Cardinal Miecislaus Ledóchowski, Präfekt der Propaganda. SEINER EMINENZ MEKLAIIS GABDINAl AUS ANLASS DES FÜNFZIGJÄHRIGEN PRIESTERJÜBILAUMS f IN tSHRFURCHT UND D ANKBARKEIT GEWIDMET. 696155 MEINE S ±3 Hl SM ÏON 1885 und 1889 HEINRICH GRAF LEDOCHOWSKI. IKOLSBURG 1895. 96966 > fiai, * W8 «i1 UllLllll 2 , Druck von A. Boaonau in Nikolilrarg. Ubzwar mehrere Jahre verflossen sind, seit ich meine Reisen nach Italien unternahm, ist in mir doch der Entschluss rege geworden, meine Erlebnisse und Eindrücke von damals aufzuzeichnen. Es geschieht dies aber weniger deshalb, um ein ^großes Werk" zu schaffen, als vielmehr aus dem Grunde, um die bisher bloß in kurzen Daten aufgezeichneten täglichen Ereignisse ausführlicher zur bleibenden Erinnerung in Zusammenhang zu bringen. Es ist begreiflich, dass mit dem Verlaufe der Zeit meine Eindrücke über die ganze Reise geschwächt sind; man darf es mir daher nicht verargen, wenn die in Folgendem zusammengestellten kurzen Notizen aus meinem Tagebuche theilweise lückenhaft sind. * * * Die Veranlassung zu meiner ersten Reise nach Rom im Jahre 1885 lag in meinem Bruder Sigmund. Dieser, beseelt von seinem priesterlichen Berufe, fühlte den sehnlichsten Wunsch in sich, nach Rom zu pilgern, um sich an den Gräbern der Apostelfürsten und vom hl. Vater, Papst Leo XIII. den Segen zu seiner erhabenen Laufbahn zu holen. Der Entschluß zur Reise, auf der ich Sigmund begleiten sollte, war bald gefasst, zumal unser in Rom weilender Onkel, Cardinal Ledóchowski, mit unserem Projecte sehr einverstanden war. 4 Ganz unbeschreiblich war meine Freude, Rom baldigst sehen zu können und überhaupt diese schöne große Reise machen zu dürfen ; mit Sehnsucht wartete ich auf den Tag der Abreise. Endlich "war dia Zeit dazu gekommen, und ich machte mich von Graz aus über Wien—Linz—Salzburg nach Innsbruck auf den Weg, wo ich meinen Bruder, der dort im Convict der Jesuiten seinen theologischen Studien oblag, abzuholen hatte. Am 7. März 1885, in der Früh reiste- ich von Graz ab. Mein Freund Eugy Aichelburg machte mir die angenehme Ueberraschung, mich bis Brück zu begleiten. Nach kurzem Aufenthalt nahmen wir von einander Abschied, da sich der Zug wieder in Bewegung setzte und mich nach einer eintönigen Fahrt ohne jedes Ereignis über den schönen Sernmering, den ich schon etliche Male befahren hatte, nach Wien brachte, wo ich unter strömendem Regen um 4 Uhr Naehmittag anlangte. Ich fuhr sogleich in's Reitlehrer-Institut, woselbst ich bei meinem Bruder Micio abstieg. Dienstag den 10. März, nachmittags verließ ich Wien nachdem ich hier drei angenehme Tage verbracht hatte. Mein Freund Erni Lederer begleitete mich auf die Westbahn und ich reiste mittelst Expresszug nach Linz ab. Die Strecke an der Donau war mir ganz neu und hatte nicht geringen Reiz für mich. Einen ganz besonders imposanten Eindruck machte das ehrwürdige Stift Melk auf mich, dessen wundervollen Anblick mir der dahinbrausende Zug nur zu kurz gewährte. Linz, das ich bisher noch nicht gekannt hatte, machte mir einen wenig" freundlichen Eindruck, der sich freilich durch die liebevolle Aufnahme im Hause meines Onkels, Graf Engl, nicht unangenehm fühlbar machte. Am 12. fuhr ich in aller Früh nach Kremsmünster , wo mich mein dort studierender Bruder Wladimir mit Carl Croy und Mels-Colloredo bereits auf der Bahn erwartete; wir fuhren in die Villa der 5 Fürstin Croy-Westphalen, wo mir wieder eine außerordentliche Gastfreundschaft zu Theil wurde. Mittags kam Tante Marie Engl aus. Linz. Wir blieben über Nacht bei Croy und fuhren tagsdarauf mit der Fürstin und Prinzessin Lisy Croy nach Linz zurück, da Letztere gleichzeitig nach Wien reisten. In der Nacht setzte ich mittelst Expresszug meine Fahrt nach Innsbruck fort. Sobald es Tag zu werden anfieng, gönnte ich mir nicht mehr länger den Schlaf, dem ich mich bisher bequem hingeben konnte, sondern betrachtete mit Entzücken die herrliche Gebirgslandschaft, die an meinem Auge vorbeizog. Bei meiner Ankunft um 9 Uhr Früh in Innsbruck erwartete mich Sigmund mit Franzi Nostitz, der damals dort Oberlieutenant bei den Tiroler Landesschützen zu Pferd war, auf der Bahn. Die liebevolle Aufnahme, die mir bei Nostitz zu Theil ward, das ganze stillgemüthliche Leben der Tiroler Hauptstadt machte mir diese vom ersten Augenblick an sehr sympathisch, und fortan behielt ich für Innsbruck und für ganz TiroL eine große Anhänglichkeit. Mit mehreren Besuchen, mit der Besichtigung der Stadt und mit einem hübschen Spaziergang auf die Weiherburg, von wo aus man eine reizende Aussicht auf Innsbruck und Umgebung genießt, endlich mit zwei Theatervorstellungen, „Afrika-Reise" und „Nacht in Venedig", vergiengen die zwei Tage meines dortigen Aufenthaltes nur zu schnell. Dennoch freute ich mich auf die Abreise, da uns ja doch so Schönes und Großes bevorstand. * * * Am 16. März vormittags reisten Sigmund und ich von Innsbruck ab, hatten ein& sehr schöne, vom Wetter begünstigte Fahrt über den Brenner, trafen in Franzensfeste zufällig unseren Onkel Mani Thun und langten Nachmittags in Bozen an. Im Hôtel „Victoria'^ vis-à-vis vom Bahnhofe, logirten wir uns 6 ein und machten dann einen Rundgang durch die Stadt, wobei wir die gothische Pfarrkirche und den Garten des Erzherzog Heinrich besichtigten. Dienstag den 17. Früh 6 Uhr erfolgte die Weiterreise nach Verona. Die Gegend veränderte sich immer mehr und mehr, je näher wir Italien kamen, und zeigte jenen echt italienischen, mehr oder weniger kahlen, öden Typus, der mir gerade nicht besonders gefällt. Die- Alpen bleiben immer mehr zurück ; baumlose, felsige, rauhe Gebirgszüge und größtenteils kahle Ebenen ziehen sich längs der Bahn hin ; die Ortschaften werden nach und nach düsterer und schmutziger ; die Bauart der Häuser zeigt sich schon in ihrer südlichen Merkwürdigkeit; man sieht meist unangeworfene Steinhäuser; — kurz und gut, alles zeigt darauf hin, dass man hier an der Grenze eines Landes ist, in dem ganz andere Sitten und Gebrauche herrschen müssen, als in unserem Oesterreich. Es dauert nicht lange, so sieht man sich auch schon vollends in der oberitalischen Tiefebene; und noch wenige Augenblicke, so ist Verona erreicht. Hier stiegen wir in der „Stazione Porta Nuova" ab und nahmen uns, um recht schnell alle Sehenswürdigkeiten dieser Stadt kennen zu lernen, eine Droschke, die uns durch ihre überaus große „Schnelligkeit" bald zufriedenstellte : Wir hätten zu Fuß vielleicht mehr geleistet. Ich will es gleich hier als eine sehr merkwürdige Erscheinung Italiens erwähnen, dass sich* fast alle Kutscher, Führer oder sonstige Leute, durch ihre unangenehme Zudringlichkeit, zuwieder machen. Gleich von allem Anfang an merkten wir diese den Italienern eigenthümliche, abscheuliche Eigenschaft. Auch noch ein Anderes ist es, das sich, mit Ausnahme in Rom, überall sonst wiederholte, der Umstand nämlich, dass es in allen Städten ganze Schaaren nicht nur von Kindern, sondern selbst von Erwachsenen gibt, die die Reisenden staunend und neugierig angaffen, sie sogar durch Straßen verfolgen. Es ist 7 uns speziell so oft passirt, dass wir manchmal recht ärgerlich wurden. Es schien uns, als ob die Klerik meines Bruders das allgemeine Staunen hervorgerufen, und dass dies darin seine Veranlassung haben dürfte, dass Sigmund's Kleidung nicht ganz der der italienischen Geistlichen entsprach; so hatte er z. B. einen kurzen schwarzen Ueberzieher, während es in Italien bei der Geistlichkeit Sitte ist, solche fast bis zum Boden reichende zu tragen; auch hatte Sigmund einen einfachen Civilhut, während in Italien von den Priestern große, weitkrämpige Hüte getragen werden. Wie dem nun auch sei, so war es uns immer sehr unangenehm und peinlich, so angegafft und verfolgt zu werden, dass sich mein Bruder später (in Mailand) entschloss, seine den Italienern "scheinbar viel Spass machende Klerik gegen eine schlichte Civilkleidung umzuwechseln. Unsere Droschke führte uns zunächst durch den Corso Vittorio Emmanuele zur Arena auf der Piazza Brà. Es ist dies ein römisches Amphitheater, etwa 290 n. Chr. unter Diocletian aufgeführt, das mein lebhaftestes Interesse erregte. Ein höchst malerisches Bild bietet die Piazza delle Erbe, Frucht-und Gemüsemarkt, das alte Forum der Republik. Mit großem Eifer nannte uns sowohl hier, als später auf der Piazza dei Signori unser Kutscher alle Palazzo's und sonstigen Sehenswürdigkeiten, die wir wegen Mangel an Zeit nur ganz flüchtig beim Vorüberfahren bewundern konnten. In einiger Erinnerung ist mir noch der Palazzo del Consiglio auf der Piazza dei Signori, gewöhnlich „la Loggia" genannt, eines der schönsten Werke der oberitalischen Frührenaissance. Einer näheren Besichtigung würdigten wir die großartigen , gothischen Denkmäler der Scaliger, deren Wappen, eine Leiter, wiederholt an dem kunstvollen Gitterwerk zu sehen ist. Unter den Kirchen sei vor Allem der schöne Dom hervorgehoben. Dieser go-thische Bau aus dem 14. Jahrhundert hat eine romanische Façade, in welcher gothische Fenster durchgebrochen sind, mit einem prächtigen - Portale und 8 einem leider unvollendeten Campanile. Das Innere ist dreischiffig mit acht freien Pfeilern von rothem Marmor. Die Kirche S. Anastasia ist ebenfalls im gothischen Stile, um die Mitte des 13. Jahrhunderts begonnen, und hat eine unvollendete Backsteinfaçade mit einem prächtigen Portale, welches das Leben Christi in Reliefs dargestellt enthält. Endlich S. Fermo Maggiore, aus dem 14. Jahrhundert und, wie fast alle Kirchen Verona's, auch gothisch Der Giardino Giusti, den wir noch zum Schlüsse unserer Tournée besuchten, enthält zahlreiche Cypressen und einige römische Alterthümer. Nach kaum zweistündiger Rundfahrt kamen wir auf die „Stazione Porta Vescovo", von wo wir unsere Reise gegen Mailand fortsetzten, eine Strecke, die uns in's Jahr 1859 zurückversetzte. Schon düster gestimmt durch den ersten Eindruck über Italien, den wir in Verona, — das uns trotz aller erhabenen Sehenswürdigkeiten wegen seines unbeschreiblichen [Schmutzes im Ganzen nur wenig entzückte, — gewonnen hatten, waren die traurigen Ereignisse vergangener Jahre, die nun unwillkürlich an unserem patriotischen Geiste vorüberzogen, gewiss nicht von anderer Wirkung; auch bot die, obzwar schon prächtig grüne Ebene, mit Ausnahme eines rechi hübschen Blickes auf die Alpen, und von" Desenzano aus auch auf den Gardasee, weiter keinen Reiz, so dass wir erst dann aus unserer trüben Stimmung erwachten, als wir Mailand erblickten, überragt von seinem herrlichen Dome. Wieder nahmen wir uns einen sogenannten Vetturino, nur hübscher und eleganter ausgestattet, als in Verona, diesmal aber nicht, um sogleich eine Rundfahrt zu unternehmen, — denn für Mailand hatten wir uns einen längeren Aufenthalt bestimmt, — sondern-, um in's Hotel „Roma" zu gelangen, wo wir unser Absteigequartier nahmen. Gleich vom ersten Augenblicke bei unserer Ankunft gefiel uns Mailand bedeutend besser als 9 Verona. Obzwar bei Weitem nicht gleich interessante, schöne alte Bauten in so großer Anzahl, wie in Verona zu finden sind, so ist doch das ganze Aussehen der Stadt, .ihrer breiten Straßen und Plätze mit stattlichen Gebäuden ein sehr prächtiges und freundliches. Unser Hôtel befand sich in nächster Nähe des Domes, am Corso Vittorio Emmanuele. Nach erfolgter Ankunft nahmen wir ein Diner zu uns und machten hierauf einen Rundgang durch die Stadt. Beginnend mit dem Domplatze, dem Mittelpunkte des Mailänder Glanzes und Lebens, — wobei wir den Dom diesmal nur flüchtig von Außen besichtigten, um ihn tags-darauf eingehender zu studieren, — begaben wir uns auf die Piazza de Mercanti, Mittelpunkt des alten Mailand, umgeben von alten Palästen, die jetzt die Börse und mit ihr die Juden in ihren Mauern aufnehmen. Auf den Domplatz zurückgekehrt betraten wir die auf der Nordseite des Platzes gelegene, großartige „Galleria Vittorio Emmanuele'-*. Die Gallerie, deren Kosten angeblich acht Millionen Lire betragen, ist 195 m lang, 14 vi breit und 26 in hoch, und in der Form eines lateinischen Kreuzes erbaut, in dessen Mitte ein Octogon, das Centrum des Ganzen, in einer Höhe von 5(X m bis zur Glaskuppel emporragt. Oben im Octogon" und an den Eingangsbögen sind große Fresken, die einerseits die vier Welttheile, andrerseits Wissenschaft, Industrie, Kunst und Ackerbau darstellen. Ein Kranz von Gasflammen unter der Kuppel wird durch eine kleine, von einem Uhrwerk getriebene Lacomotive mit einer Weingeistflamme entzündet, die in l'/2 Minuten ihre Rundfahrt beendet und zahlreiche Schaulustige anzulocken pflegt. Auch uns gewährte diese hübsche Beleuchtungsart einigen Spass, als wir später dazu in die Gallerie Isamen. Die Galleria Vittorio Emmanuele stellt die Verbindung zwischen dem Domplatze und der Piazza della Scala her. Auf letzterem Platze steht das 1872 errichtete Denkmal Lionardo da Vinci's, das Teatro della Scala und der Pajazzo Marin o ^ 10 Von hier lenkten wir unsere Schritte zum Giardino Publico, zwischen der Porta Venezia iind Nuova, dem Hauptspaziergange der Mailänder. Um dahin zu gelangen, mussten wir den langen, breiten Corso Venezia, die Fortsetzung des Corso Vittorio Emmanuele, durchschreiten, der auf uns einen echt großstädtischen Eindruck machte und ein reges, bewegtes Leben zeigte. Die Parkanlagen sind recht hübsch und gepflegt, wir hielten uns aber hier nicht allzulange auf, da wir unsere knapp bemessene Zeit auf Interessanteres zu verwenden hatten. Ueber die Piazza Cavour mit einem Broncestandbild Cavour's gelangten wir auf den Corso Venezia zurück, von wo aus uns eine Pferdeeisenbahn auf den Domplatz brachte. Es war bereits Abend geworden ; wir suchten die Restauration „Biffi" in der Galleria auf, woselbst zufällig ein recht hübsches Streichconcert mit Clavier-begleitung stattfand. Des anderen Tags machten wir uns, um keine Zeit zu verlieren, recht früh auf den Weg. Zuerst wurde in einem sehr netten Rococo-Caffeehaus am Domplatze gefrühstückt. Der Caffee, den wir hier bekamen, war gerade nicht der beste, da überhaupt in Italien kein guter Caffee zu finden ist. Wajs die italienische Kost im allgem-einen anbelangt, so sagte sie mir nicht besonders zu; doch findet man in den meisten Hotels französische Küche. Unsere Besichtigung begann mit dem Dome. Hatten wir uns schon von Außen an ihm nicht genug satt sehen können, und über seine Pracht und Herrlichkeit und seinen überwältigenden Eindruck, den er auf uns gemacht, gestaunt, so erhöhte sich dieses Gefühl Ioqì näherer Betrachtung des Innern und bei Besteigung des Daches und Thurmes umsomehr. Der Mailänder Dom ist die schönste und großartigste Turche, die ich bisher in meinem Leben gesehen! Das Großartige daran liegt aber nicht vielleicht in seiner Größe, die der Peterskirche in Rom bei Weitem nachsteht, sondern in der edlen, gleichförmigen Aus- 11 führur.g, die sich in dem reinsten gothischen Stile bei jedem kleinsten Theile der Kirche vorfindet. Es ist mir gar nicht möglich, hier wiederzugeben, wie impo-nirend dieser Bau auf mich eingewirkt hat. Die einfache Beschreibung desselben, die ich nun in Kürze folgen lasse, entspricht noch lange nicht der majestätischen Große und Erhabenheit des Domes. Nächst der Peterskirche in Rom und der Cathédrale in Sevilla ist der Mailänder Dom die größte Kirche in Europa; im Inneren 145-mlang, 56 m breit beträgt der Flächeninhalt ohne Pfeiler etc. 8406 Qm*). Die Kuppel ist 68 m, der Thurm über derselben 108 in hoch r das Dach mit 98 gothischen Fialenthürmchen, die ganze Kirche mit etwa 2000 marmornen Bildsäulen an der Außenseite geschmückt. Dem Grundplan nach ist der Dom eine kreuzförmige Basilika : fünfschiffiges Langhaus, von einem dreischiffigen Querhaus durchschnitten. Das Gewölbe, das so gemalt ist, als ob es zierlich durchbrochene, gothische Steinarbeit wäre. wird von 52 Pfeilern getragen, von denen jeder einen Umfang von 16 Schritten hat. Der •Fußboden besteht ganz aus Marmormosa'ik. Es wäre zu weitläufig alle die Einzelnheiten, als Grabmäler, Statuen, Reliefs und Bilder etc., aufzuzählen, die im Vereine die ganze Größe und Pracht dieses Domes herstellen; ich muß mich auf das Gesagte beschränken, und will nur noch Eines Erwähnung thun, Unter der Kuppel befindet sich nämlich die an Gold und Juwelen reiche, unterirdische Capelle S. Carlo Borromeo mit dem Grabmal dieses Heiligen**), an welchem wir, wie überhaupt in jeder Kirche, die wir besuchten, mehrere- kurze Stoßgebete verrichteten. Die lohnende Aussicht, die man vom Dache und Thurnie aus genießt, war leider nicht sehr klar; doch konnten wir die schöne Alpenkette im Norden recht gut ausnehmen und hatten sogar auch ein schwaches Bild der Appeuninen im Süden. *) Kölner Dom 6166 Q m, Stefans-Dom in "Wien 3236 ? m. *) Das Grab repräsentirt einet "Wertb. von 2 Millionen Gulden. 