X A. LUSCHIN-EBENGREUTH JOHANN SIGISMUND POPOWITSCH © SONDERDRUCK GR AZ 1925 . I! 7'° ^ '1'ioZL JOHANN SIGISMUND POPOVVITSCH i. O chwere Landplagen: Senchen, Mil3wachs, Tiirkeneinfalle, Bauernunruhen, kJ hatten um die Wende vom Mittelalter zur neueren Zeit unser Unterland wiederholt heimgesucht und grofie Liicken in der Landbevolkerung hinter-lassen. Zur Wiederbesiedlung der verodeten Huben und zur Auffiillung der Arbeitskrafte benutzte man nun in Untersteiermark und Krain ungefiihr seit 1530 vor allem heimatlose, von den Tiirken vertriebene Fliichtlinge: Kroaten, Bosnier, Serben und selbst Balkanwalachen. Nachkomme soleh eines serbischen „Uskok“ oder „Pribeg“ (bei welchen der Familienname Popowitsch1 haufig war) mag jener Anton Popowitsch gewesen sein, dem wir zn Ende des 17. Jahrhun-derts in Diensten des Grafen Johann Sigismund von Schrattenbach begegnen. Diesem Popowitsch, der zu Arzlin (zwischen Cilli und Hoheneck) ein Bauerngut besaB, gebar seme Frau Marina mehrere Sobne, die ihr Fortkommen in der Welt suchten und fanden: der alteste, Anton, trat in den Jesuitenorden, der mittlere, Johann Baptist, brachte es zum Rentmeister der Schrattenbach-schen Herrschaft Salloch bei Cilli, mit den merkwiirdigen Lebenschicksalen des jiingsten der Brtider, der, zu Arzlin geboren, am 9. Februar 1705 in der Pfarrkirche zu Hoheneck getauft und nach seinem Paten, dem Grafen von Schrattenbach, die Vornamen Johann Sigismund erhielt1 2, wollen wir uns hier beschaftigen. Ich stiitze mich vor allem auf Angaben, die Popovvitsch 1749 in seiner Besprechung von A. Roschmanns „Veldidena“ (V) und 1750 in den „Unter-suchungen vom Meere“ liber sein Leben verstreut darbietet, und ftihre diese unter Angabe der Seitenzahl womoglich wortlich an, um seine Personlichkeit hervortreten zu lassen. Ein nachgesetztes S bezieht sich auf sein ohne Seiten-angabe erschienenes „Sendschreiben an einige vornehme Gelehrte zu Leipzig", ein Z auf eigenhandige Zusatze in seinem Handexemplar, das jetzt in der Wiener Nationalbibliothek unter den Handschriften als n. 12.789 verwahrt wird. Erganzt habe ich diesen Stoff durch Schottkys Nachrichten liber Popowitsch 1 Als Beispiel erinnere ich an Wuk Popowitsch, Woiwoden zu Sichelburg, der 1542 wegen Verraterei zu Laibach hingerichtet wurde. Seine Kinder wurden katholiscli, um den viiterlichen Besitz zu retten, und sind spiiter durch langere Zeit in Krain nachweisbar. 2 1705, die 9. Februarii baptizatus est Joannes Sigismundus, filius legitimus patris Antonii Popoviz et uxoris ejus Marinae. Patri ni fuere lil. D. comes Joannes Sigismundus a Scrouten-pach et Agnes Rupniza vidna, per me Thomam Pozikar — Eintrag in das Taufbuch zu Hoheneck, mitgeteilt von Orožen, Das Bistum Lavant, VIII, 262 (vgl. auch S. 290). in den Wiener Jahrbiichern fur Literatur, 1818, 4. Band, Anzeigeblatt 31 ff., Kaltenbaeck (K) in der Osterreichischen Zeitschrift fiir Geschichte und Staaten-kunde, 1836, n. 6—10, und Wurzbachs biographisches Lexikon (W). II. Johann Sigismund Popowitsch verlor den Vater sehr friih, die Erziehung fiel daher ganz der Mutter Marina anheim, einer verstiindigen Frau, welcher ihr Sohn zeitlebens ein dankbares Andenken bewahrte. Da sie schon zwei Sobne zu Graz im Jesuitengymnasium hatte, so solite ihr jungster die vater-liche Hube ubernehmen. Sie vervveigerte darum ihm, der gleichfalls studieren wollte, entschieden diesen Wunsch und gestattete nur Unterricht im Lesen, Schreiben und etwas Latein, den Kaplan Pozhkar seinem Taufling zu Hoheneck erteilte. So vvar der Herbst 1717 herangekommen, Johann Sigismund, ein vvissens-durstiger slowenischer Bauernjunge, stand in seinem 13. Lebensjahre, seine Bruder aber riisteten mit FerienschluB zur Riickkehr nach der schonen Stadt Graz, die damals und noch lange danach fiir die Bewohner von Untersteier-mark das Ziel stiller Sehnsucht war. Da die Mutter auch neuerlichen Bitten gegenuber fest blieb, so entschloB sich der Knabe zur Flucht, huschte heimlich auf den Reisevvagen seiner Bruder und verbarg sich so geschickt, daB er erst zu Gonovvitz, wo die erste Reiserast eintrat, entdeckt wurde. Kein Zureden der Bruder vermochte ihn zur Heimkehr zu bewegen, sie nahmen ihn schlieBlich nach Graz mit. Hier erwartete den Ankonunling zunachst das Los eines Bettelstudenten, doch miissen die mitgebrachten Kenntnisse zufriedenstellend gewesen sein, da ihm die „Parva“, die Vorbereitungschule der Jesuitengymnasien, erlassen und Johann Sigismund sogleich in die sogenannte „Princip", die unterste Gymnasial-klasse, aufgenonunen vvurde.1 Bald fanden jedoch FleiB und Begabung des neuen Schiilers ihre Anerkennung. Die Jesuiten erleichterten ihm nun das Fortkominen soweit als moglich und verschafften Popowitsch, als er den ersten Preis in der Poesie gewonnen hatte, einen Freiplatz im Konvikt, der ihm die Vollendung der philosophischen und der theologischen Studien gestattete. Popowitsch nahm indessen weder einen akademischen Grad, noch lieB er sich zum Priester weihen, angeblich (K) weil er von Natur aus keinen Wein trinken konnte. Der eigentliche Grund lag wohl tiefer im Gegensatz, in welchen der lernbegierige Schiller zu den starren Forrnen der Jesuitenschulen geraten war, „deren Abgott der verdammte Herkommannus1 2 und die Vorsteher manchmal noch selbst milchbartige Knaben sind" (Lili). „Mir ist die ganze Zeit von 1 Matrikel des Grazer Jesuitengymnasiums, Handschrift in der Grazer Universitatsbiblio-thek, S. 205: 1708 Parvistae . . . R. (spaterer Zusatz) Antonius Popovicli; S. 218: 1717 Princi-pistae: .Toannes Popovich, Civis, Styrus Cillejensis. 2 Anspielung auf die um 1726 Ofter erschienene satirische Schrift: „Leben und Thaten des beriichtigten Doctor Herkommannus auch Observantius genannt." 13 Jahren, in welcher ich ali e Schulen durchwandert habe, sogar der Name historia naturalis nicht zu Ohren gekommen. Ich hatte unter dem Vorsitze meiner Lehrer konnen Magister liberalium artium et philosophiae, wie auch Dr. theologiae werden, ohne zu wissen, dafi es Einleitungen gebe, nach welchen man die Krauter, Baume, Tiere, Erden, Gesteine, Metalle erkennen konne. Ich habe den Namen Botanik", klagt er an einer andern Stelle (384 Anm.), „nachdem ich lange vorher alle Schulen meiner Universitat durchstudiert hatte, erst im 30. Jahre meines Alters von einem Apotheker gelernt.