Beitrage zur Mit einem Anhange: Kurze Entvvicklungsgeschichte der Kunst und Wissenschaft bei den Slovenen, Kroaten, Serben und Bulgaren. Erinnerungen aus den letzten anderthalb Decennien V 011 Anton Bezenšek Professor am Real-Obergymnasium „Alexander I.“ in Philippopel, Ehrenmitglied des Central- Stenographen-Vereins in Sophia, corresp. Mitglied des I. Prager Stenographen-Vereins, fruherer Chef der Stenographen-Bureaus zu Agram, Sophia, Philippopel und Mitglied des internationalen Stenographen-Kongresses in Pariš. Mit einer Einleitung versehen von Karl Hempel, vereideter Sachverst&ndiger ftir Stenographie. 0 BERLIN 1890. K om m i ssi o n s v eri ixg der akademischen Buchhandlung L. Hartmanu in Agram. Dem z-'?/ M!lincliener Central ver ein ftir Gabelsbergersclie Btenographie, insbesondere seinem geschatzten Vorstandsmitgliede Herrn Professor Dr. Johann Lautenhammer, zur Erinnerung an die Feier der Erriehtung des Gabelsberger-Denkmals gewidmet. von dem Verfasser -cuad. ZEaTera-u-sg-eToer. 'V,... E i n 1 e i t u n g. In neuerer Zeit hat wohl kein Staat (las Interesse der Offentlichkeit in so hohem Grade in Anspruch genommen, als gerade Bulgarien und iiberhaupt, die siidslavische Staatengruppe. In dem vorliegenden Werkchen hat nun unsre geschatzte Kunstgenosse Professor Anton Bezenšek einige Beitrage zur Kunst und Wissenschaft, zur Geschiehte der Stenographie bei den S itd slav e n geliefert und sicli dainit den Dank vieler Kreise envorben. Der Inhalt dieser Broschiire ist teilweise schon bekannt und zwar einerseits dadurch, dass einige Schilderungen von dem Herrn Verfasser auf dem zweiten inter- nationalen Stenographen-Kongress zu Pariš verlesen wurden, andererseits dadurch, dass dieselben. allerdings wesentlich enveitert in dem von mir heraus- gegebenen und redigirten „Wissenschaftlichen Centralblatt fiir Steno¬ graphie und Schriftkunde 11 veroffentlicht vvorden sind. Da mir aber von verschiedenen Seiten der Wunsch ausgesprochen wurde, die in vieler Beziehung anziehend und fesselnd geschriebene Abhandlnng in einer besonderen Ausgabe auch weiteren Kreisen zuganglich zu machen, so bin ich dem gern nachgekommen, umsomehr, als ich glaube, dass diese Publikation auch ihrerseits dazu beitragen diirfte, das Interesse der gelehrten Welt und nicht bloss der Fachgelehrten fUr die siidslavischen Staaten anzuregen. Vor Kurzem wurde die Wiederkelir (les hundertjahrigen Geburts- tages Gabelsbergers gefeiert und da im August dieses Jahres dem Erfinder der deutschen Redezeichenkunst in seiner Vaterstadt Miinchen ein Denkmal von Stein und Erz errichtet werden soli. so glaubte der Verfasser und insbesondere der Unterzeichnete es gleichsam als eine Ehrenpflicht betrachten zu miissen, dieses Werkclien dem Miinchenener Centralverein fiir Gabelsbergersche Stenographie und vorallem seinem liochverdienten Vorsitzenden Herrn Professor Dr. Lautenhammer zu widmen. Die freundlichen Beziehungen zwischen dem Miinchener Centralverein und dem Berliner Centralverein fiir Gabelsbergersche Stenographie liessen dies als doppelt \villkommenen Anlass erscheinen. Gleichzeitig kann icli nicht umhin, an dieser Stelle des Herrn Professor Jan O. Prazak in Prag und des Herrn Hofrat Professor Dr. J. W. Zeibig in Dresden riihmend zu gedenken mit Bezug auf ihr reges Interesse, das sie seit Jahren dem siidslavischen Stenographiesystem nach Professor Bezenseks Uber- tragung entgegengebracht baben, was sehr anregend und befruchtend auf die Manner der stenographischen Sache in jenen Landen gewirkt hat. Schoner Erfolge kann sich auch der I. Prager Stenographen-Verein, der grosste und hervorragendste unter den slavischen auf diesem Gebiete riihmen, da sich sein Einfluss -— wie in dieser Schrift dargetan ~ weit liber die Grenzen Bohmens erstreckt. Mogen sich die Wiinsclie, welclie der um die Stenographie hochverdiente Verfasser in der vorliegenden Broschiire ausgesprochen, redit bald und sammtlich erfiilien! Bas Konigliche stenographische Institut zu Dresden, bis- her die einzige stenographische Staatsanstalt der Welt, zeigt wohl so recht, was aus kleinen Anfangen unter der Leitung tuchtiger Manner geschaffen we:rden kann. Und so moge denn in ahnlicher \Veise auch die Entwickelung der Stenographie in den sudslavischen Staaten einen erfreulichen Fortgang nehrnen zum Segen jener Bander selbst! Charlottenburg, den 25. Marž 1890. IKIa-rl Hempei. Ara 21. November v. J. waren es gerade funfzehn Jahre, seit ich als Hdrer der Philosophie in Agram von der kroatischen Landesregierung die Befugnis erhielt. die Stenographie ara dortigen Gyranasium vorzutragen. Damals stand ich ira Alter von zvvanzig Jahren. Seither ist eine schone Keiiie von Jahren verflossen, die ich raehr oder weniger alle der Ausbreitung der Stenographie unter den Siidslaven und der praktischen Vemertung dieser Kunst in ihren Parlaraenten gevvidmet habe. Die ganze Periode aber teilt sicli in drei gleiche Teile zu fiinf Jahren, von denen der erste (1874 bis 1879) auf Agram, der zvveite (1879 bis 1884) auf Sophia und der dritte (1884 bis 1889) auf Philippopel entfallt. Es wiirde zu weit filhren. wenn ich diese Jahre durchgehen und alle Daten, die auf die theoretische und praktische Vervvertung der Stenographie in diesen Landern Bezug haben, anfilhren wollte. Ich will mich nur auf einzelne Reminiscenzen aus meinem Stenographenleben beschranken und jeder der drei genannten Stadte ein kurzes Kapitel widmen. A g r a m. Mein geehrter Vorgiinger, Herr Professor Magdič, hatte dort schon ein Decenniura vorher die Offentlichkeit und das Parlament mit der Stenographie, mit ihrein Nutzen und ihrer Bedeutung vertraut gemacht. Es vvaren jedoch Anfangs nur Wenige, welche Lust verspiirt liatten, diese Kunst naher kennen zu lernen. Professor Magdič war lange Zeit ein „Rufer in der Wiiste“, ein Prophet der Stenographie. Sein hageres Aussehen, sein langer grauer Bart, seine ernste scharf ausgepragte Physiognomie riefen mir, gleich als ich ihn zaim ersten Male sah. diesen ehrwiirdigen Titel ins Gedachtnis. Heute sehe ich mit Freuden, dass ich ihn keinem Unwiirdigen verlielien habe. Er hat der Steno¬ graphie eine bessere Zukunft in diesen Landern vorausgesagt, er hat zu diesem Zwecke gearbeitet und arbeitet noch imraer riistig vveiter, sowohl in der Kammer (Sabor), wie ausserlialb derselben, namentlich in der Schule. Mogen dem im Dienste der Stenographie ergrauten Professor Magdič noch viele fruchtbringende Jahre in gleicher Prische und Ausdauer zu verleben beschieden sein! Wiihrend also der Boden durch den genannten Vorganger entsprechend vorbereitet war, begann ich mit jugendlichem Eifer die Vortrage liber Steno¬ graphie am Gymnasium. Der Name des damaligen Direktors, jetzt Universitiits- Professors Herrn Petracic, welcher fiir die Stenographie sehr eingenommen war und der Schuljugend die Pfiege derselben auf das Warmste anempfohlen hat, verdient riihmend