"MUM ISM, X,fr>^> ?/" i?/^. 7^<.^^^^>) Me GeMckte> Kultur uns jseine Hewokneli. Resultate eigmer Forschnngm und Rwöachlmigm an Grl nnd 5ksse von Philipp van Mokern. Deutsche Original-Ausgabe.. Erster Band. ^ Der Autur behält sich die llebcrsehung diesis Wcrkes «or, ^ H e r m a n u C o st e >i o b l l, 185?. Beschmutzte, oben oder an den Seite» aufsteschnittene Exemplare, sowie solche, an denen die Heftbänder im Mindeste« verletzt sind, werde« nicht zurückgenommen. Ostindien, seine Geschichte, Cultur und seine Bewohner. Erster Band. Minnen, Heine GeMckte. chlltur unä ftine Hewokner. Resultate eigener Forschungen und Vechachtnngm au Grt und 5tck'e von Philipp van Mökern. Deutsche Original-Ausgabe. Grster Band. "^s Der Autor behält sich die Ucbersetzung diese« Werkes vor. ^- Leipzig. H c r in a n u Oostenobl e. 1857. Vorwort. In gegenwärtiger Schrift übergebe ich dem Publikum, das sich für Ostindien interessirt und eine weniger gelehrte, als anschauliche Darstellung, sowie eine unterhaltende Beschreibung dieses Landes und seiner Ereignisse wünscht, eine Arbeit, zu welcher ich die Materialien gelegentlich während eineH mehr als fünfzigjährigen Auftnthaltes in Indien gesammelt habe. Die Herren Gelehrten pflegen Geschichte über entfernte Gegenden nach „literarischen" Quellen zu schreiben, ich aber, ein Kaufmann und zeitweise Militair, habe es versucht, nicht in Büchern nach historischen Daten zu suchen, sondern an den Plätzen der Begebenheiten selbst, aus handschriftlichen Nachrichten VI und Traditionen der ältesten Europäer und Eingeborenen die Thatsachen und Materien zu sammeln und, unbekümmert um Das, was vielleicht in Europa über Ostindien in gelehrten Geschichtbüchern und Reisebeschreibungen niedergeschrieben wurde, so zu berichten, wie ich am Orte selbst erfahren habe und schriftlich oder mündlich bestätigen hörte.—- Ich dachte mir, daß es dem Publikum auch einmal von Interesse sein dürfte, eine Darstellung über Ostindien zu lesen, die ein Resultat kunstloser, ruhiger Beobachtung, ohne nationale Parteilichkeit, politische Beschönigung und gelehrte Auslegung ist, und die Ereignisse und Zustände so darstellt, wie ein unbefangener Sinn sie aus unmittelbarer Ueberlieferung empfängt und wie man in Indien die Dinge erfährt. Bei dieser Art der Beschreibung bin ich aber schon in Voraus auf zwei Vorwürfe gefaßt. — Erstens wird man mir sagen-, daß manche geschichtliche Darstellung mehr oder weniger von der historischen Obser-vanz, wie man sie in Guropa von Buch zu Buch weiterschreibt, abweiche — ich muß mir wohl gar eine Unrichtigkeit vorwerfen lassen, wo ich absichtlich so schrieb — aber ich erwidere darauf, daß ich meine Darstellung nur auf die eigene Nachforschung, wie ich von glaubwürdigen Personen und aus alten, VII zugänglichen Papieren die Thatsachen ermitteln konnte, gegründet habe und ich mich durch die Angaben europäischer Geschichtschreiber, obgleich ich recht gut weiß, wo und wie ich in einigen Stücken abweiche, nicht irre machen ließ, gerade so zu schildern, wie ich gethan und wie ich in Indien (auf dessen Festlande wie Inseln ich überall gewesen und mit dessen Bewohnern und Neberlieferungen ich in vielfachen Verkehr gekommen bin) erfahren habe. — Zweitens könnte man mir in Europa den Vorwurf machen, die Namen der Oe liter und Personen (nach europäischer, namentlich deutscher Ansicht) nicht richtig geschrieben zu haben. — Aber auch hiergegen muß ich in Voraus erklären, daß es mir paßlich erschien, alle Eigennamen so zu schreiben, wie die meisten Leute im englischen Ostindien und die Gin geborenen sie zu schreiben pflegen und wie ich sie auf alten Papieren aufgezeichnet fand. — Ich weiß ganz genau, wo und worin ich von dem Schreibgebrauche der Bücher in Europa abweiche, sowohl in indischen wie europäischen Namen; um nur ein auffälliges Beispiel anzudeuten, pflegt man in der deutschen Gelehrtenwelt die vier indischen Hauptlasten: Brahmanen, Kshatrya's, Vaisya's und Sudra's zu schreiben, während ich durchgängig, dem VIII Gebrauche im englischen Indien folgend, Brahminen, Ch atria's, Vaisy's und Sudrah's schreibe; — so schreibt man in deutschen Büchern die Personennamen-Cabral, Vasco .'c., welche ich Capral, Vasques u. s. w. geschrieben habe, weil ich in Papieren dama--liger Zeit diese Namen so geschrieben fand. Auf ähnliche Weise wird man auch manche geographische Namen von mir aus gleicher Ursache abweichend von der Art, wie man in deutschen Schriften angenommen hat, buch' stabirt finden, aber nirgend wird meine absichtlich beobachtete Orthographie das Verständniß beeinträchtigen. Uebrigens hat man auch in deutschen Büchern und auf Karten keine bestimmte Schreibweise und namentlich indische Namen so entstellt, daß man sie in Indien selbst nicht verstehen würde. Damit man die beiden ersten Kapitel nicht mit dem Vorwurfe der Oberflächlichkeit belaste, muß ich noch beVorworten, daß dieselben nicht den Zweck haben, eine gründliche Geschichte des ältesten Indiens zu geben sworüber die Fachgelehrten bereits erschöpfende Arbeiten geliefert haben), sondern nur als Einleitung dienen sollen, die den Leser auf kurzem Wege in die Geschichte des europäischen Verkehrs mit Indien einzuführen, bestimmt ist. Eigentlich war es schon m jüngeren Jahren ein IX Lieblingsgedanke von mir, eine Geschichte des ostindisch-europäischen Handels nach Quellen zu bearbeiten und zu diesem Zwecke die commerciellen und politisch-kriegerischen Thatsachen in ein ungefärbtes Licht zu stellen — diese, durch geschäftliche Störungen unterbrochene Absicht wird aber auch durch die gegenwärtige Schrift hindurchscheinen und ich habe in allen Urtheilen und Schilderungen nur das Selbstaufgefundene zur Grundlage genommen und nnt Freimüthigkeit, ohne nationale Parteistellung, durch die selbstredenden Thatsachen beleuchtet. Meine Volksschilderungen sind gewiß weniger gelehrt als treu nach der Anschauung wiedergegeben; die meisten Aufzeichnungen zu diesen Schilderungen machte ich bereits in meinen jüngeren Jahren, wo ich noch Gelegenheit fand, namentlich in dem Zeitraume von 1802 — 1820 unter den unmittelbaren Eindrücken und Folgen der letzten großen Ereignisse zu leben. Vorläufig reichen meine Mittheilungen bis in die ersten Jahre unseres neunzehnten Jahrhunderts hinein. Was seitdem in Ostindien vorfiel, hat wenig an den Grundlagen geändert, welche die politischen Tendenzen bis zum Jahre 1803 gestaltet hatten. Uebrigens habe ich aus eigener Beobachtung noch eine Schilderung der Ereignisse neuester Zeiten niedergeschrieben, und um der Freimüthigkeit des Urtheils meine persönliche Ruhe als Greis nicht zu opfern, werde ich diese Fortsetzung einst der Lesewelt übergeben, wenn meine vorliegende Schrift nicht zu ungünstig aufgenommen werden und ich entweder meine vielleicht mögliche Rückkehr nach der europäischen Heimath ausführen oder durch mein Ableben das Manuscript den Händen eines Freundes überlassen sollte. Möchte dieses Buch eine Lecture sein, die ein treues und unterhaltendes Bild vom interessantesten Boden der Erde und der auf ihm gelebt und gestrebt habenden heimischen und fremden Geschlechter veranschaulicht. M. (Ostindien) 1855. Der Verfasser. X Inhaltsverzeichnis Seite 1. Kapitel. Allgemeine Rückblicke auf den Zustand des alten In- diens, seine Rcligwnsgruudsähc, Institutionen, Künste, Wissenschaften nnd seine Literatur, sowie auf die politischen Ereignisse bis znr Befreiung von der griechischen Herrschaft nach Alexander's Tode....... 1 2. „ Die Eroberungen der Muselmänner in Hindostan bis zum Tode des Kaisers Nkbar.........29 3. „ Geschichte des ostindlschen Handels und des Verkehrs Hindostans zunächst mit den ost-curopäischm Nationen 55 4. „ Der neue Seeweg nach Indien fm die westeuropäischen Völker................7« 5. „ Die portugiesische Niederlassung in Ostindien und die Ursachen ihres Verfalles..........90 6. „ Die inneren Zustände Hindostans und der Inseln, von der Zeit Akbar'ö bis zum Verkehre mit England . . 1l0 7- „ Geschichte des englische» Verkehrs mit Indien und die Gründung der euglisch-ostindischen Handelscompagnie 13t» 8- „ Geschichte der holländisch-ostiudischcnHandelscompagnic bis zur Gründung Batauia's.........172 9- „ Der Zustand der englisch-ostindischen Kompagnie und ihr Friedens- und Freundschaftsvcttrag mit der holländischen Kompagnie im Jahre 1619.......255 ^' ., Das Blutbad von Amboiua; in der Thatsache und anf dem Acteupapicrc.............271 XU Seite 11. Kapitel. Die Entwickelung der englischen Compagnie im west- lichen Theile Indiens; die Gründung von Madias und der (Erwerb der Insel Bombay unter Carl II. im Jahre 1668...............288 12. „ Der Hindu und sein Leben.........315 13. „ Die Mahrattcn-Negieluug in Hindostan.....349 14. „ Die Muselmänner in Hindostan........385 15. „ Die Seil's, <5in Charakterbild........392 Grsw MM. Allsscmeinc Niickl'lickc auf dcn Zustand des alten Indiens, seine Ncli- Niousssnmdsätzc, Institutionen, Kiiuste, Wissenschaften nnd scinc Literatur, so wie auf die politischen ErcWnssc bis zur Befreiung von der griechischen Herrschaft nach Alexander's Tode. Werfen wir zunächst auf dm ehemaligen Zustand Hindostans unsern Rückblick, so werden wir in diesem merkwürdigen Lande den unveränderlichen Charakter seiner Bewohner, die Natur und den Geist seiner Religion, Gesetze und bürgerlichen Regierung und den Ursprung des Handelsverkehrs zwischen ihm und dcn Nationen Europa's näher zu verfolgen haben, um die Gegenwart zu verstehen. Es ist aber durchaus nothwendig, die historische Wahrheit von der Fabel zu sondern und einige der vornehmsten Thatsachen zu erläutern, und mit einander zu verknüpfen, welche in dcn mystischen Büchern der Sanskrit-Literatur oder in den zweifelhaften Erzählungen der muhamcdanischm Geschichtschreiber zerstreuet sind, um einen richtigen Begriff von dem ausgedehnten und reichhaltigen Lande zu bekommen. Das alte Kaiserreich von Hindostan umfaßte alle Lander, in welchen die ursprüngliche Religion und die Gesetze des Brahma herrschten. Es dehnte sich von dcn tibetanischen und tartanschen Van Mukcrn, Ostindien, i. 1 2 Gebirgsketten im Norden, bis an die Insel Ceylon im Süden, und von der Mündung des Ganges im Osten bis zu dem Ausflüsse des Attok im Westen aus. Dieses ausgedehnte Gebiet enthält ebenso viele Quadratmcilen, wie die größere Hälfte von Europa, die Zahl seiner Einwohner rechnete man vor 50 Jahren auf 70 Millionen. Seine Ureinwohner nannten sich Bharat Vccrsch oder Bharata, wovor sie öfter noch den Beinamen Medhiama (central) Pumabhumi sLand der Tugend) setzten. Der Name Hindostan, mit welchem die Perser denjenigen Theil des Reiches bezeichneten, der zwischen dem Indus, dem Ganges und dem 30. und 2i. Grade nördlicher Breite liegt — und der Name Deccan, mit welchem sie die große, südliche Halbinsel von Indien belegten, sind von den Persern erfunden worden und den Ureinwohnern unbekannt gewesen, obgleich sie diese Landbezeichnungen seit ihrer Unterjochung von den Muha-medanem angenommen haben. In der persischen Sprache heißt Dcccan „Süden" und Stan „Land", aber die Etymologie und Bedeutung des Wortes „Hindu" haben die gelehrtesten Forscher noch immer nicht befriedigend erklärt. Von diesem Worte haben die Griechen den Namen Indien hergeleitet, womit sie die ungeheuere Landstrecke bezeichneten, die zwischen China und Pcrsien, den Gebirgen der Tartarei und dein südlichen Ocean liegt. Auch das moderne Europa begreift unter diesem Namen alle jene verschiedenen Länder, welche innerhalb dieser ausgebreiteten Grenzen liegen, nebst Ceylon und den anderen Inseln des östlichen Archipelagus. — Wir wollen, der Kürze wegen, den Namen Indien beibehalten, obgleich er eigentlich nur dem alten Reiche, dessen Grenzen wir so eben bezeichnet haben, beigelegt werden sollte, welches wir demnach immer mit dem Namen „Hindostan" bezeichnen werden. Ob die Ureinwohner dieses Landes von Persien abstammen, ist unbekannt, glauben aber der Meinung beipflichten zu dürfen, 3 daß das Hindugcschlccht auch Hindostans Urcinwohnerschaft ist, denn dieselbe hat nicht die geringste Aehnlichkcit, weder im Aeußcrcn, noch in Lebensart und Charakter, mit dm sic umgebenden Völkern, und soweit die Geschichte reicht, haben die Hindu ihren eigenthümlichen Charakter besessen. Megasthcncs (der griechische Gesandte, welchen Sclcukus an den König der Prachi*), wovon später die Rede sein wird, geschickt hatte) beschrieb schon vor 2000 Jahren die Hindu's so treffend, daß dasselbe noch heute gelten kann. „Das feine Ebenmaß und der zarte Bau ihres Körpers, die sanfte Urbanität ihrer Sitten, der geistvolle Ausdruck ihrer Gesichtszüge und die listige Scharfstnnigkcit ihres Verstandes, ihre fromme Ehrfurcht vor der Religion, ihre Gebräuche und Gesetze, zeichnen dieses Volk vor allen anderen aus/' Da die strengen Vorschriften ihres Glaubens unter Androhung ewiger Schande für sie und ihre Familie ihnen verbietet, sich mit Personen von fremden Völkern zu verhcirathcn, so haben sie die Reinheit ihrer Abkunft