Lä 705. i.'-. L an das Sanitäts-Personale in Betreff der Behandlung.von wüthm den Hunden verletzter Menschen, und über die zur Aufsuchung eines Mittels gegen die Wasserscheue anzustellenden Versuche. unter den Thiere» des Hunde- und Katzengeschlechts in unfern Ländern oft zu allen Jahreszeiten aus unbekannten Ursachen (also scheinbar von selbst) ausbrechende, unter den Namen: „Hundswuth, Windig keit, Wasserscheue bekannte Krank¬ heit hat von jeher die Aufmerksamkeit und die Sorgfalt der Staatsverwaltung in Anspruch genommen, denn sie beschränkt sich nicht auf die davon befallenen Thiere, sondern weil es zu ihren Eigenschaften gehört, den Speichel der Ergriffenen nicht nur reichlicher zu erzeugen und giftig und ansteckend zu machen, wird sie durch Beschmutzung mit solchem Speichel, vorzüglich aber durch Biße nur zu oft auf andere Hausthiere und Menschen übertragen. So gewiß und zuverläßig das Reinigen der von dem Wuthgeifer besudelten gesunden Hautstächen mit reichlichen Wasser und mit scharfer Aschenlauge, und ein schnell nach einer Verwundung vorgenommenes Auswaschen und Einreiben der Wunden mit Salz oder vorzüglich mit Asche, und die in der Wunde durch 6 bis 7 Wochen fortwährend unterhal¬ tene Eiterung den Verletzten vor dem Erkranken zu schützen vermag, eben so gewiß ist die Gefahr, wenn dieses nicht — oder zu spät —erst nach 24 Stunden oder noch später geschieht, Wenn aber sich die Zeichen der beginnenden Krankheit einstellen, ist nur höchst selten Rettung möglich gewesen. Ehemals scheint diese Krankheit unter den Menschen viel häufiger vorgekommen zu seyn, als jetzt. Man kannte nicht so allgemein die zuverläßig sichernde Wirkung einer schnell Vorgenommenen örtlichen Behandlung der Bißwunden mit scharfen, Entzündung und Eite¬ rung hervorbringenden Mitteln, und man war auf die Hunde nnd ihre Krankheiten weniger aufmerksam. Jetzt haben die Verfügungen der Staatsverwaltung , die weiter verbreiteten Emsichten, die Lehren der Verständigem und Weisern, und vor allen die Lehren, der Erfahrung, diese Krankheit unter den Menschen viel seltener gemacht; allein es bleibt noch manches zu thun übrig, noch erliegt hie und da ein Unglücklicher diesem entsetzlichen Uebel. Nachsichtslose Tödtung aller herrnloser oder sonst unbewacht herumlaufender Hunde ist immer eine höchst wichtige Polizei-Maßregel, aber sie wird unerläßlich, wenn sich irgend¬ wo ein der Wuth verdächtiger Hund hat wahrnehmen lassen. Jede von einem auf eine ungewöhnliche Weife und ohne vvrhergegangene Reitzung des Thieres erhaltene Bißwunde muß, wenn sich dieses nicht sogleich durch genaue Beobachtung -vollkommen gesund zeigt, als ein der Wuthvergiftung höchst verdächtiger Biß angesehen und behandelt werden. Beinahe alle Berichte von solchen Ereignissen lauten dahin, daß ein unbekannter ve; laufener Hund, Menschen, meistens Kinder und auch Thiere, die ihm auf seinem Wege aufstießen, ohne alle Veranlassung gebissen habe. Fast immer sind eö nur Hunde, welche die furchtbare Wasserscheue verbreiten, daher sehr selten Katzen, noch viel seltener sind die Beispiele, daß es Füchse oder Wölfe (die der Krankheit gleichfalls unterworfen sind) waren. Menn sich also eine solche Verletzung auf die angegebene Art durch einen Hund Erinnerung der sich verdächtig benahm, und den