hervorgehoben zu werden. Auch die Regierung mit dem Sektionschef Muhic und dem Landessclmlinspektor Jurkovič an der Spitze that das Mogliche, um die gute Sache zu fordern. Ich befand mich nun so zu sagen als Jtingling unter Jttnglingen. Die An- zahl der Schiller wuchs von Jahr zu Jahr. Mit 32 Schiilern schloss ich das erste, mit 36 das zvrnite, mit 48 das dritte, mit 55 das vierte und mit 65 das fiinfte Schuljahr ab. Im Ganzen habe ich also in dieser funfjahrigen Periode am Agramer Gymnasium 236 Schiller, ausserdem noch iiber ein Dutzend Private in der Stenographie unterrichtet. — 2 Die Schlusspriifungen fanden jahrlich offentlich in Gegenwart des Gymnasial- direktors, einiger Professoren und Freunde der Stenographie statt. Es gab auch in Agram stets Gonner der Stenograplien; unter diesen nenne ich den verstorbenen Biirgermeister Vončina, der bei den ersten Prufungen an die besten Schuler Pramien, bestehend aus niitzlichen Biichern, verteilen liess. Das Gleiche tat der erste kroatische literarische Verein „Hrvatska Matica 11 , der alljahrlich wertvolle Buclier aus seinem Verlage zn gleichen Zwecken spendete. Der nachmalige Regierungsprasident (Banus) von Kroatien, Pejacevic, abonnierte fiir die studierende Jugend einige Jahre hindurch auf den von mir herausgegebenen „Jugoslavenski Stenograf 11 in 12 bis 20 Exemplaren. Indem sicb also das Interesse fiir die Stenographie auf direkte oder in- direkte Art unter verschiedenen Klassen der Bevolkerung zu regen begann, war es mir eine angenehme Aufgabe, in der einmal eingescblagenen Laufbahn aus- zuharren. Ich hatte der Mehrheit nacli sehr begabte und ausdauernde Schuler, von denen einige noch heute auf diesem Gebiete fortarbeiten, darunter Herr Vamberger, gegenvvartig Professor am Gymnasium in Karlstadt, welcher nun schon selber eine stattliche Anzahl von Schiilern herangebildet und sich als Schriftsteller auf diesem, wie auf padagogischem Gebiete wiederholt hervorgethan hat. Als Praktiker setzt Herr Prof. Mih o lic seine Thatigkeit beim Sabor (Land- tag) in Agram fort; er ist sammt seinem Kollegen Herrn Boltek, dessen gegen- vviirtiger Wirkungskreis mir unbekannt ist — eine Zeit iang war er beim dalma- tinischen Landtage in Žara — in die parlamentarische Praxis durch mich ein- gefiihrt \vorden. Herr Direktor Tomšič, welcher schon seinerzeit als Anfiinger mit mir im Landtage zur zeitweisen Ausliilfe gearbeitet hat und ebenfalls schriftstellerisch thatig war, hat sich bis heute zum tuchtigen Kammerstenographen ausgebildet und arbeitet zeitweise im Agramer, zeitvveise im Laibacher Landtage, da er sowohl der kroatischen als der slovenisclien Sprache miicbtig ist. Die Kammerstenographen Herren Dr. Silovic, Professor Vinkovic und Ed. Sclimied waren ebenfalls am Gymnasium im Jahre 1877/78 meine vorziiglichen Schuler. Bei iliren Privatarbeiten werden von der oben angefiihrten Anzahl siclier- lich noch viele diese Kunst mit Erfoig und Nutzen amvenden. Auch werden sich seit dem Jahre 1889, als wieder Herr Professor Magdič die stenographischen Kurse tibernahm und weiter leitete, mehrere Studenten in der Stenographie ausgebildet haben. Die genaue Anzahl kann ich nicht bestimmen, aber ich werde nicht irren, wenn ich jahrlich rund 20 bis 25 Schuler annehme, was in 10 Jahreri liber 200 macht. Zwei oder drei davon arbeiten auch im Sabor als Kammer¬ stenographen unter der Leitung des genannten Professors, ivelcher in dieser Stellung bald nach meiner Abreise nach Bulgarien zu meinem Nachfolger er- nannt wurde, ebenso wie er vor dem Jahre 1875 mein Vorganger gewesen war. Nur arbeitete er vor mir fast stets allein (unterstiltzt zeitweise von seinem Schuler Opacic), wahrend er nach meiner Abreise unter meinen Schulern genug theoretisch ausgebildete Stenograplien vorfand, um aus ihnen ein stenograpiiisches Biireau zusammensetzen zu konnen. An meinen Aufenthait in Agram denke ich oft mit Vergniigen zurilck. Es war die Zeit meines ersten Erwachens zur selbstandigen Thatigkeit, und da mit diesem Ervvachen daselbst aucli das Ervvaclien der Kunst, der ich mich vvidmete, zusammenfallt, so ist diese Lebensperiode fiir mich jedenfalls die bedeutungs- vollste. Ich kann mich zwar nicht riihmen, dass sie auch fiir die Sache selbst eine bedeutungsvolie gevvesen ware, aber immerhin diirfte sie nicht ganz bedeutungslos gewesen sein. Deshalb sah ich mich veranlasst, in diesen Zeilen eine kurze Skizze derselben zu geben. Es giebt natiirlicli bei einer jeden Sache zwei Seiten: eine Licht- und eine Schattenseite. Die erstere habe ich jetzt geschildert, die zweite ist im Verhalt- nis zu jener so geringfiigig, dass ich mir die Schilderung fiiglich ersparen konnte. — 3 Jedoch ura den eventuellen Vorvvurf von mir abzuvvalzen, dass ich nicht ganz offenherzig sei. will ich ervvahnen. dass sicli gerade in die Stenographenkreise hinein kleinliche Intriguen eingeschlichen hatten, die im Interesse der Sache besser unterblieben vvaren. Die alteren Herren sahen im jiingeren Nachvvuchse vielleicht einen lastigen Konkurrenten oder erblickten in derselben Person, die den Nachvvuchs gewisserraaassen forderte, einen Verdunkler ihres Glanzes und bemiihten sicli mit einem Eifer, der einer besseren Sache wiirdig gevvesen vvare, ihn bei Seite zu schieben. Ich will hier keine Namen nennen, denn es ist besser, dass derlei Reminiszenzen ohne Sang und Klang verschallen; aber vveil schon in kroatischen Zeitungen in jener Periode die Polemik zvvischen Jung und Alt gefiihrt vvurde, so konnte ich sie im gegemvartigen Ruckblicke nicht ganzlich iibergehen. Auch will ich nicht dariiber klugeln. zu wessen Gunsten sich der Sieg geneigt hat. Mein Prinzip in solchen Dingen ist, nur der guten Sache niitzlich zu sein. Es hat den Anschein. dass es spaterhin nicht so ge- blieben ist, als ich mich dort vom Schauplatze entfernte, um auf einem neuen Gebiete in einem ganz neuen Staate meine Tatigkeit zu beginnen. Die alten und jungen Herren haben paktiert, griindeten in Agram einen stenographischen Verein, wo sie sich alle ganz gut zu vertragen scheinen und zu meiner Freude fiir die Kunst Gabelsbergers mit gemeinschaftlichen Kraften arbeiteten. Wohl vvare es zu vviinschen, dass uns auch Publikationen von Seiten des Vereins (in periodi- schen Broschiiren oder Zeitschriften) iiber die Fortschritte der Stenographie in Kroatien belehren mochten, wie solche zu meinen Zeiten dort erschienen sind. Es vvare im Interesse der Forderung der stenographischen Kunst unter den Stidslaven. vvenn sich die in den einzelnen siidslavischen Provinzen lebenden und vvirkenden Stenographen gegenseitig mehr annahern und einen siidslavi¬ schen Stenographenbund, ahnlich dem deutschen oder dem nordischen Stenographenbunde, griinden wiirden, der auch keine Landesgrenzen kennt, sondern alle Gebiete umfasst, wo die Stenographen der befreffenden Nationalitat wohnen. Ich mache diese Bemerkung schon jetzt, \vo