goldflimmerude Brandung, aber denuoch deutete der Hahnenschrei, welcher manchmal aus dem Dorfe Vabino Polje in die Öde herüberdrang, den "ahen Morgen an. Ware der Hahnenschrei nicht gewesen, so hätte wan eben so wohl meinen mögen, es sei Mitternacht. Denn mancher der steilen gelben Felsen des "fers lag über dem Wasser wie eine Wolke, uud auch ber Anblick des Fischerkahnes hätte nicht au den Tag "innert, denn die Thätigkeit des Fischers kennt keinen "Nterschied zwischen Sonnenlicht uud Mondenschein. Es war der Morgen eines Wintertages. In 284 solcher Stunde brennt zur Sommerszeit die Soune schon feit geraumer Zeit auf den Fels am Strande. Aber um die Zeit des Neuiahrfestes der Griechen, in welche die Begebenheit fällt, die erzählt werden soll, sieht es fechs Stunden nach Mitternacht noch aus, als läge eine endlose Nacht über den Gewässern und als wäre der Strand noch so öde wie zu der Zeit, in welcher der heilige Hieronymus, wie die Sage der Slaven behauptet, in Mitten der dalmatischen Felsen als frommer Einsiedler Gott verehrte. ^ Aber das Mondenlicht fchie» doch so hell herab, daß der eine der beiden Männer, welche ruderten, genan die Gesichtsznge des anderen erkennen tonnte, der vor ihm stand, wenn jener sich zeitweilig umwendete, was nicht selten geschah, da sie ein lebhaftes Gespräch zusammen führten. Beide Männer waren augenscheinlich in gleichem Alter, das heißt näher an dem sechsten als an dem fünften Jahrzehnt ihres Bebens, beide auch gleich hoch und schlank gewachsen, gleich kräftig, beide mit denselben grau gesprenkelten Haaren und Schnurrbart, beide auch in derselbe« Kleidung, einer rothen Mütze, einer blanen Jacke nnd blauen Hosen, wie es die Tracht der dalmatischen Slaven ist, die anf den Inseln wohnen. Sie, waren sich so ähnlich, wie sich Hundertc von Männern ihres Bolkes und ihres Gewerbes au diesem Strande ähnlich sind. Sie gleichen sich in ihrer änßeren Erscheinung, wie sie sich m ihrem Glauben gleichen, welchen sie die heilige rechtgläubige Kirche des Ostens lehrt. 285 „Ich habe das auch schon verspürt, Schutina!" sagte der vordere der beiden Männer, indem er sich halb zu seinem Genossen umwandte. „Vei der Nacht, Wenn man so ganz allein draußen auf dem Meere ist, ein schlechter Wind geht und unser einer nicht weiß, ob er so viel heimbringt, daß er mit feinem Weib und feinen Kindern auf den nächsten Tag zu essen hat, da denkt mau wohl an Allerlei, was einem sonst die ganze Woche über auf dem Lande und am Feuer in der Hütte nicht einfällt. Aber doch bin ich hundert Mal auch in der Nacht bei dem Felsenloch dort vorübergefahren, in dem die Wischtizza") wohnen soll, und habe niemals etwas gesehen. Säßen wir bei unserem Feuer, anstatt daß wir auf dem Meere rudern, so wäre sie dir auch nicht in den Sinn ge-kommen." „Ich habe das Gerede doch nicht erfunden, Arnaritsch!« erwiderte der Angeredete gleichmüthig, in-bem er mächtig mit seinem Nnder ausholte, daß eine "?enge feuerflüssig.er Kreise hinter ihm zurückblieben, „Aber ich erinnere mich, daß der Pope mehr als einmal davou gesprochen hat. Die Wischtizza ist anch tucht erst vou gestern her da, sondern lebt wohl *) Vi8t,I«li, in der Hercegowina «tuac, neunt man die gespenstischen Weider, welche sich ans Steinfeldern, in Höhlen, l" Klüften aufhalten. In ihnen wohnt ein Teufel, welcher Manchmal herausfliegt, sich in einen Schmetterling verwandelt uud alö solcher Schläfern das Herz aus der Brust frißt, Sie tragen Qpankeu aus Menscheuadcrn. Ist eine solche Opante ierrissen, su ergreifen sie den Nächsten, der ihnen begegnet, und machen sich aus seinen Ad,rn eine neue. 286 viele tausend Jahre schon in dem Lock). Der Pope sagt, sie sei zur Heidenzeit da als Götze augebetet worden," Arnaritsch ließ emeu Augenblick lang das rechte Ruder los, um sich zu bekreuzen. Danu erwiderte er: „Was ist's auch, weuu der Unhold wirklich in den Felsen lebt? Ich und Du uud unser ganzes Haus trageu ja Münzen mit dem Bildniß des heil. Mütterchens Anua, und was mich betrifft, so lasse ich vou meinem Weibe die ganze Winters- und Frühlingszeit über, von der heiligen Weihnacht bis zum heiligen Himmelfahrtstagc, au jedem Abend die Kinder mit Knoblauch einreiben, aus der Brust uud an den Achseln. Da hält sich die Wischtizza und ihr böser Geist wohl fern." „Dasselbige thut auch mein Weib," eutgegnete Schutiua. ..Doch — " Er vollendete seiue Rede nicht, sondern schwieg, wie von einem plötzlichen, vielleicht peinlichen Gedanken ergriffen. Nach einer laugcu Pause, während welcher sie sich dem felsigen Strande der Insel wieder um ein bedeutendes genähert hatten, nahm abermals Arnaritsch das Wort. „Gewift drückt Dich etwas, Freund! Ich sehe es Dir an, weun gleich uur der Mond scheint. Du bist feit einigen Tagen nimmer wie früher. Sonst, wenn uns ein so guter Fang geglückt war, wie heute, saugen wir und vertrieben uus die Zeit mit lustigen Reden, bis die Fifche auf dem Trockenen waren. Heute aber geht Dir, seit 287 wir auf dem Heimwege siud, nimmer die Mora") aus dem Kopfe." Schutina seufzte, hielt die Ruder ein und ließ sich auf den Bündel niederfallen, den die beiden braunen Mäntel der Fischer bildeten, welche von ihnen trotz der kühlen Nacht ausgezogen worden waren. Er stützte die Stirne in die Hand und blieb regungslos sitzen, die Augen starr auf das Wasser gerichtet, welches nunmehr fast unbewegt um die Barke herum ausgebreitet lag. „ Um Gott, Brüderchen, Seelchen, was ist Dir?" rief nunmehr Arnaritsch, der ebenfalls die Nuder losgelassen hatte, auf ihu zusprang nnd ihn beim Arme faßte. „Ich will dir's nimmer verschweigen," erwiderte Schutina, ohne ihn anzusehen. Erinnerst Du Dich an Staue den Haidukeu?" „Den nämlichen Räuber," den die türkischen Soldaten heuer im Spätherbste auf Popowo Polje erschlagen haben?" erwiderte der Fischer erstauut. .Mas soll es mit diesem Verfluchte«, was geht Dich der an?" „ Du weißt," fuhr Schutina tonlos fort, während das Schiff ruhig liegen blieb, daß sich dieser Uebelthäter Manchmal auf uuferen Scoglio herüberflüchtete, wenn °le Verfolger zu hart hinter ihm her waren. So ist ^ denn auch in diesem' Jahr, es mag um die Osterzeit herum gewesen sein, denn die Schuma "*) auf den fest. "') Hexe, auch Pustolowica, d. h. die wilde Iägerin genannt. **) 8um», der niedere Buschwald. 288 ländischen Gebirgen war noch schwarz — in mein Hans gekommen nnd hat um eine Stätte bei meinem Feuer gebeten. Ich wollte ihn nicht behalten, aber die Weiber baten für ihn nnd meinten, er würde Rache nehmen, wenn wir ihn fortwiesen. Wie reut es mich jetzt? daß ich's nicht gethan habe! In der zweiten Nacht, in der ich ihn neben dem Feuer schlafen ließ, will er mir die Tochter Vijana verderben, nnd wie sie sich wehrt, sagt er zu ihr, er wird als Wukodlat") ihr Blut trinken, wenn er einmal erschossen anf der Planina liegt." „Weiter?" sagte Ärnaritsch neugierig, nachdem sein Genosse eine Weile geschwiegen hatte nnd wieder niit gesenktem Kopfe starr ins Meer hinaus schaute. „Ist das nicht genug," antwortete Schutina. „Der Haidul liegt driiben auf dem türtischen Felde begraben, und die Dirne wird mir jeden Tag weh^ müthiger und blässer. Er hat es fast voraus gcfagt, daß er in diesem Jahre stirbt. Denn mein Weid hat ihm einmal zugehört, wie er den Burschen erzählte, daß es ein schlimmes Zeichen für den Räuber sei, wenn der Kukuk schon singt und der Wald noch schwarz vom Berge Herabschane. " „Narrethei!" rief Ärnaritsch heiter. „Das will so viel sagen, daß es einen dürren Sommer gibt, wenn der Winter so lang dauert, und dürrer Sommer schlechter Sommer für den Haiduken, wenn er nicht Wasser findet in den Felsspalten." „Das tröstet mich nicht Brnder!" Die Dirne *) Vampyr. 289 welkt mir dahin. Seit der Zeit, in welcher die laugen Nächte angefangen haben, wird sie nur immer nachdenklicher nnd schweigsamer. " „ Weiß das Mädchen von dem Tode des Haiduken? " „Nicht ein Wörtchen, Bruder! hat es erfahren dürfen. Weder das Weib noch die Anderen wisse» davon und die ^ente im Dorfe habe ich alle vom Popen bitten lassen, daß sie schweigen." Arnaritsch schüttelte den Kopf, besann sich eine Weile, dann legte er die Hand anf die Schulter des Genossen und sagte: „Getrost, Vrnder, ich weiß Dir Nath. Mein Weib ist erfahren in Allem, was man im Hausstand erleben mag. Auch haben wir uoch eine Kerze zn Haus, ans dem Kloster von den Kolndrizzen,") beschriebene Papiere und mancherlei heilige Sachen. Verlaß dich darauf, wir werde» ein Mittel finden, wenn der heiligen Anua Münze nimmer helfen will." In diesem Augenblicke ertönte Glockengeläute vom Strande herüber. Es wurde zur heiligen Messe gerufen. Auch begauu es schon sich über den türki scheu Gebirgen zn lichten und eine graue Dämmerung trat an die Stelle des goldenen Scheines, der bis jetzt über den Wassern gelegen war. Die Männer schauten auf und es schien, als ob mit einem Male das Dunkel Mcr Gedanken mit der schweigenden Nacht weichen wolle. Sie bekreuzten sich, Schutiua staud auf und nahm *) Noiiuen. N ° l!> Dalmatieu. 1V 2'W wieder sein Nuder zur Hand, seilt Genosse begab sich uach vorne iu das Schiff und uuu ging es wieder rasch vorwärts durch die Fluth, welche schon Lichtstreifeu wie. dcrzuspiegelu begann, dem Laude zu. Es war, als ob der Ton geweihter Glocken die gespenstischen Vilder verscheucht hätte. Arnaritsch namentlich hatte völlig seine gute ^aune wieder gewonnen. Freilich wäre es ein Wunder gewesen, wenn iu der Pracht, welche nunmehr über das weite Nuud der See und der Felsen heraufstieg, das Gemüth einfacher, unschuldiger Mcuschen hätte umdüstcrt bleiben können. Die ferueu Scoglien von ^agosta glommen roseu-roth, wie d,ie Blüthe der Mandel, welche ill der Sonne des Januar glänzt, andere Felsen, die kleinen uud flachen Lagostiui dagegeu, glichen schwarzen Souueuflcckcu m dem spiegcludru Feuer, welches sich auf's Meer senkte, und über allem glänzte in hoher Pracht als mächtiger, Silberwall das hohe Gebirge, hinter welchem Herccgowiua liegt, das Laud der Türken. Schon fuhreu die beideu Fischer au den Felseu hin, welche nicht weit vom kleiueu Hafeu des Dörfchens in's klare Meer abfallen. Es sind gelbe Kalkfelseu, vou maucher Höhluug zerklüftet, welche das Wasser, das sich wie eiu weißer Spitzenschleier an ihnen hebt und senkt, seit Jahrhunderten gegraben hat. Iu eine dieser Höhleu versetzt eine uralte Sage die Wohnung jener Nymphe Kalypso, welche dem Odysseus ewige Jugend anbot, wenn er ihr Gestade nimmer verlassen wolle. Wäre das wahr, so ist Meleda jenes 291 Aeaea oder Ogygia, von welchem die alten Dichter singen. Heute aber haust, wie der Aberglaube des Volkes vermeint, in der Grotte, der „mernmrauschten", die slavische Wischtizza,' der bleiche wüste Währwolf. Das Wasser schlägt grün und weiß schäumend in das Dnnkel der Höhle. Vor ihr aber dringt der Vlick ln die Tiefe des Meeres, welche an diesem Strande fchier einem Blumengarten gleicht, Muscheln von allen Farben liegen auf dem Boden, kleine Korallenzweige ragen zwischen ihnen auf uud bunte Almgus-Arten erheben sich, neben Algen nnd Taugen — Alles zusammen ein schillernder Strauß. „Siehst Du, Schutiua, da soll die Upirina") drinnen hausen. Mir scheint aber, der Fels ist so hohl und leer, wie eine Paprika Hülse. Jedenfalls hat die Upirina Recht, wenn sie sich so weit von deu beuten wegmacht. Es ist besser, sie t'ommt unr in Gesellschaft von den Seemeuscheu, ^") als iu die Gesellschaft von rechtgläubigen Christen. Aber behend muß !^e klettern können, denn von dort oben herab wagt stch keine Geiß." „Schau hin, was dort hängt!" uuterbrach ihu sein Genosse, welcher während der letzten Angenblicke neugierig auf einen winzigen Vorsprnng geschaut hatte, auf welchem eiu Dornstrauch wurzelte, dessen Zweige von der See, deren Schanm bei stürmischem Wetter ^°hl zu ihm hinaufreichte, mit einer weißen Kruste bedeckt waren. *) Ein anderer Ausdruck für Hexe. **) ?llu>.'.il oiuitil, eine Robbcmn't, die sich mauchmcil ">' Uftr jchm läßt. 19« 292 „Bel unserer lieben Frau!" rief Arnaritsch, „das ist nichts Anderes, als der Fetzen eines Gewandes. Wer in aller Heilige» "Namen mnsi da herumgcstiegcn sein? Ich hätte Vnst ans die Kliftpc ,zu springen nnd mit dem Nuder das Ding herabzuholeu. " „Bewahr nns Gott!„ entgcgnete sein Gefährte, indem er sich bekreuzte. „Berühre nichts, was von der Wila herkommt, es wird dir Schaden bringen." Arnaritsch wollte sich nicht abhalten lassen. Aber ohne den Villen des Genossen, der rüstig in die Ruder griff, das; der Kahn sich eilig von der Stelle forlbewegte, war es ihm nicht möglich, auf die Klippe hinauszuspriugcn. ,i^ri8tan vnniti!«") rief er dem Furchtsamen fortwährend zu. Dieser aber arbeitete ungestüm fort uud schaute sich uicht mehr um. Er hätte sich nicht mehr bcei len können, wenn die Wischtizza mit ihren Schuhen aus Meuschenaderu selbst auf dem Gesteine gestan^ den wäre. Eine Viertelstunde später war der Strand er reicht. Es standeu eine Menge Leute dort, welche die Rückkehr der Fischer abwarteten. „^oN 8ri^?" (Habt ihr Glück gehabt?) scholl es ihneu entgegen, „Ml^li tto^'a!" (Gottes Segen) rief Aruaritsch, daß es an der Felswand gellte. Seiu Genosse aber war wieder so nachdenklich N) Höre auf zu rudern. 293 geworden wie damals, als er noch auf dem Meere im Mondschein die wunderliche Geschichte seiner Lijaua erzählte. Er sah nicht einmal auf den Strand, ob ihn dort Jemand von den Seinigeu erwarte. Und doch standen sie gewiß auf den gelben Steinen des Ufers umher — waren doch fast die meisten Männer des Dorfes auf den Schissen, welche sich uuu, in kurzer Entfernung von dein der beiden Genossen, dem Strande näherten. 2. Einige Tage später sehen wir unsern Freund Arna-ritsch iu den Hof eiuer Pecara treten, das heißt, eines Weibes, welche sich damit beschäftigte, Uou den Kräutern, besonders aber aus dem Rosmarin, der überall auf dem Gestein der Insel wächst, wohlriechende Wasser zu brauen. Die Pecara, ciu hochgewachsenes Weib, hager uud braun, mit tiefliegenden schwarzen Angen, gebückterHaltuug, ln eiuem weiß und rotheu wolleneu Rock ohne Hüfte, war eben damit beschäftigt, einer dürren Kuh, die vor dcrThüre stand, Kohlblätter vorzuwerfen. Die Insel erzeugt so weuig Gras, wie ihre felsigeu Nachbareilaudc, uud die armen Leute müssen sich sowohl zur Sommers- wie zur Winterszeit anstrengen, durch Blätter von Gemüsen, Bäumen, Sträuchcru dem hungernden Vieh bas gelbe Stroh zn würzen, welches man ihm Jahr aus Jahr ciu uorwirst. Es war Abend und der blaue Rauch aus der Hütte ber Pecara, in welcher diese ihre Mahlzeit, die Prewrasta,") *) Maismehl mit Eiern. 294 bereitete, lag dicht unter den Oelbänmen. Die Abendröthe glühte wie Eisen über das dämmernde Meer her. Die Pecara grnsite den Fischer freundlich, als sie nach geschehener Arbeit des ssnttcrns sich umwendend ihn ge^ wahrte. Sie lud ihn ein in die Hütte, neben das Feuer zu sitzen, und frug keineswegs nach seinem Begehr. Wichte sie doch, in welchen Angelegenheiten die bellte des Dorses sich an sie zn wenden pflegten. Wollte man eine gnte Salbe für irgend eine Wnndc, ein kräftiges Wasser gegen eine Geschwulst oder Nath gegen allerlei Siechthnm, so suchte mau die Pccara in ihrer Hütte auf. Daß sie auch souft eiue wohlthätige nnd gnte Frau war, konnte man diesen Abend bemerken. Manche der armen Menschen in den Häuseru am Strande hatteu weder Zweige noch Wurzelwerl mehr, um sich an dem kalten Abend, an welchem eine bittere „Trmun-taua" (Tramontana, Nordwind) über das Meer hin fegte, erwärmen zu können. Da kam nnn eine Nachbarin nach der andern nnd holte glühende Kohlen von dem Herde der Pe-cara nnd trng sie in ihrem irdenen Gefäsi fort, für nichts Anderes, als für ein Wort des Dankes. lind der eisige Wind verwehte draußen die oft gleiche giltig gesprochenen Worte, wie er die Funken aus den Ge-schirreu fortjagte, welche die Weiber zum Hof hinaustrugen. Wer das mit ansah, hätte vielleicht gefürchtet, das Feuer möchte die aus geflochtenen Zweigen erbauten Ställe des Kleinviehes, die rnndlichen, dnrch angebnndene Steine zusammengehaltenen Schober, oder das im Hofe umherliegende Stroh ergreifen. Aber die Fuuken erloschen so rasch, wie vielleicht in 295 Manchem, der ans-" und emging, der Gedanke an die empfangene Wohlthat. Arnaritsch saß eine Weile beim Feuer, ohne mit der Pecara ein anderes Wort zu wechseln, als Redensarten, die sich auf die Nachbarinnen bezogen und anf ihre Bitten um die erwärmende Glnt. Endlich aber vermochte diePccara ihreNeugierde nicht mehr M überwinden. „ Bruder, was bringst Du mir?" sagte sie in schmeichelndem Tone, indem sie neues Gestrüpp auf die Kohlen warf, deren Glntmenge durch die vorangegangenen Schenkungen stark geschwunden war, „ Nichts Gutes, Mütterchen, Es ist gut, das; ich erst meine Gedanken sammle, ehe ich mit Dir zu reden beginne," Die Pecara schaute ihren Besuch verwundert an, Die Einleitung lieft voraussetzen, daß es sich diesmal um audre Dinge handle, als um Wundsalbr» oder Nosmarmöl, Wahrend sie in die spärliche Glnt blies, glänzte ihr sonnverbranntes Gesicht im rothen Schein, so daß sie selbst dem Bilde einer jener „Wüstenjägerinnen" glich, wie sie sich das Volt in seiner Fnrcht vorstellt. Arnaritsch schwieg noch immer. Seine kippen fingen uianchmal an sich zu bewegen, schloßen sich aber wieder. Er war unschlüssig, wie er fein Ansuchen vorbringen sollte. „ Sind sie Dir gcsnnd in Deinem Hofe, das Weib, ber junge Fraujo, die Diruen nnd alle Anderen nnter Deinem Dache?" sagte die Pecara endlich, während eine prasselnd ans dem Gestrüpp cmporschlageude Flamme ur-plötzlich das Gesicht dcs Ma>mes beleuchtete, daß dem Weibe "!cht die geringste Bewegung mehr entging. 290 „Sind wir allein und hört uns Niemand?" erwiderte der Fischer. Das Weib erhob sich und schaute hinter die Bretterwand , welche den Htaum ihrer Hütte nahezu iu zwei Hälfteu theilte, uud hinter welcher allerlei Geräthe aufgehäuft lag, „ Keine Maus ist da," antwortete es zurückkehrend nnd dem Manne aufmerksam ins Gesicht schauend. ,. Nun, so will ich Dir's rasch sagen, ehe wieder Jemand hereinkommt und unsere Nede unterbricht." Das Weib setzte sich, halb dem Feuer zugewandt, auf einen braunen Schemel und der Fischer fuhr fort: „ Es ist ein Mädchen in uuscrem Dorfe, von dem der eigene Pater glaubt, der Wutodlak trinke ihr Blut. Ich habe meiu Weib gefragt uud das hat mich zu Dir gewiesen. Sage mir Pecara, was soll geschehen?" Die Frau erhob sich betroffen uon ihrem Schemel, daß dieser in die Asche umfiel. „ Hält mich Dein Weib für eine Bahornizza?""') rief sie fast zornig. Auch Arnaritsch erhob sich, faßte die Pecara am Arm und sagte begütigend: „ Bewahr' mich Gott!" Aber sich Pecara, ich habe mir gedacht, Du kennst wohl eiue Salbe, die wirksamer wäre als der Knoblauch, mit dem man sich die Brust bestreicht, darum bin ich zu Dir gekommen. Ich schwüre Dir's bei der heiligen Anna, ich rede die Wahrheit. Auch mein Weib hat ") ll.'liwl-ui'^a nennen die Slaven Dalmanens ein Weib, welches versteht, den dnlch Hexen liewntteu Zanber zu lösen, also sin eine Art GcgenHerc. 297 ^ so gemeint, so wahr uns Beiden im ewigen ^ebe» gell °lfcn werden soll!" Die Worte des Fischers mochten wohl den Eindruck oer Wahrheit hervorbringen, denn das Weib hob ruhig wieder den Schemel aus der Asche auf und ließ sich nieder. „ Höre, Fischer," sagte es, nachdem es eine Weile vor sich hin in das Fener geschant hatte — „was ich Dir sage, weiß ich von» Popen, nud wenn Du ;u ihm gehst, wirst Du keine anderen Worte erfahre» als die nämlichen. Dasi der Wutodlat durch die Dörfer schleicht, das weiß ich, denn sie hnben ihn im vergangenen heißen, dürren Sommer drüben "us dem ^ande um die Mühlen hclumschleichen sehen."") „ Ist es wahr?" sagte der Fischer erschreckt. „ Andere sind ihm bei der Nacht begegnet," fuhr das Weib fort, „wie er mit seinem Grabtuche um die Schnltcrn herumgegangen ist. Davon, dasi er sich in unserem Dorfe hat schon lassen, habe ich niemals etwas geHort. Wer ist der keusch, an dem er nagt?" „ Ich weiß nicht, ob ich Dir's sagen darf," erwiderte bn' Fischer zögernd. „ Wenn Du Zutrauen zu mir hast, so verschweige "ur nichts," sagte die Pecara dringend. Der Fischer besann sich einige Augenblicke, dann fuhr er fort: „ Gelobe mir's bei der heiligen Auua, daß Du schweigst, und Du sollst den Namen erfahren." *) Dürir Zmnm?r sind HmigMommrr; oanmi hält sich da« Gcsprust, wic zum Hohn der !t.'cn!c, a» i>cl, jcicrnden Atl'chlm auf. 298 Die Pecara that, was er verlangte, und Aruaritsch flüsterte ihr zu: „ Es ist Lijana, die Tochter Schutiua's. Der Vater jammert, daß sie ihm bleich werde nnd hinsiechen wolle." „ Die sechzehnjährige Dirne?" rief das Weib mit sonderbarer Betonung. „Wer weiß, warum sie bleich ist," Beide schwiegen, indem Jedes versuchte, die Gedanken des Anderen zu dnrchdriugcn. Endlich nahm die Pecara wieder das Wort. „ Gehe zum Popen nnd der wird Dir sagen, was gc-schehen soll, nm den Wukodlak zu vertilgen. Du, nimmst ein schwarzes Füllen, an dem kein weißer ssleck fein darf und führst es hinaus in den Friedhof, auf die Gräber. An dem Grabe, in welchem der Nuhold liegt, geht das Füllen nimmer vorbei. " „ Das ist nicht nothwendig!" unterbrach der Fischer eifrig die Nede der Pecara. „Wir wissen, wer der Wukodlak ist, Staue der Haiduk ist es, dcu die türkischeu Häscher drüben auf dem Povuwo-Felde unter der Gradina Planina getödtet habeil. „Er war im Frühjahre im Dorfe und hat uns den Hungcrsommcr vorhergcsagt uud der jungen Vijana Gewalt anthun wollen. Der in seinem Grabe ist es und kein Anderer." Ueber die Züge des Weibes glitt es hin wie ungläubiges lächeln. „ Wenn es der todte Räuber ist, so bedürft ihr des schwarzen Füllen nicht," antwortete die Frau. Daun braucht ihr unr zu dcu türkischeu Häschern zu gehen nnd euch das Grab zeigeu zu lasseu. " „ Was soll nachher geschehen?" 299 „ Dann nehmen Ener mehrere Männer Zweige von Weißdorn mid graben den Leichnam ans. Ist es der Wn-kodlak, den ihr sucht, so wird er ganz rund und roth darin im Grabe liegen von dem Blut, welches er von den Menschen trinkt. Der Weißdorn aber mnß mit heiligem Wasser besprengt sein. Damit geißelt ihr ihm den Körper nnd wenn ihr ihn zerfleischt habt, so werft ihn in's Feuer, daß ihm die Seele ansbrennt. So wird die Dirne von ihm befreit werden — wenn es wahr ist, daß sie von ihm leidet." „ Dank Dirs Gott, Pecara! Mir ist die Dirne selber ans Herz gewachsen. Sieh — Dir vertrau ich's an, was ich noch Niemanden gesagt habe. Meine Sehnsncht ist's, daß mir Franko, der Sohn, ein solches Weib ans den Hof bringt, wie Lijana des Schutina Tochter." „ Eine schöne Jugend!" rief die Pecara, indem sie in die Hände klatschte. Der ssischer lächelte befriedigt. Plötzlich aber fnhr er, von einem neuen Gedanken ergriffen, sich mit der Hand über die Stirn nnd schob fast das wnchtigc Tuch zurück, welches er hente, der Abendkälte wegen, als Turban um seine rothe Mütze gewickelt hatte. „ Denke Dir nur, Weib, was mir in den Sinn kommt. Hente Morgen sind wir mit unserem Kahn an dem Felsenloch vorbeigefahren, wo die — »nn, Dn kennst ja ben Felsen." Er schente sich das unheimliche Wort anszusprechen. ^le Pecara aber nickte, zum Zeichen, daß sie ihn verstand, ""d er fuhr fort: „Dort hängt Dir an einem Dornstrauch am glatten Felsen ein blaues Stück Zeug, das aussieht, als wäre 300 es aus einem Weiberrock gerissen. Wie mag das dort-'hin gekommen seiu? " „Der Wind wird's von der Weide oben hinabgetrieben haben gegen das Meer und da ist's am Dornstrauch hängen geblieben, wie die Wolle eines Schafs. " Dazu lachte das Weib, als ob sie sich alt der Einfalt des Fischers ergötzte. Dieser wollte eben antworten, als eine Frau mit einem irdenen Krug hereintrat und die Pecara um Wein ersuchte, denn sie verkaufte auch solchen ans den Fässern, die hinter dem großen Verschlage lagen, Arnaritsch, begierig, die Rathschläge, welche ihm das Weib ertheilt hatte, noch am nämlichen Abend seinem Genossen, dem Vater mitzutheilen, benutzte diese Gelegenheit und verabschiedete sich, nachdem er vor dem Bilde des heiligen Sabbas, über welchem eine Ampel aufgehängt war, seine Verbeugung gemacht hatte. Die Pecara rief ihm zu, er solle am uächsten Morgen wiederkommen. Aber schon wenige Augenblicke später eilte er mit hastigen Schritten über das Geröll des Fels-bodens weiter. Die Nacht war so düster, daß es ihm unmöglich war, die nächsten Gegenstände zu erkennen, selbst die Hand vor den Augen war kaum wahrzunehmen. Da hörte er plötzlich einen Gesang, welcher vom Wege ober der Wand, au welcher er hinging, deutlich durch die Finsterniß herabklang. Die Stimme däuchte ihm so bekannt, als ob er sie hundert Mal gehört hätte. Er blieb plötzlich still stehen, um selbst durch das 301 schwache Geräusch, welches seine Opanken auf dcu Steinen verursachton, sich im Horchen nicht zu sturen. Er lauschte wie ein Jäger, der in der Wiutcruacht in seinem Mantel eingehüllt, auf ein Naubthier wartet. Folgende Worte klangen ihm, nachdem er die vorhergehenden überhört hatte, ganz deutlich Herat,. „(^eh hin, Vijana, und lütte die heilige Mutter! Ich gehe über das Meer und will mir eine Barke aus-nisten. ..Meine alte, Mutter, — Die folgenden Worte wurden leiser gesungen, wie wenn der Sänger sie selbst der Oede und der Nacht verschweigen wollte. Dann fuhr die Stimme fort. „Er ruft mich mit sich. Gehe uicht, o Lijaua, Tochter deiner Mutter! „Heute Nacht, mein Seelchen, habe ich einen schlimmen Traum geträumt: „Daß sie ertrunken sind — und Lijana. " Wieder wurde ein Wort so leise gcsuugeu, daß es ber Fischer nicht vernehmen konnte. Es war sicherlich em Name, welcher nicht in die vier Winde hinaus getragen werden sollte. „Nicht wollte ^yana der Mutter gehorchen. Die Veideu hatten eine Barke mit Silber beschlagen. „Als sie hmauökameu iu die Mitte des dunkelu "leeres, erhob sich der Nordsturm uud es ertranken — Abermaliges Stillschweigen. „Herbei fuhren die ssischer, eine» Fisch zn fangen. Sie dachten sich, das ist ein großer Fisch, aber es war ^- 302 Schon bei den letzten Worten hatte sich die Stimme immer weiter und weiter entfernt und allmählig verschwand sie ganz in der Nichtuug gegen das Hans der Pecara hin. Arnaritsch besann sich hin und her, wer die Sa'u-geriu gewesen sein mochte. Er kannte ihre Stimme, aber es gelang ihm nicht, sich die Heit und den Ort zurückzurufen, an welchem er sie zum letzten Male vernommen hatte. Wenige Augenblicke später trat er in das Haus Schntina's, des Fischers, um ihm zu erzählen, was er von der Pecara vernommen hatte, 3. Um nächsten Morgen, der abermals so klar nnd kalt nber dein Strande lag, wie der vergangene, crho-ben sich leichte Dampfwölkchen aus dem glitzernden Meere in die Winterlnft. An der Stelle, an welcher Arnaritsch gestern den bunten Lappen bemerkt hatte, lag nnnmehr zwischen den Felsen sein Kahn. Er selbst kletterte anf den Klippen mnher und spähte hi nan f. An der Segelstange des Kahnes war das weiße Segel aufgerollt und hing, die brannc Stange kreuzend, wie eine lange Gerte daran. Das Wasser aber unten verzerrte in leichter Vewe-gung die Stange wie die lange weiße Nnthe des Segels zu zwei Niesenschlangen, welche sich in der Tiefe, in grauenhaften Windungen, einen Eingang zur Höhle unter dem Wasser zu gewinnen trachteten. Ein brauuer und 303 ein weißer Wurm neben einander, diese Beiden leuchteten aus dein Wasser hernnf den Augeu desjenigen entgegen, welcher auf der Klippe stand, „Es ist nichts!" murmelte der Mann uor sich hin, „Ich hätte den Lappen gar zn gern hcrabgcuommeu, damit ich sagen mochte, ich besitze ein Stück vom Kleide ber Wila. Die Pecara sagt, es käme von einer Dirne her, die oben in der Schuma die Schafe weidete. Ich glaube es freilich auch, aber die Dirnen werde ich necken Mit dein Stück aus dem Wilenkleide." Er schaute sich abermals nach allen Richtungen Um, aber er vermochte keine Spur von dein Tuche mehr aufzufinden, welches gestern seinen Genossen durch den blosM Anblick in Bestürzung versetzt hatte. „Der nämliche Wind, welcher es aus der Schuma herabwehte, wird es hinaus getragen habeu iu's Meer," sagte er endlich. „Da ist nichts mehr zn sucheu." Als er eben im Begriffe war, das Tau anzuzicheu, "ut welchem er seinen Kahn um einen Steinblock herum "festigt hatte, hörte er vom Nande der Schuma einige steine hcrabrollen. Er blickte hinauf und gewahrte zu seiner nicht geringen Ueberraschung den Kopf der Pecara, welche ihm lächelnd zunickte. /»Ich habe die Wila gefunden, deren Gewand der ^orustvanch zerrissen hat," rief sie, indem sie ihm den blaneu kappen hinabzeigtc. Aruaritsch stieß einen Ruf der Verwunderung ans. „Warte ein wenig auf mich mit dem Kahn und lch will Dir's erzählen, wie ich's eutdeckt habe." Einige Augenblicke später kam die Pecara geraden Weges an der Wand herab und der Fischer bemerkte 504 mm, daß es nicht das geringste Wagestück sei, an dem Felsen hinzugehen. Denn die Klippen eines hervorstehenden Absatzes dieser scheinbaren Mauer verdecktcu einen schmalen Steig, der sich zwischen ihnen nnd der Wand bequem iu der Breite einiger Handflächen hinabzog. Es war dort hinter dem aufragenden Gestein offenbar die bequemste Treppe, denn die Pecara kam leicht hüpfend wie ein Ufervogel herab. „Ich denke, ihr brancht nimmer zu Gradiua Plauiua auf die türkische Erde hinüber zu gehen, denn wir wissen, wer der Wukodlak ist, welcher der schönen ^aua das Gesicht bleicht. Dieses Tuch da hat's verrathen und ueben dem Tuch die kleiuen Fuftfpurcn — da schau nur her!" Wenn das Meer sehr hoch ging, erreichten die Staubsäuleu uicht uur den salzüberzogcuen Dornstrauch, sondern die Wellen warfen auch dcu fein zerfchlämniten Kalt des Ufers gegen die Waud, daß er sich in die Ritzen senkte. Und so war deun auch der Hwischcuramu zwischen der vorsteheuden Hahnreihe ^'s Gcklippcs und der kahlen Waud, eben jener Zwischenraum, welcher deu gcwundeueu Weg darstellte, auf dem die ^ecara herab-kam, vollständig mit dem weichen Schlamm ausgefüllt, auf welchem der geriugste Eindruck seine Spureu zurückließ. Auf diesem Schlamme sah mau den Abdrnck einer Opanke und zwar einer kleinen, wie sie zierlichen Frauen-fußen angemessen ist. „Kennst Du diejenige, welche hier ging, wie mau deu Fuchs spürt?" frug mit ungläubigem Vächeln der Fischer. „Wenn der Fuchs eiu solches Stück von seinem 305 Fell dabei verliert, erkenne ich ihn sicherlich!" sagte die Pecara und zog ans einer Tasche ihres Noctcs den nämlichen kappen, welchen der Fischer gestern an der Spitze des Dornstrauches hatte hängen sehen. „Was soll das heißen?" sagte er immer mehr verwundert. „Wärest Du gestern Abend mir nicht so schleunig entlaufen, so hättest Du selbst mit Deinen eigenen Augen es mit ansehen können. Kaum warst Du aus der Hütte, so kam Lijana herein, von der wir gesprochen hatten. Sie brachte mir einen kleinen Korb voll von ^odlanizza-Fischcn, wahrscheinlich den nämlichen, die ihr M der Nacht mit einander gefangen habt. Für diese Fische wollte sie Wein haben. Ich bitte sie, mir einen Krug herunter zu holen, der ans dem Brett über dem Herdfeuer steht. Wie sie auf den Schemel steigt, sehe ich, daß ihr an dem Nocke ein Lappen fehlt. Ich weiß »immer, warum ich nichts gesagt habe. Erst in der Nacht sind mir die Gedanfen gekommen, nnd so ging ich heute in aller Frühe her und schaute über den,Na»d der Schuma hinab und entdeckte den Steig hier und sehe den Lappen am Dornstrauch hängen, genau den nämlichen, der ihr fehlt im Gewände." „Heilige Mutter Anna!" rief Arnaritsch, „dann war es Lijana selbst, die ich in der Nacht singen hörte, als sie Deinem Hause zuging." „Was hat die Dirne gesungen?" „Ich weiß es nimmer genau, ein Lied, das ich nicht kenne — von einem Mornar"), dcr sie mit sich auf *) U»rinv,-o, Seefahrer. Noi-, Dalmatian, 20 306 die Varke nehmen will und mit dem sie ertrinkt oder irgend etwas dergleichen," „Siehst Du, Arnaritsch, daß wir keinen Weißdorn und kein Feuer brauchen, nm den Wntodlat zu vertreiben, die Dirne ist verliebt, fürchtet sich vor den Leuten, und hat die Felsgrotte da, vor welcher sich alle Hirteu und auch die meisteu anderen Leute scheuen, ausgesucht, um manche Weile mit dem zu verplaudern, den sie lieb hat. Ich uud Du, wir sind alt geworden im Dorfe und haben alle Aeide nichts gewußt von dem Steig da. Die Dirne aber oder ihr Geliebter — die müssen ihn finden." Der Fischer sah niedergeschlagen drein bei dieser Erklärung, welche die kluge Alte über ihren Fund an-stellte. „Nas hast Du?" frug ihn das Weib, durch sein scheues Wesen aufmerksam gemacht? „Wenn das wahr ist, Pecara, was Du sagst, so ist es für mich schlimmer, als wenn ich das Geld verloren hätte, das ich in meiner Hütte vergraben habe. Siehst Du, erinnere Dich, was ich Dir gestern gesagt habe wegen meines Franjo, damit ist's nun aus. Ich habe mir vorgestellt, es gibt teine bessere Dirne auf der Insel. Und so muß ich, wenn das wahr ist — es macht mir wirklich Schmerz Pecara, was Du mir erzählst." „Sei nicht thöricht, Bruder," erwiderte die Pecara, indem sie ihm die Hand auf die Schulter legte. „Wer Dich sieht, möchte meinen, Du wärest selbst vernarrt in die schlanke Dirne. Ist's die Eine nicht, so findest Du rasch cine Andere für Deinen Franjo. Komm, laß uns aber jetzt, weil wir schon auf der Klippe stehen, hinein- 307 gehen in die Höhle und sehen, wie es drinnen ausschaut im Hause der Wischtizza. Ha! Ha!" Lachend zog das Weib, den fast widerstrebenden Fischer, welchen der Unmuth über das Gehörte und vielleicht auch ein Rest von Furcht widerwillig machten, hinter sich her. „Ich muß sagen," fuhr die Pecara geschwätzig fort, während sie von einem Stein auf deu anderen sprangen, „daß die Dirnen heut zu Tage muthiger sind, als zu Meiner Zeit. Ich hätte mich au keincu solcheu Ort gewagt, hätte mich hiueinlockcn dürfen wer immer." Arnaritsch, welcher das Weib so munter vor sich herumspringcn sah, gewann allmählig wieder einige gute Laune. „Jetzt hast Du's freilich versäumt, Pecara," sagte kr, sie mit dem ausgcstreckteu Zeigefinger berührend. „Heut zu Tage wird Dich Keiner mehr in eine Grotte locken." „Mit Dir wage ich mich hinein," sagte die Pecara schnippisch. Sie hatten nunmehr die Oesfnung erreicht und schon wurde es dunkel um sie herum. Das Meer, obwohl draußen nur gering bewegt, bauschte iu der steinernen Wölbung, deren Widerhall "en Lärm steigerte, so mächtig, daß sich die Beiden nur Mehr mit Mühe Verstaudell. Zwischen der Wand der Höhle und dein aufsprühenden Wasser zieht sich ein breiter, ausgewaschener ^"ulst hin, dessen Oberfläche voll scharfeil Steinrändern bne don schneidigen Messern durchfurcht ist. Nichts in dieser Höhle konnte an einen Aufenthalt 20* 308 unheimlicher Wesen crmncrn. Weder Schlangen, noch Ungeziefer, noch anch eine übermäßige und völlig undurchsichtige Finsterniß konnten abergläubischen Menschen Scheu einjagen. Auf dem ausgewaschenen schmalen Boden, über welchen die beiden dahingingen, lag nichts, als eine Menge weißer Muschelschalen, welche das Meer ausgeworfeu und zwischen den Steinen zerrieben hatte. Diese knirschten wie trockener Sand, so oft die Neugierigen mit ihren Opanken darauftraten. Bald hatten sie, mit der linken Hand sich fortwährend an der Wölbung stützend, den Hintergrund erreicht, in welchem ein ungeheures Wirrsal von Blöcken das weitere Vordringen des Wassers abwehrte. Ans einen: dieser grauen, ebenfalls stark ausgewaschenen Blöcke, in deren Zwischenräume die Wucht des von Stürmen hereingcdrängtcn Wassers eine Menge bnntfarbiger Schalthiere eingekeilt hatte, lag eine verwelkte Hyacinthen-Blüthe.'') Die beiden Eindringlinge betrachteten sich mit einem Blicke des Einverständnisfes und selbst Arnaritsch zwang sich zu einem Lächeln. „Hier also sitzt der einsame Sperling!"'")" rief die Pecara und lachte lant aus, indem sie die weifte Blüthen-trau be in die Hohe hielt. „Wie schade, daß wir ihn nicht in seinem Neste überrascht haben. Doch — was meinst Du, Fische« — sind wir nicht auch ein feines Paar? " Damit zog sie den Gefährten scherzhaft zu sich auf den *) Die Hyacimhcn blühen im Winter auf den Inseln im Freien, *") ?n««ero soliwrio, cm Singvogel, der einsam in Klüften wohnt. 