unverletzt erhalten. Der nmhameda-Nische Fanatismus erschöpfte seine Wuth vergebens an ihrer unbiegsamen Standhaftigkcit, ihre Ueberwinder machten sie zwar zu Sclaven, aber konnten ihrem Geiste keine Fesseln anlegen. Weder die Hoffnung auf Lohn, noch die Furcht vor Strafen vermochten sie zu bewegen, die uralten Gebräuche ihrer Väter aufzugeben, Welche der große Stifter ihrer Religion geheiligt und ihnen deren Beobachtung zur Pflicht gemacht hatte. Das Beispiel ihrer wollüstigen Uebcrwindcr konnte ihre Grundsätze nicht verderben, die Unterdrückung, uutcr deren unversöhnlicher Tyrannei sie schmachteten, konnte ihre Entschlossenheit nicht beugen. Nachdem das ") Prachi ist der alte Name für denjenigen Theil Hindostaus, welcher gegenwärtig Vcngalcn, Vahav und Oude enthält. Megasthcncs lebte lange in Baliftutta, dcr Hauptstadt dieses alten Reiches. Sci» Tagebuch fiel in Arrian's Hände, dcr dessen Inhalt in seiner Geschichte Indiens aufbewahrt und mitgetheilt hat. 4 Hindugeschlecht viele harte Verfolgungen, jahrelange Fesseln erduldet hat, ist es dennoch dasselbe geblieben und befolgt dasselbe gemischte System von Theologie und Jurisprudenz, welches es, schon lange vor dem Eindringen europäischer Voller, aus der Barbarei hervorgezogen und zu einem gesitteten Volke gemacht hatte. In welcher weltgeschichtlichen Periode dieses System seine Entstehung genommen hat, ist schwer zu entscheiden; ihre eigenen Nachrichten darüber sind unzuverlässige, mysteriöse Traditionen, aber nach genauerer Untersuchung scheint es uns annehmbar zu sein, daß die Institutionen von Menu, welche ein Compendium der religiösen und bürgerlichen Pflichten der Hindu's enthalten, ungefähr 880 Jahre vor der christlichen Zeitrechnung geschrieben worden sind, daß die Veda's, welche die heiligen Schriften der Hindu's enthalten, ungefähr 30t) Jahre vor jenen Institutionen verfaßt worden sind, und daß die alten Weisen von Hmdostan die in den Veda's enthaltenen Lehren viele Jahrhunderte vorher gepredigt haben, ehe sie niedergeschrieben worden sind. So halten wir es auch für erwiesen, daß ein so wunderbar zusammengesetztes System, welches seine despotische Macht so consequent über seine Anhänger ausübt, nur durch vereinigte Weisheit von Jahrhunderten entstehen konnte. Wahrscheinlich sind seine religiösen Grundsätze ursprünglich von einem großen Gesetzgeber beim ersten Erwachen des Wissens und der Kunst in Indien eingeführt worden, aber die bürgerlichen Institutionen, welche auf diese Grundsätze geimpft wurden, konnten nur durch die Macht der Umstände entstanden und durch die Macht der Zeit vervollständigt sein. Die wahren, ursprünglichen Grundsätze dieser Religion enthalten die erhabensten Begriffe, obgleich ihre kirchlichen Gebräuche durch Aberglauben und Abgötterei verunstaltet sind. Diese Grundsätze lehren, daß das Weltall von einein höchsten und weisen Wesen regiert wird, dessen göttliche Substanz die ganze Natur bclcbt, den leuchtenden Himmelskörpern ihre Bahnen vorschreibt, und Allem, was lebendig ist, Leben giebt; daß die Seele nach dem Tode zu ihrem unsterblichen Schöpfer emporsteigt und der Körper zum Staube zurückkehrt; daß Derjenige, welcher sich durch fromme und wohlthätige Handlungen in diesem Leben auszeichnet, Unsterblichkeit und ewiges Glück erlangt, hingegen Derjenige, welcher die Reinheit seiner Seele befleckt hat, eine Zeit lang bei den bösen Geistern, die in ewiger Finsterniß wohnen, sich aufhalten muß und, nachdem er die, seiner Sünde angemessene Strafe erlitten hat, seine Seele auf die Erde zurückgesandt wird, um den Leib irgend eines Thieres zu bewohnen. — Die alten hindostanifchm Philosophen hingen dieser Lehre sehr strenge an, die auch daS Glaubcnsbekenntniß der gelehrten Brahminen neuerer Zeit bildet. Aber Pricsterlist und Unwissenheit haben eine Menge Ungereimtheiten in den Glauben des gemeinen VolkcS eingemischt. Die Hindu'S jeder Klasse und Völkerschaft glauben jedoch unbedingt an einen unsichtbaren Gott, der Alles regiert, an Unsterblichkeit des menschlichen Geistes, einen Zustand künftiger Belohnung und Strafe, an eine Wanderung der Seele durch verschiedene Körper je nach dein Grade der Schuld oder Unschuld. In den Veda's wird nur ein Gott anerkannt, welcher Brahma oder der „große Gott" genannt und als ein untörpcrlichcs Wesen bezeichnet wird, unerforschlich ist und deßhalb nur unter symbolischer Darstellung seiner göttlichen Eigenschaften angebetet werden kann. Die dreifache Gottheit von Wischnu, Brahma (Krischna) und Shceva (Siwa), welche durch das gehcimnißvolle Wort Om bezeichnet wirb, soll Sinnbilder der erschaffenden, erhaltenden und zerstörenden Macht darstellen; die Veda's befehlen, daß man den Allmächtigen unter diesen Sinnbildern anbeten soll oder eigentlich nur allein dürfe. Aus dieser Quelle ist der indische Polytheismus entstanden, der auf die Furchtsamkeit des befangenen Volkes wirkte; hieraus entspringt, verbunden mit dem poetischen Schwünge der 5 Phantasie, das ganze Gewebe ungereimter Fabeln, deren Sinn zu erforschen schon viele Gelehrte bemühet gewesen sind. Die indische Götterlehre hat in verschiedenen ihrer Theile eine so auffallende Aehnlichkeit mit der griechischen und römischen Mythologie, die wir so gern bewundern, daß es uns mehr als wahrscheinlich erscheint, daß auch diese aus ähnlicher Quelle entsprungen ist. Die nämlichen Götter, von denen wir in Homer's Schriften uns angezogen fühlen, können wir auch unter den Götzenbildern des indischen Aberglaubens finden. Die Hindu's sind seit undenklichen Zeiten in vier Haupt-klasscn, deren jede ihre eigenen Freiheiten, Privilegien und Gesetze hat, eingetheilt; keine darf in die andere heirathm oder irgend Verbindung und Umgang mit der andern haben, außer daß sie Mitglieder einer Nation und eines Glaubens sind. Diese Klassen sind die Brahminen, die Chatria, die Vaisy's und die Sudrah's. — Dic Pflichten der Vrahminen, welche den geistlichen Stand und höchsten Nang darstellen, sind: den Gottesdienst zu besorgen, die Gesetze zu erklären, dem Volke Weisheit zu lehren; die Chatria haben die Verwaltung der Gcrechtigkcitsftstege, nebst Besorgung aller bürgerlichen und kriegerischen Angelegenheiten des Staates, und aus ihrer Klasse werden alle Könige und Fürsten genommen. Die Beschäftigungen der Vaisy's sind Ackerbau und Handel, auf die Sudrah's fallen alle niederen Beschäftigungen des gemeinen Lebens. Außer diesen vier großen Haufttkastcn besteht noch eine fünfte, die der Vurrun-Schunker's, welche alle Handwerker umschließt und wieder in so viele abgesonderte Kasten zerfällt (Zünfte), als es Gewerbe und Handwerke giebt. Endlich giebt es noch eine Klasse, welche Chandala's, gemeinhin Pariah's heißt und worin alle gesetzt werden, welche wegen Vergehen oder Verbrechen gegen Sitten und Gebräuche von ihrer ursprünglichen Kaste ausgeschlossen sind. Ihre Nachkommen gehören dann gleichfalls derselben an. 6 Es ist in dm Veda's ganz bestimmt erklärt, baß diese Eintheilung der menschlichen Gesellschaft bei der Erschaffung der Welt von Gott selbst eingeführt und anbefohlen worden sei und jede Verletzung ihrer ursprünglichen Grundsätze durch das schrecklichste Elend in diesem Leben und die furchtbarste»: Strafen nach dein Tode geahndet werden soll; die Brahmincn sind angewiesen, diese Vorschriften dem Volke einzuprägen und ihm durch alle Mittel, die seinen Eigennutz in Anspruch nehmen oder seine Furcht erwecken können, Ehrfurcht für sie einzuflößen. Die Ueberzeugung der Wahrheit und Gerechtigkeit dieser Verordnungen ist in ganz Indien so vollkommen verbreitet, daß man selbst unter den jetzigen Hindu's, die doch schon mehr oder weniger durch europäischen Einfluß von der strengen Tugend ihrer Vorfahren abgewichen sind, wenige Beispiele einer beträchtlichen Verletzung dieser heiligen Vor-schuften erfährt. Verschiedene Schriftsteller haben den Irrthum verbreitet, daß das gegenwärtige Hindugeschlecht die strengen Verordnungen, durch welche ursprünglich die verschiedenen Kasten gebunden und gesondert worden sind, ziemlich oder gänzlich aufgegeben habe, weil man heutigen Tages sogar Brahmincn in Kriegs- nnd Handels-bcbienungen antrifft. Das Gesetzbuch dcr Hindu's hat aber für solche Fälle gesorgt, denn wenn unglückliche Zeitverhältnissc es den verschiedenen Kasten unmöglich machen, die ihnen angewiesenen Beschäftigungen Zu betreiben, so ist verordnet: „daß, wenn ein Brahmine durch Ausübung dcr ihm angewiesenen Beschäftigungen seinen Lebensunterhalt nicht erwerben könne, er sich denselben durch Betreibung der den Chatria's angewiesenen Geschäfte verdienen solle, und wenn er sich auch durch diese nichts erwerben könne, er die Arbeiten bcr Vaisy's ergreifen dürfe, denen wiederum die der Sudrah's erlaubt sind." — Die Erhebung dcr Priestcrschaft über alle anderen Klassen der Gesellschaft hat sehr dazu beigetragen, das System dcr brahminischcn Religion angesehen und dauerhaft 7 8 zu machen, indem es sie in den Stand setzte, die Vorurthcile des Volkes zu unterhalten, ohne seine Leidenschaften zu entzünden. Die Religion hat immer einen mächtigen Einfluß aus den menschlichen Geist; auch haben die alten Gesetzgeber von Hindostan diesen Einfluß mit gründlichem Erfolge benutzt, um ihren Lehren Eingang und Dauer zu verschaffen. In dieser Absicht wurde die Theologie nicht nur mit dein ganzen Coder der Civil- und Crimi-nalgcsctzc verwebt, sondern auch selbst auf die allgemeinen Gewohnheiten des Lebens angewendet; die einfachsten Handlungen werden nach diesem Maßstabe beurtheilt, genehmigt und verworfen und, um den Einfluß der Religion zu verewigen, wurden ihre Lehren und Verordnungen in einer Sprache abgefaßt, die zu erlernen den anderen Volksklasscn bei schwerer Strafe verboten war. Ihre Priester waren mit beinahe göttlichen Vorrechten begabt, ihr Amt war erblich. Und doch hat dieser außerordentliche Vorrang und die ausgedehnte Macht der brahminischm Hierarchie derselben nicht den geringsten Anschein eingebildeter Pedanterie und unduldsamen Stolzes eingeflößt, den geistliche Herrschaft so leicht und oft hervorbringt; die Vrahmincn verdienen die Auszeichnung, welche sie besitzen, ebenso sehr durch ihre Bescheidenheit und ihre Sanftmuth, womit sie ihre theologischen Grundsätze vertheidigen, als auch durch ihre beispiellose Festigkeit und Standhaftigkeit, mit welcher sie von jeher an ihrem Glauben gehangen haben. Ihre heiligen Schriften untersagen ihnen auf das Bestimmteste, Prose-lytcn zu machen, und ermähnen sie mit höherer Bcredtsamkcit, gegen Fremde und Freunde „zuvorkommend und gastfrei zu sein, und die verschiedenen Formen, unter denen der Ewige von den Völkern der Erde angebetet wird, mit Ehrfurcht zu betrachten." Im alten Reiche von Hindostan waren alle Religionen tolcrirt, und auch die modernen Hindu's handeln diesen edlen Grundsätzen gemäß. In Poonah, der Hauptstadt der Mahrattm, wo in den letzten Icitm die Brahminm regierten, befinden sich mehrere Moscheen und cine christliche Kirche. Die Gesetze der Hindu's sind mit ihrer Religion auf das Innigste verwebt. Sie glauben, daß durch Menu, den Sohn Brahma's, dieselben verfaßt seien und Gott sie genehmigt habe. Die genaue Befolgung derselben gilt daher für eine Ncligions-pslicht, ihre Ucbcrtrctung für Gotteslästerung; keine menschliche Macht kann sie verändern, noch weniger aufheben. Und wenn die weisesten Vrahmmm ein neues Gesetz nothwendig finden, so ist ihnen strenge befohlen, es mit der gewissenhaftesten Behutsamkeit zu entwerfen und zu prüfen. Obgleich diese Gesetze nicht nach den allgemeinen Grundsätzen der Billigkeit verfaßt sind, so sind sie doch dem eigenthümlichen Genius des Volkes, für das sie gemacht worden sind, vortrefflich angemessen. Um diese künstliche Eintheilung der menschlichen Gesellschaft in Kraft zu erhalten, war es den hindostanischen Gesetzgebern unumgänglich nöthig, jeder Klasse ihre eigenen und angemessenen Vorrechte zu ertheilen, mußten deßhalb auch in ihrem Criminal-coder eine große Verschiedenheit von Strafen für das nämliche Verbrechen anführen, je nach Nang und Lage des Verbrechers; dasselbe Verbrechen, welches ein Sudrah mit dem Leben bezahlen muß, wird am Brahmincn mit einer leichten Geldstrafe gesühnt, und doch beklagt sich das Volk nicht über diese Ungleichheit des Gesetzes, obgleich ein armer leidender Sudrah vielleicht still wünschen mag, in einer höheren Kaste geboren zu sein. Die Verordnungen über das Eigenthum und die Ehe, welche die Bande der gesellschaftlichen Eintracht und bürgerlichen Ordnung sind, werden durch die Hindugcsctzc streng bewacht. Alle Persönlichen Ncchte sind mit der größten Deutlichkeit und Genauigkeit bestimmt, und die allgemeine Sicherheit hat viele schützende Maßregeln. Die Ehe wird als unerläßliche Pflicht jedem Manne anbefohlen, den Eltern ist deßhalb auferlegt, ihre Kinder zu dieser 9 Pflicht anzuhalten und sie in früher Jugend und vor der Mannbarkeit zu verloben. — Vielweiberei ist gestattet, die Sitten aber verbessern diesen Fehler des Gesetzes, denn