I 682^8 iZ VarthoWUäus > v o II Zolles nni> bes Apostolischen 8tnhle8 Hnaste Vcfchsff wsw LwMisch. Allen Gläubigen der Wacher Weese Heil und Segen vom Herrn! «Sei gegrüßt, o Königin, Mutter der Barmherzigkeit, unsere Hoffnung, sei gegrüßt! Zu dir rufen wir, ver¬ wiesene Kinder Eva's, zu dir seufzen wir trauernd und weinend in diesem Thale der Thräue»! Mit diesen Worten begrüßen andächtige Katholiken seit Jahrhunderten die heilige Jungfrau, die Mutter ihres Heilandes und deshalb die Zuflucht der Sünder, welche durch ihre Fürbitte von Gott die Gnade einer aufrichtigen Bekehrung und treuen Ausdauer im Werke ihrer Heiligung erflehen und erhoffen, aus diesem Grunde aber auch die Trösterin der Betrübten, weil die Traurigkeit über die eigenen Vergehungen Gott wohlgefällig ist und standhafte Buße bewirket, aus welcher Trost des Herzens und Freudigkeit des Lebens hervorgeht; aber auch die Traurigkeit über fremde Uebertretungen ist eine Frucht der heiligen Liebe und mit großem Troste ver¬ bunden. Wer sich mit Vertrauen und inniger Andacht zu Maria wendet, kann ihrem göttlichen Sohne nicht fern bleibe», in ihm aber fließt für uns Alle die Fülle der Gnaden und die Bürgschaft des ewigen Lebens ist nur in ihm zu finden. In Wahrheit dürfen und sollen wir Maria als Mutter der Barmherzigkeit und als unsere Hoffnung begrüffen. Wer könnte aber läugnen, daß wir ebenfalls mit vollem Rechte zur Mutter unseres Heilandes rufend uns als verwiesene Kinder Eva's bezeichnen? Lesen wir nicht in den ältesten Offenbarungen Gottes von der Uebertretung des göttlichen Verbotes durch die ersten von Gott in Unschuld und Gerechtigkeit er¬ schaffenen Menschen? Lehret uns nicht die heilige Geschichte, daß die Stammeltern des ganzen Menschen¬ geschlechtes von ihrem liebenden Schöpfer in einen sehr glücklichen Zustand versetzt wurden, welchen sie nm ihrer Sünde willen nicht nur sich selbst, sondern auch allen Nachkommen verloren haben? Eva heißt in der heiligen Schrift die Mutter der Menschen; Eva bedeutet das Leben, und die Genossin des ersten Mannes erhielt den Namen Eva, das Leben, weil sie zur Muter aller lebenden Menschen bestimmt war. Mutter aller Lebenden zu sein, war eine ihr von Gott verliehene Gnade, ein Vorzug, den sie sich nicht durch eigenes Verdienst erwarb; Eva ist aber auch die Mutter aller Verwiesenen, aller Sterbenden, und dies war und bleibt Sine Strafe für den Ungehorsam. Wie nun alle Menschen durch die Gnade Gottes von Eva, als der Mutter aller Lebendigen, das Leben erhalten; so nehmen auch alle Menschen durch die Gerechtigkeit Gottes Theil an der Strafe der Sünderin; aus dem Unreinen kann ja nichts Reines kommen. Unsere Stammmutter war eine Verwiesene, wie wäre es nun anders möglich, als daß auch wir, ihre Sprößlinge als Verwiesene uns be¬ kennen , als Verwiesene rufen, aber nicht zu der Verwiesenen, der Ursache unserer Verweisung, sondern zu einer andern Mutter der Lebendigen, zu der Gnadenvollen, zu der Mutter des ewigen, des göttlichen Lebens, zu Maria, die da wurde die Mutter desjenigen, welcher ist das Leben und Allen, die sich glaubensvoll ihm anschließen, gibt das Leben, das göttliche und ewige Leben. Der Verwiesene bedarf der Zurückberufung, der Wiederherstellung in seine früher» Rechte, der