309 rauhen Stein hm, von welchem sie die duftige Blüthe hinweggenommen hatte. Ihre Gesichter waren jetzt dem Eingang der Höhle, dem Meere, zugewandt. Draußen über die vielfarbige Fläche zogen in der Ferne blendende Segel hin, weiße Punkte, scheinbar unbeweglich im blauen Raume befestigt. Das Wasser vor ihnen aber lag so hell nnd durchsichtig da, daft die Augen wohl jede weiße Muschel auf dem Grunde zu erkennen vermochten, welchen dicFluth mehrereKlafter hoch überwallte. „Fürchtest Du Dich nicht, Arnaritsch, daß die Wisch, tizza hereingeflogeu kommt, und uus einen ihrer bösen Geister auf den Hals schickt?" sagte dieFrau, ihrem Veglei-ter auf die Schulter klopfend. Dazu sing sie die ersten Worte eines Liedes zu singen an, ili welchem zwei Verliebte geschildert werden, die im Garten unter einem Myrthenbaume zusammen kommen. Mit einem Male stockte ihre Stimme. Sie fuhr erschreckt in die Höhe und zeigte mit dem Finger nach dem Eingänge der Höhle, an welchem sich ein dunkler Mrnschcntörver vom blendenden Vlau des Meeres abhob. Weder diejenigen, die in der Höhle waren, noch weni^ ser aber der neue Eindringling vermochten einander zu erkennen. Die Augen des Letzteren mußten sich erst an das Dun-kel gewöhnen und die Augen der Audercu waren von der glitzernden Fläche geblendet. „Lijana!" scholl es jetzt ganz deutlich durch das Gewölbe her. „Lijana! Lijaua!" wiederholte sich der Ruf, denn der 310 Eintretende mochte wohl meinen, daß seine Stimme vom Geräusch des Wassers übertönt würde. „Franjo!" scholl es ihm nunmehr aus dem Hintergrunde der Höhle entgegen, und die Pecara hatte ihre Stimme zu einer so süßen und flötenden verstellt, daß der Fischer, welcher beim Anblick seines Sohnes überglücklich war, in ein Gelächter ausbrach, welches der Jüngling selbst neben dem brandenden Wasser wohl vernahm. Denn er blieb plötzlich stehen, zuckte einen Augenblick zusammen und wandte sich sofort eiligen Schrittes wieder dem Ansgange zu. Aber die Neiden waren rasch hinter ihm her. In seiner Verwirrung warf er einen ganzen Strauß frischer Hyacinthen weg, welchen die Pecara im Flug wieder ans der schwankenden Fluth herausfischte. Trotz seiner Jugend ließ sich Franjo von seinen Verfolgern einholen. Die Ilebcrrafchnng nnd der Schrecken mochten ihm wohl in die Glieder gefahren sein, denn er konnte, als er, der Höhle entronnen, den Vater nnd die Pecara vor sich stehen sah, kein Wort auf ihre Anrede vorbringen. Stillschweigend gingen alle drei zum Kahu. Die Pecara, welche hinter den Männern herschritt, lachte unaufhörlich uud rieb sich die Hände. „Dießmal machen wir es uns leichter," sagte endlich Arnaritsch, nachdem sie alle drei im Kahne saßen. „Wir klettern nimmer den steilen Weg hinauf und wareu auch zum letzten Mal in der Höhle Her Wischtizza. Der gnte Kahn trügt uns zum Dorf, und Schutina wird nicht 311 wenig stauneu, wenn ich mit meiner großen rothen Mütze zu ihm komme und in meinem rothen Leibchen.'")" „Aber erkläre mir nur, juuger Franjo, Söhnchcn, wie kommt es, daß ihr euch versteckt habt? " „Wir haben Beide nicht geglaubt, daß Lijana's Mutter uud Vater die Tochter eiuem Mornar geben wollen." „Gib Deine Gedanken auf uud bleibe bei uns auf der Iusel, so will ich dir helfen," erwiderte der Vater und die Pecara nickte mit dem Kopfe. Franjo reichte feinem Vater die Hand. „Nicht Jeder kann nach Orebitsch^) gehen und sich uermicthen uud Jahr ans Jahr ein in fernen Welt-theilen herumfahren. Vleibe Du iu uuserem Dorf. Es wird Dich nicht gereuen. Mir hättest Du nie nachgegeben, das weiß ich wohl. Aber wenn wir Alle zusammenhalten, so werden wir Dich wohl zwingen tonnen." lind der Zwang glückte. Denn der jugendliche Held dieser wahrhaften Geschichte lebt auf der Iusel und denkt schwerlich daran, bon seiner Lizana hinweg in ferne Meere zu gehen. Ihn nährt der Oelbaum und der Fischfang, nnd wenn feine Nachkommen klng sind, so folgen sie seinem Veisviele. Wie eingewurzelt aber die Furcht vor der uuheim-lichen Höhle ist, beweist der Umstand, daß sie anch nach dieser lustigen Geschichte fort nnd fort mit Scheu gemieden wird. ") Nothwendige Kleidungsstücke des Hochzeitsbitters, rothe Kkpa und pLi-gwk. *") Auf der Halbinsel Sabbinncello, Hcuiptfitz drr Rhe- derei in Süddalmaticn. 312 Neuntes Capitel. Zn den Aocche. Der Eingang zur weltberühmten Boccha von Cat-taro befindet sich zwischen mäßig hohen Verge«, deren nördliche Spitze die Punta di Ostro heißt. Diese Punta gehört zn denjenigen Oertlichkeiten, welche mitunter empfindsamen Reisenden des dalmatischen Meeres bedenklich werden. Wer aus der stillen Fläche des Golfes von Cattaro herauskommt, überschreitet bei der Punta die Ostro die Gränzliuie gegen das offene Meer und wird da nicht selten von dem Anprall eines Scirocco empfangen, von welchem er drinnen in der Huth der hohen Kaltgebirge keine Ahnung gehabt hat. Die Anfwärter auf den Dampfschiffen pflegen deßhalb denjenigen, der sich noch innerhalb der Bocchc bei ihnen eine Mahlzeit bestellt, darauf aufmerksam zn machen, daß er mit seinem Begehren bis jenseits der Pnnta di Ostro warten möge, weil es sich leicht ereignen könne, daß ihm „dort draußen im Meer" die 5!ust vergangen sei. Ganz anders aber gestaltet sich der Eindruck für denjenigen, welcher in die Bocche hereinkommt. Diesem geht nach und nach ein Bild auf, welches von allen anderen Naturerscheinungeu unseres Erdtheils im Allgemeinen nur mehr mit dem Vierwaldstätter^Se«, in einzelnen feiner Theile aber nur mit noch mächtigern und erhabeneren Bildern der Alpenwelt, wie etwa mit dem Königsfee, verglichen werden kann. Bei solcher Vergleichung muß man sich jedoch fort- 313 während daran erinnern, daß hier Großes mit verhält-uißmäßig Kleinem zusammen gestellt wird. — In der That vermögen jene Alvenscen keineswegs Men großen Gesammteindruck hervorzubringen, wie das Meer zwischen diesen öden Kalkfelsen, auf deren Geröll nur Ansiedelungen kleben, dcreu Name schon uns mitten ui die wildesten Töne serbischen Kriegsgcsanges hineinführen und auf deren Felsen Jahrhunderte lang das Blut vergossen worden ist, das immerfort unter dem Stahl fließen wird, bis die furchtbarste aller Fragen, ber alte Zwist der Asiaten, die dort jenseits der Gebirge hausen, und der Christeustämme, welche hier uoch ungebeugt die felsige Heimat schirmen, für immerdar gelöst sein wird. Freilich, wenn man die Bocche und den Vierwaldstätter-See auf einer Landkarte betrachtet, so klgibt sich eine Aehnlichkeit, welche in den Umrissen der Ufer emes Gewässers schwerlich zum zweiten Male wieder gefundn wird. Die nämliche Auzahl von Verästelungen und "Uszweigungen in die Gebirge hinein, das nämliche Laby-Nut!) von Felsen und Wasser, die nämlichen Ueberraschuu-3en, welche die sich öffuendeu Felseupforteu urplötzlich lelen, indem sie unerwartet den Blick in ein neues Wasser-"ecken zwischen dem hohen Gebirge gestatten: Aber wie das Meer gewaltiger ist, als die Lacke des Biuueusee's, wie die wüsten Gebirge des Ostens nur Erinnerungen von Haß ^«d Kampf, von Blut und Brand, von der heldenmüthigen nzweifluug der Serbeu uud der Zerstörungswuth des ^snianli in Wort und Lied bewahren, so lassen sich die . '"pfiudungen desjenigen, der aus dem ungestümen Adria '"diese Schlucht hiueinfährt, in welcher das graue Kalkge-Win aus dem grüneu Mcer bis zu den Wolken ragt, keines- 314 Wegs mit den Eindrücken desjenigen vergleichen, welcher vom Dampfer des benannten Schwcizcrsee's aus, das rothe Buch in der Hand, die zierlichen Pensionen der Gestade mustert oder sich beim Anblick der Tellsplatte für eine Heldenthat zn begeistern trachtet, welche nie geschehen ist. Ueber diefer großen Meerwildniß schwebt der Niesen-adler, der sich, wie die serbischen Lieder von den „schwarzen Raben" erzählen, von den Augen und den Eingeweiden erschlagener Krieger nährt und dessen Stimme unheilverkündend durch die schattenlosen Klüfte dringt. Es wird wohlNiemanden geben, der, wenn das Schiff von den grünen Kuppeln der Inselkirche vor Perasto, die auf dem tiefergrünen Meer zu schwimmen scheint, sich gegen Südosteu wendet, und plötzlich die Niesenberge der Cerna-Gora über dem weiften Kotar") erblickt, sich nicht, vielleicht unbewußt, von jenem Hauch der Freiheit und Wildheit durchdrungen fühlte, welcher mit dem schroffen Alpenwind von jenen unbesiegten Höhen herabweht. Ja, was auch der kränkelnde Spott der Kulturvölker witzelu oder schmähen mag, das Kreuz, welches dort oben auf dem umwetterten Lowtschen weit über das Meer und weit über die Cerua-Gora hiuragt, ist das Sinnbild der Kraft und der Hoff" nung eines Häufleins von Menschen, welche sich dnrch die Kämpfe eines halben Iahrtaufends auf jener hohen Klippe ihr ureigenes Wefen zu wahren wußten. Mögen die drunteu euch Barbaren nennen, dich Volk der Verge! Während Jene Handel treibend genieße», wußtet ihr zu sterben. Die Macht der Asiaten, welche bis weit in die deutfcheu Gaue hinein vordrang, zerschlug si"> *) Cattaro. 315 an eueren Felsen und an euerer Faust, wie das Meer, auf^ welches ihr von eueren Gipfeln herabschaut, an den Felsen der Küste. „Schwarz" nennt man enere grauen Verge, über welche die Bora hiujagt und in deren Stürmen der schwächliche Mensch zu Grunde gehen muß, wie km schutzloser Halm. „ Schwarz" waren sie in der 3hat den Türken,") denn ihnen bedeutete ihr Boden, weun sie ihn betreten wollten, bitteres Verhängniß. Wohl hätten sie ihn auch roth nennen mögen, denn das ^eklipp ist vom Blnte der Eindringlinge getränkt. Ich werde das Bild nie vergessen, welches vor deinen Angen war, als ich die Höhen über Eattaro zum ersten Mal erblickte. Ein Montenegriner in schwarzer Mütze, langem weißem Wollrock, schwarzem Gürtel, in dem die Wasfen ^°ken, faßte mich bei der Schulter, streckte den Arm aus Und deutete hiuauf zu den grauen Höhen. „I^vo (^-liHssoi'k!" rief er mit blitzenden Augen. Er war von einer weiten Neisc znm Anblick seines Vaterlandes zurückgelehrt. Wenige Augenblicke später legte das Schiff an den ^teinqnadcrn des Molo von Cattaro an. Der Smmenglanz, welcher draußen in der Bai über ^ul Wasser gelegen war, verdrängte hier die schwarzen schatten der Cerna-Gora: Cattaro ist nächst Risano Wenige Ort im Lande, welchem die Sonne am wenig- '"" scheint uud auf welchen ans dem Gewölk, welches *) Türkisch: Kara Dagh — schwarzer Berg. 316 beharrlich in den engen Schluchten hängt, die meisten Regen niederfallen. So ist es eili vorzüglich düsterer Eindruck, welchen die tiefe Lage der Stadt zwischen Fels und Meer hervorbringt. Es ist bekannt, dasi von den Fremdlingen als Aufenthaltsort nichts fo sehr gefürchtet wird, als Cattaro, und eiu großer Theil des Mißbehagens, welches sie empfinden, und der Verwünschungen, die ausgesprochen werden, hat seiucu Grund in dem Gefühle, als befinde man sich in einer vergessenen und der belebten Welt weit entrückten Höhle, m einer dunkeln Schlucht, ans welcher es keinen Ausweg gibt. Das Iuuere der Stadt bietet nichts Erwähnens-werthes und unterscheidet sich kaum von dein allgemeinen Aussehen vcuetianischer Städte — enge Gassen, die Erde mit breiten Steinplatten bepflastert, einen kleinen Domplatz, finstere Niukel uud Sackgassen. Nicht minder merkwürdig, als der Wasserschwall, der urplötzlich aus dem Kalkgebirge von Makaröka zu Tage tritt, ist die grüne Füunara, der Alpenstrom, welcher ans den Wasseradern des Schwarzen Berges zusammen-' sickernd, wenige hnndert Schritte von Cattaro entfernt mit seiner grünen, krystallenen Flnth ans dem grauen Gestein aufquillt. Wenn man dieses merkwürdige Oe-wäsfer betrachten will, geht man zum gleichnamigen Thor? hinaus am Vazar der Montenegriner vorüber, wo die Bergsöhne, welche bewaffnet herunter kommen, ihre Flinten und Dolche niederlegen müssen, bevor sie die Stadt betreten. Steigt man etwas hoher hinauf, auf dem weiße« steinigten Wege hin, der zur Cerna Gora führt, so ge- 317 wüntt man cine vorzügliche Nebersicht der Bucht von Eattaro bis zu dein engem Canal der „Ketten" hin, wo sich Pcrasto gegenüber das Kirchlein von „Unserer "ieben Fran zu den Engeln" erhebt. Obwohl es im Allgemeinen einen verständigen freund der Natur keineswegs befriedigt, wenn man ihrer Wirtnng durch die kleinlichen Mittel des Menschen zu Hilfe kommen und ihren Eindruck durch Machwerk steigern will, so läßt sich vielleicht doch nicht ableugnen, "aß die Boccha niemals ein wunderbareres Anssehen gehabt haben mag, als in der Nacht des ä9. Octobers 164I, in welcher man sie zn Ehren des Erzherzogs Franz ^arl bis nach Iuritsch ^epetane hinaus mit buntfarbigen Flammen beleuchtete. Der Einbildungstraft muß es überlassen bleiben, sich die finsteren Felsen und das brausende Meer vorzustellen, die gcwundeuen Gänge aus Yasser und Berghalden, an welchen so viele Ächter Käuzen, als Sterne aus dem fchmaleu Himmelsstreifen herabschaueu. Als ich zum ersten Mal in Eattaro war, Pflegten le Ankömmlinge sich beim „Principe Ereditario" einzuquartieren, heute aber ist dieses Haus verschollen und an 'knie Stelle der Lione d'Oro getreten, nicht minder uu-^ltlich, als sein Vorgänger. In jenem traf mau stets ^ Adjutanten und andere Würdenträger „Seiner Hoheit", wenn sie von ihrem Schwarzen Verge herab kamen. Es 'Mint, daß man diesen „Hohen" Persönlichkeiten zu liebe b"n der Maßregel des Waffenabnehmens stets eine gc-Mige Ansnahme machte. Die Herren prunkten wenig-"ens dort immer mit ihren Säbeln und Pistolen und 'Vaiidjaren, während man mich harmlosen Wanderer mit 318 einem Terzerol von dem auf das Meer hinausgehenden Thore zurückwies. Die Herren Adjutanten und Würdenträger im goldstrahlenden Prunkkostüm des Schwarzen Berges im Verein mit anderen „slavischen Freunden" aus dm Bocche waren immerdar beschäftigt, Ströme von Wein zu trinken, wie es in zahllosen biedern des südslavischen Volkes am Vegiunc des Liedes heisst, als Einleitung zum ganzen Liede, als welche es in anderen Fällen heißt: „Ein Kukuk singt," „Einen weißen Brief schreibt," „Lieber Gott, was ist das für ein grosics Wnnder!" „Es fliegen auf zwei schwarze Raben," so heiftt eö da< gegen am Aufauge der meisten Gesänge: Vino piju mladi Crnogorci U Cetinji usrod gore Crne. Oder: Piju aga od Trebinja vino Trides aga i više četiri. Oder: Vino piju tri Srpskc vojvode U bogatoj i ponosnoj Mačvi. Und so weiter. Vom Strome des Weines hingerissen, zeigten sich jeue Helden liebenswürdig, lächelnd und reich an Verspre^ chuugen für uns, die wir das hochgefeierte „Feld" voN Cetinje zu betreten gedachten. Als wir den nämlichen Helden späterhin „u 8i»viwg Ootinji« begegneten, wußten s^ freilich keinen Dent inehr von uus selbst oder auch von den Gesprächen, die sie beim dunklen Weine gepflogen hatte«, Cattaro vermag wohl in seiner Bevölkeruug einen be^ 319 sondereu Vorgeschmack des Schwarzen Berges zubieten. Es sind fortwährend eine Menge von Männern und Weibern aus dem rauhen Berglande in der Stadt. Slavische Lieder und dichterische Ueberlieferungen Preisen die Keuschheit uud lugend seiuer Frauen und Jungfrauen. In Cattaro aber weichen die Meinungen von solcher Anschauung weit ab. Von der nördlichsten Spitze Dalmatiens bis zu seinem füd-ucheu Gebiete, bis zu deu Grenzmarken des alten Serbeu-bolkcs im schwarzen Berge ziehen sich so die lügenhaften Behauptungen weiter, die der Verfasser einer Ncisebeschrei-bung dem andern nachschreibt. Das wunderlichste Gewäsche haben in dieser Hinsicht die Franzosen zu Tag gefördert, bon welchen man Bücher über das Land besitzt. Man vergleiche zum Beispiel die Wirklichkeit mit dem, was der berühmte Charles Nodier als ächter französischer Windbeutel und Oberflächlichtcits-Mcnfch über das Volk derMorlaken iu sagen weiß, eine Bevölkerung, in welcher Nohhcit uud ^"erthierung von Iahrzehent zu Iahrzehent sich in graueu-hafter Weise steigern: ^i vous y arrtvcz n 'allez pas plus loin cette fois. ous avez trouve la plus douce (!), la plus bienveillante, a Plus hospitaliere, la plus genereuse (!) des populations espirez en paix cette atmosphere d'innocence (!) et de unesso, d' enthousiasine (!) et de poösie, que le souffle 'a science n'a pas alteree. — Vous etes chez les Mo»-laqUeS. Eine solche Auslassung bedarf überhaupt keiner Wider-3^ng und zwingt denjenigen zum Lachen, der die ^en^ro- c') ^mocencc, douceur mtb ben enthouaiasmo bcr Morla- ln ihren Hütten selbst gesehen und empfunden Hat.— Wichtig wurde mir jener Aufenthalt zu Cattaro durch 320 eine Mittheilung des montenegrinischen Senators Sabbas Ianowitsch, welche in volksthümlichen Trochäen und in wunderbar aus dem Wesen einheimischen Geistes genommener Art den 1862er Feldzug der Montenegriner gegen die Türken darstellt. Da meine spätere Beschreibung der Umgebung von Cetinje sich auf die Landschaft, auf das Aussehen derMenschen, auf eigene Erlebnisse und dergleichen beschränken muß, so theile ich hier in wörtlicher Uebersetzung diese Arbeit mit, ans welcher man die (5ernogorzen besser kennen lernen wird, als aus der Schilderung eines Reisenden: „Es flog ein Berg - Kukuk von Mostar, dem ruhmvollen Bazare, und flog bis zur StadtStambul uud ruhte auf der Moschee des Großherrn. Als er so ruhte, fing er zu rufen an und rief drei weiße Tage und drei Nächte ohne Aufhören und sprach so: „Ach nm Gott, du mächtiges Türkenland, welches Leid wartet deiner heute! Du hast keinen Herrn, welcher das große Unheil überschauen kaun. Dich verheeren die Säbel der Cernogorzen, sie plüudern uud sengen und schlagen die Köpfe ab nnd nehmen mit sich Weiber wie Innge und rauben das ^and uud die Städte! Denu sie suid mitten iu dein Bosnien eiugedrungeu mit Fahnen nnd blanken Waffen und jagen dich wie Wölfe die Schafe. Warte noch fünfzehn Tage und du wirst die Trauerbotschaft hören, daß dir dein Bosnien christlich geworden ist und weiße Kirchen werden gebaut werden, Glockenthürme in die Höhe steigen, und Glocken darin aufgehängt werden und statt des Odscha wird der Pope sprechen!" „Als dasAsiz. der Türken-Kaiser, vernahm, vergoß " Thränen aus dem Auge wie ein einjähriges Kind. Stets 321 jammerte mid klagte er und von Jedem wollte er einen Rath haben, was er thnn und wie er regieren solle, denn er hatte seinen Verstand verloren. Er stampft mit dem Fuße nnd schüttelt den Kopf nnd klagt und heult. „Daraufgeht er in fein Gemach, nimmt weißes Papier und schreibt einen langen Brief au seine alte Freundin über dem Meer, die cuglische Kraljica, uud schreibt ihr alles vom Anfang an und erzählt ihr seinen Jammer: „Der Großherr sagt der Kraljica seineu Gruß uud erzählt ihr vou dem Unglücke, welches mich jetzt trifft. Meine Najah hat sich erhoben unter Nikola"), dem Sohne des Mirko, unter meiuem allerschlimmsten Feinde. Er will mir mein Türkeulaud weguehmcn, mich von der Herrschaft verjagen. Was wird das ruhmreiche Europa sageu, daß er Mir so die Gewalt raubt! Seit Kossowo sind es vierhundert Jahre und noch drei uud siebouzig Jahre darüber, daß Mein Türkeulaud der Ahne mit dem Säbel gewann und ich Asiz soll es schmachvoll verlieren! Höre mich Du, die Du Mich immer wie eincu Bruder geliebt hast! „Du weißt, o Kraljica, es ist uicht lauge her, daß sich erhob Petrowitsch Dauilo auf Cetiuje, dem weiteu Felde, gleich nach dem Tode seines väterlichen Oheims, des Kalud-scher und Wladyka, daß er das Haupt wurde von Cerna Gora. Er ging hinab an das dunkle Meer und kam endlich nach Petrow Grad""') zu Nikolai, dem Zaren, uud sprach so zu ihm: Ich verneige mich vorDeiuer Hoheit uud verlauge vou Dir meiu Glück. Ich biu der Neffe des Peter Petrowitsch, die Cerna Gora hat mich gewählt. Darauf antwor- *) Der jetzige ssürst von Eerna Gora. *"') St. Petersburg. Noi', Dalmatic«, 21 322 tete ihm der Zar: O Sohn, das kann nicht sein, Du mußt es der heiligen Synode sagen, daß sie Alles ordne, was dem Wladyka gebührt, und Dir die heiligeMitra aufsetze." „Dauilo antwortete: „Ich danke Deiner Hoheit und verneige mich ehrerbietig. Aber ich verlange nichts von der Synode, denn nicht darauf ist mein Wnnsch gerichtet. Sondern ich bitte Deine Hoheit, daß Du mir mein Fürsten^ thunt gebest, welches mir zukommt seit dcr Schlacht von Kossowo, seit Lazar, unserem Knes. Vierhundert sind es nnd mehr Jahre, daß wir darnm mit den Türken hadern." „Als dcr Zar Danilo angehört hatte, sagte er zn ihm sogleich: „Wisse, Danilo, Du verlangst viel, Dein Fürsten-thum an Dich zu nehmen. Aber ich sehe, daß du großen Geistes bist, möge es Dir Glück bringen und Dein Volk sich Deiner rühmen können! „Daranf zog er ihn an die Brust und küßte ihn wie seinen eigenen Sohn, — „So gaberihmdasFürstcnthum, ohne mich (den Sultan) zn fragen, und Danilo machte sich auf den Weg. „Als er auf das Feld von Cetinje gelangte, blieb er doit nicht vier Wochen, ehe er schlimme Befehle erließ an feine Anführer nnd Häuptlinge, es solle sich Alles unter den Fahnen versammeln nnd in meine Städte ziehen. Als das Heer sich versammelt hatte, zog cr nach meinem Schabljal, zerstörte das ganze Bollwerk mit der Kanone und pflanzte seine ssahne darauf (Nun folgt eine eingehende und ermüdende Beschreibung der Thaten einzelner Führer) „Als dic Kraljica dies gelesen hatte, lachte sie laut auf uud schrieb schnell dem (^roßherrn einen Brief und sagte ihm Folgendes: „Fürchte Dich nicht, lieber Freund! Ich habe einen 323 ungezählten Reichthum, ich werd.' Dir geben, so viel Dir gefällt!" „Dann langte sie mit derHand uud zählte den Schatz auf, gerade achtzig Millioneu, lauter Ducateu vou eine m Stempel, die zehn Gulden werth sind, die schickt sie dem Großherru nach Stambul. — „Als der Großherr deu Schatz erhalten hatte, schickte er uiclc Tataren aus und versammelte ein neues Heer, eiu wächtiges Heer von dreißig Tauseudm, grimme Araber «nd wilde Leute, „Zu ihnen sprach der Großherr und ermunterte sie: „Ich yabe die ganze Macht ausgerüstet, damit die Ccrna Gora gezüchtigt wird " „Dieses Heer theilt er i» zwei Theile. Den einen Theil befehligt Omer-Pascha in dem „blutigen" Berge (Vrdo), deu audercil Derwisch Pascha in der Hereego-wina. Auch gab er Jedem eineu Medschidie vou gelbeu Ducateu. „So gingen die Heere aus Stambul und fuhreu gerade über das duutle Meer. Das sah die weiße Wila und flog init leichteu Flügelu bis auf das Gefild von Cetinje und rief den Knes Nikola, ehe die Morgenröthe schien und der Morgenstern am Himmel war: „Guteu Morgen, Fürst Petrowitsch!" Darauf aut-wortetc der Kues der Wila: „Gott mit Dir, Du weisie ^2lla, woher kommst Du am frühen Morgeu?" „Weiucud sagte darauf die Wila: „Ich komme ausj Stambul der Kaiferstadt, ich bin vor zwei oder dre ^agcn dort fortgegaugeu und habe mich uirgends verweilt. Als ich Stambul verließ, sah ich ein uugezähl-les Heer, aus Asien grinnnige Krieger. Ich sah es und 21' 324 ging wieder weiter. Das eine, Heer kommt bei Bar (Antivari) ans ^mid, dem Omer-Pascha zu Hilfe, das andere dem Derwisch-Pascha. Es schickte sie der Großherr aus Stamlml, damit sie Dir Dem Cetinie nehmen. „Der Fürst antwortete derWila: „So lauge ick) Zar Alexander uud andere Freunde habe, was können mir die Türken anhaben?" „Aber die Wila antwortete ihm: „Rußland ist in die Politik verstrickt und wenn es Dir hätte aufrichtig helfen wollen, wie es Necht ist, so wäre heute das ganze Bosnien Dein, ohne das Blut-vergießen der Heldeu. Auf Serbien darfst Du auch nicht hoffen. Das schweigt lieber, als daß es feine Brüder umarmt." „Der Fürst entgegnete hinwiederum der Wila: „^aß auch jene uns nicht zur Hilfe kommen, so gehe mit Gott hinaus in die ganze Welt und verkünde es allen Slaven, so lange ich lebe (uud bei meinem Kopfe!) und die Wände der Cerna Gora, ich werde mich Niemanden überliefern uud ruhmvoll zu (Grunde gehen." „Als sie so iu der Nede waren, kommt ein Brief auf das Gefild Cetiuje vou dem Wojewoden Mirko Pe-trowitfch, der schreibt von gewaltigem Kriege nnd Schlachten, die mit deu Türken wareu, seinem Sohne Petrowitfch Nikola. „Da kommt die Fürstin Darinka hinzn und die fragt< wa^ es mit diesem Briefe fei. „Du meine Mnhme, Fürstin Darinka! Dieser Brief ist von Mirko, dem Woiewoden. Höre was darin geschrieben steht." „Zur Kenntniß Dir, mein Sohn Nikola, daß ein 325 mächtiges Heer aus Stambul gekommen ist zu Hilfe den Türken. Wir habeu uns mit ihuen im Feuer gcschla^ gen vom Morgen bis zum dnutlen Abend. Der Donnen aus deu Gewehren Hort nicht auf, auf dem ebenen Gefilde von Sagaratz, das ganze Feld ist mit Duntcl bedeckt. Da gehen zu Grunde wackere Perjanizzen,"') Iwanow itsch Iwo aus Cctinjc, es geheu zu Grunde Türteu, es gehen zu Grund Cernogorzeu, bis sich unsere Fahnen erheben und auf die Türteu einen Inrisch (Sturmlauf) unternahmen und ihnen hundert uud zwölf Köpfe abgeschnitten wurden. Darauf jagten wir sie znrück ans Sagaratz bis zu den Berzkischen Schanzen nnd dort schnitten wir zweihundert Köpfe ab. Als jenseits Garatz bie Sonne nieder ging, weinten viele Türkenweiber. „Darauf rief Darinka: „Preis sei Gott, noch glänzt das Glück der Cerua ^ora, die keinen einzigen Freund hat, als Gott den allerhöchsten im Himmel!" Es ließe sich das zehnfache des Umfanges dieser Bruchstücke aus genannter Schilderung des Sabbas Iwanowitsch mittheilen; doch glaube ich, wird der ^eser an dem kleinen Auszüge genug haben. Die Arbrlt ist, wie so viele andere von Wut Stefanowitsch Karaoschitsch im vierteu Baude seiuer ^aru^ns I^c'gmt: gelieferten durchaus voltsthümlich, wenn Ulan gleich aus der uaivcu Ausammeustellung der Wila und der Prinzessin Dariuta auf eiu Stück fürstlich montenegrinischer Hofpocsic schließen möchte. Aber die Cerna *) Eine liesüümtte Art u^il Wlndniiriiqern der l^rrua 326 Gora ist sicherlich in dieser alten Welt das einzige Land, in dessen volksthüiulicher Einbildungskraft die heute lebenden Fürsten nnd Heerführer gleich den Göttern der Sage umherwandeln, mit übersinnlichen Wesen verkehren und in welcher das ganze Dasein sich zn einer fortlaufenden Iliade gestaltet, Ueberall sonst greift das Heldenlied in vergangene Tage zurück. Wer noch im Geringsten daran zweifeln will, daß die großen volksthümlichcn Even der Inder, Griechen, Deutschen in der Hauptsache nichts anderes sind, als eine mehr oder minder umfangreiche Zusammenstellung verschiedener Voltslieder, der betrachte, sich die zahllosen Heldelllieder des Schwarzen Berges, welche täglich fort und fort erzeugt werdeu. Die eudlofen Naub^ züge, die „Tscheta's", die Unruhen an den Grenzen liefern dichterischer Gestalwng unerschöpflichen Stoff. Die ganze Scenerie ist wild, abenteuerlich, einzig in ihrer Art. — Manche der Lieder brauchen vou einer tuustver-stäudigcu Haud uur wenig abgerundet zu werden, um eiueu noch viel wirksameren Cyklus, eiu viel urwüchsigeres Epos darzustellen, als es Herder mit der Anemander-füguug eiuiger (5id-Nomauzeu geluugeu ist. Als Beweis diene das Juwel südslauischer Poesie, der „Smail Aga" des Maschurauitsch. Ueber diese Geschichte, die Geschichte einer Tscheta aus dein Jahre 1840, gibt es eine ganze Menge vou Liedern, von welchen auch Karadschitsch mehrere aufbewahrt hat. Sie verhalten sich zu der Schöpfung des Mafchurauitsch (die ich, beiläufig gesagt, zum ersten Mal ins Teutsche übertragen habe) wie das Edelmetall, in 327 dem Zustande, in welchem es aus der Grube gebracht wird, zu der Fassung im blinkeuden Diadem. Um ein Beispiel zu geben, wie die Lieder, die einen Raubzug, eiue Tscheta beschreiben, in der Negel beginnen, wähleich das Lied vom Iwan Nikoliu: „Es erhob sich eine kleine Tschcta aus Spusch*) der weißen Veste, ciue kleine Tscheta von fünfzehn Türken. Führer der Tscheta ist Beg Sotowitsch, nlttcr ihm steht Suljo Dschakowitsch. „Die Tscheta geht hiuab ani Flusse, bis sie uach Penar kommt, zu deu Höfen des Wnk Schikmano-witsch: „Wut erwartete sie uud gab deu Türkeu, was er hatte. „Darauf sprach der Beg zu Wuk: „O Du Schik Manowitsch Wut! Wohiu werden wir gehen und wohin werdeu wir nns wenden mit der Tscheta?" „Wuk denkt nach uud spricht zum Beg: „Höre mich. o Beg Sotowitsch! Gehcu wir mit der Tscheta an die Oräuze zu den weißen Schafen des -Wladika, so kommen wir zu den Schäfern. Denn die Schafe haben Schäfer nnd die Schäfer haben Jagd' und Fanghuude. Die Fanghuude werden die Tscheta verrathen lind die Cernogorzeu vernichten. Gehen wir lieber ins waldige Donje uud warten wir auf die Zek-lunscheu Kaufleute. Diese werden wir dort sicher er^ lauern und ihnen den cernogorskischen Kopf abschneiden. ") Eine stüdl am Setasiusse, hart an der Grenze von Eerna Gora im nordlistlichstcn Nmlc! r'on Albanien. ^) 1>ri-te i «he(ll>ike, Hunde moiitcuegriinscher Race. 328 Die Köpfe werden wir tragen nach Spusch, damit es die Berdjaner merken, die den Städtern so viel Leid anthun." „Darauf bewegte sich die Tscheta weiter, vor ihr ging Schikmanowitsch Wuk. Sie kamen in die waldige Donje, um zu warten auf die fnngeu Cernogorzeu. „Als der Tag kam und die Morgenröthe, schritt ein wackerer Held hinaus aus der weiteu, steinige« Cerua Gora, aus Prewlak, Nikotin Iwan. sPrewlak liegt au der nördlichen Spitze des Sees von Stntari). „Dieser sah die türkische Tscheta, und als er sie sah und nicht entrinnen konnte, versteckte er das Messer unter seinen Mantel. „Da faßten ihn die Türken nnd zerschlugen ihm das Gewehr und warfen ihn auf ein Schiff und führten ihn fort auf dem Wasser „Seht dort den Nikotin Iwau, wie er ehrerbietig die Türken fragt: „Wer ist hier Beg Sotowitsch?" „Die Türken zeigen ihm den Snljo Dschaknwitsch-Da zog er seiueu Aatagan und trifft damit den Suli.0 Dschakowitsch nnd durchbohrt ihm die Heldenbrust, in die Schultern stoßt er ihm dcu Vatagau „Er aber selbst, der Held, spriugt ins Wasser uud faßt das Schiff mit den Händen. Er schüttelt daran, damit er die Türken ersäufe. „Aber die Türken ließen sich nicht umwerfen, fondern zogen die Messer aus dem Gürtel und schnitten ihm auf dem Schiffe die Finger ab. „Da tauchte Iwan unter das Wasser und schwamm 329 fort. Als er zum Lande gekommen war, erhob er den Kopf «us dem Wasser. „Aber Schilmanowitsch Wut ist ein Held, er zielt Mit der düuueu Flinte und verbrennt dein Iwan das Herz. „Iwan fällt auf den Grund des kühlen Wassers, „Die Türken aber gingen fort und als sie nach Schab-ljat*) kamen, zogen sie dem Snlio das Messer ans der Schulter, der aber hauchte die Seele ans!" Aehnlichcr Tfcheta-Geschichten ließen sich in Versen eine unzählbare Menge mittheilen. Eine Sammlung von ihnen wäre der bemerkenswertheste Veitrag znr Kenntnis; der Cerna Gora. Nachdem wir lins mehrere Tage zu Eattaro aufgehalten und nnsere Kenntniß der Verhältnisse Montenegro's zu erweitern getrachtet hatte», auch keine Gelegen-^klt verabsäumten, nm in der „8Iuvjln>s1e Maulthiere von de» Leichen erschlagener Türken weg-genommen sind uud das Kreuz des einen die Belohnung sür einen gelungenen Hinterhalt ist. Zur rechten Haud zieht sich, als unheimliche Erläuterung zu den Reden, welche da gepflogen werden, einer lener Schlünde lss^i-Ii) in der Bergwand hinab, welche, wie °er dichterische Geist des Sprachgebrauches durch seiuc Vergleichuug grauenhaft deutlich ausdrückt, mit nichts mehr Aehnlichkeit habeu, als mit der Kehle, der Halshöhle, — elne glatte, runde, von den Wassern der Jahrtausende ausgewaschene Röhre, deren Abgrund sich dem Blicke entzieht, we,l der Boden in bauschiger Rundung jäh in eine unbekannte Tiefe abfällt. Diese z^i-Ii kommen überaus häufig in den Gebirgen von Cerua Gora, Albanien und Griechenland vor nnd spielen in der düsteren Kampfgcschichte dieser Länder eine furchtbare Rolle. Der von der Uebermacht erdrückte sscind rolll dnrch den glatten Trichter hinab und stürzt in die ^efe, wo er zerschmettert, wahrend die Sieger oben am Claude ihr Triumphgchcnl anstimmen. 