man nicht weiter beobachtete, ereignet hat, muß auch die Wunde als der Wuthvergiftung höchst verdächtig behandelt werden. Das Nebel, das aus einer solchen Behandlung hervorgehet, ist höchst unbedeutend im Vergleiche mit der Gefahr, ja mit der Gewißheit eines schauder-vollen Todes, besonders wenn der behandelnde Arzt die Vorsorge nicht zu weit treibt, und sich auf das beschränkt, was wirklich allein nothwendig ist. Wenn die Bißwunden möglichst bald nach geschehener Verletzung gut ausgewaschen, und mit Salz, oder (was ohne Vergleich besser ist) mit guter Holzasche so einqerieben werden , daß diese Salze in die Wundhöhlen selbst eindringen, so ist vorerst das Nöthigste und das Wichtigste geschehen, und der Verwundete kann ruhig die Ankunft des unverwcilt herbei zu rufenden Arztes erwarten. Man hat oft beobachtet, daß Aerzte, freilich in guter Meinung, Aetzmittel aufAetzmittel häufen, und sie in so kurzen Zwischenräumen, und so großer Menge anwenden, daß cs gar nicht zur Eiterung kommen kann, und daß durch den heftigen Entzündungszusiand der Wunde, der mehrere Wochen unterhalten wird, Fieber und dieses in Verbindung mit dem Gemüthszustande, der unter solchen Umständen wohl unvermeidlich ist, eine Geneigtheit erzeugen muß, eine Krankheit auszubilden, wenn der Same derselben in den Körper vor¬ handen seyn sollte. Alles kömmt darauf an, daß nach dem Ausbluten und dem Auswaschen der Wunde schnell etwas Scharfes in dieselbe gebracht werde; wenn nichts anderes zur Hand wäre, Urin mit Straßenstaub, Erde, Tabak u. dgl. Das Beste aber ist gewiß Holzasche, die vor allem schnell flüßige thierische Substanzen umändert. Wenn dann der Wundarzt, im Falle der giftige Zahn tief eingedrungen wäre, die Bißwunden mit der Lanzette etwas erweitert, und (was in jedem Falle, und auch bei seichten Wunden das Reichlichste ist ) eine geringe Menge e-nisueus in den tiefsten Grund der Wunde gebracht, und dort so lange gelassen hat, bis heftiges Brennen erfolgt, worauf der Aetzstein entfernt, und die Wunde ausgewaschen werden kann, so darf man mit großer Zuverläßlichkeit auf die Zerstörung des noch in der Wunde oberfläch¬ lich gelegenen Wuthgiftes rechnen. Freilich wäre die Anwendung des glühenden Eisens bei weitem das vorzüglichsteSicherungsmittel, aber wenige werden die Kraft des Entschlusses haben, dazu sich zu verstehen. Das Einschieben eines kleinen Zapfens von Cantharidenpflaster in die Höhle der Bi߬ wunde ist bei weitem weniger wirksam; dann die Canthariden können wohl die Wundfläche entzünden, und sind im Verlaufe der Suppcrationszeit gewiß ein kräftiges Mittel, allein sie besitzen nicht wie der Aetzstein eine unmittelbare und chemisch zerstörende Kraft, welche esalleinist, was in der ersten Zeil nach der Vergiftung als das Wünfchenwertheste erscheinet. Auch der Höllenstein in Substanz und bald nach der Verwundung angewendet, dürfte dieser Anzeige genügen. Die auf solche Weise behandelte Bißwunde wird sich gewiß bald entzünden, und dem Chyrurgen stehen dann so viele Mittel zu Geboth, die sich bald einstellende Eiterung durch 6 bis 8 Wochen zu unterhalten, aber auch hier muß man vor Uebertreibungen, vor zu gewaltsamen Reitzen und vor zu häufiger Anwendung caustischcr Salben hüthen. Die Menschen vergessen zu leicht, daß der Zweck des ganzen