äußerst selten wird von dieser Erlaubniß Gebrauch gemacht. Die unbczweifelte Keuschheit der Braut ist eine unbedingt nothwendige Eigenschaft zur Ehe, und eheliche Untreue wird in gewissen Kasten an dem Weibe mit dem Tode, in anderen mit den härtesten Strafen geahndet. Beständigkeit ist dem Ehemanne streng anbefohlen, jedoch für eine Verletzung der Ehe seinerseits keine Strafe festgesetzt, ausgenommen wenn er den Ehebruch mit einem Weibe aus höherer Kaste begangen hat, worauf der Tod steht. Alle Ehemänner sind jedoch durch ein starkes Band gebunden, ihre Ehe rein zu erhalten, weil die Kinder der Ehebrecher von Geburt an mit unauslöschlicher Schande gcbrandmarkt sind. Die Gesinnungen des Volkes stimmen in allen diesen Dingen mit den Gesehen überein. Die strengen Begriffe von weiblicher Keuschheit haben die außerordentliche und schreckliche Gewohnheit hervorgebracht, daß sich die Weiber mit ihren verstorbenen Ehemännern verbrennen lassen, ein Gebrauch, der allen Europäern, die dieser fürchterlichen Feierlichkeit beigewohnt haben, Erstaunen, Grauen und Entsetzen verursacht und viele Anstrengungen gemacht hat, mit europäischer Cultur dagegen einzuwirken, denn das Gesetz befiehlt diesen barbarischen Gebrauch nicht, es empfiehlt ihn nur; seine Ausführung wird deßhalb als eine Neligionsftfticht und ein unumstößlicher Beweis der höchsten weiblichen Tugend betrachtet. Dieser Gebrauch hat daher zu allen Zeiten mehr oder weniger unter den Höhcrm Klassen geherrscht, und ungeachtet der höchsten Mißbilligung der britischen Negierung herrscht er hin und wieder noch m einigen Theilen von Hindustan. Die Gesetze bestimmen und schützen alles Eigenthum durch die Erbrechte, welche mit größter Genauigkeit und Klarheit verfaßt und mit der bindendsten Kraft angeordnet sind. Kein Mann hat 10 11 das Recht, scine Güter, worin sie auch bestehen mögen, zu veräußern oder auch nur eine parteiische Theilung zu Gunsten irgend eines Kindes vorzunehmen; er muß sein Vermögen zu gleichen Theilen unter seine Kinder vertheilen und, wo diese sehlcn, unter die nächstm Verwandten nach gesetzlichen Verhältnissen. Ausgenommen sind jedoch alle Effecten, die er sich im Kriege oder durch seinen Fleiß erworben hat, oder die ihm durch Vcrmächtniß zugefallen sind. Diese Güter kann der Besitzer hinterlassen, wem er will. Söhne können ihr Erbthcil vom väterlichen Vermögen schon bei Lebzeiten ihres Vaters von ihm fordern, und dieser darf es ihnen unter keinem Vorwandc verweigern, wenn er nicht scine Ehre und seine Kaste verlieren will. Alles dein Weibe angehörigc Vermögen ist ebenfalls gesetzlich bestimmt und geordnet; daS Geld und die Kleinodien, die cm Weib von Eltern oder Ehemann empfangen hat, gehören crbrcchtlich nach ihrem Tode ihren unver-heirathctcn Töchtern und, wo diese fehlen, den Söhnen, gleichviel, ob sie verheirathct sind oder nicht. Alles Grundcigenthum wurde unter der alten hindostanischen Monarchie vom Monarchen, da man ihn den Besitzer des Bodens und Herrn der Welt nannte, als Lehn cinftfangm. Der prachtvolle, aber leere Titel war aber nur äußere Iicrrath, womit thörichte Eitelkeit orientalischer Phantasie das Monarchmthum behängt und überladet. Die Hindufürstcn waren nur nominelle Besitzer des Bodens, und die Landstückc, welche sie unter ihre Unterthanen vertheilten, wurden diesen factisch ohne Vorbehalt zum ewigen Eigenthum übergeben. Die Landcigcnthümcr warm die wirklichen Besitzer des Bodens, den sie bcbauctcn. Um allen Verordnungen die gehörige Kraft zu geben, waren im ganzen Reiche Gerichtshöfe errichtet, vor welchen alle Rechtshändel und gerichtlichen Verfahren mit der größten Regelmäßigkeit und Ordnung geführt wurden; alle Zeugen beider Parteien verhörte man mit der strengsten Aufmerksamkeit; man konnte sich der Rechts- 12 anwälte bedienen, und die Richter sprachen nie ein Urtheil, bevor sie nicht einen gelehrten Vrahmincn um Rath befragt hatten, der zu diesem Zwecke allen Civil- und Criminalprozessen beiwohnen mußte. Die Regierung der alten hindostanischen Staaten war, obgleich unbeschränkte Monarchie, doch durch die Gesetze in der Ausübung ihrer Gewalt in gerechten Grenzen gehalten; die Hindufürsten waren durch ihre Religion zum Gehorsam dieser Gesetze gezwungen. Unter der unmittelbaren Aufsicht einer Religion stehend, deren Priester nicht nur einer höheren Klasse der Gesellschaft, als sie selbst geboren warm, angehörten, sondern weit größere Vorrechte als die Fürsten selbst besaßen, wurden diese in ihrem Ehrgeize beschränkt; überhaupt scheinen Mäßigung und Sanftmuth die Haufttzüge ihres Charakters gewesen zu sein. Es giebt zwar Ausnahmen, sowohl in älterer als neuerer Geschichte, und Sir William I ones sagt darüber: „Die Fürsten Hindostans besaßen niemals eine unumschränkte, gesetzgebende Gewalt, machten auch nie Anspruch darauf, denn sie befanden sich unter der Oberaufsicht von Gesetzen, von deren Gewalt sie sich nie loszumachen suchten." — Indessen hatten die Hindu's auch nicht den entferntesten Begriff von politischer Freiheit, denn die stolzen Gefühle und edlen Gesinnungen, aus welchen diese entspringt, erwärmten und bewegten niemals ihre kalten und ruhig schlagenden Herzen. Der Einfluß des Klima's, vereinigt mit dem Despotismus der Priesterschaft und des Aberglaubens, machten ihre Seelen unfähig, die männlichen Tugenden zu besitzen, die ein freies Volk erheben und begeistern. Obgleich ihre Kenntniß der Künste der Literatur und Wissenschaft sie zu einem sinnreichen, geschickten, sittlichen und fleißigen Volke gemacht hatte, so konnten diese Eigenschaften ihnen doch nicht den Geist der Unabhängigkeit und Freiheit einflößen, ohne dessen Gegenwart der Handel nie verfehlt, alle selbstsüchtigen Leidenschaften in die Verhältnisse einzuweben, um Reichthümer aufzuhäufen und dem handeltreibenden Volke die bildende und aufklarende Wohlthat des Verkehrs im Großen nicht theilhaftig werden zu lassen. Die Vervollkommnung des Handels erhielt und pflegte deßhalb nur die Verschlagenheit und Betrügerei, welche die Hindu's in allen ihren merkantilischcn Geschäften zeigen. Auch die Literatur der Brahmincn, obgleich sie ihr Vaterland mit vielen herrlichen Werken bereicherte, trug mit dazu bei, die Ketten des Aberglaubens fester zu schließen, welche ursprünglich geschmiedet worden waren, um daS Volk in einer völligen Ungewißheit aller Meinungen und Grundsatze zu erhalten, welche den Menschen lehren, das Glück der Freiheit zu schätzen und zu genießen. Aber weder ihre Religion noch Philosophie hatten sie gelehrt, wie ungerecht es sei, mit Mitbrüdcm, wie mit Vieh, Handel zu treiben, und viele Millionen ihrer Landslcute der schändlichsten Knechtschaft zu unterwerfen. Sclavcrci war durch ihre Gesetze erlaubt und gebilligt, und das Kaufen, Verkaufen und Entweichen der Sclaven war durch besondere Anordnungen und Gesetze geleitet. Diese unglückliche Mcnschcnklasse machte unter ihnen keine abgesonderte Abtheilung der menschlichen Gesellschaft aus, sondern war ohne Unterschied aus allen Klassen, außer dm Brahminen, genommen und als ein nothwendiger Theil des Haushaltes jedes Mannes betrachtet, der sie kaufen und ernähren konnte. In den Hofhaltungen der Fürsten und Vornehmen wurden alle Kriegsgefangenen zu Sclaven gemacht. Unter gewissen Umständen können auch die größten Uebel bisweilen in Wohlthaten verwandelt werden; so wurden auch die Hindusclaven in Kriegszeitm dem Staate nützlich, indem man durch sie in gefahrvollen Zeiten oder nach großen Niederlagen die Armee sehr geschwind wieder vollzählig machte, und man sie gebrauchte, die Lücken zu füllen, denn die militairischen Anstalten des Reichs waren nicht so systematisch geordnet, wie die bürger- 13 14 lichen Institutionen. Die Hindu's waren zwar mit Recht in der asiatischen Geschichte wegen ihres Muthes und ihrer Standhaft tigkeit berühmt, doch sind sie von jeher mehr ein friedliebendes, als kriegerisches Volk gewesen. Die Kriegskunst war eine von denen, die sie vernachlässigten, und ihre von der Geschichte aufbewahrten Siege waren mehr durch Muth als ihre militairische Einsicht errungen. Ihre Grfmdungskunst hatte sie jedoch einige verderbliche Waffen erfinden lassen, die, wie es scheint, selbst die muthvollcn und geübten Krieger Griechenlands überraschten; sie haben thatsächlich das Schießftulvcr und das Fcuergcwehr viele Jahrhunderte vor Alexander's Ginfall in ihr Land gekannt und gegen ihn gebraucht. Ihre befestigten Städte wurden durch hölzerne und eiserne Kanonen vertheidigt, die freilich grob und schlecht verfertigt waren; die Raketen, welche man heutiges Tages anwendet, waren die nämlichen Wurfwerkzcugc, welche den Muth der macedonischcn Phalanr an den Ufern des Hyphastis erschütterten, und die Philostratus „den Donner und Blitz der Götter" nennt. Bceschoo Kerma, ein berühmter Hinbukünstler, hat, wie man glaubt, die Schießgewehre erfunden. Das alte Hindostan verdient besonders deswegen unsere Aufmerksamkeit, weil es der ruhige Sitz der Literatur und des Handels war, dem Europa viele seiner Kenntnisse und Verfeinerungen verdankt. Die Weisheit des Orients wird selbst in der heiligen Schrift gerühmt und seine Reichthümer scheinen zu allen Zeiten den Neid und die Habsucht der westlichen Völker erregt zu haben. Seine kostbaren Waaren und Productc wurden auf den Jahrmärkten von Babylon und Tyr mit dem größten Eifer gesucht und gekauft. Unter den schwelgerischen Volksinengen, welche diesen berühmten Märkten zuströmten, fanden die verschiedenen Erzeugnisse des Hmduflcißcs und besonders die zierlichen Producte ihrer Wcb-stühlc einen geschwinden und gcwinmcichm Absatz. Mit Hülfe des Kameels, diesem Schiff der Wüste, wie die Araber sagen, 15 waren die Perser im Stande, mit den nördlichen Provinzen Hin-dostans einen regelmäßigen und ausgebreiteten Handel zu treiben. Der Unternehmungsgeist, welcher den Enverbflciß der Phönicier belebte, eröffnete zuerst die Schifffahrt zwischen dem rothen Meere und den Küsten von Guzerat und Malabar. Durch diese Kanäle flössen die Reichthümer des Orients nach Egypten und Griechenland aus den nämlichen unerschöpflichen Quellen, welche noch gegenwärtig den ungeheueren Handelszweig unterhalten und beleben, der Reichthum und Lurus über das moderne Europa verbreitet. Auf diesem Wege erlangten die Egyptier und Griechen die Kenntniß aller der merkwürdigen und verfeinerten Künste, in denen die Hindu's unübertrefflich sind; ohne die Frage zu erörtern, ob Egypten oder Hindostan die ersten Schritte zur Verfeinerung gemacht haben, kann man doch als eine unbl-zweifelte Thatsache annehmen, daß beide Voller gegenseitigen Nutzen und Hülfe von dein Handelsverkehre gezogen haben und dadurch früh eine höhere Verfeinerung erreichten. Diese Wahrheit wird genugsam sowohl durch die sagenvollen Gedichte bewiesen, welche in der Sanskritsprache aufbewahrt sind, als durch die auffällige Achn-lichkeit, die zwischen vielen egyptischm und hindostanischcn Gebräuchen stattfindet, und der ebenso merkwürdigen Aehnlichkeit ihrer mythologischen Systeme. Welchen Nutzen der literarische Genius von Athen durch diesen Kanal von der brahminischm Literatur gezogen hat, ist schwer zu entscheiden, es ist aber keinem Zweifel unterworfen, daß die Grundsätze der Pythagoräischen Schule und die Sittcnlchrc des Aristoteles an den Ufern des Ganges mit frommem Eifer gelehrt wurden, als der klassische Boden Attika's noch von den pe-lasgischcn Horden bewohnt war. In dieser Zeitpmodc hatten die Vrahminen schon große Fortschritte in den astronomischen Wissenschaften gemacht, und ihre Licblingsstudien, Metaphysik und Logik, wurden öffentlich in den philosophischen Schulen von Hindostan 16 gelehrt. In dcr Einfachheit und Vollkommenheit ihrer arithmetischen Operationen übertrafen sie die ganze Welt; die numerischen Zahlen, welche gegenwärtig in ganz Europa gebraucht werden, sind von ihnen erfunden, denn es ist nachgewiesen, daß die Araber die Nechncnkunst von den Hindu's bekamen und nachher weiter gegen Europa hin verbreiteten. In der Geometrie warm sie ebenso geschickt, obgleich sie dieselbe nicht, wie wir, auf die Bedürfnisse des Lebens anwendeten, denn ihre Unwissenheit in der Mechanik beweiset dieses deutlich. Mit der physiologischen Naturwisscnschast waren sie sehr wenig bekannt; in der Heilung der Krankheiten hatten sie, wie noch die heutigen Hindu's, nur die nackte Empirie, die ihren einzigen Wegweiser in dcr Erfahrung hat; in Fallen, wo wundärztliche Hülfe erfordert wurde, vcrtrauetcn sie dcr Natur und der Zeit. Ungeachtet ihrer ausgebreiteten Kenntnisse von den Himmelskörpern und ihrer Geschicklichkcit, womit sie Sonncn-und Mondfinsternisse berechneten, waren ihre allgemeinen Begriffe dcr Geographie sehr verworren und ungereimt. In der Schifffahrt und den damit verwandten Kenntnissen wie Fertigkeiten waren sie ebenso unwissend. Waren auch die Kenntnisse dcr Hindu's in einigen ernsten Wissenschaften unbedeutend, so beweisen doch ihre zahlreichen und oft erhabenen Kunstprodmtionm dcr ästhetischen Wissmschaften