Gefallene bedarf der Aufrichtung, der Unreine bedarf der Reinigung, der Gefangene bedarf der Befreiung, der Erlösung. Sehen wir uns selbst genauer an, betrachten wir die Geschicke des ganzen Menschengeschlechtes soweit wir solche zu erkennen in der Lage sind, zwingt uns nicht die eigene und fremde Erfahrung das traurige Bekenntniß abzulegen, daß wir dem Verwiesenen gleichen, der aus dem väterlichen Hause, wo er keinen Mangel kannte, wo ihm liebende Herzen entgegen schlugen, wo seine Tage in seliger Befriedigung stossen, in die Fremde hinausgeworfen wurde, die ihn mit kaltem Blicke anstarrt, kein Mitgefühl für seine Seelenleiden hat, um sein Darben und seinen Hunger sich nicht kümmert? Gleichen wir nicht einem Gefallenen, der sich aus allen Kräften abmüht, sich aufzurichten und festen Schrittes seinem Ziele entgegen zu schreiten, ohne jedoch des Gelingens sich erfreuen zu können? Wo gibt es einen Menschen, der nicht wünscht glücklich zn sein? Nach dem vollen Glücke sehnt sich Jeder, er kann auf dieses Wünschen und Sehnen gar nicht verzichten. Der Mensch kann sein leibliches Leben vernichten, aber das Verlangen nach dem höchsten Glücke kann der Mensch nie aus seiner Brust vertilgen, und doch hat sich noch Niemand gefunden, der sich hier als den Glücklichen hätte nennen dürfen und wollen. Gleichen wir also nicht insgesammt einem Gefallenen, der sich aufzurichten strebt, ohne daß es ihm je¬ mals gelänge? Ununterbrochen erschallt im Völkerleben der laute Ruf: vorwärts! Der Mensch ist nicht unbe- gränzt; so wenig als des Menschen Kraft unbegränzt gedacht werden kann, eben so wenig seine Genu߬ fähigkeit. Wenn es mit der Menschheit immer vorwärts ginge, so müßte sie doch endlich zu einem befriedigenden Ziele gelangen, wo der Ruf nach Vorwärts verstummet. Wenn aber dieser Ruf fort und fort erschallt, wird nicht dadurch der Thatbestaud erwiesen, daß wir weit mehr einem Gefallenen gleichen, der sich bald nach der einen, bald nach der andern Seite wendet, niemals jedoch recht vom Flecke kommen kann? Auch ein anderer Ruf läßt sich ebenso stark und häufig vernehmen, der Ruf nach Freiheit. Wer sehnt sich nach Freiheit, als nur derjenige, der sich als Gefangener fühlt? Je mehr also die Menschen nach Freiheit rufen, desto lauter bekennen sie ihren Zustand als den einer Gefangenschaft; je mehr die Menschen sich anstrengen, in den Gennß der ersehnten Freiheit sich zn versetzen, desto deutlicher beweisen sie die Stärke der Fesseln, welche sie nur mit großer Anstrengung zn zersprengen sich abmühen. Wo aber liegt das Land, wo sich kein Ruf nach Freiheit mehr vernehmen ließe, weil eben das Bewußtsein des Freiseins den Ruf un- nöthig macht? Wann gab es einen Zeitpunkt im Menschenleben, in welchem sich die Genossen auch nur eines Volkes des Genußes der befriedigenden Freiheit hätten rühmen dürfen? Wie viele Zeitpunkte im Laufe der Jahrhunderte lassen sich dagegen nachweisen, in welchen mit dem lautesten Rufen nach Freiheit, dem unge¬ messensten Rühmen mit Freiheit die drückendste Knechtschaft auf der Gesellschaft lastete, die roheste Willkühr ihre Herrschaft übte, die wildeste Grausamkeit alle Lebensfreude erstickte? Wer sich nicht frei fühlt, der schmachtet in der Gefangenschaft. Der ganze Verlauf