“J Popowitsch war daher zur Ausbildung auf sich angewiesen und bezeichnet sich vvieder-holt als Autodidakt. Um so erstaunlicher sind darum seine Leistungen. Als Popowitsch 1728 die Jesuitenschulen verlieB, hatte er die Sammlung fiir deutsche Sprachforschung schon begonnen, die Griechen und Romer nicht nur gelesen, sondern auch zu historisch-antiquarischen Untersuchungen exzerpiert und ein Herbarium angelegt, das als Frucht der Durchforschung des Bacherngebirges wahrend der Ferien 2000 Spezies aufvvies (K). So ausgerustet, entschloB sich der 23jahrige Popowitsch, ob knapp seine Mittel auch waren, eine Bildungsreise zur Vervollstandigung seines Wissens zu unternehmen. In drei Jahren durchvvanderte er zu FuB die sudoster-reichischen Bander und ganz Italien nebst Sizilien und Malta, er besuchte die entlegensten Orte von den sumpfigen Niederungen bis zu den Hohen des Apennin, den Vesuv und den Atna, keinen jedoch, ohne zuvor alles gelesen zu haben, \vas dariiber geschrieben worden war. Gelegentliche AuBerungen in seiner Besprechung von Roschmanns „Veldi-dena“ und in den „Untersuchungen vom Meere“ verbreiten hinreichend Licht liber diese Wanderjahre; dagegen sind unsere Nachrichten iiber Popowitsch fiir die nachsten 13 Jahre recht sparlich. Wir \vissen nur, daB er um 1731/32 die Stelle eines Hofmeisters in einer adeligen Familie' angenommen hatte, die ein SchloB im Pettauer Feld besaB, daB er mit dieser das erstemal nach Wien kam und daB er sie nach ein paar Jahren in Unfrieden verlieB. Er eilte nun nach Hause, erkrankte 1735 schvver und irrte nach seiner Genesung ziellos in Untersteiermark uinher (273). Dabei erforschte er den Wotsch (122) und trieb historisch-genealogische Studien im Štifte Studeniz (250); zuletzt entschloB er sich zur Riickkehr nach Wien, wo ihm ein botanisches Gesprach freie Wohnung beim Arzt Joh. G. Heinr. Kramer verschaffte (S. c. 4). Damals eroffnete sich ihm die Aussicht, in Konstantinopel das Tiirkische „zum Dienst des Wienerischen Hofes zu lernen". Allein „die Neigung eines osterreichischen Kavaliers, eines der Verstandigsten, die ich naher kennen zu lernen die Ehre gehabt, und sein Verlangen, m ich als Hofmeister bei einem jungen Herrn zu 1 1 Noch bitterer aufiert er sich V. 55 dariiber, dafi er in seiner Studienzeit „mit der aristotelischen Quacksalberei, durcli deren Beihilfe die besten Lehrer derselben die Geburt einer Laus nicht erkliiren konnen, beinahe drei Jahre versaumt habe ... Es eckelt mir, wenn ich a n einige Dinge zuriickdenke, die mir als Wissensc,haft und Weltweisheit eingeblauet wurden ... Man lehrte mich z. E., dafi die Sonne, welche den Erdboden nicht gar weit in die Tiefe erwarmet, das Gold auskoche, merke wohl in den Bergwerken ... in visceribus terrae!“ usw. sehen, dessen Vormund er war, hintertrieb die Vollziehung dieser Reise" (XXIII ff.). Popowitsch entschied sich fiir den Hofmeisterposten, weil er die Zusage hatte, daB ihm spater die Mittel zur Herausgabe einer botanischen Beschreibung der Flora des niederosterreichischen Schneebergs und der an-grenzenden steirischen Gebirgsziige von der Prein bis zum Wechsel gewahrt werden sollten. Leider vereitelte der vorzeitige Tod seines Gonners die Er-fiillung des Versprechens und Popovvitsch hatte diesen Ungliicksfall um so mehr zu beklagen, als er inzwischen zwei neu eingelaufene Antrage abgelehnt hatte, die ihm eine ungestorte Gelehrtenarbeit gewahrt hiitten. Der eine besonders verlockende kam vom Grafen Franz Josef von Sauer, Herrn von Ankenstein, der „als ein seltenes Beispiel in das Register der Steyermarkischen Gelehrten“ gehorte und mit seiner jungen Gemahlin, „die in Biichern wie ihr Herr den angenehmsten Zeitvertreib fand“, auf seinem Schlosse lebte. Graf Sauer vviinschte nun, die vvindische Sprache zum Nutzen seiner Untertanen, weil sie alle Wenden sind, zu erlernen, und „mir wurde das hochschatzbare Gliick zuerkannt, daB ich beide als windischer Sprachmeister unterweisen solite. Ich bedauere noeh izt, daB mir das Einladungsschreiben nicht zu Handen gekommen, als ich im Viertel Zilli, in meinem eigenen Vaterlande, gleichsam als ein Vertriebener herumwanderte“, . . . „weil diese Bedienung nur zwei Stunden des Tages und dieselben zu einem angenehmen Geschafte, mir abgenommen, die iibrige Zeit aber frei gelassen hatte, so wiirde mein so entvvorfener Ankensteinischer Aufenthalt den Liebhabern der Pflanzen eine Floram agri Poetoviensis geliefert haben, welche in Betrachtung der Seltenheit der Gewachse, nach der osterreichischen eine der schonsten des allda ge-endigten teutschen Bodens gewesen ware. Allein besagter Brief ward mir erst in Wien zugestellt, dahin ich mich mit einer grossen Last Bticher, die ich uberall hin mitfuhre, wie die Schnecke ihr Haus heruintragt, angekommen war. Die Beschwerlichkeit einer so vveiten Zurtickreise, der schmerzliche Notzwang, meine Bticher dem Wienerischen Zobe das drittemal zu unterwerfen und endlich die bestandige Gelegenheit, mir das alte Andenken einer verhaBten Nachbarschaft zu verneuern, so oft ich zum Fenster hinaussehen \viirde, meine Augen an der vortrefflichen Pettauischen Gegend zu weiden“ (S. 272 ff.), bestimmten Popowitsch, auf diesen Vorschlag mit verbindlichem Danke zu verzichten. Eine zweite Einladung zur Riickkehr nach Steiermark erreichte Popowitsch zu Wien ums Jahr 1744. Sie kam vom Dechant am Weizberg und Erzpriester des Neustadtischen geistlichen Gerichts Dr. theol. Franz Leopold Riedlegger, der den Gelehrten „ohne Aufbiirdung einiger Last" auf beliebig lange Zeit zu Gaste lud (S. 313 Anin.). Sie wurde ebenfalls wegen der Schvvierigkeiten ausgeschlagen, die sich bei der Fort-schaffung der Bibliothek ergeben hatten, aber auch aus dem Grunde abgelehnt, weil Popowitsch inzwischen einen Ruf an die von Abt Alexander Fixlmillner zu Kremsmunster gegrtindete adelige Akademie bekommen hatte, Vorlesungen iiber Geschichte zu halten, bis ein Stiftsgeistlicher sich dazu heran-gebildet hatte. Zweifellos bestimmte seinen EntschluB die Hoffnung, die schone Stiftsbibliothek fiir wissenschaftliche Zwecke frei benutzen und seine botani-schen Neigungen befriedigen zn konnen; doch blieb die Enttauschung leider nicht aus. Popowitsch war keine schmiegsame Natur, er sagte seine Meinung frei heraus und war in Beobachtung der Formen nicht peinlich. Wenn man seinen handschriftlichen Zusatz zur Erklarung des Ausdruckes Leiten auf S. LXXII liest: „In der Fuchsleiten (bei Kremsmiinster) werden zum Nachteil der umliegenden Bauern und vvider die Holzordnung Fuchse gehaget, damit die Ordensbriider und die studierende Jugend einmal im Jahre zusehen konnen, wie im Hofe der Abtei gedachte Tiere auf eine erbiirmliche Art mit Hunden zu Tode gehetzt werden. Das ist eine feine Lehre fiir die jungen Herren, dadurch sie zu Grausamkeit wider die Tiere eingefiihrt werden,“ und wenn man \veiB, daB er mit dem Stiftsbibliothekar wegen Benutzung der Bibliothek im Streite war (393 Anm.), so begreift man, daB im Štifte schon 1745 an die Entlassung des „groben Popowitsch“ gedacht wurde.1 Dieser muBte in der Tat damals seine Geschichtsvorlesungen an einen Stiftsgeistlichen abgeben, lehrte