wenn auch nicht Zierlichkeit, doch Pracht. — Dcr unermeßliche Umfang und Reichthum ihrer Einbildungskraft setzte sie in den Stand, ihre Gefühle bald in Form der Poesie, bald in wohlklingende und abgemessene Ausdrücke dcr Vcrcdtsamkcit einzukleiden, obgleich ihrcn Werken die Höhcrc Schönheit der Grazien fehlt, welche wir an klassischen Dichterwerken bewundern. Dcr Anstrich schwärmerischer Frömmigkeit, der durch die ganze Hinduliteratur bemerkbar ist, und nm zu oft ihre besten Schriftsteller zu einer Reihe dcr seltsamsten Vilbcr verleitet hat, trug viel dazu bei, ihre Bcurtheilungskraft zu schwächen und sie alles kritischen Geschmackes 17 zu berauben, denn selbst in dm sorgfältigst ausgearbeiteten, sanskritischen Werken findet man nichts von der züchtigen und harmonischen Ordnung, welche Philologie und Kritik veranlassen und welche der allgemeine Geschmack der westlichen Culturvölkcr für He literarifchen Werke, die auf Geist und Schönheit Anspruch machen, als nothwendig erkennt. Die Brahminm haben freilich die grammatikalische Construction ihrer reichen und kcnchaftcn Sprache nicht vernachlässigt, deren verschiedene Dialekte sie durch eine vollständige und scharfsinnige Syntax geordnet und verfeinert haben, wie auch durch eine Prosodic, welche fast alle Sylbenmaßc der griechischen Sprache enthält. Non dieser ursprünglichen sanskritischen Sprache stammen alle verschiedenen Mundarten Indiens ab und sie wird gegenwärtig nur uoch von einigen gelehrten Pun-bitcn (Doctorcn der Wissenschaft und Ausleger der Gesetze) gesprochen und verstanden, auch wurden alle gelehrten Werke der Brahmincn darin geschrieben. Kraft und Melodie dieser herrlichen Sprache haben die Hindu-Poeten befähigt, Heldengedichte im lyrischen Sylbcnmaße zu dichten, die sowohl den Geist mit Heldm-cifcr erwärmen, als das Herz durch Zärtlichkeit der Liebe schmelzen. Deßhalb ist auch ihre dramatische Poesie voll der lebhaftesten und rührendsten Stellen, obgleich dann und wann mit prächtigen Zicr-rathm zu sehr überladen, auch im Allgemeinen mit Verstößen gegen die schöne Form durchwcbt. Indessen dürfen wir diese Werke nicht nach unserem Maßstabe dramatischer Vollendung beurtheilen, uns erscheinen sie denn nur als langweilige Dialoge, aus denen hier und dort geniale Funken hervorschimmern, die aber im Allgemeinen weitschweifig und ohne frappante Kraft sind, da ihnen Einheit der Zeit und Handlung oft gänzlich mangelt. Das Drama von Sakontala, welches in europäische Sprachen überseht wurde, enthält zwar viele Scenen, die eine Einfachheit und Verfeinerung besitzen, welche man selten in den Werke,: asiatischer Schriftsteller antrifft; dieses Werk bietet das treucste Wan M l! kcrn, Ostindien I. 2 18 Gemälde der Gesinnungen, Eitlen, Gebräuche und verfeinerten Unterhaltungen der alten Hindu's dar; dasselbe ist von Calidas geschrieben worden, dem berühmtesten aller dramatischen Hindu-schriftstcllcr, und Sakontala gilt für baS beste seiner zahlreichen Werke. Theatralische Vorstellungen waren von jeher eine der Lieblingsvcrgnügungcn der Hindu's; sie wurden auf Kosten dcS Monarchen unterhalten und durch dcn Beifall deS Volkes aufgemuntert, und wenn auch ihre Schauspiele keinen hohen Grad der Vollkommenheit erlangten, so ist dies eher einem Mangel an Geschmack, denn an Talent zuzuschreiben. Es fehlte ihnen auch nicht an Hülfe seitens der vcrschwistertm Künste, der Musik, Malerei, denn ihre Theater waren mit prächtigen Dccorationcn verziert und mit einem Orchester versehen. Die Malerei hat zwar nie eine höhere Vollkommenheit in Hindostan erreicht, die Künstler hatten keinen Begriff von Perspective, verstanden auch nicht, ihre Gemälde durch Licht und Schatten zu beleben. In der Musik hatten die Hindu'S größere Fortschritte gemacht; sie scheinen dieselbe mit einem Eifer betrieben zu haben, der ihrm Gefühlen und Stimmungen angemessen war. Viele ihrer berühmtesten Schriftsteller habeil sinnreiche theoretische Abhandlungen über die Harmonie der Töne geschrieben, und wenn auch ihre Bekanntschaft mit dm Elementen der Musik schr unvollständig war, so beweiset doch die Wärme, womit sic sich darüber ausließcn, daß, wenn ihnen die Kenntniß der Erläuterung fehlte, sie wenigstens Empfindsamkeit genug besaßen, den Zauber der Harmonie zu fühlen. Wenn wir aber nach den musikalischen Stücken, welche von ihnen noch vorhanden sind, urtheilen sollen, Stücke, von denen die Punditen sagen, daß sie Produetc ihrer ausgezeichnetsten Tonkünstlcr seien, so hatte die Ausführung der Musik nur schr geringe Fortschritte gemacht, sowohl in Geschmack, als in Gcschicklichkcit bei Hcrvorbrmgung musikalischer Töne. — Auch die modernen Hindu's haben darin ihren Geschmack nicht 19 verbessert, denn obgleich sie Gefühle für Harmonie haben, und ihre Lieder und Gesänge für sie selbst angenehm sein mögen, so sind sie doch für unser europäisches Ohr wirklich so unharmonisch, hart und unangenehm klingend, dasi man sie kaum für Musik halten dürfte. Architektur und Bildhauerei erhoben sich, da man sich ihrer zu religiösen Zwecken bediente, zu einem viel höheren Grade der Vollkommenheit, als alle anderen bildenden Künste. Das ganze Neich war überall mit Prachtvollen Pagoden (Tempeln) geziert, welche zu Ehren Brahma's erbauet und dein öffentlichen Gottesdienste gewidmet waren. Um Gottesfurcht im Volke zu wecken und zu nähren, waren und sind noch jetzt die Mauern dieser heiligen Gebäude mit Abbildungen von Göttern, mit hicroglyphischm Sinnbildern von heiligen Gegenstanden, sowie Vorstellungen geschichtlicher Begebenheiten von Vildhauerhand geschmückt. Viele dieser Tempel nebst öffentlichen Gebäuden sind noch vorhanden, der Styl hat eine große Achnlichkcit mit der altgothischcn Bauart. Der größte von allen noch vorhandenen alten Tempeln ist die Pagode von Iagernaut auf der Küste von Orissa, ungefähr 400 Meilen nördlich von der britischen Niederlassung von Gan-jam. Nach diesem berühmten Heiligthumc machen Hindu's von allen Kasten und von aUen Gegenden Indiens jährliche Pilgerfahrten, innerhalb dieser heiligen Hallen wird die vollkommenste Gleichheit beobachtet, hier legen die verschiedenen Sectm und Kasten der brahminischen Religion ihre Auszeichnungen und Vorrechte ab, essen und trinken mit einander ohne Unterschied und bringen dem einzig wahren Gottc, dem dieser Tempel gewidmet ist, Dank und Gebet dar. Diese Pagode zeichnet sich jedoch weniger durch ihre Bauart, als andere minder berühmte Tempel aus, die oft das Auge durch Kühnheit ihrer Zeichnung befriedigen, aber auch oft durch Ueberladung mit Zicrrathen verletzen; die Inschriften, welche sich auf den Mauern einiger dieser alten Gebäude vor- 20 finden, sind dem gegenwärtigen Brahminengeschlcchtc ganz unverständlich, nur wenige davon sind bis jetzt auf eine befriedigende Art entziffert worden, namentlich durch den Fleiß unserer gelehrtesten europäischen Sanskrit-Sprachforscher; man glaubt in Indien selbst, daß sie sich auf außerordentliche Begebenheiten der Geschichte beziehen, und erregen dadurch ein Interesse, das sie sonst vielleicht wenig verdienen möchten. Die Geschichte ist derjenige Zweig der Literatur, den die Hindu's ganz vernachlässigt haben, wir können nur in ihren Heldengedichten und moralischen Sagen geschichtliche Thatsachen finden, denn es fehlt uns die Gewißheit, ob sie jemals eine regelmäßige Erzählung geschichtlicher Begebenheiten, viel weniger urkundliche Annalen ihres Landes besessen haben; chronologische Facta können deßhalb auch nur in ihren mystischen, astronomischen Werken gefunden werden. In den Purana's") (d. i. die alten Schriften der Hindu's von der Erschaffung und Genealogie ihrer Götter und Helden) finden wir eine Erzählung von der Schöpfung der Welt und der Sündfluth, die, wenn man die Fabeln, die damit verwebt sind, davon abstreift, im Ganzen fast den nämlichen Inhalt, wie das erste Buch Mosis hat. Es heißt nämlich in dieser Erzählung: daß der erste Mann der große Urvater des menschlichen Geschlechts ist, daß die Erde von scinm Nachkommen bevölkert wurde, welche nach einer langen Zcitpcriodc so lasterhaft wurden, daß Gott, durch ihre ungeheuere Bosheit erzürnt, alle lebenden Geschöpfe durch eine allgemeine Sündfluth vertilgen ließ, den siebenten Menu allein ausgenommen, der mit verschiedenen weisen Männern und deren Weibern, nebst einem Paar von jeder Gattung Thiere, in einer wunderbaren Arche aufbewahrt und gerettet wurde. Nach den Deductions, welche man von den Berechnungen der Gelehrten *) Man hat namentlich D'hcrma Pnrana und 3antra Purina. (Ncrgl. Band II., Kapttcl 12. übn- dm Ursprung dcr Hindukastcn.) 21 Maya und Parafana, dm zwei berühmtesten Hindu-Astronomen, gezogen hat, hätte diese Begebenheit im Jahre der Welt 4000 stattgehabt, was uach der Newton'schcn Chronologie 447 Jahre später, als die eigentliche Zeit der Sündfluth wäre. Die Hindu's theilen ihre chronologische Weltgeschichte in vier Zeitalter, von welchen das letzte mit der Sündftuth begonnen zu haben scheint. Sie sagen, daß während dieser vier Perioden die Gottheit neunmal unter verschiedenen Formen auf die Erde hcr-mcdergesticgen sei, um die Tugend der Menschen aufzumuntern, zu belohnen, und ihre Laster zu bestrafen; sie wird noch einmal, zum zchntenmale hcrniederkommen, wenn die Vcrirnmgm der gebrechlichen Menschheit die Gegenwart der Gottheit auf der Erde wieder nothwendig machen würde. Diese Erdichtungen würden unsere Aufmerksamkeit wenig verdienen, wenn sie nicht ein schwaches Licht auf die dunklen Zeitalter der Hindugeschichtc würfen, weil sie auf's Innigste mit vielen Angaben derjenigen Schriften verwebt sind, welche den größten Theil der wenigen Nachrichten enthalten, die man über die verschiedenen Königreiche, aus welchen das alte hindostanische Reich bestand, bis jeht hat auffinden können. Ungefähr 2000 Jahre vor Christi Geburt enthielt dieses Ncich vier mächtige und reiche Königreiche mit vielen untergeordneten Fürstenthümcrn. Die Pmana's melden, daß diese Königreiche, obgleich unabhängig von einander, viele Jahrhunderte hindurch in dem Monarchen der mächtigsten der vier Nationen ein höchstes Oberhaupt anerkannten, mit dem sich die anderen zu gegenseitiger Vertheidigung gegen fremde Feinde verbanden und sich wahrend eines Krieges seiner Obergewalt unterwarfen. Es scheint, daß die Prachi (das Wort bedeutet Orient), womit der Landstrich benannt wurde, der die jetzigen Provinzen von Bengalen, Vahar und Oudc enthalt, die ausgezeichnetste Nation von Hindostan waren; ob aber deren Könige die oberste Macht im Reiche besaßen, 22 läßt sich gar nicht bestimmen. Valiputra, das in der griechischen Geschichte so berühmt ist, war die Hauptstadt dieses Reiches. Es sind sehr verschiedene Meinungen geäußert worden, wo diese berühmte Stadt gestanden haben möge — trotz aller neueren Ansichten halte ich die schon von Nilford früher angegebene Meinung für entscheidend und zweifle nicht, daß Valiftutra, das die Griechen Palibothra schreiben, in der Nachbarschaft der gegenwärtigen Stadt Najcmchat gestanden hat, und daß die Ursache der Verwirrung über diesen Gegenstand von dcr Arhnlichkeit der Namen zwei ganz verschiedener Städte, Valiftutra und Pataliputra entstanden ist. Dcr letztgenannte Ort, das gegenwärtige Patna, war die Hauptstadt von dem alten Magadha, jetzt dem südlichen Vahar; - Valiputra dagegen war dcr Ech der Regierung des großen Königreichs der Prachi, und ist die nämliche prachtvolle Stadt, welche Qumtus Curtius und Arrian beschrieben haben. So lange, als die Könige von Magadha in ihren Vrbstaaten rcsidirten, blieb dcr Sitz ihrer Macht in Pataliputra oder Patna — nachdem aber Garasanda, ein Vorfahre Chandragupta'S, das Reich der Prachi erobert hatte, wie die Purana's melden, verlegte er seine Residenz nach Valiputra, wo er von Chrischna und Bala-Nama einen sehr grausamen Tod empfing. Vala-Nama gab dem Sohne Sahedava seine Erbstaatcn wieder zurück. Von diesem Zeitpunkte an regierten die Könige von Magadha während 24 Generationen wieder friedlich in Pataliputra, bis König Nanda den Thron bestieg, ein thätiger, unternehmender Herrscher, welcher das ganze Neich der Prachi wieder unterwarf und, nachdem er die Eroberungen, welche man seinen Vorfahren entrissen hatte, wieder an sich gebracht, auch höchst wahrscheinlich den Sitz seiner Regierung wieder nach Valiputra verlegte. Das sagt auch Nleran-der's Geschichtschreiber bestimmt. Nach denPrachy war die zweite Nation an Macht und Reichthum die des Königreichs von Bcjahnagur, das scinm Namen von 23 seiner Hauptstadt, dem alten Bejahnagur erhielt, das an den Nfem deS Tmnbudrastusscs lag. Dieses Königreich enthielt die ganze Halbinsel von Indien vom Flusse Kistna an im t<». Grade nördlicher Breite bis hinab zum Vorgebirge Comorin; der dritte dieser Staaten erstreckte sich von dein Meerbusen von Eambaya an bis an die Mündung des Indus, und vom 22.