des Menschenlebens liefert Belege für die Wahrheit, daß wir sind verwiesene Kinder Eva's, fern von unserer wahren beglückenden Heimat, unfrei , unter einem schweren Joche seufzend, wie schon im grauen Alterthume der fromme Job klagte und zugleich das Mißperhältniß zwischen der Kürze des Lebens und der Menge der Leiden hervorhebt: „Der Mensch, vom Weibe geboren, lebt eine kurze Zeit und wird mit vielem Elende erfüllt/ Wir glauben an einen heiligen und gerechten Gott, den Schöpfer und Erhalter, aber auch den Lenker aller erschaffenen Dinge. Unsere denkende Seele nöthigt uns zu diesem Glauben, weil ohne diesen Glauben unser Denken, Leben und Weben in so grelle und schroffe Widersprüche verfällt, daß sich ohne ihre Beseitigung und Lösung eine auch nur mangelhafte Ordnung der menschlichen Gesellschaft gar nicht erhalten ließe. Wenn wir aber an einen heiligen und gerechten Gott glauben, so drängt sich uns unabweisbar die Frage auf, woher kommt unter der Regierung eines heiligen und gerechten Gottes das viele und mannigfaltige Elend, womit der Mensch, das vorzüglichste, uns sichtbare Geschöpfheimgesucht und geplagt wird? Gott dem Schöpfer kann es weder an Macht noch an Willen fehlen, seine Geschöpfe in aller ihrer Natur entsprechenden Vollkommenheit hinzustellen, in ihnen seine Macht und Güte gerade in der Vollkommenheit derselben zu offenbaren. Wo aber Vollkommenheit besteht, dort kann sich Mangel und Elend nicht einfinden. Wir werden kein Haus vollkommen nennen, worin wir vor den Unbilden des Wetters keinen sichern Schuß finden, dessen Wände jeden Augenblick den Einsturz drohen, sollte es sich nun mit dem Menschen, diesem in mannigfaltiger Hinsicht so herrlichen Baue anders verhalten? Kein Mensch darf sich eines ungeschmälerten, eines unzerstörbaren Lebensglückes rühmen; hiemit ist auch kein Mensch vollkommen. Ein Schöpfer, der die Vollkommenheit selbst ist, dabei aber das Meisterwerk seiner fühlbaren Schöpfung so wenig vollkommen, wie läßt sich dieser Widerspruch zusammen reimen? Wo liegt der Grund dieses Widerspruches? Seitdem die Menschen über diesen Widerspruch ernsthaft nachdachten, haben sie diesen Grund in der freien Verschuldung des Menschen gefunden, und zwar in einer Verschuldung, welche im Beginne des Menschengeschlechtes über das gesammte Geschlecht zur Strafe herbeigezogen haben muß, welche die gesammte Menschheit büßt. Das Ergebnis», welches die tiefsten Denker, die fleißigsten Forscher gefunden haben, bekennen als einen göttlich geoffenbarten Glaubenssatz alle Katholiken mit dem Seufzer: Maria, o Mutter der Barmherzigkeit! zu dir rufen wir verwiesene Kinder Eva's! Eva war die erste Sünderin, sie verfiel der Strafe, wurde aus dem Paradiese verwiesen, mußte mit Schmerzen ihre Kinder gebären, und aus diesem Grunde sind wir alle Schmerzenskinder, unter Schmerzen geboren, in Schmerzen lebend, unter Schmerzen sterbend. Der Dulder Job, sich wohl bewußt kein Verbrecher zu sein, der die schweren Prüfungen, die ihn trafen, verdient hätte, ist doch weit davon entfernt sich als ganz rein, als ganz unschuldig zu machen und findet den Ursprung seiner eigenen Unreinigkeit in der allgemeinen menschlichen Sündhaftigkeit: „Wer kann rein machen den, der vom unreinen Samen empfangen?" Sich