332 Wenn man zu München in den Arkaden die bekannten Bilder aus dein Befreiungskämpfe Griechenlands betrachtet, sieht man einen türkischen Reiter, dessen Roh sich mit den Hufen an den Hervorragnngen im Boden eines solchen „Schlundes" festklammern will, während die Griechen sich bemühen, ihn hinab zn stofte» Es ist eben Alles ähnlich in diesen südöstlichen Bändern nnd nnr die Sprache der Men< schen stellt einen kleinen unterschied dar, der in der Menge von Aehnlichkeiten in Natur, Ueberlieferungen, Sitte und Glauben fast verschwindet. Die bieder der Griechen gleichen den biedern der Slaven wie ein Ftn-Ic> dein andern, und diejenigen, welche sich bemüht haben, das slavische Wesen des hcntigen Gricchenvolkes zn beweisen, hätten nur die beiderseitigen Volkslieder neben einander stellen dürfen. In diesen, als den cigenthümlichen Ausdruck volksthümlichen Wesens ist durchaus gar nichts verschieden als die Sprache: der Gedankenkreis, die Vorstellungen, dieNedewendnna.cn, die schmückenden Beiwörter, die Bilder — es ist vollständig eine und dieselbe Welt, die uns da iu durchaus ähulichen Gestalten aufgeht. — — Eine noch beliebtere Haltstelle liegt weiter oben bei einer Quelle, welche in köstlicher Frische ans dein Kalkgestein hervorsprudelt und lvcn^ticka voäa geheißen wird — ein Name, den ich mir nicht zu deutelt vermag, er müßte denn mit der Bezeichnung des mächtigen Krstatsch, eines Berges, zusammenhängen, der neben dem grauen Lowtschen über diese Halde emporragt. Auch hier gibt das Bunte der östlichen Trachten, der Glanz der Waffen, das Gedränge der Thiere, welche nach dem Nasser lechzen, das über die weißen Steine 333 hinrinnt, das weite Rund gezackter und beschneiter Spitzen und der grüne Plan des Meeres ein ergreifendes Bild. Als wir Cattaro verließen, lag eine schwüle nnd vom Dufte vieler Blumen gesättigte ^uft am Meeresstrande. Während wir über XerZticka vocl^ hinaufstiegen, gelangten wir dagegen immer mehr in das Bereich der Bora, welche i» den Winter- nnd Frühlingsmonateu fast nnab-lä'ßig um diese Höhe (etwa 2000 Fuß über dem Meere) hinfegt, daß die Steine rasselnd über die kahlen Wände hinabrollen. Die Bora ans solcher Höhe ist kein Wind, den wir mit dem Unwetter unserer deutschen Gegenden vergleichen können, wenn wir uns nicht etwa anf die winterliche Joch-höhe einer unserer hohen Alpenletteu versehen wollen. So M mau den Fuß aufhob, wodurch der Körper nnr mehr auf einen, den andern nämlich ^u stehen kommt, drohte bie Gefahr des Hinabgeschleudertwerdens. Glücklicher Weise kann man den mangelnden Stützpunkt durch die Hand ersetzen, welche sich am unebenen Felshang anklammert. Doch sahen wir nie ohne einiges ,Zagen der nächsten Windung des Weges entgegen, deuu an den Windungen lst die Gewalt des Sturmes am allerheftigsten. Auf-lecht zu geheu ist dort uumöglich. Man muß sich iu der Stellung eines Menschen, welcher im Begriffe steht, in kwe uiedrige Höhle hiueiuzukriechen, mit beiden Händen an den Felsen tastend, um solche Ecken herumschlage». Während dieser Arbeit erblickteu wir dru Briefboteu Seiner Hoheit des Fürsten, der, mit einer großeu Tasche Glastet, gewaltig schnell in der Weise, in welcher unsere Alpensteiger mit ihren Stöcken sich mitunter über steile 334 Halden hinablassen, schuurgerade und unbekümmert mn den Weg über das Geröll gegen l^attaro hinad Me, oder vielmehr rutschte, um die Post, welche der heutige Dampfer gebracht haben mochte, nach der Hauptstadt Cetinje abzuholen. Endlich waren die Steigungen übcrwundeu und wir sahen eiue weite Thalmulde vor uus, mit Steintrümmeru übersäet uud im Allgemeine« von jeuem Aussehen, wie viele der beschriebenen dalmatischen Vcrglandschasten. Es war daserste >'u^!l,> ^<»1.i«, das erste „ebencFelo", welches wir von der Cerna Gora zu sehen betaincn, von welcher wir bis jetzt nur Bergspitzen erblickt hatten. Hier empfing uns eiu eisiger Nebel, währcud zugleich — in wunderlichem Gegensatze zu der Kälte— der Donner in ferueu Gebirgen rollte. Am meisten grollte es in den Schluchtcu des ^owtschcn, der doch bis weit herab mit Schnee bedeckt war. Solches aber ist gerade der rechte Empfang iu dem auf der Welt eiuzigen Verglande uud die Natur der Dinge kann hier nicht dcntlicher sprechen, als durch das Getöse des himmlischen Aufruhrs über der weiten Fclseuwüste. Die erste Hütte, welche man auf dem Boden des Fürsten-thumes autrifft, ist die l'ln-min-lncil, die No^ni-i, in welcher ein armselig aussehender Mensch erscheint, welcher den Fremdlingen jedoch weniger Schwierigkeiten bereitet, als die Zöllner an der Grenze manches anderen Landes, dessen Einwohner sich feiner Sitte und vorgeschrittener Bildung rühmen. Mit Hinterlassung der Spende ciurs Silberscchftrs geht man nunmehr getrost ins Land hinein. Zwischen den Felsen gewahrt man, sorgsam durch 335 Steine gegen den Wcud geschützt, in kleinen Anpflanzungen die Haupterzeugnisse des Landes, Erdäpfel und Kohl, von denen die armen Weiber schwere Lasten nach Cattaro nnd tn die andern Städte im Meere hinabfchleppen müssen. Die Männer arbeiten nichts. Ihr Berns ist das Tabakranchcu nnd das „Innactwo", das Heldcnthnm. Deutsche Bauernwciber wären ohne Zweifel unfähig, derartige Lasten zu tragen. Selbst in unseren Gebirgsländern, in welchen man oft auf deu Iochsteige» schwerbeladenen Menschen begegnet, habe ich dergleichen nicht geseheil. Es ist das sicherlich eme Wirkung des in Europa einzige» Klima's. Die Ccrua Gora, welche ans derBrcitc Uon Rom liegt, faßt dieEigeu-schaften des südlichen mid nördlichen Himmelsstriches in sich zusammen. Die Hitze Italiens und die Kälte Deutschlands, der Nebel derNordländernnd die Dürre des Ostens, die weiche Luft des Adria-Oestades und die Bora des Karstes — Alles dich stellt das Wetter der Cerua Gora dar. (?s ist augenscheinlich, daß hier die Natnr die Nolle des Gesetzgebers vonSpartanberuimmt nnd die Schwachen, wenn es deren gibt, schon in ihrer Entwicklung tödtet. Wir sollten an jenem nämlichen Tage noch eine Probe von der Vielseitigkeit der Witternogs-Lannen durchzumachen haben.DerNcbclverdichtctesich allmähligzn einemFluthregeu Und derFluthregen verwandelte sich in einen dickkörnigenHagel, "Urch welchen hindurch die Blitze leuchteten. Fürwahr, ein ?,^in^fgnt.^i^,c^M^ der italienische Ausdruck bezeichnend sagt. _ Von dem Punkte an, an welchem das Steigen aufHort und jenes „ebeneFeld" der Cerua (Nora beginnt, sind ^ nur mehr wenige Schritte bis Njegnsch, einer Ansiedc 336 lung, die freilich viel armseliger aussieht, als die schlechtesten Dörfer in Dalmatien. Dennoch ist es hochgefciert als Stammort des regierenden Fürstenhauses nnd als Heimat so vieler in der Geschichte der Cerna Gora genannten Helden. So heißt es im Liede vom Alaj Beg: „Wein trinken drei Verbrüderte sp^drutim«) anf dem blutigen Ktschcwo, dem Gefilde. „Von Ktschewo ist Petar Prustachi,'a, von Njegnfch sind die zwei Brüder Lafar und Perizza. „Als sie sich am kühlen Weine sattsam gelabt hatten, fingen sie an, über Allerlei zu rathschlagen, vor Allem aber über das Heldenthnm: „Wo etwa eine gute Bente zn erbeuten wäre, oder gute Köpfe abzuschneiden. „Da spricht Pctar Pnstachi'ia:" Um Gott, ihr zwei Verbrüderte! Ihr, die ihr immer in der Boka Kotorska seid nnd mit dem Herrenvolkc Wein trinkt, habt ihr gar nichts gesehen, daß wir Beute erbeuten und schönen Reichthum heimtragen könnten?" So ließen sich noch gar viele Stellen in den Liedern anführen, ill welchem Nzegnsch genannt wird. Beim Anblicke des Ortes sollte man freilich incht glauben, daß an ihm die Dichtnng etwas zu verherrlichen findet. Die niedrigen, stallähl!lichen Hütten, die meist nur einen Eingang haben, der zngleich als Fenster dient und mit morschem Stroh gedeckt sind, werde» insgesammt von einer Umfassungsmauer nmgeben, welche den Ort, fei es gegen räuberische Angriffe oder vielleicht auch nnr gegen die Stöße der Bora schützen foil. Man Würdesich aber sehr täuschen, wenn man glauben , 337 wollte, daß jene Sorte von Heldenthum, welche in dem oben mitgetheilten Anfange eines Liedes erwähnt wirb, sich des Beifalles der Autoritäten im Lande zu erfreuen habe. Nichts wäre falscher als diese Voranssetznng, welche allerdings manche Bcrechtignng hat bei der geringen Werth-schätzung, mit welcher nach den Aussprüchen der Volkslieder das Leben der Menschen betrachtet wird. Die Sicherheit des Lebens nnd des Eigenthumes ist im Fürsten-thum Cerna (^ora eine weit größere, als im benachbarten Dalmaticn, nnd die Herren Autonomen, welche das letztere Land dermalen regieren, könnten in dieser Hinsicht von der „russischen Sctte", den „Barbaren" u.s. w. nur lernen. Es gibt in (5erna Oora eine strenge Gerechtigkeits-pslege, welche den schuldigen Dieb, Nänbcr oder Mörder nie-Mals verfehlt. Das Verdienst solcher Einrichtnngen gebührt vorzüglich dem dermalen herrschenden Fürsten, welcher überhaupt mit manchen Ueberlieferungen seines Volkes brechen zu wollen scheint. So besteht beispielsweise iu diesem Njegusch, welches weit mehr einer An-sannuluug von indianischen Wigwamms gleicht, als einem ltt Europa befindlichen Orte, eine Schnle, die bekanntlich ltt Dalmatien meist noch zn de» Wünschen Weniger gehört. Ebenso werden die Kinder des Bergvolkes in fast ^Üen anderen Drteu unterrichtet uud vom Fürsten überhaupt geistige Entwickluug seiuer Unterthanen erstrebt, während im benachbarten Türkcnstaat, den die Weisheit ber europäischen Mächte mit aller (^ewalt und der Natur ökl Dinge zum Trotze anfrecht zu erhalten strebt, von Elchen Bemühungen keine Spnr zu entdecken ist. Wir verfügten uns zn Nl.ea.usch in eine kleine 338 Schenke, in welcher man Branntwein, Eier und die bei den Slaven so sehr beliebten Quitten feilbot. Auch hatten wir dort Gelegenheit, zum ersten Male jcue ge^ räucherten Hammelskeulen, Xa^traäinll geuauut, zu versuchen, welche es wohl verdieneil, der ganzen Welt als Leckerbissen bekannt zu werden. In dieser kleinen Schenke waren mehrere stattliche Männer versammelt, die uns von ihrem Tabak anboten und sich anch sonst hilfreich erwiesen in Rathschlägen nud Auskunft über unsere Wanderung im Schwarzen Verge, Von der mehrmals gerühmten Gastfreundschaft des Bergvolkes verspürten wir da allerdings iu sofern etwas, als besagte Männer uuanfgefordert sich an unserem Mahle betheiligten und uns den größten Theil desselben mit auffallender Geuiüthsruhe wegnahmen. Dasselbe kleine Abenteuer begegnete uns noch mehrfach auf unseren Märscheit und wir kamen überein, solch Verfahren die umgekehrte Gastfreuudschaft zu nennen. Der Weg von Njegusch nach Cetinje bewegt sich Stein Hügel auf, Steiuhügel ab, allmäh lig bis zur Wasserscheide zwischen de» Thälern von Njegusch und dem Flußgebiete des Skutari-Sces ansteigend — ein schneidiger Karst voll von Riffen nnd messerartig zuge-schlisfenen Steinen, von schneidigen Muldenrändern und übersäet mit Niesenblöckcn, zwischen denen sich der Samn-weg (denn eine Straße kann man derlei nicht nennen) in auf- uni> absteigenden Windungen hindurch klemmt. Auf dem höchsten Punkte diefes Weges erblickt man im feruen Süden jenseits der zahlreichen, hervorstehenden Kalkrippen den Spiegel des Skutari^Sees, dessen Ufer mehr als alle anderen Gründe des Felslandes im ^aufe 339 der Jahrhunderte vom Blute der unversöhnlichsten aller Feindr, der ccrnogorzischcn Serben und der Osmanlis, welche die Herren von Albanien sind, bcfcnchtet wurden. Kein Gewässer wird in den Heldenliedern neben der Moratscha, dem Hanptftuffe des Berglandes, häufiger erwähnt als dieses. Von keiner Seite her aber drohen der Cerna Gora auch mehr Gefahren, als von diesem albanischen See her, von welchem der Zugaug ungleich leichter ist, als von jeder anderen niederen aus. Von hier zog (1719) jener Mahmud Pascha hiu-anf, welchem fast das ganze Verglaud in die Hände siel. Von jenem schrecklichen Kriege spricht uoch jenes Lied, welches der Vladika Peter der erste, genannt der heilige Peter, verfaßt hat, und dessen Anfang lautet: „Der Vcssir Mahmud veranstaltete eine Vcrsamn^ lung im weißen Skadar an der Bojana"'). „In die Versammlung rief der Bessir alle Türken-Häupter und als er sie versammelt hatte, sprach er zu ihnen Folgendes! „Jetzt ist die Gelegenheit, ihr Anführer, daß wir uns, mit mächtigem Heere den Schwarzen Berg aneignen, l>en Schwarzen Berg und das ebene Küstenland, welches wir uns von alter Zeit her gewünscht haben". Freilich mochten zu jener Zeit die Türken uoch Mächtigere Beweggründe haben, das Felsenland gänzlich zu unterwerfen, als heute. Denn eine kurze Notiz, die uus erhalten blieb, besagt, daß am fünften Iannar 170:; lätnmtliche Osmanlis, die sich auf dem Boden des Schwarzen Berges befanden, au einem Tage umgebracht wurden. *> So heißt der A>l«fluß des Skutari-Sees. 22* 340 Der See von Skutari, das rothe Licht der Abend-Wolken wiederspiegelud, riilgsum die graue Oede der Cerna Gora, hie und da von dunklen: Gestrüpp unterbrochen, und zur rechten Hand der Lowtschen, auf dessen Spitze sich das wohlertenntliche Kreuz erhebt — das ist wohl abermals ein Landschaftsbild des Schwarzen Berges, welches dem Beschauer unvergeßlich in der Erinnerung bleiben wird. Schon im Abendounkel erreichten wir die kleine Kapelle, die dem Andenken des Jüngers der Liebe gewidmet ist, Wohl mag der Geist, der jenen Jünger beseelte, ein einsamer Fremdling sein in diesem Lande. Darum steht auch das Heiligthum verlassen da in der starren Wildniß. Es erregte uns manch trüben Gedanken, die freundliche Gestalt desjenigen, welcher noch als hundertjähriger Greis nicht müde wnrde zu sagen: „Kinder, liebet einander!" sich neben den Menschen vorzustellen, welche diese Schluchten bewohnen, und deren ganzes Dasein hingeht im Sinnen und Trachten an blutige Abwehr gegen diejenigen, die jenseits ihrer Berge wohnen. (Judlich erreichten wir Cetinje, auf steiuiger Halde gelegen, aus deren Geröll sich hie und da niederes Gestrüpp, dürftiger Grasboden nnd spärlich bebautes Land abhebt. Ich will in Kürze schildern, was wir während des mehrtägigen, eintönigen Aufenthaltes dort obeu zu beobachten Gelegenheit hatten. Die Wetterlannen des Schwarzen Verges beharrten auf ihrem Grimme. Fortwährend jagte jener schwere, mit Hagelkörnern vermischte Stnrmregen durch das Gebirge hin, welchen dic Ccrnogorzen ^«uin nennen, eine Witteruug, gegeil welche das Wüthen unserer Wetter zu 341 Hause ein Maieuregen genannt melde» taun. Dennoch brachten wir in dem jämmerlichen Hause, in welchem wir ein Obdach gefunden hatte», während des Tages nicht eine Stunde zu. Wir gingen iu der „Hauptstadt" umher oder gesellten uns zu den Cernagorzcu, welche diejenigen Häufer aufsuchte», iu denen ein Feuer brannte, um welches sie sich rauchend uud Caf5 trinkend herumsetzten. Was das Aussehe» der Hauptstadt anbelangt, so gleicht dieselbe einem Städtchen im Inneren von Dal-Matien, wobei mau sich nur jede Spur uon italienischer Bauart wegdenken muß, oder noch besser einem Dorfe oer croatischcn Militärgränze. Die Häuser bestehe» meist nur aus eiucm Erdgeschoß, und ihre Bewohner, obwohl glänzende Waffe« tragend, machen den Eindruck der Verwahrlosung uud der Armuth. Vei der roth angestrichenen Burg des Fürsten, welche, wie ein (Hefänguisi, riugs vou einer ziemlich hohen Mauer umgeben ist, befindet sich ein geräumiger Platz, auf desseu eiuer Seite kleine Vädcn nnd gewöhnliche Wohnhäuser, auf der andere» dagegen die ansehnlichen Behansnngeii der Fürstin Darinka und die eines Sena-tors stehen. Beide nennt man iu Cctinje Paläste, anderswo über würden sie auch in einem kleinen Landstädtchen keineswegs auffalleu. Darinka hatte sich zu jeucr Zeit iu das sonnige Corfu zurückgezogen. Da wir Gelegenheit gehabt hatten, den Fürsten, eine herrliche Männergestalt, seine Kinder an der Hand sührend, über den Platz schreiten zu sehen, so snchteu wir Z42 nicht um die Ehre nach, ihn hinter seinen Mauern selbst sprechen zu dürfen. Auch ist die Etiquette am Hofe der Cerna Gora nicht gerade so einfach, als man sich vorstellen möchte, und Seine Hoheit soll ziemlich- eifersüchtig fein anf die Formen der Ehrerbietung welche ihr als einem souveränen Haupte gebühren. Dennoch aber mochten wir leden Tag, iu der Stnnde, die uns der «r»uln gestattete, einen Oang auf dem Grasplaue um die Mauer herum, wobei uns stets neugierig ein schwarzer Hammel folgte, der so sicher dort zu treffen war, wie die riescnstarte Schildwache, die am Thore der Mauer stand. Den Besuch des „Musemns" dagegen versagten wir uns. Erbeutete Waffen, Medschidiehs, von der Brust der Türken abgerissen, Ilniformsfetzen und dergleichen haben ebensowenig mit den Mnsen gemein, als die abgeschnittenen Köpfe und die ausgestopften Häute der Pascha's, die noch vor drei Iahrzehenten in der Bnrg zu sehen waren. Mit Vergnügen besuchten wir dagegen die gleich neben dem Fürstensitz befindliche Druckerei, durch deren Einrichtung der Fürst sich ein edleres Denkmal gefetzt hat, als feine Vorgänger mit ihrem Mnseum. Die Setzer sind dort freilich nicht mit Arbeit überladen, doch findet man etwa ein Dutzend Schriften, welche aus ihrer Officin hervorgegangen sind. Dieselben habe ich mir sämmtlich gekauft und sie fleißig durchgemustert. Sie sind meist religiösen Inhaltes, wie man das bei der Nationalanstalt eines Volkes voranssetzeu kann, bei welchem die Religion und das Dasein ais Volk über- 343 Haupt in Eines zusammenfallen. Doch befinden sich auch Kalender, Schulbücher und eilte schöne Sammlung von Heldenliedern aus der jüngsten ^eit daruuter. Wollen wir dieser Pflanzstätte der Gesittung uur wünschen, daß ihre Typen nicht wieder einmal in Kugeln umgegossen werden, wie es in der Zeit der Noth geschah. Bei gutem Weine, der in sonnigen Lagen der Cerna Gora selbst wächst, hatten wir bei manchem Feuer lehrreiche Gespräche mit den rauchenden Männern. In der Cerua (Hora bewegt sich alles Gespräch nm die Hoffnungen der Serben, das mächtige Rußland und die Verzagung des Türtenvolkes. Serbische Osfieiere waren anwesend nnd auch einige wenige Dalmatiner, slavische Fenier des Heimatlandes, deren ganzes Dasein ein unaufhörliches Verschwörungs-Getreibc zu sein scheint. Viele trugeu die als (beschenk zahlreich in den Schwarzen Berg herein gesendete Medaille, welche man zn Moskau als Erinnerung an die Gründung des russischen Reiches vor tausend Jahren geprägt hat. Hier tritt dem Fremdling die ungeheure Bedeutung, welche dem heiligen Rußland dereiust bei der Ordnnng der Diuge des Ostens zukommen wird, weit verständlicher nah, als es durch tausend Bücher geschehen kann, und man begreift die Worte Tjutschew's, des Dichters! V dospiechi vieri grud adjon J s bogom ispolin derschawnoj ! 0 Iius! velik gradustschij djon Vsselenskoj djon a prawoslawnoj ! *) *) Die Bnift im Harnisch des Glaubens und mit Gott ^sl du ein jnlchtbarcr Niese. O Nlchlaod! eö lonintt der große Zuknnftslag, der ökumenische und rechtgläubige. 344 So vergingen uns dicTage, nnd als der Sturm sich gelegt hatte, brachen wir um viele Erfahrungen reicherund um viele Silberguldeu ärmer (die gastfreien Barbaren nehmen lein Papiergeld) wieder zum Meere auf. An einem anderen Orte aber, an welchem mir mehr Raum gegünut seiu wird, als in diesem Dalmatien gewidmeten Buche,werde ich vielleicht noch mehr einmal über denSchwarzen Berg erzählen, von welchem überhaupt die Welt noch mehr zu hören bekommen mag, als sich Mancher trau inen läßt. Zehntes Capitel. Mwtertage und Erinnerungen von den Zaratiner Scoglien. Vtlljli Ivi-ulin,!^) war das erste Wort meines Gefährten, als wir in eine Bauernhütte der Insel Nglicn traten. Wir haben keines! lautete die Antwort, die vor-auszusehen war. Wie aber in den Büchern des alten Testamentes zum öfteren erzählt wird, daß die Hausfrau für Fremdlinge Brod buk, so geschah es auch hier. In nicht ganz einer Vicrtelstnnde war der Teig angemacht, auf dit Gluth gelegt nnd das dampfende Brod nns vorgesetzt. Wir ließen nns die Speise wohlschmecten und verachteten auch den schwarzen Wein nicht, der uns in einem großen Gefäße hingestellt worden war. Wir hatten vom sscstlande her eine schwierige Ueberfahrt gehabt, *) Wir müssen Brot haben. 345 Am Morgen war em wenig Schnee gefallen, jener staubförmige Schnee, wie er nur in wenigen Wintern die Küsten des Adria nnd des Mittelmeeres bedeckt und der stets auch ohne Sonuenwärmc in der frischen Seeluft binnen einem halben Tage verdunstet. Das Meer hatte neben den weift augestreuten Ufern eine tinteuühuliche Aarlie angenommen, von welcher sich die weißen Fittige der Vögel, die nnruhig darüber hin nnd her flatterten, gar grell abhoben. Als wir den Strand verließen, wehte ein leichter „Aurin" gegen den Hintertheil der mit Menschen vollgefüllten Barte. Aber eine dunklere Färbung, die sich gegen Süden auf der Oberfläche des dunkeln Meeres zeigte, dentete die Bewegung an, welche ein heraufdrin^ geudcr Scirocco im Wasser verursacht. In der That nmßte der Mann, welcher das ausgespannte Segel an einem Stricke hielt, seineu Platz auf dem Schisse mehrmals wechseln, noch öfter aber den Strick über die Köpfe ber ihm zuuächst Sitzenden nach der andern Seite ziehen, weil daö Segel bald in dieser bald in iener Richtung gegen seine Stange gestellt werden mnßte. Als endlich bie demScirocco vorangehenden Wellen mit immer breiterem Zücken und immer reichlicherem Schanm andrängten, wurde das Segel unter gewaltigen: Geschrei festgcbuuden Und die stärtsteu der auf dem Schiffe befindlichen Männer ^'gnsfeli die Ruder, um bald zum Straude der Insel HU kommen, deren vielgestaltige Giebel in bunter Neber-klnanderthürmung, von Oelbäumeu und Gestrüpp be-beckt, uns immer deutlicher entgegen traten. Unter diese»! Nudereru fiel mir ein etwa fünfund-zwanzigjähriger Mensch auf, welchem statt der rothen 346 Morlaten-Mütze, die aüe seilte Genossen aus dem Kopfe trüge», eine schwarze von der gleichen Art auf den schwarzen Haareu saß. Es bedeutet das, wie man weiß, Trauer um irgend einen der nächsten Verwandten. Hu dieser Traner stimmte seine Miene. Denn während alle Anderen sich schreiend entweder an den Arbeiten betheiligten, die mit dem Segel zusammenhängen, oder in heiterem Gespräch auf dem Boden des Schisfes kauerten, lag dieser lautlos der Mühsal des Ruderns ub, nur hie und da den Blick seiner schwarzen Augeu nach dem Strande richtend, den zu betreten er sichtlich ungeduldiger war, als die Uebrigeu. Während diese sich auf jede Schaar vou Enten aufmerksam machten, die hier und dort anf den Wclleu-kämmen zu erspähen war, der Eine jammerte, daß cr kein Gewehr bei der Hand habe, der Andere sich vergebens abmühte, die einzelnen Bögel zu zählen, verharrte dieser in traurigem, fast hochmüthig aussehendem Schweigen. Als endlich das Schiff den aus rohcu, gelben Stein-blöcten erbauten Damm erreichte, welcher deu Molo des seichten Hafens darstellt, war der junge Mauu mit der schwarzen Mütze der Erste, welcher mit einem behenden Satze hinaussprang. Wir sahen ihn rasch auf den Felsen fortlaufen und bald war er uuseren Blicken verschwunden. Als wir die Hütte betratcu, iu welche mich mein Begleiter führte, saß der uämliche Mann bereits nebe" dem Feuer, welches in einer Ecke brannte, und hielt einen etwa zehnjährigeu Knaben, dein er mitleidig ins Gesicht schaute, au den Schulteru fest. Gerne hätten wir gefragt, was es mit diesem Men- Z47 schen für eine Vewandtniß habe, allein es fand sich keine Gelegenheit mit einem Bewohner der Hütte zu sprechen, ohne daß Jener es hätte gewahren müssen. Zn dem waren nunmehr dic Leute mit dem Brod-backen beschäftigt gewesen und so mnstten wir wohl die Befriedigung miserer Neugierde bis zn der Zeit Verschieben, in welcher wir von unserem Ausfluge in das Innere der Insel zurückkehrend vielleicht hier wieder vorsprächen. Nachdem wir uns mit Brodvorrath auf den ganzen Tag verschen hatten, gingen wir an den Strand hinaus. Mein Begleiter führte mich zunächst an einen Garten, welchen sich ein wohlhabender Städter auf dieser Insel in geringer Entfernung vom Meere angelegt hat. In diesem (Harte» standen Mandelbänme, deren röthliche Blüthe sich unter dem unverhofften, tückischen Frost der letzten Tage gebräunt hatte und nuumehr zerstört an den Hweigen hingen. Im kalten Winde bewegten sich die Cypressen und eine Amsel hüpfte lautlos durch die Oleanderhecken, aus welchen sonst an sonnigen Tagen des Vorfrühlings wohl lant ihr lieblicher Gesang erschallt. Mitten im Garten erhebt sich eine mächtige mehr als Mei Klafter hohe Aloe, deren meergrünen Blättern der Schnee schlecht anstand, welcher in ihren weiten Höhlungen liegen geblieben war. Auch die gelben Blüthenknospen des Lorbeer, welche gleich einem vor der Kälte zusammcngekanertcn Thiere, slch noch fest geschlossen hielten, gehörten nicht in das Vild dieser Landschaft, deren Boden von Schnee, wie Von einer dünnen Schichte Mehl bedeckt war. Noch ver^ wunderlicher aber sah die Blüthenpracht der Kirschbäume 348 aus, die weit blendender und weißer, als das frostige Puluer am Boden über der Erde glänzte. Der Garten ist von einer Hecke jener von den Slaven Xlnäico genannten Dornsträucher umgeben, welche mit ihren langen blutrothen Stacheln eine stärkere Wehr bilden als eine aus Steinen aufgeführte Mauer. Jenseits desselben ziehen sich neben dein trümmer-artigen Mauerwerk der Dorfwohuungeu dunkelbraune Pfade, immerwährend von schneidigen Felsrippeu durch^ brochen, bergan in's Innere der Insel. Unter den zahllosen Oelbäumeu grünte das helle Getreide, von grauen und gelbeu Maueru durchzogen. Weuu man so uuter dem weiten Oelgarten und seinem duukelu Grün hinausfchante in den vielfach eiligerahmtelt Hintergrund, in welchem das blaue Meer liegt, so vergast man leicht die dünnen Schnecschichtcn anf manchem Gesteine und hoffte den Sommer, desseu Farbe ja uns überall umgab. Ueber den Maueru erhebt sich hie und da eine Akazie, an deren kahlen Zweigen noch die schwarzen Hülsen hängen, eine Esche, eine Linde, ein juuger Ailauthus. So ungefähr sieht es auch auf der ganzen übrigen Iufel aus, die wir uuumehr bergauf bergab durch-wauderteu. Auf der wcstlicheu Seite gelangten wir endlich wieder an das Meer. Dort breitete sich neben dem Meere eiu dichtes Gestrüpp von Erdbeerbäumen, Lorbeer und wilden Myrthen aus, hie uud da von den Schlammfelderu unterbrochen, welche die Ebbe zurückläßt. Zwischen diesem Gestrüpp, in welchem manchmal, 349 wenn wir herankamen, eine scheue Amsel rauschte, weidetcu Schafe, deren Hirten sich unter einem vielfach gespaltenen Delbaumc ein Feuer angemacht hatten, dessen Nauch in blauen Wolken sich dnrch das (Gestrüpp und die weiten Bogengänge der anderen Oelbänme vom Meere ab langsam ms ^aud hineinzog. Wir gesellten uns zu diesen Hirten und bemerkten, daß sie au ihrem Feuer eine Wildtaube brieten. Oiner der unternehmendsten von ihnen war auf die hohe, bröckelige Mauer eines zerfallenen Kastelles ans einem der Iuselberge gestiegen, um das Nest auszu-nehmen. Es war ihm geglückt, mehrere der iuugen Vögel zu erbeuteu, uud die hungerigcn Hirteil freuten sich der seltenen Leckerbissen. Da ich au dem Bilde, welches die (Gesellschaft in dieser llmgebuug bot, Vergnügen empfand, so verweilte ich lange Zeit entweder bei den Hirten am Feuer oder auf- und abgehend, wenige Schritte davon entfernt, am Strande. Es war dort einer jener Plätze, an welchen die Nfchcr ihre Netze ansnehmeu, uud deshalb der Strand auf einer ziemlichen Strecke mit ciucr dichten ^age zerbrochener Mnschclu bedeckt. Weit hiuaus ins Meer hoben sich aus dem Schlamm bes flacheu Ufers niedrige Felsenkämme, halb Düne, halb Geklipp — eiu sumpfiges Felsenwirrsal, das unter ^er bleichen Sonne des kalten Tages vielleicht noch trauriger aussah, als zu anderer Zeit. Mein Begleiter zog das Verbleibe» am Feuer solcher Wauderuug vor und plauderte, die Häude fast stets gegen die Muth ausgestreckt, mit den Hirteu, von dene» 35s) sich ab und zu Einer erhol«, um nach den Schafen zu sehen. Plötzlich hurte ich einen Ruf. Ich wandte mich um nnd sah, wie mir der Mann winkte nnd auf eine Stelle zwischen den Oelbaumeu deutete. Mein Blick folgte der angezeigten Richtung nnd ich gewahrte unseren Genossen im Schiffe, den Besucher der Vauernhüttc, den jungen Mann in der schwarzen Mütze, wie er langsam geraden Weges durch den Oel--auger und das Gestrüpp vou der Höhe gcgeu das Meer hinabging. Ich schritt zum Feuer und forderte meineu Begleiter auf, da meine Rückkehr abzuwarten. Denn ich wollte uunmehr die Gesellschaft des Mannes, dessen Erscheinen in dieser abgelegenen Gegend der Insel mir noch mehr auffiel als alles Uebrige, auffuchen, um vielleicht irgend etwas zu erfahren, was der Theilnahme und des Verständnisses werth war. Als ich, ungesehen vou ihm, auf ihn zuschritt, wurde ich jedoch bald gewahr, daß sein Gang nur vou oer Ferne betrachtet laugsam schien. In Wirklichkeit schritt er sehr rasch gegen eine vorspringende Klippe am Straude hin, auf welcher ich nicht das Geriugstc wahrnehmen konnte, was einem Menschen von seiner Art als Ziel einer Wanderuug dienen mochte. Ich folgte ihm durch den lichten Oelwald uud gewahrte au mancher Stelle des Weges von seiner Gestalt nur den Kopf, der über die Sträucher empor lagte. Bald aber lichtete sich der Banmschlag und ich fah ihn auf einem grauen Felseuhange gehen, der mit 351 ,,5inn," bewachsen ist und an dessen Fuße, hart neben dem aufschäumenden Meere, sich ein gelber Pfad hinzieht. Der Manu stieg von der Felsplatte langsam auf den Weg hinab, ging auf diesem eine Strecke weiter und blieb endlich vor einem weißlichen Gegenstände, den ich ans der Entfernnng für einen Stein hielt, stehen. Wenige Augenblicke später bemerkte ich, wie er sich dort anf die Kniee niederließ nnd sich über den Stein hinbengtc. In dieser Stellung verharrte er lange Zeit. N5ie lange, das vermöchte ich nicht zu sagen, denn meine Verwunderung über das Gebahren des Mannes ließ mir nicht Zeit, an Anderes zu denken, als au die Umstände, welche ihn bewegen konnten, an einer einsamen Stelle des Strandes aus die Kniee zu fallen. Als sich der Mann in der entgegengesetzten Richtung, gegen das südliche Ende der Insel hin, entfernt hatte, stleg linch ich den grauen Felshang hinab, nm zu dem Steine zu gelangen. Es war ein weißes Kreuz, in welches von einer augenscheinlich wenig geübten Hand Vuchstabeu einge-haue» waren. Die meisten derselben hatte das bei hohem Wellenschläge heraufreichende Wasser und der "kegen in dem weichen Kalke unleserlich gemacht. Ich touute nichts mehr entziffern, als die Worte: "le in der Mitte standen, etwa da, wo die vier theile des Kreuzes zusammenstießen. *) Weder sündig nach schuldig. 