-17. Grade nördlicher Breite; er enthielt die Provinzen von Guzcrat, Malwa, Candisch, Verar und Dowlatabad; — den vierten Staat bildeten die Provinzen Lahore, Moultan, Delhi und Ajimere, die aber in ihrer früheren Einheit nicht der geringste Staat des alten Hindostan waren. — Die verschiedenen Provinzen, aus wachen diese vier Königreiche bestanden, wurden von Naiah's oder kleinen Fürsten regiert, die allein die Oberaufsicht über die inneren Angelegenheiten führten, aber ihrem Monarchen vcrzmsbar waren und über alle ihre öffentlichen Handlungen Rechenschaft ablegen mußten. So bildeten die Staaten von Hindostan einen sehr ausgebreiteten, obgleich nicht kraftvollen Bund; sie waren zwar unter sich in Sprache und Sitten sehr verschieden, befanden sich aber doch alle mehr oder weniger unter dem Einflüsse gleicher Religions-gesetzc und Glaubensgebräuche. Dieser Staatenbund war indessen nur voll kurzer Dauer; die Vereinigung so vieler entgegengesetzter Interessen, welche über eine so ausgedehnte und fruchtbare Landregion herrschten, entbielt in sich selbst die Quelle von Zank und Eifersucht, wodurch Mißhelligkeiten entstanden, welche, bei dein Ncichthume und unkriegerischen Charakter des Volkes, die benachbarten Perser anreizten, Einfälle und Strcifereien zu wagen, während die nördlichen Provinzen den Verheerungen der Barbaren von Tibet ausgesetzt waren. Anstatt den häuslichen Frieden herzustellen, mußten die Hindu's fremde Krieger bekämpfen, und ihre inneren Unruhen wurden dadurch noch vermehrt. Zur Zeit des Einfalls Mcrander'S hatten sich die Voller der Halbinsel bereits vom Reiche der Prachi's gänzlich losgerissen, die westlichen 24 Staaten hingegen sich inniger mit ihm verbunden, wodurch sie in den Stand gesetzt waren, Alexander's siegreichen Waffen einen angemessenen Widerstand entgegen zu setzen und dessen Bewunderung zu erregen. Ihr mehr patriotischer Widerstand indessen, durch Kriegszucht und Erfahrung nicht unterstützt, konnte dem Muthe und der Tapferkeit der Griechen nicht Stand halten; alle Vcrcdt-samkeit der Vrahmmen, welche den Muth der Nation entflammen M und mit frommer Begeisterung unter das heilige Banner sammeln sollte, reichte nicht aus, ihre Unabhängigkeit zu behaupten. Nachdem Alexander verschiedene kleine Staaten am Ufer des Indus sich unterworfen hatte, setzte er über verschiedene Flüsse des Panjab (Landstrich, der dem tapfern Porus gehörte, durch welchen die berühmten Flüsse Hydaspcs und Hyphates laufen und wo Aleran-der den Kampfplatz seiner Heldenthaten fand — gegenwärtig von den Sciks bewohnt, einer Sccte der Hindu's, die der Lehre der Veda's entsagt haben, und unter tapfern, aber habsüchtigen Häuptlingen leben) — griff Porus an, einen machtigen und tapfern Fürsten, der eine zahlreiche Armee versammelt hatte, um sich Alexander entgegenzuwerfcn, der ihn aber, ungeachtet des muthigcn Widerstandes, entscheidend besiegte, und Porus nebst mehreren seiner Feldherren gefangen nahm. Der Aufruhr aber, der bald darauf im macedonischen Lager ausbrach, machte Alexander's glänzendem Kriegszuge in Indien ein Ende, und nöthigte ihn, sich von Hindostan zurückzuziehen, wo er nur einige seiner erfahrensten Feldherren nebst einem kleinen Theile seiner Armee zurückließ, um die am Indus eroberten Länder zu behaupten. Diese Feldherren, mit Ehren und Reichthum überhäuft, verloren bald den kräftigen Geist und Muth, durch welchen diese Eroberungen erworben waren; den Ruhm und die edlen Gesinnungen vergessend, welche Stolz und Edelmuth des Kriegers unterhalten, ergaben sie sich bald jeder Art von Ausschweifung und Sittenver-derbniß, zu welchen zunächst die Leidenschaften führen. Gegen- 25 seitige Erbitterung und innerlicher Zwist waren die unvermeidlichen Folgen dieser Ausartung; die mäßigen und scharfsichtigen Hindu's sahen diesem Schauspiel mit Ucbcrraschung und Wohlgefallen zu, und vernachlässigten nicht, den Lastern ihrer Ueberwinder zu fröh-nen oder zu schmeicheln, als das sicherste, wenn auch nicht geschwindeste Mittel, ihre Vernichtung herbeizuführen. Alexander's Tod zu Babylon 330 Jahre vor Christus, nebst dcr daraus folgenden Zerstückelung seines ungeheuren Reiches, erleichterten die stillen Absichten der Hindu's und beschleunigten den Sturz dcr griechischen Macht in Hindostan. Die schwachen Uebcrrcste derselben wurden endlich durch den Muth und die Fähigkeiten Chan-dragupta's, Königs dcr Prachi, zerstört; er war dcr Sohn Nanda'S, von dcm die Hindu's so viele außerordentliche Geschichten erzählen; Ehandragupta bestieg den Thron unter den widerwärtigsten Umständen; sein Vater war in hohem Alter von einem treulosen Hofmanne heimlich ermordet worden, gereizt zu diesem Verbrechen durch eine eingebildete Beleidigung. Da dcr ermordete König verschiedene Söhne hinterlassen hatte, so wurde die Nachfolge mit aller dcr Heftigkeit und Unvcrsöhnlichkcit bcstrittcn, welche von solchen Zwistigkeiten unzertrennlich sind. Endlich entschied sich eine große Mehrheit der Vornehmen für Ehandragupta, und nach einem blutigen Kampfe, in welchen: viele seiner Brüder als Opfer fielen, nahm er Besitz vom väterlichen Throne. Er wurde in diesem Kriege von einigen westlichen Fürsten unterstützt, die ihm beträchtliche Hülfstruppcn zuführten, sowohl von eigenen Leuten, als auch von griechischen Soldaten, welche sie mit Geld in ihre Dienste gelockt hatten. So führte er cine starke Armee an die Ufer des Indus, um diese Fürsten, aus Dank für ihre Hülfe, vom griechischen Joche zu befreien, und die Griechen auS Hindostan zu vertreiben. Da man glaubte, daß Seleukus, Alexander's Nachfolger, auf dcm Wege sei, um mit einer zahlreichen Heeresmacht die durch Vertrauen und Nachlässigkeit dcr Befehls- 26 Haber verlorenen Besitzungen wieder zu erobern, so wollte sich ihm Chandragupta entgegenstellen. Der tapfere König der Prachi drang mit Eifer vorwärts, und nachdem er die von den Griechen verlassenen Provinzen ihren rechtmäßigen Besitzern zurückgegeben hatte, bot er dein Selcukus eine Schlacht an, die dieser, obgleich noch trunken von kürzlich erfochtenen Siegen, auszuschlagcn für klug erachtete. Ehandragupta, dessen Mäßigung mit seinem Glücke gleichen Schritt hielt, war zufrieden, seinen Zweck ohne größeres Blutvergießen erreicht zu haben, und zog einen ehrenvollen Frieden dem Ausgange einer Schlacht vor. Seleukus, welcher sah, daß ihm keine Hoffnung blieb, seine Besitzungen zu behaupten, gab den gewaltsamen Versuch auf, und machte Fricbcnsvorschläge, die ebenso ehrenvoll für ihn selbst, als günstig für seine Gegner waren. Die Griechen verzichteten auf Alexander's Eroberungen am östlichen Ufer des Indus, auf ihre Rechte, welche sie hier geübt hatten; der indische König aber kehrte in seine Hauptstadt zurück, beglückt durch den Beifall und Dank seiner Unterthanen. Obgleich nun Sclmkus sich gezwungen sah, seinen Lieb-lingsplan, griechische Colonim in Hindostan anzulegen, aufzugeben, so setzte ihn doch seine politische Feinheit und Mäßigkeit in den Stand, alle Hanbelsvorthcile zu erlangen, die er durch die vollständige Ausführung seiner Pläne nur immer hätte hoffen können, denn die anscheinende Aufrichtigkeit, welche er in den Friedensunterhandlungcn zeigte, flößte dem Chandraguftta eine sehr vorthcilhafte Meinung von dem griechischen Charakter ein und bewog ihn, jedem Vorschlage ein bereitwilliges Ohr zu leihen, der einen freundschaftlichen Verkehr zwischen beiden Nationen bezweckte. In der Absicht, diesen wünfchmswcrthm Zustand zu erreichen, sandte spater der griechische Monarch den berühmten Me-gasthmes an Chandraguftta'S Hof zu Valiputra, wo er mehrere Jahre zubrachte, und durch seine ausgebreiteten Kenntnisse und seinen gebildeten Verstand dm Handel zwischen Pechen und Indien 27 wieder herstellte, welchen die maeedonischm Eroberungen unterbrochen und beinahe vernichtet hatten. Dieser Handel wurde von nun an mit doppeltem Eifer betrieben, und gegen Ende der Regierung Chandragupta's blühctc Hindostan in Frieden und Reichthum. Wenn man die glänzende Periode in der Geschichte eines VollcS in ihrem friedlichen Aufblühen und Gedeihen betrachtet, so fühlt man um so gewaltiger die Schicksale desselben, wenn man erfährt, daß barbarische Ucbcrwindcr an die Stätte des Glückes unmenschliche Grausamkeiten gewaltsam hingetragen haben. Die Nachfolger Ehandragupta'S sollen freilich aus dem Throne von Prachi ebenso sanft wie jener ruhmwürdigc Fürst regiert haben, aber von der Erlöschung seiner Familie an, ungefähr 200 Jahre vor Christi Geburt, bis zu dem Einfalle des muhamcdanischcn Fürsten Ghizni ist die Geschichte Hindostans durch mancherlei Fabeln verdunkelt, welche noch nicht befriedigend aufgeklärt sind. Nach den Erzählungen der Hindu-Poeten, von denen man vermuthen kann, daß einige darunter ihren Stoff in geschichtlichen Begebenheiten gefunden haben, scheint es, daß das hindostanische Reich während dieser langen Periode seiner Geschichte beständig durch bürgerliche Kriege zerrissen wurde, welche die Trennung und Auflösung seines Königreiches zur Folge hatten. Doch wissen wir durch die Zeugnisse einiger cgyptischcr Kaufleute und durch den ausgebreiteten Handel, der zwischen dein westlichen Indien und den reichen und mächtigen Städten Palmira und Alexandria stattfand, daß die Betreibung der nützlichen Künste und Gewerbe durch jene inneren Unruhen nicht gehindert und unterbrochen wurde. Die Mißhclligkcitcn zwischen den verschiedenen Fürsten waren nur Persönliche, von Ehr- und Geldgeiz entstanden, und hatten mit den Religionsgeschcn und Gebräuchen ihrer gegenseitigen Unterthanen nichts zu thun, da sie gleich verbunden waren, sie zu achten und zu üben. Deßhalb sehen wir, daß die kleinen Staaten, die von Alexander unterjocht worden waren, sich wieder vcr- 28 einigten, um die Einfalle der Baktrianer zurückzuschlagen, als dieses Volk sich nach dem Verfalle der assyrischen Macht empört und von ihr losgerissen hatte. Der muthige Widerstand gegen diese abgehärteten und kriegerischen Horden machte sie eines besseren Schicksals würdig, als das war, welches ihnen leider bald bevorstand. Kllmw MM. Die Erolicrmlsscn der Muselmänner in Hindostan bls z«u> Tode des Kaisers Albar. Die Hindu's hatten fremde Völker bis jetzt nur durch fremden Verkehr dcs Haudcls, oder im offenen, ehrlichen Kampfe kennen gelernt; nun sollten sie aber im Herzen ihrcS Vaterlandes ein fremdartiges Volk aufnehmen, das sich entschloß, barin festen Besitz zu ergreifen, ihnen das Erbstück ihrer Vorfahren zu rauben und die indische Religion zu entheiligen. ' Im siebenten Jahrhundert nach Christi Geburt bekam die religiöse Schwärmerei der Araber eine neue Richtung; sie wurde durch die Annahme dcr Lehren Mohamcd's noch heftiger entzündet. Ihre Vorliebe für indische Producte hatte sie schon früher veranlaßt, einen beträchtlichen Antheil an dem indischen Handel zu nehmen; ihre Erfahrungen in der Schifffahrt setzten sie besser in den Stand, jenen Handel mit Nachdruck zu betreiben; ihr Eifer für Verbreitung ihrer Religion, durch Habsucht genährt, trieb sie dem gewagten Unternehmen zu. Während sie nämlich auf verschiedenen Wegen in Pcrsicn eindrangen, sandten sie ihre Schisse nach Guzerat, Malebar und Ceylon, und während sie die Grundsätze des Korans in den südlichen Provinzen von Hindostan unter dcr 30 Maske der Freundschaft zu verbreiten suchten, griffen sie die nördlichen Gegenden des Reichs mit den Waffen an und verheerten dieselben unter der Fahne des Propheten. Vor dein Ende des vierten Jahrhunderts der Hcjirah, des zehnten der christlichen Zeitrechnung, hatten sie das Königreich von Ghizni in den Provinzen Korasan und Kabul, dein alten Transoriana und Bactriana, gegründet; es war ihnen vollkommen gelungen, die Einwohner dieser Länder zu der mohamcdanischen Lehre zu bekehren. Sie waren unter den Befehlen Subuktaji's über den Indus gegangen, und nachdem sie den größten Theil der Provinz Lahore durchstreift und geplündert hatten, kehrten sie, mit dem Raube der geplünderten Tempel beladen, und durch ihre unrühmlichen Siege bereichert, nach Ghizni zurück. Ungleich größeres Unglück erwartete jedoch das dem Elende geweihte Hmdostan. Mahmoud I. that bei seiner Thronbesteigung zu Ghizni das Gelübde, die Hindu's zu unterwerfen und durch das Schwert zu Mo-hamed's Glauben zu bekehren. Dieses Gelübde wurde denn auch durch Ströme von Mcnschcnblut erfüllt. In einem Zeiträume von 20 Jahren machte er zwölf Einfälle in Hindostan, endlich unterjochte er alle westlichen Provinzen von Guzerat bis nach Delhi; überall bezeichnete dieser Unmensch seine Eroberungen durch Verheerung der Städte, Plünderung der Paläste, Zerstörung der Tempel, Unterdrückung des Kunststeines und des Ackerbaues; Hungersnoth folgte seinen blutigen Spuren. Nachdem er die Stadt Sumnat zerstört und die berühmte Pagode (die nahe bei Diu in Guzcrat stand) geplündert hatte, machte ihn die hartnackige Anhänglichkeit der Hindu's an ihre erste Religion wüthend, er ließ seinem blutdürstigen Charakter freien Willen, metzelte mit Kälte die halbverhungerten Landbewohner nieder, und schonte weder Alter noch Stand. Der tapfere Widerstand, den ihm die Fürsten von Guzerat leisteten, welche