zu Gott wendend, ruft er aus: „Bist's nicht du allein?" Der heilige Johannes, der Jünger der Liebe, der an der Brust seines Herrn und Meisters ruhte, schreibt den Gläubigen: „Wenn wir sagen: Wir haben keine Sünde, so verführen wir uns selbst und die Wahrheit ist nicht in uns. Wenn wir sagen: Wir haben nicht gesündiget, so machen wir ihn, Gott, zum Lügner und sein Wort ist nicht in uns." Wie armselig und elend aber auch der Mensch sei, so ist er von Natur aus doch immer stolz und deshalb hat die von Weisen anerkannte, von Gottgesaudten ausgesprochene und bekräftigte Wahrheit von der ange¬ borenen Unreinigkeit und Sündhaftigkeit des Menschen zu allen Zeiten vielen Widerspruch erfahren, und diesem Widerspruche haben sich bald Mehrere bald Wenigere angeschloffen; denn die Meinungen und Ansichten sind in einem ununterbrochenen Wechsel, sie kommen und schwinden, wie die Wolken am Himmel. Mit der An¬ erkennung oder mit der Verkennung der Wahrheit von dem Falle der ersten Menschen und der angeborenen Sündhaftigkeit des Menschengeschlechtes steht aber der Glaube an Christus oder fällt der Glaube an Christus den Erlöser, weil nur das in die Knechtschaft der Sünde gefallene Geschlecht eines Erlösers bedarf, welcher den mit der Sünde geschriebenen Schuldbrief tilgt und den Menschen die Gnade verdient, welche sie befähigt, den Willen Gottes zu erfüllen. Wer Eine von den christlichen Hauptwahrheiten bekämpft und läugnet, unter¬ gräbt auch alle anderen Wahrheiten und vernichtet das ganze Christenthum; denn alle Wahrheiten hängen innigst zusammen, alle haben einen gemeinschaftlichen Grund, eine gemeinschaftliche Bezeugung. Wenn Jemand einem wohlgebauten Thurme ein Eck untergräbt und die Steine, worauf der hohe Bau sich stützt, wegnimmt, so kann er nicht befehlen, daß der Thurm dennoch stehen bliebe. Er kann sich für seine Person schnell ent¬ fernen, die Augen und Ohren sich zuhalten, daß er den Sturz nicht sieht und nicht hört, deshalb wird aber der Sturz doch erfolgen und andere werden die Trümmer sehen und den Schaden betrauern. Diese Bewandniß hat es auch mit der christlichen Glaubenslehre. Sehr selten hat irgend Einer alle christlichen Offenbarungslehren auf einmal angegriffen und bekämpft, aber was der Eine stehen ließ, haben andere, die sich seinem Beginnen anschlossen, fortgesetzt und nach und nach war das ganze christliche Lehrgebäude für diejenigen, welche sich von dem Glauben an den ganzen Christus abgewendet haben, vernichtet worden, das Licht des Evangeliums er¬ losch, mit dem Lichte schwand auch die Hoffnung auf ein ewiges Leben und mit der Hoffnung der Trost in -en Lebensdrangsalen und die Kraft in den Versuchungen zur Sünde. Mit dem Erlöschen dieses Lichtes, mit dem Schwinden der Hoffnung, mit dem Abgänge der Kraft verlor sich auch die Schönheit und die Würde des menschlichen Lebens, mit diesen Gaben und Zierden war auch das Glück des Lebens dahin, Verwirrung, Sittenlosigkeit, Roheit und Grausamkeit nahm überhand und damit die schnellere aber langsamere Vernichtung jenes Bruchtheiles der Menschheit, in welcher die Finsterniß mehr geliebt zu werden anfing, als das Licht. Jene, welche sich selbst beobachten und erkennen, sind geeignet das menschliche Leben in seiner ganzen