es sich um Kroatien handelt, um anzudeuten, dass die Initiative in dieser Angelegenheit ihm gebtihrt. Die in den jiingeren Staaten lebenden und uberhaupt die Stenographen Jiingeren Datums“ in den Balkanlandern vverden sich bereitvvilligst einem solchen Bunde an- schliessen. Es liesse sich dami auch ein Bundesorgan griinden und eine jahrliche Versammlung bald in Agram, bald in Belgrad, bald in Sophia oder Laibach abhalten. Eine ahnliche Idee verfolgte schon vor 13 Jahren das in Agram unter meiner Redaktion erschienene Blatt „Jugoslavenski Stenograf 1 ' (der siidslavische Stenograph), nur war sie in anderer Form — ich mochte sagen in einer mehr abstrakten und schriftbildlichen — zum Ausdrucke gelangt. Sie ist damals von Vielen nicht ganz richtig aufgefasst und sogar bespottelt worden; hier gebe ich sie in einer konkreten Form. die sich bei einigem guten Willen leicht realisieren liesse. Ich hatte die gleiche Notwendigkeit auch beim Pariser Kongresse betont, und die geelirten Kollegen aus allen Teilen der Welt fanden eine solche Vereinigung der siidslavischen Stenographen sehr zweck- entsprechend und zeitgemass. Es vvurde mich freuen, vvenn dieser Bund schon in einer unfernen Zeit realisiert vverden mochte. Freilich bin ich in dieser Hinsicht nicht zu optimistisch angehaucht, da ich auf meiner Laufbahn bereits inelirere Tauschungen erlebt, deren einige sich auf die letzten Jahre beziehen und die auf das Verhaltnis zvvischen Lelirer und Schiller, zvvischen Bruder und Bruder auf dem Gebiete der Steno¬ graphie kein giinstiges Liclit vverfen. Das gegenvvartige Kapitel seli liesse ich mit einem bruderlichen Grasse an die kroatischen Kunstgenossen und in erster Reihe an meine unvergesslichen Schiiler, die mir bei der Erinnerung an die schonen Tage von Agram stets leb- haft mit ins Gedaclitnis kommen. Das strebsame kroatische Volk selbst hatte damals in so mancher Beziehung bessere Zeiten als es die gegemvartigen sind. Man inuss aber zu seinem Lobe — 4 gestehen, dass es sich unter allen Verhaltnissen die Pflege der Kunste und Wissenschaften angelegen sein lasst. Diese haben im letzten Decennium. seit der Grundung der Universitat, schone Fortschrit.te gemacht, so dass die besten Hoffnungen auch filr die Stenographie, fiir ihre Pflege. Entvvickelung und Ausbreitung vorhanden sind. Der Same ist nicht blos gesaet, sondern die ersten Sprosslinge sind schon ganz gut, gediehen. Sie konnen jetzt nicht mir selbstandig fortkommen, sondern sind in der Lage. auch fiir den Nachvvuehs zn sorgen. Dies ist iibrigens die patriotische Aufgabe der kroatischen Jugend. dies ist ihre Pfiicht, die sie bei einigem guten Willen, liber dessen Vorhandensein wir gar nicht zvveifeln konnen. zu eigener Ehre und zum Prommen des Vaterlandes erfiillen vvird. In der Hauptstadt Kroatiens wie in der Provinz wirken jetzt ausser den obengenannten noch einige andere jlingere Krafte. Mogen sie nun naeh meiner oder nach Magdics Ubertragung — zvvischen denen jetzt kein wesentlicher Unterschied mehr besteht — das Gabelsbergersche System verbreiten. die Anerkennung der Jiinger dieses Meisters und der Dank der Nachkommenschaft wird sicherlioh nicht ausbleiben! S o p h i a. Nun komrne ich zur zweiten Siidslaven-Stadt, wo das stenographische Leben zu einiger Bedeutung gelangt. ist, obwohl in der chronologischen Reihenfolge eigentlich Belgrad friiher zu ervvahnen ware. Docli steht mir beziiglich Sophias ein reichlicheres Material, zum grossen Teil aus eigenen Erlebnissen ge- sammelt, zu Gebote, und deshalb will ich hier fortfahren. indem ich lioffe, dass icli zum Schlusse in der Lage sein \verde, auch die stenographischen Verhaltnisse in Serbien, insofern sie sich auf die letzten 10—15 Jahre beziehen, und nicht minder interessant sein diirften, einigermassen beleuchten zu konnen. Sophia war vor zehn Jahren noch eine trostlose Stadt. Die Bevolkerung war ein Gemisch von Eingewanderten und Einheimischen, von Christen, Juden und Tttrken. Die Eingebornen, sog. „Schoppen“, waren der geistig ain meisten zuriickgebliebene Teil der Bevolkerung Bulgariens. Die neu Eingewanderten waren teils „Provinzler“, die jedoch geistig weit fortgeschrittener waren. oder „Premde“ (cuzdenci), zu denen auch ich mich zalile. Die Amter und Stellen waren mit Personen aus den beiden letzteren Klassen besetzt. In den neu er- offneten Schulen waren aber unter den Schiilern sowohl Einheimische, als auch Provinzler vertreten. Es zeigte sich in der Polge, dass sich darunter redit brauchbares Material befand; den Lernenden felilte es weder an Pleiss. noch an Talent. Der Wirkungskreis. der mir zugewiesen wurde. vvar in zwei Telle get.eilt: Theorie und Praxis. Es lag mir ob, Kurse zur Heranbildung von-Stenographen zu eroffnen. sowie in der Kammer (Sobranje) zu stenographieren. Der erstere Teil der Aufgabe vvar ein lohnender, schoner und angenelnner, sovvohl vvas die offentlichen Kurse bei der Sobranje, als auch was jene am neueroffneten Gvm- nasium anbetrifft. Es war \virklich eine Freude zu sehen. wie sich Jung und Alt fiir die ganz neue „Schnellschreibekunst“ interessierte: liohere und niedere Beamten, Lehrer, Kaufleute und sogar Geistliche meldeten sich zum ersten Kumis an. Die Anžahl der Teilnehmer uberstieg gleich zu Beginn die Zalil 60. Die Zalil der Gymnasiasten war auch keine geringere. Die Vortrage fanden in einem Nebensaale der Sobranje statt und waren unentgeltlich, da die Regierung fiir die Besoldung des Lehrers Sorge getragen hatte. Hatten die Ende September begonnenen Vortrage nicht dadurch eine Unterbrechung erlitten, dass die erste Session im Oktober einberufen vvurde und einige Monate darauf wieder eine ziveite Session, so waren die Erfolge sicherlich besser gewesen. Ausserdem muss man bei der Beurteilung der Erfolge den Urnstand in Betracht ziehen, dass die Horer und Schiller zumeist nicht die entsprechende Vorbereitung hatten, welche im Allgemeinen erforderlich ist, um tiichtige Kammer-Stenographen heran- zubilden. Jedoch vvurde der Zvveck nach zvvei Jahren insofern erreicht, dass — 5 - diese Schiller, von denen einige als Praktikanten in die stenographische Kanzlei eingetreten, bei der Uraschrift der Stenogramme aushelfen konnten. heute wiire man mit Kammerstenographen vollkommen ausgeriistet, wenn nicht Er- eignisse inz\vischen eingetreten vvaren. die einen Strich durch das Programm machten und an deren Polgen die Stenographie in Bulgarien noch heutzutage laboriert. Was die Schiller ain Gymnasium anbetrifft, so ist das Ziel, sie zur praktischen Verwertung der Stenographie bei den Vortragen und spater im Leben zu ihren privaten Zvvecken befahigt zu machen. von mir sovvohl. wie spaterhin von meinen Nachfolgern in vi e len Pallen erreicht worden. Daran wird ubrigens noch jetzt mit Eifer und Erfolg gearbeitet. Nun komme ich auf den zweiten Teil der Aufgabe, das Stenographieren in der Kammer. zu sprechen. Diese Aufgabe war eine sauere, harte und un- dankbare. Recht, ganz recht hatte der Fiirst Alexander, der mich gleich nach meiner Ankunft in Audienz empfing. als er seine Ansprache mit den Worten einleitete: „Also Sie sind dazu verurteilt, die Verhandlungen unserer Sobranje nachzustenographieren. 