Der ßeilige Vater Pius X. hat der Redaktion, den Hbonnenfen und Wohltätern den flpoltoliithen Segen erteilt. Für Wohltäter werden wöchentlich zwei heilige [Hellen gelelen. Mit Empfehlung der hochwürdiglfen Oberhirten von Brixen, Brünn, Sraz, heifmerilz, liinz, Olmülj, Marburg, Crienf, Uriels und Wien, Beit 2. Februar 1927. XXX. Bahrgang. □□ 1 Apostolische prafektur Lydenburg. (FUIgememe Übersicht.) Von Br. August Sagol, F. S. C. X 1 J Die Apostolische Präfektur Lydenburg im östlichen Transvaal, das Arbeitsfeld der Missionäre Söhne des heiligsten Herzens Jesu, hat einen Flächeninhalt von 83.033 Geviertkilometern, ist also ungefähr so groß wie das heutige Österreich. Während aber dieser zugestutzte Bundesstaat noch an sieben Millionen Einwohner zählt, haben wir deren hier aus der gleichen Flächenausdehnung nur annähernd eine halbe Million, nämlich 80.000 Weiße und 400.000 Schwarze. Diese Menschen, alle Ebenbilder des einen Gottes, pflegen sehr verschiedene Arten der Gottesverehrung. Unter den Weißen sind etwa 1100 Katholiken, ebenso viele Lutheraner, 1800 Presbyterianer, 3000 Methodisten, 7000 Anglikaner, 62.000 Kalvinisten und 2000 Juden. Außerdem gibt es Anhänger einer ganzen Zahl kleinerer Sekten. Die eingeborenen Bantu sind zum Teil noch heidnisch, zum Teil sind sie von einzelnen christlichen Sekten gewonnen worden, von denen Lutheraner, Methodisten und Kalvinisten den größten Anhang haben. Während die Protestanten seit Jahrzehnten ungehindert in diesem Gebiete arbeiteten, konnte die katholische Mission des ausgedehnten Apostolischen Vikariats Transvaal nur zwei Priester für diesen Teil zur Verfügung stellen, weshalb sich unter den Schwarzen nur sehr wenige Katholiken, meist nur Eingewanderte, befinden. Doch steht die „Kirche von Rom" in hohem Ansehen auch bei den protestantisch beeinflußten Negern, eine Wirkung der gesegneten Tätigkeit der Mariann-hiller Missionäre. Zum letzten Teile gehören die Eingeborenen Südafrikas sogar schon eigenen „Bantukirchen" an, die von unternehmenden Führern angesichts der im protestantischen Sektenwesen herrschenden Verwirrung, in Nachäffung europäischer Nationalkirchen und auch aus Abneigung gegen die verhaßten Weißen, die selbst nicht nach ihrer Religion leben, gegründet wurden. Die Anhänger dieser Eingeborenenkirchen befinden sich allerdings meist in den großen Städten, mit denen der Lyden-burger Missionssprengel glücklicherweise nicht gesegnet ist. Hier seien einige Namen von „Bantukirchen" wiedergegeben: „Kirche Christi", „Brüder Christi", „Natürliche Kirche von Äthiopien", „Christ-katholisch-apostolische Kirche in Sion", „Pfingstheiligkeit", „Afrikanisch-bischöfliche Methodistenkirche", „Orden von Äthiopien", „Melchisedech, König von Salem", „Vereinigte Äthiopisch-katholische Kirche von Südafrika", „Christlich-katholischeKirchein Übereinstimmung mit Eingeborenensitte", „Kirche Christi für die Union (von Südafrika) und Schutz der Bantusitte". Diese Namen führen eine beredte Sprache. Außer aufrichtigem religiösen Empfinden ist unverkennbar der tiefe Wunsch nach Anerkennung der Eigenart und Menschenwürde des von Anhängern christlicher Kirchen des zivilisierten Europa entrechteten Eingeborenen, der sich ausdrückt in den Bezeichnungen „Übereinstimmung und Schutz der Bantusitte" und „äthiopisch". Das Wörtchen „katholisch" wird vielfach auch von protestantischen Sekten zur Begründung der „Wahrheit" ihrer Lehre beansprucht und ist so von den schwarzen Religionsstiftern mitübernommen worden. Diese Eingeborenenkirchen können wahres Christentum nur in Verruf bringen und find nicht imstande, wohltätigen Einfluß auf unbekehrte Eingeborene auszuüben. Unter den gebildeten Schwarzen befindet sich bereits eine Anzahl, die sich von der Religion überhaupt losgesagt haben. Eine ernste Gefahr ist der Islam, der an der afrikanischen Ostküste immer mehr nach Süden und von der Küste aus immer mehr ins Landesinnere einbringt. Die Präfektur Lydenburg umfaßt zwölf politische Distrikte, nämlich Lydenburg, Pilgrims' Rest, Barberton, Belfast, Bethal, Carolina, Ermelo, Piet Reties, Standerton, Wakker-stroom, Middelburg und Witbank. Der Name des ältesten Ortes mußte auch zur amtlichen Bezeichnung des kirchlichen Sprengels dienen. 1. Lydenburg. Lydenburg (spr. Leedenbörg) war der Sitz einer der vier alten Burenrepubliken (außer. Potchefstroom, Utrecht und Zoutpans-berg). 1847 hatte der Burenführer Hendrik Potgieter sich mit seinen Leuten hier niedergelassen, und die junge Ansiedelung erhielt wegen der blutigen Bedrängung durch die Zulu den Namen „Stadt der Leiden". Heute ist Lydenburg ein beschauliches, schmuckes Laud--dorf von etwa 1100, meist burischen Einwohnern, das, in der weiten Talsenkung westlich der Drachensberge gelagert, aus dem dichten Grün seiner üppigen Gärten traulich hervorlugt. Hier sind gegen 50 Katholiken, deren Seelsorge ein Pater versieht. Seit etwa 30 Jahren befindet sich am Orte eine Niederlassung von „Loreto-Nonnen", dem irischenZweige der „Englischen Fräulein", die eine vorzügliche Schule mit großem Internat leiten. Vor acht Jahren wurde an das Kloster eine größere Kapelle angebaut, die auch als Pfarrkirche dient. Eine Wegstunde westwärts von Lydenburg befindet sich die Missionsfarm Maria-Trost. Hier ist Eingeborenenmission. Infolge der hierzulande geübten scharfen Scheidung zwischen Weißen und Schwarzen war der Erwerb dieser Farm eine .Missionsnotwendigkeit, denn nur durch Sicherung eines Grundbesitzes kann Fuß gefaßt werden zur Missionierung der Schwarzen. Jeder Farmbesitzer hat das Recht, Eingeborene auf seinem Grund und Boden anzusiedeln, deren Zahl Beschränkungen unterliegt und sich natürlich nach der Größe des Grundbesitzes richtet. Die Farm ist 573 Kapmorgen oder 490 Hektar groß und wird von drei Büchen durchflossen, von denen einer einen künstlichen Teich speist, der abgelassen und zu Bewässerungszwecken sowie zum Betriebe einer kleinen Mühle verwendet werden kann. Auf Maria-Trost wohnen 18 eingeborene Familien, die mit den auf den Nachbarfarmen ansässigen Schwarzen den Gegenstand der Missionstätigkeit bilden. Die Bantu sind cm prächtiger Menschen- | schlag. Heiter, gutmütig, gastfreundlich und bedürfnislos, leben sie ohne viel Sorgen für die Zukunft. Sie haben ein großes Verlangen nach Schulbildung und fetzen ihren Ehrgeiz darein, j es den Weißen in Wissen und Können nachzutun. Seit kurzer Zeit sind drei der so ausgezeichnet wirkenden Missionsschwestern vom „Kostbaren , Farm eine ganze Anzahl von Bauten entstanden, außer Kirche, Schule und Schwesternbehausung ein Wohnhaus, eine große Schreinerwerkstatt mit Maschinenbetrieb, eine Mühle und verschiedene kleinere Räume, die zweckentsprechend zerstreut, unter den hohen Baumgruppen Hervortugen