Entwicklung, in seinem gesummten Verlaufe recht gründlich und klar zu begreifen, sie werden dann auch an den ganzen Christus und an seine Kirche mir voller Freudigkeit glauben und mit aller Innigkeit beten: Sei gegrüßt, o Königin, Mutter der Barmherzigkeit! zu dir seufzen wir trauernd und weinend in diesem Thale der Thränen» Je zuversichtlicher sich dieser Ruf ihrer Brust entwindet, desto sparsamer fließen ihre Thränen, und wenn auch ihre Thränen fließen, so sind sie minder bitter, denn es sind Thränen der Buße, welche Tröstung brin¬ gen, es sind Thränen der Liebe, welche mit süßer Freude das Herz erquicken. Es haben sich seit den ersten Zeiten des Christenthums Menschen gefunden, welche das Christen- thum, wie selbes von dem Heiland gegründet, von den Aposteln verbreitet und von der katholischen Kirche bis an der Zeiten Ende erhalten wird, verbessern wollten, aber ihre Verbesserungen haben sich als Truglehren er¬ wiesen und die Zeit hat sie um ihre ganze Geltung gebracht; es hat auch Menschen gegeben und in unsern Tagen mehren sich ihre Stimmen, welche dem Christenthume und insbesondere der katholischen Kirche den Vorwurf machen, daß ihre Lehren das menschliche Leben entstellen, wenn sie befolgt werden, daß sie dem irdischen Leben seinen heitern Glanz, seine Freudigkeit rauben, daß die Aussicht auf einen jenseitigen Himmel, den Himmel zerstöre, welchen wir hier auf Erden Herstellen können und sollen. Es gibt also Menschen, die den gläubigen Christen, welcher die Erde ein Thal der Thränen nennt, einen Thoren schelten, der dem irdischen Leben einen großen Schaden, ein großes Unrecht znfügt. Von diesen Meistern gilt das Wort unseres Hei¬ landes, welches er von den jüdischen ungläubigen Schriftgelehrten aussprach: „Ich bin znm Gerichte in die Welt gekommen, daß die Blinden sehend und die Sehenden blind werden. Da sprachen die Pharisäer, welche die Deutung und Beziehung dieser Aussage wohl erfaßten: Sind etwa auch wir blind? Jesus aber sprach zu ihnen: Wenn ihr blind wäret, so hättet ihr keine Sünde; nun aber sprechet ihr: Wir sehen! darum bleibet euere Sünde/ Wo das Vermögen, die Fähigkeit fehlt, die Wahrheit zu erfahren, dort ist die Unwissenheit, der Jrrthum ohne Schuld; wo hingegen das verkehrte Herz die Anerkennung der Wahrheit hindert, dort bleibt die geistige Blindheit, und es bleibt auch die Sünde. Mit sehendem Auge das menschliche Leben betrachten und dabei behaupten, daß die Hoffnung auf einen überirdischen Himmel den Himmel auf Erden verhindere und zerstöre, daß die Erde kein Thal der Thränen sei, heißt wahrlich sich selbst das Zeugniß der vollsten Blindheit geben. Auch in unsern Tagen fließen genug Thränen und es werden deren noch viel mehr und viel bittere fließen, wenn sich der Abfall von Christus und seiner Kirche mit den kommenden Tagen mehrt und eine aus- gebreitetere Herrschaft über die Gemüther gewinnt. Der glänzende Firniß glatter, äußerer Lebensformen wird den inner«, sittlichen Moder nur auf eine kurze Zeit verdecken, die gleißnerischen Worte von Menschenliebe werden in kurzer Zeit mit den Ausbrüchen des Neides, des Haffes vertauscht werden, und der Friede, den die Engel bei der Geburt des Heilandes den Menschen verkündeten, wird von den Erdengefilden zum