indessen noch Italienisch und Franzosisch, bis es Anfang 1746 endgiiltig zum Bruche kam und Popovvitsch als Vierzigjahriger zum Entschlusse kam, Osterreich zu verlassen und als Privatgelehrter in der Fremde sein Gliick zu versuchen. „Mein abgedrungener Aufbruch aus den Erblandern meiner aller-gnadigsten Frau“, berichtet er S. 384, „ward auf den Friihling des Jahres 1746 fest gesezt. Meine Biicher waren zu einer fernen Reise bereits eingepackt. Meine Freunde rieten mir aber, wegen der iiblen Strafien, welche die Auf-tauung zu derselben Zeit grundlos machte, noch einen Monat zu verziehen. Die Lastwitgen, welche meine Biicher fiihren wiirden, konnten sonst unter-wegs stecken bleiben." Popowitsch folgte diesem Rate und begann, um das Auspacken der botanischen Biicher zu ersparen, zur Ausfiillung seiner MuBe mit der Beschreibung von Schwammen, die in Kremsmiinster gleich nach dem Schnee in groBer Menge hervorbrachen. Da die Verganglichkeit dieser Gebilde ein genaues Festhalten ihrer Formen und Farben erschvverte, so behalf sich Popowitsch mit UmriBzeichnungen und einem Musterbuch von Farben. „Ich sammelte seidene, wiillene, tiichene Fleckchen von so vielen Farben ich sie aufbringen konnte, auch Stiicke von Leder und gearbeiteten Fellen. Diese teilte ich nach den Vervvandtschaften und Gattungen der Farben ab. Die Liicken fiillte ich durch gemalte eingeschaltete Felder aus, die ich mit Muschelfarben auf Papier vorstellte. Die Namen setzte ich in lateinischer Sprache darzu . . . Diese Farbenschule nahm ich allemal mit, wenn ich auf Schwamme ausging und bezog mich bei der Andeutung der Farben auf die darinnen enthaltenen Muster. Weil aber je iiber 8 oder 14 Tage neue Schwamme hervorkamen, die ich nicht woIIte in Osterreich 1 Gefiillige Auskunft des hochw. Herrn Prof. Dr. Pankraz Stollenmayer in Kremsmiinster. Popowitsch rachte sich spiiter an dem Rektor der Ritterakademie P. Nonnos Stadler dadurch, daB er eine Schwammart nach ihm Nonosus benannte. liber diesen Schwamm bemerkt er S. 380 der „Untersuchungen vom Meere“: „Manche stinken unertraglich, wie der Nonosus, welchen Schwamm ich nur zu Kremsmiinster angetroffen habe.“ unbeschrieben zuriicklassen, so wurden aus einem Monat meines verschobenen Aufenthaltes zwei, drei und noch mehrere . . . und so babe ich ein ganzes Jahr mit der Untersuchung dieser Gewachse mit vielen Beschvverlichkeiten zugebracht. Ich mufite auf meine Kosten leben, die Herren des Ortes gaben mir keinen Bissen Brots zur Erleichterung meines Unterlialtes . . . Sie lachten mich noch aus, dafi ich ein Schvvammsammler ware .. . Ich hatte die Wohnung von iibelgesitteten Leuten. Mein Zimmer war eine halbunterirdische Hohle, in welche Laubfrosche, Kroten und Nattern durch die zerbrochenen Fenster-scheiben zu mir krochen . . . Auf den Brettern des FuBbodens \vuchs eine seltene Art des Agarici, welche vielleicht noch nicht beschrieben ist“ (S. 382 ff.). Die Wifibegierde des Naturforschers siegte indessen tiber ali dies Ungemach und bewog sogar Popowitsch zum Ausharren in seinem feuchten Zimmer, vveil ihm dieses Gelegenheit zur Beobachtung mannigfacher Schimmelpilze darbot. Zwischenhinein beschiiftigten ihn antiquarische Untersuchungen und fuhrte ihn ein Ausflug nach Lambach und Wels zur Besichtigung eines Romersteines und der Reste des alten Ovilava (V. 13). Anfang 1747 verlieB Popowitsch Osterreich. Die Reise fuhrte ihn zunachst nach Regensburg, von wo er seinen „Weg gerade nach Leipzig nehmen wollte, allein die Begierde zu erforschen, was ftir Gewachse dieser Strich von Bayern herfurbringe und wie weit dieser Boden von dem osterreichischen unter-schieden sei, ferner die Freundschaft einiger hiesiger Gelehrten, deren werten Umgang mir die Neigung zu gleichen Studien bald zmvegen brachte, dies sind die Bande gewesen, welche mich bis izt an diesem Orte angehalten haben“, meldet er in seinem Schreiben vom 25. Oktober 1749 an einige vornehme Gelehrte in Leipzig. Uber den Kreis dieser Regensburger Freunde verbreitete er sich im Vorbericht zu seinen „Untersuchungen vom Meere"; er nennt zwei Herren Harrer, von welchen Ihn der eine durch seine Hausbibliothek, der zvveite als Vorstand der Ratsbibliothek opferwillig unterstiitzt hatte, vier Briider aus dem Geschlecht Plato genannt Wild, den Arzt Dr. Dieterichs, die Monche vom Schottenkloster und namentlich den Stadtsyndikus Georg Theodor Gmeiner, der ihm die Drucklegung der „Untersuchungen" ermoglicht hatte. Seine Lauf-bahn als Schriftsteller begann Popowitsch mit Abhandlungen in den »Regens-burger wochentlichen gelehrten Nachrichten". Aufsehen erregten seine im 10. Stilck des Jahrgangs 1749 niedergelegten Ausfuhrungen liber die Schrift „Veldidena urbs antiquissima“ des Innsbrucker Universitatsbibliothekars Rosch-mann. Es fehlte nicht an Vermutungen liber den ungenannten Verfasser und Roschmann erklarte sich bereit, das notige Papier beizustellen, um das Er-scheinen der versprochenen, aber noch ausstandigen Anmerkungen zu beschleu-nigen. Auf dieses Anerbieten kommt Popowitsch an zwei Stellen seiner f »Untersuchungen" (S. 23 Anm., 336 Anin. g) zurtick und liiftet zugleich ein wenig das Dunkel, das tiber seiner Person schwebte. Er sei, schreibt er, weder ein gebiirtiger Augsburger noch evangelisch und Geistlicher. »Ich bekehne mich zu der Religion, die in des Herrn Roschmanns Vaterlande bliihet, \ ich bin weltlichen Standes wie er, wir beide sind Untertanen einer aller-gnadigsten Frau“, nur babe jener die Ehre einer ansehnlichen Stellung, wahrend er, Popowitsch, bei ali seinen Gesuchen bisher leer durchgefallen sei. Die „Untersuchungen vom Meere“, welche 1749 schon gedruckt waren, jedoch erst im folgenden Jahre 1750 ohne Nennung des Verfassers und Ver-legers zu Frankfurt und Leipzig erschienen, machten nun Popowitsch iiber Nacht zu einem bekannten Gelehrten. Alle literarischen Zeitungen Deutsch-lands jener Zeit, das „Journal etranger" in Pariš, die „Novelle letterarie di Venezia“ und andere mehr, mochten sie immerhin gewisse Vorbehalte machen, erkannten den Wert dieses Werkes an, das man auch noch heute mit reichen Anregungen durchnehmen wird, falls man sich iiber die verungliickte Form hinauszusetzen vermag. Der Inhalt selbst mutet vielfach unveraltet an, denn man vernimmt einen Mann von grofiem Wissen, der seinen Zeitgenossen auf vielerlei Gebieten weit voraus war und neue Gedanken mit Freimut verkiindete, die zum Teil erst im 19. und 20. Jahrhundert von der Wissenschaft als berechtigt anerkannt vvorden sind. Seine 1749 zu Regensburg vollendeten „Untersuchungen“ ver-binden sich aufierlich mit einer von Christ. Gottl. Schwarz zu Altdorf kurz vorher erschienenen Abhandlung, als deren Erlauterung und Begriindung sie sich geben. Nach