352 Was konnte das heißen? zu wessen Angedenken, der „nicht schuldig" hinüber gegangen war, stand dieser Stein am wüsten Strande des Meeres? Indem ich mich abmühte, auf diese Fragen irgend eine Antwort zu finden, kehrte ich langsam zu dem Feuer zurück, welches noch immer, vom Nanch halb verhüllt, in der Ferne trüb zwischen den bäumen glänzte. Ich erzählte den Hirten und meinem Begleiter, was ich gesehen hatte. Sie schauten sich fragend an. Mehrere derselben waren nicht von der Insel und vermochten keinen Aufschluß zu geben. Da nahm Einer, der eben herbeikam und bis jetzt dürre Zweige gesucht hatte, um das Feuer zu uähren, das Wort! „Ich weiß Herr, was dort geschehen ist. Es müssen jetzt zehn Jahre sein, daß dort ein armer Mensch von der Insel starb, der in seinem ganzen Leben Niemanden ein ^eid gethan hat." Die Hirten horchten alle hoch auf und unterbrachen ihn mit Fragen. (5r aber warf den Bündel mitgebrachter Zweige in die Flamme, daß sie einen Augenblick fast ausgelöscht schien und dichter Qualm mit feinem Wachholdergeruch wie die Wolke vou Weihrauch, / die der Priester um einen Leichnam ausbreitet, uns alle miteinander einhüllte. Dann fuhr der Mann fort: „Die Sache ist so zugegangen Da war Einer >>l einer Hütte, der Niemanden anf der Welt hatte, als ein ganz kleines Kind, das noch nicht einmal gehen konnte, und einen Bruder, der vielleicht zwölf oder vierzehn Jahre alt war. Die Frau war ihm eben gestorben, als einmal sein Nachbar in die Hütte kau, nnd ihn bat, von einem Nind, das der Nachbar geschlachtet hatte, die Haut abzuziehen. Denn der Mann war sehr geschickt in jeder Arbeit. „Nachdem die Hant von dem Rinde weggenommen war, bat ihn der Nachbar ferner, er möge die Haut hinüber auf das Festland, uach Bentowatz, trage», dcuu er wisse dort eiuen Käufer und habe jetzt ebeu keiue Zeit, sie dorthin zu schaffen. Er versprach ihm einen schönen Botenlohn nnd anch, daß er die Kinder während der Paar Tage, die Jener abwesend fei, in seiner eigenen Hütte bewahren wolle. „Das war dem Manne recht, er wusch die Haut sauber aus, setzte sich auf ein Schiff, das nach Bibinje hinüber fuhr und giug zu Fuß nach Vcukowatz. „Die Hitze war groß und als der Mensch in die Nähe der Stadt kam, bemerkte er an dem üblen (^ernchc der Haut, daß beim Reinigen ein ganz kleiner Theil nicht völlig sauber gewaschen war. Da liest er sich an der nächsten Wasserlacke nieder, nm deu Unrath wegzuwaschc». „Die Leute vom Felde von Bentowatz aber hatten 5« jener Zeit wegen der Hitze großen Mangel an Wasser und als sie den Scoglianer sahen, der ihnen diese eine ^acke mit feinem Fell verdarb, warfen sie volt den Aeckeru Mit Steinen nach ihm. Ein Stein traf ihn gleich so, daß ihm der Arm zerschmettert wurde, und nachher trafen ihn auch noch viele andere ainKopfe und am ganzen Körper. Da lief erin seiner Todesangst mit dem Felle gegen das Meer zurück, "ls er am Strande angekommen war, wollte er sich noch wit Wasser aus dem Meere die Wunden waschen. „Es sahen ihn Fischer von uuserer Insel. Ehe sie No,;. Dalmatic,,, 23 354 ihm aber zu Hilfe kommen konnten, hatte er schon das Bewußtsein verloren. „Darauf nahmen sic ihn auf ihre Barte und brachten ihn herüber. Wie sie ihn dort, wo jetzt das Kreuz steht, an das Land setzten, seufzte er noch nach seinein Bruder und nach seinem Sohn, that ein paar Athemzüge nnd starb. „Vor ein paar Jahren hat ihm sein Bruder selbst eine Grabschrift ausgemeißelt uud eiu Kreuz an dem Ort gesetzt, wo er seineu letzten Athemzug gethan hat. Der Mann, den Ihr gesehen habt, wird wohl kein Anderer gewesen sein. als eben jener Bruder. Vielleicht hat er wieder einmal nach dem Stein sehen wollen." Diese Vermnthung dünkte nns Allen wahrscheinlich. „Was ist zu jeuer Zeit mit den Kinder» geschehen?" frug ich weiter. „Das kleiue Kind ist vou armen Lenten angenommen worden, den größeren Burschen aber hat der Bauer behalte«, der damals seinen Vater mit dem Felle fortschickte. In späteren Iahreu ist er nach Diclo") hinüber gezogen und hat jetzt selbst vielleicht schon Weib und Kinder. Heute aber ist er vielleicht nur herübergekommen, um einmal wieder nach seinem kleinen Bruder zu sehen." „Weschalb trägt er die schwarze Mütze?" frug der Mor-lak, welcher mit mir zu deu Hirten gekommen war. Niemand wußte einen Grund anzugeben. Der Eine meinte Dieß, der Andere Jenes, ich aber hörte ihre Aeuste< rungcn nicht mehr, denn nunmehr nahm die Erinnerung an jene Hütte, in welcher wir Brod mitgenommen, und der *) Ein kleiner Ort am Meere nördlich von Zara. 355 Maun den Knaben so traurig angesehen hatte, allc meine Gedanken in Ansprnch. Die Zeit rückte mehr und mehr uor nnd ich mußte daran denken, von dem Ausfluge auf diesen Theil der Insel nach dem Dorfe zurückzukehren, an welchem wir gelandet waren. Unter allerlei Gesprächen, die sich auf das traurige Schicksal des Menschen bezogen, dessen Angedenken jener Stein am Meere gewidmet war, schritten wir langsam die Pfade zurück, auf welchen wir hergekommen waren. Rasch verschwand uns die Zeit, die wir während unseres Ganges über das steinigte Gebirge zubrachten. Als wir endlich die Hütte erreichten, aus der wir am Morgen das Brod geholt und deren Besitzer uns ein gastliches Obdach für die Nacht zngesichcrt hatte, entdeckten wir zn nnserem Erstaunen den Genossen des vergangenen Morgens nnd den Beter am einsamen Kreuze des Strandes neben dem Feuer, über welchem ein Kessel voll von,, dliw^^) kochte, der Abendmahlzeit der armen Lente. Wir hatten Lust, das Gespräch an die, wenn anch entfernte, Begegnung anzuknüpfen, welche im Lanfc des hentigen Tages am jenseitigen Strande stattgefunden hatte; doch wnßten wir nicht, wie wir das beginnen sollten. Der junge Mann mit seiner schwarzen Mütze saß wieder mit demselben wehmüthigen Gesichtsausdruck neben ber Gluth, wie am heutigen Vormittag. Das Weib des Hauses merkte an meiner fragenden *) Die Blätter einer Rübenatt. 23* 356 Miene, daß ich gerne etwas über den Besuch vernommen hätte. — „DerKuabe dort," sagte sie in dem Kessel umherrührcud, „ist nicht unser eigenes Kind. Wir haben ihn angenommen, weil er ein Waise war. Der Mann, bei dem er da steht, ist sein Prüder. Der ist hentc herüber gekommen, nm sich anzufragen, ob er nicht Oel herüber bringen darf, daß wir es ihm ans nnserer Kelter auspressen." Der Mann, auf welchen hingedeutet wurde, nickte und schante mich freundlich an. Er wollte mich angmschrinlich durch diese Geberdc au unsere Neisegeuosseuschaft erinnern. Ich frug ihn, wie lange er noch anf der Insel zu verweilen gedächte. Er antwortete, daß er morgen früh nur noch in die Kirche ginge und sich dann nach einer N arke umschaucu werde, die ihn nach dem Festland hinübertrage. — Es wurde an diesem Abend wenig mehr gesprochen. Die ^eute verhielten sich schweigsamer als gewöhnlich. Ein einziger Mensch vermag bei vielen anderen solche Schweigsamkeit hervorzubringen nnd dieser einzige war der O ast von Diclo. Wir faßen alle mit einander um das Feuer und sahen den: großen Wurzelklotzc zu, wie er allmählig in (Ant zerfiel. In den feurigen Spalten, deu Labyrinthen derGlut sah das erregte Auge, wie in den Woltengängen des Abend-Himmels, ferne Seligkeiten und Verdammnisse. Hie und da sprang ein Funke von einer Wand zur anderen hinüber, in einem Hintergrunde flammte cs höher anf, im andere» verdunkelte es sich, und endlich verblaßte und zerfiel unter 357 leisem Knistern der ganze Feuerpalast, ein Bild der Welt, die erblassend zusammensinken wird wie er. Als ich am nächsten Mora.cn erwachte und vor die Thüre hinausging, um nach dem Himmel zn schauen, schlug mir die dampfige Treibhauswärmc eines heftigen Sirocco entgegen, welcher den ganzen Himmel mit grauem Gewölk überzogen hatte. Nur im äussersten Südosten lag ein Goldstreifen über dem Gesichtskreise. Wundersam aber nnd der gestrigenGluth imInncren des Feuerlabyrinthes auf dem Herde vergleichbar schimmerte das ferne Gebirge des Festlandes dnrch den fenchteu Brodem. Auf seinem Schnee mußte die Sonne glänzen, welche uns durch die Dunsthülle des Sirocco versteckt war. Wie «ine stätigc Weingeistflamme, aus zarten, durchsichtigen Feuern von der Farbe des Veilchens und der Nose zu sammengcsetzt, stand jenes mächtige Gebirge üln'r dem Meere, dessen lebensvolles Rauschen das Walten des ^llftgcistes aus ferner, heißer lHvde verrieth. lleberall flatterten Vögel über den Wassern, zwifchen allen Klippen schäumte es mächtig anf und die warnten Vialluugen der ^nft wie die schaumigen des Meeres schienen zn verkünden, das die Kraft des Winters gebrochen sei. Der Schneestaub, welcher noch gestern über einzelne theile der Insel hin vcrstrcnt gewesen, war verschwunden. Die warme Luft hatte ihn aufgelöst und mit hinausgetragen 358 in das Meer, aus dessen Dünsten verdichtet er zur Erde gefallen war. Es war noch Zeit in die Kirche zu gehen, wo ich den Bruder des Erschlagenen noch einmal sehen wollte, um vielleicht von ihm noch einige Mitthcilnngcn über die traurige Geschichte zu erhalten, die mir bezeichnend dänchte für die Menschen und Dinge im ^ande."') So ging ich denn hart an den Spuren, welche die vom Sirocco herauf gejagten Wellen auf dem Geröll des Strandes, in jedem Augenblick an- nnd zurückrollend, der Pendelschlag des Meeres und der Zeit — liegen ließen, vorüber nnd badete mich mit wohliger Empfindung in dem warmen Luftstrom, dessen Brausen ein Siegesgeheul zu sein schien über die Gewalt der Bora, welche von ihm in den Norden zurückgejagt worden war. Ein verwitterter Palmzweig — weiß der Himmel, von welcher südlichen Insel — vielleicht vom Strande der Phäaken, von der felsigen Heimat des Odyssens von lauer Meeresströmung hiehertragen — lag am Strande. Und als ob an diesem Morgen ein Bote des Südens nach dem andern mir vor die Augeu kommen sollte, gewahrte ich in dem kleinen Hafen, den die Felsen an einer hervorragenden Stelle der Insel bilden, eine Barke geankert, auf der sich Männer zu schaffen machten, deren Fez und sonstiges Gewand ihrcHerkuuft ans Griechenland oder aus irgend einem der osmanischen Hafen anzeigte. *) Wie ich später au« der sichersten Quelle erfuhr, wurden in einem der vergangenen Sommer oon der Bevölkerung der Umgegend von Bantowatz auS dem nämlichen Grunde während sechzehn Tage sicbcnzehn Mordthaten ausgeführt. :^59 In geringer Entfernung bemerkte ich ein Boot am Strande nnd einen Mann, welcher ein ssäßchen anf dem Nucken trug. Dieser gehörte zur Besatzung der Barte und erzählte mir, daß sie heute Nacht sich hier vor Anker gelegt hätten, einmal, weil ihnen der Wind in diesen: gefährlichen, von Scoglien durchzogenen Kanäle zu stark und dauu auch, weil ihnen ihr Vorrath an Wasser ausgegangen war. Die Barke war aus Candia uud führte Badeschwämme nach Trieft. Da er eben sein Wasserfäßchcn auf den Boden fetzte, um sich ein wenig auszuathmen, und ihn auch die Zeit, wie er sagte, nicht drängte, weil die Barte ohnehin erst gegen Mittag aufbrechen nnd im Hafen von Hara ankern wollte, so bat ich ihn. mir zu sagen, auf welche Weift man an seinem Hcimatnfcr die Schwämme ans dem Meere ärnte. Was er mir sagte, schien mir so merkwürdig, daß ich es in dieser kleineu Skizze nicht übergehen will. Diese Schwämme, sagte er, sind in der (legend von Beirut an einem felsigen Ufer eingesammelt worden. Es ist ein mühseliges Geschäft. Der Mann, der die Schwämme aus der Tiefe des Wassers weguimmt, springt nackt ins Wasser und hat nichts an sich als ein Netz uud einen großen Stein, der an einem Strick hängt, welcher oben auf dem Schiffe augebuudeu ist. So sinkt er rasch hinunter und muß dort in der Tiefe die Waare suchen. Deu Stein darf er nicht aus den Händen lassen. Wenn ihm der Athen, versagt, so zerrt er an dem Strick, welcher den Stein hält. Dann ziehen ihn die Kameraden rasch in die Höhe. Da solltet Ihr sehen, wie der Mann ausschaut, wenn er in das Schiff hereiugehobcu wird. 360 Das Wasser fließt ihm aus Mund und Nase und oft uoch Blut dazu. Nach ihm kommt ein Anderer au die Reihe uud so geht es fort, bis die Kräfte von Allen erschöpft sind oder das Wetter nimmer erlanbt, so nah an den Felseuküsten stehen zu bleiben. Mehr als fünf Schwämme auf einmal wird Keiner herausbringen. So ist es ein blutiges Geschäft, Herr, was die ^'eute treiben, welche die Schwämme auffischen. Ich dankte dem Mann für seine Mittheilung, sah ihm zu, wie er das Wasferfaß an Bord seiner Barke brachte, und wie die Anderen sich gleich darau machten, den Inhalt zu kosten. Während ich mich anschickte, zu dem Dorfe zurück zu kehren, iu welcher ich die Nacht zugebracht hatte, hörte ich von dem kleinen Klosterkirchlein zur Messe läute». Es befindet sich zwar eine Pfarrkirche mit hohem, weißem Olockenthnrm im Dorfe, allein Sonntags pflegen die Bewohner auf die kleine Insel hinüber zu fahren, auf welchem das Kirchleiu steht, uud dem festlichen Tage zu Ehren ihre Andacht an jener einsamen Stätte zu verrichten. Ich trat in eine Varke, welche eben, mit Kirchengängern beladen, im Äegriffe war, vom i!ande abzustoßen. Die Ueberfahrt ist kurz, aber die ruderudeu Männer hatten alle Mühe, das Fahrzeug vom Siroceo uud den mächtigen Wellen nicht zu weit ab von dein Eilande treiben zu lassen. Bei dem Kirchlein befindet sich ein kleines Kloster, in welchem nur weuige Mouche und Laienbrüder ihre Tage zubringen. 361 Die Kirche war noch wenig von Andächtigen gefüllt, denn der Gottesdienst sollte erst etwa nach einer Viertelstunde beginnen. Ans diesem (Grunde entschloß ich mich, einstweilen zu den Mönchen zu gehen, um mir das tlciuc Kloster zeigen zu lassen. Es ist nicht viel daran zu sehen. Einige Gänge, au welchen links und rechts die rotheil Thüren der Zellen, ein freundliches Zimmer, für die seltenen Gäste bestimmt, mit weiter Aussicht ans das Meer und die Menge der aus dem Meere aufragenden blauen Gipfel. Das Merkwürdigste aber in jener Ansiedelung der Mönche sind die Grüfte, deren Grnnd, so wie der des Klosters selbst, mehrere Klafter über das darunter anbrau-sende Meer erhaben ist nnd die deshalb der Feuchtigkeit entbehren, welche überall in die Erdöffnnngen anf gleicher Linie mit dem Meeresspiegel eindringt. In diese Grüfte werden die Leichen derjenigen aus der Stadt geschafft, deren Angehörige dieselben nicht dem Friedhofe von Zara anvertrauen wollen, dessen Erdreich zeitweilig von einem Wildbache bedroht wird. Die meisten dieser Grüfte, welche mit großen Steinplatten geschlossen stud, beherbergen bereits ihren Einwohner. -"Nr wenige stehen leer da nnd die Sonne scheint hinein in bie mit Mörtel ansgemauerten Wände und die Kaltplatte lehnt daueben und es ist Alles bereit, im nächsteu Augeu-blicke einen Schläfer aufzunehmen, ciueu Müden, der vom kurzen Traume der Welt für immer rastcu will. Drüben auf dem Fcstlande war nicht Jedem diese Ruhe gegönnt. Denn es hat sich ereignet, daß der Wildbach kam nnd die Särge ins Meer hinaus trug, uud mehr als einmal wnrde 362 bei solcher Gelegenheit der eine oder der andere au dem felsigen Strande von Oltre gefunden. Während ich diese Grüfte betrachtete, verdunkelte sich allmählig der Glanz auf dem hohen Schneegebirge des Nordens und nur die höchsten Spitzen schimmerten noch in seligem Scheine, in jenem Lichte, welches sich in der Einbildungskraft der Gläubigen entzündet, wenn sie sich den Herrn vorstellen, den aus dem Verge Tabor em Strahl ans der ewigen Heimat des Lichtes trifft. Neben mir die Grüfte und dort hoch oben iener Schei«, ein Sinnbild des Verlangens nach dein Reiche des Schönen und der Wahrheit — ein Bild, wie es vielleicht auf allen Kugeln, die durch den Weltraum rollen, nur die unserige zeigt, in welcher der thierische Moder und die Sehnsucht der Geister neben einander bestehen, so daß im Sinne derMen-schen die Doppelmeinung möglich geworden ist, von welchem die eine das weite Rund als sinnlos zusammen gehäufte» Jammer, die audere als das Werk eines hohen und guten Geistes betrachtet. Abermals gab die Glocke ein Zeichen und ich ging m die Kirche hinab. Beim Eintritt in den Raum siel mein Blick auf ein Gemälde, welches in wunderlicher Weise denselben Eindruck darstellte, den ich selbst aus der Welt draußeu mitgebracht hatte. — Da stand der heilige Rochus im dnuklen Einsiedler-gewande, das Haupt nach oben gerichtet. Alles lag in Dämmerung da und nur auf der gegen Himmel gerichteten Stirne lag ein Strahl der Seligkeit, welche der Büßer je>^ seits des Dunkels suchte, in welches sein Leib eingetanchtwar- Ich konnte den Blick nicht voll diesem Vilde ver- 36:; wenden und hörte nur halb die Formeln des Priesters, jene Zauberformeln, durch welche das Ucbersinnliche auch den Armen, den Bauern und Fischern der einsamen Insel nahe gelegt werden soll. Ich traf den Mann, welchen ich suchte, erst beim Heransgehen aus der Kirche. Er theilte mir mit, daß er heute noch nicht nach dem Festlande zurückkehren könne, weil der Bauer, der seinen Bruder an Kindesstatt angenommen hatte, ihn gebeten habe, eine Botschaft wegen Oelkaufes an einen Drt Hu tragen, der am südlichen Ende der Insel Pas-man liegt. Er konnte die Bitte, wie er sagte, »icht zurückweisen, denu die Leute hatten an dem Knaben so viel Outes gethan, als es die eigene Armnth gestattete. Das war mir eine angenehme Nachricht. Denn auch lch beabsichtigte nach jener Insel hinüber zu gehen und fand auf diese Weise die am meisten erwünschte Gesellschaft. Auch er schien es zufrieden zu sein, den weiten Weg nicht allein machen zu müssen, uud so traten wir vergnügt unsere Reise an, nachdem ich noch den beuten M der Hütte meine Danksagung gebracht hatte. Ich verweile gern mit einiger Ausführlichkeit bei etner Wanderung durch diese Scoglien, weil, wie ich schon öfter angeführt habe, die Natur eines der Felseilande überaus ähnlich ist der von allen übrigeu uud sich bie Profile uud Landschaften im Allgemeine» auf ihnen Wenig unterfchciden, wohl dagegen der Grad ihrer Bebauung und Fruchtbarkeit. 364 Auch genießt man wohl nirgends die herrliche Meerluft auf dem Festlande in solcher Frische, wie auf deu überall umbrandeteu Felsen. Auf ihnen erfreut man sich der großen Gesichtskreise, der hohen Wogenrücke u, des mächtigen Windes, des weiten und gesunden Lebens, aller beruhigenden und heilsamen Einwirkungen des Urelemm-tes viel ungestörter, als an dem grauen Strande dort drübeu uuter den Bergen. Vor Allem ist es das dichte Vorbecrgestrnpp, welches an den Halden der ScogliemHügel auffällt. Zwar sind es keine Wälder von Lorbeer wie zu Volosca bei Fimne am istrischen Strande des Quarnero, doch bedecken sie an manchen Stellen den Boden so dicht, daß der Blick den steinigten Grund nicht erreicht. Freilich wechselt der Lorber auch hier mit der grünen Wachholdcrstaude und dem fast kahlen Hange ab, den nnr mehr das jetzt winterlich graue Sminkraut bedeckt. Aber zusammen mit diesen haucht er iu die laue Siroccoluft einen wundersamen Wohlgeruch, und wenn man sodann hoch über dem Gestrüpp die runden Kronen der grünen Steineichen gewahrt, welche mituuter iu dichteu Gruppen beisammen stehen, so hält man es für ein absonderliches Wiutermärchcn, für ein Zerrstück der Einbildungskraft, daß gestern über diesen Vodcu hiu die Krystalle des Frostes ausgestreut waren. Dabei gewahrt mail ächt dalmatische Figuren unl>> Vilder: Nondaren, die mit ihren laugeu Gewehren im Lorbeer-Gebüsch liegen und sich entweder durch Schlaf von deu Folgen des im uächsteu Dorfe geuosseneu „schwarzen Weiues zu erholen suchcu, oder aus Lust am Knall und um den vorübergehenden Fremdling zn begrüßen, ihr Puluer 365 in die Luft verkrachen — zerlumpte Menschen, die auf deu braunen aufgeackerteu Bodcu hingebcugt, sich zwischen den abgehackten Weinreben zu schaffen machen — mitten im Oelwald plötzlich ein viereckiges Gemäuer, in welchem man, durch eiuc Vücke schauend, die langen grünen Blätter der (dllw'll, genannten) Rübe eutdcckt, — Dann wieder dichtes Gestrüpp des Planika^Ban-wes'*) (italienisch ('n,'li«/^a1<>), au welcheni noch hie und da die scharlachrothen Beeren hängen, abwechselnd mit Myrthcngehölz und Steineichen, in welchen sich gerne die schwarze Amsel verbirgt — dichte Hecke« von Nosen, an deren kahlen Zweigen ss^lu' Schnecken ihren Winterschlaf halten — Schlammfelder am Meere, ssischeinfänge, kleinen Hafen ähnlich, niedere, viereckige Mauern am seichtcu Wasser des Ufers, in welchen sich nur ein wenige Fnß breiter Eingang gegen das Meer hinans befindet, aufgebaut zum Fischfänge. Hat sich ein Fisch dorthinein verirrt, so wird die Oeffnung geschloffen und die 3eute waten fchreiend im scichteu Wasser des „Einfanges", bis sie die Beute erhäscht haben. Hie und da bemerkten wir auch in einer tieferen Mulde ein kleines Wasserbecken, welches der erlösende Südwind uoch nicht hatte erreichen können und dessen dünne Eiskruste noch vom mehligen Schnee überstreut war. — So gelangten wir nach und nach zu der kleinen Au-siedelung Kuklicc, der südlichste« auf Uglian. Merkwürdiger Weise gibt es zwifcheu dicseu zwei 9"ßen Inseln des adriatischen Meeres eine ssurth, das *) H,rduw» Uneäo. 366 heißt eine Stelle, an welcher ein rüstiger Mensch, wenir er die Oertlichkeit und den Grund des Wassers genau kennt, es wagen darf, hindurch zn waten. Mein Begleiter wußte genau Bescheid, aber bei dem herrschenden Siroccosturm war es keine Möglichkeit, diese bequeme Art des llebergangcs zn versuchen. Die Wellen brausten zwischen den Klippen hindurch, als ob wir uus auf offenem Meere und uicht im Schutze vieler Inselwälle befunden hätten, deren größter, derjenige der Isola Grossa, mit seinen blauen Felsen in der feuchten ^uft uäher und gewaltiger vor uns lag, als an Sonnentagen. So versuchten wir es denn mit einer Barte. Nachdem wir eine Zeit lang fruchtlos umher gespäht hatten, bemerkten wir ein Fischerboot, das jäh wie ein Pfeil mit feinem viereckigen Segel, welches der Sirocco bauschig anschwellte, in den kleinen Hafen von Kuttice hereinkam. Als die Leute am Ufer anlegten, bemerkte mein Begleiter, das es Fischer von Ugliau selbst waren, welche von ihrer Arbeit zurückkehrtm. Sie waren von Sale, der kleinen Ansiedelung anf Isola Grossa herübergekommen, in deren Gewässern sie den ganzen Tag gefischt hatten. Gegen eine geringe Belohnung erklärten sie sich jedoch bereit, wieder umzukehren und uns nach der Insel Pasma« überzusetzen. Es war kein gar leichtes Stück Arbeit, weil der Si-rocco heftig blies uud die Wclleu mit hohen SchamnkämmeN von Südosten her gegen den Strand anstürmten. 367 Indessen, die Fischer lachen stets über solche Hinder nisse. — Sie nahmen uns auf und ruderten sofort gegen einen weiter draußen liegenden Molo hin, an welchem sie das Segel aufzuspannen und ein Drittel des Windes zu fasfeu gedachten, um allmählig, immer wieder die Stellung des Segels und die Richtung äudernd, durch Lavireu (dor- nannte, beabsichtige, eine der Hütten zn kaufen, um sich darin niederzulassen. Sein Anzug, die Barke, in welcher er all's Ufer gekommen war, nnd seine Geberden verriethen, daß er zu etwas Anderem geboren sei, als sein ^eben auf diesem Felsen in der Umgebung unwissender Fischer uud Hirten zuzubringen. So gern mm die armen ^eute in jedem der Häuschen ihr Eigenthum für deu Preis hingegeben hätten, welchen der Mann bot, so unterließ cs doch Keiner, ihn darauf aufmerksam zumachen, das? für einen Herrn von seiner Art sich solche Behausung keineswegs zieme. Auf diese Bemerkung pflegte er zu lächeln uud ging zum nächsten Hause, wo er dasselbe zu hören bekam. Es läßt sich vermutheu, daß bei solchem Gerede das Mißtrauen der Menschen gegen Jemanden, der im Begriffe war, etwas ihnen Unbegreifliches zu thun, vielleicht mehr mitwirkte als jeder andere Gedanke uud nicht minder mochte 377 es Jeden reuen, wenn der Fremde seine Worte scheinbar sogleich beherzigte und sich zu einer anderen Hütte wandte. Einige Stunden mochten so vergangen fein, als Teo-doro sagte: „Ich will mir überlegen, was ich heute gesehen nud gehört habe. Nunmehr will ich noch einen Gang um die ganze Insel hernm machen und dann wieder hinüberfahren. In wenigen Tagen seht ihr mich wieder." Die Insel Lovnd unterscheidet sich wenig von anderen Klippen längv der Küste. Ihr Boden ist mit wohlriechenden Krautern, mit allerlei (Gestrüpp, auch mit Oelbäumen und anderen Nutzpflanzen bedeckt und zu jener Zeit sah man sogar noch hie und da eine mächtige Buche, eine Edclfichtc, eine Pinie mit hochgewölbtem Schirmdach. Teodoro ging mit behenden Schritten unter den Bäu^ men und über die Felsen hin, hielt sich aber stets so nahe wie möglich am Straude des Meeres, dessen Wellen deu Fels bis zu ciucr Höhe von mehreren Klaftern vom Pflan-Mwuchs entblößt haben. Seine Blicke richteten sich mehr in die See hinaus und auf die gegenüberliegenden Scoglien, insbesondere anf das Felsgestade der Insel (^iuuanci und die Fischer, welche ihm neugierig nachgingen, tonnten wohl glauben, der Ankömm-liug spähe mehr nach irgend etwas anderem, als nach einer Hütte anf ihrer Insel. Plötzlich blieb der Mann stehen, zog einTäfclchen he» aus, schaute bald auf dieses, bald anf die dunklen Felsen ü« Meere, wie wenn er eiue Karte mit dem Landstriche vergleiche» wollte, welcher anf ihr aufgezeichnet war. Danu setzte er seinen Weg rasch gegen diejenige Spitze 378 der Insel fort, welche dem ScoglioSant'Andrea gegenüber liegt. Hier befand sich auf dem abfallenden Strande in der Entfernung mehrerer Klafter von der äußersten ^inic, bis zu welcher die Wellen ihren Schaum auf den flachen und ausgewaschenen Felsen vorrollten, vor jeder Fluth sicher, eine dichte Gruppe von Oelbänmcn. Unter diesen Oelbäumcn stand allerlei Mauerwerk, welches iu früherer Zeit eiuen Garten eingefriedet haben mochte, und inmitten desselben ein Bau, von welchem übrigens außer den vier Wänden nichts mehr übrig war. Zu den Fensterhöhlen wnchseu Sträucher heraus und die Balten des Daches hatte sicherlich einmal ein Einwohner der Insel fortgetragen, um sie in seiner eigeneuHütte zu verwenden oder sie an kalten Winterabenden in seinem Feuer verkohlen zu lassen. — Das Gehölz der düsteren Bäume umgab die Ueberreste des Häuschens, welches an diesem Orte mit Wahrscheinlichkeit als der ehemalige Landsitz eines Nagusäers betrachtet werden konnte, von drei Seiten so dicht, daß man es nur in nächster Nähe zwischen deu Stämmen heruorlugeu sah. Die Aussicht uach Norden hin aber war vollständig frei und offen, das heißt die Aussicht nach jenem Theile des Meeres, aus welchem der Scoglio Sant'Andrea als eine große, grüne Kuppe hervorragt. Dem einstigen Besitzer dieses Landhauses mochte das bunte Schauspiel der über die Wasser aufrageudcn Felsen, der Schaumkränze um ihren Rand, der hochausprühenden Cas-caden, deren Bogen manchen der vorspringenden Felspyra-miden überbäumte, belustigender vorgekommen sein, als der 379 Fernblick auf die unendliche Fläche, an deren Gesichtskreis jedeu Abend die Sonue hinabsinkt. Vielleicht aber war die Ocffnung des Gehölzes in dieser Richtung nur dem Zufall zuzuschreiben und hatte sich derjenige, welcher die Bäume anpflanzte, weder um diese, noch um jene Aussicht bekümmert. Als Teodora dieses Mauerwcrk erblickte, stieß er einen Nuf der Neberraschung aus, fchwaug sich rasch über eine niedrige zerbröckelte Stelle der Umfassungsmauer und eilte durch dieOeffuung, welche einst die Hansthüre gewescuwar, in das Innere. Hier drehte er sich um, stieg auf eiuigen hervorragenden Steinen znr ersten Fensteröffnung nnd blickte nach dem Scoglio uou Saut' Andrea hinüber. Die Entdeckung, dasi er jenes Eiland, von dieser Fensteröffnung aus gerade so gut überschauen konnte, als von irgend einer Stelle des freien Strandes, mochte ihn mit lebhafter Freude erfüllen. Denn er sprang sofort vergnügt herab, klatschte in die Hände, ging nm das Mauerwerk herum und beschaute es sich vou alle» Seiten, manchmal mit dein Stocke daran tastend, nm seine Festigkeit zu prüfen. Während er fo in dem Buschwerk zwischeu den Mauern, dessen Blätter noch vom jüngsten Regen befeuchtet waren, hernmstieg, bemerkte er jenseits der Umfassungsmauer zwei der Männer stehen, in deren Hütten er vorhin ^achfragc gehalten hatte. Als diefe gewahrten, daß der Fremde sie erblickte, lachten sie und riefen ihm freuudlich zu: „Wenn das heute noch wäre, Herr, wie es einmal gewesen ist," sagte der Eine von den Beiden lant zu ihm hinüber „so hättet Ihr gefunden, was Ihr sucht." 380 „Was für ein Haus war das?" frug Toodoro, zufrieden, daß die Austuuftgeber gleich bei der Hand waren. „Wir wissen nur, das? vor lana.cn Zeiten da einmal ein Stadthcrr gelebt haben soll, erwiderte der andere Mann eifrig. Die Oelbänme gehören jetzt nur. Mit den alten Mauern aber weiß ich freilich nichts anzufangen. Steine haben wir auf der Infcl ohnehin genug und so stehen sie nur da, damit die Nattern darin Hansen können." „Ich will Euch etwas sagen," rief Tcodoro, rasch zur Mauer hingehend. „Ich taufe Euch die Oeibäume und den Ornnd ab. Die Schlangen will ich schon ausquartieren. Seid Ihr's Unfrieden?" Die Banern steckten, wie es schon ihre Art ist, niemals geradeweg anf eine Frage zu antworten, ihre Köftfe zusammen und schauten sich wie angedonnert an. Darauf sagte Einer von ihnen: „Was mögen sie werth sein? Das kann ich nicht sagen. Darüber innß ich erst zu Hause mit den Nachbarn sprechen. Anch will ich den Pfarrer fragen." Sein (Genosse aber betrachtete den Fremden nuumehr fast mit schenen Blicken. Niemals hatte man auf dem Eilande ^osiud von einer solchen Wundergeschichtc gehört. Die weiteren Nachfragen des Fremden nützteil ihm nichts mehr. Er bekam immer wieder dieselbe Antwort und zuletzt immer mehr störrische Reden. Zudringlich werden meine künftigen Nachbarn nicht sein, dachte er sich endlich, als er wieder in seine Barte stieg und indem er den Vcnten, die ihn bis dorthin begleiteten, eineu Gruß auf baldiges Wiedersehe« zurief, seinen Cours nach dem Festlande hinüber nahm. Die Barke war schon längst hinter den Scoglien des 381 Eilandes Kolocev^) verschwunden, als die Gesellschaft noch immer am Ufer stand und in's Meer hinansgaffte. Wäre aus deni Meere plötzlich eine neue Insel aufgetaucht, die ^eute hätten nicht verwunderter dreinschauen und nicht länger und eifriger davon reden können. Dieser kleine Vorfall, so wunderbar er den Veuten vorkam, war doch nur die Einleitung von andern, noch viel auffallenderen Geschichten. Einige Zeit später erschien Teodoro abermals ans der Insel. Diesmal aber war er von einem Priester des slavischen Seminars ^riko bei Almissa begleitet, welche Anstalt gerade ein Jahr vorher gegründet worden war. Dem Ansehen dieses Mannes gelang es, die Bedenken der Bauern zu zerstreuen und sie zn bewegen, daß sie den Fremdling ohne Vedeuten auf ihrer Insel aufnahmen. Der Eigenthümer ließ sich zwar seine Oliven und sein Maucrwcrk so theuer wie möglich bezahlen, aber er Machte doch ein freundlicheres Gesicht, als bei der ersten Verhandlung. Nun danerte es auch nicht mehr lange, bis Himmerleute aus der Stadt herüberkamen, die alteu Mauern ausbesserten und ein Dach darüber errichteten. Die inneren 'Itänme wnrden ebenfalls in kurzer ^rist wohnlich ausgestattet und als die Glocken vom ^cstlande herüber das Osterfest verkündeten, zog Teodoro in seine Behausung unter den Oelbäumen ein. Schon hatten die Tage begonnen, welche mit ihrem *) Koloccp slavisch für Cawmoua. 