Schrecken der Erdbewohner fliehen. Betrachten wir nur flüchtig die gegenwärtigen Zustände von Europa, dürfen wir sie etwa als die Vorbereitungen zur Herstellung des irdischen Himmels ansehen? Sehen wir nicht beinahe in unserer Nähe Ströme von Menschenblnt ausschütten, unschätzbare Lebensgüter vernichten, beinahe alle Lebensgestaltungen in Verwirrung gerathen, alle Stützen der Gesellschaftsgebäude wanken, wohl auch umstürzen? Sind das wohl Aussichten auf einen irdischen Himmel? Sind diese Wahrnehmungen die Morgenröthe an¬ kündend den Aufgang der glänzenden Sonne des höchsten Glückes? Wer kann dies im Ernst meinen? Christus lehrte uns zu Einem Vater im Himmel beten, diesen Vater als unfern gemeinschaftlichen Vater ver¬ ehren und uns wechselseitig als Kinder Eines Vaters, als Brüder eines Hanfes ansehen, uns wechselseitig lieben und einander mit wechselseitiger Unsterstützung die Plagen des Lebens erleichtern. Wird mit der Ab¬ nahme des christlichen Glaubens das Band der Liebe nicht mehr und mehr zerrissen? Wird die Verbindung durch den Einen Schöpfer im Himmel, durch den Einen Erlöjer auf Golgatha, durch den Einen Heiligmacher am Pfingstfeste nicht immer lockerer, und an die Stelle dieser heiligen Verbindung nur jenes Band geltend gemacht, welches die Sprache knüpft, die Jemand spricht? Liegt etwa in der Sprache die Macht, die Leiden¬ schaften des menschlichen Herzens zu zügeln, den Hochmuth zu bannen, die Selbstsucht opferwillig zu machen? Nur die Anerkennung einer Wahrheit, welche den Menschen über die flüchtigen Erscheinungen der Sinnenwelt erhebt, deren Werth nicht von Zufälligkeiten abhängt, welche von Gott ihre Bewährung empfangen hat, ver¬ mag die Menschen wirklich zu bilden, zu veredeln, zu jedem Opfer bereitwillig zu machen und die Wärme der heiligen Liebe im Menjchenleben zu verbreite». Eine solche Wahrheit liegt in dem Glaubenssätze: „Gott hat die Menschen so lehr geliebt, daß er seine» eingeborenen Sohn hingab, damit alle, welche au ihn glauben, das ewige Leben haben." Christus, Gott tu menschlicher Gestalt, ist das Licht, welches die Menschen wahr¬ haft erleuchtet, er brachte das himmlische Feuer der reinen Liebe auf die Erde und wünschte, daß sich dieses Hener allgemein entzünde, die Menschen reinige und beglücke. Wo dieses Feuer nicht brennt, dort lodert die Gluth niedriger, verzehrender Leidenschaften, dort schwindet das Recht und dort gilt nur die Gewalt, dort wird nur dahin gearbeitet, durch Sammlung und Zusammenfassung sinnlicher Kräfte sich geltend zu machen, die Be¬ friedigung eitler Gelüste zu erzwinge» und jeden Widerstand zu Boden zu werfen. Lassen wir andere Belege zur Bestätigung dieser Aussage einstweilen außer Beachtung, wenden wir unsere Augen als Katholiken nur nach Rom. Die Einheit Italiens und dadurch die Machtstellung der dor¬ tigen Nation ist seit Jahrzehenden das im Lande und auch außer Landes laut erschallende Losungswort. An die Stadt Rom knüpfen sich die lebendigsten Erinnerungen äußerer, einst beinahe die ganze bekannte Erd¬ oberfläche beherrschenden Gewalt. Rom soll daher wieder der Mittelpunkt der italischen Einheit, der Sitz der den Nachbarn Achtung einflößenden Macht werden. Wir wissen, daß die Ehrfurcht, welche einst Völker und ihre