einem Vorbericht auf 7 unbezeichneten Blattern kommt als E r s t e r Teil ein Inhaltsauszug aus der Schwarzischen Schrift mit 6 langeren Anmerkungen im Anliang, dann als Zweiter Teil eine „Besondere Abhandlung vom Meere, dardurch einige in der Schrift De columnis Herculis im 6. Abschnitte stehende Berichte, so in die Geschichte des Meeres einschlagen, in vier Absatzen untersucht" und erlautert werden. Diesem Zwischentitel folgt mit neuer Seitenzahlung (S. I LXXII) eine mit den Anfangsbuchstaben J. S. V. P. unterzeichnete Widmung dieses Teiles an die Kosmographische Gesellschaft in Nurnberg. Sie beginnt mit einer archaologischen Abhandlung iiber Romerorte und RomerstraBen in Norikum und Pannonien und endet mit Vorschlagen fiir ein „Topographisches Glossarinm11, in welchen eine Anzahl geographischer Ausdriicke auf ihre etymologische Bedeutung gepriift wird. Es schliefit daran mit Fortsetzung der Seitenzahlung in arabischen Ziffern (S. 43ff.) der Abhandlung vom Meere erste Untersuchung, ob es fiir eine Fabel zu. halten sei, daB Spanien in den altesten Zeiten an Afrika angehangen habe, dann die zweite, „warum ein Schiff mit gleich starkem Winde von einer gegen Morgen gelegenen Ktiste des Mittellandischen Meeres z. E. aus Palastina eher nach Spanien gelange als umgekehrt", als Nachtrage dazu die Feststellung des Wortes „Warte“, einige Zeugnisse fiir friiher erwiihnte Uberschweinmungen der Nordsee und die Erklarung einiger meist plattdeutscher Worter, „die sich in diesen Zeugnissen finden“. Die dritte Untersuchung betrifft die Frage, „warum der EinfluB des Atlantischen Ozeans in das Mittellandische Meer zweimal starker sei als der Ausflufi*1 aus diesem, mit vier Beilagen, von welchen zwei die Entstehung des siiBen Wassers und die Wirbel zur See und in der Donau behandeln, die dritte aber mit einer Spitze gegen Gottsched die » „Beurteilung einer kunftigen Welt ohne Berge. Erorterung der Frage, ob eine so beschaffene Welt von vergniigten Menschen konne bewohnt werden“, liefert. Die vierte Untersuchung, mit welcher der Verfasser seine Betrachtungen tiber die Eigenschaften des Meeres abschlieGt, betrifft das Schwarze Meer und bat als Zugaben die etymologische Erklarung des italienischen Wortes Faro, mehrere Zeugnisse liber Spuren der Trajansbriicke an der unteren Donau, liber die gefahrlichen Stellen bei Tachtali und Demir-Kapu (Eisernes Tor) und eine aus-ftihrliche „Erinnerung an Studeniz“ auf S. 250—274. Hat schon die Inhaltsangabe des Werkes bisher dargetan, daG Popowitsch in seinen „Untersuchungen vom Meere“ von allen moglichen Dingen und noch manch anderem gehandelt bat, so sprengt in dem folgenden dritten Teil (S. 275—432) der Inhait vollends die Form. Man sieht deutlich, welch groGes Wissen Popowitsch durch Selbststudium aufgehauft hatte und wie es ihn drangt, die eigenen Gedanken dariiber bei erstbester Gelegenheit auszusprechen. Diese „Nachlese von etlichen Zusatzen, die sich bei Verfertigung des Registers gesammelt haben, dadurcb etliche Stellen der vorhergehenden zwei Teile erganzet, andere erlautert oder verbessert werden“, besteht aus 28 lose an-einander gereihten Abschnitten von sebi* ungleicher Beschaffenheit und Lange. Einzelne sind Bemerkungen, die kaum eine halbe Druckseite fiillen, andere Abhandlungen von vielen Seiten. Ungefahr die Halfte dieser Zusatze der Zahl, aber hochstens ein Fiinftel dem Umfang nach, entfallt auf Fragen, welche der Titel des Werkes deckt, die tibrigen betreffen Erdkunde, Naturgeschichte, namentlich Botanik, Sprachwissenschaft usw. Es folgen schlieGlich ohne Seiten-zahlung noch ein langes Schreiben an „einige vornehme Gelehrten in Leipzig" und ein ausfuhrliches Register. In dem erwahnten Schreiben, das von Regensburg aus unter dem 25. Oktober 1749 an den Rechtshistoriker Maskov, den Senator Menke, den Mediziner Job. Ernst Hebenstreit und an die Leipziger Professoren Job. Erhard Kappe und Job. Friedrich Christ abging, erziihlt Popovvitsch, daG es ihn nach Leipzig ziehe, „nicht um allda zu lehren, sondern damit ich mir den Umgang so wackerer und geschickter Manner zu Nutzen machen konne". Anknupfend an ein fluchtiges Zusammentreffen mit Gottsched, den er zu Regensburg auf seiner Durchreise sprach, bedauert Popowitsch, nicht rechtzeitig erfahren zu haben, daG Gottsched unter anderem auch aus dem Grunde nach Wien gereist sei, „um von der Slavonischen Sprache einen Begriff allda zu iiberkominen". Er hatte bei etwas langerer Unterhaltung als „geborener Wende dem Herrn Professor die Beziehungen des Wendischen zu orientalischen Sprachen, zum Griechischen, Lateinischen und Altteutschen andeuten und den Hauptunter-schied anzeigen konnen, welcher zwischen dem Slavonischen und dem Wen-dischen ist. Jenes ziehet sich fast mehr auf die Griechische Sprache, dieses auf die Angelsachsische Mundart. Die Sprache meiner Landsleute, der Zillerischen Winden,“ fahrt er fort, „uberzeuget mich augenscheinlich, daG der Sitz unserer Voreltern an der Ostsee gewesen, davon doch die Nachkommen izt durch eine so groGe dazwischen liegende Strecke von Teutschland abgesondert sind. Denn wir haben iiberaus viele Worter in unserer Mundart, welche in der Sprache derjenigen Teutschen, die mit uns in einerlei Gegend leben oder unsere Nach-barn sind, sich gar nicht finden, allein die unter einerlei Laute und Bedeutung im Danischen, Schwedischen, Englischen, wie auch in dem Hollandischen angetroffen werden.“ Nach Anfuhrung von Beispielen, um zn zeigen, daB slavvische Sprachen „nicht allein zn etymologischen Untersuchungen AnlaB geben, sondern auch zur Erlauterung des Teutschen und anderer Europaischen Sprachen nicht ohneVorteil zn gebrauchen sind“, erbietet sich Popowitsch, die oftmals unrichtigen Herleitungen im Wachterischen Glossarium „durch Beihilfe der Wendischen Sprache, wie auch aus derjenigen Teutschen Mundart, die einigen Gelehrten eines besondern Geschmacks uberaus lacherlich scheinet“, an vielen Stellen zn bessern, ja um die Halfte zn vermehren (Seiten b, c). Damit ist Popowitsch bei einem in seinen „Untersuchungen vom Meere“ wieder-holt ausgesprochenen Lieblingsgedanken angelangt: das ist bei der Ausvvertung der oberdeutschen Mundarten, wie sie in Steiermark, Osterreich, Bayern usw. gesprochen werden, fiir das Hochdeutsche. Das konnte dadurch den Schliissel zur etymologischen Erklarung mancher Ausdriicke und eine Bereicherung des Sprachschatzes gevvinnen und dann so manches Fremdwort als uberfltissig ausscheiden. Popowitsch verlieB Regensburg Ende 1749 und nahm dann kiirzeren Aufenthalt in Nurnberg. Hieher fiihrten ihn alte Beziehungen zur Kosmo-graphischen Gesellschaft, deren Mitglied er war, und hier wurde ihm durch die Hochherzigkeit der Besitzer die ungehinderte Benutzung