sich verbündet hatten, um ihre Unabhängigkeit zu behaupten, dämpfte noch mehr das menschliche Gc- 31 fühl in ihm, seine Habsucht wurde vom Zom unterstützt, sein Bekehmngscifcr durch Nachsucht gestachelt. Er stieß die Fürsten von ihren Thronen, mordete Männer, Weiber und Kinder, achtete nicht auf das Wehklagen eines unter seinem Schwerte sterbenden Volkes, und forderte im wilden Stolz seiner Triumphe den Himmel gottcslästemd auf, seine Anstrengungen zu belohnen. Nachdem Mahmoud endlich seinen Geiz, wenn auch nicht seinen Blutdurst gestillt und den verschiedenen unterworfenen Provinzen Statthalter gegeben hatte, verließ er Hindostan zum letzten Male und kehrte in sein Vaterland (1020) zurück. Aber sein unruhiger und unternehmender Geist, weder durch Alter noch durch Wohlleben geschwächt, verschmähte den ruhigen Genuß seiner Macht und Reichthümer, und verleitete ihn, seine sieggewohnten Waffen gegen die nördlichen Provinzen PersienS zu kehren, die bis dahin dein muhamcdanischcn Glaubensstrome, welcher aus dein Westen gegen sie heran stürzte, widerstanden hattm. In weniger als zehn Jahren dehnte Mahmoud seine Eroberungen und seine Religion über den größten Theil von Pcrsirn und Georgien auö; von dort, längS den Küsten des kaspischen Meeres durch die Provinz Hyrkanim zurückkehrend, fttztc er über den Fluß Orus und ging nach Vokara, einem kleinen Staate, den er in der ersten Zeit seiner Regierung erobert hatte. Abcr mit den ungeheuren Eroberungen, welche er dem ghizni'schen Staate einverleibt hatte, noch nicht zufrieden, unterwarf er auch noch die Tartaren, die wilden und kriegerischen Bewohner der Bucharci von Samarkand bis an die Icspcrischen Gebirge. Nachdem er sich zum mächtigsten Monarchen seiner Zeit erhoben hatte, starb er sehr alt in seinem Palast zu Ghizni im Jahre 1030 unserer Zeitrechnung. Mahmoud's unmittelbare Nachfolger, die zwar alle seinen religiösen Fanatismus, nicht aber sein Feuer und seine Talente besaßen, singen beständig fremde Kriege an, ohne Verstand und Muth, um sie gehörig führen zu können. Die Fürsten des west- 32 lichen Hindostans, welche noch an dm ihnen geschlagenen Wunden litten, nach Nache dürsteten und ihre verlorenen Staaten wieder zu erlangen wünschten, verloren keine Zeit, eine ihnen so günstige Gelegenheit zu benutzen. Die Erbitterung, welche zwischen den verschiedenen Statthaltern herrschte, bic Mahmoud über seine indischen Provinzeil gesetzt hatte, fachte die Hoffnungen der Hindu's ebenso an, wie deren ausgelassene Sitten und muthwillige Grausamkeit das Gefühl erbitterten; sie beschlossen daher durch männliche Anstrengung den verachteten Despotismus zu zerstören, unter dem sie seufzten. Der Fürst von Delhi, der ein Mann von großem Muthe und besonderen Fähigkeiten gewesen zu sein scheint, errichtete einen Bund aller hindostanischcn Staaten, die durch die mohamedanische Unterjochung gelitten hatten, er versammelte eine zahlreiche Armee, griff die Muselmänner an, schlug sie in mehreren blutigen Schlachten, doch blieb ihm der Sieg nicht lange günstig; durch das erste Glück berauscht, drang er zu weit vor, trieb die Feinde bis an die Grenzen ihres Vaterlandes, setzte sie aber dadurch in den Stand, beträchtliche Verstärkungen von Truppen ihrer Landslcute an sich zu ziehen, die durch Fanatismus angefeuert und durch Kriegszucht abgehärtet waren. Der Fürst von Delhi ließ sich dadurch nicht abschrecken, griff sie mit Ungestüm an, aber nach einem langen und blutigen Treffen, in welchem beide Theile große Tapferkeit und Hartnäckigkeit bewiesen, überwand endlich die fanatische Wuth der Muselmänner alle Anstrengungen des Fürsten. Seine Armee wurde gänzlich geschlagen, und er selbst entkam nur mit genauer Noth, um die Nachricht von der traurigen Niederlage in scin Vaterland zurückzubringen. (W46.) Nach dieser Begebenheit bietet die Geschichte von Hindostan nichts Merkwürdiges dar, bis zu der Eroberung von Ghizni durch Mahomed Ghori, Fürsten der Afghanen, KM. — Während dieser langen Zwischenpause blieben alle westlichen Provinzen 33 Hindostans in der Gewalt der Muselmänner, die nun angefangen hatten, das Land zu bebauen und zu mltiviren, und die ihre Zahl durch die Prosclyten, die sie unter den Pariah's machten, beträchtlich vermehrten. Der unversöhnliche Widerwille, welcher zwischen ihnen und den Hindu's fortbestand, unterhielt den Funken der Zwietracht, welcher durch den Hauch des Mißvergnügens öfters zu einer so furchtbaren Flamme angefacht wurde, daß sie durch schreckliches Blutvergießen ausgelöscht werden mußte. Die Muselmänner gewannen indessen auch nichts durch dieses barbarische Verfahren, welches ihre eigenen Kräfte erschöpfte, ohne ihre Besitzungen zu erweitern. Ghori's unbändigem Muthe war es vorbehalten, in die östlichen Provinzen Indiens einzudringen. Dieser wüthende, aber geschickte Anführer, obgleich im Anfange seiner Unternehmungen im östlichen Hindostan mit großem Verluste zurückge, schlagen, setzte seine Einfälle mit unvermindertem Eifer fort, schlug die verbündete Armee der Hindufürstcn auf der Ebene von Delhi, verheerte die Provinzen von Oudc und Allahabad, nahm die alte berühmte Stadt Benares mit Sturm und überließ diesen auserwählten Sitz der Literatur, Wissenschaft, Kunst und Eleganz, dieses geweihte Heiligthum einer tugendhaften und ehrwürdigen Pricster-schaft, der ungezügelten Wuth und Ausschweifung seiner sittenlosen, barbarischen Soldaten. Nachdem er die heiligen Gebäude aller ihrer Kostbarkeiten beraubt und über tausend Götzenbilder zerstört hatte, beendigte er diese Naub- und Mordscenm damit, daß er Brahma's Tempel dem Propheten von Mekka weihte, dessen Geist er anrief, seinen verbrecherischen Ehrgeiz zu genehmigen. Ein um diese Zeit in dem nördlichen Theile von Korasan ausgcbrochcner Aufruhr nöthigte ihn, seine Eroberungen aufzugeben und seine zu-sammengeplündertcn Reichthümer gegen Feinde zu vertheidigen. Uncrschüttcrt durch diesen Unfall, und sich auf seine Macht verlassend, zog er von Benares nut seiner Armee fort, ernannte einen seiner Lieblingsgeneralc zum Statthalter seiner hindostanischen Van Mökern, Ostindien. I. I 34 Besitzungen und begab sich in Eilmärschen nach Ghizm, wo seine Ankunft in dieser seiner Hauptstadt den Aufrührern bald bekannt wurde, die durch feine schnelle Gegenwart ebenso erstaunt, als erschreckt warm. Von ihrer Bestürzung unterrichtet, verlor er keinen Augenblick sie anzugreifen; seine Eilfertigkeit würde auch mit dein besten Erfolge gekrönt worden sein, wenn nicht der Fürst von Samarkand den Korasancn mit einer mächtigen Verstärkung zu Hülfe geeilt wäre. Dieser Umstand entriß ihm den Sieg; er focht mit Verzweiflung, durchbrach endlich mit geschickter Bewegung die Reihen der Feinde und warf sich mit dem Ueberrcstc seiner Armee in ein kleines, nahe am Schlachtfeldc gelegenes Fort. Der Fürst von Samarkand schloß die Festung sogleich ein; als Mahomed sah, daß ihm wenig Hoffnung zu seiner Rettung übrig blieb, bot er seinem Feinde eine große Summe an, wenn er ihm den Rückzug gestatten wolle. Der dürftige Tartar nahm dieses Anerbieten mit Vergnügen an und Mahomed Ghori zog gcdcmüthigt nach Ghizm' zurück. Er überlebte dieses Unglück nicht lange. So wie die Unglücksfälle eines muthigen und lcbensfrischcn Mannes erst das Mitleid der Großmuth anregen und dasselbe dann gern einen Schleier selbst über begangene Verbrechen wirft, so reizen sie aber andrerseits auch die Feigheit auf, um feindselig aufzutreten. Deßhalb sitzt ein unglücklich gewordener Tyrann niemals sicher auf seinem Throne. So wurden auch einige von Mahomed Ghori's Feinden ermuntert, jetzt, da sie früher nicht den Muth gehabt hatten, gegen den Glücklichen aufzustehen, ihre Nachc an ihm auszulasten, und er wurde ermordet, nachdem er 32 Jahre lang über das mächtigste Ncich des Orients gehaust hatte. Er starb 1205. Sein Tod gab das Signal zu einer allgemeinen Empörung seiner Staaten, und da die allen Lastern ergebenen Thronerben den Muth nicht besaßen, ihre Rechte geltend zu machen, so wurde das ghizni'schc Reich von den beiden Feldherren Eldozc und Euttub wi- 35 derrcchtlich in Besitz genommen und zwischen ihnen getheilt. Der Erstere nahm Turkestan und Persien, der Zweite, der schon Statthalter der indischen Provinzen war, erklärte sich zum Könige von Hindostan. Cuttub wurde der Begründer der vatanischcn oder afghanischen Dynastie; er war ein geborener Afghane, und ursprünglich ein Sclave. Von dein verstorbenen Kaiser Mahomed gekauft, zog er sehr bald durch seine glänzenden Talente die Aufmerksamkeit auf sich und erwarb sich die Zuneigung seines Kaisers durch Aufrichtigkeit und unerschütterliche Treue. Die Tapferkeit und Gcschick-lichkcit, welche er bei der Einnahme von Benarcs erwies, bewog Mahomed ihm die Freiheit zu schenken und bald nachher ihn an Sohnes Statt anzunehmen. Nach seines Wohlthäters Tode verlegte Cuttub seine Residenz von Lahore nach Delhi, um sich näher an der Grenze der beiden Provinzen von Bengalen und Bahar zu befinden und seinen Licb-lingsentwurf, sich diese Provinzen leichter zu unterwerfen, desto leichter ausführen zu können. Sein früher Tod wendete jedoch das diesen Läudcrn bevorstehende Schicksal noch für einige Zeit ab. Ihre Unterjochung war dem Kaiser Altmusch vorbehalten, der den Thron von Delhi 1210 bestieg und ein Zeitgenosse des berühmten Zmgis Khan war. Im Jahre 1225 hatte Nltmusch fast alle Königreiche und Fürstenthümcr des nördlichen Hmdostans erobert, sein Ncich erstreckte sich von den Gebirgen Tibets bis zu dem Theile von Dcccan, der unter dem 23. Grade nördlicher Breite liegt, und von der Mündung des Ganges bis an den Ausfluß des Indus. Er scheint ein entschlossener und verständiger Monarch gewesen zu sein, der Scharfsinn genug besaß, die Thorheit eines ungeregelten Ehrgeizes zu fühlen und Selbstbeherrschung genug, ihn zu mäßigen; er war gutmüthig von Grundsatz, wenn auch nicht von Natur, duldsam in Neligionssachen, seine Klugheit milderte seinen Eifer, seine Siege über die Hindu's wurden durch keine 3' 36 Grausamkeiten befleckt und seine Negierung hat sich nicht durch die systematische Verfolgung der brahminischen Religion ausgezeichnet, die bisher den mohamedanischen Namen schrecklich gemacht hatte. Er ernannte Statthalter über die verschiedenen Provinzen seines Reiches und gab ihnen strenge, indeß angemessene Verhaltungsmaßregeln; aber die verliehene Macht setzte dieselben in den Stand, die vom Gcize verlockte Ucbertretung der erhaltenen Maßregeln zu wagen, und die Hindu's, anstatt von den wohlwollenden Edicten des Kaisers Nutzen zu ziehen, wurden von den Statthaltern mit um so größerer, oft unmenschlicher Härte behandelt, um ihre Klagen über Mißhandlungen durch Furcht zu unterdrücken. Die milden und weichlichen Einwohner Bengalens unterwarfen sich mit stillem Schmerz dem harten tyrannischen Joch, und so lange man sie m der Ausübung ihrer Religion nicht störte, ihnen das Bebauen ihrer Necker gestattete und der Ausübung ihrer kunstreichen Gewerbe nicht hinderlich war, machten sie keine Versuche, ihre Unabhängigkeit wieder zu erlangen. Aber die kräftigen und abgehärteten Bergbewohner von Aji-mere und Malwa und die unerschrockenen Landleute von Guzerat fuhren fort, sich ihren Ueberwindern zu widersetzen und mit unermüdlicher Begierde nach Gelegenheiten zu streben, ihre Freiheit wieder zu erlangen. Daher waren auch diese Provinzen beständig der Schauplatz blutiger Kriege, welche oft die ganze Macht des Kaisers ausboten, um sie zu beendigen. Während Altmusch'S Regierung warm deßwegen die Empörungen in den westlichen Theilen des Reiches sehr häusig und zerstörend. In dieser Zeit (123!) hatte Zcngis Khan ganz Asien nördlich vom dreißigsten Vrcitegrade an, von dem östlichen Ende China's bis an die arabische Wüste sich unterworfen. Die Schwierigkeiten jedoch, die er fand, um den unruhigen Geist seiner tartarischen Unterthanen im Zaume zu halten, verhinderten ihn wahrscheinlich, die Eroberung von Hindostan zu unternehmen, 37 die sein hcldcnmüthiger Geist ohne Zweifel in seinem großen Plan einer Universalmonarchie mit eingeschlossen hatte. Er eroberte jedoch alle auf dem westlichen Ufer des Indus gelegenen Staaten und vertheilte sie unter seine mongolischen Generäle als Belohnungen für die Dienste, welche sie ihm wahrend seiner sieges-reichen Laufbahn geleistet hatten. Während der kurzen und schwachen Regierungen, welche auf Altmusch's Tod folgten, bis zur Thronbesteigung dcö Kaisers Balm, machten die von Zcngis Khan eingesetzten mongolischen Fürsten mehrere Einfälle in den Punjab; unter der Anführung des blutdürstigen, turmeschirischcn Khan's drangen sie bis an die Grenzen von Delhi vor, bezeichneten ihren Weg mit Blut, raubten Alles, was sie ergreifen konnten, und verschlangen mit viehischer Gier die Früchte des Kunstftcißcs und der Arbeitsamkeit; aber der kriegerische Kaiser Balln schlug ihre Einfälle zurück und bestrafte ihre Räubereien. In den widerwärtigen düstern Gemälden von fortdauernden Kriegen, Blutvergießen