382 Glänze der sommerlichen Zeit gleichen, aber durch Hitze weder den Inselbewohnern, noch den Leuten auf den Bergen beschwerlich werden. Niu das Haus Tcodoros blühten allerlei wilde Blumen, deren Samen in dein Boden, welcher eine unbekannte Anzahl von Jahren hindurch brach liegen geblieben war, keine geschäftige Hand gestört oder beseitigt hatte. Das war dem Fremdling gerade recht, Er dachte nicht daran, sich einen Karten zu Pflegen und um die Oel-bäumc bekümmerte sich weder er, noch der Diener, deu er mit nach seinem Hause genommen hatte. Nach und nach gewöhnten sich die Fischer auf der Insel au das Dasein ihres Nachbarn. Das Gerede ver^ stummte immer mehr und mehr und es tonnte wohl auch uicht auderö sein. Denn Teodoro lieft sich fast memals in der Nähe der bewohnten Hütten blicken und verließ seinen Oelhaiu nnr, um zwischen den triefenden Felsen des Stran^ des umherzuklettern. Auch die Barke, welche ihn herüber-gctragcu hatte, ruhte stets müßig in einem kleinen Hafen, welchen der Diener nach nnd nach mühelos zwischen den Klippen hergestellt hatte. Sicherlich aber hätte das Thuu und Treiben des Fremdlings abermals sämmtliche Insulaner beschäftigt, wenn sie ihn von Zeit zu Zeit an der Fcustcrösfnnng, die gegen Norden auf das Meer und auf den Scoglio Saut' Andrea schaute, mit eiuem Instrumente gesehen hätten, welches in jenen Tagen auf dcu abgelegenen Inseln des Königreiches noch eine Seltenheit war, nämlich mit einem Feruglase. Mit diesem Fcruglase schaute Teodoro fast zu jeder Stunde des Tages uud auch in Nächten, in welchen der 383 klare Mondenschein auf dem funkelnden Meere lag, nach den bräunlichen Felsen von Sant' Andrea hinüber. Auf einem Pituktc dieses Scoglio stand ein Haus, welches in vielen Stücken der Ansiedelung Teodoro's ähnlich war. Wie dieses war es von dichten Bäumen, von brcit-krouigen Steineichen umgeben. Anch stand es abgesondert von einigen anderen Hütten, die sich auf dem Scoglio cr-hoben. Anch war es ebensowenig eine Kncu (das gewöhnliche, uur aus cinem Erdgeschosse bestehende, slavische Bauernhaus), soudcrn gleich dem Hause Teodoro's schon ein Palast, wenigstens nach den Begriffe» der Inselbewohner. Auch war seine Vorderseite, wie die des Hauses ans ^ovud, dem Norden zugeweudet. Teodoro konnte deshalb nur die Rückseite überschauen Und auch von dieser war ihm der größte Theil durch die dichten Bämnc verdeckt. Unter solchen llmständen wäre es sicherlich räthsclhaft gewesen, das; Teodoro sein Fernrohr immerwährend, statt auf die weiften Segel, die am fernen Gesichtskreise vorüber-glitten, oder anf die Berge des Festlandes nnd die sichtbaren Häuser der Scoglicn, auf ein kleines Gehölz und auf eiu Stück Maucrwert richtete, das von. ersterem ver-^uttelt war. Es wäre räthselhaft gewefcn für das bloße '"Uge, welches in der Entfernung von drei Miglien aller-"lugs kaum mehr die einzelnen Bäume und auch mir un^ deutlich ein Haus crkeunt. Das Räthsel würde sich aber gelöst haben, wenn man "nen Blick durch das mächtige Fernrohr Teodoro's ge-Torfen hätte. In dessen Gesichtsfeld bewegte sich uämlich zu Zeiten 3tt4 eine schlanke und jugendliche weibliche Gestalt. Tas schwarze Haar reichte ihr weit auf deu Rücke» herab, nur schwach durch einen goldenen Reif zusammengehalten. Sie trug das grelle Gewand, wie es die Mädchen und Frauen in der Gegend von Orebitsch auf Sabbioncello lieben — weiß und roth, mit allerlei Schnürwcrk uud Putz aus-ftaffirt. Ihre Blicke waren, so oft sie am Strande umherging oder, deu Nucken gegen ihr Haus gewendet, unter den Bäumen saß, stets gegen die Klippen von Vopud herüber-gerichtet, zu dem schaumigen Felsrande und zu den Bäumen, unter welchen Teodoro's Haus stand. Ihre Erscheinung dort drüben war eine so stetige, daß Teodoro sein Fernrohr auf dem Dreifüße, ans welchem es stand, immer nur wenig zu bewegen brauchte. Meist befand sich die liebreizende Gestalt des iugend-liche» Weibes iu dessen Gesichtsfeld, so stetig wie die Gedanken des Mannes selbst nur ihr zustrebten uud, weuu sie sich körperlich abspiegelten, kein anderes Bild gestaltet hätten, als dao der Einsiedlerin des Felsen-Eilandes. Jenes Haus, welches der ueuen Ansiedelung Teodoro's gerade gegenüberlag, nannte man „das Haus der dret Brüder." Iwo, Sawa und Wladko waren die Söhne wohlhabender Eltern zu Almissa. Nach deren Tode zogen sie sich aus der Stadt auf das ^audhaus zurück, welches sie auf diesem Scoglio besaßeu, und verließen es nur zeitweilig, iu den düstersten Wintermonaten auf wenige Woche», "^ den Stürmen nnd Regen des Scoglio zu entgehen. Es war indessen keineswegs der Palast, den sie '" 385 ihrer weinberühmten Vaterstadt besaßen, welchen sie dann, während der Zeit lhrcr Abwesenheit von der Insel, zn bewohnen pflegten. Vielmehr ließen sie diesen Jahr ans Jahr ein öde stehen und zogen es uor, ihre Wiutertage in Ragusa zuzubringen, wo sie wegen ihres Reichthums nnd ihrer Freigebigkeit überall gerngesehene Gäste waren. Nagnsa ist freilich eine viel anmnthigcre Stadt, als dasvon den Felsen im Meere eiugeengte Almissa, und dann liegt es ja anch viel naher am Scoglio von Sant'Andrea, als jene andere Stadt, welche onrch so viele Inseln, Klippen nnd Meerbuchten von ihm getrennt ist. Doch war diese Bequemlichkeit und mancher andere Vorzug, welchen der Fremdling dem schönen Nagusa zngcstehen muß, keineswegs der einzige, oder anch nnr der Hanptgrnud, wannn sich die Brüder in ihrer Vaterstadt nicht mehr sehen ließen. Zu Almissa hatte es, wie einst iu der Vaterstadt No-men's uud Julien's, zwei Karteien gegebeu, die sich einander ans irgend welchem Grunde — vielleicht ist es eiu unal^ weisliches Bedürfuisi kleinstädtischer Bürger — so unablässig befehdeten, wie einst in jener Alpenstadt die Geschlechter der Moutecchi und der Capuletti, oder heut zn Tage ill allen dalmatischen Städten die Autonomen und die Nationalen. ^ange Zeit hindnrch waren die Bürgermeister aus jener Stadt gewählt worden, welcher der Bater der drei Brüder angehörte, ja znletzt hatte eben diese Würde eines Podest-V der Bater selbst bekleidet, zum großen Ingrimme der gegnerischen Partei, welche in ihm stets ihren Haupt-sachlichsten Widersacher erblickt hatte. Aber es ging zu jenen Zeiteu keineswegs anders als heute. Durch eineu Umschlag in der Laune der Menge, N°ö, Dalmaliei,. ^^ 386 welcher sich so wenig erklären oder Vorherfehen läßt, als die Veränderung des Windes auf dem Meere, gelangte nach dem Tode des Paters nicht bloß die gegnerische Partei überhanpt, sonder» insbesondere jener Manu an die Spitze der Gewalt, welcher ihrem Vater ani meisten abgeneigt gewesen war. Diese Zwietracht wurzelte in einem Streite, welchen die Ahnen der beiden Familien, der Himmel weiß vor wie viel Jahren, mit einander gehabt hatten. Dieses beleidigte den Stolz der Brüder, welche sich zu den reichsten Renten der Stadt zählen konnten, in solchem Grade, daß sie schwuren, niemals wieder das schlechte Master der engen Gassen des Bergnestcs zn betreten, so lange jener Erzfeind ihres Namens und seine Sippschaft von den Bürgern der Regierung für würdiger gehalten werde, als Jemand ihres Hauses oder ihrer Partei. Bis hicher ist die Sache so ziemlich alltäglich, aber nunmehr muß eines Umstandcs erwähnt werden, welcher sie solcher Alltäglichkeit entrückt nnd vielmehr jener Gallene denkwürdiger Dinge einreiht, aus welcher die Dichter von Romanen und Erzählungen, von Ballade» und Trauerspielen sich ihren Stoff holeu. Besagte Brüder, nuumehr die Einwohner oder vielmehr die Herren des Scoglio uon Saut'Andrea, hatten eine Schwester, Margita, italienisch Margarita, genauut, von eiuer Schönheit, deren Preis sowohl von der einen, als uon der andern der zürnenden Parteien gesungen wurde. Dem Leser braucht sie nicht mehr besonders beschrieben zu werden, denn er hat ohnehin errathen, daß diese Margita und das reizende Geschöpf, welches tagtäglich im Fernrohre des Einsiedlers auftaucht, ein und dasselbe Wesen ist. 387 Die ganze Jugend der Stadt begeisterte sill) für sie, gleichviel ob ihre Väter uud Familie» zu diesen» oder jenem ^ager geschworen hatten. Es wurden ihr nach wälschcr Sitte Serenaden gebracht und am Abend, wenu mit eingebrochener Kühle Alles auf der Piazza lustwandelte, waren die dichtesten Ornppen der Spaziergänger stets in ihrer Nähe zn bemerkeu. Wen» sie, von ihrem Vater uud den Brüdern begleitet, auf ein« Gondel iu's Meer hinausfuhr, — was übrigens nach branch des Bandes viel seltener geschah, alü man meinen sollte — so schlössen sich flugs andere Kähne an, und wenn sie zeitweilig abwesend war, so richteten sich die Blicke der Jünglinge, die vor dem Hause vorübergingen, votl Erwartung nach deu Fenstcr», ob die Lade«, welche während der Tauer ihrer Entfernung geschlossen waren, schon wieder geöffnet seien oder »licht. War es mm ein eigenthümlicher Neiz, der, mit dem Neize der verbotenen Frucht verwandt, die Sinne des Meu-schen mitunter aulockt, das am meisten Schwierige uud Un-möglichczu bcgehreu, oder die Schönheit des iungcn Mannes, oder die blinde und unbegreifliche Tyrannei des Verhängnisses, oder endlich dies Alles miteinander— genug, vor ben Angen des ^ränleins fand keiner der Verehrer Gnade, wel5eit fiel das gewichtigste Unglück, welches sie treffen tounte, nämlich der Tod von Margita's Vater und die Erhebung des Vaters ihres Geliebten zur Würde, deren Ilcbertragung auf ihu nunmehr deu drei Brüderu, welche deu Haß ihrer Familie geerbt hatten, iedc Versöhnnng unmöglich machte. Aber gerade diefcs mächtigste aller Hindernisse goß Oel in die Flamme, daß sie höher aufloderte als jemals-Die Liebeudeu gelobten sich ewige Treue uud schwureu ein^ auder, daß nichts im Stande sein wnrdc, sie zu trennen. Wer hat uicht die Schilderuugeu des britischen Dich- 389 ters gelesen, welche das Liebespaar von Verona darstellen, besseil Geschicke vom gleichen Unglück bedroht werden? Noch erfüllt jener süße nnd wehmüthige Gesang ans der Ingendzeit her uilser aller Ohr. Das erste Jahr, welches Margita mit ihren Brüdern ans der Insel zubrachte, war für die Beiden voll von Kummer, welchen ihre Einbildungskraft bis zur Höhe eines vermeintlich ans der Erde nie gekannten Unglückes steigerte. Auf den kleinen Scoglio Sant'Andrea konnte sich Teodoro nicht wagen. Der Argwohn der Brüder wäre erwacht und mit ihm jeder Verkehr unmöglich gemacht worden Sich in ihrer Nähe anzusiedeln, das vermochte er nicht, demt ihm gebrach es an Freiheit und Geld. — Margita sprach in den Briefen, welche zeitweilig durch Vermittlnng der Fischer nach Almissa gelangten, von der Flucht, die sie beabsichtigte. Sie wollte mit ihm in die weite Welt gehen, unbekümmert um Brüder, unbekümmert um alles Andere, was ihr sonst am Herzen lag. — Teodoro gewann es nicht über sich, dieser Eingebung ZU folgen. Wohin hätte er gehen und in welches Vand ihr doppeltes Unglück tragen sollen? Da half ihm ein Znfall ans der Noth. Es starb ein Priester, der Bruder seiner Mutter, welcher in dem eben errichteten Scminarium zu Priko die Stelle eines Beichtvaters bekleidete. Dieser hinterließ seinem Neffen, welchen er sehr liebte, ein kleines Vermögen und der Vater erlaubte ihm, es nach feinem Gutdünken zu verwenden, sich ein Hans oder einen Garten zn laufen und überhaupt damit zu thun, was ihm beliebte. So war der jnnge Manu anf das Eiland Vopnd gekommen und anf diese Weise gelang es den liebenden, sich 3l)0 täglich über das Meer hinüber zu sehen und (Grüfte zuzuwinken. — Der finstere Abgrund der Wasser, welche zwischen ihnen wallten, trennte sie weniger, als die Kluft, welche vom thörichten Haß der Menschen geschaffen war. Niemals wohl verstrich ein Maiemnonat, welchen mau die Zelt der Viebc nennt, liebenden glückseliger, als diefen beiden, zwischen welchen die Wellen ihre breiten Kämme rollten. Margita vermochte freilich seine Gestalt nicht zu sehe«, doch sie wußte ans seinen Mittheilungen genau die Stunden uud Augenblicke, au welchen er sich auf diesem oder jenem ihr wahrnehmbaren Felsen anfhielt oder anch sie selbst durch das wunderbare Glaö betrachtete. — Tag uud Nacht sann sie auf Mlttel, wie sie, von den Brüdern unbemerkt, entkommen nnd sich dem geliebten Einsiedler deut-lichcr, als es durch das Fernglas möglich war, zeigen konnte. Ein .Zufall machte die Brüder zu Mitwissenden des Geheimnisses. Wladko, der jüngste der Brüder, ein Bnrfche von etwa sechzehn Jahren, war das leibhaftige Ebenbild seiner Schwester. Eines Tages hatte er sich im Meer gebadet nnd saß, in ein großes weißes Tuch, welches er mit sich genommen hatte, eingehüllt, im Schatten einer Steineiche an« Strande uud trocknete die langen schwarzen Haare. Ein Fischer, welcher von Vopnd herüberkam und Margita einen Brief zn übergeben hatte, täuschte sich und hielt den Jüngling im Schatten für die anmuthigere Schwester, In dem Augenblicke, in welchem er ihm das Papier 391 hinreichte, wurde er freilich seinen Irrthum gewahr. Aber es gelang ihm nicht mehr, es zurückzuziehen. In dieser Erzählung kann füglich übergangen werden, was nnmnehr auf dein Scoglio von Sant'Andrea geschah. Den armen Fischern wurde gedroht, daß man sie niederschießen würde, wenn sie sich nnaufgcfordert in der Nähe des „Hauses der drei Brüder" sehen ließen. Mit welchem Schrecken und welchen Mißhandlungen aber Margita von den iu die höchste Wuth versetzten Brüdern gepeinigt wnrdc, dafür gibt nnr der unbeschreibliche Groll eine Erklärung, welchen sie gegen den Namen des Einsiedlers auf Lopud hegteu. Es ist, leicht begreiflich, daß die Entwürfe, welche in ^olge der ungeheuerlichen Entdeckung von ihnen erwogen wurde,,, hiebci nicht stehen blieben. Welches war die Verantwortung, die Strafe, die den Menschen auf der Klippe von Vopnd treffen sollte? Wladko hatte keine Stimme im Rath. Iwo und Sawa, welche Beide um mehr als zehn Jahre älter waren, fürchteten seine Iln bedachtsamkeit oder seine Schwäche. Nachdem sie sich lange Zeit über die eine und andere Art besprochen hatten, in welcher sie Teodoro züchtigen wollten, gelangten sie zu dem Entschlüsse, in der nächsten finstern Nacht hinüberzufahren uud, vun leiiirm menschlichen Auge gesehen, den Verführer, wie sie ihn nannten, zn ermorden und das Haus über feinem Kopfe auznzündeu — ein Gedanke, welcher die Echtheit des südslavischen Blntes verräth, das ihre Adern füllte. Es währte über eine Woche, bis mit dem Neumond b«s ^Hj vom Himmel schwand nnd zngleich Gewölk, welches ein herannahendes Gewitter verkündete, die Nacht sin- 392 sterer machte, als es gewöhnlich Sommernächte auf diesem Meere sind. Wladto wurde die Absicht geheim gehalten. So brachen die zwei Brüder nach Mitternacht ans, als die Finsterniß am dichtesten war nnd sie nicht erwarten dnrftcn, einem Fischer anf dem Meere zu begegne». Denn sie konnten sich wohl darauf verlassen, daß vor dem herannahenden Unwetter die Leute, welche auf dem Meere dräu-" ßen beschäftigt waren, sich an den Strand der Scoglieu flüchten würden. Iwo und Sawa schliefen in einem Zimmer des Erdgeschosses und tonnten deshalb dnrch das Fenster das Hans verlassen, ohne von einem Diener oder irgend einem andern lästigen Zeugen bemerkt zu werden. Lautlos zogen sie die Varkc aus dem kleinen Hafen, lautlos, wie es die Art nächtlicher Verbrecher ist. Solche Vorsicht wäre nicht von Nöthen gewesen. Denn das Meer schlug schon gegen den Felsendamm und übertönte jedes andere Geräusch. Es hätte sich eines der Mordgewehre entladen dürfen, welche sie bei sich trugen, und der Knall wäre vielleicht von Niemanden im Hause vernommen worden. ''Als sie in das Meer hinauskamen, bemerkten sie Licht am geöffneten Fenster des Gemaches, in welchem Margita schlief. Sawa sagte zu Iwo: „Die Schwester hat die Lampe breunen gelassen, als sie einschlief. Wir müsseu sie auslöschen, damit Niemand zu sagen vermöge, er habe in der Nacht, in welcher der Huudesohn dort drüben feineu Lohn erhalten, ein Fenster unseres Haufes beleuchtet gesehen." 393 Sie wendeten den Kahn und fuhren znm Strande zurück. Sawa, der jüngere, geschmeidigere kletterte am Stamme der Steineiche, die hart neben der Maner stand hinauf, bis sein Athem an der Fensterbrüstung die beuchte erreichen konnte. Schlummerstille herrschte im Gemache der Schwester. Nichts rührte sich hinter den seideneu Vorhängen ihres Lagers. Es war sicherlich so, wie er vorhin gesagt hatte, Ntargita war eingeschlafen. Kein anderes Geräusch, als das dumpfe Summen des Meeres und der knisternde Flügclschlag eines grossen schwarzen Falters, welcher die Leuchte umkreiste. Im nächsten Augenblicke war das ^icht erloschen. Vielleicht hätte Sawa bald darauf der Wind die Mühe erspart, welcher immer ungeduldiger in den Wellen zu wühlen began,,. Mit halbem Winde flog nnnmehr die Barke über das dunkle Meer und eine Viertelstnnde später standen die Brüder vor dem Hause Teodoro's. Das Gemach, iu welchem sie ihren sseind schlafend wussten, ließ dnrch das offene Fenster die frische ^uft des Meeres eindringen. Die Vrüstung war in wenigen Augenblicken erklettert und bald darauf fiel der Scheiu der mitgebrachten Laterne auf die Gesichtszüge des Schlummernden. Eilt freudiges lächeln spielte um seine Vippcn, es schien, als liege er iu einem seligen Traume befangen. — Dann blitzte das Eisen ^ der Schlafende wollte sich aufbäumen — das Blut quoll 'hm aus dem Munde. Noch ein krampfhaftes Zittern und der Träumer war 394 zu jenem Schlafe hinübergegangen, aus welchem es kein Erwachen giebt. Die Brüder warfen noch einen Blick auf den Leichnam und einen andern durch das Gemach. Beide fuhren wie erschreckt zusammen, als sie vom Fenster her biszur Lagerstätte des Gemordeten den nassen Abdrnck kleiner Füsic gewahrten, wie er von Mccrfrauen des Nachts, wenn ihr juwcleufuukeluder Schleier in den Mondstrahlcn glänzt, auf dem weichen Sande des lifers zurückgelassen wird. Daneben lagen schleimige Stränge grüner Meerkräuter und winzige Muscheln, die dem wallenden Haare der Nixe entfallen fein mochten. Die Brüder sprachen kein Wort mehr miteinander. Nls sie znm Strande hinabkamcn, rollten Wogen, deren Schanmkämme mitten durch die Finsternist hindurch weißlich schimmerten, gegen den Felsstrand. Von Zeit zu Zeit zuckten Blitze uud beleuchteten die fernen Felsen im Meere und ihr eigenes Haus mit grün^ lichem ^icht. Es war ihr sicherer Tod, wcuu sie den dachen solchem Wüthen der Wasse» aussetzten. — Die kurze Sommernacht war rasch vorüber und der Dämmcrschcin des Tages erreichte die Brüder, wie sie triefend uud schweigsam auf dein umbraudeteu Felsen saßen. Vor ihuen aber, mitten in einem schwarzen Viereck spitziger Felsen, schwebte die leichtumhüllte Meerfrau mit bleichem Gesicht und gebrochenen Augen auf den Wassern. Die grünen und rothen Nankcn des Meeres schmückten sie, wie Lilien eine frühuerwelkte Braut.-------- So wiederholte sich auf dem entlegenen Fclseilande 395 des Adria die Geschichte des Leander und der Her», der Priesterin der Kypris. Die unendliche Mannigfaltigkeit aber, wclche tief im Wesen des Verhängnisses und des Jammers oerborgcu liegt uud jeden Tag auf der Erde zahlreichere Keime entfaltet, als die Pflanzen auf dein endlosen Grunde des Weltmeeres, hatte iu den Schicksalen der Hero und der Margita j^eue Veränderungen eingelochten, welche den Satz zu Schande machen, das; es nichts Neues unter der Sonne gebe. Zwölstctt Capitel. IfrülMnssstane an der Lüste. Iu Dalmatien, wie iu dcu anderen südlicheu Ländern Europas, gil't es kcinen raschen Ilcl'ergang aus dem Winter in den Frühling. Tage, wclche der Nordwind oder Ncgcnstürme durchkälten, wechseln schon im Iannar Nlit solchen, an welchen die Sonne fast lästig wird. So geht es, indem die Witte« l'Ung sich wahrend eines Tages oft zwei-, dreimal ändert, fort, bis mit dein Monate April der unwandelbare Sonnen-!chm> uud der blaue Himmel dcu dauerudeu Sieg erringen. Da sehr viele Blumeu fortwährend den Grasbodeu bedecke», Mandellmumc stets im Januar uud die Kirscheu 'lu Februar blühen, demnach der Wind die röthlichen Vlüthenblätter manchmal über düuuc Eisrindcn oder eine leichte Flockeuschichtc hiustrent, so verwirrt sich völlig das ^uschaumiysvermögeu des Nordläuders, nnd es wäre ihm 396 gewiß schwer, sogleich die Jahreszeit in einer solchen Landschaft zu bestimme,l, in die er plötzlich uuduuvermuthet versetzt würde. Scholl im März jedoch überwiegt die Anzahl der angenehmen und sonnigen Tage. Die Wärme ist nnr selten so drückend wie im April, in dessen Tagen sie gar oft schon mit deutscher Sommerglut ans das dürre Vand brennt. Darum ist auch der Windmonat März au diesen Küstenstrichen der eigentliche Lenzmonat zu nennen. Ich versuche es, dcm Veser die Bilder eines Spazierganges zu dieser Zeit anschaulich zu macheu. Lauge, uiedrigeWelleu schlagen langsam ihre Schaum-rcihen an das Ufer. Ein sonniger Duft liegt über dem Meere — eine unendliche Bläue uud Nuhe, aus welcher nichts hervorhallt, als das rhythmische, melodische Geräusch der glänzenden Fläche. Dransien, am äußerfteu Gesichtskreise, jenseits des leise aufgewühlten Blau schimmert ein weißer Spiegel, ans welchem duftig verklärte Felsen auf--taucheu — ein wnnderbarcr Wohlgernch haucht über das Meer gegen nns, das nach schwarzen Stürmen den Frieden gefunden hat. Schauen wir uus am Ufer selbst um, so scheu wir uud an denZweigeU der Mandelbäume, dereu Blüthe laugst abgefalleu ist, die gelblich grüneu Blätter zum Vorschein t'ommeu. Das ist vielleicht die einzige Zeit des Jahres, in welcher selbst ein morlatisches Dorf geschmückt uud lieblich dasteht -- die dürren schwarzen Dornen der Mauern sind von Blüthen überstreut und die niedrigen Hütteu unter der Pracht des Frühlings versteckt. Wandern wir ins ^and hinein. 397 Schon blendet die Sonne auf dem Gestein der kahlen fläche viel mächtiger, als noch vor wenigen Wochen, und die Schafe, die mit ihren Neugebornen dort umherziehen, gleichen glitzernden Schneeflocken. Blaue Säulen derHirten-fener erheben sich nach wie vor ans derHaide. ^ioch sind die Brunnen gefüllt, welche hie und da auf den weiten flächen dlirch die weiden Stämme der Pappeln bezeichnet werden. Hie nnd da sieht man ein kleines Rind in einem der dnrch Dornen gehüteten Vierecke weiden, an dessen Maner sich der Hirt lehnt, der seine Hcerdc überwacht, deren Stimmen von jener Höhe zn nils herab schallen. Hie und da begegnet uns ein Weib, das eilten Schaffet mit Wasser auf dein Kopfe trägt, das bei den, weit vom Dorfe entfernten, „weißen Pappeln" geholt worden ist. Dringt von Südeil der lane Sirocco heran, so dämpft sich die grelle Farbe der Einöde zn tieferen Tönen. Auf den Gränzgebirgen des Ostens, deren tiefe Falten und Schluchten sich noch immer so klar dnrch den Schnee abzeichnen, der, hier in der Sonne glänzend, dort beschattet, den ganzen Wall überlagert, liegen dicht ballige Sommer-wollen, deren weißer nnd purpnrrothcr Schein mit dem Gran nnd dem Vrann der endlos vor den Gebirgen hin ausgedehnten Stcinwüsten einen Gegensatz seltener Art bildet. Dort liegt ein großer, blau strahlender Wassertümpel, kiu ansehnlicher Wintersee, ans dessen Ried die Köpfe der beiher lngcn nnd in dessen schilfiges Wasser sich bei unserer Annähernng rasch die Schildkröten cmtanchen uud mit chrcn breiten Tatzen gewandt schwimmend den schützenden ^rund suchen. Ueber ihn schwirre,! am Abend die Moos-schnepfen hin, während weiter dranste», über das blaue 398 Wasser des Meeres, die Möven, weist wie ferne Segel in der Abendsonne, quiekend auf und abschießen. Das Wunderbarste sind aber um diese ^eit immer die Morgen über dein kaum vernehmlich sich bewegenden Meere. Aus grauer Frühe treten mit dem Anfgange des Gestirnes die rosigeu Scoglieu hervor. Bei solchem Anblick vergißt man wohl den Schmutz uud den Jammer des Dascius uud freut sich derSchönheit, welche,dieMeuscheu uwgeu wähneu was sie wollen, aus deu Erschcinuuge»: des All doch gauzauders und unendlich wirksamer spricht, als aus den Schöpfungen, die ihr Gchiru ersauu oder die Menschen schufen. Was siud deuu die Eindrücke, die wir aus den Büchern sämmtlicher Dichter und aus jeder Sammlung von Gemälden mit uns forttragen, gegen den Strand am dämmernden Frühlingsmorgeu, wenn der Morgenstern uoch hoch über der flammeuden Mauer des Ostens gläuzt und ein geheimnißuolles Erglühen beginnt über den eudlosen Wasseru? Dann verschwindet iu der Brust des guteuMeu-schen die Erinnerung an das Trübe, Stürmische und Oe^ meine — es wird ihm zu Muth, wie wenn die Welt ein Reich des Friedens und des dichtes wäre. Nnr Stubcnmenschen, deren „^dealisnius" cbe» vorzüglich darin wurzelt, daß sie, aus welcheuGrüude» immer, die Erscheinungen derWclt nicht kennen,vermögen im Ernste menschliches Machwerk an Wirksamkeit über die Natur zu stellen. Mau stelle sich ja nicht vor, dasi bei solchem Bilde, wie es das Heraufkommeu des Tages über das südliche Meer oder irgend ein auderes ist, uur au die Farbe oder das Auge allein gedacht werden müße. Der Hauch des Frühlings und der Wasser, das i'icht, das saufte, lispelnde Geräusch des Meeres, die Ahnuug 399 des Tages — die weite leuchtende Kugel des Himmels uud der blauen Fläche, die Wirkung unsichtbarer Strömungen: das Alles zusammen durchfluthet und ergreift uus uicht auf der Leinwand oder im Bilde, welches wir uns nach der Schilderung eines Dichters entwerfen. Die Farben in der Natnr sind uutder höher stehenden Sonne greller geworden. Zieht dort vor dem (Gebirge manchmal eine dichte Wolfe über dcn Himmel, so lagert sich schwarzblauer Schatten über das flache Land vor den Bergen, daß man vermeint, das dunkle, vom Ostro aufgewühlte Meer rage dort hinein. Die Thiere, welche auf manchem Steinhügcl die spärlichen Gräser suchen, schneiden mit ihrer scharf abgegränzten (Gestalt schwarze Schattenbilder in den lichtüberquolleueu Himmel. Wenn lnan am Abend, ehe die Sonne hinabsinkt, in das buute Land schaut, so scheiuen alle Dinge in eine Glorie zusammenzufließen. Der Kirschbaum, dessen weiße Blüthen-zweige zittern, die dunkeln Oelbäumc über den lichtgrüneu, saftfrischen Halmen, die weißen Steine und die schwarzen Dornen der einfassenden Mauern sind gleich rosig angehaucht, so daß das Auge, anmuthig getäuscht, das Duukle kaum mehr vom Hellen zu nnterscheiden vermag. In der Umgegend der Städte ist es freilich den ganzen Winter über Sitte eines Theiles der Bevölternng, in die Dörfer Hinanszugehen nnd in irgend einem der „Hänser," llu welchen (je nach der Farbe des dort fließenden Weines) nn weißes oder rothes Papierfähnchen befestigt ist, zuzukehren. Mit Beginn des Frühlings aber verallgemeinert sich diese Sitte, um mn den heißeren Tagen allmählich wieder 400 eingeschränkt zu werden, wenigstens aufdie späteren Stunden des Abends und der Nacht. Es ist eine ganz eigenthümliche Art von Kncipenleben, welches sich da in der warmen Sonne entwickelt, und ich will in Kürze an einigen Beispielen schildern, wie es hiebei aussieht und in welcher Umgebung sich die Zecher befinden. Bei Zara sind es vor Allem Albanese, von dem wir bereits auf Seite 55 diefes Bnches gesprochen haben nnd einige Häuser ans dem sScite li geschilderten) Strande jenseits des Hafens, welche an schönen Nachmittagen und Abenden von den Städtern heimgesucht werden. Die dalmatischen Weine sind bekanntlich schwerer als irgend ein Wein Europas. Wenn man sie mit einer Flamme in Berühruug bringt, so brennen sie mit gelblicher Flamme, wie ich, Anfangs un-glnnbig, mich späterhin mehr als einmal durch Versuche überzeugte. Es läßt sich also ohne Weiteres eiuc Vorstellung von dem ^ärln und dem Geschrei gewinnen, welche nicht selten dort den Eintretenden emufangen. Das Haus hat uur eiu Erdgeschoß. In einem Namne liegen die Fässer, im anderen, einem laugen, finsteren Ge-mache, sind einige Bänke für die Gäste aufgeschlagen, wen« diese es nicht vorziehen, iin tothigen Hofe unter freiem Himmel zu sitzen. Beim „Petritsch" zu Belafus beispielsweise stehen auch Tische im Freien, die Bank vor ihnen aber besteht aus einem schmutzigen viereckigen Balten. Da wird denn nnn in einem weißen Thongeschirr (dett sogenannten „Quartnzz"-Gefäßen) der Wein aufgetragen. Die schwarze, mit rothem Schau»! bedeckte Flüssigkeit wird für fo wenige Kreuzer feilgeboten, daß man solche Woh^ feilheit für doppeltes Unheil halten muß. Einmal, weil 401 dem Bebaner des Vodens damit seine Arbeit nur kümmerlich belohnt wird und dauu wegen der Versuchung zur Völlerei. Man sieht deßhalb auch in weuigLäudern fortwährend so viel Betrunkene und hört so viel Lärm, als in Dalmatien. Vergegenwärtigt man sich uoch dazu das Verwildernde, womit der Aufenthalt in den finstern Schmutzhöhlen die Sitten überhaupt gefährdet, so must man es noch mehr wünschen, daß durch bessere Cultur dem Weinpflauzer es ermöglicht werde, den Nebensaft durch Absatz im Aus-laudc höher zu verwertheu und dem Volke das Uebermaß des Genusses etwas zu beschränken. Die vielen blutigen Verbrechen müssen zum nicht geringen Theile auf die „Kert-schme," die Weinschenken, zurückgeführt werden. Im Hofe tummeln sich die Vierfüßer uud das Federvieh des Hausherreu, magere Huude, schwarze Säue, lärmende Truthähue. Ein mächtiges Schwein lagert in der Sonne und freut sich des liebkosenden Kratzeus der Hausfrau, welche dem grunzenden Thiere mit Schmeichelworten zuspricht. Iu einem Winkel liegen Strohhalme, das einzige Futter der knochendürren Rinder uud der armseligeu, winzig tleiuen braunen Esel. Vor der Thüre draußen tanzen einige betrunkene Weiber den Kolo, welchen Tanz sie mit heiserem Geschrei begleiteu. Im Schmutze liegen abgehaute Baumstämme, Aeste uud dürres Reisig zum Brenuen umher. Da und dort erhebt sich ein zuckerhntförmiger Strohschober, den um seinen Stock herum zusammrnzuhalteu, grosie Steine, an Stricken befestigt, längs seiner Außenseite hinab-hängen. Ans den weißen Steinen der Mauer liegt die Brustwehr schwarzer Dornen. Ueber der Thüre des Hauses befindet sich ein in die Mauer gebrochenes viereckiges Loch. Erkundigt man sich No,!, Dalmatian, ^ 402 um den Zweck dieser Oeffnung, so erhält man meist die lakonische Antwort: 2», udit (nm zu todten). Brechen Ränder im Hofe ein, so wird nämlich aus dieser Schießscharte auf sie gefenert. Man muß in Dalmatien gewesen sein, nm es nicht mehr auffallend zn finden, daß beism'clsweiseder Schwiegersohn des Wirthes, bei dem wir uns eben niedergelassen haben, wegen verübten Mordes sich im schweren Kerker befindet, so wie das; ein anderer Wirth, eine hohe, prächtige Männergestalt, selbst sich einige Monate nnter den Räubern des Wclcbit aufgehalten hat. ^el.'terer hatte im Streite einen Mann verwundet und zwar, wie er glaubte, tödtlich. Statt sich von den Häschern ergreifen zn lassen, entfloh er zu jenen freien Bewohnern der Planina und kehrte erst zurück, nachdem er in Erfahrnng gebracht hatte, daß dicVer-letzuug eine unbedeutende gewesen war. Ein Priester nnd Stimmführcr der slavischen Kartei wird von der öffentlichen Stimme bcinzichtigt, ein ihm gehöriges großes Gut in gewinnsüchtiger Absicht angezündet zn haben, ein anderer Priester in der Nähe von Zara wird allgemein als Helfershelfer der Räuber betrachtet, denen er jeden Vorschub leistet und ohne Weiteres den Ablaß gibt, wenn sie einen Theil der Beute ihm abtreten. Eine Magd erzählte mir einmal von ihren zwei Brüdern, die wegen eines zu Babin Dnb (siehe Seite 75) au zwei bosuischen Händlern verübten Mordes lange Zeit in Unter-suchuugshaft gehalten, zuletzt aber durch die lügenhaften Aussagen von Zeugen befreit wnrden, daß sie recht wohl den Brunnen kenne, in welchem die deichen der armen Türkeu noch am heutigen Tage liegeu. Von ihren Brüdern, 405 den Mördern, sprach sic mit Bewunderung und nieinte, so