bedeutender Haus-bibliotheken ermoglicht, unter welchen er jene des Prodirektors der genannten Gesellschaft und die an naturwissenschaftlichen Werken reiche des Arztes Hofrat Treu besonders hervorhebt. Im Laufe des Jahres 1750 kam er endlich in Leipzig an, wo er bestens aufgenommen wurde; bei Professor Kappe fand er freie Wohnung und Tisch, im Hause des Hofrats Menke schrieb er Bespre-chungen fiir die Acta Eruditorum, mit Gellert verbrachte er Tage und Nachte in Unterredungen iiber die deutsche Sprache. Mehrere Hefte mit Aufzeich-nungen haben sich erhalten und Berufungen auf Gellert finden sich auch als eigenhandige Nachtrage im Handexemplar der „Untersuchungen“, das nun die Nationalbibliothek zu Wien verwahrt. Zwischenhinein kamen Ausfliige nach Halle, Jena und die nachsten Umgebungen, teils zur Erholung, teils zu wissen-schaftlichen Zvvecken; eine Einladung zum Besuch der Karpathen, die ihm 1751 zukarn und reiche botanische Ausbeute verhieB, mufite leider, wie die Acta Eruditorum melden, unterbleiben, weil die angebotenen Reisemittel nicht zureichten. So verlebte Popowitsch in anregender Umgebung an drei Jahre zu Leipzig, nutzte aber auch die Zeit, um Beziehungen mit auswartigen Gelehrten zu pflegen und machtige Gonner sich zu sichern. Einen beilaufigen Uberblick bietet uns eine eigenhandige Aufzeichnung aus dieser Zeit mit den Namen derjenigen, an welche Popowitsch seine im Selbstverlag erschienenen „Unter-suchungen vom Meere“ sei es als Geschenk, sei es zum Vertrieb senden vvollte. Wir entnehmen daraus,1 daB er ein Widmungsexemplar mit Begleit-schreiben seiner hochverehrten Kaiserin Maria Theresia, ein zvveites ihrem Minister Graf Ulefeld vorzulegen gedachte, daB er Beziehungen zn van Swieten, Reichsgraf Seckendorf, dem Bischof von Gurk, Graf Thun, zum Stift Studeniz suchte, nebstdem aber auch den Staatsrechtslehrer von Ickstadt, den Heidel-berger Kanonisten Dr. Hut, Gottsched, die Grafen von Schrottenbach und Sauer und andere mehr auf seine Liste setzte. Den Antrag, als Sekretar bei dem kaiserlichen Gesandten zn Venedig einzutreten, lehnte er aus Bedenken gegen die Wasserverhaltnisse ab. Dann aber kamen im Jahre 1753 zugleich zwei Ein-ladungen, die ernstere Erwagung erheischten: die eine aus Mtinchen bot ihm die Schriftleitung der „Auserlesenen historischen alten und neuen Nachrichten von bayerischen Staatsmerkwiirdigkeiten“ an, \vurde aber abgelehnt; die andere, ein Ruf nach Wien, den Erzbischof Trautson vermittelt hatte, wurde mit Freuden angenommen. III. In Wien hatte Popowitsch sein Lehramt an der Universitiit unter sehr schvvierigen Verhaltnissen angetreten. Die Errichtung einer Lehrkanzel fiir deutsche Sprache oder fiir deutsche Beredsamkeit, wie es damals hieB, hatte Gottsched hier im Jahre 1749 durchgesetzt und sie einem seiner Anhanger, dem Kameralisten Justi, zu verschaffen gewufit. Es muBte Popowitsch gewiB zu bober personlicher Befriedigung gereichen, daB man beim Abgang Justis nicht abermals einen „Herrn Gottscheder11, sondern ihn berief, der auf das dringende Bediirfnis eines Lehrstuhls fiir deutsche Sprache in Osterreich schon seit Jahren aufmerksam gemacht hatte und ebenso fiir eine grofiere Beriick-sichtigung des Oberdeutschen neben dem Sachsischen mit Schrift und Wort eingetreten war. Freilich muBten auch Hindernisse tiberwunden werden, die man sich heute sch\ver vorstellen kann. Im Vorbericht zu seinen „Unter-suchungen vom Meere“ erwahnt Popo\vitsch, daB er aus Landern komme, „deren Lehrer selbst nicht wissen, Teutsch zu schreiben, in deren Schulen von der Verbesserung der Landsprache und der Ausiibung einer zierlicheren Teutschen Redart mit keinem Worte gedacht wird“. Mache man die Jesuiten auf den Mangel dieses Unterrichts an ihren Gymnasien aufmerksam, so erhalte man die Antvvort, „ihre Pflicht \vare, die lateinische Sprache zu lehren, wer 1 Dies Verzeichnis in Handsclirift 12.784 der VViener Nationalbibliothek auf dem ersten vollen Einstofiblatt enthillt mehrere gestricliene (im Abdruck durch * bezeichnete) Namen: Seckendorf Schr(eiben); Swieten; Priilat Schott; Kaiserin, Schr(eiben); Bendel; Drumel(?); Fembo; *Studeniz; *Schrottenbach; Grimm 2; Rudolphus Frater; Bischof Thun; Richter Lic.; Drager; *Thun; Silber; Mayrn Gesandter; Ickstadt; Kapp 6; Dr. Huth; Critico 1; Schwabe 2; *Sauer; Gottsched 1; Roseng. Gesellschaft; *P. Gregorio 6; Vilesi primo 1, den 18. Jiinner 3; *P.Priori 6; Ulefeld 1; Lect. minor 1; Augspurg Mayr und Consorten 1; Ortetib. 11; Schultheifi 1; Pamersperger 1; *Pistoring; Rudolph Schrottenbach; und *Sigmund 1; Den 30. Dec.P. Gregorio 16, solvit 2, manet 14; Den 31. Dec. 4; *manent 11 Wien; *Miinchen solutum; Monath primo 6, deinde iterum 6; Den 16. Febr. D8hr 6; Deinde 8 vel vide epistolam; B. Zehmen Lipsiae; Thierheim L. Hallensibus XII. Auf einem vorgeklebten Zettel stelien: *Fontane; Pridat Grofi, Hradischt; *Briinn. nicht Teutsch verstiinde, der soli sich von einem Teutschen Schulmeister unterrichten lassen“ (dazu U. 310). Es fehlte ferner an einer fiir die Bediirfnisse der kaiserlichen Erblande eingerichteten deutschen Sprachlehre. Popowitsch selbst hatte sich seine Kenntnisse wahrend seiner Studienzeit nur durch Lesen verbotener deutscher Werke verschafft und bekennt (U. 403), dab er „kein ganzes Jahr auf die Erlernung der Hochteutschen Sprache verwandt habe“. Demungeachtet hatte er sich schon ums Jahr 1740 mit dem Gedanken getragen, einen Unterricht zu schreiben, „wie die Steyermarker und Osterreicher die grobsten Provinzialfehler in Hochteutschen Schriften venneiden sollen" (314, 404), er wurde jedoch durch Abmahnungen Gottscheds an der Vollendung gehindert, der von diesem Plane durch einen gemeinsamen Gonner beider erfahren hatte (U. 312). Diese Vorarbeiten und den seither gesammelten Stoff benutzte nun Popovvitsch, um der bei seiner Berufung iibernommenen Ver-pflichtung nachzukommen, welche von ihm die Ausarbeitung einer deutschen Sprachlehre fiir den Bedarf der osterreichischen Schulen forderte. Die Sache selbst wurde ihm jedoch nicht leicht gemacht. Obwohl Popowitsch in der Erfullung seiner Amtspflichten peinlich genau war und seine im Oktober 1753 sowohl an der Universitat als an der Theresianischen Ritterakademie auf-genommenen Vorlesungen groben auberen Erfolg hatten, so waren die Anhanger Gottscheds (darunter die vielen Informatoren, welche der Meister seit Jahren in den ersten Familien Osterreichs untergebracht hatte) sofort am Werk, ihm Verdrub zu bereiten. Da Popowitsch mit vielen Protestanten im freundschaft-lichen Verkehr gestanden hatte und zur Bestatigung einzelner Sprachregeln die Bibeliibersetzung Luthers anzufiihren unbefangen genug war, so benutzte man dies, um seine kirchliche Gesinnung zu verdachtigen. Man