und den Eindruck eines stillen Dörfchens Hervorrufen. Blute" auf Maria-Trost tätig und leiten die Schule, unterstützt von drei eingeborenen Lehrerinnen. Als erprobte Missionärinnen verkehren sie gleich mit den Schwarzen in ihrer Sprache. Sie lehren die Mädchen nebenbei Haus- und Handarbeiten, Körbe und Matten flechten u. dgl. m. Es herrscht da emsiges Treiben ohne Hast unu Überstürzung in Schule, Kirche und Hof, das Ganze umschlossen von langen Reihen schaltiger Schwarzrindenakazie:' Im Verlaufe von zwei Jahren sind auf der Im ausgedehnten Lydenburgcr Distrikte gibt es noch ganz heidnische Volksteile, so die Bapedi im nordwestlich gelegenen Sekukun aland. Der Häuptling dieses Zweiges der B a s u t o hatte selbst Missionäre verlangt und zwar ausdrücklich katholische. Von der Missionsleitung aus wurden auch bereits zwei Erkundungsreisen ins Sekukunaland unternommen und bei der Regierung in Pretoria die Niederlassungserlaubnis nachgesucht, die anfänglich erteilt, dann aber zeitweilig wieder aufgehoben wurde: man will erst Bohrversuche auf Platin anstellen im Lande der Bapedi; wenn diese'erfolgreich sein sollten, dann müßten die Eingeborenen wahrscheinlich ihre gegenwärtigen Wohnsitze verlassen, um anderswo angesiedelt zn werden. 2. Pilgrims' Rest. Der große Lydenburger Distrikt wurde vor mehr als einem Jahre geteilt und die östliche Seite als neuer Distrikt Pilgrims' Rest abgetrennt. Der Hauptort gleichen Namens mit einer Bevölkerung von etwa 500 Weißen, darunter 60 Katholiken, besteht seit 1873 als Mittelpunkt des reichsten Alluvialgoldfeldes. Hier wurden im angeschwemmten Erdreich Klumpen von mehreren Psunden und Kilogrammen des gleißenden Edelmetalles gesunden; der größte hier gefundene „Nugget" wog gar über 6 kg. Heute ist es mit märchenhaften Alluvialfunden aus und vorbei, und der Goldabbau beschränkt sich auf die Gewinnung des im harten Gestein eingesprenkelten Golderzes. Im Distrikt von Pilgrims' Rest befinden sich auch noch heidnische Neger, und zwar im Osten gegen die Grenze von Portugiesisch-Ostafrika hin. Hier befindet sich auch die Regierungsfarm Rolle und die große Sabiewildschonung, die ein Nationalwildpark oder natürlicher Tiergarten werden soll. 3. Barberton. Im südlich gelegenen Distrikte Barberton besitzt die Mission im gleichnamigen Haupt-vrte eine kleine Pfarrkirche mit Priesterwohnung für die Seelsorge der kleinen katholischen Gemeinde von etwa 80 Seelen. Barberton ist ein anderes Goldgrüberstädtchen, das vor etwa 40 Jahren ins Dasein trat. Seinen Namen erhielt es nach einem Brüderpaare „Barber", den Entdeckern eines Goldlagers. Mit der Entdeckung der wichtigsten Goldgrube, der „Sheba- mine", begann das Goldfieber, und Goldgräber strömten von allen Seiten zu, so daß die junge Stadt binnen einem Jahre 8000 Einwohner zählte. Fast gleichzeitig wurden die reichen Johannesburger Goldfelder entdeckt, und die Bevölkerung Barbertons nahm allmählich wieder ab; sie zählt heute 1200 Weiße. Das hübsche Städtchen liegt im anmutigen, von hohen, grünbewaldeten Bergen, den Ausläufern der Drachenskette, eingerahmten De-kaaptal und ist unbestreitbar der schönste Ort der Präfektur. Heute geht die Goldgewinnung Barbertons in ruhigen, gewerbsmäßigen Bahnen vor sich. Außer Gold wird Asbest von vorzüglicher Beschaffenheit gefördert. Neben dem Bergbau wird int Barbertoner Distrikt der Landwirtschaft im allgemeinen und dem Baumwollbau im besondern immer mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Die Alluvialebenen der beiden Flüsse Komati und Lomati machen diesen Distrikt, der sich dazu eines milden, fast subtropischen Klimas erfreut, zum fruchtbarsten der Präfektur. Barberton liegt nur etwa 20 km von der Grenze des Swazilandes entfernt. Aus diesem Umstande ist es erklärlich, daß die Mehrzahl der in und um Barberton bedien-steten Schwarzen dem Stamme der Swazi oder Baswazi angehört, deren Sprache eine Zulumundart ist. Sie sind ein schöner, verständiger Menschenschlag und leben in ihrer Heimat, dem 17.290 km2 großen Swaziland, das britisches Schutzgebiet ist, unter einem gemeinsamen König oder Oberhäuptling, namens Sobhuza. Lomawa, die Königsmutter, gilt als eine sehr kluge und tatkräftige Frau. Ihr wird das Geheimnis der regenbringenden „Medizin" zugeschrieben. Zur Zeit der Trockenheit kommen viele Eingeborene mit Geschenken zu ihr, nicht nur aus dem Swazilande, sondern auch von fernen Gegenden und flehen sie an, Regen zu machen. Lomawas kräftiger „Medizin" wird die ziemlich hohe jährliche Regenmenge des Swazilandcs zugeschrieben. 4. Belfast. Im letzten Jahre wurde Belfast eigener Distrikt durch Lostrennung von Gebietsteilen der umliegenden Distrikte. Belfast ist der am zentralsten gelegene Ort der Präfektur, zugleich Knotenpunkt der Flügelbahn nach Lydenburg. Er ist sehr hoch gelegen, 1971 m über dem Meere, ein beliebter, kühler Sommeraufenthalt. Nach einem Regen, auch im Hochsommer, wird es hier gleich so kalt, daß man einheizen muß. 5. Bethal und Carolina. Bethal und Carolina sind kleine, weniger wichtige Distrikte, die hauptsächlich Landwirtschaft und Viehzucht betreiben. 6. Ermelo. Ermelo ist einer der größten Orte der Präfektur mit 3000 weißen Einwohnern, vorwiegend Buren. Hier sind an 60 Katholiken. Die bayrischen Dominikanerinnen haben hier ein großes Grundstück angekauft, um später eine Klosterschule zu errichten. 7. Piet Relief. Der Distrikt Pie t Re tief im äußersten Südosten der Mission weist viele deutsche Farmer auf, ausschließlich Nichtkatholiken. 8. Standerton und Wakkerstroom. Der Distrikt Standerton schließt das Tal des Vaalstusses ein, und der Distrikt Wakkerstroom stößt daran; beide Bezirke sind stark von burischer Bevölkerung durchsetzt, deren Vorfahren sich hier gleich nach Überschreitung des Baal niederließen. 