und Zerstörungen, welche, mit Ausnahme von Altmusch's Regierung, die Geschichte der mohamcdanischcn Fürsten von Hindostan darbietet, macht Valin's Rcgcntcnpcriode einen ruhmvollen Lichtpunkt aus; in der Schule deö Unglücks und der militairischen Zucht erzogen, war er ganz geeignet, edelmüthig die Leiden seiner Mitmenschen zu fühlen und zu rächen. Gerecht, gemäßigt und großmüthig, übte er die Gewalt eines despotischen Monarchen, ohne sie zu mißbrauchen, und unterhielt die Pracht und den Lurus eines orientalischen Hofes, ohne dadurch verweichlicht zu werden. Sein größtes Vergnügen war, seinen Palast zum Zufluchtsorte der Gastfreundschaft für unterdrückte oder dürftige Tugend zu machen, so wie zu einem Aufenthalte von Mannern, deren Genius und Gelehrsamkeit hervorragend warm. Anstatt seine Schätze in ehrgeizigen Kriegen oder üppigen Festen zu verschwenden, wendete er sie an, um Handel und Manufacturen 38 zm Blüthe zu bringen, und Künste und Wissenschaften aufzumuntern. Er lud Männer von ausgezeichneten Talenten aus den entferntesten Gegenden Asiens an seinen Hof ein, uin ihre Kenntnisse und ihren Nath zu benutzen; obgleich er die Verbreitung des mo-hamcbanischcn Glaubens eifrig wünschte, so wollte er doch nur durch Uebcrredung, nicht durch Waffengewalt bekehren. Er scheint demnach mit vielen schätzbaren Eigenschaften und Tugenden begabt gewesen zu sein. Sein größter Fehler entsprang aus einem zweideutigen Rechte an den Thron und den daraus entstandenen häufigen Empörungen gegen ihn. Er bestrafte die Urheber dieser Unruhen auf das Grausamste, seiner hohen Würde und Gcrechtig-fcitsliebe gleich unwürdig, und man hat auch bemerkt, daß er niemals einem Vcrrathcr vergeben hat. Doch wurde er selbst von seinen Feinden geachtet und starb allgemein betrauert im Jahre 1286. Während der darauf folgenden Regierungen der Kaiser Kei Kobal und Fcrozc II. bietet die Geschichte von Indien nichts Merkwürdiges dar, aber unter dem Usurpator Alla, der den Thron von Delhi i.M; bestieg, wurden auch die nördlichen Provinzen Deccan's dem muselmännischen Kaiserreiche unterworfen. Kaiser Alla war ein Mann von großen Fähigkeiten, aber äußerst lasterhaft; er war ein Neffe von Fcrozc II. und hatte sich durch den Mord seines Oheims auf den Thron erhoben. Dieser Mord war von besonders gräßlichen Umständen begleitet worden, und der Abscheu, den er durch dieses furchtbare Verbrechen selbst bei seinen lasterhaften Hofleuten erregte, konnte weder durch Verstellung noch Furcht vor seiner unversöhnlichen Rache ganz unterdrückt werden. Er sah sich daher genöthigt, das Benehmen seiner Hoflcutc und seiner Vornehmen mit unermüdlicher Wachsamkeit zu beobachten. Um sich gegen Verschwörungen und Empörungen besser verwahren zu können, errichtete er eine ungeheure Armee, deren Treue er sich durch freigebige Geldverthcilungm und hohen Sold erwarb. Er zog die Güter jedes Mannes von Nang und 39 Reichthum im ganze,: Reiche ein, gab ein Edict heraus, das den Großen jede geheime Zusammenkunft streng verbot und den Genuß des Weines und aller hitzigen Getränke bei Todesstrafe untersagte, er verbot dem sog. Adel streng, sich nicht ohne seine Einwilligung zu verhcirathen, entfernte alle Männer von Rang und Talenten von den öffentlichen Aemtern, und übergab diese schandlichen Schmeichlern, die sich seinem Willen unbedingt unterwarfen. Er forderte von seinen mohamcdanischcn wie hindostanischen Unterthanen die Hälfte des jährlichen Ertrages ihrer Aecker, und hob endlich alle mohamcdanischen Gesetze auf, die sich mit seinem Rc-gierungsftlane nicht vertrugen, behauptete oft: „daß Religion mit der Negierung nichts gemein habe, sondern nur die Beschäftigung oder vielmehr der Zeitvertreib des Privatlebens sei und daß der Wille eines weisen Fürsten den veränderlichen Meinungen einer Gesellschaft von Männern vorzuziehen sei." Seine Verordnungen, obgleich durch egoistische Bcwcgungs-gründc veranlaßt, uud oft große Ungerechtigkeiten enthaltend, waren jedoch der Masse des Volkes in ihrer Wirkung schr nützlich. Die armen Hindu's, die bis dahin von den Statthaltern der indischen Provinzen und deren Bcamtm gleichförmig geplündert worden waren, durften nun — und wurden sogar dazu aufgemuntert — ihre verschiedenen Beschäftigungen betreiben, wurden in dein ruhigen Besitze desjenigen Eigenthumes beschützt, das ihnen der Kaiser zu besitzen erlaubte, und anstatt, wie früher, unaufhörlich durch die abscheulichen Erpressungen und unermüdlichen Grausamkeiten einer Menge kleiner Tyrannen abgemattet und aus-gesogcn zu werden, hatten sie nur noch einen Herrn, der selten von der Negcl abwich, die er selbst für die Verwaltung seiner Regierung entworfen hatte und der sich niemals in ihre Religions-sachcn mischte, wenn sie nicht etwa seinen egoistischen Entwürfen im Wege standen. In Bengalen lind den übrigen Provinzen des Reiches, die sich schon lange unter dem musclmämüschm Scepter 40 befanden, und deren Schätze schon lange erschöpft waren, wurden die Eingeborenen wenig beunruhigt, so lange sie ihre Abgaben richtig bezahlten, aber in denjenigen Theilen des Deccan's, die er selbst erobert hatte, plünderte er mit roher Raubgier jeden Tempel, dessen er sich bemächtigen konnte, und sättigte seinen Geiz mit dem Neichthume, den ein frommes Volk in diesen heiligen Gebäuden niedergelegt hatte. Während Alla mit seinen Eroberungen im Deccan beschäftigt war, sah er sich noch einmal gezwungen, seine eigene Hauptstadt gegen die Mongolen zu vertheidigen, die sie mit einer zahlreichen Armee belagerten. Er langte in Delhi noch zu rechter Zeit an, um seine Residenz vom Untergänge zu retten; nach einer sehr hartnäckigen und blutigen Schlacht wurden die Mongolen gänzlich geschlagen, und sie retteten sich mit großer Mühe über den Indus. — Der Stolz und der Unternehmungsgeist deS Kaisers Alla wurden durch diesen entscheidenden Sieg auf den höchsten Grad gesteigert; trunken von seinem Glücke, fing er an, Pläne des grenzenlosesten Ehrgeizes zu entwerfen; er wollte Prophet und Held zugleich sein, eine neue Religion begründen und die Welt erobern, in seiner Person wollte er Alcrandcr und Mahomed vereinigen, beide an Macht und Ruhm übertreffen. Aber Alla besaß weder die Unerschrockenheit und Schlauheit der Araber, noch den Muth und die Sitten der Griechen, und wenn er auch ein Mann von weltumfassendem Geiste und kühnem Muthe war, so besaß er doch die Eigenschaften nicht, welche zur Ausführung eines so riesenhaften Planes nothwendig waren. Das Mißvergnügen seines hohen Adels, und die Unmöglichkeit, sich dessen Zuneigung zu verschaffen, legte ihm ein unüberwindliches Hinderniß in den Weg, Eroberungen in der Ferne zu unternehmen. Der wüthende Fanatismus seiner muhamedanischen, sowie die milde, aber unüberwindliche Standhaftigkcit seiner hindostanischm Unterthanen in ihrer Anhänglichkeit an die alte Religion machten es ihm ebenso schwierig 41 als gefährlich, ein neues Religionssystem zu errichten oder nur den Versuch an eine Sache zu wagen, welche die Vorurtheile der menschlichen Gesellschaft so sehr aufzuregen vermag. Ma gab deßhalb seine riesenhaften Pläne auf, und begnügte sich mit der Aussicht, die südlich gelegenen Völker von Hindostan zu unterwerfen. Die beständigen Einfalle der Mongolen machten jedoch seine Gegenwart in den nördlichen Provinzen nothwendig, und verhinderten ihn, seine zur Eroberung des D«can's bestimmte Armee selbst anzuführen; er übertrug deßhalb die Ehre dieser Unternehmung einen: seiner Feldherren, Namens Cafoor, einem geschickten und unternehmenden Anführer, der in wenigen Jahren alle Staaten nördlich vom Flusse Kistna seinem Herrn unterwarf, die bergigen Theile von Orissa und Bcrar ausgenommen. Nachdem Cafoor die Hindu-Fürsten von ihren Thronen gestoßen und ihrer Schätze beraubt hatte, theilte er die eroberten Länder in Bezirke, ernannte ausgezeichnete Männer von hoher Geburt als Statthalter und kehrte bann nach Delhi zurück, um seinem entzückten Monarchen die Früchte seiner Siege zu Füßen zu legen, die man aus 100 Millionen Pfund Sterling geschätzt hat. Gegen das Ende von Alla's Regierung ereignete sich nichts Merkwürdiges weiter; er endete eine glückliche, obgleich stürmische Laufbahn, nachdem er mehr als die Hälfte der südlichen Halbinsel von Hindostan dem muselmännischen Reiche unterworfen und in seinen ausgebreiteten Staaten eine systematische Ordnung und Regelmäßigkeit in der Verwaltung der öffentlichen Angelegenheiten eingeführt hatte, die man seit der Zerstörung der alten Hindu-Monarchien nicht mehr in Hindostan gesehen hatte. Dieses nützliche Negierungssystem scheint jedoch mit seinem Stifter aufgehört zu haben, die Blödsinnigkeit und Thorheit seiner nächsten Nachfolger stürzten das Reich in kurzer Zeit in die größte Unordnung. Die Hindufürsten, immer wachsam, jede Gelegenheit zu ergreifen, 42 sich gegen ihre hcrrschsüchtigcn Uebcrwinder zu empören, benutzten die gänzliche Abwesenheit aller Kriegszucht und Ordnung im Reiche, und erschienen überall in Waffen. Im Dcccan wurde cin mächtiger Fürstenbund errichtet unter der Leitung von Valal Dcos, Königs von Carnatik, welcher mit einer zahlreichen Armee gegen die Muselmänner zu Felde zog, und nach einem hartnäckigen Kriege ihnen die ganze Halbinsel wieder entriß. 1345. — Nur die Festung Dowlatabad und cin Theil der Provinz Candisch blieben den Muselmännern. Diese hatten in der für sie unglücklichen Periode nicht allein die Hindu's zu bekämpfen, sondern wurden auch von Norden her von den mongolischen Fürsten, den Nachkommen des mongolischen Fürsten Zcngis Khan, angegriffen, die sich mit jedem Jahre furchtbarer machten, und deren Eroberungssucht nun ebenso sehr durch die Schwäche als die Reichthümer ihres Feindes angeregt wurde. Gegen das Ende des 14. Jahrhunderts machten sie häufige Ginfälle in Hindostan, und eroberten einen Theil der Provinz Lahore. — Das musclmänmschc Ncich, einerseits von den an Zahl wachsenden Heeren der Hindu's, andererseits von den wüthenden Horden der Mongolen angegriffen, während ein bürgerlicher Krieg in seinem Inneren wüthete, sank endlich unter dem Drucke der Unglücksfälle, die es erlitt, wozu die Unmündigkeit des regierenden Kaisers Mahmoud des Dritten sehr viel beitrug. Dieser junge Fürst hatte das Unglück, den Thron seines Vaters Mahomed IV. zu einer Zeit zu besteigen, wo er mit Anarchie und Vcr-räthcrn umgeben war. Die Großen, denen die Verwaltung der öffentlichen Angelegenheiten anvertraut war, besaßen weder Kraft und Weisheit, noch Patriotismus und Redlichkeit, und schienen lieber das Fortbestehen der Unordnung zu wünschen, als Anstalten zu treffen, um das Vaterland zu retten. Bald nach Mahmoud's Thronbesteigung wurde diesem jungen Kaiser ein Gcgenkaiscr entgegengestellt, worauf eine Scene des heftigsten Blutvergießens in 43 der Stadt Delhi erfolgte, welche in Asiens Annalen kaum ihres Gleichen hat. Drei ganze Jahre lang wurde in dieser Stadt zwischen den Anhängern der beiden Gegcnkaiscr ein grausamer Kampf geführt, und da die Strcitkräftc beider Parteien ziemlich gleich warm, so konnte auf keiner Seite ein großer Vortheil errungen werden. Jeder Tag wurde in wüthenden Gefechten hingebracht, Nachts ruhcten sie aus, um am Morgen das Blutbad wieder zu beginnen. Tausende fielen jeden Tag, beide Parteien rcknttirten sich aus den Provinzen, bis sie endlich, abgemattet durch diesen unaufhörlichen Kampf, einen Waffenstillstand schloffen, in der Absicht, ihre Zwistigkeiten gütlich auszugleichen und ihre gegenseitigen Rechte festzustellen. Während dieses Waffenstillstandes und ehe noch die Wunden beider Parteien geheilt waren, wurden sie von dein furchtbarsten Krieger, den Indien jemals gesehen hatte, angegriffen. Im Jahre 1397, nachdem der berühmte Eroberer Timur Veg oder, wie er gewöhnlich in Hmdostan genannt wird, Tamerlane (ein Abkömmling in gerader Linie von Zcngis Khan, Haupt der Mongolen und König von Zagatai*') und Bocharia), alle nördlichen Nationen von Asien unterworfen und seine unüberwindlichen Waffen sogar in die östlichen Provinzen Nußlands getragen hatte, bot er seinen Emiren an, Hmdostan anzugreifen, wo sie hoffen durften, reichere Beute zu machen, als in den rauhen Ebenen der Moskowiter. Als er Nachricht von den Mißhcllig-keitcn in Delhi bekommen hatte, wurde sein Ehr- und Geldgciz durch die Hoffnung gereizt, den reichsten Staat der Welt seinen Eroberungen beizufügen. Er verließ Samarkand nut dem Kern seiner Truppen, und kam gegen Ende des Jahres 4398 an den Ufern des Iallali, einem der westlichen Arme des InbuS, an, ') ZaMai ist das heutige ßandahar und liegt zwischen Pcrsicn und Tmlestau. 