veriibelte ihm die scharfen Auberungen gegen die Jesuiten ebenso wie den Vorwurf, den er in Unmut gegen ein bekanntes Benediktinerkloster erhoben hatte, es tiber-lasse seine Bibliothek „lieber den Motten, welche bereits einen guten Teil zu schanden gefressen haben“, als Leuten, die daraus etvvas zu lernen ver-langen usw. Durch diese und ahnliche Wiihlereien brachte man es dahin, dab die Zensurbehorde einschritt und das Hauptwerk unterblieb, welches Popowitsch tiber die deutsche Sprache schreiben wollte. Erschienen sind nur 1754 unter gleichem Titel „Die nothwendigsten Anfangsgriinde der Teutschen Sprachkunst zum Gebrauche der Osterreichischen Schulen" zwei Werke von sehr ver-schiedenem Umfang. Das grobere, das, die Vorrede von 48 Seiten ungerechnet, 496 Seiten 8° umfabt, bezeichnet sich als „auf allerhochsten Befehl heraus-gegeben von Joh. Siegm. Popowitsch, k. k. offentlichen Lehrer der Teutschen Beredtsamkeit auf der Wienerischen hohen Schule wie auch Herzoglichen in der Savoyisch-Liechtensteinischen Akademie", das andere mit 4 Seiten Vorrede und 148 Seiten Text, gleichfalls Taschenformat, labt den Satz „auf allerhochsten Befehl" und die Lehrerschaft am Theresianum weg und ersetzt ihn durch die Worte „und der Herzoglichen Teutschen Gesellschaft zu Helmstadt Mitgliede". Uber die Veranlassung zu dieser sonderbaren Doppelausgabe wird erziihlt, dab die Gegner den kaiserlichen Auftrag zumVorwand nahmen, um zu erwirken, dafi Popowitsch die Ausgabe der Sprachlehre bogenweise veranstalte, um eine raschere Verbreitung dieses notwendigen Buches in der Bevolkerung zu er-leichtern. Die ersten Bogen der umfangreicheren Ausgabe, vorerst ohne Titel und Vorwort erschienen, gingen bei den biirgerlichen Buchbindern Gebriider Grundt, welchen Popowitsch den Vertrieb seiner im Selbstverlage hergestellten „Anfangsgrunde“ iibertragen hatte, reifiend ab. Selbst Leute, welche zur Hefe des Volkes gehorten, nahmen gleich zehn bis zwolf Exemplare auf einmal ab, nach dem zehnten Bogen blieben jedoch die Kaufer mit einem Male weg und nun ergossen sich Flugschriften ilber Flugschriften voli des gemeinsten Spottes tiber das titellose \Verk.1 Obwohl diese Angriffe vielfach mifibilligt wurden und die „Gottingischen gel. Anzeigen11 beispielsweise schon am 6. Juni 1754 erklart hatten, sie „ob ihrer unanstandigen Schreibart11 nicht ferner erwahnen zu wollen, so fanden diese Schmahschriften andererseits vielen Beifall. Gott-sched selbst besprach sie nicht blofi riihmend, sondern rtickte sogar ein Mach-werk, das neben Popowitsch auch Klopstock biibisch verunglimpfte, in sein „Neuestes aus der anmutigen Gelehrsamkeit11 vollinhaltlich ein. Einen Angriffspunkt bildete vor allem der von Popowitsch schon in seinen „Untersuchungen vom Meer“ (S. XVIII ff.) ausgesprochene und begriindete Satz, dafi das unvollstandige lateinische Alphabet, auf welchem das deutsche beruhe, nicht zur Wiedergabe mancher im Volksmunde oder in anderer Sprache vor-kommender Laute ausreiche. Allein, da man sich „einmal in den Kopf gesetzt, von der Zahl der lateinischen Buchstaben nicht abzuweichen, so hat dieser lacherliche Zwang mit der Notdurft, die neue Buchstaben erforderte, die saubern Mifigeburten des ch, des sch, des tsch in der deutschen Schreibart ausgeheckt; ferner das c, nachdem die eigentumliche Aussprache dieses Buchstaben ver-mifit worden, wie zu einem Pamphil oder Wenzel im Trischackspiele gemacht, das ist, man hat diesem Zeichen, welches das eigentliche k der Lateiner vor-stellen und diesen Dienst in Gesellschaft aller Buchstaben vertreten solite, beinahe in einer jeden neueren europaischen Sprache das Vermogen einen andern Laut auszudriicken, und vor oder nach anderen Buchstaben auch besagte Gewalt von neuem zu verandern eingeraumt!" Popowitsch beschrankte sich in seiner fiir Schulzwecke geschriebenen Sprachlehre darauf, das ch, sch, tsch als eigene Mitlaute anzufiihren, und liefi sich, wie unbefangene Gegner seiner Ansicht selbst zugaben, „nicht ein Wort davon entfahren, diese Buchstaben mit neuen Zeichen" zu versehen. Die in den „Gottinger gelehrten Anzeigen" vom Jahre 1754 auf Seite 351, 467, 588 von verschiedenen Kritikern nieder- 1 Ein solches Erzeugnis ist beispielsvveise das schon am 6. April 1754 in den »Gottinger gelehrten Anzeigen11 (S. 351) namhaft gemachte „Sendschreiben an Herrn Jacob Imanuel Wachtlern ilber einige neue Entdeckungen in der nOtigen Verbesserung und Erneuerung der deutschen Sprache von J. G. Glasern (Grimm in Regensburg?), das fiir das noch ungetaufte Werk den Titel vorschlug: Popowitschische Teutsche Sprachkunst, das ist Wurmsamen eines Crainers fiir seines gleichen, welche der Wurm einer Crainerisch- oder Gotscheberisch-Teutschen Sprache sticht". Ein Sendschreiben ahnlichen Inhaltes veroffentlichte der Schauspieler Weiskern (Ver-fasser der bekannten Topographie von Niederbsterreich) unter dem Decknamen Philipp Zesen, und ihm folgten noch andere. gelegten Besprechungen riihmen im ubrigen iibereinstimmend den Wert der Popowitschischen Sprachlehre, welche vor allem den unnotigen Gebrauch von Fremdwortern oder ganz veralteten Ausdriicken, wie auch schlechter Neu-bildungen und unverstandlicher Perioden tadle und besser „als irgend eine andere uns bekannte deutsche Sprachkunst" geeignet sei, die eigentiiinlichen Fehler der osterreichischen Mundart anzuzeigen und zu verbessern. „Seinem vollstandigeren Werk von der deutschen Sprache sehen wir nach Durchlesung dieser Anfangsgriinde no eh begieriger als vorhin entgegen. Es verlautet aber,“ heiBt es in einer Zuschrift vom 6. Juni, „daB dieses zu Wien in der Zensur Anstofi gefunden babe, weil darinnen bisweilen zur Bestatigung der Sprach-regeln die Lutherische Bibeliibersetzung angefiihrt war. “ Durch die geschilderten Umstande erkliirt sich, wieso Popowitsch dazu gekommen ist, zwei so verschiedene Ausgaben seiner „Anfangsgriinde der Teutschen Sprachkunst" im gleichen Jahre unter gleichem Titel zu veroffent-lichen. Er begann mit der grofieren Ausgabe, entschloB sich aber, als die Stockung nach dem zehnten Bogen eintrat, vorerst einen gekiirzten AbriB zu vollenden und diesen, der den Titel „Die notwendigsten Anfangsgriinde der Teutschen Sprachkunst11 bekam, sofort als Buch in den Han del zu bringen; ausgefiihrt sind jedoch auf diesen 148 kleineren Seiten in neun Hauptstiicken nur die Lehre von den Buchstaben und von der Beugung der Redeteile, also dasjenige, was schon die Anfanger wissen sollen, fleifiige Lesung des hier mitgeteilten Auszuges werde ausreichen, um die haufigsten Fehler zu ver-meiden, vvelche man in den Schriften der Osterreicher antrifft, damit wird „schon ein Vieles, ja das Meiste ausgerichtet sein, und die auswartigen Verachter der Osterreichischen Schreibart sollen auch bald schweigen, wenu man nur das Izt gedachte auf unsern Schulen erst die Jugend lernen laBt . . . Es soli aber die Fortsetzung meiner Bemiihungen ftir die Aufnahme der Teutschen Sprache in unsern Gegenden gleichwohl nicht ausbleiben, zumal wenn Beifall und Zufriedenheit mich kraftiger dazu aufmuntern werden.