9. Middelburg. Middelburg mit etwa 70 Katholiken besaß vor Jahren ein kleines katholisches Kirchlein, das abbrannte. Die Gläubigen planen, mit der von der Feuerversicherung erhaltenen Summe und anderen gesammelten Geldern eine neue Kirche zu bauen. Auch wünschen sie dringend die Niederlassung eines weiblichen Ordens zwecks Eröffnung einer Klosterschule für die zahlreiche Jugend. Middelburg ist hübsch gelegen an einem kleinen Zufluß des Olifant, der zu einem künstlichen See aufgestaut ist. Das Gottesgericht oder die Unschuldsproben bei den Eingeborenen Afrikas. Bon Hochw. P. Bernhard Zorn, F. 8. C. Was man unter „Gottesgericht" zu verstehen hat, dürfte zur Genüge bekannt sein. Jedenfalls wird aus den angeführten Beispielen aus dem praktischen Leben hiesiger Eingeborener das Wesen desselben klar werden. In allen Fällen handelt es sich um wirkliche oder vermeintliche Verbrecher oder aus Haß und Neid fälschlich angeklagte Neger. Auf außergewöhnliche Weise, sagen wir besser durch Eingreifen höherer Mächte, sollen sie ihre Unschuld beweisen. Es ist klar, daß diese Art von Gerechtigkeit nicht die wahre sein kann, da sie, von anderen Gründen ganz abgesehen, meist auf Aberglauben beruht undvonverschiedenenLeiden-schaften diktiert und geleitet, nicht zum vorgeschützten Ziele führen kann. Die Opfer sind gewöhnlich schon endgültg verurteilt, bevor die Probe noch begonnen. Die Giftprobe. Jemand soll ein Verbrechen begangen haben und wird deshalb beim Häuptling angeklagt. Ich will einige von den gewöhnlich vorgeschützten Verbrechen anführen. Einem Anhänger oder Verwandten des Häuptlings stirbt plötzlich eine Frau oder ein Kind oder es wird das Vieh krank: da muß Zauberei im Spiele sein ober ein böses Auge! Der oder die Schuldige muß herausgefunden werden! Oder die bevorzugte Frau eines Potentaten bleibt fruchtlos: Eine Nebenfrau muß sie aus Rache verhext haben. Der Zauberer muß die Schuldige herausfinden. Er oder der Leidtragende bezeichnet stets diejenige als verdächtig, die er am wenigsten leiden kann, die er vielleicht schon lange aus dem Wege schaffen wollte. Häufiger noch wird r?=Si ! Dosis des zubereiteten Giftes zu sich zu nehmen. I Ist sie unschuldig, so wird ihr gesagt, so könne ihr ja kein Gift schaden, da höhere Mächte es ihr unschädlich machen würden. Ist sie hingegen schuldig, so müsse sie ihre Strafe dafür empfangen und sterben Nur durch ein Wunder oder durch sonderbaren Zufall kann das Opfer gerettet werden: zum Beispiel, wenn die Person zufällig zum Erbrechen geneigt ist. Aber auch in diesem Falle, d. h. wenn sie diesmal die Gift- Swazineger. jemand beschuldigt, wenn dem Häuptling selbst irgend ein größeres Unglück trifft. Das sind dann gewünschte Gelegenheiten, sich unliebsamer Personen unter dem Scheine der Gerechtigkeit zu entledigen. Also der Zauberer kommt und, wie ihm gewöhnlich vorher angedeutet worden, bezeichnet er irgend jemand als verdächtig. Dieser wird vorgeladen, sich zu einer bestimmten Stunde an einem bezeichneten Ort einzufinden. Gewisse, sehr giftige Kräuter sind schon vorbereitet. Erscheint die bezeichnete Person, so wird ihr kurz ihr wahres oder erfundenes Verbrechen vorgehalten. Sic wird aufgefordert, eine starke probe besteht, ist sie nicht für immer ihres Lebens sicher; denn bald wird man sie unter irgend einem Vorwände einer anderen Probe unterwerfen, der sie dann unfehlbar erliegen wird. Einmal scheint wirklich ein Wunder geschehen zu sein. Eine christliche Frau wurde aus Haß wegen ihres Glaubens eines abscheulichen Verbrechens angeklagt und zur Giftprobe gezwungen. Sie beteuerte hoch und standhaft ihre Unschuld, so gut sie konnte; man glaubte ihr nicht. Sie mußte sich der Probe unterwerfen. Im Vertrauen auf Gott und ihre Unschuld nahm sie das Gift, nachdem sie zuerst das heilige Kreuzzeichen dar- über gemacht und sich dem Schutze der allerseligsten Jungfrau, die ja der Schlange den Kopf zertreten, anempfohlen hatte. Sie verspürte nicht das geringste Unwohlsein und wurde wirklich als ganz unschuldig entlassen. Ja, man staunte sehr über ein solches Wunder und sie gewann die Achtung aller Anwesenden und derer, die davon Kenntnis erhielten. Dies war natürlich nur eine wunderbare Ausnahme. Hunderte gehen bei solchen Gottesgerichten elend zugrunde. Das wäre aber noch nicht das Schlimmste, wenn die Opfer bald sterben würden. In den allermeisten Fällen nimmt sie das Gift nur jo stark her, daß sie unfehlbar für ihr ganzes Leben ruiniert sind. Sobald man sie als verloren ansieht, schleppt man sie hinaus in den Wald oder aufs freie Feld und überlaßt sie ihrem Schicksal. Keine Speise, kein Wasser, nichts wird ihnen gegeben. Niemand, selbst die nächsten Verwandten nicht, nimmt sich eines so Verurteilten mehr an, und so müssen sie elend zugrunde gehen: verhungern oder verdursten, wenn sie nicht von wilden Tieren verzehrt oder von den Ameisen langsam aufgefressen werden. Und das nennt man „Gottesgericht" oder „Unschuldsproben"! Kochendes Waffer. Noch grausamer ist die Probe mit kochendem Wasser; nicht tu dem Sinne, weil die Opfer sicherer dabei sterben, sondern weil sie mehr und länger leiden müssen, bevor sie sterben können. Der Prozeß ist folgender: Die angeklagte Person muß mit einer Bürde Holz auf einen freien Platz mitten im Dorfe gehen, wo der Zauberer den Häuptling, die interessierten Personen und viele Neugierige versammelt hat. Der Zauberer ist abscheulich und bunt mit allem Möglichen und Unmöglichen geschmückt, so daß er in den Augen der Eingeborenen einem übernatürlichen Wesen ähnlich erscheint. Auf drei Steinen steht ein großer, irdener Topf, bis an den Rand mit Wasser angefüllt. Kommt der Angeklagte (oft sind es auch mehrere zugleich) an, so wird er in den Kreis, ganz nahe an den Topf geführt. Das mitgebrachte Holz wird unter den Topf gelegt, angezündet, und so lange davon nachgelegt, bis das Wasser stark siedet. Jetzt nimmt der Zauberer (bei den Zulukaffern „isangomä“ genannt) einen kleinen, runden Stein aus seiner Tasche, zeigt ihn unter höhnischen Lächeln den Zuschauern und läßt ihn langsam ins kochende Wasser fallen. Der Angeklagte, oder wenn deren mehrere sind, jeder der Reihe nach, muß mit der bloßen Hand und nacktem Arm in das siedende Wasser greifen und den Stein herausnehmen. Ist dies geschehen, untersucht der Zauberer Hand und Arni, um zu sehen, ob irgend eine Verletzung vorhanden. Natürlich ist das immer der Fall. Ist die Probe ungünstig ausgefallen, so muß der für schuldig Befundene zuerst den Zauberer gut bezahlen. Dann wird er vom Häuptlinge nach dessen Gutdünken verurteilt; entweder zum Tode durch Gift, Dolch oder Lanze oder auf irgend eine andere Weise. Bemerkt muß werden, daß nicht alle zum Tode verurteilt werden. Ist das Opfer reich an Rindern, hat es begehrenswerte Töchter oder einen guten Viehstand, so interessieren diese Sachen den Häuptling mehr. Er schenkt dem Opfer großmütig das Leben, nimmt ihm dafür jedoch alles oder fast alles weg. Das ist oft härter und beschämender, um so härter und demütigender, je reicher und angesehener das Opfer früher gewesen. Mitunter gelingt es einigen, nachdem sie merken, daß sie sich bei der Probe die Hand verbrannt, schnell die Flucht zu ergreifen und wirklich zu entkommen. Dadurch retten sie zwar momentan ihr Leben, doch bleiben sie gewöhnlich für immer ruiniert, da ihre Flucht als sicheres Zeichen ihrer Schuld angesehen wird. Der Häuptling nimmt sofort Haus und Hof und alles, was jener besessen, und erklärt ihn als geächtet. In diesen Fällen dürste es schwierig sein, auch nur eine Spur von Gerechtigkeit zu ent- decken. Und doch gibt es noch immer gescheite Europäer, die behaupten, man möge die Schwarzen sich selbst überlassen, ihnen