Herrscher dem sichbaren Oberhaupte der katholischen Kirche, dem Stellvertreter Christi auf Erden, vom gläu¬ bigen Sinne geleitet in allgemeiner Anerkennung erwiesen, den heiligen Vater zum unabhängigen Herrn von Rom und den angränzenden Gebieten gemacht hat. Das Erträgniß dieser Länder diente zur Bestreitung der mit der Leitung der gejammten katholischen Kirche unvermeidlich verbundenen Auslagen, zur Ausschmückung der heiligen Orte, zn denen Andächtige aus allen Welttheilen so gern pilgerten; diese Stellung des katholischen Kirchenoberhauptes sicherte seine Freiheit in der Ausübung der von Christus empfangenen Hirtengewalt. Alle Gegner der katholischen Kirche waren daher auch Gegner dieser Achtung gebietenden Stellung der Päpste. Je hitziger sich nun die Gemüther in Italien für die Einheit dieses Landes und für seine Machtstellung den übrigen Völkern gegenüber entzündeten, desto eifriger wurde mit allen Mitteln dahin gearbeitet, den heiligen Vater nnd in ihm die katholische Kirche der bisher genossenen Rechte und Vorzüge zu berauben. Alle Ka¬ tholiken waren verpflichtet, diesem rechtswidrigen Beginnen auf das deutlichste ihre Mißbilligung zn bezeugen, mit allen erlaubten Mitteln auch thatsächlich entgegen zu wirken. Wer Gott als Lenker der Völkergeschicke anerkennt, hatte daher zuerst die Pflicht im andächtigen Gebete zn ihm sich zu wenden, daß Er der Allmächtige den von ihm selbst bestellten Hirten der durch den Opfertod seines menschgewordenen Eingebornen gesammelten Heerde, auch in äußerer Erscheinung schützen wolle. Das andächtige Gebet durchdringt die Wolken, das öffent¬ liche Gebet ist der unzweideutigste Ausdruck der gemeinschaftlichen Gesinnung und wenn die Zahl der Beter groß ist, so wird auch den Gegnern einer im Gebete offenbar gewordenen Gesinnung Scheu eingeflößt, weil sie dann einen Widerstand auch mit äußerer Macht befürchten müssen. Es wurde daher zn allen Zeiten, in welchen die Kirche von Bedrängnissen heimgesucht war, das Bedürfniß gefühlt, öffentlich und in Geheim für die Rettung der Kirche, welche insbesondere in der Schädigung ihres obersten Hirten gefährdet wird, heiße Gebete zu Gott emporzusenden. Vor eilf Jahren, als der heilige Vater über die gegen ihn sich sammelnden Feinde öffentlich klagte und um die Theilnahme aller Gläubigen flehete, wurde an alle Diener des Altars die Aufforderung von der kirchlichen Oberbehörde erlassen, nicht nur selbst bei ihren heiligen Verrichtungen für das Oberhaupt der Kirche mehr als sonst zu beten, sondern auch die Gläubigen zum eifrigen Gebete zu ermahnen. Mit jedem Jahre wuchsen die Gefahren, welche die ruhige und gesicherte Stellung des Stellvertreters Christi zu vernichten droheten; mit diesen Gefahren, welche den Gläubigen nicht unbekannt waren, mehrte sich auch die Verpflichtung das Mög¬ lichste zur Unterstützung des heil. Vaters zu thun, also insbesondere recht andächtig für den Hirten aller Gläubigen zu beten. Die Begebenheiten, Ereignisse forderten zum Gebete auf, es bedurfte demnach keiner neuen Erinne¬ rungen durch Worte. Die Liebe, welche alle Kinder ihrem geistlichen Vater schuldig sind, Hai sich auch in unserm Lande bei vielen Gelegenheiten in Wort und That auch recht deutlich ausgesprochen. Allein in der