“ Diesem Versprechen gemafi setzte Popowitsch seine Arbeiten an seiner „weitlauftigeren Auflage" fort, „welche die Lehrer zur Hand haben miifiten11, und vollendete sie noch im gleichen Jahre, behielt jedoch den Titel „Notwendigste Anfangs-griinde“ bei, weil ihm damals die Herausgabe eines noch grofieren Werkes iiber die deutsche Sprache vorschwebte. Die Vollendung dieser „deutschen Sprachkunst" unterblieb leider, \veil, wie schon ervvžihnt, Zensurschvvierigkeiten eintraten, und Popovvitsch h at spater im Lehramt nur noch den „Entwurf einer Abhandlung von deutschen Briefen" 1760 bei Trattner drucken lassen, der bloB zum Gebrauch bei seinen Vorlesungen bestimmt war. In der Vorrede beklagte er hier, wie mangelhaft die Kenntnis der deutschen Sprache in Osterreich sei im Vergleich gegen altere Zeiten, selbst gegentiber der Kanzlei Kg. Rudolfs I. und der damaligen Hofschreibart, ein Gedanke, dem er schon friiher (U. 310) Ausdruck gegeben hatte. Die Vorlesungen, welche Popowitsch durch 14 Jahre fortsetzte, tibten, wie Kaltenbaeck hervorhebt, nicht nur auf Studierende, sondern auch auf altere Staatsbeamte, welche sich dabei zahlreich einfanden, den erfreulichsten EinfluB aus. Gewissenhafter als er bat wohl nie jemand seinem Berufe gelebt. Er versaumte keine Stunde, bereitete sich auf jede sorgfaltig vor und arbeitete zu Hanse unausgesetzt. Wahrend seiner ganzen Lehrtatigkeit verlieB er Wien nur zweimal, im Herbst 1764, um die Umgebungen des Neusiedler Sees kennen-zulernen, und 1765, um den Grimming zu besteigen und sein vaterlandisches Herbar zu vervollstandigen. Dabei liatten schon 1763 korperliclie Leiden be-gonnen, die ihn 1768 zur Niederlegung des Lehramtes notigten. Mit 400 fl. Ruhegehalt, den ihm die Kaiserin bewilligt hatte, zog er sich nach Perchtolds-dorf, wo er ein Haus mit Weingarten kaufte, den er mit einer Mauer umgeben lieB, um ungestort zu sein. Er lebte allein und ohne Bedienung und bearbeitete auch selbst den Weingarten. Selten einmal kam er noch nach Wien, dann aber saB er wieder ganze Nachte iiber den Biichern seiner Freunde. Er scheint damals sich viel mit landwirtschaftlichen Fragen beschaftigt zu haben; seine letzte, 1770 in den Schriften der kurpfalzisch physikalisch-okonomischen Ge-sellschaft als preisgekront veroffentlichte Arbeit handelt, als Frucht seiner Reisen und Beobachtungen, tiber den Mergel und andere Angelegenheiten des Ackerbaues. August 1773 zeigten sich unverkennbare Spuren der Abzehrung, der er am 21. November 1774 erlag. Er ruht zu Perchtoldsdorf unweit der prunkvollen, 1812 errichteten Grabstatte der Familie Regenhart im eigenen Grabe, das, wie er es selbst angeordnet, von unten bis oben ausgemauert war und auf einem kleinen Denkstein die Inschrift trug: POPOVI1! QUOD FUIT. MDCCLXXIV. IV. Der Grabschrift, welche mit ihrem Popowitsch quod fuit die Ruhestatte der irdischen Reste des Verstorbenen bezeichnet, setzen wir hier ein Popowitsch quod est, eine Wurdigung des Unverganglichen gegentiber, das uns als Ergebnis seiner Lebensarbeit erhalten geblieben ist. Popowitsch der Mensch war eine seltene Erscheinung. Ungewohnliche Begabung und rastloser Fleifi verbanden sich bei ihm mit grofier Herzensgute. Ungltickliche zu unterstutzen und Bedrangten Hilfe zu bringen war — wie Kaltenbaeck meldet — die einzige Leidenschaft, die er hatte. Dabei war er von grofiter Wahrheitsliebe, weder Ansehen noch Vorteil konnten ihn be-stimmen, dem erkannten Recht oder der Wahrheit zuwiderzuhandeln. An dem vaterlichen Glauben hielt er unverbriichlich fest, war aber dabei unbefangen genug, offentlich anzuerkennen, wie viel er Protestanten schulde, „die mir grossere Ehren erweisen, als diejenigen unter welchen ich bisher gelebet habe; die mir in der Not mit Ratschlagen, mit Biichern, mit Gelde aushalfen, nicht als wenn ich aus einer ihrer Stadte biirtig und ein Mitglied ihrer Kirchen-gemeinde, sondern ein Kind dieser meiner Wohltater ware. Ich finde unter ihnen ebenso redliche Herzen und wahre Freunde, als unter meinen Religions-verwandten, allein ungleich weit mehrere und groBere Liebhaber wie auch Beforderer der Gelehrsamkeit als in der Heimat“ (LXXIV). Die auBeren Formen des geselligen Lebens sind Popowitsch allerdings fremd geblieben, er war von jungen Jahren an ein Sonderling und ist es zeitlebens geblieben. Verstofie gegen das gesellschaftliche Herkommen zahlen zu den Hauptinangeln, die man ihm vorwarf. Er selbst kannte diese seine Unvollkommenheit und suchte sie mit den Worten zu entschuldigen: Einem Menschen, der sich in Wissenschaften vertieft, mufi man vieles verzeihen. Sein Kopf ist meist auf seinen Gegenstand gespannt, er vergifit in seiner Einode auf das, was die meisten hochschatzen, und schiitzt hoch, was die meisten nicht kennen. Wie an seinem Glauben, hielt Popowitsch auch an seinem Vaterlande und an seiner Heimat fest. Er war ein iiberzeugter Osterreicher und Untersteirer durch und durch. Dem Herrscherhause war er treu ergeben. Es sind keine leeren Redensarten, wenn er Jahre bevor er die Wiener Lehrkanzel erhielt, von der Kaiserin Maria Theresia als seiner „allergnadigsten Frau“ spricht oder die Verdienste Kaiser Karls VI. um die Verbesserung des Verkehrswesens riihmend hervorhebt (36, 318). Bitter empfand er es „als patriotischer Oster-reicher11, dafi sein Vaterland, „das vor einigen Jahrhunderten der Stolz der teutschen Gelehrsamkeit gewesen, seit 150 Jahren eine teutsche Barbarei und ein Gegenstand Obersachsischer Spottereien geworden“ sei (310). Als Popovvitsch 1749 bei einer fliichtigen Begegnung mit Gottsched auf dessen Prage, ob er studiert babe, dies mit dem bejahte, er hatte in Graz alle Schulen durchgegangen, schmerzte ihn die hochmiitige Gegenbemerkung nicht wenig, „das ware nichts, die Universitaten in Osterreich, in Bayern, ja in ganz Oberteutschland waren sehr schlecht bestellt11. Wohl mufite er den elenden Zustand des damaligen Unterrichtsvvesens in Osterreich selbst zugeben, allein es i'eizte ihn, seinem Gegeniiber den Beweis zu liefern, dafi es trotz jenes Mangels doch Gelehrte bei uns geben konne. „Ich konnte demnach eine so schone Gelegenheit nicht vorbeilassen, diesem beriihmten Gelehrten eine Probe von meiner Physik vorzu-legen, die ich, wo nicht in den Schulen, dennoch seitdem durch eigenes Nach-lesen gelecnt habe“ (U. 194/195). Popowitsch war unstreitig als Sprachforscher seiner Zeit weit vorausgeeilt. Seine