keine Kultur aufdrängen, auch keine neue Religion; sie seien, so wie sie sind, zufrieden und glücklich. Feuerprobe. Wilde Tiere und auch großes Edelwild Pflegen einen Ort zu haben, wo sie sich mit Vorliebe versammeln und gewöhnlich für längere Zeit aufhalten. Solche Stellen sind z. B- eine dichtstehende Baumgruppe, ein Tälchen, das mit dichtem Strauchwerk und hohem Gras bewachsen ist. Auch mitunter ein kleines Hochplateau, das rings herum steile Abhänge hat und so eine ziemlich sichere Stellung bietet. Von Zeit zu Zeit werden solche Plätze von den Eingeborenen belagert. Man könnte dieses mit unseren wohlbekannten Treibjagden vergleichen. Der Zweck ist auch derselbe: um recht viel Wild (Fleisch) zu bekommen oder dem zu schnellen und gefährlichen Zuwachs Einhalt zu tun, dann auch, und das nicht an letzter Stelle, aus Vergnügen am Sport. Wie sangen sie das an? Lange vorher wird viel dürres Gras, Reisig und trockenes Holz gesammelt und fast wie zufällig um die gedachte Stelle herumgelegt. Sind alle Teilnehmer benachrichtigt und haben sich alle mit Lanzen, Speeren, Bogen und Pfeilen versehen, so umstellen sie den Ort. Auf ein gegebenes Zeichen — nicht früher und nicht später! — müssen alle ringsherum gleichzeitig Feuer anlegen, das bald hoch auflodert und die Tiere erschreckt. In wilder Verzweiflung rennen sie durcheinander und jedes sucht nach einem Ausweg. Aber es gibt keinen! Überall ist Feuer, die Gefahr gleich groß. Viele kommen im Feuer um. Die größten und mutigsten wagen den Ausfall, werden jedoch leicht von den sie umzingelnden Eingeborenen niedergemacht, wenigstens verwundet, und ein verwundetes Wild finden die Eingeborenen immer, wenn auch erst nach ein paar Tagen sorgfältigen Suchens! Nun kommt es aber auch vor, daß das ganze Unternehmen entweder ganz oder doch zum großen Teil mißlingt. Wer ist schuld daran? Gewöhnlich einer oder mehrere, die aus Unachtsamkeit oder auch wohl aus übergroßem Eifer oder gar aus Bosheit das Feuer an einer Seite zu früh oder zu spät anzündeten. Das Wild sieht oder wittert das Feuer, es rennt vereint nach der entgegengesetzten Seite, wo es natürlich durch- und davonkommt, wenn nicht alle, so doch die meisten. Das ist erklärlich: da sie so zahlreich, der Treiber aber auf jener Seite zu wenig, können letztere der Situation nicht mehr Herr werden und, nachdem sie erlegt, was sie konnten, beginnt die Jagd auf die schuldigen und fahrlässigen Jäger. Natürlich müssen sie dort zu finden sein, wo das Feuer zu früh oder zu spät angezündet wurde. Hat man sie gefunden, werden sie vor eine Art Kriegsgericht gebracht. Da müssen sie nun Rede und Antwort stehen. Um die „Wahrheit" zu erfahren, wird gewöhnlich für dieses Vergehen die Feuerprobe angewendet. Meist wird der Zauberer gerufen (manchmal aber sitzt der Häuptling selbst zu Gericht). Man nimmt einen starken Feuerbrand aus der Glut. Die Verdächtigen müssen mit der Zunge so lange und so oft den glühenden Teil des Holzstückes belecken, bis die Glut ganz ausgelöscht ist. Ist auch keine Spur von Feuer mehr zu sehen, so tritt der Richter hinzu, untersucht zuerst das Holz, ob auch wirklich kein Funke mehr daran ist, und dann die Zunge des Delinquenten, ob sie in keiner Weise verletzt ist. Dann folgt das Urteil. Fast immer ist das Opfer so hart mitgenommen, daß es den Folgen der Brandwunden bald erliegen muß! Ist das nicht der Fall, so wird es entweder doch gemordet oder im günstigsten Falle so schwer an Hab und Gut geschädigt, daß es nie wieder auf einen grünen Zweig kommen kann. Heft 2 Stern der Neger 25 BOB L Umschau. BOB Rundschreiben des Heiligen Vaters über die Kirchenverfolgung in Mexiko. Am 18. November v. I. hat Pius XI. an die Erzbischöfe und Bischöfe des Erdkreises ein bedeutungsvolles Rundschreiben über die Kirchenverfolgung in den mexikanischen Staaten erlassen. Mexiko zählt 15 Millionen Katholiken. Seit Amtes gehindert, mißhandelt, eingekerkert und erschossen. Zeitungsnachrichten besagen, daß bereits 102 Priester das Leben verloren haben. Auch die meisten Bischöfe befinden sich in staatlichem Gewahrsam. Sogar die pästlichen Gesandten wurden des Landes verwiesen. Die katholischen Schulen und kirchlichen Anstalten find geschlossen. Das gesamte Eigentum der zwei Jahren steht an der Spitze dieses Bundesstaates Elias Calles, ein eingefleischter Bolschewist. Anfänglich Schulmeister, später Revolutionsgeneral und Gouverneur, gebärdete er sich von jeher als wütender Kirchenhasser und gewalttätiger Katholikenverfolger. Nachdem er am 1. Dezember 1924 sein Amt als Bundespräsident angetreten hatte, unternahm er alsbald die Durchführung der freimaurerischen Kulturkampfgesetze der Verfassung von 1917, die jedem göttlichen und menschlichen Gesetze hohnsprechen. Die katholischen Priester und Ordensleute wurden teils aus dem Lande vertrieben, teils an der Ausübung ihres heiligen Kirche verfiel der Beschlagnahme. Keine katholische Zeitung darf mehr erscheinen. Nach der Geistlichkeit wendet sich die Wut der Verfolger namentlich gegen die katholischen Vereine und Organisationen. Wie viele treue Katholiken schon ihr Leben eingebüßt haben, läßt sich infolge der Abschließung des Landes von der Außenwelt und der unglaublichen Verlogenheit der mexikanischen Machthaber nicht feststellen. Raub, Plünderung, Vergewaltigung und Mord sind an der Tagesordnung. Obwohl man mit allen Mitteln der Gewalt eine Kirchenspaltung hervorzurufen bestrebt ist, bleibt das Volk im Glauben standhaft und bietet wie eine feste Mauer dem Sturme der Verfolgung Trotz, ja viele Laue und Gleichgültige bekunden jetzt einen unerwarteten religiösen Eifer. Außer Sowjetrußland, das zahlreiche Juden nach Mexiko entsendet, bildet fraglos die Freimaurerei eine Hauptstütze des mexikanischen Diktators und seiner Regierung. Die Loge der Vereinigten Staaten hat erklärt, daß nebst den Vorgängen im Völkerbund nichts sie so sehr interessiere als die kulturkämpferischen Maßnahmen ihres Günstlings Calles und sie dankte dem nordamerikanischen Präsidenten Coolidge dafür, daß er sich in die mexikanischen Verhältnisse nicht einmische. Haarsträubende Sakrilegien werden gegen das Allerheiligste Altarssakramcnt verübt. In Noria de Angeles entriß beispielsweise ein Offizier dem Priester das Gefäß mit den heiligen Hostien und verzehrte sie auf öffentlichem Platze zugleich mit Sardinen. In seinem Rundschreiben belobt der Heilige Vater die Glaubenstrene und Leidensstärke der mexikanischen Katholiken und zollt den katholischen Organisationen, vor allem denKolombus-rittern, seine höchste Anerkennung. Mit Genugtuung betont der Papst, daß von den 4000 Priestern nur der eine oder andere sich unwürdig erwiesen habe. Er ermahnt Priester und Volk zur Ausdauer und Geduld und weift sie