12 Die Zeit mahnte uns, leider nicht mehr länger an diesem Orte zu verweilen ; denn wir wollten auch noch Anderes sehen. So giengen wir denn auf den Friedhof. Am Wege dahin warfen wir einen flüchtigen Blick in die Kirche S. Carlo Borromeo, die in der Form einer Rotunde, ähnlich wie das Pantheon in Rom erbaut, weiter aber von keiner auffallenden Schönheit und von keinem größeren Interesse ist. Wie der Friedhof von Mailand,-so machten auch alle übrigen ,,Campo Santo", die wir auf unserer Reise durch Italien besichtigten, auf uns einen unsympathischen, heidnischen Eindruck. Obzwar wahrhaft prächtige Grabmäler, ein wahres Museum der neueren Bildhauerkunst, haben die wenigsten von ihnen ein Kreuz oder überhaupt irgend ein christliches Zeichen. Alles spricht für Unchristlichkeit ! Am Arco del Sempione, auch della Pace genannt, einem Triumphbogen ans weißem Marmor, an der Arena und dem -ehemaligen Castell der Visconti und Sforza vorbei gelangten wir zur Kirche S. Maria della Grazie, einer alten Klosterkirche, die am Corso Magenta gelegen ist. In der Nordost-Ecke des kleinen Platzes vor der Kirche beündet sich der Eingang zu dem Refectorium des als Cavallerie-Caserne dienenden, ehemaligen Klosters S. Maria delle Grazie mit dem berühmten „Abendmahl des Lionardo da Vinci". Dieses Bild, welches mit Oelfarben auf die Mauer gemalt ist, hat durch die Feuchtigkeit leider sehr gelitten, lässt aber noch deutlich die Intentionen des Künstlers erkennen. Lange hätte ich liier stehen können beim Anblick dieses Bildes, das seit jeher mein regstes Interesse erweckt haj; lange hätte ich Betrachtungen anstellen können, und gerne hätte ich mich vertieft in das Studium der Malerei", und in den Sinn des Künstlers selbst, mit dem eine npue Zeit für die italienische Malerei angebrochen ist und die Kunstentwicklung ihre Vollendung erreicht hat ; doch wieder mußten wir weiter wandern, um Neues und aber Neues zu sehen. 13 Die Mittagsstunde nahte heran und mit ihr auch der Hunger. Wir lenkten daher unsere Schritte dem Mittelpunkte der Stadt zu, und besichtigten am Wege nur flüchtig die beiden Kirchen S. Ambrogio und S. Lorenzo. Die erstere ist vom hl. Ambrosius im 4. Jahrhundert auf den Trümmern eines Bacchus-Tempels gegründet worden ; später im 12. Jahrhundert in ihre heutige Form umgebaut, enthält sie einen Vorhof mit Säulen; Grabmäler, Inschriften und Fresken im Innern. Der hl. Ambrosius soll die Thore dieser Kirche dem Kaiser Theodosius nach dem Blutbade von Thessalonich (389 n. Chr.) verschlossen haben. In der Krypta befinden sich die Gräber des hl. Ambrosius, Protasius und Q-ervasius. S. Lorenzo, in Form eines Achtecks mit Kuppel, ist die älteste Kirche Mailands. Da wir für Nachmittag einen Ausflug in die „Certosa di Pavia" vorhatten, einen herrlichen Bau, der einstens ein Karthäuser-Kloster war, fuhren wir nach unserem Speisen auf die Bahn. Unser Plan sollte aber leider nicht in Erfüllung gehen. Wir hatten uns in der Fahrordnung mit den Aufenthalten der Züge bei der Certosa geirrt, und waren gezwungen auf die Besichtigung derselben, an der wir nur vorübersausten, zu verzichten. Bei der Hinfahrt nach Pavia hielt nämlich unser Zug nicht, wie wir es fälschlich geglaubt hatten ; bei der Rückfahrt war aber die Dämmerung schon zu weit vorgeschritten, als dass wir irgend etwas noch hätten sehen können. So gieng der Nachmittag eigentlich damit verloren, dass wir uns von Pavia einen recht schlechten Eindruck holten. Pavia erschien uns ganz unbeschreiblich düster, ausgestorben, langweilig, schmutzig und ich weiß nicht, wie noch ! Es mag wohl das elende Wetter dazu beigetragen haben ; aber soviel ist mir noch erinnerlich, dass wir uns fast vorgenommen hätten, nie mehr diese äußerst unsympathische Stadt zu betreten. Wir besichtigten die Cathédrale, die gedeckte Brücke über den Tessin, Ponte Ticinese, auf deren Mitte sich eine 14 kleine Capelle befindet; ferner die Kirche S. Michele, die Universität mit sehr schönen, großen Höfen; S. Francesco, gegründet 1569 von Pius Y., dessen Colossalstatue in Bronce sich auf dem Platze vor der Kirche befindet, und endlich S. Maria del Carmine. Wir waren froh, als wir uns Abends wieder in Mailand zurück befanden und, wie am vorigen Tage, in einer Restauration unserer Galleria Vittorio Emmanuele einem Concert beiwohnten. Für Donnerstag den |19. Nachmittag war unsere Abreise bestimmt: wir hatten also jioch den Vormittag gut auszunützen und verwendeten ihn vor allem anderen zur Besichtigung der Pinacotheka in der Brera und der ambrosianischen Bibliothek. Unter den zahlreichen, werthvollen Bildern haben zwei meine Aufmerksamkeit und mein Interesse ganz besonders auf sich gelenkt. Das eine: „Lionardo da Vinci, Studie zum Christuskopf im Abendmahl", das mir aus S. Maria delle Grazie von Tags zuvor noch frisch im Gedächtnis war; das andere: Rafael's berühmte „Vermählung der hl. Jungfrau", eine wunderbar edle Darstellung ! In der berühmten Bibliotheka Ambrosiana bekamen wir eine Menge Interessantes zu sehen, größten-theils Bruchstücke von alten Originalen aller Classiker und vieles andere dergleichen. Noch warfen wir einen Blick in die Kirche S. Alessandro, die St. Peterskirohe in Rom im Kleinen, und auf das Ospedale Maggiore, einen gewaltigen, schönen Backsteinbau, gothisch mit Renaissance gemischt; dann mußten wir aber schon unserem schönen Mailand mit seinem noch schöneren Dome ein Lebewohl sagen, und eilends brauste unser Zug gegen Turin. Die Fahrt vergieng ohne jedes Ereignis an Magenta und Novara vorbei, bis wir Abends 8 Uhr in Turin anlangten. Von der Bahn aus hatten wir gar nicht weit zu gehen; das Hôtel de Suisse, das wir uns gewählt, liegt vis-à-vis vom Bahnhofgebäude. 15 Turin unterscheidet sich durch seine Regelmäßigkeit von allen übrigen Städten Italiens. Seine regelmäßige Anlage, lange, breite, gerade Straßen, große, quadratförmige Plätze, gleichmäßige, symmetrische Häuserreihen, zahlreiche Statuen und Denkmäler, hübsche, häufig sich wiederholende Gartenanlagen, — alles das zusammen machte auf uns einen freundlichen Eindruck: Das Bild einer neuen, schönen Großstadt. Ebenso wie im Allgemeinen, gefiel uns Turin auch im Besonderen. Von den Kirchen ist die Cathédrale zu erwähnen, im Renaissance-Stil aufgeführt, mit einer kleinen Capelle hinter dein Hochaltare, genannt „Gapella del Santissimo Sudario", da sich daselbst in einer sargartigen Urne das Santissimo Sudario, ein Theil des Linnentuches, in welchem der Körper des Heilandes eingehüllt war, befindet. Die Kirchen Corpus domini, La Consolata, mit einem hochverehrten Madonnenbilde, S. Massimo und Gran Madre di Dior letztere nach dem Vorbilde des Pantheon zu Rom, sind von geringerer Bedeutung. Zwei schöne, großartige Bauten sind das Castell, genannt Palazzo Madama und das königliche Schloß ; das eine alt, ehrwürdig aus- dem Mittelalter, das andere ein großer Bau der Neuzeit. Das Innere des Schlosses zeigt von einem großartigen 7 prächtigen Luxus, eine Reihe glänzend eingerichteter, königlicher Pr unkgemä eher. Eine ausgezeichnete Sammlung enthält die königliche Rüstkammer ; man findet hier höchst interessante Waffen; eine Rüstung des Prinzen Eugen, einen Sattel Kaiser Karl's V. von rothem Sammt, ein im Hafen. von Genua gefundenes antikes Rostrum und vieles andere. Unter den Palästen sind weiters hervorzuheben der Palazzo Carignano, Palazzo delle Torri, Palazzo di Citta und der Palazzo delle Accademia delle Scienze, welcher ein Museum von ALterthümern und eine Pinakothek — darin einige interessante Bilder von Van Dyck — enthält. 16 Eine prächtige Aussicht genossen wir vom Kapuzinerberg. Es ist dies ein bewaldeter Hügel mit einem Kapuztnerkloster, von wo aus sich die ganze Ebene des Po mît der Stadt und im Hintergrunds die Alpen-kett& ganz prächtig ausnehmen. Von hier sahen wir auch die hübsch gelegene, weithinsichtbare Superga, die königliche Gruftkirche, zu deren näherer Besichtigung wir nicht -mehr Zeit hatten. Wir schlossen unseren Turiner- Aufenthalt mit einem Besuche des Nuovo Giardino Publico, der noch zahlreiche, recht husche, größere und kleinere Bauten aus der Ausstellung vom Jahre 1884 enthielt. Sehr zufriedengestellt über den bisherigen guten Verlauf unserer Reise und über Alles, was wir nun schon- kennen gelernt und besichtigt hatten, ganz besonders aber über den günstigen Eindruck, den wir von Turin und unserem Hôtel de Suisse hatten, welch' letzteres sich in jeder Beziehung, sowohl rücksichtlich Bewohnung und Bedienung, als auch rücksichtlich der guten Küche, als vorteilhaft und angenehm erwiesen hatte, reisten wir Samstag den 21. Früh von hier nach Genua ab. Während die Gegend anfangs ziemlich einförmig war, näherten wir uns in der Folge allmälilig den Appenninen, die uns in ihrer abwechslungsreichen Großartigkeit immer größeres Entzücken entlockten. Während wir nun diese Gebirgskette kaum noch durchschnitten zu haben glaubten, da plötzlich zeigte sich eine unendliche Wasserfläche vor uns — das Meer ! Und schon sind wir in Genua angelangt. Eine Droschke brachte uns zum Hôtel de France am Hafen, in dem wir ein Zimmer mit der wunderbarsten Fernsicht auf Stadt und Meer bezogen. Dass dieser Anblick auf mich einen, ganz überwältigenden Eindruck machte, brauche ich wohl kaum zu erwähnen ; wird ja mehr oder weniger Jedermann beim Anblicke des Meeres in seinem Innersten bewegt und zu den verschiedenartigsten Betrachtungen getrieben. Auch halte ich es gar nicht für möglich dieses Gefühl und alle Gedanken, die dabei in meinem Geiste auftauchten, 17 nur annähernd schildern zu können. Stundenlang wäre ich so am Fenster gestanden, versunken in der Bewunderung all der Pracht, die sieh mir vor meinen Augen entfaltete. Diese so reizend angelegte Stadt, mit Recht „la Superba" geheißen, dieses bunte lärmende Treiben im Hafen, das ziemlich bewegte Meer mit seiner Unendlichkeit, darüber der schöne, klare, blaue Himmel, — Alles dieses war mir neu und schien mir fast märchenhaft. Wir waren aber nicht nach Genua gekommen, um uns schweigsam unseren Gedanken zu überlassen und von unserem Hotelfenster aus Betrachtungen anzustellen, sondern wir mußten noch mehr sehen, um auch noch mehr bewundern zu können. Das Meer, die unvergleichliche Lage, die Eigen-thümlichkeiten einer südlichen Hafenstadt und die Eripnerungen an den alten Glanz der Republik, machen Genua für den aus dem Norden kommenden Reisenden zu einem besonders anziehenden Aufenthalt. In kunstgeschichtlicher Hinsicht bietet es auch manches Interesse. Die Kirchen sind sehr alt, doch meistens in der ggthischen Zeit umgebaut. Von größter Bedeutung sind die Renaissance-Paläste des genuesischen Adels, zahlreicher und prächtiger, als die irgendeiner anderen Stadt. Da gibt- es einen Palazzo ducale, mit einer großartigen Treppe, einen Palazzo del Municipio, einen rothen Palazzo Rosso, mit Bibliothek und Gemäldegalerie, einen weißen Palazzo Bianco, einen Palazzo Marcello Durazzo und eine Unzahl anderer, welche sich durch Schönheit, Großartigkeit und Reichthum auszeichnen. S. Lorenzo, durch die späteren Umbauten jetzt in drei verschiedenen Baustilen, hat eine ganz merkwürdige , aus abwechselnden Lagen schwarzen und weißen Marmors bestehende Façade. In der Sakristei ließen wir uns den dort befindlichen Domschatz zeigen, in welchem sich unter anderen Kostbarkeiten das „Sacro Catino" befindet, ein schönes Gefäß, nach der *2 18 Legende dasjenige, aus dem Christus mît seinen Jüngern das Osterlamm gegessen, oder in dem Josef von Arimathea das Blut des Heilandes aufgefangen hat. Es wurde 1101 in Caesarea erbeutet 5 angeblich von Smaragd wurde es später zerbrochen als altorientalischer Glasfluß erkannt. S. Maria Immaculata, damals noch unvollendet, uns aber schon durch den „Messenverein"*) bekannt, S. Ambrogio, S. Stefano und das sehr reich verzierte S. Annunziata, sowie Jioch mehrere kleinere Kirchen übergehe ich und gedenke nur der schönen Aussicht Von S. Maria in Carignano, einer Kirche, die am östlichen Ende der Stadt auf einem kleinen Hügel gelegen ist. Von hier aus gesehen ist Genua ein unbeschreib-bares Prachtbild! Immer wieder Schöneres und Größartigeres, ein wahrer Wetteifer um den ersten Preis ! Wahrlich, ich wüßte nicht zu sagen, welcher Punkt mir am besten gefiel ; überall steigerte sich mein Entzücken und erreichte seinen Höhepunkt bei dem romantisch schönen Anblick, der. sich uns von der via di Circonvallazione aus bot. Diese großartige, erst 1876 neu angelegte Straße beginnt östlich an der Piazza Manin und führt auf der Höhe hinter der Stadt zuerst über einen Viaduct am Abhänge hin, dann in großen Windungen, unter ver- *) Dies ist ein im Jahre 1874 vom hochw. Herrn Miv Antonio Kivara mit Genehmigung Sr. Heiligkeit Pius IX. in Genua gegründeter Verein zu nachstehenden Zwecken: 1. Um die Verehrung der sei. Jungfrau Maria, nach der dogmatischen Erklärung ihrer unbefleckten Empfängnis, zu vermehren ; 2. Um die, in Folge dieser dogmatischen Erklärung, ihr zu Genua in der via Assarotti unter diesem Titel neu erbaute und geweihte Kirche zu vollenden; 3. Zum Vortheile der Seelen für Lebende und Verstorbene. Jede Person, welche diesem Vereine beitritt, hat ein für allemal die Opfergabe von 50 kr. ö. W. zu erlegen. Für alle beigetretenen Mitglieder in solidum lesen die zwölf der oberwähnten Kirche zugetheilten Geistlichen täglich die hl. Messen, gleichsam zur Sühne. Dies der Grundgedanke des Vereins. 