11 Er kannte sicherlich schon die langwierigen Debatten aus der ersten grossen Nationalversammlung in Tirnowo, wo die Konstitution des Purstentums durchberaten wurde. Hatte ich sie so gut gekannt, wie ich sie spaterhin kennen lernen musste, so hatte ich den Vollzug der „Verurteilung“ nicht abgevvartet, sondern ware lieber gleich auf meinen Posten als Gymnasial- lehrer nach Agram zuriickgekehrt, wo ich eine viel schonere und leichtere Aufgabe zu erfullen hatte. Heute, nachdem ich die fiinf Jahre. zu \velchen ich verurteilt zu sein schien, als Kaihmerstenograph endlich „abgesessen“, wiirde ich auf diese Lebensperiode wie auf eine in unfruchtbarer und geistestotender Arbeit zugebrachte zuriickbUcken miissen, vvenn inzwischen nicht auch ein Teil jener vorher ervvahnten dankbaren und angenehtnen Aufgabe — die Ausbreitung und Pflege der Stenographie auf einem ganz neuen Boden — erledigt vvorden vvare. Aus meiner Parlamentspraxis komite ich unter mehreren unliebsamen auch einige heitere Scenen sehildern. vvelch’ letztere gieichsam wie Oasen aus dem monotonen Gerede und den endlosen Debatten hervorragen. Mein Kanzleikollege, Herr Ingenieur Prosek, der mir etliche Jahre als Hilfsstenograph zur Seite stand, wird sich auch an so manche heitere Geschichte erinnern. Wollte man diese sammeln, so gabe das eine starke Brochure. welche man jiassend „Der Iachende Stenograph“ betiteln komite. Ubrigens wird auch in anderen Parlamenten die Komik nicht ganz bei Seite gesetzt. Es finden sich iminer freivvi 1 lige und un- ireiwillige „Spassvogel“, vvelche stets die Lacher auf ihrer Seite haben; umso- melir ist, dies bei einem neuen Parlamente der Fali. Wie das Kind ein neues Spielzeug oft nicht recht anzufassen weiss, und es haufig „komisch“ handhabt, gerade so ist es mit den neuen Abgeordne.ten vom Lande. die in ein soeben eroffnetes „hohes Haus“ eintreten. Da bekommen sie ganz neue Dinge, „parlamentarische Gebrauche“ genannt. zu sehen. sie horen auf einmal viele Fremdworter, wie solche von ihnen vielleicht in ihrem ganzen Leben nicht ver- nomrnen wurden. Ist es dami ein AVunder. vvenn der Eine oder der Andere gegen den parlamentarischen Gebrauch verstosst, ein Fremdvvort unrichtig an- vvendet oder falsch ausspricht? — ln der Hitze der Debat te vverden solche Ver- stosse und Verdrehungen haufig libersehen und uberhort. aber bei der Umschrift oder beim Umdiktieren des Stenogramms bleiben sie nicht unbemerkt. Sie ver- scheuclien dami die Langevveile und den Missmut. in vvelchen der Stenograph bei seiner Beschaftigung, namentlich vvenn endlose unfruchtbare Debatten liber einen geringfugigen Gegenstand abzuschreiben sind. sehr ieicht verfallt. Die Sitzungen der Sobranje dauerten durchschnittlich 4 — 5 Stunden. Zu Beginn der Session fand jeden zvveiten Tag eine Sitzung statt, spaterhin jeden Tag eine und gegen Ende der Session tiiglieh zvvei. Die Session dauerte in der Regel zwei Monate, aber unter Umstanden auch einen halben oder ganzen Monat mehr; und ich vvar verurteilt, vvalirend der ganzen Sitzung ununter- 6 brochen zu s tenographieren. Ich komite nur auf meine eigene Kraft rechnen. trotzdem spaterhin bald dieser, bald jener von meinen Sehiilern mit- stenographierte. Dies tat er jedocb lediglich zu seinem Privatvergniigen und zur. Ubung. obne dass man sich auf ihn verlassen konnte. Dagegen arbeitete Herr Prosek redlich und ausdauernd mit mir. Wie iiberall, so ist es beim Stenographieren gut, socios habere dolorum. aber aucli beim Lachen ist es angenehm, einen „Mitlacher“ zu haben. Vom Stenographen- tische aus verpflanzte sich gevvohnlich die heitere Stimmung zum Journalisten- und mitunter auch zum Ministertische, welche sich beide in unserer Niihe be- fanden. Und in's stenographische Protokoli wurde dami gevvissenhaft einge- tragen „Heiterkeit“ oder „grosse Heiterkeit", selbst mit dem Ausdrucke „home- risches Gelachter“ wurde bei besonders komischen Anlassen die Stimmung des Hauses — wenigstens eines Teiles desselben — charakterisiert. Wenn selir stiirmische Debatten zu befiirchten waren, so postierten wir den Stenographen- tisch ganz in der Niihe des Ausganges, um im Notfalle rasch an die frisehe Luft gelangen zu konnen. Die Pausen, welche der Prasident, am liebsten wahrend einer erregten Debatte. eintreten liess, damit.sich inzivisehen die Gemiiter beruhigten, be- niitzten wir Stenographen dazii, um im nahegelegenen Restaurant Erfrischungen einzunehmen. Wurde die Sitzung zu rasch wieder eroffnet, wo wir noch nicht genug erfrischt und ausgeruht waren, so liessen wir die Herren etwas warten. Und bis wir mit unseren paar Dutzend Bleistiften herangeriickt kamen. „sassen sie so ruhig beisammen und haften einander so gern“. Dami ging die Debatte von frisehem los und wurde so lange fortgesetzt, bis keiner mehr reden \vollte. Denn die Redefreiheit fasste man in der Sobranje zu jener Zeit. so auf, dass ein Abgeordneter liber einen und denselben Gegenstand so oft reden konnte, als es ihm beliebte. Davon machteii einige obligatorische Redner den ausgiebigsten Gebrauch. Es kamen Falle vor, wo Einer liber dasselbe Tema 10 bis 12 mal sprach. Hierbei wiederholte er natiirlich ofter das bereits Gesagte und liess fortvvahrend zum Schluss sein ceterum censeo erschallen. Mitunter fugie er wohl auch noch neue Geschichten hinzu. \velche gar nicht zur Sache geliorten. Das gab aber gleich dem folgenden Redner Veranlassung, noch wfeiter auszugreifen: daher die endlosen Debatten. Der arine Stenograph musste nun dies alles zu Papier bringen! Es gab wohl einsichtige Miinner unter den Abgeordneten, welche den Stenographen nach der Sitzung bedauerten. aber wahrend der Sitzung hatte nur der Metropolit Meletij einmal den gescheidten Gedanken. aufzustehen und dem Stenographen offentlich seine Anerkennung zu zollen, ja sogar ihm den Dank der Sobranje auszusprechen. Dies vvurde selbstverstandlich mit ge- sperrten Lettern im nachsten stenographischen Protokolle gesetzt,. damit es der Naclnvelt ubeiiiefert werde und ein Denkmal abgebe, natiirlich „aere perennius“. Dies vvar fiir uns eine A rt Ermunterung zu frischen Taten, und am nachsten Tage ging es munter vvieder „da capo“. So vergingen ftinf Jahre. bis zum Jahre ls84. Die letzte Tour machte ich im Sommer dieses Jahres mit drei Sehiilern. Kammerstenographenpraktikanten, nach T.irnovvo, wo damals ausnahmsweise die Sobranje einberufen wurde. Dies war eine lange Pahrt: fUnf volle Tage lang „raderten“ wir, oder man konnte sagen, wurden wir „geradert“ von Sopliia bis Tirnoivo. V i er ni a l iibernachteten vir und zwar in nacheinander folgenden Sladten: Orechovvitza. Lukowit, Plevna, Sevlievo. vvelche in Abstanden von 60 bis 80 Kilometern von einander entfernt sind. Jeden Tag legten vvir also mittelst \Vagen. vor \velchen je 4 Pferde gespannt waren. eine ganz hubsche Strecke zuriick. Es waren mit uns drei Wagen. zwei fiir Stenographen, einer fiir Gepiick. bei vvelcliem die gedruckten Protokolle der vorherigen vier Jahre den Hauptbestandteil ausmaeliten. Es wurde uns auch eine Gendarmeriebegleitung mitgegeben, ent.weder deshalb. da¬ mit wir als „ Verurteilte 11 nicht Reissaus nehmen, oder aber — \vas wahrschein- licher ist — deshalb, damit wir nicht von den Raubern, welcbe daraals an der Strasse zvvisehen Plevna und Sevlievo die Gegend unsicher machten, als „teures Unterpfand" gefangen genom men und in die Berge mitgeschleppt werden. Was hatte dann die Sobranje oline Stenograplien gemacht? Wir waren ja alle kornplett bei einander, es fehlte kein „teures Haupt“ und Niemand vvare im Stande ge- wesen, uns zu ersetzen. Bin soiches Kleinod muss man \vahren, dachte sicb der damalige Minister des Innern, gab uns Geld auf den Weg (jeder erhielt liber hundert Franken) und sicheres Geleite. Friscb und munter traten wir den Weg an. Jedocb untervvegs ging der „Spirit.us“ zum Teufel, weil es fortwabrend regnete. Wir mussten grosse Strapazen erdulden, stellenweise aucli zu Fuss gehen. da die Wege unfahrbar waren. Bine schone Vorbereitung auf die nun erst folgenden Strapazen in der Sobranje. Jedocb so lange man jung ist. gesund an Korper und friscb an Geist. ertragt man alle s. Und das waren wir alle. Der Alteste war 30 und der Jiingste 23 Jahre alt. Es mdgen liier auch die Namen der „wandernden Stenographen“, die bisher miter allen Kunstgenossen vielleicht den vveitesten Weg behufs Er- fiillung ihrer Amtspflichten mittelst Landvvagen zuriickgelegt haben. zur bleibenden Erinnerung folgen: Cliristo Konstantinow. Lazar Sarafow, Tontscbo Marinow r und der Scbreiber dieser Zeilen. Herr Georg Prosek musste im letzten Momente wegen andenveitiger wichtiger Beschaftigung in Sopbia zuriick- bleiben. In Tirnowo angekommen. wurden uns von Amtswegen Quartiere in Privatbausern angewiesen, da alle „Hotels“ und Gasthauser iiberfiillt waren. Es war gerade im Juni, in der beissesten Zeit. des Jabres. Die schattenlosen Hiigel, an denen die Stadt liegt, gevvahren den Sonnenstrahlen den ganzen Tag freien Zutritt; dazu kommen die engen Gassen und die elenden Wohnungen, in denen wir formlich gesotten und gebraten wurden. Vom Saale, wo die Ver- sammlungen stattfanden, will ich gar nicht reden. Die Abgeordneten sassen bei einander wie Haringe gepresst. Dazu kam noch ein grosses, neugieriges Publikum, welches die letzten Pliitze ausfiillte. Und mitten darili denke man sich den arbeitenden, von Sclnveiss triefenden Stenograplien! Das ist eine Situation, wo sogar ein „Tierscliutzverein“ einsclireiten musste. In unserer Kanzlei stellten wir Scliusseln mit Eis auf, \vas aber wenig niitzte. Abends gingen wir in das Fliisschen, welebes sicb in der Form eines „S“ um die Stadt windet, baden, jedocb das Wasser war bruhvvarm. Es vvundert mich noch beute, dass keiner von uns erkrankt ist. Man solite denken, dass nach einer solcben Tour die Anerkennung Seitens der maassgebenden Fakt.oren nicht ausbleiben werde. Es geschah jedocb gerade das Gegenteil. Ich, der ja unter diesen Verhaltnissen atn meisten zu leiden liatte, der sicb ftinf Jahre geplagt, um den sclnvierigen Aufgaben ge- recbt zu werden, wurde gieicli nach meiner Ruckkehr nacb Sopbia obne j eden Grund, einfach auf Befebl des neu ernannten Ministers Karawelow, des Dienstes entlassen. Stat pro ratione voluntas! Wenn man die Saelie vom Standpunkte der „Verurteilung“, von der icli Eingangs gesprochen, nimmt, so war der Wilkiirakt des genannten Ministers eine Art „Begnadigung“ und Belobnung. Vom Standpunkte des gesunden Menschenverstandes aus war es ein Akt, der mit den Begriffen von Recbt und Billigkeit im grellen Widerspruche stand, umsomebr, da meine Bedingungen bei der Annahme des mir von der Regierung seibst angebotenen Dienstes in Bulgarien ausdrticklich auf definitive Anstellung gelautet hatten. Erst naclitraglich erfuhr ich, dass dieser Minister auf Veranlassung eines meiner Schiller gehandelt hatte, der ihm weiss machte, dass jetzt die Schiiler auch obne den Meister arbeiten konnen. Bulgarien konne sicb zwar jenes Geld, welches icli erbalte, nicht ganz ersparen, wohl aber sei er bereit, die stenographische Aulnahme um etliclie hundert Francs billiger zu besorgen. Da die anderen Stenograplien als iliren Chef nicht einen Koliegen, der ausserdem niclit der beste — 8 - war, anerkennen wollten. so nahraen sie anfangs eine gewisse demokratische Organi- sation in ihrera Bureau an: gleiche Bruder, gleiche Kappen. Es ging in dieser Manier ein paar Jahre leidlich fort Schliesslich zerwarfen sie sich unterein- ander und speziell mit ihretn sich zum Chef aufdrangenden Kollegen, und im vorigen Jahre kam der „Stenographen-Streik“, wahrscheinlich der erste in den Annalen der Stenographie, hei der Sobranje in Sophia zum Ausbruche. Nach der Entlassung im Jahre 1884 brauchte ich wegen anderweitiger Beschaftigung nic-ht besonders besorgt zu sein. Es wurden mir sofort versehiedene Stellen angetragen: eine in Laibach beim Landtage und eine in Philippopel bei der damaligen Provinzialversammlung. Da mit der letzteren auch das Lehr- fach am Gymnasium verbunden war, welches stets meine Lieblingsbeschaftigung ausmachte, und weil ich hier ein neues weites Gebiet fur meine Tatigkeit sicli eroffnen sah, so zog ich die letztere Stadt vor und begab mich im Herbste des Jahres 1884 dahin. Bald nach meinem Weggange von Sophia begann sich zu zeigen, dass die jungen, noch ungeilbten Krafte in der stenographischen Praxis nicht alles das leisten konnten, was man auf Grund irriger Voraussetzungen erwartet hatte. Ausserdem vermochte auch Niemand von ihnen die Lehrerste 1L e fur die Stenographie am Gymnasium auszufiillen. Die Schiller dieser Anstalt richteten daher eine. Massenpetition an das Unterrichtsministerium, in welcher sie um einen solchen Lehrer ansuchten. Der Direktor bat schriftlich den friiheren Lehrer, d. h. den Schreiber dieser Zeilen. er mdge die Stenographie noch weiter- hin am Gymnasium vortragen. Doch da ich schon andervveitig engagiert vvar, musste ich die Zuschrift des Herrn Direktors leider ablehnend beantvvorten. Am Gymnasium wurde nun drei Jahre hindurch kein Unterricht in der Steno¬ graphie erteilt, bis Herr Konstantinow provisorisch die Leitung desselben iiber- nahm. Die Hauptgenugtuung filr die ungerechte Behandlung in Sophia solite mir nun im vorigen Jahre zu Teil vverden, als der oben erwahnte Stenographenstreik ausgebrochen \var. Denn ich wurde als Helfer in der Not vom Ministerium nach Sophia berufen. Mit allerlei Versprechungen suchte man das Vergangene wieder gut zu machen. Ich kam, ich sah — und