hin auf die göttliche Verheißung des Endsieges der Kirche in allen Zeitstürmen. Auch die Kardinäle, Erzbischöfe und Bischöfe Nordamerikas haben ein gemeinsames Hirtenschreiben veröffentlicht, in dem sie das ungerechte und unehrliche Vorgehen der mexikanischen Regierung brandmarken und die Verdienste der Kirche um die Kultivierung und Zivilisierung Mexikos in das gebührende Licht rücken. Gesamtzahl der Katholiken. Nach einer englischen Zusammenstellung beträgt die Zahl der Katholiken 324,328.000; davon leben in Europa 190,779.000, in Amerika 112,790.000, in Asien 15,416.000, in Australien 2,070.000, der Rest 3,273.000 entfiele auf Afrika. Die Zeitschrift für Missionswissenschaft (Heft 2, 1926) beziffert die afrikanischen Katholiken der Pro-pagandagcbiete auf 2,704.149 und verzeichnet für Gesamtafrika 4,015.332 Getaufte. Wachstum der Kirche in England. Während die Bevölkerungsziffer seit 1870 von 20 Millionen auf 38 Millionen, also um 90 Prozent gestiegen ist, weist der katholische Volksteil eine Zunahme von 170 Prozent auf. Diese erfreuliche Tatsache findet ihre Erklärung in den vielen Übertritten von der englischen Landeskirche zur katholischen Mutterkirche. Im Jahre 1925 erfolgten bei 12.000 Übertritte. Eine französische Quelle berechnet die Zahl der Katholiken im eigentlichen England auf 1,965.782, in Schottland auf 601.304, in Irland auf 3,242.670. Das gesamte britische Weltreich zählt 38 Erzbischöfe, 117 Bischöfe und 14,960.742 Katholiken. Die Missionsgebiete der deutschsprachigen Glaubensboten. Im verflossenen Jahre waren den reichsdentschen, österreichischen und deutschschweizerischen Missionären 43 selbständige Missionsgebiete zugeteilt und zwar 14 Apostolische Vikariate, 17 Apostolische Präfekturen und 12 Missionen. Von diesen Missionsgebieten liegen 11 in China, 6 in Japan und Korea, 3 auf den Philippinen, 4 in Beanien, 13 in Afrika und 6 in Amerika. Das Missionspersonal belief sich auf 584 Priester, 452 Laienbrüder und 1076 Schwestern. Da jedoch sehr viele deutschsprachige Glaubensboten unter ausländischen Missionsleitungen arbeiten, so dürfte die Gesamtsumme rund 750 Priester, 600 Brüder und 2500 Schwestern ausmachen. Die Katholikenziffer wurde auf 805.113 errechnet; davon sind 420.000 Weiße. (Katholische Missionen, Dezember 1926.) Asien. Ant 25. Dezember ist der Kaiser von Japan gestorben. Iosihito war der 123. Herrscher des Landes der aufgehenden Sonne. Sein Nachfolger, der Erbprinz Hiro-Hito, hatte bei seinem Aufenthalt in Europa 1921 eine Audienz bei Papst Benedikt XV. Der verstorbene Kaiser zeigte während des Weltkrieges keine Feindseligkeit gegen die deutschen Glaubensboten. Sie konnten sowohl der Seelsorge als auch der Schultätigkeit obliegen. Nach dem Kriege schickte er einen Gesandten nach Rom, um mit dem Heiligen Stuhle die Angelegenheiten der deutschen Missionäre zu regeln. Die japanische Regierung bestritt auch die Reiseauslagen spanischer Missionäre und leistete Beisteuern für Kirchen und Kultzwecke. (Osser-vatore Romano Nr. 300.) Australien. Bis zu dem 1928 in Sidney stattfindenden Eucharistischen Kongreß sollen drei neue Dome fertiggestellt werden. Das abgelaufene Jahr brachte viele neue Schulgründungen der verschiedenen Orden. Von besonderer Bedeutung sind die Industrieschulen der Josefsbrüder. Die Zahl der Priester beläuft sich auf 1413. Alljährlich gehen aus den Seminarien rund 200 Neupriester hervor. Amerika. Im Jahre 1918 wurde in den Vereinigten Staaten der Missionskreuzzug der katholischen Studenten ins Leben gerufen. Sein Zweck besteht in der geistigen und materiellen Förderung des Missionswerkes. Welch herrlichen Eifer die Studenten an den Tag legen, zeigt die der Vatikanischen Missionsausstellung überreichte Statistik, woraus wir auszugsweise entnehmen, daß die Mitglieder des Verbandes 2,464.690 heilige Kommunionen, fast 9 Millionen Messen, an 7 Millionen Rosenkränze und viele Millionen von sonstigen Gebeten, von Abtötungen und Erholungsstunden für die Missionen aufgeopfert und einen Geldbetrag von 572.162 Dollar gesammelt haben. Der Missionskreuzzug zählt 412.000 Teilnehmer. (s—~ d £)er Zauberer der Gahlri. ^ Eine Erzählung aus Kamerun von P. Johannes Edmonts S. C. J.*) Vb (Fortsetzung.) P. Breuer hatte entsetzt den Ausführungen zugehört. Es wirbelte ihm im Kopf. So etwas hatte er nicht für möglich gehalten. Ulambi sollte ein Mörder sein? Gewiß war der Knabe zu allerhand Streichen fähig, aber Mörder war er ganz sicher nicht geworden! »Ist denn keine andere Erklärung zu finden?" fragte ganz tonlos P. Breuer, der das Ungeheuerliche gar nicht fassen konnte. „Eine andere Möglichkeit? Ich wüßte nicht welche", ent-gegnete der Missionsobere. „Alles spricht gegen den Bahiriknaben. Niemand zweifelt daran, daß er die schandvolle Tat vollbrachte." — »3ch aber wohl. Die Verdachtsgründe sprechen zwar stark gegen ihn, aber es kann nicht sein." »So, nun geh in dein Zimmer und ruhe dich aus", sagte begütigend P. Hermanns zu feinem Mitbruder. Wie gebrochen wankte der heiingekehrte Missionär in sein Zimmer und wgte sich angekleidet auf sein Bett. Schlafen konnte er nicht. Von einer Seite wälzte er sich auf die andere. Er stöhnte auf vor Weh und Leid. So schwer war ihm noch me gewesen. Noch ein anderer fand in dieser Nacht keine Ruhe: Majiko, sein Boy, der von den schwarzen Schülern der einzige war, mit dem Ulambi freundschaftlich verkehrte und von dem er eine Belehrung und einen stillen Verweis annahm. Majiko hatte den Pater auf seiner Reise begleitet und saß mit den anderen Boys in der Küche. Mitten in seiner lebhaften Schilderung der Reiseerlebnisse erinnerte er sich Ulambis und fragte: „Aber Lenjo, wo ist denn Ulambi? Ist er krank? Over hat ihn P. Hermanns fortgeschickt?" — „Nein, das nicht, er ist weder krank noch wurde er fortgeschickt. Er ist fortgegangen und nach Bahiri zurückgekehrt. Wir sind froh, daß er fort ist!" — „Hat er wieder einen dummen Streich verübt?" — „Einen sehr dummen, und es war gut, daß er sich fortmachte. Den Zenjo hat er heimlich 9 Mit gütiger Druckerlaubnis der Aachener Missionsdruckerei A.-G., Aachen ffftfilb.). 