19 schiedenen Namen, Corso Solferino, Magenta, Paganini, bis zum Albergo dei Poveri, einem imposant großen, hochgelegenen Baue. In bunter Abwechslung zeigen sich hier unter reizenden Gartenanlagen, Palmen,. Felsen, die verschiedensten Bilder, eines schöner als das andere. Dieser südliche Typus findet sich überall in den zahlreichen reizenden Gartenanlagen, wo man die verschiedensten südlichen Pflanzen sehen kann, alles in herrlichster Blühte. Auch von den schönen Anlagen der Villa Pallavicini bei Pegli, wohin wir einen Ausflug unternahmen, wären wir mehr entzückt gewesen, wenn Wetter und Beleuchtung damals nicht so ungünstig gewesen wären. Nach unserer Eückkehr von der Villa bestiegen wir den Leuchtthurm, dessen interessante Einrichtung wir besichtigten. Bei Betrachtung des Hafens überkam uns die Lust, denselben näher zu beschauen; es dauerte auch nicht lange, so konnte man uns schon in einem Boote erblicken, das von dem ziemlich lustig bewegten Wasser hin- und hergeschaukelt wurde. Diese ungewohnte Bewegung erzeugte schneller, als wir es für möglich gehalten, in uns ein Gefühl von Seekrankheit, welches sich so sehr steigerte, dass wir unseren Barkenführer zu eilender Rückfahrt bestimmen mußten. Wir stiegen schnellstens beim äußersten Molo aus und taumelten, von Schwindel erfaßt, unserer Behausung, dem Hotel de France, zu, woselbst wir am Fenster in der frischen Abendluft bald Erholung fanden. Fast hätten wir uns gegen jede Fahrt auf irgend einem beliebigen Schiffe überhaupt verschworen und den Entschluss gefaßt, nie mehr ein solches zu besteigen, so elend hatten wir uns gefühlt; und doch fügte es das Schicksal, dass wir noch in derselben Nacht auf einem Dampfer nach Spezia segelten ! Durch einen Bergabsturz war die schöne Eisen-bahnstrecke Genua-Spezia unfahrbar gemacht, und da wir einerseits keinen großen Umweg auf einer anderen Bahnstrecke machen wollten, andrerseits 20 unser Rundreisebillet auch für den Dampfer Gültigkeit hatte, so entschlossen wir uns nach einigem Zögern, unsere Fahrt mit einem Dampfschiffe fortzusetzen. Die .Abfahrtszeit war leider um Mitternacht, sodass wir von der so schönen Riviera di Levante, die zwar der Riviera di Ponente an Vegetationsfülle nachsteht, aber fast noch schönere Gebirgsformen zeigen soll, nichts zu sehen bekamen. Ich war noch nie am Meere gefahren 5 sowohl dieser Umstand als auch unsere nachmittägige Bootfahrt mit ihren Folgen erfüllte mich mit einem kleinen Gefühl von Scheue, das durch die nächtliche Düsterheit nur erhöht wurde. Es waren wenig Passagiere am Schiff, wesshalb eine große Ruhe vorherrschte. Das letzte Glockenzeichen war gegeben, unser Schiff setzte sich in Bewegung und schwebte still und ruhig aus dem Hafen hinaus. Ganz in unsere Gedanken versunken am Verdecke stehend schauten wir nach dem prächtigen Genua zurück : Ein Lichtglanz, der sich hundertfach im Meere abspiegelte und immer kleiner wurde, je weiter wir in's offene Meer hinausgetragen wurden. Die See war ruhig ; unsere Fahrt vergieng rasch. Während Sigmund an einer ziemlich heftigen Seekrankheit zu leiden hatte, blieb ich davon ganz verschont und labte mich theils an dem Dufte, der aus den „seekranken" Cajüten kam, theils auf dem Verdecke an der herrlich frischen Seeluft. Nach kaum sechsstündiger Fahrt liefen wir am 23. um 6 Uhr Früh im Hafen von Spezia ein, von wo aus uns ein. bereitstehender Eisenbahnzug, der sofort bestiegen wurde, nach Pisa brachte. Welch' ein Unterschied mit Genua ! Pisa stimmte uns traurig und wiederte uns an, fast so wie Pavia, vielleicht auch noch mehr ! Wir wanderten durch öde, ausgestorbene, schmutzige Straßen dem Domplatze zu, der in ruhiger Abgeschiedenheit ganz außerhalb der Stadt liegt. Hier sind der Dom, der schiefe Glockenthurm, das Baptisterium und der Campo Santo auf einem Platze vereinigt. Obzwar großartig und 21 schön, eine Gruppe von Gebäuden^ wie sie nirgends so sich findet, ließen sie uns dennoch gänzlich kalt. Wir kamen zufällig zu einer italienischen Predigt, die ein feuriger Pater hielt. Ich verstand nicht viel davon, beobachtete vielmehr die echt italienische Art des Predigens, die überaus große Lebhaftigkeit, das Herumgesticulieren, Schreien u. s. w. Die Kirche, die ebenso leer war, wie überhaupt ganz Pisa, ist eine fiinfschiffige Basilika, von einem dreischiffigen Querhaus durchschnitten, mit einer elliptischen Kuppel über der Kreuzung. Der Bau ist in weißem Marmor ausgeführt, mit schwarzen und färbigen Incrustationen untermischt, und entwickelt an der Façade die größte Pracht. Im Innern befindet sich eine hängende, sehr schöne Bronzelampe, dadurch Ijemerkenswerth, dass sie durch ihre Schwingungen zuerst Galilei's Aufmerksamkeit auf das Pendel hingeleitet haben soll. Das Baptisterium, die Taufkapelle, ist ein von einer Kuppel überwölbter Bundbau, dem Aeußeren nach, wie der Dom. Der berühmte schiefe Campanile, den wir auch bestiegen, gibt von seiner Plattform eine recht hübsche Fernsicht über Stadt und Umgebung. Beim Steigen merkt man" sehr die Schiefe des Thurmes. Der Campo Santo ist ein sehr schöner Hof, eigentlich nichts anderes, als ein reiches Museum der verschiedensten christlichen und heidnischen Grabmäler. Erzbischof Ubaldo, der ihn Ende des 12. Jahrhunderts gegründet, brachte nach dem Verluste des hl. Landes in 53 Schiffen Erde vom Calvarienberge hieher, die' Todten darin zu begraben. Dieses und die zierliche Kirche S. Maria della Spina, so benannt von einem Theilchen der Dornenkrone Christi, das hier aufbewahrt wurde, war alles, was wir uns in dem traurigen Pisa ansahen. Meine Stimmung wurde dadurch noch verschlechtert, dass ein dortiger Friseur meine Haare gänzlich verschnitt ; ich freute mich, als wir im Coupée saßen. Wir fuhren nach Livorno, wo wir uns einige Stunden aufzuhalten gedachten. Glücklicher Weise 22 aber erfuhren wir gleich auf der Bahn, dass in Folge des Bergabsturzes zwischen Genua und Spezia eine allgemeine Veränderung in der Fahrordnung eingetreten sei, die uns veranlasste, ohne-jeden längeren Aufenthalt mit dem eben abgehenden Zuge unsere Fahrt fortzusetzen, damit wir Rom, wie es bestimmt war, am Morgen des kommenden Tages erreichten. Die Bahn führte uns über Golle Salvetti nach Grosetti, wo wir mehrere Stunden in der Nacht Aufenthalt hatten. Um 3 Uhr Früh weckte uns der Bahnhofportier , und bald darauf fuhren wir in garstiger Gegend längs des Meeres nach Rom, wo wir. am 24. März um 10 Uhr Vormittags anlangten. Das Ziel unserer Reise war erreicht! * * * ROM, Dienstag, den 24. März. Von der Bahn fuhren wir in den Palazzo Antici Matthei, wo Onkel Cardinal uns in seiner schönen, großen Wohnung zwei nette Zimmer eingerichtet hatte. Wir wurden von unserem verehrten Onkel auf das Herzlichste empfangen. Der frühere Ernst und die frühere Strenge seines Gesichtsaus druckes sind einer innig sanften Milde gewichen, welche uns vom ersten Augenblick an ein besonderes Zutrauen zu ihm einflößte und uns den Aufenthalt in Rom in jeder Beziehung angenehm und unvergesslich machte. In die Wohnung des Cardinais gelangte man durch zwei große Vorzimmer; das eine derselben führte in eine doppelte Reihe folgender Gemächer: Zuerst ein Wartesalon für Gäste, dann der Thronsalon, der nur bei feierlichen Gelegenheiten benützt zu werden pflegte, der Empfangsalon, das Arbeitszimmer und das Schlafzimmer des Cardinais; ferner 23 eine Bibliothek, eine Garderobe und das Zimmer seines Secretärs, des immer lustigen Mgr. Meszczyûski. Andrerseits gelangte man aus dem zweiten Vorzimmer in das Speisezimmer, an welches sich die kleine, nette Capelle anschloß, und in den übrigen Theil der Wohnung, der aus den von uns bewohnten zwei Gastzimmern, der Küche und den Zimmern der Dienerschaft bestand. Oberhalb der Wohnung befand sich eine kleine Terrasse — Onkel Cardinal nannte sie seine „Loggia" — auf welcher er nach dem Speisen bei s,chönem Wetter seine einzige Bewegung machte, während er den ganzen Tag ununterbrochen mit Arbeiten überhäuft war. Unsere Tageseintheilung war folgende: Morgens um 748 hl. Messe von Mgr. Meszczyûski, der -ich gewöhnlich nicht beiwohnte ^ um zlfi hl. Messe vom Cardinal, wobei mehreremale in der Woche ein gewisser Herr Moriconi auf einem Harmonium präludierte, das sich im anstoßenden Speisezimmer befand. Um 1 Uhr war Diner, um 8 Uhr Abends Souper. Die Zwischenzeit am Vor- und Nachmittag wurde fast ausschließlich zur Besichtigung der Sehenswürdigkeiten benützt ; täglich nach dem Souper mußte ich bis zum Abendgebet, das gegen 10 Uhr in der Capelle gemeinschaftlieh stattfand, am Harmonium die verschiedensten Tanzstücke und Märsche spielen, während Onkel mit Sigmund im Gespräch vertieft auf- und abgieng. Unter meinen Noten befand sich auch der „Hoch-Habsburg"-Marsch, der so großen Gefallen beim Cardinal erregte, dass ich ihn nicht genug oft spielen konnte.*) Unser erster Gang, noch am Tage der Ankunft, war selbstverständlich in die Peterskirche und in den Vatican. Ueberrascht von dem Anblick des imposanten Platzes, der Kirchs von Außen und Innen, *) Bei meiner Abreise von Rom ließ ich den Marsch daselbst zurück, wo er später noch häufig bei festlichen Gelegenheiten nach Beendigung der hl. Messe gespielt zu werden pflegte. 24 ließen wir uns für diesmal in eine nähere Besichtigung nicht ein; es galt blqß, am Grabe des Apostelfürsten unser erstes Gebet .zu verrichten. Wir machten hierauf im, Vatican eine Yisite bei Mgr. Macchi, erstem Kammerherrn Sr. Heiligkeit, fuhren vom Petersplatze aus auf die Piazza S. Lorenzo, durchschritten den schönen langen Corso und begaben uns schließlich in eine kleine Kirche, in der das Aller -heiligste ausgesetzt war. Abends wurden wir dem Cardinal Howard vor-gestellt^ den wir beim Onkel trafen. ROM, Mittwoch, den 25. März, (M. Verkündigung.) Vormittags machten wir einen Besuch bei Mgr. Montel und besichtigten dann S. Maria Maggiore am Monte Esquilino. Die Front der Kirche, die zu den sieben Haupt-Basiliken Roms gehört, ist umgeben von einem von Papst Paul V. erbauten Palaste für die Domherrn. S. Maria Maggiore hat zwei weithinsichtbare Kuppeln und.einen Thurm. Das Innere ist überraschend schön ; 36 Säulen von weißem Marmor und schönster Arbeit tragen das Mittelschiff, welches, sowie überhaupt die ganze Kirche, reich verziert ist. In einer Seitencapelle befindet sich das vom hl. Lukas gemalte Bild: Die hl. Maria Maggiore. In einer kleinen Krypta unterhalb des Hauptaltares befindet sich die Krippe des Christkindleins, mit noch etwas Heu und Windeln ; leider konnten wir sie nicht sehen. Vor der Krypta ist eine sehr schöne Statue, welche den Papst Pius IX. auf einem Betstuhle knieend darstellt. Die ganze Kirche enthält zahlreiche Mosaiken und, wie schon früher erwähnt, sehr reiche Verzierungen, insbesondere ist der ganze Plafond weiß und gold gehalten. Nachmittag machten wir einen Spaziergang am Corso. Später führte uns Mgr. Meszczynski auf's Capitol, woselbst sich zur Erinnerung an die Gründung 25 Roms hinter einem Gitter in einem kleinen Garten ein Wölfepaar befindet. Von hier auf das Forum Romanum, auf welches wir heute nur einen fluchtigen Blick warfen, endlich zum Colosseum, das nns durch seine enormen Dimensionen die Arena von Verona verschwinden ließ. Es ist kein zweiter Ort auf Erden, der so oft mit Blut getränkt wurde, wie dieser. Die Leidenschaft für unmenschliche Spiele war bei den Römern in Raserei ausgeartet. Vornehme Römer hielten sich sogar eigene Gladiatoren und ließen sie bei ihren Gastmählern auftreten. Fast ein ganzes Jahrhundert war vergangen, seit dem Constantin über das Heidenthum gesiegt 5 aber im Colosseum floß immer noch das Menschenblut ; so «ehr war diese grausame Leidenschaft dem Volke eingeprägt. Erst Kaiser Honorius stellte die Gladiatorenkämpfe im Jahre 404 gänzlich ein. ROM, Donnerstag, den 26. März. Zuerst nur ein kleiner Spaziergang in der Stadt. Später fuhren wir mit Onkel Cardinal in seiner Equipage in den Palazzo Venezia, wo wir dem damaligen österreichischen Botschafter beim päpstlichen Stuhle, Grafen Paar, einen Besuch abstatteten. Nachmittags unternahmen wir einen Spaziergang in die herrlichen Anlagen des Monte Pincio, von wo aus man unter Palmen und Cypressen einen prächtigen Ausblick auf Rom genießt. Am Wege dahin hielten wir uns am Quirinal auf und besuchten die Kirche des hl. Stanislaus Kostka und sein -Sterbezimmer, in welchem sich eine sehr hübsche Statue dieses Heiligen in liegender Stellung, sowie eine große Reliquiensammlung befindet. -ROM, Freitag den 27. März. Wir giengen auf das Capitol in die dort gelegene Kirche S. Maria in Ara Coeli, Titularkirche 26 des Onkels. Ueber dem Seiteneingang — der Haupteingang, zu dem eine hohe Stiege hinaufführt, ist gewöhnlich geschlossen — hängt das päpstliche Wappen, sowie das Ledóchowski'sche mit dem Cardinalshut. Ueberhaupt ist in Rom an jeder Kirche neben dem päpstlichen Wappen das desjenigen Cardinais, dem die Kirche untersteht, angebracht. S. Maria in Ara Coeli ist eine dreischiffige Basilika mit uralten Säulen. In einer Nebencapelle zeigte man uns das bekannte, wunderbare Bambino Gesù, ein kleines Christuskind. Hierauf besichtigten wir eingehend das Forum Romanum, das sich hinter dem Capitol bis zum Colosseum hinzieht. Hier sahen wir, freilich nur mehr als Theile des ehemaligen großartigen Ganzen, Bruchstücke von Mauern, Säulen und dergleichen mehr von den alten Gebäuden aus der Römerzeit. Da stand ein Castortempel, eine Basilika Julia, ein Tempel des Saturn, ein Tempel des Yespasian u. s. f.} — alles dies zeigt in seinem jetzigen Zustande von geschwundener Größe des alten Rom. Mgr. Montel hatte uns versprochen, uns dem Großmeister des Maltheser-Ordens Baron Ceschi a Santa Croce vorzustellen 5 er führte uns heute zu ihm und es wurde uns ein überaus freundlicher Empfang zu Theil. Da das Wetter so schön war, giengen wir in die großen Parkanlagen der Villa Doria Pamfili am Monte Gianicolo, am entgegengesetzten Ende der Stadt, als der Monte Pincio. Die Anlagen erinnerten mich sehr an den Prater von Wien; sie enthalten einige prächtige Baumgruppen und Alleen. Unter den vielen Equipagen sahen wir .auch die königliche mit der Königin Margarita. ROM, Samstag, den 28. März. Von der Piazza del Gesù aus fuhren wir auf den Petersplatz, um heute die Peterskirche eingehend 21 zu besichtigen. Je mehr wir die Proportion der einzelnen Theile sahen, desto mehr inerkten wir die ungeheure Größe. Es ist schwierig eine deutliche, ausführliche Beschreibung zu geben, doch will ich es dennoch nicht unterlassen, wenigstens Einiges über die große Kirche zu sagen. Der Anblick der Peterskirche wirkt überraschend. Der prachtvollste Platz der Welt, von Collonaden eingeschlossen, bildet gleichsam den Vorhof von St. Peter, in dessen Mitte ein hoher Obelisk emporragt. Die breite, hohe Façade gibt der Kirche eher ein palastähnliches Aussehen und verstellt leider die weiter hinten erst emporragende Kuppel, so dass diese vom Platze aus kaum zu sehen ist und in ihrer Wirkung verliert. Ueber dem Dachgeländer stehen die Riesen-statuen Christi, der hl. Jungfrau und der Apostel. Aus der Loggia ober dem Mittelthore pflegte der Papst in früheren Zeiten dem am Platze vor der Kirche dicht gedrängt stehenden Volke bei feierlichen Anlässen den Segen zu ertheilen. Das Innere von St. Peter ist groß und gewaltig, hoch und lang. Nur fünf, aber freilich ungeheuer mächtige Pfeiler tragen die kühnen Bogen der Wölbung; erst bei näherer, oftmaliger Betrachtung sieht man ihre Größe und immense Höhe. Dort, wo die Kreuzarme des Domes sich schneiden, senkt sich das Grab des Apostelfürsten (Confession) hinab ; darüber steht der Altar, auf dem die Nachfolger Petri Gott das unblutige Opfer darbringen ; zu oberst erhebt sich die Riesenkuppel. Zu beiden Seiten der Confession sind die vergoldeten Statuen der Apostelfürsten und zwischen den Treppen, die hinabführen, eine knieende Marmorstatue Pius VI. An den vier Seiten der Confession und des Hochaltar's erheben sich die Kuppelpfeiler, die in ihren Nischen mit den fünf Meter hohen Standbildern der hl. Veronika, hl. Helena, des hl. Longinus und hl. Andreas ausgefüllt sind. Oben an den Pfeilern über dem Hauptgesimse sind die riesigen Gestalten der Evangelisten in Mosaik aus- 28 geführt; darüber setzt sich dann die mächtige Kuppel an, welche von sechzehn Fenstern durchbrochen ist, und wieder zahlreiche Colossal-Mosaiken enthält. Endlich ganz .zu äußerst ragt die Laterne mit einer doppelten Fensterstellung in die Luft empor. Die Ausschmückung des ganzen übrigen Theiles der