kehrte zuriick, da ich in Philippopel ein schoneres Pelci fiir meine Tatigkeit babe und durcli keinerlei unliebsame Reminiszenzen bei meinen Arbeiten auf dem fachmannisch-literarischen und auf dem Schulgebiete gestort werde. Philippopel. Schon im Jahre 1881, als im Herbste keine Session der Sobranje in Sophia einberufen wurde, hat die damalige ostrumelische Regierung, da die Provinzial¬ versammlung ohne Stenograplien war, bei der Regierung des Piirstentums Schritte getan, um mich sammt meinen Praktikanten dahin zu beordern. Mit meinem Einverstandnisse wurde bald die Einwilligung der letzteren erzielt, und ich begab mich mit vier Schulern: Konstantinow, Sarafow, Marinow und Taschikmanovv nach Philippopel. Damals gab es zwisclien Sophia und Philippopel noch keihe Eisenbahn und wir mussten im kalten Spatherbste die zweitilgige Reise mitteist Landwagen zuriicklegen. Die erste Nacht blieben wir in Vakarel, die zweite in Tatar-Pazardjik und am dritten Tage Vormittags kamen wir in Philippopel an, wo wir als „Stenographen“ nicht wenig Aufmerksamkeit erregten. Die Zeitungen begriissten uns, und die Abgeordneten traktirten bald diesen, bald jenen in den Abendkneipen, wahrscheinlich — ad captandam benevolentiam. An Sonn- und Feiertagen, deren es nach hiesigem Gebrauch fast doppelt so viel als im Abend- lande giebt, machten wir nach Landessitte Visiten bei Hohen und Niederen. Je hoher der Pesttag, desto endloser erscheint die Reilie der Visiten: einige darunter sind ohligatorisch, andere macht man motu proprio vielleiclit wegen der schonen Augen einer Bulgarin, Griechin oder Armenierin. Als dieses Tagewerk vollbracht war, kam man fast so ermattet nach Hause, 9 wie nach einer langwierigen Debatte in der Sobranje. Schliesslicli hatte icb noch die Sitzungstage vorgezogen, weil sich da vvenigstens mitunter heitere Ge- schiehten ereigneten, — obwohl nieraals so nette, wie im Sophianer Parlamente, vvalirend bei ded Visiten gevvohnlich Langeweile herrschte. Aber da gab es keine Rettung: mitgegangeh, mitgehangen. Von den diversen Siissigkeiten, Kaffees und Zigaretten, die uberall nach Landessitte verabreicht werden, konnte man sich den Magen auf einige Tage verderben. In spateren Jahren babe ich mich natiirlich von diesem Etiquettenzwange frei gemacht. Diese Sitte oder Unsitte wird jetzt nicht mehr so strenge gevvahrt, wie dazumal. Dem heimischen Dichter V asov/ gebiihrt vielleicht das Verdienst, diesen Visitenzwang durch sarkastische Gedichte erleichtert zu haben. Den damaligen ostrumelischen Abgeordneten zu Ehren muss ich gestehen, dass sie zwar an Zalil geringer, an geistigen Fahigkeiten aber den Briidern und Koliegen in Sophia im allgemeinen ilberlegen gewesen sind. Ausnahmen waren nattlr- licli hier wie dort vorhanden. Es gab unter ihnen studierte Leute, praktische und einsichtsvolle Manne? und gute Patrioten. In, erster Liuie sind hervorzuheben: Eustratius Gescliow, ein guter Kenner der socialen und politisclien Fragen der Gegenvvart. dann die Direktoren Grujew, Kesjakow, Sallabaschevv u. A. Von diesen dreien ist ersterer jetzt Gymnasialdirektor, der zweite Abgeordneter und der dritte Finanzminister.Den dortigenDebattenkonnte man zeitweilig mitlnteresse beiwohnen. Es gab wohl auch Intermezzos und hitzige Auseinandersetzungen, aber man ver- gass nie den parlamentarischen Anstand. Die Sitzungen fanden gewohnlich jeden zweiten Tag von 1 bis 5 oder G Uhr statt. Interessant war es, dass in del' Sobranje drei officielle Sprachen existirten: die bulgarische, griechische und tiirkische. ^ Die erstere war vorherrschend, zwei. Dritteile der Reden wurden in der bulgarischen Sprache gehalten, wahrend ein Dritteil auf die griechische und t.urkische entfiel. Ich stenographierte das Bulgarische, dasNeugriechische verstand ich_ so ziemlicli und iibersetzte es ins Bulgarische. Das Tiirkische liess ich mir gleichzeitig wahrend der Rede von Jemand halblaut iibersetzen und notierte den Inhalt. _ Die stenographisclien Protokolle erschienen nur in bulgarischer Sprache. Diese galten stets, sowohl hier als in Sophia, als officiell. wie ich os urspriinglich eingefiihrt. Die Praktikanten besorgten die Umschrift der Steno- gramme, da dieselben von Einigen ganz gut gelesen werden konnten. An die iibrigen diktirte ich sie mit einer mtissigen Geschwindigkeit um, so dass die Praktikanten dann nach ihrem Stonogramme die Ubertragung zu besorgen hatten. Ich kehrte nacli einem Monate wieder nach Sophia zui'iick und setzte den Unterricht am Gymnasium fort, wo ich ausser der Stenographie noch alte Sprachen ■ vorzutragen hatte. Da wegen cles. Staatsstreiehes ein Jahr lan g keine Sobranje einberufen wurde, so hatte icli Gelegenheit, mich speziell mit dem Lehr- iache zu befassen. Auch den stenographischen Kursus filr Fortgeschrittene nahm icii wieder auf. In Philippopel wurde in der nachsten Session mein Schiller Schandarow engagiert,, der in zwei Sessionen stenographierte und auch selbst einige Schiller herangebildet hat. Als ich mich im Jahre 1884 nach den im friiheren Kapitel skizzierten Vorfallen in Philippopel dauernd niedergelasseri hatte, fand ich unter den Schulern Schanda- rows drei halbwegs herangebildete: Malejeve, Mantschovv und Paputschevv, aus denen ich das stenographischd Bureau so gut es ging zusamrnenstelite, vvahrend Scliandarovv mit seinem ersten Schiller Gjulgeiievv nach Sophia zur Sobranje ging, um in Gemeinschaft mit meinen dort zuruckgebliebenen Schulern bei der Sobranje zu stenographieren. In Philippopel angekommen vvurde ich als alter Bekannter in diesen Kreisen sem Ireundschaftlich begriisst und von den Vertretem der Regierung (Direktoren) in zuvorkommender Wpise .empfangen. Sie waren ganz troh, dass sie nun dauernd den Meister statt der Schiller bekamen. — 10 Die Direktoren waren alle durcli Kenntnisse und Gliarakter hervor- ragende Manner; nach dem General-Gouverneur Kerstowitsck ervvahne ich auch den Unterrichtsdirektor Velitschkow (Velickow), den Justizdirektor Bobtsche w, den Generalsekretar Natschovv, den Direktor der offentlichen Bauten Dr. Hakanow u. A. In der Sobranje sassen meist intelligente Kopfe, sowohl was die bulgarischen, als auch was die griechischen Abgeordneten anbetrifft. Unter den ersteren be- fand sich der obenerwahnte Dichter Vasow, der Gerichtsprasident Grujew. der Bilrgermeister Geschow, mehrere Doktoren der Medicin, Lehrer und Kaufleute. Bauern gab es keine in dieser Versammlung. In einer solchen Gesellgcliaft filhlte ich mich bald heimisch und arbeitete mit Lust und Liebe. In der Sobranje gab es auch einen frischgebackenen Abgeordneten, der durch seine geistige Beschranktheit, gepaart mit einer grossen Dosis von Einbildung und Naivetat, die Lachnerven der Kollegen von Zeit zu Zeit erschiitterte. Er war der wahre ,,Bombastus-Paradoxus“ der Provinzialversammlung. Man iiatte ihn gerne zum Besten, und er nahm alles ftir baare Milnze. Mit den