28 Stern der Neger erschlagen und irgendwo vergraben, niemand weiß, wo." Lenjo erzählte nun den ganzen Hergang der geheimnisvollen Mordtat und schloß dann: „Es ist gut, daß Ulambi nun endlich sort ist. Ich tonnte ihn schon deshalb nicht leiden, weil der Pater Breuer ihn immer bevorzugte." Majiko hatte keine Lust mehr am Erzählen, er legte sich still und nachdenklich zur Ruhe, fand aber keinen Schlaf, weil er sich mit der schrecklichen Mordtat beschäftigte und nachsann, ob das Verschwinden Ulambis nicht auf eine andere Ursache zurückgeführt werden könne. Von der Unschuld, seines Freundes war er überzeugt. „Gewiß, Ulambi war zu allen Streichen fähig, aber zu einer solchen Tat nicht. Im Lande der Schwarzen geschehen seltsame Dinge, bei denen entweder der Teufel oder aber ein Zauberer seine Hand im Spiele hat. Ich werde morgen P. Breuer sprechen, der wird mir recht geben und mit mir suchen. Ulambi hat den Zenjo nicht totgeschlagen. Mögen die anderen sagen, was sie wollen." * * * In Opolinda herrschte recht gedrückte Stimmung. Unter der schwarzen Schuljugend war die Nachricht von der baldigen Abreise des beliebten Lehrers bekannt geworden, der nun mit Hunderten von Fragen bestürmt wurde, ob es denn wirklich wahr sei, ob sich nicht ein anderer Pater für Bahiri finde, ob der Bischof die Versetzung nicht rückgängig machen würde, wenn sie ihm einen langen Brief mit vielen Unterschriften schickten, und dergleichen kindliche Fragen mehr. Waren die Buben unter sich, dann hörte man manchmal den Wunsch, P. Hermanns, der Obere der Mission, möge nur ziehen, aber ihr Pater, ihr guter Lehrer, müsse bleiben. Die Stimmung der schwarzen Buben war leicht erklärlich. P. Breuer, der stets unter der Jugend war, in der Schule, beim Spiel, bei der Arbeit, hatte einen jugendlich heiteren Charakter. Er lachte und scherzte mit den Buben, spielte mit ihnen, als wäre er selber noch ein Bub von zwölf Jahren. Er hatte ein mitfühlendes Herz, und deshalb schlugen ihm auch alle Herzen entgegen, während P. Hermanns ein mehr verschlossener Charakter war, etwas brummig und knurrig, etwas mißtrauisch und unzugänglich. Zwar meinte auch er es gut mit den schwarzen Buben, sorgte bestens für Nahrung Heft 2 und Kleidung, dachte und sann nur auf das Wohl der ihm anvertrauten Station, aber das 1 Herz der schwarzen Jugend gehörte dem Pater Breuer. Und nun sollten sie ihren väterlichen Freund, ihren unentbehrlichen P. Breuer entbehren müssen! Und trotzdem rückte die Zeit des Abschieds immer näher. P. Heilmann, den der Bischof als Ersatzmann schickte, kam schon bald in Opolinda an, mußte sich aber zuerst in die - neue Sprache hineinstudieren. Von P. Breuer wurde er in den Aufbau der Sprache und in den Schulbetrieb sowie in die sonstigen Obliegenheiten seines Amtes eingeführt, und bann war eines Tages der Abschied da, zu dem sogar der Häuptling und manche heidnische Opolinda-leute sich einfanden. Von den Schülern halle mancher eine Träne im Auge. Die beiden Patres und die. ganze Jugend begleiteten den abreisenden Missionär bis zum nächsten Opo-lindadorf, wo er nochmals allen die Hand drückte und die Buben ermahnte, dem Missionsobern sowie dem neuen Lehrer stets folgsam zu sein, da sie mit ebensoviel Liebe und Hingabe wie er auf ihr Wohl bedacht seien. Traurig kehrten die schwarzen Buben nach Opolinda zurück. P. Breuer merkte erst jetzt die Schwere des Abschieds, aber die Hoffnung, bei den Bahiri vielleicht den verschollenen Ulambi wiederzusehen, erfüllte ihn mit neuem Lebensmut. Auch Mojika, der den Pater nebst Kemba und einigen Trägern begleitete, hoffte zuversichtlich, seinen Freund Ulambi bei den Bahiri wiederzufinden und sogar das geheimnisvolle Verschwinden Zenjos aufklären zu können. Nach wie vor glaubte er fest an die Unschuld seines Freundes. 2. Kapitel. Seltsame Entdeckungen. Kurze Inhaltsangabe- Die kleine Karawane hatte einen beschwerlichen Marsch zurückgelegt über hohe Berge und durch tief eingeschnittene Täler, bis sie endlich am Abende des fünften Tages das Schada-gebirge erreichte, das zum Gebiete der Bahiri gehörte, Maopi, der Aufseher der Träger, fand auf dem Wege eine Perlenschnur, die P. Breuer als den Rosenkranz seines Katechisten Zenjo wiedererkannte. Wer hatte den Rosenkranz hier verloren, Ulambi oder Zenjo? Pater Breuer fand keine Erklärung. Sie waren auf der Spur nach den Vermißten, aber er wußte nicht, ob es eine gute war. Majiko hingegen, der Freund Ulambis, war voller Freuds und nur noch mehr bestärkt in seiner Überzeugung von der Unschuld des Bahiriknaben. Er suchte dem Missionär eine Erklärung des geheimnisvollen Verschwindens des Buben zu geben: Vor einigen Wochen waren Bahirileute in Opolinda gewesen, hatten auch mit Ulambi gesprochen und ihn zu überreden gesucht, mit ihnen zu seinem Vater zurückzukehren. Aber Ulambi wollte erst Christ werden und ging nicht mit. War es nun nicht möglich, daß sie nach einiger Zeit zurückgekehrt und den Knaben mit Gewalt entführt, Zenjo aber, der sich der Entführung widersetzte, getötet oder mit sich genommen hatten? P. Breuer hielt diese Erklärung nicht für unmöglich und faßte selbst wieder Hoffnung, seinen kleinen Liebling in Buabengi bei seinem Vater wiederzufinden. Am Abende des fünften Tages lagerte die Karawane bereits im Gebiete der Bahiri auf einer steilen Anhöhe im Walde. Die Träger waren in recht gedrückter Stimmung, denn sie fürchteten den wilden Bahiristamm. „Ja die Bahiri", sagte einer der Leute, „sind keine Menschen! Jedes Kind bei uns weiß, daß sie die alten Leute schlachten und aufessen und daß sie mit dem ebenso häßlichen Stamm der Balwila sich zum dritten Mal wiederholte, glaubte er, den Pater wecken zu müssen. Ein eisiger Schrecken überlief ihn, denn er meinte die Stimme Ulambis erkannt zu haben. „Mein Vater!" sagte er leise, indem er den Pater anstieß. „Was gibt's? Hast du mich geweckt, Majiko?" — „Ja, steh auf! Ich habe die Stimme Ulambis gehört." — „Die Stimme Ulambis? Wo beim?"— „Es war mir, als komme sie unten aus dem Abgrund." Beide lauschten gespannt und aufmerksam hinab in die Tiefe, aber kein Ruf war zu hören. Alles blieb still und ruhig. „Majiko, du hast dich gewiß geirrt." — „Nein, mein Vater, ich habe es deutlich gehört, doch kann es sein, daß es nicht die Stimme ihre Toten austauschen, um sie zu verspeisen. Und nun sollen wir dahin gehen! Ihr werdet sehen, daß das kein gutes Ende nimmt." P. Breuer lachte über ihre Furcht; er wußte, daß die Bahiri keine Menschenfresser waren, und zudem war er vom Häuptling eingeladen worden, eine Station in seinem Gebiete zu Münden. Und schließlich hatte er für den Notfall sein Gewehr, vor dem alle Schwarzen eine unheimliche Angst haben. Er sorgte noch für die Instandhaltung der Nachtfeuer, verteilte die Wachen und hüllte sich zum Schlafen in seine Decken ein. * . @5 mochte in der Hälfte der zweiten Wache fein, die Majiko hatte. Aufmerksam horchte er >n die Nacht hinaus. Auf einmal meinte er eine Stimme zu hören. Gespannt horchte er auf und hörte nach einer Weile die Stimme Zum zweiten Male. Es klang wie das Stöhnen eines kranken Menschen. Und als dieses Stöhnen Ulambis war." Wieder folgte eine lange Pause angestrengten Horchens, und als sich kein Ruf mehr hören ließ, legte sich P. Breuer wieder in seinen Reisestuhl. Kaum hatte er die Augen zugemacht, als das seltsame Stöhnen wieder zu hören war. Schnell sprang der