Peterskirche ist in prächtigem Marmor und Qold gehalten. Eine ganze Menge Bildwerke sind in der Kirche vertheilt; zwei Reihen von. Nischen sind in den Pfeilern ausgetieft, um die Bildsäulen der Ordensstifter aufzunehmen. Das ehrwürdigste und älteste Standbild im Domç ist die Bronzestatue des hl. Petrus; welche zur Rechten der Confession am letzten Pfeiler des Mittelschiffes steht. Der Heilige ist auf einem Marmorstuhle sitzend im Gewinde der alten Römer dargestellt; während die Rechte zum Segen erhoben ist, trägt die Linke die Schlüssel. Einen hervorragenden Platz nehmen in St. Peter auch die Gfabmäler der Päpste ein, die meisten hoch und feierlich, wie ganze Altäre. Als das schönste dürfte wohl das Grabmahl Paul's in. bezeichnet werden; an dieses reihen sich sodann die der Päpste Leo XI., Clemens XIII., Pius VII. u. s. w. an. Keine Leinwand mit glänzenden Farben übermalt, ziert die Altäre; sie sind entfernt — die meisten befinden sich jetzt in der Kirche S. Maria degli Angeli ¦— und durch Abbildungen in Mosaik ersetzt. Noch wäre eines Denkmals Erwähnung zu thun. Im Abschluss der Kirche, am Ende des hinter der Confession verlängerten, größeren Kreuzarmes steht ein colossales Monument^ die Einfassung des bischöflichen Stuhles des Apostelfürsten Petrus. Getragen von den vier großen Kirchenvätern, den hl. Ambrosius, Augustinus, Athanasius und Chrysostomus verwahrt der eherne Verschluss den Bischofsstuhl des hl. Petrus. Darüber schwebt in einem Kranze von Wolken, Strahlen und Engeln das Sinnbild des hl. Geistes, die Taube. In der Schatzkammer befinden sich zahlreiche, sehr interessante Stücke : Messgewänder, Pluviale, 29 Kelche, Leuchter, Monstranzen, Crucifixe und dergleichen mehr; alles von Reichtum und Pracht strotzend ist in Menge zu sehen ; unter anderem zeigte man uns auch den Mantel, den Karl der Große bei seiner Krönung trug, einen Riesenring- von Kaiser Konstantin, die Tiara, die bei großen Feierlichkeiten der Petrusstatue aufgesetzt wird und vieles, Aehnliches noch. Unter dem Mittelschiffe von St. Peter dehnen sich die sogenannten Vaticanischen Grotten aus, eine in flachen Bogen gewölbte, unterirdische Kirche. Den Mittelpunkt in derselben bildet der Altar mit den Reliquien des hl. Petrus. Von da aus verzweigen sich die von Alterthümern über und über erfüllten Gänge; es ist äußerst interessant, diese vielen Tafelgemälde, Standbilder, ehrwürdige Grabmäler, Inschriften, Särge und dergleichen mehr in Menge hier gesammelt zu sehen. Nachmittag machte ich einen Besuch bei Mgr. Montel, um ihm auf eine Anfrage des Großmeisters Ceschi, wann wir zum Speisen kommen könnten, die Antwort zu bringen, dass wir mit größtem Vergnügen zu jeder Zeit zur Verfügung stehen. Von der Piazza Montanara aus führte uns die Pferdeeisenbahn zur Basilika S. Paolo fuori le mura, der Grabkirche des hl. Paulus. Am Haupteingang wurde gearbeitet; wir konnten nur den obersten Theil der Front frei sehen; es ist dies eine große Mosaik: Das Lamm Gottes und zu beiden Seiten zwölf andere Lämmer, die zwölf Apostel darstellend. Das Innere ist- fünfschifng, durch zwei Doppelreihen schöner, weißer Marmorsäulen getrennt. Der Boden der ganzen Kirche ist mit glänzenden Marmorsteinen parquettiert. Ueber dem Mittelschiff strahlt die aus Cedern vom Libanon gebaute Decke, überkleidet mit vergoldeten Platten aus Bronze. Der Hauptalter ist, sowie in allen Basiliken, auch hier zum Volke gekehrt und umgeben von vier herrlichen Säulen, die einen Baldachin tragen. Die Sockel dieser Säulen sind aus 30 schönem Malachit, ebenso die beiden Altäre in den Querschiffen. In der ganzen Kirche, im Mittel- und in den Seitenschiffen, sind die Porträts von allen Päpsten, angefangen vom hl. Petrus bis Leo XHI. inclusive; sie sind aus Mosaik auf Goldgrund gearbeitete , runde Medaillons. Die großen Fenster der Kirche enthalten in schöner Griasmalerei die zwölf Apostel" und mehrere Kirchenlehrer. Oberhalb um die ganze Kirche herum sind Fresken aus dem Leben der hl. .Petrus und Paulus ; rechts und links vom Hauptaltar im Mittelschiff sind Riesenstatuen von diesen beiden Heiligen. Die Apsis und die Wände der Kirche enthalten herrliche Mosaiken. In einer Capelle zeigt man über dem Altare das Crucifix unter Glas, von welchem herab der Heiland zur hl. Brigitta gesprochen haben soll. Sehr befriedigt über all die Pracht, die wir in St. Paul gesehen, kehrten wir heim. Es kam Mgr. Montel, der uns für morgen zum Diner beim Großmeister einlud. ROM, Palmsonntag, den 29. März. Die Charwoche hat begonnen; obzwar.wir einige recht hübsche kirchliche Feierlichkeiten in derselben mitmachen sollten, so konnten wir doch sehen, dass sie bei weitem nicht mehr so großartig und erhebend ^ind, wie zu den Zeiten, da noch der hl. Vater selbst celebrierte und sich öffentlich in den Kirchen Roms zeigte. Am Vormittage des Palmsonntags wohnte ich einem feierlichen Amte in der Peterskirche bei, welches Cardinal Howard hielt. Es wurden die Palmen geweiht-; jeder, der wollte, durfte mit seinen Palmen zum Altare treten und sich vor dem Cardinal niederknien, der alsdann die Weiheformel sprach. Leider hatte ich keine Palme gekauft und konnte daher nicht auch hinzutreten, um sie mir geweiht als Andenken aus St. Peter in Rom mitzunehmen. Den Schluss 31 der Cérémonie bildete eine feierliche Procession mit Palmen durch üie ganze Kirche. Dabei fiel mir die imposante Erscheinung des Cardinais Howard auf. So feierlich gestimmt deh einerseits durch die schönen Ceremonien war, so wenig erbaut war ich andererseits von zwei Klosterfrauen, wie sie es wenigstens der Kleidung nach zu sein schienen.. Ihr un^ schickliches, auffallendes Benehmen erfüllte mich mit Abscheu und Entsetzen. Fast kam es mir vor, als ob sie irgend welche verkleidete Personen wären, ja ich nehme es sogar mit Bestimmtheit an und hoffe es, da es unmöglich denkbar wäre, dass sich wirkliche Klosterfrauen überhaupt und nicht einmal in Kirchen anständig zu benehmen wüßten. Oder ist das vielleicht auch jene den Italienern angeborene Lebhaftigkeit, die durchwegs in ganz Italien zu finden ist ? Sowohl diese Lebhaftigkeit und Unruhe, als auch der Umstand, dass viele Fremde, welche Tag für Tag die zahlreichen Kunstschätze der italienischen Kirchen bewundern und deshalb mehr des Sehens halber in dieselben kommen, als um still zu beten — was auch leider öfters bei mir der Fall war — haben zur Folge, dass in Italien durch alle Kirchen die unliebsame Wahrnehmung zu machen ist, dass nicht jene andächtig stille Ruhe vorherrscht, wie sonst in den Kirchen anderer Länder. Für heute 7 Uhr Abends waren wir zum Großmeister geladen. Vorher hatten wir noch einen Spaziergang in der Stadt gemacht und bei der Gelegenheit am Corso wieder die Königin gesehen. Onkel Cardinal stellte uns für Abends seine Equipage zur Verfügung. Wir holten zuerst Mgr. Montel ab und fuhren mit ihm in's Maltheserhaus zum Großmeister. Außer uns waren noch fünf Maltheser-Ordens-Ritter dem Diner zugezogen, sämmtliche ältere Herren, italienische Grafen, deren Namen ich mir nicht gemerkt habe. Das Diner war Excellent, die Herren alle ohne Ausnahme von außerordentlicher Liebenswürdigkeit, ganz besonders der Großmeister selbst. 32 ROM, Montag, den 30. März. Am Wege zum Vatican machten wir einen kurzen Aufenthalt in S. Lorenzo in Damaso, einer Kirche, wie ich glaube, ohne größere Bedeutung. Im Vatican durchgiengen wir das Museum; ich sage „durchgiengen", da wir uns kaum bei einem einzigen ^Gegenstände länger aufhielten, indem wir bei der enormen Ausdehnung des Museums anders unmöglich fertig geworden wären. Es wird kaum ein zweites Museum auf der Welt zu finden sein, das so viele Kungtschätze birgt, wie das vatikanische. Unter den endlosen Reihen der dort befindlichen Statuen wären gewiss eine Menge äußerst interessante zu nennen; ich erwähne nur die Laokoongruppe, die mir schon durch zahlreiche Abbildungen sehr bekannt war. Während Sigmund den Nachmittag mit seinen Collegen aus dem Convicte von Innsbruck verbrachte, machte ich mit Mgr. Meszczynski einen Spaziergang durch die Stadt, wobei wir in zwei kleine Kirchen giengen, deren Namen mir unbekannt sind. Später begleitete ich ihn in's Albergo Quirinale in der Via Nazionale, wo er einen Besuch machte, während ich mich allein auf Umwegen nach Hause begab, ROM, Dienstag, den 31. März. Für heute war unsere Audienz beim hl. Vater bestimmt. Von früh morgens an in feierlicher Stimmung und in Erwartung dieses hohen, unvergesslichen Augenblickes, in welchem ich vor dem Stellvertreter Glottes knieen sollte, steigerte sich dieses Gefühl von Stunde zu Stunde. Um 10 Uhr fuhren wir mit Onkel Cardinal und Mgr. Meszczynski in den Vatikan; während sich der Cardinal sofort in die Gemächer des hl. Vaters verfügte, besichtigten wir eingehend die Bildergallerie. Sie ist nicht alt, wurde erst unter Pius den VH. angelegt. Obwohl klein, zählt sie zu den berühmtesten der Welt. Mehrere der größten Namen sind hier vertreten: Fiesole, Lionardo da Vinci, Perugino, Rafael, Domenicho, Tizian u. s. f. 33 Vor der Audienz wurden wir noch vom damaligen Cardinal-Staatsecretär Jacobini in seiner gewohnheitsmäßigen Liebenswürdigkeit empfangen. Er begrüßte meinen Bruder und mich als alte Bekannte, da er uns noch als Nuntius von Wien im Jahre 1878 in der ' Hauscapelle der Nuntiatur das Sacrament der hl. Firmung gespendet hatte. Endlich war die Stunde der Audienz herangerückt; wir wurden in die päpstlichen Gemächer geleitet. Zuerst durchschritten wir mehrere große, sehr schöne Säle, wurden von zwei päpstlichen Kämmerern empfangen, die uns auf die liebenswürdigste Weise die kurze Zeit vertrieben. Plötzlich öffnete sich eine Thüre und eine ganze Menge von Cardinälen zog an uns vorüber, darunter auch Cardinal Howard, der uns mit einigen freundlichen Worten begrüßte. Auch Onkel war unter den Cardinälen, blieb jedoch zurück, da er sogleich vom hl. Vater empfangen wurde. Es dauerte nicht lange so wurden auch wif durch Mgr. Macchi in das Empfangszimmer geleitet; dasselbe war ein kleiner, schmaler Salon mit einem Fenster ; die Wände waren mit rothen Seidentapeten ausgeschlagen und mit Goldverzierungen versehen. Der Papst saß auf einem rothen Thronsessel, zu seiner Rechten stand Onkel Cardinal. Während wir uns näherten, machten wir die Vorgeschriebenen drei Kniebeugungen, küssten dem Heiligen Vater den Fuß und den üing und blieben während der ganzen Audienz, die beiläufig zehn Minuten gedauert haben dürfte, knieen. Der Papst mächte auf uns einen ganz anderen Eindruck, als alle Seine Bilder, die nie Seinem wahren Aussehen entsprechen. Er ist ein hagerer Greis, hat einen strengen, scharf ausgeprägten Gesichtsausdruck, und dürfte deshalb Manchen im. ersten Augenblicke einschüchtern oder vielleicht auch abschreck«n. Doch ändert sich dies, sobald Er zu sprechen anfängt, indem dann deutlich Seine Milde und überaus große Herzensgüte zu Tage tritt. Se. Heiligkeit sprach uns ungemein gnädig und huldvoll an und erwähnte ganz besonders * 3 34 des priesterlichen Berufes meines Bruders Sigmund, dem er anempfahl, sich unseren Onkel, den Cardinal, stets als leuchtendes Beispiel vor Augen zu halten. Mich ermahnte der hl. Vater in überaus gütigen Worten, neben meinen Pflichten als Beamter immer auch die Religion zu beachten. Endlich erkundigte sich Seine Heiligkeit noch eingehend über unsere Familie, worüber Er sehr informiert zu sein schien. Damit segnete Er uns und gab mit der Hand das Zeichen, dass wir entlassen seien. Mit den gleichen Ehrenbezeugungen, wie beim Kommen, zpgen wir uns zurück und fuhren mit Onkel Cardinal wieder nach Hause. So war denn ein großer, erhabener Moment für uns vorbei! Wir haben mit dem Nachfolger des hl. Petrus, wir haben mit dem Stellvertreter Gottes auf Erden gesprochen; Er hat uns gesegnet und mit Seiner Gnade entlassen — gewiss für einen guten Katholiken ein wichtiger, ein heiliger Tag! Nachmittags wollten wir beim Cardinal Howard unsere Aufwartung machen, fanden ihn aber nicht zu Hause ; anders ergieng es uns beim Cardinal Hergen-roefher, der uhs sehr freundlich empfieng. Gegen Abend saß ich lange allein am Monte Pincio auf einer Bank und betrachtete die von der untergehenden Sonne beleuchtete Stadt; dieses Bild, das so schön kein Maler darstellen könnte, steigerte meine durch die heutige Audienz ohnedies gehobene Stimmung. Ein schöner, unvergesslicher Tag ! ROM, Mittwoch, den 1. April. Der Vormittag galt dem Besuche der Basilika S. Giovanni in Laterano, des gleichnamigen Bapti-ateriums und des Musäums Gregorianum und Christi-anum im Palazzo Laterano. Die Laterankirche — damals außen und innen leider wegen der vorzunehmenden Restaurierung durch Gerüste verstellt, — ist eine dreischiffige Basilika, welche inwendig zu beiden Seiten ip enormen, Nischen colossale Statuen der Apostel besitzt, ober welchen 35 sich wieder zwölf Reliefs und noch höher endlich zwölf Fresken befinden, welch' Letztere die zwölf Hauptpropheten vorstellen. Der Schluss der Wölbung besteht aus süperben Mosaiken, welche Papst Leo X.U1. restaurieren ließ. Ober einem Seitenaltare ist, gewöhnlich hinter Glas, der Tisch des hl. Abendmahles. Leider konnten wir wegen der Restaurationsarbeiten weder ihn, noch den größten Theil der Kirche sehen. An einer Stelle des rechten Seitenschiffes kann man eine merkwürdige Wahrnehmung machen, die ich hier nicht unberührt lassen will. Wenn man nämlich in die Nische eines Pfeilers ganz leise hineinspricht, so kann eine zweite Person am schräge gegenüber stehenden Pfeiler jedes Wort deutlich und laut vernehmen. Unter den zahlreichen Reliquien, die sich in S. Giovanni befinden, die wir aber nicht zu sehen bekamen, sollen folgende interessante und heilige Stücke sein: Der Schleier, den die Muttergottes zur Bedeckung Christi am .Kreuze gab, das Tuch, welches Nikodemus Christus nach Seinem Tode auf das Haupt legte ; eine Kreuzpartikel, ein Dorn aus der Dornenkrone Christi; die Schale, in der der hl. Johannes das Gift bekam ; der Purpur mantel Christi ; eine hölzerne Platte, auf der der hl. Petrus Messe gelesen haben soll ; und die Köpfe der hl. Zacharias und Pankratius. Das Baptisterium von S. Giovanni ist aus einem Bade Kaiser Constantins hervorgegangen; es enthält in der Mitte eine Yertiefung und an den Wänden sehr hübsche Fresken, das Leben Constantins betreffend. Die Thüren sind von den Thermen des Caracalla. In diesem Baptisterium wurde Constantin getauft. Die beiden Museen, Gregorianum, das heidnische und Christianum, das christliche, enthalten eine interessante Sammlung vieler alter Sarkophage, Bruchstücke und Inschriften aus den Katakomben. Nach unserer Rückkehr von diesem interessanten Gange in den Palazzo Antici Matthei, trafen wir bei 36 Onkel Cardinal eine Gräfin Salm, der wir vorgestellt wurden. Nachmittags wohnten wir in S. Maria Maggiore einer Vesper bei; Cardinal Hohenlohe, dessen Titularkirche diese Basilika ist, war mit zahlreicher Geistlichkeit zugegen. ROM, Grün-Donnerstag, den 2. April. Mgr. Meszczynski und Sigmund hatten im Vatikan eine Messe vom hl. Vater mit Communion; ich benützte diese Gelegenheit) den Monseigneur während" der Messe des Onkels zu vertreten, indem ich Letzterem ministrirte. Dafür belohnte mich der Cardfnal mit einem kleinen, goldenen Medaillon. In der Peterskirche traf ich mit Sigmund zusammen; wir bestiegen die Kuppel, von wo aus wir eine prachtvolle Aussicht hatten über Stadt und Land bis zum Meer. In die zu oberst befindliche Kugel kann man auch gelangen; es haben beiläufig sechzehn Personen gleichzeitig xlarin Platz; doch war mit uns eine solche Menschenmenge auf der Kuppel, dass wir das weitere Steigen, in der Voraussicht, nichts zu sehen, unterließen. In die Kirche zurückgekehrt kamen wir gerade dazu, als von einer Loggia aus eine große Kreuzpartikel und das Schweißtuch der hl. Veronika gezeigt wurde. Trotzdem ich es nur von ziemlicher Entfernung sehen konnte, so waren doch die Gesichtscontouren Christi am Tuche ganz deutlich auszunehmen. Nachmittags besuchten wir einige hl. Gräber und zwar in Gesù., der Grabkirche des hl. Ignatius; S. Maria in Via Lata ; S. Marcello ; S. Maria in Via ; S. Claudio; S. Sylvestro in Capite; S. Ignazio, wo sich die Gräber der hl. Aloysius und Berchmanns hefinden; S. Katharina de Funari; S. Maria in Cam- Sitelli; endlich bei St. Peter, wo einige sehr schöne eremonien stattfanden und wieder von der Loggia die Reliquien gezeigt wurden. 