Fremdwortern, die in Parlamenten iiblich sind, stand er natiirlich stets auf gespanntem Fusse, da er ausser der bulgarischen nur noch der tiirkischen Sprache machtig war. Seinem Berufe nach ist er Kaufmann und den Versicherungen seiner Kollegen nach in seinem Fache sehr tiichtig. Zum Abgeordneten war er ebenso vvenig geschaffen, wie manche seiner tiirkischen Kollegen, die wahrend der Sitzungen die meiste Zeit schliefen oder mit offenen Augen zu traumen schienen, ganz fatalistisch und unbekiimmert um die Vorgange im Parlamente. Diese Sobranje hat nur zwei Sessionen erlebt: im Jahre 1884 und 1885. Als im nachsten Jahre die dritte Session angehen solite, kam es am 18. Sep¬ tember zur Revolution und zur Proklamierung der Vereinigung Nor d- und Siidbulgar iens. Anstatt nun in die Kammer zu gehen, da eine. solche nur in Sophia aus Abgeordneten beider Bulgarien zusammentrat, hatte ich den angenehmeren Tell meines Kontraktes zu erfiillen, namlich am Realgymnasium vorzutragen. Dieses war gerade damals in ein neues, stattliches Gebaude, wie es selbst in AVesteuropa nur wenige Mittelschulen zur Verfilgung haben, ubersiedelt. Ent- sprechend dem Umfang und der Ausstattung des Gebaudes waren auch dessen innere Einrichtungen. Die Sammlungen in den Kabinetten befanden sich in voller Ordnung. Seither sind die Sammlungen so vermehrt worden, dass sich mit ihnen so manche Hochschule \Vesteuropas zufrieden geben konnte. Ausser den genannten vortrefflichen Einrichtungen muss ich auch den Um- stand loben, dass ich hier ganz angenehme Kollegen fand, unter diesen in erster Reihe Bohmen und solche Bulgaren, die ilire Studien im Auslande gemacht hatten. Zum Direktor vvurde ein im padagogischen Fache erfahrener und als Schulmann bevvahrter Herr Namens Demeter Agura ernannt. der ubrigens auch eine zeitlang Unterrichtsminister und vorher Sektionschef im Ministerium des Innern gewesen war. Mir wurde ausser der Sten Ographie, die ich hier scbon in friiheren Jahren vorgetragen, nun auch derVortrag des Altgriechischen Uber- tragen. Da bald darauf die deutsche Sprache ebenfalls in das Unterrichts- programm aufgenommen wurde, so ubernahm ich auch diese, sowie denVortrag der Logik und Psychologie. In den stenographischen Kursen wuclis die Anzahl der Schiller von Jahr zu Jahr. Durchschnittlich gab es in beiden Kursen 60—80 Schiller. Seitdem aber die Hochschule in Sophia eroffnet wurde und die studierende Jugend erfuhr, dass sie dort nur auf die Vortrage angewiesen sei, — wie auch mehr oder weniger auf anderen Hochschulen — begann sie sich fiir die Stenographie noch mehr zu interessieren. Auf diese Weise kam es, dass sich jetzt die Anzahl der Schiller fast verdoppelt hat, und zvvar nicht nur hier, sondern auch am Gym- nasium in Sophia, wo seit zvvei Jahren mein bereits envahnter vorziiglicher Schiller Kon stant in o w diesen Gegenstand vortragt. Filr diesen Unterricht haben hier dieSchuIer nichts zu entrichten, da dieRegierung den Lehrer entschadigt. 11 — Das Interesse filr die Stenograpliie ist nlclit blos unter den Lernenden, sondern auch unter den Lehrenden und Privaten wahrend der letzten Jahre stark gewachsen. Was die Lehrer betrifft, so unterlassen sie keine Gelegenheit, um die Schiller auf den Nutzen der Stenograpliie aufmerksam zu machen und sie zum Studium derselben aufzumuntern. In allen Kreisen wird das steno- graphische Blatt (Stenograficeski Vestnik), tvelches zum Uberwiegenden Teile in getvohnlielien cyrillischen Lettern erscheint, gerne gelesen. In den Offiziers- kreisen wollte man Kurse ftir Anfanger errichten. es gingen auch die hoheren Cliargen mit gutem Beispiele voran, allein das Unternehmen scheiterte an einem ungunstig gewahlten Zeit.punkte, wo der Unterricht hatte beginnen sollen. Es war namlich im Marž vorigen Jahres, als ich mit der Leitung desselben betraut wurde, und zwei Monate spater beginnt sclion das Lagerleben. Wohl 'vare es im Interesse der Sache, wenn schon in der Junker- oder Kadetten- schnle, \vo die Offiziere lierangebildet vverden, mit dem Unterrichte in der Stenographie begonnen werden wiirde, so wie es auf vielen Militarschuleh Oesterreichs und Deutschlands iiblich ist. Seine konigl. Hoheit der Fiirst Ferdinand, der sich filr die Kunst und Wissenschaft lebhaft interessiert und sich deren Fdrderung nach Kraften angelegen sein lasst und deren eifrige Ver- treter in Bulgarien durch besondere Auszeichnungen aufzumuntern geruht, wird es_ sicherlich gerne sehen, wenn sich seine Offiziere, deren tuchtige und all- seitige Ausbildung ihm so sehr am Herzen liegt. auch die Kenntniss der Steno¬ graphie insofern aneignen, dass sie von ihr den entsprechenden Nutzen ziehen konnen. Das Unterrichtsministerium thut, unstreitig das Seinige, um das Unterrichtsvvesen in jeder Hinsicht im Bande zu heben, und vernachlassigt hier- bei keinen der wissenswerten Gegenstande und am allerwenigsten die Steno¬ graphie, wie dies aus meiner bisherigen Darstellung ersichtlich ist. Nur wiire zu iviinschen, dass die Stenographie ebenfalls auf der Hocli- schule in Sophia baldigst als besonderer Gegenstand behandelt werde, damit die Horer Gelegenheit bekommen, diese Kunst niclit nur praktisch zu tiben, sondern damit sich einige unter ihnen auch teoretisch zu Lehrern der Steno¬ graphie ausbilden.'•') Wenn einmal in einer jeden grosseren Stadt Bulgariens, wo eine Mittelscliule bestelit, ein Lehrer der Stenographie zu wirken beginnt. dann wird man sehen. wie rasch sich diese Kunst in Bulgarien verbreiten kanu und welch’ schone Erfolge sich mit ihr. namentlich in einem Bande, welches eben in einer jugendlich frischen EnUvicklung auf geistigem Gebiete begriffen ist, auf allen moglichen Gebieten de s offentlichen Lebens erzielen las sen! Belgrad. Der Aufsch\vung auf literarischem Gebiete bat bei den Serben im Vergleich zu den anderen siidslavischen Volkerschaften sehr friihzeitig begonnen und ist bis auf den heutigen Tag so hoch gestiegen. dass ihm nicht blos die briider- lichen und benachbarten Stamme, sondern auch die Kulturvolker iiberhaupt die gebuhrende Anerkennung zollen milssen. Einige von den Erstgenannten, namentlich die Kroaten. blicken sogar nicht ohne Eifersucht auf den Fortsčhritt, \velchen die Literatur und die Kunst bei den Serben in den letzten Decennien gemacht haben, und sind bestrebt, ihnen auf Schritt und Tritt zu folgen, \vobei man unparteiisch anerkennen muss, dass sie in einigen Z\veigen dieseiben sogar uberholt haben. Natiirlich ist hierbei ein guter Teil des Verdienstes den giinstigeren politischen oder materiellen Verhaltnissen, invvelchen sich zeitweise die einzelnen siidslavischen Stamme im Vergleiche zu den andern befunden haben, zuzuschreiben. Auf diese Weise ist es erklarlich, dass die Kroaten die Steno- *) Nach dem „Jahrbuche der Schule Gabelsberger fdr 1890" vvird . gegenwartig an ttint bulg ; Lehranstalten Unterricht in der Stenographie an 230 Schiller