wackere Burschen finde man nicht leicht wieder im Vandc. Ein anderes Mal wurde in einer solchen Schenke eine erst r>or Kurzem bei Nowigrad vorgefallene Geschichte erzählt. Anch sie ist bezeichnend für die Verhältnisse des Bandes. Ei» Ortsnachbar bricht bewaffnet in den Hof eines anderen ein, mu zu rauben. Der Eigenthümer bemerkt es und sncht ihn durch Rufe zu versclienchen. Der Ränber schießt auf ihu, die Kugel streift den Angegriffenen. Nuu setzt auch dieser sich zur Wehr und streckt den Eindringling mit einem Schnsse nieder, Vor seinem Tode crmahnte er seine herbcigeeilten Angehörigen, sie nwchten an jenem nicht Blutrache nehmen, er allein trage die Schuld, der Hausherr habe ursprünglich nicht die Absicht gehabt, ihm ciu Leid zu thun. So lies; man denn auch den Vertheidiger seines Eigenthums iu Ruhe. Eiuige Jahre später aber kamen den Erben des Ge-tödteteu allerlei Gedanken und sie beschlösse», uon jenem Manne eine ansehnliche „Kcrwnina" (so nennt man die Ablösungssumme, das „Blutgcld," welches dafür gezahlt werden soll, daß die zur Rache Verpflichteten sich nicht am ^'ebeu des zu Verfolgenden vergreifen) zu verlangen. Dieser erklärte sich auch zu einem gewisscu Betrage bereit, welcher deu Rächern zu gering erschien. Das Gericht vermittelte (!) (mau sieht also, daß eiu Tribunal, statt solche Böscwichte uuschädlich zu machen, mit ihnen unterhandelte,) die Vermittlungsversuche zogeu sich aber in die ^äuge, die „Gläubiger" wurden des lang-samen Verfahrens überdrüssig uud eines Tages lagen hundert Oelbämne abgesägt auf den Grundstücke» des der 2»»* 404 Rache Verfallenen. Was geschah den Uebelthätern? Nichts — man konnte ihneu ihre That ja nicht beweisen. Bei den Anfangs März 1870 zu Hara abgehaltenen Wahlen des Gemeinde-Ansschnsfes sah ich mit eigenen Angen, wie der berüchtigte griechische Pfarrer von Smoko-witsch sal<« Diebshchler allgemein bekannt) auf dein platze vor der Loggia seine Banern harangnirte. Diese zogen Knittel und Steine (geladene Gewehre dnrfteu sie ait jenem Tage nicht zur Stadt bringen) nnter ihren braunen Ka puzen hervor nnd bearbeiteten damit blindlings, um den Gegnern der nationalen Sache heilsamen Schrecken einzu jagen, die versammelte Menge. Es gab viele blutige Köpfe Die zahlreichen Gensdarmeu nntcruahmen cine» Bayonnet-Angriff nnd der Platz wnrde gesäubert. Den Herrn Pfarrer aber sah man nicht nnter den Verhafteten, die weggeführt wurden. Die meisten dieser Herren Wähler waren natürlich von schwarzem Weine trnnken, den unnahbare Hände bezahlten. Ans diese»! Beispiel ist ersichtlich, daß die geistlichen Herren mitunter wunderliche Begriffe uon ihrem Berufe haben. Ein anderer slavischer Agitator mußte sich kor der Wuth des deu Banern feindseligen italienischen Stadtftöbels in die öffentliche Bibliothek flüchten, welche in der Loggia untergebracht ist. Ohue diese Vorsicht wäre derselbe unfehlbar anf dem Platze massacrirt worden. Schon seit Jahren verläßt der nämliche Mann am Abende sein Haus nichl mehr, ans Gründen, die viel für sich haben. Das nennt man in Dalmatien Parteileben. Da ich nebenbei die öffentliche Bibliothek, die nach ihrem Gründer nnd Schenkcr so genannte „didli"^^ 405 1'ili'uvlll erwähnte, welche den großen Saal der Loggia ausfüllt, die, wie in allen venetianischen Städten, dem Gloct'enthnrme gegellüber liegt lvergleichc Ildinc nnd viele andere) fo bemerke ich, daß mau niemals einen ^eser in diesen der öffentlichen Aufklärung bestimmten Näumenwahr-nimmt. Weder Italiener noch Slaven nehmen von dieser Büchcrsammluug Kenntniß. Ich habe während meiner zahlreichen Besuche ein einziges Mal Jemanden dort gesehen, einen Gymnasiasten, der sich ans einer in derBiblio-thel befindlichen Uebersetzuug des Cicero eiuc Eselsbrücke zusammeu schrieb. Dagegen finden üch zahlreiche Namen im Fremdenbuche eingetragen, unter anderen auch A^iol«»«», prin«n Nach dieser Abschweifung kehren wir ins Freie zurück. Schon im Februar blüht überall im Grase die blaue Traube des Uu^ui-i i-licmnotmlu, welches die Slaven vilii, WK, d. h., den Knoblauch der Wila nenne». Auf den Steinwüsten nnd Haideflächen hat sich das Veilchen, von den Schafe» bedroht, nnter deu Schutz schwarzer Dorngebüsche zurückgezogen. Noch sind die Brunnen gefüllt nnd fließen die wenigen Aäche. Aber ihr Vermögen wird mehr nnd mehr schwinde», lc wärmer mit jedem Tage die Sonne auf das ^aud hcrabscheint. Es ist ein ganz eigenthümliches Schauspiel, welches ein solcher Winterbach gewährt. Anf feinem Grunde wachsen nicht Kresse und andere Wasserpflanzen, den» die Hitze des Sommers würde ihr Geschlecht und ihren Samen vertilgen. Trag rinnt das trübe 406 Wasser über das Gras hin, dessen Halme von ihm nach einer Richtung gezogen und mit Schlamm bedeckt worden sind. Ningsmn stehen die schwarzen Dornen nnd durch die Oliven glänzt das Meer. Neben an wird der rothc Ackergrund, von gelben Mauern umgeben, durch eiucu Pflug aufgewühlt, der sich nicht von den Pflügen Homers unter scheidet. Bom Meere erhebt sich ein lichter Nebel und zieht einen breiten Gürtel um die höchsten Gipfel der Seoglicn. Die lilnhenden Bäume mit der frischen Pracht heben sich anch gar schön vom fchmutigen, stets unveränderten Wintergrün der Oliven ab. In den mancrgeschützten Weidc-Bicrecken schreien Lämmer, welche vielleicht erst vor wenigen Stunde» geboren worden sind. Vom Ende des Winters zengcn auch die leeren Stangen der Strohschober, deren saftlose Borräthe nach und nach von den armen Rindern aufgekehrt worden sind. — Knaben versuchen daran unter Iubelgeschrei ihre Klrtterkünste Ans dcn Hiitlen dringt dnrch die Dachribeu schwerer Rauch empor, welcher die Oliumflanzung dort in eine granblanc Wolke einhüllt. Auf dem Meere liegt die glanzvolle Frnhlingslnft so unbeweglich, daß in fernen, spiegelnden Weiten noch die Rauchsäule eines Dampfers schwebt, welcher dort scit Stunden vorübergezogen ist. Ein Duft dringt über die Fläche her, als ob auch das Meer blühte. Die ssclsc» schaueu manchmal wie purpurn über das tiefe Älau herüber, als ob sie riesige Blumen waren, die sich ans der Tiefe erhoben hätten. An grauen, warmen Sirocco tagen aber, an welchen der Himmel nur wenig durch die Woltenhülle hindurch blaut, gleichen die feruen Ge- 407 sichtskrcise dos Meeres weiten Seen von starr ruhendem Quecksilber. Schon hört man in allen Straßen der Städte wieder das n«^!cli >in>8««Ii, en,!6i!" (warme Muscheln) und die Wege uor den Bauernhütteu und die Höfe sind mit den blauen Schalen dieser Thiere bedeckt. Auch auf manchem Schiffe, das im Hafen liegt, treibt sich unter dem warmen Sonnenschein ein buuteö ^eben herum. An einem seiner Mastbäume ist eine Stauge befestigt, au dercu Ende eiu kleines mit Wein gefülltes Fläschchen axzeigt, daß hier Inselbewohner, die weiften Wein von ihren Scoglien herüber gebracht haben, eine schwimmende Schenke halten. Neber brennenden Spänen iu einem Thongeschirr braten Fische, scharlachrothe Bar-boni, von dcli Slaven Trilfe genannt. Neben ihnen lieben die Barken der Fischer von (5hioggia, die von einem ltfer des Adria zum andern fahren. Man erkennt sie an den großen Netzen, die zwischen den gelben Segeln ausgespannt sind, an dem metallbcfchlagenen Hintcrthcil, an welchem Heiligenbilder befestigt sind und dessen messingene Nippen an den „t'«i'l-l>" an der Prora der Venetianer (Zündeln ei> innern. — Auf dem Decke sind die Fischer in ihren rothen Mützen geschäftig und niemals fehlt der Spitz, eine den Barten des Mittelmecres so typische Hnndeart, wie einstmals den Lastwagen unserer Poststraßen. Wende» wir uns zum Schlüsse uuseres Frühlmgs-spaziergauges zu einem jeuer ruiueuhaften Gebünde, die hie nnd da in nicht zn geringer Entfcrnnng voui Meere auf einem Hügel stehen, uud lafsen uus, währeud der 40« kupferigc Glanz des Abendstrahls anf dem Welebit erlischt und die Berggrate gran und bleich werden nnd die westlichen Scoglien wie schwarze Schlacken aus dem Feuer des Meeres uud des Himmels aufragen und der Abendwind die weißen Blnthenflocken auf den steinigen Weg wirft, eine jener grotesken Ueberlieferungen erzählen, wie ich deren eine wörtlich getren nach dem Munde des Volkes aufgezeichnet fand. Es ist ein echtes Slaven-Märchen und lautet: Es stand irgendwo anf der Höhe eines Verges eiueKula.") Die ^eute zeigten sich dieselbe ans der Ferne und erzählten von diesem Gemäner, wie darin Unholde, Tenfel, Blutsauger und Gespenster hansten. Es war erschrecklich anzuhören, was alles von diesem Thurme gesprochen wnrde. Vor Allem wurde auch von ihm gesagt, daß in der Ruine ein mächtiger Schatz zn finden fei, ein ganzer Keller voll von Gold nnd Silber. Viele Abenteurer machten sich dahin a»f, nm den Nrichthmn zn'entdecken, keiner aber kehrte lebendig zurück. Die Neberlieferung behauptete auch, daß derjenige, welcher den großen Schatz finden wollte, ill der Nnme übernachten müsse, um den Schlüssel vom Schatzmeister zu erlangen. Da war ein Barbier, unverheiratet und ein liede-licher Bursche, der, wenn er einige Krenzer verdient hatte, sie verpraßte und vertrank. Darum war er auch abgerissen und zerlumpt wie ein altes Bettelweib. Eines Tages erhielt er vom Meister seinen ^ohn, ") Om U'irkischcr Thurm. Siehe Seite 71. 409 zehn Mariengroschen. Damit ging er sogleich in die Schenke, begann zu würfelt« nnd verlor all sein Geld. Daranf stand er voll Horn nud Verzweiflung anf nnd ging schleunig nach der Ruine, mn dort zu schlafen, indem er sich selbst sagte: Es liegt mir nichts daran, wenn auch der Teufel in der Nacht kommt, mich packt nnd fortträgt. Der Aarbier hatte wohl von der Ruine geHort. Aber er steckte den Kopf in die Tasche,") und eilte hinauf. Er hatte den Kopf mit Wein erhitzt und war auch nüchtern gar nicht furchtsam. Deßhalb stieg er ohne Ae-denken rasch zur Höhe. Es begann dunkel zu werdeu. Die Ruine ist ausgedehnt und mächtig breit, hat auch vier Eckeu. Vor ihr wachseu Dorueu uud Nnkraut.^Der Barbier sprang die Treppen hinanf in die Knla. Er kam in eiuc Reihe von Stnben. Alles war leer, nur hie und da stand einiges verwittertes Hausgeräth. Der Barbier ging ans eitler Stube in die andere, immer fort und fort, er wusste selbst nicht in welcher Richtung. So gelangte er endlich in ein großes nnd hohes Gemach, ill desseu Mitte sich ein Tisch befand, der mit einem schwarzen, fadenscheinigen Tnche bedeckt war. Auf dem Tische stand ein grosses steinernes Kreuz uud daneben die Neberreste zweier Wachskerzen. In einem Winkel des Gemaches stand ein Bett, mit schwarzen Seidentnchern bedeckt, im anderen ein Ruhebett, mit ^edcr überzogen. Nach vier Seiten gingen Flügelthüren, Der Barbier öffnete sie alle, um zu sehen, wohin er dnrch sie gelangen könne. Gern hätte er überall seine Nase hineingesteckt und ■*) inetniiM glavu utoibu. , d^i K>^l wagen. 410 Alles durchwandert uud betastet. Aber das Dunkel umgab ihn da auf allen Seiten nnd darumzog rr es vor, im großen Gemache zu bleiben. Er hatte einige Stücke seines Handwerkszeuges immerwährend bei sich — ein Becken, eiu Handtuch, ein Stück Seife und zwei Messer in lederner Scheide. Er »ahm das Alles aus der Tasche und legte es auf deu Tisch. Feuerstein und Schwcfelfaden nnd Stahl trug er wohl auch in der Tasche, aber er wagte nicht, das Licht anzuzünden. Die Dnntelheit winde immer dichter. Da setzte er sich auf das Ruhebett. Hier erfaßte ihu plötzlich eine unsägliche Angst, das Haar sträubte sich ihm ans dem Kopf vor Schrecken und er wurde so nüchtern, wie wcnu er einen ganzen Monat hindurch keinen Tropfen Wein oder Bier getrunken hätte. Da dachte er bei sich: Ich wollte gern Alles aushalten und dulden, wenn ich nur etwas zu trinken hätte außer Wasser, welches nicht einmal gut ist, wenn man es in die Opanken schüttet. Während er so dachte, sing es ans einmal deu untern Gemächern des Thurmes an zu donnern, wie wenn ein Gewitter wäre. Das ganze Gebäude zitterte, die Fenster erbebten, die Stühle hoben sich, der Tisch trachte. So dröhnte und bebte es lange Hc>t fort. — Nach einiger ^eit wnrdc es wieder ruhig. Plötzlich rollte der Douuer durch die Mitte des Gemaches, cs blitzte uud die Kerzen neben dem Crucifir eutflammten sich- Der Barbier saß wie versteinert. Er wußte nicht, schlief oder wachte er bei dem was er sah nnd hörte; war er todt oder lebendig. 41 l Darauf wurde es abermals still. Die Thüre geht auf uud in das Gemach tritt eine menschliche Gestalt, ciu großer, bleicher, dürrer, bärtiger, gekrümmter Greis i» schwarzem Gewände mit einem Stock in eiuer und einem Büudel in der audcru Hand. Er tritt zum Tifche nnd verbeugt sich vor dem Erucisirc bis auf die Erde, dauu legt er fein Bündel auf deu Tisch, kuüuft es auf und nimmt daraus eiue Barbierschüssel, ein Gefäß init Wasser und zwei Nasir-messer. Das Alles legt er auf den Tisch uebeu das Handwerkszeug des Barbiers. Hierauf uähert sich die Gestalt dem Barbier, uimmt eiuen Stuhl, stellt ihn an den Tisch uud schaut den Gast mit starrem Blicke an. Dauu wiult er ihm mit der Haud, wie um ihn aufzu^ forderu, daß er auf deu uahc gerückten Stuhl nieder^ sitzen solle, ^n sprecheu vermag er nicht. Der Aarbier schaut auf die Gestalt, wie die Maus nach der Katze, danu fc!5t er sich ohne zu wissen, wie uud wohin, gehorsam ails deu Stuhl. Die Gestalt nimmt das Handtuch, biudet es dem Barbier uuter deu: Bart zusammen, gießt Wasser iu die Schüssel, schlägt Seifenschaum uud nimmt mit seinem uralten Messer dem Barbier deu Bart so leicht und sicher ab, daß dieser sich darüber verwundert. Der Barbier steht vom Stuhle aus, betrachtet deu Alten uud dentt sich: Warum barbierst du dich uicht selbst, wenn du es so gut kannst? Wart eiu wenig, ich will dir zurückzahlen. Darauf fagt er: Höre, Kamerad, fetze auch du dich auf deu Stuhl, damit ich dir zurückzahle. — Der Greis gehorcht u»d setzt sich. Darauf ergriff 412 auch unser Barbier seiu Messer und nimmt ihm den langeu weißen Bart bis auf das kleinste Härchen ab. Der dichte Bart löst sich vom Gesicht des Greises ab wie Moos von einem alten Stamm. Als der Barbier fertig war, seufzte die Gestalt, wie Jemand aufseufzt, von dein eine schwere ^ast weggenommen wird und sagte: Dank sei dir, Heldensohn! du hast mich aus schweren Qualen erlost, die ich als sündige Seele iu diesem Thurme so viele hundert Jahre hindurch ausgestandeu habe. Ich habe Vielen ihr Haar ohne Nasirmesser geuommen, ich habe erpreßt, geraubt, betrogen, geplündert. Ich war Spaija") in dieser Kula, jetzt ist das Ende meiner Buße da. Heute hat meiu Glück dich Hieher geführt, der du mich erlöst hast. Als ich im Sterben lag, reute mich alles Böse, was ich gethan hatte. Aber ich hatte nicht die Zeit, Buße z« thun, ich starb und mnßte uustät herumgehen, so lauge bis ich einen herzhafte» Mcuscheu siudeu würde, der mil den Bart unter solchen Umstanden abnähme, wie du es gethan hast. Ich bin jede Nacht in diesen Thnnn ge-komme» und Vieleu gerade so wie dir erschieneil, aber Keiner hat es gewagt, das zu thun. Der Thurm gehört uou um« an dir. Du wirst ciuen großen Schatz darin finde». Bruder! Soh»! benutze deu Schatz uub die Lebenszeit besser, als ich sie beuützt habe. Solches sagte die Gestalt uud verschwand «nd der Barbier hielt angedounert deu Schlüssel in den Händen. Es ist Schade, daft ich nicht mehr gehört habe, was ") Ein türkischer Grundbesitzer. 413 später dem Barbier begegnet ist. Es heißt nur, die Leute hätten ih>, nach einiger Zeit noch zerlumpter gesehen. Vielleicht hat er nach dem Sprichworte gelebt: Nie es gekommen, so ist's fortgegangen! Dreizehntes Capitel. Milder von der nördlichen Aüste. Gme dalmatische IamMe. Es gibt wenig so dnrch und durch eigenthümliche und mit anderen Ländern kaum vergleichbare Landschaften in Europa, als die Küsteustriche uud das Innere von Daknatien, Wir haben hinlänglich Gelegenheit gehabt, uns diese Wahrnehmung einzuprägen. Uuter diesen wieder eine der am meisten dalmatischen Ansichten bietet das Hügelland, welches sich von der Vucht bei Nowigrad bis zum Süßwassersee ausdehnt, den mau von der Hohe von Vukoguazza ans gewahrt. Die Bucht von Nowigrad ist von Meerwasser ausgefüllt, der See zwischen Vukognazza uud Poljice aber entsteht aus dem Negeu des Wiuters nud uerschwiudet uuter der Sommerhitze, Ans dieser Landstrecke gelangt man fortwährend von der Höhe einer breiten ErdweNe in eine Senkung und umgekehrt. Freilich ist die Höhe einer solchen Welle, eines sanft ansteigenden Hügels, von der nächsten durch die Entferuung einer halben Meile getrennt. Zwischen den Hügeln, in der Niederung, sieht man den blinkenden Schnecstreif der bebischen Alpen hart auf 414 der Höhe auflagern und blendend durch das Gestrüpp oder die Oelbänme schimmern, mitwelcheu ihrKamm bedeckt ist. Von der Höhe betrachtet, erscheint das weite Vand dagegen als eine Neihc schwärzlicher, weiter Mulden, vou deren Nand die Kette der hohen Dinara aufragt, lintcn grau, oben silbern. Zwischen den schwarzen Mulden steigen die gelben, geradlinigen Nege zu den Hügeln an und durch das Gestrüpp winden sich braune, schmale Midc, auf denen weicher zu gehen ist, als anf der stcinübersäeten Fläche. Au mancher Stelle ist mitten im dunkeln Boden von den Winterregen eine kleine Pfützeübrig geblieben, welche einstweilen von den Bewohueru derUmgebnng als Vrüunlein benützt wird, bis sie unter der heisien Sonne versiegt. Aus ihr trinken anch die mageren Rinder, deren Fell viel mehr zottig nnd wollig ist, als das der Hornträgcr im Norde),. Deun diese werden den Winter über in war-men Ställen gehütet, jene dalmatischen Nindcr aber bleiben Jahr aus Jahr ein nuter freien» Himmel auf ihren Einöden nnd die Natnr schützt sie gegen die Kälte der Bora dnrch längere uud dichtere Haare. Viele der Weidegründe sind durch lauge niedrige Hecken abgegränzt, welche von Dornen nnd zwei oder dret Arteir von Sträuchern gebildet werden. Hie uud da ist dieser Zaun von großen Steinblöckcn niedergedrückt, welche Uebergänge bilden. Es ist in der That schwierig, die Schranke, obwohl sie t'anm zwei ,^ns? hoch ist, "" eiuer audern Stelle zu überschreiten, als au eiuer solchen-Die weit hiuausragendeu Dornzackcu hemmen die Füftc der Menschen nnd der Thiere. Einzelne, gegen die Zerstöruugslnst der Bauern durch 415 besondere Strenge geschützte Gründe sind auch mit immergrünem niedrigen Laubholz bedeckt. In diesem Gestrüpp singen Vögel und läßt sich zur Frühlingszeit gar häufig die Stimme der Eule veruehmeu. Schafe dürfeu dort nicht weiden, wohl aber bemerkt man mauchcu magcru, braunen Esel, welcher, nachdenklich durch das Gestrüpp hinschreitend, sein Futter sucht. Nahe an einer dieser Dorncinfassnngen saß ein Weib und hielt einen kurzen Spinnrocken in der Hand, von dessen Werg es fleißig herabspauu. Seiitc Aufgabe war, die vielen Schafe zu hüten, welche auf dem weiten Steiufelde vor der Einfassung weideten. Diese Frau sah ungefähr so aus, wie sich die Einbildungskraft des Volkes die „Pcstschwestern", die „Knge" vorstellt, die im Spätsommer das Land durchstreifen und die Leute durch Fieber und anderes Unheil unibringen. Sie hatte Augen, so klein wie Schlangcnaugen, krumme Füße und so dürre, lange Finger, daß die Hände Kccheu-pfoten glichen. Nicht weit volt ihr entfernt warf ein Hirt, welcher Rinder hütete, gellie Steine von der Straße weg, zu dcu audercu Felstrümmern hinüber uud mancher von diesen Steinen flog ganz nahe zu den Füßen dcö spinnenden Weibes. Dieses hatte schon mehrmals zu dem Hirten hinüber gerufen, welcher sich auf diese Weise die müßige Zeit durch Verbesserung der Straße vertrieb. Jener aber hatte nicht darauf geachtet und erst als »nieder ein großes, scharfkantiges Felsstück fast den Nocken getroffen hatte, und das häßliche Weib heulend aufschrie, sah er nach dieser Richtung hinüber. 416 „Habe keiue Angst, Kata," sagte er so laut, daft die Frau es hören konnte. „Dir thut kein Stein etwas. Du bist bei Nacht in eiueu Brunnen gefallen und wieder herausgezogen worden. Du bist die einzige, welche die Leute aus einem brennenden Haus gerettet haben, und ich glaube, weuu Dir auch dieß Stück da an deu Kopf flöge, es machte Dir nicht mehr Beschwernis;, als wenn sich eine Mücke darauf fetzte." Mit diesen Worten warf er einen Vlock hiuttber, der fo wuchtig auf deu Bode» fiel, dasi er die feuchte, rothbraune Erde einige Zoll tief aufwühlte und die uassen Schollen auf das Gewand Kata's flogen. Das Weib sprang auf und wollte hinter der Dornenhecke Schutz suchen. Aber es blieb mit seinem Gewandc in den schwarzen Zacken hängen und tonnte sich weder vor- noch rückwärts bewegen. Der Hirt schlug ein lautes Gelächter auf uud fuhr fort, die Alte zu bewerfcu; dießmal aber nicht mehr mit Steinen, sondern mit Erdklumpen, die er aus dem regen-uasseu Boden mit aller Kraft feiner Finger losriß. Kata schrie aus vollem Halse, während die klebrige Erde auf ihrem blauen Nocke Schmutzabdrücke zurück ließ. Ihre Stimme klang wie das Geschrei der Eule, welche sich im Busch verbirgt. Wer weiß wie lange dieses Spiel des Hirten gegen das hilflose Weib gewährt hätte, wenn nicht hinter dem Kamme des Hügels auftauchend zuerst ein Gewehrlauf, dann ein Kopf und endlich die ganze Gestalt eiues schlanken uud starke», Mannes zum Vorschein gekom^ men wäre. 41? „Wid!"") rief dieser, indem er seine Schritte beschleunigte, „laß die Here gehe»? Was hat sie Dir gethan?" „Eh, Luigi" entgegnete dieser lachend, „seit wann nimmst Du Dich auch um solche Vogelscheuchen an? Aei der da ist kein 5'ohn zu holen?" „Seitdem ich Rondar^) bin" sagte der junge Mann, der mittler Weile bis dicht zum Hirten heran gekommen war, mit kräftiger Stimme. „Ich gehe nicht zum Zeitvertreib durch die Felder und habe auch lein solches Faulenzer-Geschäft wie Du." Mit dieseu Worten reichte er der Alten die Hand, damit sie, auf diese sich stützend, ihr dickes Wollengc-wand allmählig von deu lange» Doruen losmachen konnte. Kata war dieß bald gelungen, aber sie beeilte sich nicht, die Hand des jungeu Mannes, welche ihre laugen Finger fleischig umschloß, wieder los zu lassen. Schon stand sie auf dem Nasen neben der Mauer nnd die Beiden hielten sich noch immer gefaßt, als ob sie /miteinander einen Tanz auzutreteu im Begriffe stünden. „So Kata!" sagte der Roudar, „jetzt habe ich Dich erlöst. Und Du, Wid, laß mir uuumehr das Weib in Ruhe. Sonst tonnte es geschehen, daß der neue Arrest, den sie beim Gensdarmeric-Posteu gebaut haben, durch Dich eingeweiht wird." „Oho!" rief der Hirt, „ein Roudar ist uoch kein Cap o-Villa.*""") Und wegen eines Spasscs nimmt man *» Wid ist der slavische Namc für Veit. **) Nondaren heihen die emgedorencn sicherheitswachen. ***) Ortsuorsteher. No6, Dalmatic«. ^ 418 die Leute nicht vom Feld weg. Gebt Obacht, daß kein Vieh gestohlen wird — das steht Ench besser an!" „Du willst mir zeigen, was ich zu thun habe, Du elender Baner?" rief der Rondar Luigi zornig. „Was möchtest Du thun, wenn ich Dich gleich von Deinen Rindern weg fortnähme?" „Thn's, wenn Dn kannst! Da bin ich, greife mich!" Luigi legte sein Gewehr ans einen dichten Dorn-wulst und sprang auf den Hirten zu. Dieser aber schwang sich über eine der schräg ans dem Boden aufragenden abgewitterten Felsplatten, von welchen, einem versteinerten Wogenschlage gleich, auf dem Gefilde eine Reihe sich hinter der andern erhebt, dann über eine zweite und dritte und blieb hohnlachend stehen, als er bemerkte, dasi Luigi mit seinen blank gewichstenLederschuhen über die scharfen Räuder der Felstafeln nicht mit gleicher Behendigkeit hin eilen konnte. „Du bist ein Rondar, wie die Herren ans der Stadt, die am Sonntag durch das Feld gehen, Jäger sind. Angezogen bist Du wie ein Rondar, aber Du gehörst in die Stadt, wie Dein Bater. Du bist ja ein Wälscher, fange mich, Taljansky") fange mich!" Luigi ließ sich das nicht zweimal sagen, aber die schmiegsamen Opanken des jungen Rinderhirtcn hatten einen Vortheil über seine zierliche Fußbekleidung, welcher durch die größte Anstrcngnng nicht ausgeglichen werden konnte. Jener sprang und sprang, nnd selbst als die Platten-Reihen überwunden und der Boden nnr mehr mit losen Trum- *) Italiener, 419 men» bedeckt war, ucrmochte der Roudar den Hirten nicht cinznholen. Die wolligen Rinder schauten diesem Auftritt mit offenbarer ^tengierde und Verwunderung zn. Sie erhoben ihre Kopfe von dem dürren, stacheligen Boden nnd blickten der Jagd der beide» Männer nach. Anch Kata streckte ihren dnrreil braunen Hals, iun über die Felsen hinweg zn sehen, ul> es dein Rondaren gelingcil würde, Wid für seine Ucbclthaten zu züchtigen. Es gelang i!)ni »icht. Er kehrte kenchc,ld nnd erschöpft zurück, ergriff sein Gewehr nnd ging uon danncn, indem er die Hand ballte nnd Verwünschungen gegen den Hirten aussticß, dessen Gelächter vernehmlich an^ der Steilihalde herüber scholl. Nm semem Acrgcr ^nft zn niachcli, schuß er das Gewehr anf's Gerathewohl in jener Richtung hin ab. Aber anch der Schnsi hatte nicht viel mehr Wirkung, alö seine .Hornworte. Der Hirt lachte noch lauter und die Rinder sprangen erschreckt in kurzen Sätzen weiter in die Wüste hinein. Als der Rondar jenseits des Hügels verschwunden war, t'am Wid zn der Dornhecke znrnck, neben welcher Kata sich nunmehr wieder mit ihrem Rocken beschäftigte. Dießmal aber nahte er sich nicht mehr mit einem Erdklumpen, sondern indem er ihr seine brannc Titwa") ») Flaschenkürbis. 27* 420 hinhielt, deren Glucksen wohl verrieth, daß sie nicht leer war. „Da, Kata, trink!" sagte er nunmehr mit einer Stimme, die gutmüthig klang, „ich habe vorhin Possen mit Dir getrieben. Du weißt schon, das; es nicht bös gemeint war voll nur." Das Weib fchante den Hirten schell an und zögerte, das Oefäß in die Haild zu nehmen. „Sieh, Kata, wenn nnser Einer den ganzen Tag so auf den Steinen hercmßen sich hcrumtrcibeu mils;, fällt ihm leicht Allerlei ciu, woran er zu Haus uicht einmal denkt. Ich habe die Steine nur vorhin so im Zorn herumgeworfen darüber, daß ich so wie ein altes Weib — verzeih mir's, Kata — hüten soll, während ich viel lieber dort unten auf dein See Enten schöße oder nach Sumpfe schnevfeu uud Wildtauben, auf die Jagd ginge." „Warum hast Du Erde auf mich geworfen, wie ich auf den Dornen da gestanden bin?" erwiderte das Weib vorwurfsvoll. „Das war wieder etwas Audercs", sagte der Hirt, indem er ciu lächeln nicht unterdrücken tonnte. „Hättest Du Dich selbst gesehen, wie sich Deine Kleider da eingehängt haben uud wie Du Dich gestellt hast wie ciu Fisch im Trockenen, hättest Du es gleich begriffen, daß eö keine Sünde ist, Dich ein weilig zn necken. Trinl' nnr, Kata, uud seicu wir wieder gute Freunde." Kata ließ sich bereden und setzte den wie eine Flasche gestalteten Kürbis an den Hals. „Das schmeckt freilich besser, als die Veuanda in dem Wasserloch dort," sagte sie, indem sie anfeine Höhlnng in dem brauneil Erdbuden hindeutete, groß wie ciuc Faust, 421 ill derm ziemlich geräumiger Tiefe sich Negenwasser angesammelt hatte. „Glaub es wohl, Kata. Das OchseillMeu ist wohl keilt schweres Geschäft, aber ohne mein Titwa brächte ich es doch nicht fertig." „Das bildest Du Dir ein. Ich sitze fast das ganze Jahr über heranßen uud arbeite dabei und biu znfrieden, weun mir das Wasser nicht ausgeht." Wid schüttelte den Kopf und nahm einen tüchtigen Schluck aus seiner Titwa, wie wenn er damit saa.cn wollte: „Rede was Du willst, ich halte mich an dieß!" „Plaudern wir ein wenig, Kata," fuhr er nach einer Weile fort, indem er sich neben dem Weibe ans einen großen gelben Stein niederließ. „Ich überschaue von hier ans meine Dutzend Rinder so gut, wie weuu ich iu den Felsen dort drübcu säße. Sag einmal, ist daß nicht lustig, daß ein Tal-janski sich als Rondar anzieht," „Warum soll der iunge Bursch keinen Rondaren machen können?" erwiderte die Alte, indem sie abermals, dießmal unaufgefordert, zu der Titwa griff. „Warum? Weil ihn Jeder auslacht,. Ich wette, er hat es aus langer Weile gethan, damit er herumgehe und sein Gewehr auf dem Rücken tragen und den Lenten zeigen kann, daß auch er etwas gilt. Es wirds ihm aber doch Niemand glauben." „Du bist ihm neidig, Wid." „Ho!" rief der Hirt, „anf was? Höchstens auf sein Doppelgewehr. Das Andere taun er Alles für sich behalten, bcsouders auch sciueu Namen. Ich reiße mich gewiß nicht darum, der Sohn von einem watschen Wncherer zu sein." Kata lächelte verschmitzt nnd sagte: 422 „Jetzt weiß ich's ganz genau, daß Du nur ans Neid sprichst. Er hat Dir gewiß seiner Lebtage nichts gethan. Aber weil er in seinem Nondaren-Anzng mit dem vielen Silber und Gold, das er sich auf sein Gewand und seine Mütze genäht hat, den Dirnen besser gefallt, als Du in Deiner alten Iatscherma") und Deiner Mütze mit den schwarzen Glasperlen, das will Dir nicht taugen." „Wer weiß denn, Kata," erwiderte der Hirt, indem er die Nöthe, welche ihm in's Gesicht stieg, dadurch zn verbergen suchte, daß er sich nach einem Stein bückte, um nach einem seiner Ninder zu werfen, welches eben im Begriffe war, in eine Neihe der schärfsten Fclsrippcn hinein zu klettern, „wer weiß denn, ob ihnen der Talianski gefällt?^ Das Weib warf verstohlen einen funkelnden Blick ans seinen Schlangenangen auf den Hirten und sagte: „Ich weiß anch nichts, Wid. Nnr erinnere ich mich, daß ich vor ein paar Tagen das schönste Mädchen im Dorf dort unten beim Bach neben ihm stehen gesehen habe." Wid ergriff abermals einen Stein und warf so unge^ schickt hinüber, daß er nicht einmal die Straße erreichte, welche sich zwischen ihm nnd seiner Heerde hinzog. „Laß doch die Rinder inNuhe,"sagte die Alte höhnisch „Wenn man Dir zuschaut, möchte man Dich nicht für den Hirten halten. Geh, reiche mir Deine Flasche — der Wein ist wirklich besser, als das Wasser in meinem Hl> genloch." „Und wer ist denn die schönstcDirne im Dorfe?" frug Wid, indem er Kata die Tit'wa hinhielt, ohne ihr in's Gesicht zn schanen. ") ^tu'^i'mn, das tur^e Wcunms der Morlaken. 428 „Das weißt Du nicht'?" antwortete die Alte kichernd. „Rath einmal." „Kann ich's sagen? Ich kümmere mich nicht nm die Weibslente. Einem Jeden wird die Seinige am besten gefallen, mein' ich." Kata znftftc eine geraume Weile an ihrem Nocken fort, ehe sie antwortete. „Wenn Du's allein nicht weißt, was jeder Andere weiß, so muß ich Dir's sagen, Wid. Die Cvieta ist's, ans dem Hanse Grabac." „Die Cmeta ist's!" rief der Hirt anfsahrend. „Und die hast Dn bei dem watschen Hundesohn stehen sehen? Du lügst Kata!" Mit diesen Worten erhob er den Arm über die gekrümmt sitzende Gestalt des Weibes, wie wenn die Faust jeden Angenblick anf dessen Kopf herabfahren follte. „Was gehen denn Dich die Weibsleutc an ?" sagte Kata mit heiserem dachen, während sie sich noch mehr znsammen krümmte. „Wer will es der Cvieta verwehren, wenn sie mit dem jnngen Nondaren am Bache steht? Vielleicht hat er sie dnrch das Wasser getragen; denn es hat damals geregnet gehabt nnd das Wasser ist über die Steine gegangen, die hineingelegt sind". „Ueber das Wasser getragen!" schrie Wid und stampfte mit seinen Opanken auf den durchweichten Boden, daß eine Spur, wie von einem kleinen Boote, sich darin abdrückte. „Wenn das wahr ist, so schieß' ich ihn mit feinem eigenen Gewehre nieder, wo ich ihn sehe!" N) ^viLtii (sprich: Zwieta), cm in Dalmcttie,, sehr gebräuchlicher Name, die „Vlnmige", Flora. 