scheinbar grausamen Ver¬ fahrens blos der sey, daß alles ohne allen Folgen vorübergehe, und glauben also gar zu leicht, daß zu viel geschehe. Es muß aber auch nicht mehr geschehen, als was nöthig ist, die gleich nach der Verletzung gut cauterifirte Wunde in Eiterung zu erhalten. Die Furcht vor der chyrurgischen Behandlung hat vielleicht bei manchen Müttern eben so vielen Antheil an der Verheimlichung eines solchen Ereignisses, als bei andern der Leicht¬ sinn oder das Nichtkennen der Gefahr. Wenn in der ersten, oder wenigstens in den ersten Stunden nach der Verletzung das Angegebene und fast allenthalben Vorhandene angewendet, und nicht etwa ein kleiner Ritz oder eine bedenkliche Beschmutzung durch Geifer des Hundes übersehen worden ist, darf man des guten Erfolges gewiß seyn; je später die Wunde gereiniget, und geätzt wird, desto schneller vermindert sich die Hofnung und die Gefahr nimmt in diesem Verhält¬ nisse zu. Es wäre unverantwortlich einen solchen Verwundeten, der die Hülfe in den ersten Tagen versäumt hat, seinem Schicksale zu überlassen; man muß die auch schon geheilte Bißwunde vorzüglich durch Austegen eines Stückchens Aetzstein eröffnen, aber die Prognosis darnach stellen. So lange sich keine Anzeigen der heranrahenden Wasserscheue wahrnehmen lassen, iss, selbst in diesem Falle (von vernachläßigter ärzllicher Behandlung) das Aufätzen aller Wunden- narben noch vorzunehmen, und hier sind tiefw eingreifende Aetzmittel vorzüglich anzuwenden, z. B. verhältnismäßig grosse Stückchen von lapi« esusiwus (das geschmolzene reine Cali). Da der Zeitraum, durch welchen dosWuth-Contagium im thier'schen Organismus sich ruhig verhält, nicht so bestimmt ist, wir bei andern Krankheiten contagiöser Natur.; und dieBeobachtung bald sehr kurze, bald sihr lange angeben, hat man noch immer Grund zu hoffen, daß mit der Zerstörung der verhetzt gewesenen Theile auch das aufgenommene Gift vertilgt werden könne. Wenn auch mrmer die Hoffnung den Ausbruch der Wuth- krankheit zu verhüten, größtentheils in einer zweckmäßigen und nachdrücklichen örtlichen Behandlung der gebissenen Stelle gegründet ist, fo wäre denn doch zumal in jenen Fällen, wo selbe nicht gleich nach erfolgtem Biße in Anwendung gebracht wurde, der gleichzeitige Gebrauch solcher prophylaktischer Mittel, denen die Erfahrung glaubwürdiger Aerzte das Wort sprechen, wie z. B. die Canthariden, die Belladonna , der Schwefel, das Chlor, die Mercurial-Einrcibungen, und so weiter nicht zu vernachläßigen; die Wahl des Mittels aber und die 'Art der Anwendung dem klugen Ermessen des Arztes zu überlassen. Hingegen wird ihr Gebrauch unerläßlich, wenn sich schonj Vorbothen des Wuthübels wahrnehmen lassen Eine gewissenhafte genaue Aufzeichnung des Verlaufes und der Wirkungen, welche die angewendeten Mittel allenfalls hcrvorbringen, ist am Finalberichte ohnehin vorzulegen; aber von doppelter Wichtigkeit und Interesse wird eine solche Mittheilung seyn, wenn die Behandlung mit einem glücklichen Erfolge belohnt worden seyn sollte, was sich in Fällen schon ergeben hat, wenn der Arzt gleich beim ersten Entstehen der Krankheit gerufen wur¬ de, und diese nicht zu acut sich entwickelte; denn auch hierin zeigt sich bei der Wasserscheue eine grosse Verschiedenheit. Wenn uns sichere Erfahrungen gelehrt