jüngsten Ver¬ gangenheit hat es Gott zugelassen, daß die rohe Gewalt über das Recht ganz augenscheinlich den Sieg davon trug. Wie lange Gott dem Unrechte freien Spielraum läßt, wer kann das wissen? Aber wir Gläubige würden uns der Theilnahme am Unrechte schuldig machen, wenn wir unsere Mißbilligung des verübten Frevels nicht auf jede durch uusern Glauben nicht verbotene Weise recht deutlich an. den Tag legten. Wer zur Sünde schweigt, der wird eben dadurch selbst ein Sünder. Wenn wir nun in Wahrheit Christglänbige sind, wenn wir das Ober¬ haupt der Kirche als unfern geistlichen Vater, als uusern Seelenhirten anerkennen und verehren, so lasse» wir diesen unfern Glauben in Wort und That ohne Furcht und Scheu leuchten, damit Andere unser Licht sehen und den Vater im Himmel preisen und der Vater im Himmel gnädig auf uns herabsieht und die Gnade des treuen Ausharreus im lebendigen Glauben, in fester Hoffnung und thätiger Liebe gewährt, daß Er der Gütige sein Licht uns leuchten läßt, bis die Zeit des irdischen Streitens vorüber geht und wir die Krone des ewigen Lebens empfangen. Um mit unserer Schwäche Nachsicht zu zeigen, hat mir der heilige Vater in Rom die Vollmacht gegeben, nachstehende Erleichterungen hinsichtlich des Fastengebotes zur Kenntniß der Gläubigen meiner Diärese zu bringen: Das eigentliche Fasten bleibt geboten und nur einmalige Sättigung des Tages ist gestattet: 1. An allen Tagen der vierzigtägigen Fastenzeit mit Ausnahme der Sonntage; 2. an allen Mittwochen und Freitagen des Adventes; 3. an den vier Quatembermittwochen, Freitagen und Samstagen; 4. Am Samstage vor Pfingsten nnd an den Vortagen der Feste der heil. Apostel Peter und Paul, Maria Himmelfahrt, Allerheiligen, Maria Empfängniß und der Geburt des Herrn. V. Das Gebot des Fleischeffens sich zu enthalten, besteht: 1. Für alle Freitage des Jahres; 2. für alle Quatembertage; 3. für die Aschermittwoche, die letzten drei Tage der Charwoche, für alle Samstage der vierzigtägigen Fastenzeit und für den Samstag vor Pfingsten sammt den Vortagen der Feste: der heil. Peter und Paul, Maria Himmelfahrt, Allerheiligen, Maria Empfängniß nnd der Geburt des Herrn. Für die Samstage während des Jahres, also mit Ausnahme der vierzigtägigen Fastenzeit, ist der Genuß der Fleischspeisen gestattet; während der vierzigtägigen Fastenzeit ist der Genuß von Fleischspeisen, jedoch ohne Vermengung mit Fischspeisen, an allen Tagen gestattet, mit Ausnahme der Ascher- und Quatembermitlwoche, der Freitage und Samstage und der letzten drei Tage der Charwoche. An den dispen- sirten Tagen in der vierzigtägigen Fastenzeit ist anch Abends der Genuß von Fleischspeisen nicht verboten. Alle, welche wahrend der vierzigtagigen Fastenzeit von der Dispens Gebrauch machen, sind verpflichtet an den dispensirten Tagen drei Vater unser und drei Ave Maria zu beten oder anstatt dieses Gebetes ein ihrem Vermögen entsprechendes Almosen zu geben. Wenn Jemand einer weitern Dispens bedarf, der wende sich an seinen Beichtvater oder an seinen Pfarrer, welche zur Ertheilung derselben hiemit ermächtiget werden. Laivach, am -fesie im heil. Ägnes im Jahre des Heils l87l. üsttlivloiiiäu«, Bischof. Verlag des fürstbischöflichen Ordinariates. — Druck von Zosef Blasnik in Laibach.