424 „Bruder, Seelchen,"') hättest etwa Du die Dirne nicht hinüber getragen, wenn sie Dich darum gebeten hätte?" „Verflucht seist Du, alte Hexe! Konnte sie etwa nicht weiter hinaufgehen, durch das Eichengestrüftft, bis dorthin, wo der liebergang gemacht ist? Könut' ich uur gleich von meinen Rindern weg in's Dorf! Ich brächte sie alle um." ,,^aß' sie noch eine Weile leben, Wid. Es ist auch uicht gut für Dich, weun Du Dich zeigst, bevor der Zorn des Rondaren vorüber ist. Es kiwute soust die Prophezeiung eintreffeu, die er Dir gemacht hat, und Du müßtest wirklich das neue Gefängniß einweihen." Mit jedem dieser Worte, welche das boshafte alte Weil, langsam sprach, so langsam wie die Wafsertropfen irgend einer der dürftigen Quellen des wüstenHaidclandes auf deu Fels fallcu, steigerte sich offenbar die Wuth des gereizten jungen Mauues. „Bezahl Dir's der Teufel, du Widina!""") rief er roth vor Zorn und schleuderte die Titwa weit in die Felsen hinein, daß sie herumtollerte, wie eine müde Kanonenkugel. Dann sprang er schneller, als vorhin, wie er den Rondaren geneckt hatte, quer dnrch die Dornbüsche und über die Felstrümmer gegen das Dorf zu, dessen kleiner Kirchthurm hinter dem Eichengcstrnpu des nächsten Hügels verborgen liegt. Kata lachte hiutcr ihm her nnd eilte, so rasch sie ihre krummeu Beine trugen, zu dem Kürbis hin, dessen dichte *) äuZu, eines der gewöhnlichsten Licbkosmigswärter. *") Hexe., 425 Wand demAufprall au dem Felsen widerstanden hatte. Sie packte ihn mit den Katzenkrallen und trank den Nest des Inhaltes mit einem Zuge aus. „Der Narr!" sagte sie laut vor sich hin, nachdem sie von der Anstrengung des tiefen Truukes aufge-athmet hatte. Mittlerweile rannte Wid, als ob hundert Verfolger hinter ihm her wären, durch die Steine und Dornen dem Hügel zu. Selbst die Mauern, welche hie und da ein mühsam der Wüste abgerungelies Getreidefeld oder einen Weingarten einschließen, hielten ihn nicht auf. Er sprang durch die wirren Zweige der Reben, die glatt auf dem Boden herum liegeu, und wenn er an eine Maner kam, so lief er oben auf ihr fort, bis sie wieder gegen ein anderes Grundstück oder gegen wüstes Vand abfiel. So erreichte er bald den breiten Kamm des Hügels und desseu Gestrupft, in welchem die noch dürren Blätter jungen Eichenholzes rauschten. Hie und da erhebt sich dort auch ein hoher Wachholder - Baum uud unterbricht mit seinem hellen Grün die noch winterliche Färbung des ihn umgebenden Nuschwerkes. Auf dein Boden liegen vielfach Strohhalme ausgebreitet, die Nebcrbleibsel von Schobern, die nunmehr von den Nindern aufgezehrt worden waren. Diese Halme sind glatt und schlüpfrig. Der Hirt in seiner Eile bemerkte uicht, das; er den l'auheu Äodeu der Steiuflächeu uud der Felder vcr^ lasse» hatte. Er rannte, uunmehr fast athcmlos, dahin, 426 verwickelte sich mit der Spitze seiner Opanken in die dicht liegenden Halme und stürzte der Vänge nach auf den glatten Grund. Als er sich wieder erhob, war es ihn«, als ob er durch die Erschütterung, welche er rerspürt hatte, er nüchtert worden wäre. Er blieb steheu, sah nach den Häusern des Dorfes hinüber, die nunmehr am Ende des Buschwaldes zum Vorschein kamen, faßte sich beim Kopfe uud murmelte vor sich hin: „Bin ich uicht verrückt? Was soll ich bcgiuneu drüben bei den Häusern? Werden sie mich nicht aus-lacheu?" Unschlüssig wandte er sich bald gegen das Dorf hiu, bald gegeu den Weg zurück, alls dem er gekommen war. — Bald machte er einige Schritte nach dieser, bald uach i,encr Nichtuug. Mit einem Male traf eiue Stimme seiu Ohr, welche uoiu Naude des Gehölzes her scholl. langsam, weder von Neugierdc noch irgeud einem andern Beweggründe getrieben, giug er nunmehr dieser Stimme nach, wie wenn es ihm willkommeu wäre, durch irgend einen Anlas; aus seiueu Zweifeln gerissen zu werdcu. Er folgte der Stimme. Jenseits des Eichcngestrüppes, anf dem Nasen, der sich zum Bache hinabzieht, jenseits welches das Dorf liegt, saß cin Mädchen zwischen den graueu, kugclruuden Büschen, die hier dcu ganzen Abhang cutlang sich in fast regelmäßigen Eutfernuugeu uom Bodeu abhcbcu. Es war ciuc schlanke, schwarzhaarige Dirne. 427 Auf dem Kopfe trug sie eine reich mit Silber verzierte rothe Müt^c, um das Mieder von gleicher Farbe hingen ihr zahlreiche Münzen aus Silber und Gold. Die Haare waren von goldenen Nadeln zusammengehalten. Sie hatte sich neben einem der grauen Büsche niedergelassen und snchte, über ihn hingebeugt, augenscheinlich nach Blnmen. In der linken Hand hatte sie bereits einen ansehnlichen Straus? gesammelt, welcher dnrch die Spenden der rechten langsam vermehrt wurde. Vorzüglich waren es Veilchen, jene Blumen, welche das dalmatische Volt am meisten liebt. Heißen sie doch in seinem Munde !.jul>iot>, d.h. „Liebesblumen". Während das Mädchen seinen Straus; vervoll^ ständigtc, sprach es fortwährend, ohne daß Wid, der nunmehr den Nand des Eicheugestrüppes erreicht hatte, zu unterscheiden vermochte, ob es mit sich selbst redete, oder ob in der Nähe irgend Jemand, ihm nnsichtbar, der Blnmensammlerin (Gesellschaft leiste. Mittlerweile kam der Hirt, dessen Schritte auf dem weichen Rafen nicht gehört wnrden, immer näher. Als er nur mehr wenige Schritte entfernt war und schon einzelne Worte des Mädchens, welches ihm den Nucken kehrte, unterscheiden konnte, tanchtc plötzlich hinter den gelben Halmen hohen Riedgrases, ihn: ent gegen gewandt, ein anderes Mädchcngcsicht auf. Kaum hatte sich dieses über die Spitzen des Röhrichts erhoben, als es einen lauten Schrei der Verwunderung ansstieft. Die Plnmenvflnckeriu schnellte ans nnd auch das zweite Mädcheu spraug hinter dem Nühricht hervor. Dieses nahm zuerst das Wort: 428 „Da schau, Cvicta, da kommt Wid, der Hirt! Während seine Rinder Gras suchen, kann er uns helfen, Blumen pflücken. (5r weiß vielleicht lieffcr, wo wir sie fiuden." Der Bursche betrachtete Cvicta uud fand keiuc Antwort. Cvieta aber sprach ihu lächelltd au: „Es ist wahr, was Maria sagt. Du weißt wohl anzugeben, Wid, wu ich mehr ^jubice finden mag, als hier."" Der Hirt besaun sich eine Weile, danu erwiderte er: „Du hast Unrecht, Cvieta! Ich bin mit meiner Heerde den ganzen Tag auf dem Steiufeld uud kümmere mich nicht darum, wo solches Kraut wächst. Da ist der wälsche ^'uigi, der schöne Rondar, der von der ssrnhe bis zum Abend sein (bewehr überall hernm spazieren trägt, der mag sich besser darauf «erstehen." Die beiden Mädchen schauten sich betroffm au. Der Hirt aber fnhr mit emer Stimme, die vor verhaltenem Zorne bebte, fort: „Vielleicht wachseu die schönsten Vjubice dort unten am Bache, dort bei den Steinen, dort wo Du Dich vo» dem — Wälschen hast hinüber tragen lassen. Wenn, er Dich auf seiuem Rücken geschleppt hat, wird er Dir auch die Blumen suchen." „Du Narr!" sagte das Mädcheu, welches Wid zuerst gewahrt hatte. „Was wird Cvieta mit dem Ron' dareu zu schaffen haben? Geh' fort und laß' uns iu Ruhc mit dem thörichten Gerede!" „Ich rede thöricht," schrie der Hirt außer sich, »weil euch meiue Rede nicht gefällt. Der Sohn von dem wal- 423 scheu Betrüger, der meinen Bater um alle seine Oelbämnc, um unsere Rebeugärteu gebracht hat, so daß ich jetzt den Hüter machen darf, und uicht uur meinen Vater, sondern noch ein Dutzend redlicher Männer in den Dörfern bis zum Gebirge dort hinüber — der Sohn des Wucherers, der jetzt wie ein großer Herr in der Stadt lebt, während seine Mutter drüben iu ihrem Gut auf dein Scoglio ein Schandleben führt, der Tagedieb, der ist gefcheidt nnd ich bin der Narrt Es ist gut, daß Ihr mich daran erinnert habt. Wir werden sehen. Das Kraut aber, das Dn da in der Hand trägst, (5uieta, von dein soll er nichts zn sehen bekommen, so lange ich da bin. Mit diesen Worten sprang der Hirt auf Cvieta zu uud hatte ihr, ehe sie sich wehren t'onnte, die gesammelten Veilchen entrissen. Im nächste» Augenblick waren sie von seinen breiten Opanken iu den Voden gestampft. „Sagt ihm, daß ich's mit seinen watschen Knochen gerade so machen werde, wenn er mir wieder einmal auf dem Feld in die Hand rennt!" schrie Wid noch den Mädchen nach, als diese voll Angst gegen das Dorf davon liefen. Am Abende dieses Tages loderte über dem rosigen Welebit ein zweites, viel höheres (Gebirge. Flammende Woltcnballen waren zu Gipfeln emporgethnrmt, welche oie höchsten Eisziukcn dieser Erde weit überragteu. Das siud die „Woltcuschlösscr" der Wila's, die auf ocu weitschaucnden Graten in uusterblicher Jugend ihr Dasein hinbringen. Die wollige Hccrde war in das Dorf zurückgekehrt, Wid aber uicht, wie sonst, vou feinem Tagewert ermüdet. 430 im dunkeln Nanmc der Kntscha geblieben, sundern hinausgegangen zu dem runden Vrnnni,'n zwischen den zwei Pappeln, die jetzt nicht weißlich neben der Cisterne emporragten, sondern im Schein der Abendsonne zwei hohen, rosenfarbenen Säulen glichen. Seiu Jähzorn war uerrancht und an seine Stelle tiefe Erbitterung getreten. Je mehr nnt dem Sinken des Gestirnes das Nol-tengebirg wie das steinerne Gebirg erbleichte uud ergraute, desto mehr verdüsterte sich der Sinn des armen Menschen. Bald schaute er in die Klüfte des Gebirges hinein, in welche,: die Schatten immer finsterer wurden, bald lehnte er sich über den breiten Steinrand des tiefen Brunnens und blickte hinab, bald schritt er hastig hin und her, abgerissene Worte murmelnd, wie wenn er auch Einschau halten wollte iu sich selbst und in die dunklen Entwürfe, welche feinem Kummer entstiegen. „Ich habe es ihnen schon halbwegs verziehen gehabt," sagte er vor sich hin, „daß mein Vater ärmer gestorben ist, als ich jetzt bill. Die Cuieta aber -— die Dirne — die soll er mit feinen glatten Händen nimmer anrühren, der Hundcsohn. Nas ist's, wenn ich die Neben seiner Pflanznngcn aus dem Boden reiße? Mich wird er angeben, der wälsche Richter wird mich verdammen und zum Gitter wird er Hineinschanen in's Gefängnis; unb mich höhnen, wie er's vorausgesagt hat." Während er diese und ähnliche Worte vor sich HM sagte uud bald laut, bald leise wiederholte, bemerkte er in der Abenddämmerung die Gestalt Kata's, welche ihre 431 Schafe auf dem jenseitigen steinigen Kamine des Hügels znnl Dorfe führte. Auch das Weib mochte ihn gewahrt haben, denn sein Kopf war nach der Niederung, nach dem Brunnen hin gerichtet. Aber es verschwaud rasch zwischeu dem ersten Mauer -werk des Dorfes, den rusiigeu Steiutrümmeru einer Hütte, iu welcher vor Iahreu die Insassen sammt ihrem Vieh von Räubern verbrannt worden waren. Wid blieb auf der steinernen Einfassung des Brunnens sitzen, welche nunmehr, wie die ersten Sterne hervortraten, auch vou kaltem Thau befeuchtet wurde. In der Ferne entstieg wcisier Nebel dem Boden und es wurde ruhig auf der Haide. Die Mückcheu der Häm-Ntel klingelten uoch — sonst war es still zwischen den Bergen und dem Meere. Bald warfcu die Maucru mit ihren Dornen zackige Schatten iu das gelbe Mondlicht auf der Erde. Die Augenblicke vergingen, der Hirt verspürte ihre flucht nicht. Er war versunken in das Leid, welches er sich selbst schuf. Der Bursche, welcher den täglichen Au-"uck des Menschen ertragen tonnte, der auf sciuem eigenen Felde, durch Nnrecht Herr geworden, schaltete, ver-kochte nicht den bedanken zu überwinden, daft Jener durch lMohlenen Putz und Flitter einer Dirne den Kopf verrückte. Plötzlich blinkte ein bläulicher Streifen vor ih,.. auf. ^' richtete den Kopf in die Höhe und gewahrte Lmgi, welcher den Lauf femes Doppelgewehres gerade auf seme ^Ntst gerichtet hatte. 432 Der Hirt fuhr überrascht eine» Schritt zurück. k?uigi aber schrie ihm lachend entgegen: „Halt, guter ssrennd, diesmal geht es nicht, wie in den Skopce! Zuerst den (5apo der Rondaren verhöhnen und zuletzt gar noch bei Dirnen Drohuugen gegen ihn ausstoßeu, das ist noch nicht eingeführt bei uns. Einen Morlakeu schießt man über den Haufen, wenn er nicht folgt wie ein Hund. Vorwärts, Bruder! Morgen l'anu ein Anderer Deine Ochsen hüten. Das ist ohnehin die einzige Kunst, die ihr versteht." Wid zog rasch das Messer mit dem Veingriff, welches in seinem Gürtel steckte. Der Nondar mochte diese Bewegung vorher gesehen haben, denn in dem nämlichen Augenblick krachte ein Schuß und Wid taumelte zurück. Iu der Hüfte brannte das dichte Wollcnzeug, mit welchem der Hirt bekleidet war, nnd drangen einige Tröpfchen Vlut hervor. Dieses Schwanken beuützte der Luigi, um ihn mit einem Schlag des Kolbens vollends niederzuwerfen. Einen Augenblick später war der verwuudete Hirt an den Händen gefesselt. Der Rondar gab ihm einen Fußtritt in's Gesicht und sagte: „Es ist schade, daft ich Cvieta uud Maria nicht daher einladen kann, Morgen, wenn Du in der Kenchc aufwachst, kauust Du die Veilchen svüreu, die Dir mein Stiefel im Gesicht gelassen hat. Ich mnsi mich wirklich bei der alten Kata bedanken, daß sie mir noch heute deu Abeud angegeben hat, wo Du zu sprechen bist, 433 Ich bleibe nicht geru so lange schuldig, wie Deiu ^ump von eineui Bater und ihr Morlakengesindel überhaupt. Jetzt magst Du's verspüren, wie's thut, wenn man Einem die Knochen in den Koth tritt. Es ist doch gut, daß ich keine Opanken trage, die wären zu weich, die spürst Du Morlak nicht. Komm, Bruder, gehen wir zu den Gensdarmen! Wid erhob sich. Er wischte mit dem Aermel sein tothbeflecktes Gesicht ab und folgte dem Nondarcn schweigend, ohne durch einen Blick, durch eine Geberde, durch einen i?aut zu verrathen, was in ihm vorging- Der Rondar schritt vergnügt hinter ihm her. Es war die erste Ncrhaftnng, welche ihm gelnngen war. Nach einer Weile fuhr er fort: „Nicht wahr, Bruder, das hat Dir wenig Vergnügen gemacht, wie Dir die Hexe erzählte, daß mich die Cuieta lieber sieht, als einen zerlumpten Bettler von Morlaten ? Es hat Dir nicht gefallen, das; ich sie über den Aach getragen habe — schade, daß die Kata nicht mehr weiß! Ich sage Dir, Bruder, die Cvieta versteht es, die Arme Einem um den Hals zn legen — nicht blos, wenn sie über dc» Bach getragen wird. Auch die Maria braucht nimmer viel zu lernen — weun's so fortgeht, unterhalte ich mich bald in dem Nest so gut wie in der Stadt." Ein Klirren — ein Rasseln — ein Schlag und das Gewehr des Rondaren flog weit über die Steine in das Dornenfeld hinein. Im nächsten Augenblick lag^uigi, von der Hand Wid's am Nacken umklammert, auf dem Boden. Die Erwähnung von der Schande Cvieta's mußte No»!, DalnnUic». ^^ 434 den Bursche» mit übermenschlicher Kraft begabt haben. Die Fessel war zersprengt und lag neben dem Feinde. „Ich will Dein Gewehr nicht, keuchte er ihm zu, während ihm von der überstandencn Anstrengung nnd vor Wuth der Schaum vor den Mnnd trat — „ich will nicht, daß Du zu Grunde gehst. Du sollst die Cvieta haben — es wird eine Schauddirne werden, wie Deine Mutter, der jeder Knecht willkommen ist, der Contesfa ü Aber, was Du mir genommen hast, davon sollst Du keine Beere mehr ärnten, keine Traube mehr und nicht mehr soviel Getreide, als Du mit einer Scheere herausschneiden kannst. Komm!" N«nmehr zeigte sich die überlegene Kraft des Mor-laken. Er schleifte den Besiegten weit, weit fort über die Steine. Dieser bat uud wiuselte, machte ungeheuerliche Versprechungen, aber Wid hörte nicht mehr. Durch die Doruen der Mauern zog er ihn, wie das Lastthier einen Baumstamm zur Sägemühle schleift. Endlich gelangten sie zu einer Stelle, an welcher die Steine seltener wurden und ein dichterHain von Oelbäumen, die uunmehr im ^icht des Mondes grüngolden uud schweigsam da standen, dichte Schatten warf. „Siehst Du, Sohu eiucs wälschcu Hundes, das ist das Feld meines Vaters, das Ihr mir gestohlen habt. Hier sollst Du bezahlt werden." Luigi sah wohl ein, das; es unmöglich war, sich gegen die verzweiflungsvolle Wuth dieses Menschen zu wehren. Seine Hände umklammerten ihn wie eiserne Spangen. Er ließ sich widerstandslos zerren, wohin es Jenem gefiel. Wid riß ihn ruckweise bis zum größtcu Oelbaum, 435 durch dessen dichte Zweige das Mondlicht nur spärlich herabfiel. In einem Nu hatte er sich seines lanqen rothen Gürtels entledigt und seinen Widersacher so fcstnm dcn Staunn des Baumes gebnndcu, dasi cr zu lütten nnd zn stöhnen begann. Dann zog cr ihm sein eigenes seidenes Taschentuch aus der Jacke uud verstopfte ihm den Mnnd, daß cr sich nicht einmal mehr durch leises Röcheln vernehmlich machen tonnte. Als er sich noch einmal, von der Festigkeit der Bande überzeugt hatte, rief cr ihm ein „Auf Wiedersehen!" in die Ohren, dessen verhäugnisiuolle Bedeutung Vnigi wohl l,c greifen mochte, dcnn er begannznzittcrn nnd sichzu lnimmcn, wie nie vorher. Etwa eine Halde Stnnde später kam Wid in das Olivcngehölz zurück. Diesmal aber trug cr eine mächtige Säge. Die ganze Nacht nbcr knirschte es in dem Gehölz. Wid zerstörte jeden einzelnen Baum so weit, dasi es uur mehr eiues kräftigen Nuckes bedürfte, um ihn zu Boden zu werfen. Als es im Osten licht zu werden begann, war die Pflanzung zerstört, die Reben mit den Wurzel.» ansgonssen und die wenigen Stellen, an welchen Getreide lcimtc, mit den Steinen der umgeworfenen Mauern verschüttet. (5s war ein Wert der Zerstörung, welches in sowenigen Stunden nnr der Ingrimm verrichten konnte. Zuletzt tam die Reihe an den Vanm, au welchen 5?uigi angebunden war. Diesen schnitt der Wüthende vollstäudig ab, so daft cr den Gebundcncil mit sich zu Bodeu riß. 25* 436 „Jetzt bleibt mir nichts mehr übrig, Wälscher, als Dir den Knebel aus dem Mnnde zu reißen, damit Du von mir erzählen kannst. Dein Gewehr aber, das nehme ich mit mir hinanf auf den Welebit zu den Räubern. Es ist ja das Gewehr von einem Näuber gewesen, der aus einer schlechteren Brut abstammt als irgend Einer von denjenigen, die auf dem Gebnge hausen." Damit verließ er den ächzenden ^uigi. Was weiter geschah, ist in wenigen Worten gesagt. Der Sohn des watschen Wucherers ist jetzt kein „Sountagsrondar" mehr, sondern tritt zu Zara das Pflaster, Auch Cvieta lebt in der Stadt, gehört aber nicht zu ihren „Blüthen", Nid aber lebt in derThat auf dem Welebit mit den Verbannten des Gesetzes und wird wohl nicht eher Ruhe finden, bis ihn die Kugel eines Gensdarmen erreicht. Vierzehntes Capitel. An der kroatischen chränze. Gine önsel' in chuarnerolo. Schluß. Wir haben bereits früher Nona erwähnt, das slavische Nin,welches, von übelriechenden Sümpfen umgebeil, anfeiner braunen Haide liegt und znm grüßten Theile aus Trümmern besteht, in welche seine heutigeu weißen Häuser wirr hinein gebaut sind. Es ist eines der am meisten trostlosen Schauspiele in diesem trostlosen Lande. So weit das Auge reicht, findet es keinen Gegenstand, auf welchem es befriedigt ruhen kaun, als das hohe Gebirge im Nordosten. Auf ihm wechseln die Farbe», 437 wenn der brennende Himmel selbst wandellos über der Erde zu liegen scheint. Während die grauc Farbe des Steinmeeres und daö Braun der Sumvfwässcr nnr hie und da von der Gestalt eines weidenden Thieres unterbrochen wird, zieht der Glanz auf der hohen Warte hin und her. Mit dem Steigen des Gestirnes werden die Vcrghalden dnnkler, wahrend der Schnee über ihm sich zn blendenderen! Schein anfacht. Das ist die Feier des Mittages. Der abscheulichste Theil von Nona ist jener, welcher außerhalb der Stadtmauern am Eingänge zu der Landzunge steht, auf deren äußerster Spitze sich das jammer volle Dorf Prcvilacqna befindet. Die mörtclloscn, nicht mit Kalk übrrstrichenen graue» Wände der mit Dornen umgränzten Hütten, das Trnmmerähnlichc sämmtlicher Ansiedelungen, die Skelette von Hundeu, welche die Vorübergehenden stnmpfsinnig betrachten, der ekelerregende Snmpfgeruch, welcher im Sommer die verderblichen Fieber erzeugt, die verkümmerte», fahlen Gesichter der Menschen — das Alles schcncht den Fremdling. Jetzt im Frühjahre ist es noch dasGeschrei oerncugcbornen Lämmer, das hinter jeder Mauer hervordringt, welches die dumpfe Ruhe des Fiebcrlandcs unterbricht — selbst dieses Geschrei dünkt uus, wenn wir es längere Zeit hindurch vernehmen, ein fortwährender Wcheruf. Die elenden Thiere klage» sicherlich nicht mit Unrecht; denn was sind die Dornen uud das Gras, nicht viel höher als eine Moosschicht, das in diesen Wüsten gedeiht, gegen die saftigen Wiesen nnd Kleeanger, anf welchen die Lämmer im Frühling der deutschen Alpen nmherspringen? Weiter gegen das Meer hinaus verschwinden all^ 438 mählich die Steine von den Feldern und an ihre Stelle tritt ein gelber, blendender Sandboden, vielleicht früherer Meeresgrund. Das ist der Einbildungskraft des Dal matiners das anmuthigste Gefilde: ,,1ii><, pohn die« Ivlnn^n^," „der schöne Grund ohlie Steine", und der Wanderer erlebt es wohl, daß er, in Begleitung irgend welches Menschen über solche Fläche dahinschreitend, volt diesem hundert Ausrufe des Entzückens zu hören bekommt. Aus der schauerlichen Steinfläche ist ans einmal eine gelbe fandige, lehmige, unabsehbare Haide geworden, auf welcher in der Ferne die Scoglien von Uglian nnd Pasmau aufzuliegen fcheinen, die doch durch einen breiten Meerarm von ihr getrennt sind. Auch hier blüheu die Veilchen unter dein Dornen-gestrüvv, das in kugeligen Ballen aus dein Sande hervorsteht — selbst die Sandhaide erhält ihr Geschellt vom Frühling, der von Süden allmählich weiter und weiter vordringt nnd endlich auch senc Schneeberge überschreiten wird, hinter welchen die kroatischen Buchenwälder noch unter der ^ast der eisigen Flocken seufzen. Anch die Vorbergc des Welebit scheinen dort, wo sie das Meer berühren, beschneit zn sein, es ist aber nur die Oedc ihres Gesteins, welche ilmen im Sonnenlichte den trügerischen Glanz verleiht. Bei deu Hütten von Prewlaka (woraus man den italienischen Namen Brcvilacqua gebildet hat) ergab sich mir anch die Gelegenheit, die Weise zu beobachten, in welcher man zwischen den Inseln und auf den Einöden die Post befördert. Es kam eiu altes, kränklich aussehendes Weib daher, 439 welches mit vieler Mühe den lederneu Sack, welcher die Post einschloß, auf dem Kopfe trug. Dieses Weib ließ sich ermattet auf eiuem Schmutz-haufeu vor eiuer mit Dornen eingefriedeten Hütte nieder und warf den Sack vor sich auf den Boden. Eine Anzahl von Ferkeln kam sofort herbei und beschnüffelte das Leder. Neben den Dornen saß ein langhaariger Bursche mit breit geschlitzteu Augeu, niedriger Stirn und aufgeworfener Nase im Morlakeugewaud, der Nachfolger des Weibes, derjenige, welcher den ledernen Sack ans ihren Händen zu empfangen nnd wiederum einige Miglicn weiter zu befördern hatte. Dieser Bursche zog, bevor er seinen Weg antrat, die breiten Opanken von den Füßen uud klopfte sie auf den Steinen aus, daß der zimmt-brauue Staub der Haide, der sich in ihuen angesammelt hatte, wie eine Wolke in die Höhe stieg. Obwohl der Bursche klein war, mußte er sich doch bücken, wenn er unter dem Strohdach zur Thüre in die Hütte hiueiugiug, aus welcher beizender Ranch hervordrang. Dieser Nauch zog sich langsam um eiuen der voll den Slaven prixä genannten Bäume, dessen rothe Knospen eben im Aufbrechen waren. Ich benutzte die Gelegenheit, mil dem Burscheu, der, au dein Scoglio von Pontadura vorüber, nach der Insel Pago übersetzen mußte, in einem Fahrzeuge über das Meer zu kommen. Das Weib bat ihn, bevor es seineu Rückweg nach Prewlaka antrat, er möge ihr ein wenig etwas zu essen geben, weil cs von dem Wege hungerig geworden sei. Darauf zog er aus seiuer Tasche graues, stein-- 440 hartes Gerstenbrod und einen langen Stengel Knoblauch, für welches großmüthige Geschenk sich das Weib in einer Menge laut ausgerufener Danksagungen ergiug. So wanderte ich denn mit dem langhaarigen Postboten über die braune Haide. Es ist dort weit und breit nichts zn sehen, als der ferne blane Sanm des Meeres und das graue Gebirge, dessen Falten und Schlnchte» immer näher treten. Insbesondere sind es die Furchen unter der hohe» Spitze des Sweto Bcrdo (Monte Santn), welche nunmehr dem Auge ganz deutlich erscheinen. In ihnen, den fruchtbaren Steinrissen, rinnen jene Bäche von den Schußfeldern herab, dir gegenüber von Eastel Venier, bei Starigrad und Seline den engen Mecrcanal erreichen. Da, wo diese Bäche in die steilen Schluchten treten, nimmt das Ange eine» breiten schwarten Streifen wahr. Dieser Streifen ist eine Erscheinung, welche im Lande Dalinatieu schwerlich ihres Gleichen hat — ein Urwald von hochstämmigen Buchen nnd Schwarzführen, an welchen noch niemals ein Beil angesetzt worden ist. Stiimme, welche der Wiud getnickt hat, werden von Zeit zu ,Heit dort in den Schluchten hinabgrtriftet. Man nennt deshalb die beiden Schluchten, durch welche solche Stämme herabgcworfen werden und uon welchen mau eine grosie und eine kleine unterfcheidet, die Welita und die Mala Patlinica. Jetzt, in der Frühlingszeit, ist es uumöglich, durch sie zu dem schwarzen Streifen der Buchen und Schwarzführen hinauf zn klettern. Denn das Wasser rieselt jetzt so reichlich aus den Schneefeldern nieder, daß es die 441 ganze Breite der Schluchten ausfüllt und, was ein Emporklimmen noch mehr erschwert, fortwährend Felsblöcke und Steine von dem lockeren Geschiebe mit sich zur Tiefe reißt. Jenseits des Gebirges aber, dort hinter den scharf-gratigen Kämmen von Carlopago, auf dem Boden der sogenannten kroatischen Militärgränze, hat man nnr wenige Stunden zn gehen, um Urwälder von gewaltiger Ausdehnung zu finden. Dort, bei Brusfane beispielsweise, gleich am icnseitigen Fuß des Gebirges, stehen Buchen, Tannen nnd Fichten, im wirren Dickicht, dnrch welches sich der Mensch mit großer Mühe Bahn bricht, Dort sprudeln im Walddunkel mächtige Quellen klaren Wassers, dichte Strahlen kommen aus dem Boden hervor nnd viele von ihnen sind an jener Stelle, wo sie am Rande des Waldes zu Tage treten, schon in weißen Marmor gefaßt — ein Anblick, welche» wir Teutsche nnr in nnscren Märchen nnd den Dichtungen der. romantischen Schule genossen haben. So sieht es dort jenseits des Gebirges ans. Hier aber, auf der Haide, ragt nichts hervor als das kleine Gemäner einer verwitterten Capelle, das in der klaren ^nft wie ein schwarzer ^avablock anf dem Boden liegt. Mein Begleiter, der Träger des Sackes, stieß hier ein langgezogenes Gehenlans, anf welches hin plötzlich, wie dem Boden entstiegen, eine zerlumpte Gestalt znm Vorschein kam, welche i» einiger Entfernung von uns die gleiche Richtung nach dem Meere einschlug. Als wir den Strand erreicht hatten, fanden wir den herbeigerufenen Mann damit beschäftigt, einen langen Zoppolo, der auf dem Schlamme lag, mit aller Anstrengung in das Wasser hinein zuschieben. 442 Es gelang ihm aber nicht, so sehr er auch keuchte und die Arme gegen die Wand des Fahrzeuges stemmte. Auf feiueu Nuf „pomoxc« !" (helft!) mußten wir Beide unsere Kraft zu der seinigen gesellen, um den Zoppolo flott zu machen. Dieses Fahrzeug sieht folgendermaßen aus. Es ist meist ans einem Stamme gefertigt und läuft gegen den Kiel so spitz zn, daß es im (tanzen Aehnlichkeit mit einer Erbsenschote hat. Seiue untere Fläche ist so schmal, daß eilt Meusch, welcher sich in ihm niedersetzt, sich zwischen den beiden Settcnwäudcn eingekeilt befindet. Eine lange Stange liegt gner über den Vordrändern befestigt. An den beiden änßerften Enden dieser Stange verbinden sich die Kerbhölzer, in welchen sich die mehrere Klafter langen Nuder bewegen. Dnrch diese Vorrichtnng wird der ,chwanfe Zoftpolo, wie durch eine Balancirstangc, im (Gleichgewicht erhalten uud es soll in der That noch niemals geschehen sein, daß ein solcher von den Wellen vcr-schluugeu wurde. Dagegen unterliegen die in dem schwanken Fahrzeug befindlichen Menschen bei stürmisch crregtemMecrc leicht der Gefahr, aus ihm heraus zu fallen. Solchem Schicksal vor^ zubengcn, pflegen sich die Bedrohten an demselben in irgend einer Weise zu befestigeu, wodurch sie allerdings ein hilfloses Spielzeug der Wellen werden und auf die Venkung des Bootes verzichten, dagegen aber anßer dein Mißbehagen, welches die hcreinschlagcnden Wasser verursachen, wohl kein schlimmeres ^eid z» befnrchlen haben. Man erzählte mir von einem Manne, welcher auf solche Weise von einer der Inseln ab bis zum Gestade von Aucona getrieben wnrde, uud uou einem andern Falle, m 443 welchem ein Verzagter, der den Untergang dosZoppolo nahe an der Küste für bevorstehend hiclt, ins Wa'ser sprang und in der Brandung ertrank, während Weiber, die weniger Entschlossenheit besaßen, sich mit ihren landen Haarflechten an dem Qncrholzc festbanden und ungefährdet mit dem Fahrzeuge anf's Trockene geworfen wurden. Indessen werden immerhin die Meisten, wenn sie zum ersten Male ans einem so elenden Fahrzcnge in eine mehr oder minder bewegte See hinausfahren sollen, eine Weile zögernd stehen bleiben nnd sich die Vorrichtung näher be^ trachten. Doch der Zoppolo ist. wie gesagt, das gewöhnliche Verkehrsmittel zwischen den Inseln mid so werden es die Anderen machen, wie ich bei dieser nnd manch' anderer Oe-legenheit, und getrost hineinspringen. Wer das Meer nicht vom Strande aus beobachtet hat, wen» es von einer heftigen Bora aufgewühlt wird, hat eine seiner merkwürdigsten Erscheinungen nicht gefehen. Der losgerissene Wafserstanb, welcher darüber hin-sprüht, die tlaffeuden Welleuthäler, die endlosen Schaumreihen sind wohl Dinge, welche jeder andere Stnrm nicht minder hervorbringt als die Bora. Unter dem blendenden Glänze des klaren nnd wolkenlosen Himmels aber, nnter welchem die Vora ihre stärkste (Gewalt e»twictelt, entsteht ein Neiz des Sehvermögen?, auf welchen ich in anderer Weise schon mehrfach angespielt habe. Es ist kein Zufall, keine mit der Wirklichkeit in Widerspruch stehende rednerische Nebertrcibnng, wenn von manchen griechischen Dichtern, insbesondere von Homer, das Meer als „pnrpurn" geschildert wird. Sei es dnrch jene Wirkung, welche man in der Optik 414 dell Reiz der „completireude» Farbe" nennt, oder geschehe es ans irgend welcher anderen Ursache, nntcr denl heiteren Himmel des Südens erscheinen die Farben des Meeres, besonders dort, wo es gegen einen fernen Felsenstrand wallt, gar häufig von einem tiefen Roth gesättigt, welches mitunter auch wie ein Nebel im Schatten jener Felswände über dem Wasser zn schweben scheint. An den prachtvollen Sommertagcn, in welchen die unbeschreibliche Farbenglnt des Südens die Bergufer der italienischen Seen verklärt, habe ich anch auf diese» mitunter einen pnrfturnen Schimmer am ^ande der Wasserfläche und eines entfernte», beschatteten Felsgcstadcs sich hinziehen gesehen. Während unserer Wanderungen in Dalmatien machte ich auch zu verschiedenen Malen darauf aufmerksam, wie dieser rothe Schein im und über dem Meere sich am hellen Tage auch den dunklen Felswänden selbst mittheilt und sie in einen märchenhaften Olanz hüllt. Das Alles, so schwierig zn erklären es sein mag, ist etwas Gewöhnliches nnd kann an jedem der zahlreichen Sonnentage dieser helleil Länder gesehen worden Seltener aber nnd noch weit überraschender ist die Steigerung dieser Erscheinung, welche man bei wüthender Bora wahrnimmt. Zerreißt und zerfetzt ein solcher schneidender Sturm die Oberfläche des Wassers, so erscheiut dem Auge des Beobachters eiu dunkelrothes sprühendes Wirrsal, als ob es nicht Wellen sondern Flammen wären, welche der Sturm peitscht. Der Schaum glänzt in der Farbe glühender Kohlen, die wässerigen Staubsäuleu gleicheu den Rauchwolken, welche ein nächtlicher Brand durchglüht. Das Meer scheint nicht unter dem Winde, sondern über der Gluth eiues Feuers zu 445 schäumen, welches zeitweilig in sprühenden Wirbeln aus ihm emporlodert. Das ist wohl einer jener Anblicke, über welche der Renting auf dein an glanzvollen Erscheinungen reichen Elemente am meisten erstannt. Der Zovftolo arbeitete sich mühsam dnrch alle diese Herrlichkeit und wir gelangten durchnäßt an das jenseitige Gestade, das steinige Ufer der dalmatischen Insel Pago, welche sich längs der kroatischen Küste weit gegen Norden in die unruhigen Gewässer des Qnarucrolo hinein erstreckt und von der nördlichen Insel, dem ölreichcn Arbe, nnr dnrch einen schmalen Meerarm getrennt wird. Drüben hieß mich mein Begleiter warten, bis sein Gefährte ans irgend einer der zwischcu den Steinblöckcn versteckte» Hüttencin Pferd herbeigeholt haben würde. Alle Bethene-rnngen halfen nichts, ich mußte mich darein fügen, daß der Gaul znr Stelle gebracht wurde. Es sei unmöglich, auf den Steiuhalden bis zur nächsten Ansiedlung, dem Dorfe Poljana, zu Fuß zu gehen, hieß es. Das Pferd, eine nachdenkliche Jammergestalt, erschien, nichts destowenigcr aber nahm ich von seiuer Ankunft Umgang und schritt rüstig durch die abscheuliche Stcinhalde bergan. Hätte ich vurans gewußt, wiegräulich diese Wüste von zertrümmerten Fclsblocken sich weiter landeinwärts gestaltet, ich hätte vielleicht doch nachgegeben nnd das armselige Thier mit meiner Last beschwert, nm so mehr als demselben meine Zurückhaltung nichts geholfen hatte, da der Morlat mit seinem Postsack sich darauf niederließ und es durch fortwährendes Schreien uud Schlagcu znm Trott durch die Wüste zwang. Weuu man das ^and Dalmatic» durchwandert, gelangt 446 mau fast all jedem Reisetagein Einöden, bei deren Anblick man stille steht und ausruft: „Das ist sicherlich die gräßlichste Steinwüste im ^ande!" So dachte ich mir in der Boraja, so auf dem Berge Biokowo zwischen Makarska und Wergorac, so l>eim Aufstieg zum schwarzen Berg, so auch hieran der Südspitze von Pago. Aber die Waltdererfahruug lehrt, das; immer wieder ueue und noch schrecklichere Wüsten gefunden werden, nnd es ist sicherlich zweifelhaft, wo die düsteren Eindrücke an» allerstärtsten wirken, in den Felsklippen der Vocche oder ans den steinigen (Gefilden der Küsten und der Scoglicn. Wahrend wir nns mühsam durch das Gestein fortbewegten, kam uns plötzlich der kleine Esel nachgelaufen, welcher gewöhnlich den Voten mit seiner Post zu trageu pflegt. Der Mann setzt sich sonst bei der Ankunft am Fels ufer immer auf dieses bcrcitsteheude ^astthier und benutzte heute nur das für mich herbeigeholte Pferd, neben welchem er antreibend hergegangen wäre, weil ich selbst es ausgeschlagen hatte. Der Esel al:er folgte der alten Gepflogenheit, um diese Stnnde nach Poljana zn traben uud lie-gleitete uns muuter über Stock oder Uiclmehr über Fels und Stein. Die Wüste scheint in der That unabsehbar, weil der Vodeu stetig austeigt uud die Profile immer knapp vor uns scharfkantig vom Gesichtskreise des Himmels begräuzt wcrdcu. Hie und da hat sich in einer Vertiefung eine Pfütze voli Regenwasscr angesammelt, ans welcher schlammige Steine hervorragen. Da es nirgends einen Gegenstand gibt, an welchem man in der Entferuuug den Umfang von 44? Körperu vergleichend messen könnte, so lassen sich mitunter iu den Fernen des (Gesichtskreises die Körper der Thiere, welcheGraöhalmc Mischen den Steinen suchen, nicht genau erkennen und es ist mir in den dalmatischen Wüsten mehr als einmal begegnet, daß ich in solcher Weite Schafe für eiuc Riuderheerde hielt und umgekehrt. Alles um uns herum ist aschcngrau — die Steinflächen und der kahle Welcbit selbst, welcher hart auf ihr aufzuliegen scheint, obwohl er durch einen Meerarm von ansehnlicher Breite getrennt ist. Nicht ein grüner Fleck unterbricht die Todtenfarbe und man fragt sich mitnnter, wie es wohl den Schafen gelingen mag, auf solchem Boden uoch die allertärglichste Nahrung zu siudcu. Plötzlich erscheint abermals das Meer, von welchem eiue schmale Bncht mitten in die Wüste hincinzüngclt. Durch deu Gegensatz der leblosen grauen Farbe erscheint es hier viel tiefer blau als draußen, und ich wüßte keinen Edelstein uud keiueu Färbestoff, welcher sich in dieser Hinsicht mit der Oberfläche des Meerwassers, welches ruhig iu ein solches Steinbett eiugczwäugt ist, vergleiche» ließe. Wir haben mehrmals gesehen, wie auf dalmatischem Boden die geschilderten Wüsten und fruchtbare oder doch wenigstens mit Pflanzen bedeckte Gründe hart aneinander stoßen, ohne daft sich iu der Bildung des Bodens hiefür irgend welcher Grund entdecken ließe. So ist es denn auch auf Pago. Oleich uebcu der Mecrzunge beginnt wieder grünes Laud, von Tümpeln uuterbrocheu, auf welchem das gcwöhn-liche Gewächs dalmatischer Brachfelder uud Wcidcgrnnde, der grüue Ginster, von den Slauen Hukva genannt, üppig gedeiht. 