haben, daß eine schnell nach der vergiftenden Verletzung cingeleitete und gehörig lang unterhaltene Eiterung der Bißwunden vor der Jnfection bewahre, so fehlt es der Arzneiwlssenschaft doch an hinlänglich vielen zuver- läßigen Beobachtungen darüber, wiellange die örtliche Behandlung ungestraft vernachläßi- get werden könne, und welche Mittel bei wirklich annahender oder eingetretener Wasser¬ scheue, und unter welchen Umständen und Verhältnissen sie wirksam gewesen. Es bedarf wohl keiner Erinnerung, daß im ersten und im zweiten Falle die Beobach¬ tungen nur dann erfl> wissenjchaftlichen Werth erhalten, wenn es sich durch andere Ereignisse, z. B. durch das Erkranken gleichzeitig gebissener Thiere, als gewiß darge¬ stellt hat. Es wird mit Grund erwartet, daß kein Arzt, der die unglückliche Gelegenheit hat, Beobachtungen dieser Art zu machen, unterlassen wird, alles das zu thun, was seine Pflicht gegen die Kranken erfordert, und was die Wissenschaft bereichern könnte, der er sich geweiht hat. Nachdem jeder Vorfall dieser Art, wenn Hausthiere oder gar Menschen von einem verdächtigen Hunde angefallen und verletzt worden sind, bei der Bezirksobrigkeit angezeigt und darüber eine Erhebung vorgekehrt werden muß, so wird sich daraus bald ergeben, ob und wie ferne eine Gefahr vorhanden, und die ärztliche Behandlung nothwendig ist. Es ist also, wenn die Sache zweifellos ist, nicht nöthig, und in keiner Vorschrift gegründet, mehrere Wundärzte oder gar den Physiker beizuziehen, und nur wo entweder wegen der wirklichen Existenz einer Gefahr, oder wo wegen der einzuleitendcn Behandlung gegründete Zweifel erhoben werden, oder wenn bei einem Menschen sich die Symptome der Wasserscheue zeigen, ist die Beiziehung des Physikers zuläßig. Die Particularien, welche entweder zum Nachtheile der schuldtragenden Partei, oder des hohen Aerars, wie so oft schon der Fall gewesen, unnöthigerweise durch solches Con- curriren mehrerer Aerzte sich auf unbillig hohe Beträge steigern würden, dürfen ohne genü¬ gende Rechtfertigung einer solchen Concurrenz nicht vorgeleget werden. Uebrigens sind sie nach der alle Kurkosten betreffenden hohen Weisung binnen 14Tagen einzureichen, und die Bestimmung von 1816, welche einen Termin von 16 Monaten zuließ, ist somit aufgehoben worden. Indem also dem ärztlichen Personale bei Wunden, welche eine Wuthvergistung fürch¬ ten lassen, ein schnelles zweckmäßiges Behandeln zur Pflicht gemacht wird, muß man es aber auch auffordern, sich nach den hier ausgesprochenen Grundsätzen zu benehmen, weder die ätzende Methode zu übertreiben, noch ohne Roth heftige innerliche Mittel zu reichen, und die Geschichte der. Krankheit und der Behandlung vorzulegen. Es ist zu beklagen, daß so viele Versuche ohne allen Gewinn für die Wissenschaft und die Menschheit angestellt worden sind, und daz so viele Mittheilungen als ganz unfrucht¬ bar und nutzlos verworfen werden müssen, weil aus ihnen kein klares Resultat hervorgehet, darum werden diejenigen, denen der Zufall gestattet, von der Natur über eine wichtige Frage eine bestimmte Antwort zu hoffen, aufgefordert, diese Gelegenheit sich nicht entgehen zu lassen, sondern sich das Verdienst zu erwerben, einen dunkeln und wichtigen Gegenstand näher beleuchtet zu haben. Laibach am 12. Jänner 1833.