Missionär auf und sagte: „Du hast doch recht gehabt, Majiko, auch ich vernahm nun deutlich den Ruf. Doch kam er nicht von dieser, sondern von der entgegengesetzten Seite. Die Stimme Ulambis war es auf keinen Fall. Ja, ich bin nicht einmal sicher, ob es eine menschliche oder eine Tierstimme war. Wecke schnell, aber leise den Kembä und Maopi!" Zu vieren wollten sie nun die Umgegend absuchen, als der Ruf wieder ertönte, lauter und deutlicher als vorher. Das war eine menschliche Stimme. P. Breuer war unschlüssig, was er tun sollte. Der Ruf war jetzt wieder aus einer andern Richtung gekommen. Sollte vielleicht irgendein feindlicher Anschlag drohen? Zwar hatte es sich angehört, wie wenn ein Mensch in Not ist, aber wie war es dann zu erklären, daß der Hilferuf jedesmal aus einer andern Richtung kam! Es hieß vorsichtig sein. Mit Maopi und Majiko begab der Pater sich auf die Suche. Entschlossen nahm er sein Gewehr zur Hand und drang nach der Seite vor, woher der letzte Ruf erklungen war, fand aber nichts. Da erscholl abermals der Hilferuf, aber diesmal wiederum von einer andern Seite. Schnell eilten die drei nun dorthin, aber auch da fanden sie nichts. Majiko hielt beide Hände an den Mund und rief: „Wer und wo bist tm?" Keine Antwort erfolgte. Alles blieb ruhig. Nach einer Weile wiederholte er: „Wer und wo bist du?" Wiederum ohne Erfolg, es war nichts mehr zu hören und so standen sie vom Suchen ab, es war zwecklos. „Das ist gewiß eine Geisterstimme", sagte Maopi, Führer der Träger; „das nimmt kein gutes Ende, Weißer. Diese geheimnisvollen Rufe bedeuten nichts Gutes, und es ist zu befürchten, daß die Träger nicht weiter mit dir gehen wollen." — „So schlimm wird's nicht sein, Maopi. Ich habe mein Gewehr bei mir." — „Dein Gewehr! Was nützt da ein Gewehr. Willst du etwa die geheime Zaubergewalt, die hier umgeht, erschießen? Sie ist überall und nirgends. Sie steht neben dir und du siehst sie nicht. Sie spricht wie ein Mensch und ist doch unsichtbar wie ein Geist. Dein Gewehr nützt dir nichts." — „Eine solche Zaubermacht muß etwas Grausiges sein, doch glaube ich nicht daran, Maopi." — „Um so schlimmer für dich und uns alle. Jedes Kind in Opolinda weiß, daß die Bahiri Menschenfresser sind, du aber glaubst es nicht eher, als bis du selbst und wir alle mit Haut und Haar verspeist werden." — „Hab keine Angst, Maopi! Von Ulambi weiß ich ganz gewiß, daß die Bahiri keine Menschenfresser sind. Geh nur und leg' dich schlafen, ich werde über euch wachen." Die Leute legten sich wieder neben das Feuer und fielen nach und nach in Schlaf, während der Pater die letzte Nachtwache übernahm und ängstlich auf jedes Geräusch aufpaßte. Ohne Störung ging die Nacht vorüber, und die Sonne rüstete sich zum Aufgang. Nach der heiligen Messe, die im Freien { gehalten wurde, suchten sie die Gegend nochmals ab, fanden aber nichts, was ihnen Ausschluß I über das geheimnisvolle Nachterlebnis gebracht hätte. Aller Voraussicht nach mußten sie bereits gegen Mittag in Buabengi sein. Gewöhnlich pflegte nun P. Breuer zwei Boten voraus- . zuschicken, wenn er auf seinen Reisen in der Nähe eines Dorfes ankam. Aber diesmal wagte er weder dem Majiko noch dem Führer der Träger den Befehl zu geben, es war ihm zu gefährlich. Schon wollte er mit allen zusammen aufbrechen, als der Boy vortrat und sprach: „Wie uns gestern der Führer sagte, werden wir heute gegen Mittag in Buabengi sein. Sonst hast du mich und Maopi immer vorgeschickt, um deine Ankunft dem Häuptling zu melden. Soll denn heute niemand vorausgehen, mein Vater?" „Heute wird es besser sein, wenn ich sofort mitgehe." „Meinst du vielleicht, ich fürchte mich vor den Bahiri?" „Du wohl nicht, aber desto mehr Maopi, der meint, er werde verspeist." „So laß mich allein die Meldung machen, mein Vater! Ich fürchte mich nicht. Ja, ich bin sicher, den Ulambi in Buabengi anzutreffen und brauche nichts zu fürchten. Es ist übrigens besser, daß der Häuptling von deiner Ankunst unterrichtet ist, damit er gleich die Männer des Dorfes zusammenrufen und dich feierlich empfangen kann. Wenn du aber ganz plötzlich kommst und ihn überrascht, wird er das nicht als eine Uuhöflichkeit ansehen?" Da raffte sich Maopi auf und erklärte sich bereit, sich dem Boy anzuschließen. Seine anfänglichen Befürchtungen schienen durch die mutige Entschlossenheit des jungen Burschen ins Wanken geraten zu sein. So gingen denn die beiden der Karawane voraus, die bald nachher aufbrach, aber wegen der schlechten, steilen Gebirgswege nur langsam vorankonnte. 3. Kapitel. Anerwarteter Willkomm. Beschuba, der Häuptling der Bahiri, pflegte morgens gegen neun Uhr die Bahiri zu empfangen und mit Palmwein zu bewirten. Zu diescmMorgenempfangwaren alleBahirimäuncr zugelassen. Tufa, der Zauberer, war diesmal ; auch da und setzte die Bahiri mit einer großen Neuigkeit in Erstaunen: „Häuptling, ich habe einen Traum gehabt." — „So? Hoffentlich war es ein guter. Du willst ihn uns gewiß erzählen. Fang nur gleich an." — „Ich träumte von wilden Tieren, von Schlangen, von unheimlichen Geschichten, die alle ein blutiges Ende nahmen. Wohl jeder träumt einmal solche Geschichten, aber das Seltsame an der ganzen Sache war ein Weißer mit einem schwarzen Bart, der nach jedem Traum auftrat, sein Gewehr anlegte und dann einen Schuß abgab. Und ich sah, wie jeder Schuß einen Bekannten von mir traf. Es war ein schreckliches Bild, das jedesmal sofort verschwand, es war unheimlich." Die Neugier der Zuhörer stieg. „Wißt ihr, wer zuerst von der Kugel des Weißen fiel?" — „Wie können wir es wissen? Erzähle!" — „Das war ich selber. Die Kugel traf mich mitten in den Kopf hinein. Ich war 'wie tot und doch sah ich, was weiter geschah." — „Erzähle, fahre fort!" „Die zweite Kugel traf den Häuptling, die dritte den Ketam, dann wurden viele Bigteute, dann viele Bahirimänner, dann sogar viele Frauen und Kinder erschossen. Jede Kugel traf ihr Ziel, und zuletzt verschwand der Weiße mit einem lauten Lachen und rief: ,Hast du gesehen, Tufa, wie ich schieße, so werde ich es heute tun, wenn ich ins Dorf komme? Ich wurde wach und konnte nicht mehr einschlafen. Der schreckliche Traum raubte mir den Schlaf." Gespannt und aufmerksam hatten die Bahiri dem Erzähler zugehört, der, wie man sah, noch etwas zu sagen hatte, denn er machte noch keine Anstalten, sich aus seinen Platz zu begeben. „Erzähle weiter, Tufa, denn -du bist noch nicht zu Ende." — „Nein, ich bin noch nicht zu Ende. Wenn ich träume und darauf wieder weiterschlafe, dann sind es leere Träume; wenn ich aber nicht mehr einschlafe, dann sind sie gewöhnlich wahr und finden ihre Erfüllung. So war es schon bei meinem Vater, so ist es gewöhnlich auch bei mir, und deshalb glaube ich, daß heute der Weiße von Opolinda nach Buabengi