448 Am äußersten Nandc dieses grünen Gefildes, dort wo es wieder an eine jenseitige Steinfläche gränzt, steht das Dorf Poljana, bei dessen Schilderung ich abermals etwas ausführlicher verweilen werde, weil, wer fich die Einzeln^ heilen in einer einzigen solchen Ansiedlnug betrachlet hat, bchanvteu taun, er habe deren huudert gesehen. Ich suchte mir die am wenigsten schmntzig scheinende Hütte nnd beschloß darin zu übernachten, weit die Kräfte zur Dnrchschreituug einer zweiten Steinfläche heute nicht mehr ausreichen wollten. Der Leser wird wohl schon ans den bisherigen Schilderungen sich die Meinung geholt haben, daß Dalmatien ein ^'and sei, in welchem man Empsindelei und dergleichen verlernen muß. Dennoch aber wiederholt sich eine gewisse Anwandlung fast jedesmal, wenn die nämliche schmutzige Hand, welche eben noch auf dem Kopfe der Schwester oder Mutter jagte, einen Augenblick darauf sich in den Wein tancht, den sie uus in einem nnfläthigcn Gefäße vorsetzt. Anch der Blick in die nächste Umgebung erheitert nicht immer, vorausgesetzt, daß der beizeude Rauch, welcher in der Negel die Hütten erfüllt, nns Überhanut irgeud welche Anstrengnng des Sehvermögens gestattet. Denn die Mor-laten sind noch nicht auf die Idee eines Kamines gekommen, ja brechen sich nicht einmal ein ^och in ihr Dach, nm den Nauch entweichen zn lassen, sondern ziehcir es vor, in denselben eingehüllt dazusitzen, vermuthlich, weil sie die Meinung hegen, daß der Qualm fie warm hält. Daß ihnen die Augenlider davon roth gebeizt werden nnd so viele triefängig hcrnmlaufen, das stört sie nicht in ihrem Brauche. 449 Die Kinder kauern in dcr Asche ueben den, Fener, von dem der dicke, kreosothaltige Brodem beklemmend sich in der Hütte ansbreitet, so daß nnser Einer es sich nicht uorznstellen vermag, wie es möglich ist, so eine Viertelstunde auszuhalten, geschweige denn Tag und Nacht, wie die Kinder. Denn die Nacht unterscheidet sich für sie vom Tage nur dadurch, daß sie in der nämlichen Asche liegen, in welcher sie den Tag über sitzen. Neben den Kindern liegen auch junge Zicklein, welchen es bei der wannen Glut mehr behagen mag, als draußen in der schneidenden Bora. Zu der Thüre gehen die Schweine als geschätzte Hausthiere aus und ein; in einem Hänfen von Wurzelwert, welches als Breunholz übereinander geschichtet in der Hütte liegt, hausen die kletterlnstigen Hennen und Skelette von Hunden und Katzen drängen sich an den Fremdling, der sein mitgebrachtes Mahl verzehrt. Es ist mir bei solcher Gelegenheit mehr als einmal begegnet, daß die Mütter, als sie bemerkten, daß ich mein Fleisch mit den Thieren theilte, mir wehklagend ihre Kinder entgegenhielten nnd jammerten, ich möchte doch lieber diesen von der köstlichen Ssieise etwas znkommen lassen. Auf die Nachricht, daß hier ein Fremder eingekehrt sei, haben sich im Hofe sofort einige durchziehende kroatische Bettler eingestellt, welche steif und unverwandten Blickes den Glücklichen betrachten, der ein Stück Fleisch aus feiner Tasche gezogen hat. Auch diese sind Jammergestalten, wie mau sie nur in den südöstlichen Ländern Euro- Noi'>, Dalmatian. ^ 450 pa's sieht, aber das menschliche Elend hat, wie wir sehen werden, in ihnen noch nicht seinen Höhepunkt erreicht. Bei solchen Anblicken empfindet es der Schriftsteller peinlich, daß ihm nicht die Möglichkeit gegeben ist, sein Werk von Photographien begleitet erscheinen zu lassen. Solche Photographien müßten vor die Augen der Gewaltigen gebracht werden, welchen das Schicksal eines Landes anvertraut ist. In der benachbarten Hauptstadt Zara wimmelt es von Commandos, Militärstellcn, Uniformen jeder Art. Neben diesen Uniformen aber schaue» die Menschen und ihre Wohnhütten so aus, wie ich sie geschildert habe, herrscht thierische Verwahrlosung, Laster und Vlödsmn. So kommt es, daft der arme slavische Vauer von dem „Staate", oem er angehört,nichts sieht, als den Steuer-cintreibcr nnd den Soldaten. Sonst wird er von der Cultur keineswegs behelligt und Niemand belästigt ihn mit übertriebener Bevormundung. Beispiel davon etwa ein ungefähr achtjähriges (!) Mädchen, auf welches ich gelegentlich einmal auf der Straße deßhalb aufmerksam gemacht wurde, weil es schwarze Lippen hatte, als ob es eben Kirschen verzehrt hätte. Wie der Arzt, der damals mit mir ging, sogleich entdeckte, war das Gesichtchen von allgemeiner Syphilis angefressen. Um solche Kleinigkeiten aber kümmert sich Niemand. Dalmatien cxistirt meiner Ansicht nach nur, um einige tausend Soldaten darin zu unterhalten, welche sich von nun ab zeitweilig ihrer Haut zu wehren haben, damit sie uicht von einigen Hunderten unwissender nnd verwahrloster Vaucrn in's Meer getrieben werden. Nichtsdestoweniger entsteht aber jedes Mal gewal- 451 tiges Stauneil, wenu man a,: dor Donau vernimmt, daft ein Theil dieser Veute, von Zeit zu Zeit seine „Staatsbürgerschaft" uubequcm findet. „Auf solche Gedauteu kauu freilich nur ein Barbar kommen." Kehren wir nach Poljaua zurück. Nach einiger Zeit meiner Anwesenheit verjagte mich der Qualm aus der Hütte und ich ging zu den Bettlern in den Hof hinaus, wo einige verkümmerte magere Rinder nach den auf den Steinen verstreuten Strohhalmen schnupperten. Bald kam die Dämmerung und die Vitanciglocke rief die ^'eute zur Nuhe. Die Familie legte sich in die Asche, ich aber auf eine Decke, dic ich dem ^escr nicht beschreiben will. Der Nealismus der Darstellung dürfte empfindlichen Oemü-theru zu grob erscheinen. Am uächstcu Morgcu hatte sich di. Bora gelegt uud ein sonniger Tag lag über dem Uuglückslaudc. Trotz des Sonnenscheines gaben die noch dürren Blätter des Eichcugestrüpps vor dem Dorfe, gleichfarbig mit der gelben Oede, der Aussicht eine wenig erquickliche Stimmung. Mit dem Tage begann abermals das Anfüllen der Hütte mit beißendem Qualm. Die Zicklein, die Hunde nud die Katzen drängten sich wieder zur Flamme, die trübe aus einem angezündeten Wurzelstock emporschlug. Die Schweine gingen wieder ans und em und die Ninder setzten ihre unfruchtbaren Nachforschungen nach Stroh> Halmen fort. Nichts ist vielleicht bezeichnender fiir die Armuth, in welcher sich das Boll befindet, als die Erfahrung, die. 452 mir bei dieser und anderer Gelegenheit der Anfall in die Hand gab. Es handelte sich der Ilmwechslung einer Fünfgul-dennote wegen darum, vier Guldenzettel in den etwa zwanzig Häusern des Dorfes aufzutreiben. Dieser Versuch aber scheiterte ganz nnd gar. Aus jeder der niedrigen stallgleichen, raucherfüllten Hütten kamen die Leute mit ihren Beutelchen uoll Kupfermünzen zum Vorscheine, aber Niemand besaß auch nur anuähernd den gewünschten Betrag. Der Bauer hatte mir zwar im Vorhineiu augerathen, sogleich zum Geistlichen zu gehen, ich aber wollte geflissentlich dnrch einen solchen Versuch mich belehren. Natürlich war es der Geistliche, welcher der Verlegenheit ein Ende machte. Der Weg von Poljana bis zum Dorfe Pago geht vorerst wieder durch Trümmerhalden und gelangt allmäh-lig zu einer Meeresbucht, au deren Rand sich schwarze Sumpfstrecken, hie uud da von Giusterbüschen nnter-brocheu, hiuziehen. Der Weg überschreitet diesen Sumpf theilweife auf einem Damme. Hier kommt ein träger Bach hereingeflossen, neben welchem, mitten im brannen Röhricht, die Trümmer einer Mühle stehe», deren Nädcrwert er vor Zeiten in Bewegung setzte. Auf dem Schlamme des Ufers lagen schwarze Steine umlM und die Gräser und das Gestrüpp des Sumpfes waren von Schichten feuchten Salzes bedeckt. Wenn man sich nicht durch manche Wanderung der Thatsache vergewissert hat, so mag mau es nicht glauben, 453 5aß das Salz, welches an diesen Zweigen hängt, von der gestrigen Vora über das ansehnliche Gebirge, das diesen Theil von ^ago vom „C:nw!u clellu, Noi^on^ trennt, aus letzterem Meerarinc herüber geweht worden ist. Bei dieser Gelegenheit will ich sogleich bemerken, daß ich späterhin große Baumgrnppcn im Innern der Insel von demselben Stnrme -mit Salztrystallen überzogen fand, so daß sie beschneiten Bämncn im nordischen Frostwetter glichen. Jeder Grashalm, den ich auf die Znnge nahm, ieder Tümpel, dessen Wasser ich verkostete, hatte den nämlichen falzigen Geschmack. Der Sturm hatte das Land mit Salz wie überstreut. Im übrigen kommt die nämliche Erscheinung anch in noch größerer Entfernung vom Meere und zwar in einem Abstände mehrerer Meilen von der Küste vor. Weiter hinein, gegen das Innere der Insel zu, eut--wickelt sich eiue Landschaft von ganz besonderer Art. Durch eine wüste Karstschlucht gelangt man plötzlich i» angebautes, fruchtbares Land, auf welches nichts Oedcs mehr hcrabschaut, als die zerrissenen Perghaldcn, von welchen her manchmal ein großer Geier mit hungcrigem Geschrei über das Thal kreist. In diesem aber stehen die bluthrothen Aeste der Weiden neben dem Weg, Landleute arbeiten anf dem linden Grunde der Weingärten, und die Mitte des Vodens wird von großen gelben schlammigen Vierecken eingenommen, den vielgenannten „Salinen" von Pago. Diese Salinen liegen jetzt fast trocken nnd malt will nicht begreifen, in welcher Weise das Meer, von welchem dort eine Zunge nahe au sie heranreicht, seiueu Salzgehalt auf ihucu niederschlagen kann. Das Räthsel löst sich, wenn man auf der Brücke steht. 454 welche bei dein Städtchen Pago über diesen schmalen Meer--arm gebaut ist, nnd in's Wasser schaut. Man traut seinen eigenen Augen nicht, wenn man dieses Salzwasser des Meeres so rasch strömen sieht, wie irgend einen Alftenflnß. Da treiben die Strndel und die Wellen unter der Brücke hin und ein Stück Holz, welches man hnmbwirft, wird nicht minder schnell davon getragen, als wenn man es in eine Ache unserer Berge schleuderte. Geht man aber einige Stunden später über die nämliche Brücke, so wird man zn seinem Erstaunen bemerken, daß der Fluß zwar noch gerade so rasch rinnt, dießmal aber uicht dem freieu Meere zu, sondern gerade in der entgegen gesetzten Richtung landeinwärts, gegen die Salinen hin. Der (^rnnd dieser seltsamen Erscheinung liegt in der Ebbe nnd Muth, welche in der schmalen seichten Bai, in welcher das Wasser von den engen llsern so zu sagen angc^ schwellt wird, sich viel stärker bemertlich macht, als draußen an dem freien, breiten Strande des offenen Meeres. So kommt es also, daß der Salzftuft, welcher bis zu den schlammigen Vierecken vordringt, dort seinen Inhalt zurückläßt. - Die Strömung, welche durch die regelmäßigen Be-wegnngen des eingezwängten Meeres hervorgebracht wird, ist so l'edentend, daß zn 'l'ago längst die Absicht besteht, in der Nähr der Brücke Mühlen anznlegen, eine Absicht, deren Verwirklichung bis jetzt nnr an geringfügigen Neben-umstäudcn zu nichte geworden ist. Weit und breit ist neben den Salinen das Vand mit Reben bepflanzt, von welchen manche Art selbst im wein reichen Dalmatien einen wohlbegrnndetcn Nnf genießt. Am betamttcsten von diesen sind die „Nanas"-Tranl>en 455 (von rano, frühzeitig), welche schon um die Mitte des Iulünonates reifen nnd einen Saft liefern, welchen man mit dem Maraschino von Sebcnuo vergleicht, ''lioch weit edler aber follen diejenigen Tranben sein, deren ^)l"cben allerdings ans den Pflanzungen abstammen, die aber wild draußen im Freien auf den Tri'immerhalden und int (Gestrüpp der Schnma wachsen. Sie entstehen ans Samenkörnern, welche dnrch irgend einen Zufall auf jene Erde gebracht wurden. Die Baina, so nennt man diesen verwilderten Gartenflüchtling, hat gleich den Waldtirschen und andern aus der meuschlichen Obsorge znm freiwilligen Wachsthum znrückgekehrten Pflanzen, kleinere Beeren, als die gepflegte Nebe. Ihr Saft jedoch soll süß sein wie Honig und zähflüßig, wie schweres Oel. Jenseits der Salmen drüben liegt Ooru'a, ziemlich hoch über dem Thale, auf aumuthig bewachsenem Ornnde, Manche Karten versetzen es gerade an die Sndfpitze der Meerbucht, welche Pago fast in zwei Hälften spaltet. Es schaut aber in der That seitwärts von dieser Bucht von der Höhe herab. Einen besonderen Neiz verleiht der Landschaft von Pago das hohe Gebirge, welches der Stadt gegenüber zwischen den beiden Mecresarmcn emporragt. Dasselbe gleicht ganz und gar dem oberösterreichischen Schafberg, desseu breite Unterlage drei der schönsten Seceu uuferer Heimat trennt. Sähe man nicht in der Ferne das blane Meer, su möchte man wohl die Bucht, die seinen ssnß bespült, für einen Alpensee halten nnd zwar für einen der am meisten 45« 5 mit abwechslungsreichen Einblicken in die Bergwelt ausgestatteten. Es sind nämlich nicht nnr die Höhen von Pago, welche den Felsrand dieses Gewässers bilden, sondern weit mehr als sie, ziehen die wolkigen nnd beschneiten Gebirge des Kroatenlandes den Blick auf sich. ^iegt cun Abend auf diesem die Sonne und theilt dem dichten (bewölk, welches gleich Oletschcrhängcu über sie emporgethürmt ist, einen blaßrothen Schimmer mit, welcher sich m der seichten Bucht wiederspiegelt, fo ist das wohl ein Gemälde des Glanzes und der Größe, welches sich weit über die verwandten Erscheinungen der Binnengewässer erhebt. An Terra Vecchia, dem Orte, an welchem nach der Ueberlieferung die Stadt Pago einst gestanden haben soll, vorüber, erreicht mau endlich den Damin, welcher durch den Meerbusen führt und auf welchem die lauge Reihe der Salinen-Häuser aufgebaut ist. Nur eiue Brücke, die obengenannte, uun welcher aus man die Strömungen am besten beobachten kann, trennt diese Salinen von der Stadt Pago. Diese Stadt hat ein besseres Anssehen, als im Allgemeinen die Städte ans den Scoglie»; sie besitzt eine geräumige, schön mit Platten belegte Piazza, eiuige gerade Straßcu und mancherlei ansehnliche Baudenkmäler aus der Vene-tianer-Zeit. Die Hügel gegen Osten sind bis hoch znm Berge hinan, welcher die Stadt uom (^«»I« ä«N» Nurl^eo^ trennt, mit Weinreben bedeckt. Diesen wird zur Zeit der Blüthe oft der Salzstaub gefährlich, welchen die Nordostwinde aus dem Meere über deu Berg herüber wehen. Aus 457 diesem Grunde gewinnen die Einwohner von Pago von ihren Weingärten niemals die ganze Ernte. Stets wird ein Theil derselben vom salzigen Hauche des ringsum wallenden Meeres zerstört. Ich übernachtete bei einem wackeren Tischler, der mir zwei Tage hindurch nichts als die kleinen von den Italienern Favoni, von den Slaven derfuni genannten Fischchen vorsetzte. Seine Wirthschaften«, ein schlankes Weib aus der Insel, in der gewöhnlichen Tracht der Weiber von Pago, einem schwarzen Kleide und weißem Kopftuch (die sogenannten pokrivaö») ließ es auch niemals an süßem Weine fehlen. Jeder, der das merkwürdige Eiland besticht, möge sich nach dem Hanse des Orlando erkundigen. Endlich erschien die Stunde des Abschiedes von der Insel und mit ihr die vom ganzen Insellande Dalmatien. Vorher hatte ich noch Gelegenheit mit einem Dichter bekannt zu werden, welcher weder lesen noch schreiben kann. Derselbe ist ans dem etwa sünf Miglien von Pago entfernten Dorfe Kolan zu Hanse nnd heißt Simon Schngar, Iwan's Sohn. Nach der Schlacht von Lissa regte sich die vaterländische Muse aller Orten in Dalmatien. Die Dalmatiner sahen in diesem Ereigniß einen Sieg ihrer eigenen heimischen Volkstraft iiber die Wälschen, einen Triumph der Slaven über die verhaßten Eindringlinge Es entstand ein Wettkampf der Sänger und manche ihrer Schöpfungen sind auch selbstständig in den Buchhandel getummelt. Ich selbst habe deren fünf gesehen. Gekrönt wurde das Werk eben dieses Simon Schugar aus 458 Kolan auf der Insel Pago, Ans welchem Grunde das geschah, weiß ich nicht zu sagon. Seme Dichtung scheint mir an AnWerth mit den anderen ans gleicher Stufe zu stehen. Indessen ist es doch wahr, daß von dem Heldeugesange Schugar's „Vo^ pnä Visom" in wenigen Tagen mehr als sechs tansend Abdrücke verkauft wurden. Bon dem Tone, in welchem diese über das ganze ^and hin vcrstreute Schöpfung gehalteu ist, mögen die Anfangs-und Schlnßzcilen einige Vorstellung geben: „Freue dich, ruhmreiches Dalmaticu, deine Söhne erueuern die alte Herrlichkeit. Wenn sie auch in Knechtschaft gefallen sind, so sind sie doch Helden anf der Wahlstatt. Nicht zcder glaubt es, daft dem so sei, bis er nicht kämpft mit ihnen. Wer es aber versncht, der wird erfahren, da's? es nicht leicht sei mit ihnen zu streiten." Und am (5nde heißt es: „So aber mögt ihr erfahren, ihr italienischen Jungen, was slavische Helden siud!" Eine weitere Vlnmenlesc aus diesem Heldengedicht, in welchem selbst „TegetoU" in slavischem Gewände auftreten will, nnterlasse ich, erwähne aber, daß der nämliche Dichter eben ein Heldengedicht über den Kampf in den Vocche ausarbeitet, welches vielleicht noch „volksthnmlichor" werden dürfte. Als ich am Morgen von Pago nach Bal Cossione hin-überging, cinerwnsten, mit grauen Steintrümmcrn überdeckten Bucht, hatte ich noch einmal Gelegenheit, alle diejenige Herrlichkeit dieses Bandes zu bewundern, welche der menschliche Wahnsinn nicht zu zerstören vermocht hat. Abermals schauten die Scoglien, diese veilchenblau, jene purpurroth, aus dem westlichen Meere. In feierlichem 459 Glänze lagen die Wolken unbeweglich anf den Orenzwällen des Bandes. Aber der weite herrliche Kranz des Meeres nnd feiner Felszinken schaute auch hier anf eine Wüste nnd anf das Elend ihrer Bewohner. Es waren zerrissene Arbeiter, die im Schweifte ihres Angesichtes große Felsplatten aus der dürren Berghaldc ausgruben. Ihre Mittagsmahlzeit bestand aus einem harten Brode von Gerste nnd Maismehl. Die Uhr, welche ihre Arbeit maß, war ein Stab, dessen Schatten den Gang der Sonne bezeichnete. Neberall rauchte es aus den viereckigen Oeffimngen im Verdecke der Barken, die im kleinen Hafen lagen. Die Manner hatten sich in den Qnalm hinabgekauert, um dem Sturmwinde zn entgehen, der über das entwaldete ^and fessellos dahin raste. In der Hütte befaud sich kein Geräthe, außer die große Laterne, deren Licht den Dampfschiffen i» der Dunkelheit das Ufer zeigt, und der Trompete, durch deren Schall sie im Nebel vor der Untiefe gewarnt werdeu. Die Reisenden, welche den Dampfer erwartete», Bewohner der Insel, lagen zwischen den Steinen nmher. Bald darauf tanzte die Barte, in welcher sich Alle niederlegen mußten, dnrch die empörten Wellen znm Schiff hin, welches nordwärts gegen Finme strncrte. Iu der Ferne verschwand Lnssin hinter gelben Dünen, es erschien das hohe blaue Ossero und wir dampften an Novaglia vorüber, wo das Meer abermals einem prächtigen ^andsce gleicht, rings von einem zackigen Diadem umgeben. Wieder zogen die gelben uud rothen Segel der Fischer 460 durch die purpurueFluth und als wir am ölreicheu Strande von Arve die Nordgränze des Königreiches erreicht hatten, loderte der Wcsthiuunel, von einem leichten Gewirr schwarzer Wolken umflort, gleich dem Feuer eines fernen Steppcn-brandes, aus welchem ungeheuerliche Rauchsäuleu in die Höhe steigen. — Nach dem Vielen, was die ^cfer mit mir gesehen uud gehört haben, sind weitere allgemeine Betrachtnngen über das Land, seine Gegenwart uud Zukunft, uicht mehr nothwendig. Doch darf ich wohl sagen, daß mir letztere keineswegs in mehr heiterem dichte erscheint, als die Dinge vergangener Tage, und der unheimliche Schein, welcher dort über dem öden Meere nnd den nackten Felsen stand, der letzte Abend, der mir in diesem ^ande schien, erregte ein düsteres Vorgefühl. Das Inselrcich ist nur zu sehr mit deu Geschicken jener großen, fluchbeladenen, blutbefeuchtete» Halbinsel, deren Saum es bildet, verwachsen. Der große Brand, welcher in kurzer oder langer Frist das zerstören wird, was hcnte noch dort, wenngleich in vermoderter Gestalt, aufgerichtet dasteht, wird sich bis an den Strand verbreiten. In dem Hader der Menschen, welche seine Städte und seine Verge bewohnen, findet seine Flamme reichliche Nahrung. Der große Kampf des Ostens wird Dalmaticn mit in seine Wirbel hineinziehen und wie Niemand die endliche Schlichtung jenes vorherzusagen vermag, so wird man anch hcnte über das Verhängniß des slavischen Mcerlandcs so wenig Sicheres sich vorzustellen uermögcu, als über das der Bruderländer jenseits der Berge bis zu den Wäldern Serbiens bis zum jenseitigen Meere uud bis Stambul hin, der Stadt des schwarzen Zaren. Soviel aber werden, deute ich, Alle 461 aus diesen bescheidenen Wanderungen entnommen haben, die Ueberzeugung, daß eine Macht, welche das Inselreich aus die Dauer festhalten will, sich mit dem Abfall der Verge gegen die schmale Mcerküste uicht begnügen darf, sondern trachten musi, die reichen Länder jenseits derselbeu zu erwerben, aus welchcu die Flüsse in das Meer herausströmen uud zu welchen die dalmatischeuKüsteu selbst iu eiuem Verhältnisse steheu, wie die Schwelle zu dem Hause, über welche hin mau in dessen Gemächer und Schatzkammern gelangt. Unhang. Owe Aochzeit in ^eroi. Nachfolgende merkwürdige Skizze entnehme ich einer in serbischer Sprache geschriebenen Mittheilung des protopresbyter Christoforo Musitsch zu ^croi. Die kleine Gemeinde rechtgläubiger Religion zu^eroi in Istrie» verdient sicherlich die Aufmerksamkeit der Reisenden, indem seit der Zeit ihrer Ucbcrsicdlling aus dem Schwarzen Berge (im Jahre 1658) sich bei ihr durchaus nicht das geringste in Sitten und Gebräuchen veräudert hat, obwohl sie auf allen Seiten von italienischer Sprache und vou einer sremdcu Volkstümlichkeit umgeben ist. Am meisten bezeichnend hat sich diese Eigenthümlichkeit in den Hochzcitsgebräuchen erhalten, die im Ilcbrigen nicht nur für die ^ernagorzen uou Peroi, sondern für alle dalmatische» Slavcu charakteristisch genug sind. Gefällt einem juugeu Burschen zu Peroi irgend eiu Mädchen, welches er heimzuführen gedenkt, fo begibt er sich ali einem Sonntage uneingcladcn in deren elterliches Hans z'um Abendessen. Gefällt der junge Mann den Eltern, so nehmen sie ihn freundlich anf und bewirthen ihn. Unter anderen Speisen müssen ihm Mandeln, trockene 463 Feigen mid Kastanien vorgesetzt werden, schließlich trinken Alle Branntwein und singen. Am Sonntag darauf findet er sich abermals bei den Eltern des Mädchens ein, dießmal aber muß er Alles, was zur Bcwirthung nothwendig ist, als Zeichen seiner Aufmerksamkeit und Dankbarkeit für die erste freundliche Aufnahme felbst mitbringen. Bei dieser Mahlzeit wird nun das Nähere verabredet nnd eine Frist znr Ucberbringuug der ersten Geschenke festgesetzt. An ienem bestimmten Tage erscheint er denn nun auch in Gesellschaft seines Vaters und anderer Verwandten und bringt einen goldenen Fingerreif (vit^n,), ein Tüchlein (rubllo) nnd noch anßcrdcm einen Gegenstand, an dem nach deutschen Anschauungen eine merkwürdige Symbolik haftet, nämlich einen Pantoffel. Tiefes Alles nimmt das Mädchen wohlgemuth als (bei deu Slaven sogenanntes) Hochzeits-Pfand oder „Darangeld" an nnd erhält da^u den väterlichen Sege», Darauf wird, nach ächter Serbcnsitte, abermals gegessen, getrunken und geschrieen, auf den glücklichen Au-faug der Verhandlungen angestoßen nnd in den uüch-terueu Augenblicken auch der Hochzeitstag bestimmt, zu welchem »lau wiederum gewöhnlich eiucu Sonntag wählt. Nicht minder versteht es sich von selbst, dasi der glückliche Bräutigam, wenn er mit seiner Sippe das Dorf verläßt, durch Schießen allen ^eutcu ein Zeichen gibt, daß hier eine Verlobung stattgefunden habe und deui^ nächst die Hochzeit folgen werde. Die Puschfa darf bei den Festlichkeiten des Bandes so wenig fehlen, als bei einer tirolischeu Kirchenfeier der Pöllcr. 464 Am darauffolgenden Donnerstag Abends geht nun die beiderseitige Sippschaft überall bei den Verwandten umher und ladet znr Hochzeit ein. Die gewöhnliche Redensart dabei ist folgende: „Outen Abend! Ich bin gekommen, Encheinzuladen, damit Ihr, wenn es Euer Wille ist, uns beisteht, lnstig, zu sein." Am Freitag Abend aber fangen die Weiber au, das Mehl anzumacheu und Brod zn backen, wobei sie häusig folgenden eintönigen Gesang erschallen lassen: „Die lustigen Stuudcn sind gekommen, denn mein Sohn (Tochter) hält Hochzeit. Laßt uns fröhlich sein!" Wenn die Weiber den Backtrog waschen, singen sie: „Unter dem Lorbeerbaume duften goldene Blumen. Es kommt ein Mädcheu und pflückt sie." Oder auch: „Wem wollen wir die Schwester geben? Geben wir die Schwester dem heiligen Petrus. Der Mond soll ihr Schwiegervater sein und der Morgenstern Schwiegermutter, das Siebengestirn Schwager uud der Abeudstern Schwägerin." Während dieser Zeit schießen die Männer vor der Thüre fortwährend ihre Gewehre ab. Am Sonnabend endlich versammelt sich abermals Alles zum Abendessen. Bevor dieses beginnt, wählt der Hausvater die Gevatter, den ältesten der Swaten, den Fahnenträger, den Zugführer und die übrigen Swaten und dann singen beim Schmause Männer und Weiber zusammeu: „O Freude, o Seligkeit, wo bist du bis jetzt ge-Wesen? Ich war im Bergwalde, um die weiße Wila 465 zu finden. Jetzt aber bin ich aus Meer herunter gekommen, wo uns Wein geschenkt wird." Hierauf sendet der Hausvater zwei Weiber zu der Braut, welche ihr vom Abendessen bringen und ihr ansagen müssen, das; morgen der Bräutigam erscheint mit so vielen Swaten und sie soll die Geschenke bereiten. Außerdem müssen sie fragen, wie viel Gäste eingeladen sind. — Die Braut aber gibt einem Weibe einen Blumenstrauß mit, als Zeichen der Treue und anch d^ Dankbarkeit für das überbrachte Mahl. Am Sonntag endlich, am Hochzeitstage, beginnen die Weiber die Braut anzuziehen. Während sie ihr das Hemd anziehen, sageu sie: „So leicht dieses Hemd über dich geht, so leicht mögen, Gott gebe es, Kinder ans dir hervorgehen!" Wenn es zum ersten Male zur heiligen Liturgie läutet, begibt sich der Bräutigam mit den Swaten zur Braut. Wenn sie vor dem Hanse derselben angekommen sind, müssen sie stehen bleiben. Denn es ist Brauch, vorher mit der Flinte ans einen Apfel zu schießen, der an einem lange« Stäbe über dem Dach des Hanfes befestigt ist. So lange der Apfel nicht getroffen wird, stehen die Leute aus dem Hause der Braut mit den Waffen in der Hand da nnd lassen weder den Bräutigam noch die Swatcn in das Haus. Während die Männer sich damit unterhalten nnd nach dem Apfel zielen, tanzen die Weiber den Kolo nnd singen: „Willkommen seid, o Swaten, ihr führt eine schöne 466 Braut heim. Ihr habt gutes Glück gehabt, als i!,r diese Straße gekommen seid." Kounen sie den Aftfel nicht herunterschießen, so läßt man sie endlich gleichsam aus Barmherzigkeit in das Haus, bewirthet sie mit Süßigkeiten und Brauns wein und jeder Swate erhält als (beschenk ein rundes Gebäck und ein schönes Tnchlein. Bor dem Aufbruchc zur Trauung geht das Mädchen zu den Eltern nnd bittet um ihren Segen. Diese segnen es uud sagen: „Geh mit Gott, Kind, gebe Gott dir Glück für die Zukunft, daß du gehorsam und treu werdest Deinen! Gefährteu." Hierauf gehen Alle, zwei und ;wei neben einander zur Kirche, singend und aus den Gewehren schießend. Uud es beglcitcu sie die Weiber uud die Mädchcu aus den Nachbarhäusern uud singen den Swatcn das uäm liche Lied, wie uor dem Hause der Braut. Vor der Kirche stellen die Swatcn ihre Waffen auf, dann hören sie andächtig die heilige Liturgie an. Die Trauung wird uach Brauch der Kirche vollzogen, der Bräutigam küßt die Braut und die beiden sodann die Gevatter uud Swateu. Weuu sich der Zug nach Hause in Bewegung setzt, wird abermals geschossen und gesungen. Voran schreitet der Zugführer (v<>iv<»'l!>,), welchem aus dem Hause des Bräutigams Trinl'sprnche entgegen gerufeu werden. Bor der Thüre erwartet die Mntter des Ncuver mahlten die juuge Gattin uud gibt ihr einen Knaben auf den Arm, wclchcu sie ins Haus hinein und über 467 die Trifte hinauf in die Stube tragen mnß. Die Schwiegermutter wirft zugleich Oetreidekörner und süßes Obst auf sie. Wenn sie das Kind aus den Armen legt, beschenkt und lüßt sie es. Darauf geht sie zu ihrer Schwiegen mutter, küßt auch diese und gibt ihr von ihrem Busen weg zwei Tücher. Wenn die Eingeladenen vor der Thüre ankommen, machen sie sich vorerst durch das Krache» ihrer Flinten bemertlich. Hierauf gehen die Swateu zum Empfange hinaus und sagen: „Glückliche Antltnft ihr freunde! Tretet ein!" Die Eingeladenen bringen der jungen Vermählten ein neues Gewand mit, damit sie sich umkleiden kann, um ihr Hochzeitskleid nicht zu beschmutzen. Dabei sagen sie: „O Freunde, wo sind unsere Leute, wir möchten sie gar gerne sehen." Nach dieser Anrede erscheint die Braut vor ihnen, verbeugt sich, grüßt und küßt sie und nimmt das Kleid in Empfang. Der Bräutigam aber und die Swaten bescheuleu die Eingeladenen mit Tüchern. Wenn die Essenszeit gekommen ist, segnet der Geistliche den Tisch und jeden Sitz, bevor das Mahl be ginnt. Niemand aber wagt es zu trinken, bevor nicht der älteste der Swatcn einen Trinksprnch ausgebracht hat, welcher so lautet: „Trinken wir auf die große und glückliche Stunde. Helfe uns (>5ott überall «nd immer, uus und unser» Brüdern uud Freunden nin uns her." 30» 468 Dann trinkt er seine Schale ans und die anderen nach ihm. (Der Verfasser der Mittheilungen führt hier noch eine Reihe uon Trintfprücheu an, welche ich, als zn wenig merkwürdig übergehe.) Die Eingeladenen entfernen sich nicht aus dem Hanse, bevor uicht das sogenannte wanne Abendessen aufgetragen ist, das heißt gekochte Köpfe und Füße von einein ^amm oder Hammel, dessen Bauch und Eingeweide, gut iu Weizenmehl nnd allerlei Gewürze eingemacht, die Swaten am vorhergehende Abend verzehrt haben. H5»r dem Abendesse,, waschen sich alle die Hände, wozu ihnen die Vraut das Wasser reicht. Sie aber werfen ihr Geldstücke iu das Waschbecken, so viel Einer will und kann. Wien, Dnict vou Cavl Fromme.