37 ROM, Char-Freitag, den 3. April. Vormittag fuhren wir zur Scala Santa nächst der Laterankirche. Dies ist die Stiege aus dem Hause des Pilatus aus Jerusalem, auf welcher Christus vor seiner Verurtheilung hinaufgestiegen und von wo au» dann Pilatus- das^Ecce Homo" gesprochen hatte. Zu beiden Seiten der Stiege ist je eine große Statue, die eine: Christus mit Pilatus, der gerade das „Ecce Homo", ausspricht, und die andere: der Verrath Christi durch den Judaskuss. Auf den Knieen stiegen wir hinauf und wohnten in der oben befindlichen Capelle einem Theile der -Charfreitags - Cérémonie bei. Die Scala. Santa wurde von der hl. Kaiserin Helena nach Rom gebracht. Von hier aus giengen wir in die unweit gelegene Basilika S. Croce in Jerusaleme, woselbst Cardinal Parocchi celebrirte. Von Außen, wie von Innen ist an dieser Kirche wenig Schönes zu sehen; sie ist ganz einfach, wenig ausgeschmückt. Außer einer unbedeutenden Freske in der Apsis, ist mir gar nichts aufgefallen. Wir wohnten bloß im Gebete den Cere-monien bei, und folgten auch einer Procession mit dem Allerheiligsten in den unteren Theil der Kirche. Hier befindet sich hinter einem Gitter Erde von Jerusalem und das Grab der hl. Helena, die das Kreuz Christi aufgefunden hat. Von den dort befindlichen Reliquien wurden uns von einer Loggia aus gezeigt: Der Finger, den der hl. Thomas in die Seitenwunde Christi legtef ein Nagel, womit Christus an's Kreuz geheftet wurde; zwei Dornen aus der Dornenkrone Christi und -eine große Kreuzpartikel. In die Reliquienkammer , in der sich noch zahlreiche andere interessante Stücke befinden, darunter auch die theil-weise Inschrift vom Kreuze Christi, wurden wir leider nicht eingelassen, Mit einigen Herren, die wir dort kennen gelernt, zwei junge Grafen Droste-Vischering und ein Baron Rochus, giengen wir unter strömendem Regen in die 38 Stadt zurück. Häufig hatten wir unter dem Regen und dem überhaupt unangenehmen kalten Wetter zu leiden. Am Nachmittag wohnten wir in St. Peter den Tenebrae bei und konnten zum dritten Male die Reliquien sehen. ROM, Char-Samstag, den 4. April. Da in der Laterankirche Priesterweihe stattfand, war mein Bruder schon in aller Früh dahin geeilt. Ich folgte ihm später nach und kam gerada in's Bap-tisterium, das wir am Mittwoch, den 1. April, zum ersten Male gesehen "hatten, zur Taufe einer jüdischen Familie, bestehend aus Yater, Mutter, Tochter und einem kleinen Kind. Es interessierte mich sehr, diesem Acte, dem später noch die Firmung folgte, beiwohnen fcu können. Die Ceremonien wurden wieder vom Car-dinalvicar Parocchi abgehalten, Während des langen Amtes mit der Priesterweihe bereitete ich mich auf eine Beichte vor, die ich in dieser Kirche bei einem Geistlichen ablegte über dessen Beichtstuhle die Worte standen: „Lingua Germanica" (deutsche Sprache.) Es war dies die zweite Generalbeichte in meinem Leben. Morgen, am üstersonntag, sollte ich vom hl. Vater die hl. Communion, empfangen. Die Ceremonien in der Charwoche sind in Rom in einiger Beziehung anders, als bei uns; so gibt es in Rom weder eine Grablegung, noch eine feierliche Auferstehung. Während diese Letztere nun in unserem Oesterreich, in unserer Heimath gefeiert wurde, waren wir in den Katakomben des hl. Calixtus. In mehreren Wägen fuhr die größere Gesellschaft — es befanden sich zufällig auch einige Grazer darunter, — unter Leitung des Mgr. de Waal und eines anderen Geistlichen, dessen Name mir unbekannt ist, auf die Via Appia hinaus. Diese alte, berühmte Straße aus der Römerzeit, ist zu beiden Seiten ihrer ganzen Länge nach von einer Unzahl Ruinen umgeben, die theils 39 von alten, großen Bauten, theils von Grabmälern herrühren. Ein größerer Complex von unterirdischen Grabkammern sind die sogenannten Columbarien ; wir besichtigten sie flüchtig. Es sind gemeinsame Begräbnisstätten für Vereine und Genossenschaften oder für Sklaven einer vornehmen Familie, vorzüglich des kaiserlichen Hofes ; tiefe, überwölbte Grüfte mit ver-hältnißmäßig kleiner Grundfläche. An den Wänden und Pfeilern wurden in geraden Linien viereckige oder runde kleine Nischen ausgehauen, was dem Ganzen ein taubenhausartiges Aussehen verleiht; woher denn auch die Benennung „Columbarien" (columba = Taube) stammt. Etwas weiter hielten wir bei der kleinen Capelle „Domine quo vadis". Auf dieser Stelle ist Christus dem hl. Petrus erschienen, als dieser aus Rom vor dem Martyrium geflohen. Als Petrus den Herrn erblickte, fragte er Ihn: „Domine quo vadis?" „Herr wohin gehst Du?" worauf Christus antwortete: „Ich gehe nach Rom, um mich zum zweiten Male für Dich kreuzigen zu lassen." Auf diese Worte des Heilandes kehrte Petrus sogleich wieder um und eilte nach Rom zurück, wo er von seinen Feinden ergriffen und gekreuzigt wurde. In dieser Capelle sind auf einer Steinplatte am Boden die Fußspuren Christi eingeprägt. Es soll dies aber bloß eine Imitation sein, während sich das Original in S. Sebastiano befindet. Dieses gehört zu den sieben Basiliken Roms, liegt aber noch weiter als die Katakomben des hl. Calixt außerhalb der Stadt auf der Via Appia ; leider gelangten wir niemals dahin. Das Interessante dieser Kirche, in der sich auch der Leichnahm des hl. Sebastianus befindet, sind die Katakomben gleichen Namens. Dort sollen die Leichnahme der hl. Apostel Petrus und Paulus aufgefunden worden sein. Um also auf die Katakomben des Calixt zurückzukommen, die wir einer raschen, aber doch sehr eingehenden Besichtigung würdigten, will ich hier einige Worte darüber anführen. Unsere Wägen hielten 40 bei einer Mauer, die "scheinbar einen Garten zu umschließen schien. Durch das offene Thor gelangten. wir in einen Hof; liier sahen wir neben einem kleinen HauBe, das einige Trapisten als Wächter der Katakomben bewohnen, mehrere Erhebungen und Vertiefungen in der Erde, Xa-esteine und Ueberreste von Mauern etc. Durch einen ganz unmerklichen, versteckten Eingang wurden wir auf einer langen Stiege in die Katakomben hinunter geführt. Mit kleinen, brennenden Kerzchen in der Hand stiegen wir hintereinander in diesem Labyrinth von Gängen auf und nieder. An der Spitze unserer Gesellschaft war jener geistliche Herr, den ich oben genannt, während Mgr. de Waal den anderen Theil führte. Mit großem Interesse lauschten wir seinen Erklärungen. Die Jaänge sind größtentheils sehr schmal, rechts und links für Gräber ausgehauen. An einzelnen Stellen erweitern sie sich zu kleineren oder größeren Capellen, in welchen verwitterte, abgesprungene Fresken zu sehen sind. Häufig wiederholen sich dieselben- Bilder, so z. B. der Fisch*), als Symbol Christi; die Taube mit dem Oelzweig, als Symbol des Friedens ; den guten Hirten mit einem Schäflein auf der Schulter u. s. w. Mehrere Päpste der -ersten drei Jahrhunderte haben hier ihre Gräber ; auch das der hl. Caecilia Metella wurde hier aufgefunden. Noch "hie und da findet man Knochen und ganze Schädel, auch verschiedene andere kleine Gegenstände. Doch ist leider von den zahlreichen Pilgern so viel .mitgeschleppt worden, dass sich der Papst veranlasst sah, diesem frommen Diebstahl dadurch ein Ende zu machen, dass er erklärte, es sei ein Jeder, der etwas in den Katakomben plündere, eo ipso in der Excommunication. Auch ich, von den Folgen noch nichts ahnend hatte- bald meine *) Fisch heißt griechisch iyßhc; die fünf Buchstaben diesea Wortes wurden als Anfangsbuchstaben folgender Worte betrachtet : „Ie6o'ç, Xpi6toç, *eoü, oiòc, ScuT^jp", „Jesus, Christus, Gottes, Sohn, Erlöser" j daher wurde es als Symbol Christi verwendet. 41 Taschen mit kleinen Steinchen, Erde, Bruchstücken von Lämpchen und dergleichen mehr angefüllt und war höchst erfreut über die reiche Beute, die ich mir als Andenken mitnehmen wollte. Man kann sich daher denken, wie grpß mein Entsetzen war, als ich von der Excommunication hörte. Sogleich waren meine Taschen geräumt und auch nicht ein Staubtheilchen daringeblieben. Als ich diese Episode Abends nach unserer Rückhehr nach. Born dem Cardinal erzählte, mußte er sehr lachen und meinte, dass es, wenn ich mir auch irgend ein kleines Andenken behalten hätte, mit der Excommunication nicht so arg gewesen wäre. Gerne wollte ich mich-länger in die Katakomben vertiefen und sie gründlich durchstudieren, um mir diesen allenthalben tief christlichen Sinn mehr einzuprägen. Man kann, meiner Ansicht nach, nirgend besser als dort die augenscheinlichsten Beweise der katholischen Religion finden. ROM, Ostersonntag, den 5. April. In aller Früb brachte mich ein Vetturino in den Vatikan. Daselbst.zeigte mir ein Schweizer-Gardist den Weg zur Syxtinisohen Capelle. Ich fand bereits eine ziemliche Anzahl von Herren und Damen auf den Plätzen und machte mit einem Grafen Kossa-kowski, der neben mir zu sitzen kam, Bekanntschaft. Um 8 Uhr sollte der hl. Vater die Messe lesen. Wie groß war aber die allgemeine Enttäuschung, als Cardinal Jacobini erschien, da Se. Heiligkeit durch ein Unwohlsein verhindert war. So empfiengen wir auch die hl. Communion aus der Hand des Cardinal-Staats-sekretärs Jacobini und nicht aus der des hl. Vaters. Vormittags- kamen zu Onkel Cardinal eine Menge Visiten ; auch wir machten uns auf den Weg, um dem Großmeister Ceschi unsere Aufwartung zu machen, fanden ihn aber nicht zu Hause. Wir besuchten hierauf einen Abbé Zaleski und Graf und Gräfin Kossakowski, die unseren Onkel sehr gut kennen. Auch waren wir 42 bei Mgr. Macchi, und wohnten dann in der Chor-capelle der Peterskirche den Psalmen bei. Von hier begaben wir uns in die Kirche S. Pietro in Montorio ; ein Franziskaner zeigte uns einen kleinen Tempel neben der Kirche, (von Bramante erbaut), dem Kreuzigungsorte des hl. Petrus. Im oberen Theile befindet sich eine runde Capelle, unterhalb derselben der eigentliche Ort mit einer Vertiefung, in welcher das Kreuz gestanden war. In den Anlagen der Villa Corsini, die etwas höher am Monte Gianicolo liegt, standen wir lange und besahen uns ganz Rom 5 unter uns am Abhang des Berges sahen wir im Garten der Villa Lante (Sacré Coeur) einige Klosterfrauen. ROM, Ostermontag, den 6. April. Vormittag waren wir im Vatikan, wo wir die Sixtinische Capelle, die Logen und Stanzen des Raphaël, einige neuere Gemälde und die Prachtbibliothek besichtigten. Sämmtliche Wände der Sixtinischen Capelle sind mit Fresken von Michelangelo bemalt, Das Hauptgemälde auf der ganzen Wand oberhalb des Altares stellt das jüngste Gericht dar ; unter den Fenstern und am Plafond sind Darstellungen aus dem alten und neuen Testamente, einige Päpste, die Propheten und Sybillen. Die Logen von Raphaël sind efn Gang mit logenartigen Wölbungen, welche größtentlieils auf den Plafonds sehr schöne Darstellungen aus dem alten Testamente enthalten. Ehemals offene, luftige Hallen sind sie jetzt durch Glaswände geschlossen, da die Malerei durch die Witterung großen Schaden gelitten hat. Die Stanzen bestehen aus einem Saal und drei in derselben Richtung sich anschließenden Gemächern. Den Hauptschmuck bilden je vier große Wandgemälde 5 die Decken und alle kleineren Flächen, die 43 außer dem Rahmen der Hauptbilder liegen, sind mit sinnbildlichen Darstellungen, mit kleineren Scenen, welche zu den Hauptbildern in Beziehung stehen, reichlich ausgefüllt. 1. Die Stanza der Segnatura, deren vier große Wandgemälde, Theologie, Philosophie, Rechtskunde und Dichtkunst vorstellen ; 2. die Stanza des Heliodor, in welcher folgende Scenen dargestellt sind: Heliodor's Vertreibung aus dem Tempel, Leo I. vor dem Hunnenkönig Attila, die hl. Messe zu Bolsena*) und die Befreiung des hl. Petrus aus dem Kerker zu Jerusalem; 3. die Stanza des Borgo-brandes, dessen Hauptgemälde, der Brand im Borgo unter Papst Leo IV. im Jahre 847 ^ und 4. der Con-stantinsaal mit Bildern aus dem Leben dieses christlichen Kaisers. Die vatikanische Bibliothek besteht aus einer endlosen Reihe ^von Sälen, von denen ein Theil prachtvoll ausgemalt ist, und außer den Bücherkästen noch die hervorragendsten Geschenke enthält, die die Souveräne in der neueren Zeit den Päpsten gemacht hatten. Am Ende der Bibliothek ist ein Fenster, auf welchem in wundervoller Glasmalerei Pius IX. dargestellt ist Ich glaube kaum, dass es irgend eine andere Räumlichkeit gibt, in der mehr Kunstsinn und Reichthum vereint ist, als hier. Bestrebt, von den vielen Kirchen Roms wenigstens die interessantesten zu sehen, machten wir uns auf den Weg, wohin uns auf gut Glück unsere Schritte brachten. So kamen wir denn zuerst zu S. Maria della Minerva (sopra Minerva), so genannt, weil sie über der Stelle erbaut ist, wo einstens ein der jungfräulichen Göttin Minerva geweihter Tempel gestanden war. Sie ist die Grabkirche der hl. Katharina von *) Im Jahre 1263 unter Urban IV. sah ein deutscher Priester, welcher an der Verwandlung des Brodes und "Weines in das Fleisch und Blut Christi zweifelte, während der hl. Messe in St. Christina zu Bolsena, dass die geweihte Hostie auf dem Corporale blutige Spuren hinterließ. Das obige Bild ist die Darstellung dieser Messe. 