kommt und großes Unheil anstiftet." Der Zauberer hatte ausgeredet. Der Häuptling und die Bigleute sowie die anderen Bahiri schauten sich erstaunt an. Die einen hielten dafür, daß es nur leere Träume seien, aber andere forderten Tufa nochmals auf, ihnen zu sagen, ob er wirklich glaube, daß der Weiße heute ins Dorf komme. „Ja, er wird kommen, denn ich bin nicht mehr eingeschlafen; also sind diese Träume nicht leer!" — „Dann würden wir also heute von den Kugeln des Weißen getroffen werden, ich, Ketam und viele Bahiri?" sagte erschrocken der Häuptling. „Gewiß, alles würde genau so eintreffen, wenn wir den Weißen ins Dorf kommen ließen oder vielmehr, wenn ich das Gewehr des Weißen nicht verzaubere", sagte stolz Tufa. Die Stimmung war trotz der Versicherungen des Zauberers, daß er den Weißen hindern würde, seine bösen Absichten auszuüben, ziemlich gedrückt, und die Palmweindiener hatten nicht viel zu tun. Da trat ein Diener an den Häuptling heran und meldete, daß zwei Opolindaleute begehrten, vorgelassen zu werden. „Das werden gewiß schon die Boten des Weißen sein!" flüsterten die Leute sich zu. Der Häuptling wurde ganz aufgeregt. Nachdem er sich mit den Bigleuten besprochen hatte, ließ er die beiden Boten eintreten, die nach Art und Weise der Opolinda die beiden Hände an die Stirn legten, sich tief verneigten und den Häuptling begrüßten. „Wer seid ihr?" fragte Beschuba. „Opolindaleute", antwortete furchtlos Majiko. „Was wollt ihr von mir?" — „Der Weiße von Opolinda ist auf dem Wege nach hier. Wir melden dir seine baldige Ankunft." Unter den Anwesenden entstand nun eine lebhafte Bewegung. Zornige Worte wurden in die Versammlung hineingerufen. Tufa sprang auf und rief: „So ist mein Traum wahr gewesen, diese Leute bringen schon die Bestätigung. Der Weiße ist bereits auf dem Wege." — „Wahrhaftig, wenn wir nicht wüßten, daß du ein großer Zauberer wärest, so würde dieser Traum es bezeugen", sagte einer der Bigleute. Beschuba erhob seine Hand, zum Zeichen, daß er Ruhe verlange. Dann fragte er Majiko: „Du sprichst unsere Sprache. Wo hast du sie gelernt?" — „In Opolinda. Ich lernte sie von Ulambi, der mein Freund ist." — „Bringt der Weiße ihn mit in seine Heimat?" fragte neugierig Beschuba. „Ich denke, daß Ulambi bereits seit einiger Zeit hier in Buabengi ist. Ich dachte, ihn hier anzutreffen." — „Ihn hier anzutreffen? Ulambi? Der war doch in Opolinda?" — „Gewiß, er war in Opolinda, ist aber nicht mehr dort und muß nun hier sein." Die Bahiri schauten sich erstaunt an, als sie das hörten. Am meisten aber erstaunte Beschuba, der darum eine neue Frage stellte: „So ist Ulambi nicht bei der Karawane des Weißen?" — „Nein." — „Und der Weiße weiß auch nicht, wo er ist?" — „Nein, aber auch er vermutet, daß er hier ist!" — „Dann täuscht er sich oder vielmehr er weiß, daß Ulambi nicht hier sein kann. Er muß dümmer sein als eine Buschratte, daß er annimmt, wir würden diese Redensarten glauben. Schon ehe du kamst, wußten wir, daß Ulambi und noch ein anderer Schwarzer von den beiden Weißen heimlich ermordet wurden!" Beschuba war zornig und aufgeregt von seinem Stuhle aufgesprungen. Die Zornesader schwoll auf seiner Stirn, die Augen funkelten unheimlich. Er preßte die Lippen aufeinander, griff zu seinem Dolch und erhob ihn, als wolle er die beiden Boten damit durchbohren, dann rief er: „Ha, der Mörder! Er soll sich unterstehen, in unser Dorf einzutreten! Der Schurke ermordet meinen Sohn, und dann wagt er auch noch vor meine Augen zu treten!" — „Der Weiße ist kein Mörder!" sagte mutig Majiko und schaute den Wütenden furchtlos an. „Der Weiße ist der beste Mensch, den es gibt. Er liebte Ulambi, als wäre er sein eigener Sohn, und wird nicht ruhen, bis er das geheimnisvolle Verschwinden aufgeklärt hat." —• „ Allerdings, geheimnisvoll ist das Verschwinden, so geheimnisvoll, daß kein Mensch auch nur ein Wort von dem glauben wird, was du sagst. Ich will nichts mehr hören. Wenn du noch ein Wort sprichst, fährt dir dieser Dolch zwischen die Rippen. Ulambi ist tot! Der Weiße hat ihn ermordet. Was wir nur als Gerücht gehört hatten, bestätigt sich. Eigentlich müßte ich euch beide peitschen und töten lassen, weil ihr es wagt, vor mein Angesicht zu treten. Fort mit euch! Meldet dem Weißen, daß wir von der Mordtat wußten, ehe er nach hier kam. Meldet ihm, daß wir auch bereits Kenntnis davon haben, daß er mit noch schlimmeren Mordgedanken zu uns kommt. Wir wollen nichts mit ihm zu tun haben! Sollte er dennoch wagen, ins Dorf zu kommen, dann wird er den Ort nicht lebend verlassen!" Da trat der Zauberer vor und sagte mit zorniger Stimme: „Wie, Häuptling, du willst die beiden entlassen ? Soll der Mord an Ulambi ohne Rache bleiben? Soll der Weiße sich ohne Strafe für sein Vergehen entfernen dürfen? Erlaube, daß wir die beiden fesseln, dann kommt der Weiße ins Dorf und büßt für seine Schandtat. Ich, Tufa, derZauberer, will es!"— „So, du willst es. Ich aber will, daß der Weiße nach Opolinda zurückkehrt, ohne daß ihm ein Leid geschieht. Wir müssen bedenken, daß es sich um einen Weißen handelt, den seine Brüder rächen, wenn wir ihn töten. Ich will keinen Streit mit den Weißen!" — „Sie sollen nur kommen!" rief Tufa zornig, „wir werden mit den paar Weißen fertig." — „Was ich gesagt habe, bleibt gesagt. Ich will keinen Krieg mit den Weißen, die mit vielen Soldaten und Gewehren in unseren Stamm kommen und die Männer töten, die Frauen und Mädchen aber rauben würden. Ich will kein Wort mehr hören! Wer noch ein Wort sagt, wird heute noch mit meinen Jujus zu tun haben. Ihr zwei aber macht, daß ihr fortkommt. Sagt dem Weißen, daß ich ihn nicht sehen will!" Als die Boten fort waren, stand der Zauberer aus, zertrat seinen Trinkbecher zum Zeichen, daß er Beschuba nicht fürchte und sagte so laut, daß alle es hören konnten: „Ich bin hier überflüssig und will daher gehen!" Stolz und erhobenen Hauptes ging er ohne Gruß und ohne Ehrenbezeigung fort. Hätte ein anderer das gewagt, sein letztes Stündlein hätte geschlagen. Majiko und Maopi kehrten spornstreichs auf demselben Wege, den sie gekommen waren, zum Missionär zurück. Es. war ihnen, als ob sie noch immer in Gefahr stünden, und so liefen sie mehr, als sie gingen. Weder Majiko noch Maopi erreichten den Pater. Am Wege lauerte bereits das Verhängnis, dem sie gradewegs in die Arme liefen. Im Lande der Schwarzen geschehen seltsame Dinge! Das sollten die beiden nun selber erleben; seltsame, unheimliche, grausige Dinge. (Fortsetzung folgt.) Eigentümer, Herausgeber und Verleger: Missionshaus der Söhne des heiligsten Herzens Jesu in Graz, Paulustorgasso 10. — Verantwortlicher Schriftleiter: Isidor Kronstetner, Missionsbruder in Graz, Paulustorgasso 10. — Universitäts-Buchdrucker ei „Styria" in Graz.