erteilt. Es besteht in boplua ein Stenographenverein, eine stenographische Zeitschrift und es giebt auch eine ge- uUgende Anzahl Lehrbtlcher filr Anfanger und Fortgeschrittene auf diesem Gebiete. — 12 — grap Me so wie manche andere Wis'senszweige frliher zu cuLtiviren begannen als die Serben, und diese wieder frtiher als die Bulgaren, wahrend die S love pen mit den Kroaten ungefahr den gleichen Schritt balten. Wie ich schon im zweiten Kapitel hervorgehoben, ware daher Serbien in ehronologischer Reihenfolge nieht zu-letzt zu envahnen, jedoch das Material, welcbes mir jetzt zu Gebote steht, ist verspatet eingetroffen und ist auch im Verhaltniss zu den anderen Kapitelu, die ich aus eigenen Erinnerungen ge- schopft, an Umfang geringer. Was nun an diesem Fachmateriale abgeht, will ich zum Schlusse durch allgemeine Bemerkungen iiher Kunst und Literatur bei den Serben erganzen, insofern ich wiederholt Gelegenheit hatte, wahrend meines voriibergehenden Aufenthaltes in Belgrad und im Verkehre mit mehreren hervorragenden serbischen Literaten dieses Gebiet kennen zu lernen. Aus dreierlei Quellen schopfte ich bei der Sammlung des Fachmaterials.: in Prag aus dem Munde des Herrn Professor Jan. O. Prazak, dem Ratgeber der serbischen Stenographen, \velche 'sich zu Beginn der siebziger Jahre dort aufhielten und mit dem genannten beriihmten Pachmann an der Vervoll- kommnung der Ubertragung des Gabelsbergerschen Systems auf die serbische Sprache, eine Ubertragung, welche urspriinglich von Realschuldirektor Milovuk herriihrt, arbeiteten. Als zweite Quelle diente mir ein bewahrter Vertreter der N Redezeichenkunst in Serbien, Herr Demeter Body, der gegemvartig eine hervor- ragende Stellung in serbischen Staatsdiensten einnimmt und ehemals selbst in der serbischen Skupschtina als Stenograph thatig war. Die Aufzeiehnungen des Herrn Demeter Body, koh. serbischen Generalconsuls in Monastir (Bitolja) in Mace- donien und frliheren diplomatischen Vertreters in Sophia, sind also jedenfalls die interessantesten und auf diesem Gebiete fur mich die maassgebendsten. Als dritte Quelle nenne ich den fur die serbische Stenographie hochverdienten Herrn Jovan Milovanovič, gegenwartig Mitglied des Appellationsgerichts in Belgrad, den ich gelegentlich einer Ferienreise dort aufgesucht habe. Hatte ich die Abs ich t., eine Gesehichte der Stenographie bei den Serben zu. schreiben, so wiirde dieses Material nicht geniigend sein und es Hessen sich ohne Ziveifel noch viele andere teilweise schon publicierte Daten in serbischer und in anderen Sprachen finden. Allein mein Zweck ist nur einen Beitrag zur Gesehichte der Stenographie, wenn auch im beschrankten Maasse, zu liefern. Diesen aber hoffe icli schon dadurch zu erreichen, dass ich alles aufzeichne, was fur unsere Kunst irgendvvie von Belang ist, und es auf diese \Veise vor dem Untergange rette. Wie schon erwahnt, vvar es der Director der serbischen Realschule, der seither verstorbene Milovuk, der žu Beginn der secliziger Jahre die Stenographie nach Gabelsbergers System auf die serbische Sprache iibertragen hat. Sein Werk hatte jedoch naturgemass die Mangel einer j eden Erstlingsarbeit; es be- durfte noch der Vervollkommnung. bevor es in der Praxis mit Erfolg ange- wandt vverden konnte. Die Reformatoren fanden sich zum Gliick auch bald unter seinen Schiilern und Nachfolgern. In der serbischen Skupschtina kam die Stenographie zuerst, im Jahre 186.9 zur . Amvendung und zwar in der sogenannten grossen Skupschtina, als die erste serbische Konstitution ausgearbeitet wurde. Der erste und einzige Stenograph in jener Versammlung war Georg Gjorgjevic, \velcher nach dem Sysfeme Stolzes stepographierte. Dieser Mann ist inzwischen auch schon ge- storben. Die serbische Regierung' s ah friihzeitig genug ein, dass die Stenographie zu parlamentarischen und kulturellen Zwecken tinumganglich ndtwendig sei, des- halb sandte sie auf Staatskosten den Herrn Jovan Milovanovič und spaterhin auch den Herrn Na st as An ton o vi c nach Prag, um dort an der obenenvahnten Vervollkommnung der Ubertragung des Gabelsbergerschen Systems auf die ser¬ bische Sprache zu arbeiten, ivobei sie an den bohmischen Stenographen, nament- lich an Professor Prazak, einen tuchtigen Ratgeber und Leiter hatten. Auf — 13 — diese Weise kamen die in der bohmisclien Stenographie angenommenen Modifi- kationen mit geringen Ausnahmen auch in die serbische Ubertragung, wo sie sicii sowolil in Teorie als Praxis als sehr richtig und passend ervviesen haben nnd noch bis auf den 'heutlgen Tag fortbestehen. Da ich im Jahre 1876 zum Zwecke der Vollendung meiner Universit&tsstudien nnd behufs Vervollkommnung in der Stenographie auch nach Prag gekommen war und ofter bei demselben Professor fachmannischen Rat einholte, so ist es vorzugsweise diesem Umstande zu verdanken. dass nun alle vier siidslavischen Sfarnme in keiner Beziehung einander so nahe stehen, ja fast eine Einheit bilden ; wie auf dem D e b i e t e der Stenographie. i^ ei - °k enei ' w ahnte Stolzeaner Gjorgjevic begann an der Belgrader Hoch- s jiiule die Stenographie nach seinem System vorzutragen, jedoch ohne nennens- vverten Erfolg. Sobald als Milovanovič nach Gabelsbergers System seine ver- msserte Ubertragung vorzutragen begann, wurde Ersterer ganzlich aus dem TTr. £ eschla š ea und die Mehrheit seiner Schiller ging zum Letzteren iiber. nter diesen befand sich auch der obenenvahnte Herr Body. Heutzutage wird < as Stoizesehe System gar nicht mehr gepflegt, ja es wird kaum noch genannt; wurde mt ’ daSS eS mit ^ em ^ode Gjorgjevics in Serbien zu Grabe getragen in a Di l, erSten , Schiller ^ es Herrn Milovanovič begannen unter seiner Leitung Tnii , e \o 77 ' rn J a ^ r ® 1871 zu stenographieren. Pl s blieben bis zum \‘J e ° ^ uieselben ^nifte im stenographischen Bureau tatig. Spaterhin P o^ e , JU ? 8ere Rrafte hinzu, die alle an der Ubertragung, wie sie aus der irager Schule hervorgegangen, festhalten. In mentorica, n! 'tv ® t ® n0 g 1 ’ a phen in Serbien ist eine ganz ansehnliche. Im par- Knncif' . Di n nst ' ste ^ en a ber nur einige Wenige, die Mehrheit iibt die stnrlioro,m Q t eU i nvatzTvecken. Hauptsachlich pflegt die Stenographie die „ , , V Ju * e i ld au ^er Hochschule in Belgrad. wie auch an einigen Mittel- S j^° 1 l , ln ^ e F H au ptstadt, wie in den Provinzstadten. Eine genauere Pinom m ; Q f ;„ A ei 7 mcht vorhanden. da es den serbischen Stenographen an Poit iinVihM r .rft. ntrUlI i fehlt und (lie v orerw&hnten Meister ihre Aufmerksam- dnroli uu 0 - s - la| i e anderen Berufszweigen widmen miissen, zu denen sie sich , und , J . ale ! lt: emporgearbeitet haben. Es fehlt auch noch an einem „ ltii i/ llsche ” Verein und einem Fachorgane. In dieser Hinsicht ware es i; 1 ar ? zweckmassigsten — wie ich das am Pariser Kongresse ausfuhr- „ l • h nn °tj 1 a . n , der S esetz f babe, — wenn die Serben mit den anderen siid- zebi