44 Siena, im gothischen Stile gehalten, ^eine Seltenheit in Rom. Zahlreiche Medaillons Von Heiligen aus dem Dominikanerorden, dem diese Kirche gehört, schmücken deren Wän,de. S. Eustachio^ S. Maria dell' Anima, die deutsche Kirche, sehr schön, besonders die Malerei am Plafond ; ebenfalls geziert mit zahlreichen Heiligen-Medaillons, wie in der Minerva. Ihr schräg gegenüber liegt S. Maria della Pace, mit den Sybillen von Rafael neben dem Eingang. Außerdem ist die Kirche reich an merkwürdigen Wandgemälden von Albani, Sermoneta und namentlich von Baidassare Peruzzi, einem Freunde Rafaëls. S. Agostino, enthält eine sitzende Muttergottesstatue mit dem Jesuskinde, aus gelblichbraunem Marmor, welche Statile als wunderthätig verehrt wird. S. Maria del Popolo, mit einigen Fresken, darunter die vier Kirchenlehrer : Der hl. Augustinus, Ambrosius, Hieronymus und Gregorius. Sie hat einige Verwandschaft mit S. Maria sopra Minerva, nicht aber etwa wegen ihrer Bauart, sondern weil sie gleichfalls herrliche, ja fast die schönsten Grabdenkmäler- Roms aufweist. Trinità dei Monti, Sacré Coeur-Kirche, in der wir gerade zu einem Segen kamen; die Kirche, die an sich nichts Bedeutendes aufweist, ist durch ein Gitter in zwei Theile getrennt, von welchen der vordere für die Klosterfrauen, der rückwärtige aber als öffentliche Kirche bestimmt ist. In einem Gange des Klostergebäudes befindet sich jenes berühmte Muttergottesbild „Mater admirabilis", welches wir leider nicht zu sehea bekamen. Es wurde von einer Klosterfrau gemalt, die niemals früher einen Pins-el in der Hand geführt hatteL und ist trotzdem ein Meisterstück. Es hätte mich umsomehr interessiert, dieses Bild zu sehen, als vor demselben im Jahre 1876 meine Schwester Gabriele von unserem Onkel Cardinal das Sakrament der hl. Firmung erhielt. S. Maria degli Angeli nächst dem Bahnhofe, eine große Kirche in Kreuzesform, in der sich jene Oelbilder aus der Peterskirche befinden, die in letz- 45 terer durch Mosaiken ersetzt wurden. Leider war es schon zu finster, um alles deutlich ausnehmen zu können. In der Dämmerung sahen wir noch die Thermen des Diocletian, große Bäder, die jetzt nur mehr Ruinen sind. Bedeutender und interessanter sind aber die Thermen des öaracalla, die nächst der Via Appia liegen. ROM-NEAPEL, Dienstag, den 7. April. In der Früh reisten Mgr. Meszczynski, Sigmund und ich von Rom ab, um einen Ausflug nach Neapel zu unternehmen. Wegen des elenden Regenwetters konnten wir von der angeblich so schönen Gegend nichts sehen. Doch erinnere ich mich deutlich auf einen sehr hübschen Ausblick, den wir auf Monte Cassino, jenes weltberühmte Benediktiner - Kloster hatten, welches hoch auf einem Berge in die Luft emporragt. In Neapel stiegen wir im Hôtel Washington ab, das uns durch seine schöne Lage am Meere sehr gut gefiel. Die Aussicht auf den Vesuv und auf das Meer mit der Insel Capri von unserem Fenster aus war großartig, doch leider durch das schlechte Wetter getrübt. Als wir in einer Tramway durch die Stadt fuhren, machten wir die Bekanntschaft mit einem Jesuiten, der, als er hörte, wir seien Neffen des Cardinais Ledóchowski, sich in Lobesreden über ihn ergehen ließ. Für heute wurde eigentlich nichts anderes als eine Wanderung durch die Hauptstraßen und Plätze unternommen, wobei es fortwährend wie aus Schaffein goss. Unsere Laune, die in Folge der schlechten Witterung nicht gerade die beste war, besserte sich- erst, als wir im Hôtel an der Table d' hôte saßen, woselbst ein neapolitanischer junger Herr, der größte Fex, den ich je bisher gesehen, durch sein merkwürdiges, auffallendes Benehmen unsere Aufmerksamkeit auf sich lenktet Durch den 46 Kellner erfuhren wir, dass es der Sohn eines reichen Neapolitaners sei, der im Hôtel wohnte und einen großen Aufwand trieb. Wir hatten das große Vergnügen, täglich mit ihm «n speisen, wobei mir unter anderem auffiel, dass er Käse und Obst mit Messer und Gabel zu essen pflegte. Unter den anderen Persönlichkeiten befanden sich zwei ganz-junge Amerikanerinnen, die die Courage hatten, allein den Vesuv zu besteigen ; ich habe nie erfahren, wie diese Expedition ausgefallen. Gerne wäre auch ich auf den Vesuv gegangen; doch hatte uns noch vor unserer Abreise in Rom der Cardinal ausdrücklich gesagt, dass er dies nicht wünsche; eine gewiss nicht unbegründete Besorgnis. So blieb uns denn nur vergönnt, ihn von weitem zu betrachten ; starker Rauchqualm umhüllte seine Spitze; Abends war ein rother Schein und oft auch Feuer zu sehen. NEAPEL, Mittwoch, den 8. April. In der Früh — das Wetter hatte sich in der Nacht etwas aufgeheitert — genoß ich von der Hôtel-Terasse -aus lange die herrliche Aussicht, bis wir uns auf den Weg «um Museum machten. Neben den gewöhnlich in jedem Museum befindlichen zahlreichen antiken Statuen und verschiedenen anderen interes* santen und werthvollen Stücken, ist hier eine große Sammlung von ausgegrabenen Gegenständen aus Pompeii, darunter versteinerte menschliche Körper in irgend einer schmerzlich krampfhaften Stellung, wie man sie eben aufgefunden. „ Wir machten unsere Aufwartung beim Cardinal-Erzbischof von Neapel, Fürst San Feiice, der mit unserem Onkel von früher her befreundet war. Dieser heiligmäßige Mann, der sich zur Zeit der Cholera in Neapel als ein wohlthätiger, unerschrockener Kirchenfürst erwiesen hat, der mit väterlicher Liebe der Bevölkerung in dieser qualvollen Zeit Trost spendete, empfieng uns äußerst liebenswürdig und freundlich. 47 Wir besichtigten das Aquarium, das im großen Ganzen recht interessant ist, und die Anlagen der Villa Reale; unternahmen dann bei ziemlicher Kälte eine Fahrt nach Bagnoli, die aber kaum etwas Schönes bot* Das einzige Interessante war ein ungeheuer langer Tunnel, durch den unsere Straße gieng; diese sogenannte „Grotta di Pozzuoli" soll noch aus der Römerzeit stammen* NEAPEL, Donnerstag, den 9. April. Neapel ist durch seine malerisch schöne Umgebung berühmt, und deshalb war auch unser Augenmerk hauptsächlichst auf die Unternehmung einiger Ausflüge gerichtet. Leider mußten wir aber wegen des ungünstigen, schlechten Wetters von Allem abstehen. So konnten wir nicht nach dem bekannt herrlichen Sorrent, nicht zur blauen Grotte auf der Insel Capri ünc( so mehreres andere nicht. Nur einen Ausflug unternahmen wir und zwar nach Pompeii. Mittelst der.Eisenbahn gelangten wir — auf der einen Seite das Meer, auf der anderen den Vesuv — zu dieser interessanten,'noch nicht ganz ausgegrabenen Stadt, in der uns ein Cicerone umher führte und alles näher erklärte. Wir wanderten lange durch Gassen und Plätze und konnten über all' das Sehenswerthe nicht genug staunen. Es ist kaum glaublich, wie gut erhalten das Meiste noch zu sehen ist, nachdem es so lange Zeit unter der Lava vergraben war. In einzelnen Häusern sind noch eine ziemliche Anzahl wohlerbaltener Fresken und größtenteils Mosaiken zu sehen. Fast sämmtlicher Boden ist mit Mosaiken gepflastert. Ganz besonders großartig ist ein immenser Platz voll Ruinen, Säulen u. s. w., ganz dem. Forum in Rom ähnlich — das alte Forum Pompeianum. Es wäre äußerst interessant hier Studien zu machen und sich ganz in die alte Zeit der luxuriösen Pracht, des Reichtums und der Verweichlichung der Pompeianer hineinzuleben. Man würde sich dann vollständig ein 48 Bild der untergegangenen Stadt * und ihrer verunglückten Bewohner machen können. Das Wetter hatte sich mittlerweile zu unserer größten Freude aufgeklärt; wir konnten daher, nachdem wir uns im Hôtel „Europe" nächst dem Bahnhofe mit einem echt neapolitanischen Gabelfrühstück, bestehend aus Maccaroni und Austern gestärkt hatten, eine Fahrt nach S. Martino unternehmen. Dieses prachtvolle ehemalige Karthäuser-Kloster liegt auf der Spitze eines Hügels oberhalb NeapfePs, auf dessen Abhang sich die ganze Stadt bis zum Meeresstrande hin erstreckt. Hatte ich schon in Genua von der via di Circonvallazione aus, kaum je etwas Schöneres sehen zu können geglaubt, so waren durch das unvergleichlich schönere Bild, das sich mir jetzt von S. Martino aus bot, alle meine Erwartungen bei weitem übertroffen. Links der rauohende Vesuv, der nach dem eingetretenen klaren Wetter ganz besonders deutlich hervortrat, unter uns die weit ausgedehnte Stadt, der prachtvolle, große Hafen, in welchem. Schiff an Schiff gedrängt war, das weithinsichtbare Meer, mit den Inseln Ischia und Capri, sowie dem Vorgebirge, das sich südlich vom Vesuv, besäet von Städten und Dörfern in's Meer hinaus erstreckt, — ein Bild, dem kaum ein zweites nachkommen dürfte. Dazu die günstigste Beleuchtung, alles ließ die warm strahlende Sänne im schönsten Lichte erscheinen ! Im Kloster selbst sahen wir einige schöne Räumlichkeiten, sehr "hübsche Säle, die Kirche mit Fresken und Holzschnitzereien und das Museum, "sowie den Klosterhof, der von einem luftigen, Gang umgeben ist, dessen Wölbung von sehr schön gearbeiteten, zarten Säulchen getragen wird. Dieser Hof diente den Karthäusern zur Begräbnisstätte. Die Rückfahrt- über den Corso Vittorio Emmanuele bis in die Stadt hinab gestaltete sich auch sehr prächtig, bis plötzlich wieder das frühere Unwetter von Neuem losbrach und den ganzen weiteren Tag unbrauchbar machte. 49 NEAPEL-ROM, Freitag, den 10. April. Wir besichtigten einige Kirchen, die aber alle weniger von Bedeutung sind, wenn man bereits die römischen gesehen hat ; S. ßeverin, S. Chiara, mit Goldverzierungen sehr reich überladen und S. Genaro, der Dom, der leider nicht ganz rein gothisch gehalten ist, indem er mehrere Renaissance-Altäre besitzt. In einer kleinen Capelle werden Reliquien vom hl. Janu-arius gezeigt, der hier auch sein Grab hat. Es war uns nicht vergönnt, Zeugen eines dreimal im Jahre wiederkehrenden Wunders zu sein 5 in den Monaten Mai, September und Dezember pflegt nämlich das unter den übrigen Reliquien verwahrte gestockte Blut des hl. Januarius flüssig zu werden, ein Ereignis, das immer mit den entsprechenden Feierlichkeiten verbunden ist. Wir machten noch einen zweiten Besuch beim Cardinal San Feiice; in seiner großen Freundlichkeit zeigte er uns eine ganze Menge von Reliquien, die er in seinem Schlafzimmer zu beiden Seiten des Bettes in Schränken und an der Wand aufbewahrt hatte. So schloss unser Aufenthalt in Neapel, das uns trotz des ungünstigen Wetters doch einen großartigen Eindruck zurückließ. Bei der Rückfahrt nach Rom konnten wir uns ein besseres Bild von der reizenden Gegend machen, alp es unter dem Regen bei der Hinfahrt möglich gewesen. Der erste Theil ist durch die farbenreiche Schattierung der ganzen Gegend, durch die schöne Lage aller Ortschaften und durch das Eigentümliche der südlichen Vegetation gewiss sehr schön und freundlich. Je näher aber gegen Rom, desto einförmiger wird Alles. ROM, Samstag, den 11. April. Wir mußten unsr in Neapel verkühlt haben, denn sowohl Sigmund, als ich fühlten uns ganz unwohl. In Folge dessen WJirde außer einer kleinen Promenade »4 50 und eines Kirchenbesuches bei S. Marco in unserem bisher ununterbrochenen und unermüdlichen Eifer eine Pause gemacht,, um jden anderen Tag mit 'erneuerten Kräften an's Werk zu gehen. S. Marco liegt hinter dem Palazzo Venezia; durch den Eingang auf der Piazza S. Marco gelangt "man über eine Stiege in die ziemlich tiefer als die Straße liegende Kirche. Sie ist durch zwei Säulenreihen in drei Schiffe getheilt, enthält am Boden und auf der Decke schöne Mosaiken. ROM, Sonntag, den 12. April. Fürstin Antici, in deren Palazzo wir bei unserem Onkel wohnten, kam heute zur hl. Messe in die Capelle. Vormittag besichtigten wir die Museen und die Pinakothek am Capitol. Die obere Fläche dieses Hügels bildet einen von drei Palästen begrenzten viereckigen Platz, in dessen Mitte siclT die Reiterstatue des Kaisers Mark-Aurei erhebt; der Senatoren-Palast im Hintergrund, der Conservatoren-Palast und das Museum zu beiden Seiten. Letzteres, als auch die Pinakothek enthalten eine" interessante, werthvollé Sammlung. Am Fuße des Capitols, nächst dem Forum Romanum, liegt der Mamertinische Kerker , das älteste römische Staatsgefängnis, in welchem die' hl. Apostel Petrus und Paulus gefangen waren. Seine zwei Haupträume waren enge, unterirdische Verließe, über einander gebaut; in der Mitte des Bodens befand sich eine Oeffnung, durch welche die Gefangenen herabgelassen wurden, um in dem unteren, finsteren Kerkerraume zu verschmachten. Jetzt- gelangt man auf einer Stiege in diesen Raum hinab, woselbst sich eine Capelle befindet. In der Mauer sieht man das Profil des hl. Petrus wunderbarer Weise deutlich eingedrückt. Nach der Legende soll ihn hier ein Soldat derb an die Wand gestoßen haben. Auch erzählt die Legende weiters, dass hier in dem Augenblicke plötzlich eine wunderbare Quelle entstanden sei, als Petrus m seine bekehrten Mitgefangenen taufen wollte und hlezu Wasser T)enöthigte. An das Forum Romanum anstoßend erstreckt sich der Palatin, ein Hügel der die Residenz der Kaiser bildete. Es bietet sich hier dem Auge ein ähnliches Bild dar, wie am Forum ; nichts als Ueber-reste von großen Gebäuden, Mauern, Säulen, und dergleichen mehr, — die einstigen Caesaren-Paläste: Domus Augustana, Domus Tiberiana, Domus Cali-gulae u. s". w. Noch eilten wir zu zwei Kirchen, S. Maria in Cosmedin und S. Bartholomä auf der gleichnamigen Tiber-Insel. Die erstere ist dadurch interessant, dass hier die zur Guillotine Verurtheilten ihre letzte Nacht verbrachten, und dass sich in derselben die allbekannte „Bocca della verità^ befindet, eine Maske aus Stein, das Angesicht eines Menschen mit geöffnetem Munde darstellend. Nach der Sage mußte jeder Schwörende seine Hand in das Mundloch der Bocca stecken, welches sich bei falschem Schwüre schloß. Unweit dieser Kirche am Ufer des Tiber's, über der Ausmündung der großen Cloäke*) steht ein Rundbau aus altrömischer Zeit, der sogenannte Vesta-Tempel. Den Mittelbau umkreisen etliche schlanke korinthische Säulen, die das ehemalige, reich verzierte Gebälk mit dem Kuppeldach zu tragen hatten. Heute in eine christliche Gapelle umgewandelt, führt dieser Tempel den Namen S. Maria del Sole. ROM, Montag, den 13. April. Wir sahen allmählig unseren Aufenthalt in dem ewigen Rom seinem Ende entgegengehen und doch wäre .hoch so viel zu sehen-, zu betrachten, zu staunen *) Die Cloaken sind Abzugskanäle, die wegen der Ueberschwem-mungen angelegt wurden, und ein unter ganz Born verzweigtes Netz, bildeten. Der größte. Abzugskanal, der Hauptstanim, welcher unmittelbar in den Tiber mündete, war die berühmte „Cloaca maxima". m und zu beten. Nicht einmal alle der wichtigsten, hervorragendsten Kirchen hatten wir bisher betreten können, so dass wir noch die letzten Tage ordentlich ausnützen mußten. So lenkten wir denn vor Allem unseren Schritt nach St. demente in der via Giovanni. Ein Vorhof von Säulenhallen umgeben, in denen sich während des Gottesdienstes in alter Zeit die Büßenden aufhalten mußten, da sie die Kirche nicht betreten durften, bildet den Eingang. Das Bedeutendste dieser Kirche besteht darin, dass sich unter der oberen Hauptkirche zwei Unterkirchen befinden;; jedenfalls eine sehr interessante Erscheinung. Nachdem wir zuerst die durch zwei Säulenreihen in drei Schiffe getheilte Basilika mit ihren schönen Mosaiken besichtigt hatten, stiegen wir in den unteren Theil hinab. Hier zeigte man uns alte, verblichene Malereien und unter anderen Sarkophagen auch den, in welphem der" Leichnam des hl. Oyrill, des Apostels von Mähren, aufgefunden wurde. In die zweite Unterkirche- kann man nicht gelangen, da selbe immer unter Wasser stehen soll. Die Entdeckung dieser Unterkirchen, die einige sehr interessante Bilder enthalten, erfolgte erst in den 60er Jahren. Von hier nach S. Pietro in Vincoli, -so benannt von den bedeutenden Reliquien, die in dieser Kirche aufbewahrt werden, nämlich die Ketten, mittelst derer der hl. Petrus gefesselt war. In einem Glasschranke auf dem Hauptaltare werden sie gezeigt. Auch befindet sich hier nebst anderen kleinen Reliquien der sieben Makkabäischen Brüder der Stein ihres Grabes aus den Katakomben. Die Kirche selbst ist mit schönen Fresken ausgemalt, und enthält unter anderen Bildern eine sehr schöne. Darstellung der Befreiung Petri aus dem Kerker durch einen Engel,; ferner j abgesehen von allen übrigen kleineren Denkmalen, die weltberühmte Statue des Moses von Michelangelo. Wir überschritten den Tiber, um im jenseitigen Stadtviertel, noch zwei Kirchen zu besichtigen. S. Caecilia, die Grabkirche dieser Heiligen, steht auf 3â der Stelle ihres einstigen Wohnhauses. Unter dem Hochaltare befindet sich eine schöne Statue aus weißem Marmor, welche die Heilige in der Lage -darstellt, in welcher sie todt aufgefunden worden war. Zahlreiche Reliquien und Gegenstände aus den Katakomben sind hier verwahrt. Die zweite Kirche ist S. Maria in Trastevere; sie hat sowol auf der Außenseite, als auch im Innern sehr schöne Mosaiken ; das historisch Interessante an ihr ist aber eine mit den-Worten „fons olei" bezeichnete Stelle, an der bei der Geburt Christi eine Oel-quelle entsprungen sein soll. Die Kirche wird für die erste und älteste Marienkirche Roms gehalten. Nachmittag fuhren wir nach San Lorenzo fuori le Mura, eine Basilika, die wie S. demente die alte Einrichtung am deutlichsten und reinsten bewahrt hat. Auch das Aeußere zeigt dem Beschauer die alte, ehrwürdige Gestalt. Der