Feststellung, dafi der mit ein und demselben Buchstaben bezeichnete Laut, zum Beispiel das a oder e, bis zu vier Abstufungen habe (89a, 269, 286, 313), wurde zwar in den Besprechungen riihmend erwiihnt, allein sein Vorschlag, zur Unterscheidung Beizeichen zu vervvenden, wie solche heute in sprach-wissenschaftlichen Werken ohneweiters zugelassen sind, wurde nicht beachtet. Sein Nachweis, dafi slawische Sprachen die Einfuhrung einiger neuer Zeichen ins Alphabet erheischen (XVIII, 286...), ein Erfordernis, dem bekanntlich im 19. Jahrhundert entsprochen wurde, hat ihm pobelhafte Verspottung einge-tragen, weil seine Gegner das falsche Geriicht verbreiteten, er, der Winde, habe deren Einfuhrung ins Deutsche beabsichtigt. Dabei war in Wirklichkeit Popowitsch der Zeit nach der erste entschiedene Vorkampfer der hochdeutschen Schriftsprache in Osterreich (U. 310, 404). Nicht, dafi er darum seine Herkunft jemals verleugnet hatte, er betont oft und unbefangen, dafi er ein geborener Winde sei und das Hochdeutsche nachgelernt habe (XVIII, 36, 337, 403. S.). Seine Muttersprache blieb ihm, solange er lebte, lieb und wert, er wurde nicht miide, ihre Schonheiten zu preisen und ihre Bedeutung fiir sprachgeschichtliche Untersuchungen hervorzuheben. Er war aber auch iiberzeugt, daB in Oster-reich, seinem geliebten Vaterland, diesem wichtigen Teile des Romisch-deutschen Reichs, das Deutsche nach der geschichtlichen Entwicklung und den Bevolke-rungsverhaltnissen als einigendes Band nicht zu entbehren sei. Von diesem Gesichtspunkt aus ist nun auch sein Kampf mit Gottsched zu beurteilen. Er war keineswegs „der unverschamte Beschnarcher11 des Meisters, als den ihn der neueste Lebenschilderer Gottscheds, Reichel, hinstellt, der tibrigens zu-geben mufi, daB Popowitsch „ein kluger und vielseitig gebildeter Mann war, der nur die Kluft, die ihn von Gottsched trennte, nicht anerkannt habe“ (II, 707 u. 65), sondern die Sache verhalt sich schier umgekehrt. Popowitsch be-stritt das Verdienst Gottscheds um die Ausbildung des Hochdeutschen keines-wegs, das er im Gegenteil anerkannte. Was er bekampfte, war nur der un-glilckliche Versuch, die Schriftsprache unter Zuriickweisung aller oberdeutschen Mundarten von der Donau bis an den Rhein (421) einzig und allein auf dem Obersachsischen aufzubauen. Sein Kampf galt ferner den vielen Fremdvvortern, die das Hochdeutsche damals noch verunzierten, obwohl sie sich, wie Popowitsch nachwies, vielfach ausmerzen liefien, sobald man das ungehobene Sprachgut heranzog, das in der kernigen Volksprache noch verborgen lag (88, 314a). Wahrend die Anhanger Gottscheds das von ihrem Meister Geschaffene fiir unverganglich ansahen und den Gedanken entsetzt zuriickwiesen, seine „aus-geschmiickte Schreibart11 konnte jemals veralten, stand es fiir Popowitsch fest: „Die Sprachen verandern sich bestandig wie die Gebrauche, wie die Kleider-trachten“ (Vorrede, 6). Wenn diese Leute vom Werte der oberdeutschen „Mundarten einen besseren und gesiinderen Begriff, in die Geschichte und in das Altertum der Teutschen Sprache tiberhaupt mehr Einsicht hiitten,11 meint Popowitsch, „so wiirden sie wahrnehmen, dafi ein Bauer in Bayern, Oster-reich, Steyermark und so in den iibrigen oberteutschen Landschaften noch vieles beinahe auf die Art vorbringt, wie man zu Willerams Zeiten in Teutsch-land gesprochen hat.“ (S. c. 2.) Popowitsch hat demnach im Geburtsjahr Goethes genau die gleichen Gedanken und Stimmungen ausgesprochen, welchen dieser in seinen 1811 begonnenen Lebenserinnerungen (Aus meinem Leben, Dichtung und Wahrheit, 6. Buch) bei Schilderung der Schwierigkeiten, die ihm sein Oberdeutsch wahrend der Leipziger Studienzeit bereitete, mit den Worten Aus-druck gegeben hat: „Jede Provinz liebt ihren Dialekt; denn er ist doch eigent-lich das Element, in welchem die Seele ihren Atem schopft. Mit welchem Eigensinn aber die Meifinische Mundart die iibrigen zu beherrschen, ja eine Zeitlang auszuschliefien gewuBt hat, ist jedermann bekannt. Wir haben viele Jahre unter diesem pedantischen Regimente gelitten und nur durch vielfachen Widerstreit haben sich die samtlichen Provinzen in ihre alten Rechte wieder eingesetzt.“ Popowitsch war indessen nicht blofi ein ausgezeichneter Sprachgelehrter, sondern ein ebenso tiichtiger Naturforscher, obwohl ich mir hier versagen mufi, auch diese Seite seiner wissenschaftlichen Leistungen eingehend zu besprechen. Namentlich war ihm aber bei der Beobachtung von Schwammen der Begriff der Entwicklung gelaufig gevvorden, der ihn zn mancherlei Ein-v/endungen gegen Linne und sein kiinstliches Pflanzensystem veranlaBte, andererseits aber seine sprachgeschichtlichen Untersuchungen befruchtete. Gern und oft \viederholte er darum den Satz: Die Naturgeschichte leidet wegen der Sprache und diese wegen jener. Der Naturforscher verlaBt sich auf den Sprach-forscher und dieser auf jenen. Weder der eine noch der andere wird aus dem Wuste der Verwirrungen herauskommen, wenn nicht starke Sprachforschung und starke Naturforschung in einem Manne zusammentreffen. So hatte ich in Umrissen den Lebenslauf und das Lebenswerk eines be-deuteuden Mannes aus Untersteiermark vorgefiihrt, der von seinen Zeitgenossen haufig verkannt, kurz nach seinem Tode durch die Stimme offentlicher Blatter gen Himmel gehoben und bald darauf scheinbar fiir immer vergessen wurde. Zur Erganzung des Bildes seien noch einige seiner kennzeichnenden Ausspriiche hier angeschlossen: Gegen die nicht bloB von den Jesuitenschulen vertretene Ansicht, daB man „wie ehedessen alle Wissenschaften nur aus der lateinischen und griechi-schen Sprache holen konne“, heiBt es (410): „Nein, das Blatt hat sich seit etlichen Jahrhunderten ganz umgewandt. Izt sind die Barbaru der Romer das gelehrte Volk, die Teutschen, deren Vorfahren man zur Last leget, daB sie nicht schreiben konnten, streiten nun mit allen Volkern um den Vorzug in der Gelehrsamkeit." „Die Muttersprache war bei den Romern und ist bei den Franzosen eines der grofiten Staatsgeheimnisse. Vorlangst mahntenyLeibniz und Pufendorf die deutschen Staatsmanner daran. Das Geheimnis besteht in einer zweifachen Sorge: in der Sorge fiir die Ausbildung und Verbreitung der Muttersprache und in der Sorge fiir Einschrankung, AusschlieBung und wo mogliche Unter-driickung einer fremden — besonders der Sprache eines benachbarten und machtigen Volkes!“ „Ich habe ohne Ausnahme richtig gefunden, ein Deutscher, der das Franzosische stark liebt und zu verbreiten sucht, hat einen seichten Kopf und ein kaltes Herz fiir sein Vaterland.“ Solite der Mann, der solches vor mehr als 170 Jahren schrieb, veroffent-lichte und mit seiner Personlichkeit deckte, heute wirklich schon veraltet sein? A. Luschin-Ebengreuth