Mittelbau ragt in seinem reichen, goldglänzenden Mosaikschmucke über die Nebenschiffe empor. Zur Seite steht der mittelalterliche Thurm, der sich in fünf Stockwerken über dem Untersatze aufbaut. Durch eine von einem Pultdache überdeckte, und mit Wandbildern aus dem 13. Jahrhundert ausgeschmückte Vorhalle gelangt man in das Innere, das durch seine Großartigkeit überraschend einwirkt. Die langen Reihen der gewaltigen Säulen sind aus dem herrlichsten Marmor, und die Wände sind mit großen , schönen Fresken aus dem Leben der hl. Laurentius und Stephanus, die hier begraben sind, geziert. In einer Capelle unter dem Hochaltare, in der sich auch das Grab Pius IX. befindet — es wurde noch an der Ausschmückung des Grabmals gearbeitet — sieht man unter Glas die große Steinplatte , über der der hl. Laurentius am Rost sein Martyrium erlitt. Sie zeigt noch zahlreiche FJecken von dem Blute und dem Fette des Heiligen. An diese Basilika anstoßend liegt der großartige Campo Santo Roms, der uns aber trotz seiner Pracht, wie alle übrigen Friedhöfe Italiens, kalt ließ- te ROM, Dienstag, den 14. April. Auf einer langen, von Gärten der umliegenden Villen umgebenen Straße gelangten wir nach der weit außer der Stadt gelegenen Kirche S. Agnese fuori le mura, erbaut über dem Grabe der hl. Agnes. Auf einer großen Treppe steigt man in die tieferliegende Kirche hinab, die nicht groß, aber sehr harmonisch gebaut ist. Unterhalb derselben ziehen sieh die Katakomben der hl. Agnes hin, die uns jn ihrer Art an die des hl. Calixtus erinnerten • nur fanden wir hier noch viel mehr Schädel, Knochen, Inschriften, Gefäße etc. ah* dort. Neben der Kirche liegt ein kleiner Tempel, der der hl. Constantia, der Tochter Constantin des Großen, geweiht ist. Es ist ein Rundbau, der im Innern zwei Säulenreihen und einige alte Fresken und Mosaiken enthält. Nachmittags führte uns Mgr. Montel in die Villa des Maltheser-Ordens auf dem Aventin. Wir hielten uns zuerst- in der auf demselben Hügel gelegenen Kirche S. Sabina auf, die dem Dominikaner-Orden gehört. Ein Frater zeigte uns die alte Kirche und einen Orangenbaum im Garten, den der hl. Dominikus gepflanzt haben soll. Die Villa die in ihrer schönen Lage einen hübschen -JSliek auf Rom, namentlich auf die Peterskirche gewährt, besteht aus einigen geschmackvoll eingerichteten Salons und einer Kirche, die S. Maria in Aventino genannt wird. Ein gepflegter Garten umgibt die Villa. ROM, Mittwoch, den 15.,April. Wir besuchten S. Andrea della Valle, eine auf jener Stelle erbaute Kirche, auf der der hl, Sebastian in eine Kloake geworfen, von den Christen aber wieder gefunden wurde. Hinter dem Hochaltare eind schöne, große Fresken. Die mittlere stellt die Kreuzigung des hl. Apostels Andreas auf dem nach ihm benannten „Andreaskreuze" dar. 55 Von hier fuhren wir nach St. Peter, wo wir noch zahlreiche Reliquien — darunter den Kopf des hl. Andreas, — besichtigten und -am Grabe des Apostelfürsten ein Dankgebet verrichteten. Wir benützten das schöne Wetter und eine günstige Gelegenheit, um in die vatikanischen Gärten zu gehen, sowie die prächtigen päpstlichen Karossen anzusehen, von denen eine hübscher und großartiger ist, als die andere. Der vatikanische Garten ist fast ganz im französischen Genre gehalten mit gerade abgestutzten Alleen, Fbntainen und Statuen; nur ein kleiner Theil ist waldartig und gefiel mir auch besser, da ich ein größerer Freund der natürlichen, als der künstlichen Gärten bin. Wir wollten noch zu Mgr. Macchi und de Waal, um von ihnen Abschied zu nehmen, fanden sie aber nicht zu Hause. Nachmittags machten wir eine Promenade in die schönen. Anlagen der Villa Borghese am Monte Pincio, giengen dann zu P. Steinhuber, einem Jesuiten, bei dem wir unsere Beichte ablegten , da wir noch vor unserer Abreise aus Rom, die für morgen bestimmt war, die hl. Communion empfangen wollten. ROM, Donnerstag, den 16. April. Der letzte Tag unseres Aufenthaltes in Rom war angebrochen ¦ wir empfiengen aus der Hand des Cardinais die hl. Communion und wurden dann in sein Arbeitszimmer gerufen, wq er lange in herzlichster Weise mit uns sprach und uns segnete. Wir hatten bei ihm eine so liebevolle Aufnahme gefunden, dass es uns schwer fiel, von ihm zu scheiden, wie überhaupt Rom zu verlassen ; wir hatten diese Stadt in der kurzen £eit unseres Aufenthaltes unendlich lieb gewonnen, obzwar wir sie noch lange nicht gänzlich kennen gelernt hatten. Es wäre noch viel Interessantes, sowohl an Kirchen und anderen Bauten, als auch an Gallerien zu sehen gewesen-. So z. B. 56 S. Prassede mit der Geißelsäule Christi, St. Stefano Rotondo, S. Pudenziana, S. Giovanni e Paolo, S. Quatro Corronati, S. Gregorio, S. Lorenzo di Lucina, S. Andrea della Fratte, Chiesa nuova, welche vom hl. Philippus JNeri gegründet wurde; hier befindet sich das Zimmer mit der Einrichtung, welches dieser Heilige bewohnte, die Capelle, in der er immer die hl. Messe las, das Crucifixj das er bei seinem Tode in der Hand hielt, u. mehr drgl. Auch die Stelle, an der der hl. Paulus geköpft wurde, hatten wir nicht besucht. Heute steht dort eine Kirche, S. Paolo alle tre fontane, so genannt, weil bei der Enthauptung des hl. Paulus an den drei Punkten, die sein Kopf berührte, drei noch sichtbare Quellen entsprangen. — Die Palazzo Borghese, Corsini, Doria-Pamfili, Colonna, Barberini^. Chigi u. s. w., die alle reiche Gallerien in sich bergen, verdienen hervorgehoben zu werden ; auch wäre noch das Pantheon zu erwähnen, der merkwürdige, alte Tempel, der jetzt, in eine christliche Kirche umgewandelt, das Grab Victor Emanuel's enthält; ferner die Engelsburg mit der Brücke, alle Ehrenpforten, Obelisken, Pyramiden auf den großen Plätzen Roms, — kurz noch Vieles, das einer eingehenden Besichtigung und Beschreibiuig würdig wäre. Ich muß mich aber auf das Gesagte beschränken, da meine Absicht keine andere war, als in Kürze und in chronologischer Reihenfolge Alles auf dieser unvergesslichen Reise Gesehene für mich aufzuzeichnen. Wir machten noch Abschiedsbesuche bei Mgr. de Montel und beim Großmeister Ceschi, der uns stets mit außerordentlicher Liebenswürdigkeit entgegengekommen war. Die Stunde unserer Abreise war herangerückt. Wir verabschiedeten uns von unserem verehrten Onkel Cardinal und von Mgr. Meszczynskr der fast immer unser liebenswürdiger Begleiter gewesen war, und fuhren-auf die Bahn. Um 11 Uhr Nachts entführte uns der Zug aus Rom. Wir hatten die Heimreise angetreten, 57 Noch einmal zogen alle Bilder, die ich gesehen, an meinem Geiste vorüber ; ich hatte durch eine nicht geringe Menge von Altertnümern, Kunstschätzen und dergleichen mehr mein Wissen bereichert; ich hatte Gelegenheit gehabt, Schönes und Großes kennen zu lernen ; ich hatte an so vielen Gnadenstätten geweilt und war so glücklich gewesen, eine Audienz beim hl. Yater gehabt und noch vieles andere mehr erlebt, gesehen, genossen und bewundert zu haben. Dies Alles überdachte ich noch einmal, nachdem wir uns in unserem Coupée zur Nachtruhe ausgestreckt hatten ; jetzt schien mir Alles wie ein Traum ! Unter diesen meinen Betrachtungen leuchtete immer wieder eine Gestalt hervor, die durch ihre unendliche Herzensgüte und wahrhaft väterliche Fürsorge in unseren Herzen eine tiefempfundene Dankbarkeit bewirkt hat : Unserem verehrten Onkel, Cardinal Ledóchowski, der es sich in jeder Weise angelegen sein ließ, uns den schönen Aufenthalt in Rom zu einem recht angenehmen und ersprießlichen zu machen, und bei dem wir die liebevollste Aufnahme gefunden hatten, — ihm fühlte ich mich ganz besonders zum Danke verpflichtet. Man wird es begreifen, wenn ich hier an dieser Stelle meiner Dankbarkeit Ausdruck leihe und ein kurzes Lebensbild jenes Mannes gebe, der als seinerzeitiger- Erzbischof von Gnesen - Posen durch seine energische Stellungnahme gegen die preußischen Maigesetze berühmt geworden und die Aufmerksamkeit und Bewunderung der weitesten Kreise auf sich gelenkt hat, und dem gerade von jener maßgebendsten Seite, von welcher er im preußischen Culturkampfe die schimpflichsten Verfolgungen zu erleiden hatte, später auf besonders ehrende Weise Auszeichnung zu Theil wurde. Cardinal Graf Ledóchowski wurde am 29. Oktober 1822 in Górki bei Klimontów im ehemaligen Königreiche Polen geboren. Bereits in seiner frühesten Jugend zeigte er Beruf zum priesterlichen 58 Stande. Tm Jahre 1845 wurde er1 in der Basilika S. Giovanni in Laterano zu Rom zum Priester geweiht; 1851 ernannte ihn Papst Pius IX. zum Auditor des Nuntius in Lissabon und 1856 zum apostolischen Delegat in Santa-Fé in Neu-Granada (Südamerika). Im Jahre 1861 wurde er bei gleichzeitiger Ernennung zum Erzbischof von Theben in partibus als Nuntius nach Brüssel entsendet und 1566 zum Erzbischof von Gnesen und Posen und Primas von Polen ernannt. In dieser seiner Stellung wirkte er zum Segen und Heile seiner Diözese, bis der preußische Culturkampf entfacht und Erzbischof Ledóchowski im Jahre 1874 wegen seines Verhaltens gegenüber den erwähnten Maigesetzen zu staatlicher Amtsentsetzung und zweijähriger Kerkerstrafe verurtheilt wurde. Ich hatte kurz vor seiner Inhaftierung das Glück, ihn in Posen zu besuchen. Damals schon machte seine erhabene Erscheinung den nachhaltigsten Eindruck auf mich ; als zehnjähriger Knabe konnte ich die ganze Tragweite der sich im Culturkampfe abspielenden Vorgänge nicht erfassen, ich habe aber trotzdem mit der größten Bewunderung zu jenem Manne hinaufgeblickt, der mit der größten Unerschrockenheit und Energie seinen Standpunkt -öffentlich-vertrat und allen Widerwärtigkeiten und Demüthigungen ruhig entgegensah. Während er sich im Staatsgefängnisse zu Ostrowo befand, wurde er am 15. März 1875 von Pius IX,. zum Cardinal ernannt. Nach Abbüßung seiner Strafhaft begab sich Cardinal Ledóchowski nach Rom, woselbst er anfangs als .Sekretär der Breven fungierte, nun aber seit 26. Jänner 1892 das hohe Amt eines General-präfekten der Congregation de propaganda fide bekleidet. In dieser seiner Stellung erschließt sich sein Herz den zahlreichen Missionen, welchen er mit seltenem Verständnis vc/rsteht; treffend hat sich ein Missionsbischof an eine in der afrikanischen Sklavenbefreiung segensreich wirkende Persönlichkeit mit nachstehenden Worten über den Cardinal gewendet: ftDa danke icn wieder Gott, Ihnen einen Vorgesetzten 59 gegeben zu haben, welcher die Bedürfnisse dieser Gegenden so gut versteht, und denen sein apostolisches Herz so weit geöffnet steht". Dankbaren Herzens denke ich jetzt noch nach Rom zurück und erinnere mich häufig jener Worte^ die der hl. Vater Papst Leo XIII. in meiner Gegenwart zu meinem Bruder Sigmund über unseren Onkel aussprach: „Wenn Sie nur. im Kleinen dem Cardinal nachahmen, werden Sie schon dadurch Großes leisten". * * Die Fahrt bis Florenz vergieng ohne jeden Vorfall und ohne dass wir in unserem festen Schlafe gestört worden wären. Leider eilten wir schon sehr heimwärts, so dass es nicht möglich war, in Florenz einen Aufenthalt zu machen. Wir fuhren daher an dieser schonen Stadt, die wir nur von der Bahn aus betrachten konnten, vorbei. Die Weiterfahrt gegen Bologna, gieng quer durch die Apenninen, die einen ganz eigentümlichen Charakter tragen. Alle die bunten, abwechslungreichcn Bilder zogen an un/ vorbei und zeigten sich durch die schöne, hohe Anlage der Bahn sehr vortheilhaft und übersichtlich. Bald waren wir wieder in der Ebene, woselbst wir ohne längeren Aufenthalt an Bologna, mit seinen schiefen Thürmen, Ferrara, Padua vorbeikamen und endlich Venedig erreichten. Es war bereits 4 Uhr Nachmittag, als wir hier anlangten; das Wetter war düster und "ungünstig, mithin ganz Venedig düster, traurig und öde. Auf einem Dampfer gelangten wir über den Canal grande auf die Piazza San Marco, dem Mittelpunkte des ganzen Lebens dieser merkwürdigen Stadt. Zu unserem größten Leidwesen verschlimmerte sich das Wetter immer mehr und mehr; es begann in Strömen zu regnen. Trotzdem versuchten wir unser Möglichstes , eilten in den großartigen Dom S. Marco 60 hinein, um ihn zu besichtigen. Zu flüchtig und zu kurz wählte unser dortiger Aufenthalt, um eine aus-/ührliche Beschreibung zu geben; das Auffällige an dieser schönen Kirche sind die großen Prachtmosaiken, die dieselbe von Außen und Innen schmücken und die Unzahl von Säulen, die den ganzen Bau umgeben und einen erstaunlichen Reichthum in allen möglichen Stilarten aufweisen. Die Form der Kirche ist ein griechisches Kreuz, welches von Kuppeln in byzantinischer Form überwölbt ist. Wir bestiegen auch den Campanile, hatten aber wegen des trüben Wetters nur gerade über die Stadt, weiter aber gar keine Aussicht. Endlich noch einen Blick auf den Dogenpalast, welchen zwei von 107 Säulen getragene, über einander liegende Spitzbogenhallen umgeben. Das Ganze ist reich an Ornamenten und Blätterwerk, aus welchem menschliche und thierische Gestalten hervorragen. Mehr konnten wir nichtbesichtigen, da die Dunkelheit hereingebrochen, wir übrigens durch das kalte Regenwetter auch alle Lust hiezu verloren hatten. So war uns Venedig, so schönes auch sonst sein mag, sehr traurig und todt erschienen. Unter den Laubgängen des Markusplatzes trafen wir den Maler v. Arbesser mit seiner Frau, den mein Bruder schon von Graz aus kannte. Ihrem freundlichen Zureden, den Abend bei ihnen zu verbringen, leisteten wir gerne Folge. Um 10 Uhr fuhren wir mittelst einer Gondel — von Herrn von Arbesser begleitet — auf die Bahn. Hier war die gemeinsame Reise meines Bruders Sigmund mit mir zu Ende. Während er sich über Verona-Ala direkt nach Innsbruck zurückbegab, nahm ich meinen Weg über Cormons-Görz-Nabresina, über den kahlen, steinigen Karst in die schöne, grüne Steiermark nach Graz zurück, wo ich am 18. April Nachmittag anlangte. Im Jahre 1889 wurde mir wieder das Glück zu Theilj eine Reise nach Italien machen zu können. Ich sollte auf den Wunsch meiner Tante Jelly Thun-Trauttmansdorff meinen Cousin Max Hohenlohe nach Rom begleiten, was ich selbstverständlich mit deï größten Freude angenommen habe. Am 30. März trat ich die Reise an und begab mich von Graz über Triest mittelst Dampfschiff nach Venedig. Es war ein schöner, klarer Morgen, als sich mein Schiff der reizenden Lagunenstadt näherte. Schon zeitlich früh war ich aus meiner Cajüte auf's Verdeck gegangen. Weit und breit war nichts als Wasser und darüber der schöne, blaue Himmel zu sehen. Die Sonne war aufgegangen und spiegelte sich mit ihren Strahlen tausendfach im Meeresspiegel ab. Mittlerweile waren fast sämmtliche Reisende auf das Verdeck gekommen, es dauerte auch nicht lange, so konnte man bereits in der Ferne mehrere glitzernde Gegenstände aus dem Meere hervortauchen sehen, denen wir uns rasch näherten. Immer deutlicher waren die Tiiürme, Kuppeln, Dächer und Häuser, von der Sonne hell beleuchtet, wahrzunehmen', ein prächtigesl, buntes Bild. Wir landeten und ich begab mich sofort in das Hotel Royal Danieli, wo ich meinen Schwager und meine Schwester Henikstein antraf. Am Tage nach meiner Ankunft langte Max Hohenlohe direkt aus Innsbruck in Venedig an. Wir benützten unsere Zeit fleißig, um alle Sehenswürdigkeiten, deren es ja hier eine so große Menge gibt, kennen zu lernen. 62 Den Schwerpunkt der ganzen Stadt bildet der Markus - Platz, „la Piazza", durch Größe, Schönheit und Pracht ausgezeichnet, mit marmorartigen Platten gepflastert und an drei Seiten von Palästen umgeben. Den Abschluss an der vierten Seite bildet die Markuskirche f ein wunderbarer" Bau, geziert mit Säulen, Mosaiken, Bogen, byzantinischen, romanischen und. gothisehen Ornamenten und den orientalischen Kuppeln. Dicht an dieselbe schließt der in edler Gothik gehaltene Dogenpalast an, ein Staatsgebäude aus der italienischen Republik. Zu unterst eine offene Halle mit kurzen-, stämmigen Säulen und sehr eleganten, figurenreichen Kapitalen, erhebt sich über weiten, Spitzbogen ein Zwischengeschoß von'überaus leichter und harmonischer Eleganz ; zu oberst ist. ein von einzelnen gothisehen Fenstern durchbrochener Oberbau. Während die eine Seite dieses bezaubernd schönen, mächtigen Palazzos >der „Piazetta" zuliegt, erstreckt sieh die zweite Hauptfront längs des Canal Grande. Die Piazetta ist ein kleinerer Platz, von dem aus man einen bezaubernden Blick auf die Lagunen, S. Giorgio Maggiore, auf die Salute und auf die Riva degli Schiavoni mit ihren Palästen und ihrem Schifferund Gondelleben genießt. Gegen die Lagune hin stehen zwei Granitsäulen : rechts mit St. Theodor, linlcs mit dem Bronzelöwen. Einen großen Genuß und die beste Gelegenheit zur. Veranschaulichung des wunderbaren Bildes dieser einzigen Stadt gewährt eine Fahrt längs des Canal Grande. Eine Unzahl von Palästen, einer schöner, großartiger, prächtiger als der andere, reihen sich an beiden Seiten des Canals an und geben deutlich die einstige Größe und den einstigen Reichthum der alten venezianischen Familien zu erkennen. Einzelne Brücken verbinden beide durch den Canal getrennten Theile der Stadt; hervorzuheben ist der Ponte di Rialto, der durch seine merkwürdige Anlage sogleich auffällt; Stiegen führen über den ganzen Bogen der Brücke und zu beiden Seiten erstrecken sich je sechs Kaufläden, ¦63 Von den zahlreichen, meist sehr interessanten Kirchen sind hervorzuheben: S. Giovanni e Paolo, S. Salvatore, Gesuiti, S. Maria dell' Orto, S. Maria dei Prari, S. Maria Salute und S. Giorgio Maggiore auf der gleichnamigen Insel. Noch wäre der Akademie mit einer berühmten Gemäldesammlung Erwähnung zu thun, deren Hauptbilder von Tizian „Tempelbesuch Maria" und „Himmelfahrt Maria" zu den hervorragendsten Kunstschöpfungen gezählt werden können. Ein nicht zu unterlassender Ausflug, den wir zweimal mit der Familie des Grafen Prokesch unternahmen, ist auf den „Lido", einer langgestreckten, schmalen Insel, die gleichsam das äußerste Fort von Venedig bildet. Von hier aus besuchten wir auch das auf der Insel S. Lazzaro gelegene, gleichnamige Mechitaristen - Kloster mit einer sehr interessanten Bibliothek und einer eigenen Buchdruckerei. Der Dichter Lord Byron lebte einige Zeit in diesem reizend gelegenen Kloster und erlernte hier die armenische Sprache. Schwer trennten wir uns von Venedig, das im schönen Wetter so zauberhaft, so märchenhaft erscheint , dass man sich fast in einer anderen- Welt glauben könnte. Unser Weg führte uns zunächst nach Bologna, woselbst wir in Kürze das Wichtigste besichtigten, als S. Pietronio, einea Prachtbau, der in seinem großartigen, mächtigen Innern recht hübsche Bilder enthält; dann S. Stefano, eine merkwürdige Klosterkirche, mit sieben verschiedenen Bauten, drei eigentlichen Kirchen, einem, Baptisterium, zwei Höfen und einer Confession. Erwähnenswerth ist der Campo Santo, der bedeutendste Friedhof Italiens, der schon zur Zeit der Umbrer und Etrusker Gräberstätte war. Er enthält viele schöne, großartige Denkmäler und eine Certosa, eine alte ^Klosterkirche. Unweit des Friedhofs erhebt sich ein Berg, auf dessen Gipfel eine Wallfahrtskirche, Madonna di S. Luca, liegt. Auf einer gedeckten Halle gelangten wir den Berg hinan', 64 von hier bietet sich dem Bescbauer eine entzückend schöne Aussicht auf die Stadt, die Apenninen und bei klarem Wetter sogar bis zum adriatischen Meere. Charakteristisch für Bologna sind -die zwei eigentümlichen, schiefen Thürme. Yon Bologna fuhren wir nach Loreto, mit der berühmten Wallfahrtskirche, in der sieh nach einer alten Legende das hl. Haus (die „Santa Casa") befindet, das früher in Nazareth gestanden war und von Engeln an seine jetzige Stelle übertragen worden sein- soll. Es ist das Haus, in welchem der hl. Joachim und die hl. Anna, später die hl. Maria mit dem hl. Josef und Christus gelebt haben. Loreto liegt auf einem Hügel oder Vorgebirge am Meere. An und für sich eine unbedeutende Stadt erstreckte sich mein Interesse hauptsächlichst auf die Santa Casa, di& sich in der Mitte der großen Kirche, von Marmor, schönen Reliefs und Statuen umkleidet erhebt. Von Innen sind die Mauern im ursprünglichen Zustande belassen, von Alter und Rauch geschwärzt ; man sieht da einen Kamin, darüber das wunderthätige Muttergottesbild mit dem Jesusknaben aus Cedernholz; es soll vom hl. Lukas stammen und mit dem hl. Hause von Nazareth herübergekommen sein; in einem Wandschranke bewahrt man ein irdenes Schüsselchen und eine Reliquie vom Kleide Marions. Ober dem Altare, der vor dem Kamin und unterhalb des Muttergottesbildes steht, hängen zwei Glocken, die aus der Zeit des hl. Ludwig stammen und ebenfalls von Nazareth mit dem hl. Hause hieher übertragen worden sind. An der Wand steht ein Schrank, jetzt von modernem Holz umschlossen, in welchem Maria ihre Habseligkeiten aufbewahrt hatte; unter dem Altar befindet sieh eine Platte, auf der der h\. Petrus die hl. Messe im Hause selbst gelesen hat. Einen ganzen Tag brachten wir in Loreto zu und besichtigten auch den bischöflichen Palast. Die Eisenbahn brachte uns in einem Tage von Loreto bis Neapel. Zuerst längs des adriatischen 65 Meeres bot sich uns ein schönes, abwechslungsreiches Bild dar ; das Meer, blau-grün gefärbt mit sanft bewegten Wellen und hier und da auftauchenden Booten, die rothgelbe Segel hatten; die hübsche Landschaft mit zahlreichen, meist -auf -den Hügeln reizend gelegenen Ortschaften, dazu die ziemlich vorgeschrittene Vegetation, die gegen Süden merklich zunahm, und der klare, blaue Himmel — das alles schien uns nach dem vorausgegangenen Regenwetter doppelt schön ! So fuhren wir über Termoli gegen Foggia und von hier landeinwärts durch die Apen-ninen nach Neapel. Die ersten Tage unseres Aufenthaltes in Neapel waren vom schlechtesten Wetter begleitet; wir beschränkten uns auf die Stadt (Museum, Kirchen), welche ich im Jahre 1885 schon zu sehen Gelegenheit gehabt hatte. Am dritten Tage nach unserer Ankunft hatte sich das Wetter etwas gebessert; wir fuhren nach Pompei ^ das ich zum zweiten Male mit noeh größerem Interesse beschauen konnte. Nachdem wir uns im Hotel „Diomede" nächst der Bahn etwas gestärkt hatten, bestiegen wir zwei Maulthiere und ritten von einem Führer begleitet auf den Vesuv. Wir leisteten das fast Unmögliche binnen drei Stunden den Auf1 und Abstieg bewerkstelligt zu haben, indem wir unsere armen Thiere zum schnellsten Tempo anhielten. Das letzte Stück mußten wir zu Fuß zurücklegen, wobei uns zwei Führer durch Ziehen an Riemen sehr behilflich waren. Durch eine Menge von aufgethürmter Schlacke und auf alter Lava gelangten wir bis zum Krater- hinauf, von dem wir aber leider in Folge des dichten, starken Nebels gar nichts sehen konnten; ebenso-war uns die Aussicht benommen. Am anderen Tage unternahmen wir einen sehr gelungenen Ausflug nach Capri. Mittelst eines kleinen Dampfers gelangten wir über Sorrent bei dem herrlichsten Wetter in zwei Stunden zur reizenden Insel Capri. Man landete zuerst bei der berühmten „blauen Grotte", in die wir, in einer kleinen Barke liegend, 66 durch eine unscheinbare Oeffnung einfuhren. Den ersten Moment ist hier die Färbung der ganzen Grotte und hauptsächlichst des Wassers frappierend. Alles erscheint bläulich gefärbt, die eingetauchten Gegenstände wie in Silber verwandelt. — Nach Besichtigung der Grotte brachte uns das Schiff zur „Marina", dem Landungsplatze von Capri. Das Dorf selbst liegt etwas höher und gewährt an einzelnen Stellen nach zwei Seiten hin eine entzückend schöne Aussicht: auf der einen Seite das weite offene Meer, auf der anderen der große Golf von Neapel ! Die Insel ist ein von der Natur reich beschenktes Stück Erde, geschieden von aller übrigen Welt ! Majestätisch erheben sich aus dem- Meeresspiegel die steilen Felswände, zwischen denen die grüne, frische, blüthen-reiche- Vegetation w^e nicht bald anderswo zu sehen ist. Leider währte unser Aufenthalt nur kurz; nach einigen Stunden entführte uns das Schiff von dieser reizenden Insel. Nach Neapel zurückgekehrt fuhren wir nach S. Martino hinauf, dessen unvergleichlich schöne Lage mit der entzückenden Aussicht auf Neapel ich mit Freude noch .einmal genießen konnte und dann — „adio mia bella Napoli!" Wir kamen nach Rom. Im Hotel D'Angleterre, wo uns meine Tante Jelly Thun, Mutter von Max, mit Carl und Adda Chotek erwarteten,-nahmen wir Wohnung. Während unseres Aufenthaltes in Rom, der fünfzehn Tage währte, sahen wir mehrere Verwandte und Bekannte, die sich gerade auch in der Ewigen Stadt befanden. Natürlich galt mein erster Besuch meinem verehrten Onkel, Cardinal Ledóchowski, den ich nach seiner im Anfange des Jahres glücklich bestandenen schweren Krankheit zu meiner größten Freude vollkommen hergestellt fand. Er empfieng mich mit der herzlichsten Liebenswürdigkeit. Täglich wohnte ich seiner hj. Messe bei und war beim Frühstück, sowie zu Mittag sein Gast. Alles erinnerte mich wieder an 67 meinen ersten Aufenthalt in Rom zurück. Mit erhöhtem Interesse konnte ich wieder alles durchleben und beschauen, was ich bereits im Jahre 1885 geseheir hatte; das Meiste war mir bekannt und "wurde bereits von mir in der Beschreibung meiner ersten Romfahrt erwähnt. Ich will mich daher in Kürze nur auf jenes beschränken, das mir neu war, und über das ich noch nicht erzählt habe. S. Paolo alle tre Fontane, ein Trapistenkloster, welches an jenem Orte außerhalb Roms erbaut ist, an welchem der hl. Apostel Paulus geköpft worden ist. Hier selbst befinden sich drei Quellen, die damals an denjenigen Stellen, auf welche das Haupt dieses Märtyrers aufgefallen war, entsprungen sind und heute noch fließen. S. Onofrio, eine Kirche und ein ehemaliges Kloster, in welchem Torquato Tasso seine letzten Lebensjahre zugebracht hatte. S. Stefano Rotondo, eine- merkwürdige, kreisrund gebaute Kirche mit zahlreichen alten Fresken, welche die grausamsten Martyrien in grellen Farben darstellen. S. Sebastiano, eine der sieben Hauptbasiliken Roms, auf der Via Appia außerhalb der Stadt gelegen. S. Prassede und S. Pudenziana; die letztere Kirche erhebt sich an jener Stelle, auf welcher sich einst das Haus des Senators Pudens befand, und enthält eine prächtige mit glänzenden Mosaiken verzierte Façade. Im Herz-Jesu Kloster, Trinità de Monti, konnte ich diesmal die berühmte, von einer Klosterfrau gemalte „Mater admirabilis", ein wunderbares, edel-gedachtes Marienbild sehen, vor welchem im Jahre 1876 meiner Schwester Gabrielle von Onkel Cardinal das Sakrament der hl. Firmung gespendet wurde. Außer diesen vorangeführten Kirchen muß ich noch den Palazzo Doria und den Palazzo Borghese mit sehr schönen Bilder-Gallerien und die Villa Farnesina mit Fresken von Raphael hervorheben. 68 Die Umgebung Roms konnte ich diesmal ^uch kennen lernen ; wir machten Ausflüge nach Tivoli mit seinen wunderschönen Cascaden, nach Porto d'Anzia und Nettuno am Meer, und endlich nach Frascatti, Castel Gandolfo, Albaner-See, Genzano, Nemi-See und Albano. Das Wetter begünstigte alle unsere Ausflüge und so war es möglich, sich ein richtiges Bild der gewiß schönen Umgebung Homs zu machen. Auch eine Spazierfahrt mit dem Cardinal auf den Monte Mario, von wo aus Rom zu überschauen ist, war sehr lohnend. So hätte ich das Wichtigste erwähnt. Es erübrigt mir noch des hl. Vaters, Papst Leo XIII., zu gedenken, den zu sehen und. zu sprechen ich auch diesmal das Glück hatte. Am Ostersonntag wurden Max und ich mit wenigen anderen Personen in der Privatkapelle Sr. Heiligkeit im Vatikan zur hl. Messe zugelassen, empfiengen aus der Hand des Papstes die heil. Communion und wurden sodann vom hl. Vater in Seiner überaus großen Güte angesprochen, wobei Er über die Wiedergenesung des Cardinais unendliche Freude äußerte. Das gesellschaftliche Leben Roms habe ich nicht näher kennen gelernt; ich machte bloß meine Aufwartung beim österreichischen Botschafter beim Vatikan, Grafen Rever-tera, beim Großmeister des Maltheserordens Ceschi a Santa Croce, bei Gräfin Blome, Cardinal Hohenlohe, Mgr. Agliardi, dem jetzigen Nuntius in Wien, besuchte öfters während meines zweiwöchentlichen Aufenthaltes meinen im Ger-manieum studierenden Vetter Wladimir Ledóchowski und verbrachte recht angenehme Stunden in der Gesellschaft meiner Cousine Elisabeth Nostitz und deren Freundin Baronin Wucherer, sowie mit Tante Jelly Thun, Choteks und Max. Endlich mußte wieder an die Heimreise gedacht werden. Nur ungern verließ ich Rom, und besonders schwer wurde mir auch dermalen wieder der Abschied von meinem Onkel. In Begleitung von Carl und Adda Chotek und 69 von Max fuhr ich fiber Pisa, wo wir un& nur kurz aufhielten, nach Florenz. Während Chotekš sich gleich nach. Nervi an die Eiviera begaben, blieben Max und ich vier Tage in Florenz, wohin uns auch Tante Jelly folgte. Wir machten unser Möglichstes, in der kurzen Zeit unseres Aufenthaltes in dieser reizenden Stadt alles zu besichtigen, das von Bedeutung ist. Zunächst erlangten wir durch eine Fahrt über die Viale de Colli zur Piazzaila dei Michelangelo einerseits und durch eine zweite Fahrt nach dem reizend gelegenen Fiesole andrerseits ein schönes Bild der prächtigen Stadt, deren Häuser gleichsam in einem großen Parke liegen. Wir besichtigten d^e bedeutendsten Kirchen, darunter den herrlichen Dom, dessen Façade und Inneres auf den Beschauer einen mächtigen Eindruck macht. Neben dem Dome der •schöne Campanile, weiter das Baptisterium, dessen Erzthüren mit ihren Prachtreliefs Weltberühmtheit erlangt haben; dann die vielen schönen anderen, meist schwarz-weiß marmorierten Kirchen von Florenz, als besonders S. Maria Novella, S. Maria Maddalena, S. Croce mit hübschen alten Fresken, S. Marco mit dem anstoßenden, ehemaligen Kloster, dem jetzigen „Museo fiorentino di S. Marco", in welchem sämmtliche Zellen von Fra Angelico da Fiesole - mit schönen Fresken ausgemalt sind ; und endlich S. Lorenzo. Die zahlreichen Palazzo's, unter denen der Palazzo Vecchio in seiner edlen Gestalt hervorragt, und noch vieles andere mehr verdient erwähnte zu werden. Den größten Werth und einen unnennbaren Reichthum an Kunstschätzen bergen die Gallerien : die Uffizien und der Palazzo Pitti. In den ersteren befindet sich die berühmte Mediceische Venus, ein Originalwerk des Kleomenes, eines griechischen Künstlers aus der neuattischen Schule; die Statue der Niobegruppe, dann die zahlreichen Prachtwerke eines Tizian, Rafael, Lionardo da Vinci, Fra Angelico da Fiesole u. s. f. Ebenso die Gallerie des Palazzo Pitti, in welchem sich ein Kunstwerk neben 70 dem anderen befindet, — ein Reichtum an Kunst und edelster Schönheit ! — So war denn für uns wieder die Zeit der Abreise gekommen. Wir verabschiedeten uns von Tante Jelly, die sich nach Nervi begab, während wir unsere Heimreise antraten. Ich war noch bis Bologna Maxen's Begleiter, von da gieng er allein nach Innsbruck, während ich mich nach Triest wandte, um dasselbe in einem Tage kennen zu lernen. Dabei leistete mir ein Graf Romer die angenehmste- Gesellschaft. Wir besichtigten das Schiffs -Arsenal und machten einen Besuch bei der Gemahlin des Präsidenten der Seebehörde, Baronin Alber - Glanstätten. Am Abend — es war der 3. Mai — reiste ich weiter und zwar über Steinbrück nach St. Helena in Croatien, woselbst ich bei einer bekannten Familie einen kurzen Besuch abstattete. ^Montag den 6. Mai Früh war ich in Graz zurück. —