44 marschirte von da den Fluß hinunter bis zu seinem Zusammenflüsse mit dem Timbo und Chinab, ließ hier eine Schisssbrücke erbauen und führte seine Armee glücklich über den Fluß. Hier fand er einigen Widerstand, der aber, anstatt seine Fortschritte zu hemmen, nur seine Leidenschaften aufregte. Da es ihm an Lebcns-mitteln fehlte, so gab er die große und volkreiche Stadt Tulmu-bim der Plünderung seiner Soldaten preis, befahl, als die Einwohner sich über die Beraubung ihres Eigenthums beklagten, sie alle niederzuhauen und fühlte über diese Niederträchtigkeit weder Scham noch Reue. Aber diese blutigen Scenen waren nur ein Vorspiel zu dem gräßlichen Drama, das dieser unmenschliche Barbar bald aufführen sollte. Von Tmnulbini drang er durch die Provinz Moultan vorwärts, Alles, was sich ihm entgegenstellte, mit Ungestüm zurücktreibend; Bestürzung und Zerstörung gingen vor ihm her, und hinter sich ließ er nur Tod, Elend und Trümmer. Unterdessen hatten sich die streitenden Parteien in Delhi zu ihrer Vertheidigung vereinigt, ihre gemeinschaftlichen Anstrengungen waren jedoch nicht im Stande, der angeerbten Tapferkeit der Tartarcn zu widerstehen. Mahmoud indessen und sein Minister Ecbal ließen sich durch die Furchtbarkeit ihrer Gegner nicht abschrecken, denn als Timur sich der Stadt Delhi näherte, rückten sie ihm mit ihren Truppen entgegen und griffen ihn unerschrocken an, und obgleich am Ende mit großem Verluste zurückgeschlagen, fochten sie doch mit einem Muthe, der ein besseres Schicksal verdient hätte. Während dieser Schlacht hatten einige Gefangene in Timm's Lager eine zwar natürliche, aber unvorsichtige Freude über die Unerschrockenheit und Tapferkeit ihrer Landsleute geäußert, welche ihren barbarischen Ueberwindcr so in Wuth sehte, daß er auf der Stelle den Befehl gab, alle in seiner Gewalt befindlichen Hmdugefangenm, 100,000 an der Zahl, niederzuhauen. Sein Befehl wurde mit einer Schnelligkeit vollzogen, von der die An- 45 nalen der Grausamkeit kein Erempel weiter darbieten. Der moha-medanischeSchriftsteller Scherifeddin sagt darüber: „Sobald dieser Befehl bekannt wurde, führte man ihn aus, und in weniger als einer Stunde wurden hunderttausend Hindu's dem Tode geopfert." „Und doch" — sagt derselbe Autor in seiner Vorrede über Timur — „wollte derselbe keine andere Absicht für seine Handlungen gelten lassen, als die Ehre Gottes, die Verbreitung seiner Religion und das Glück seiner Völker." Am andern Tage, als die Schwerter noch vom Blute des grausamsten Mordes trieften, bereitete sich Timur zu einem allgemeinen Sturme auf Delhi vor. Als dieses von dem wachsamen Ecbal bemerkt wurde, verließ er die Stadt mit dem Kern der Dclhi'schcn Truppen, um dem Feinde eine Schlacht zu liefern, aber die schwelgerischen Delhier, obgleich an Bürgerkriege gewöhnt, Waren mit der Kriegskunst zu wenig bekannt und unfähig, dem wüthenden und wohlgclcitctcn Angrisse ihrer Feinde zu widerstehen. Gcbal that alles Mögliche, um seine Truppen aufzumuntern, und bewies eine Tapferkeit, die seinen Namen unsterblich machte, aber die muthigcn Tartarcn konnten nicht einmal aufgehalten werden, die Hindu's wurden überall geschlagen und mit furchtbarem Gemetzel bis an die Thore der Stadt verfolgt. Da Mahmoud und Ecbal keine Möglichkeit mehr sahen, ihre Hauptstadt länger zu vertheidigen, entwichen sie aus derselben unter dem Schutze der Nacht und entflohen nach Guzcrat, wohin sie durch eine starke Truppcnabtheilung verfolgt wurden, die der von ihrer Flucht benachrichtigte Timur ihnen nachgeschickt hatte. Diese Truppen holten den unglücklichen Mahmoud ein, er bewirkte zwar nach einem kurzen Gefechte seinen Fortzug, aber mit dem Verluste seiner beiden jungen Söhne und einem großen Theile seines Gefolges. Timur hatte unterdessen Delhi in Besitz genommen, und die Unterwerfung der bedeutendsten Großen der Stadt empfangen, die 46 ihm in seinem Lager aufgewartet hatten, und denen er seinen Schutz unter der Bedingung versprochen hatte, baß sie ihm eine Contribution bezahlen sollten, wie das Necht des Ueberwinders sie zu fordern berechtige und seine Armee erwarte. Die Großen bewilligten klüglich eine Forderung, die sie nicht verweigern konnten, und je nach Nang und Reichthum mußten die Einwohner zur Kricgscontribution beisteuern. Während das Löscgeld eingesammelt wmdc, feierte Timur seinen Sieg wie gewöhnlich durch ein prachtvolles Fest, das freilich vom Vlutc der Uebcrwundmcn besudelt wmdc, da nicht nur Männer, welche ihre Familie und ihr Eigenthum gcgm rohe Lust und Barbarei vertheidigen wollten, sondern auch hülflosc Weiber, die selbst die Macht der Schönheit nicht retten konnte, ja schuldlose Kinder ein Opfer der Habsucht und Blutgier wurden. Nämlich die tartari-schcn Ofsicicrc, welche die bestimmten Summen von der Stadt-bchördc in Empfang zu nehmen beauftragt waren, zeigten sich mit den angeordneten Summen, welche einige reiche Einwohner für ihren Antheil zu zahlen hatten, nicht zufrieden, behaupteten, jene hatten ihr Eigenthum versteckt, und erbrachen die Häuser mit Gewalt; die aufgebrachten Einwohner vertheidigten ihre Häuser und hatten das Unglück, einige Mongolen zu todten. Dadurch entstand ein bedeutender Tumult, der dem Timur gemeldet wurde, und dieser gab sogleich Befehl zu einem allgemeinen Blutbade, sah mit rachsüchtigem Vergnügen zu, wie die stolze, prachtvolle Hauptstadt eines großen Reiches geplündert und verwüstet, Paläste und Tempel der Erde gleich gemacht und die Straßen nut zcrstüm-incltcn Körpern der Einwohner angefüllt wurden. Timur, den nur Unwissenheit als einen großmüthigen Helden der Geschichte zu schildern vermag, war in seiner rachsüchtigen Wuth noch nicht gesättigt; den Muselmännern von Delhi vergab er endlich, aber seine feindselige Gesinnung gegen die Hindu's konnte durch keine Unterwerfung und Genugthuung befriedigt werden. — Als er 4? von der berühmten Höhle von Coupcle hörte und von der Anbetung unterrichtet wurde, die ihr das fromme Hinduvolk zollte, begab er sich unverzüglich dahin, und füllte das Maß seiner in Hindostan verübten Verbrechen damit, daß er den heiligen Strom des Ganges mit dem Vlutc der bort zahlreich versammelten, friedlichen Veter und Wallfahrer röthete. Die Felsen von Coupcle, welche am Fuße des Berges Kimalch im westlichen Tibet liegen, bilden eine Höhle, die von den Hindu's heilig gehalten wird, weil der Ganges durch sie hindurch fließt und der Aberglaube ihr die Figur eines Kuhmunbes angedichtet hat, was meine Phantasie aber nicht so leicht finden konnte. Bekanntlich ist die Kuh den Hindu's heilig. (Die Quelle des Ganges befindet sich auf der westlichen Seite des Kcntaisse-Gcbirgcs, im 33. Grade nördlicher Breite; zwei Ströme entspringen an dem Fuße des Berges Kcn-taisse, und nehmen ihren Lauf westlich, stark gegen Norden neigend, mehr als 300 englische Meilen weit, bis sie sich an der Gebirgskette Kimaleh begegnen, sich dann südlich wenden, ihre Gewässer mit einander vereinigen und nun zusammen den Ganges bilden, der jetzt seinen Lauf mit Gewalt durch den Berg Kimaleh bricht, dessen Fuß untergrabend sich durch die Höhle von Coupelc hcrvorstürzt, sich von da gegen Osten wendet, durch daS bergige Land von Sirinaghur fließt und, nachdem er sich einen Weg bei Hurdwar dmch den Berg Scwalik gebahnt hat, sich endlich in die Ebene von Hindostan entleert.) Die Unruhen im nördlichen Asien riefen Timur von diesem unrühmlichen Kriege ab und zu cimm Kampfe, der seinem kriegerischen Talente würdiger war. Die ehrgeizigen Pläne des Sultans Bajazet machten seine Gegenwart m Georgien und Anatolicn nothwendig. Bajazct's Entwürfen Grenzen zu sehen und den Stolz der Ottomanen zu demüthigen wurde von mm an der Hauptzweck seines Lebens. Er eilte nach Samarkand zurück, wo er die Schätze und Trophäen seiner indischen Eroberungen in Verwahrsam 48 brachte, und marschirte dann mit seiner ganzen Macht gcgm Vajazet. Timm ließ keine Truppen in Hindostan zurück, um die eroberten Provinzen zu behaupten, er hatte mehr rauben und zerstören, als unterwerfen gewollt. Das Volk von Delhi, nun keiner Art von Regierung mehr unterworfen, überließ sich allen Lastern und Ausschweifungen, und die unglückliche Stadt war mehrere Monate lang der Schauplatz entsetzlicher Gräuelthaten. In diesem Zustande der Entartung wurden sie von dem Anführer einer kleinen Truppcnbande in Besitz genommen, der aber bald durch den unternehmenden Ecbal, der unterdessen eine zahlreiche Armee zusammengebracht hatte, vertrieben wurde. Ecbal führte zwar den unglücklichen Mahmoud in seine Hauptstadt zurück, gab ihm aber seinen Thron nicht wieder. Wir übergehen hier die bürgerlichen KrKge, welche dadurch hervorgerufen wurden und reich an Abschculich-keiten waren. Die Subahdarcn oder Statthalter der Provinzen des ganzen Reiches machten sich unterdessen von der kaiserlichen Gewalt in Delhi unabhängig, was nach Timur's Eroberung, Mahmoud's Schwache und Ecbal's Verrätherei durch die Umstände begünstigt wurde, durch die freilich, anders angewandt, den Hindu's eine Gelegenheit gegeben wäre, ihre Unabhängigkeit wieder zu gewinnen; ihr Geist wa^aber zu niedergedrückt, ihre Nationalkraft gebrochen. Die Subahbarm wurden Tyrannen der ihnen unterworfenen Provinzen; anstatt durch Verbesserung der öffentlichen Zustände die Mäßigung des beherrschten Volkes zu belohnen, mißbrauchten sie seine Schwäche, um ihre Lasten zu vergrößern und ihre Gefühle zu verwunden, und nicht nur durch muthwillige Kränkung, sondern auch durch die grausamsten Gesetze, welche Willkür und Bosheit nur immer erfinden konnten. Die unüberwindliche Anhänglichkeit der armen Hindu's an Brahma's Lehre unterwarf sie einer systematischen Verfolgung und Grausamkeit. Im Jahre 1443 starb Mahmoud, und mit ihm erlosch der Stamm der Patanm, nachdem er 200 Jahre über Hindostan 49 geherrscht hatte. Die Familie, welche ihm auf dem Throne von Delhi nachfolgte, nannte sich Seids oder Abkömmlinge des Propheten Mahomet, und ihr Stifter, Chizer, nahm, um die Feindschaft der benachbarten mongolischen Fürsten abzulenken, den Kaisertitel nicht an, sondern gab vor, seine Gewalt von Timm empfangen zu haben, und ließ die Münzen des Reiches unter Timur's Namen prägen. Aber ein so leichter Kunstgriff konnte die wachsame Scharffichtigkcit jener Krieger nicht lange täuschen, sie fingen bald wieder an, in Hindostan einzufallen und beunruhigten die westlichen Provinzen noch über dreißig Jahre lang. Die schwache und unglückliche Negierung dieser Scibs endigte durch die Abdankung Alla's, des letzten dieses Stammes, und mit de«,Thronbesteigung Velloli's, eines Afghanen von dem Stamme der Lodi, einem handeltreibenden Volke, das den inländischen Handel zwischen Pcrsicn und Hinbostan betrieb. Belloli war ein großmüthiger, menschlicher Fürst, da ihm aber Kraft und Talent fehlten, in einer stürmischen Zeit das Staatsrudcr mit gehörigem Nachdruck zu führen, so endete seine 38jährige Regierung mit Untergang und Zerstörung. Das Reich wurde 4488 gänzlich zerstückelt, die Gewalt des Kaisers erstreckte sich nur auf die Provinz Delhi und.Msie umgebenden, nächsten Districte. — Bengalen und ValM gehorchten dein Scepter eines musclmännischm Empörers, der den Königstitel angenommen hatte. Die Provinzen des Dcccan's, nördlich vom Flusse Kistnah, hatten sich schon lange unabhängig gemacht und waren nun in fünf mu-sclmännischc Staaten eingetheilt, die unter sich selbst und vom Kaiser völlig unabhängig waren. Obgleich die Monarchen von Delhi ihren Einfluß und ihre Macht größtmthcils verloren hatten, so wurde doch ihre Krone noch immer anerkannt, und Sultan Sccundcr, Bclloli's Sohn, ein unternehmender Fürst, gab ihr einen Theil ihres ehemaligen Glanzes zurück, und würde ihr vielleicht das verlorene Ansehen Van Mykern, Ostindien. I, 4 50 wieder verschafft haben, wenn nicht ein allzufrüher Tod seinen Unternehmungen ein Ziel gesetzt hätte. Er starb zu Agra im Jahre 1509, wohin cr den Sitz seiner Regierung verlegt hatte. Sein Sohn und Nachfolger Ibrahim hingegen verlor wieder Alles, was sein Vater gewonnen hatte, cr machte sich durch seine Eitelkeit ebenso lächerlich, als durch seine Lasterhaftigkeit verächtlich. Die Großen des Reiches wurden unruhig und aufrührerisch, wiederholte Grausamkeiten reizten ihren Unwillen so auf, daß cr sich endlich in einer offenen Empörung Luft machte, die der Tyrann zu unterdrücken im Stande gewesen sein würde, hätten nicht die Aufrührer eine Hülfe an Sultan Vaber, dem mongolischen Fürsten, dessen Staaten zwischen Samarkand und dem InduS lagen, gefunden, welcher auf den Ruf der Hülfe mit einer kleinen, aber auserlesenen, aus Veteranen bestehenden Armee gegen Ibrahim marschirte und ihn in der Ebene von Panniput auf's Haupt schlug. Ibrahim büßte durch den Tob eines Helden hier die vielen Verirrungcn seines Lebens. Sultan Baber nahm Delhi und Agra in Folge seines Siegs ohne vielen Widerstand in Besitz, ließ sich 1525 zum Kaiser von Hindostan ausrufen und stiftete die berühmte mongolische Dynastie, deren Name in Europa gebraucht worden ist, um eine Erzählung damit zu verzieren und ihr Würde zu geben. Sultan Baber stammte in gerader Linie von Timur ab; cr glaubte daher, daß das Scepter Hindostans ihm ebensowohl durch das Recht der Geburt, wie durch das der Eroberung angehöre; es war schon langst sein Wunsch gewesen, den Thron von Delhi zu besteigen, hatte früher bereits vier Male über den Indus gesetzt, um ihn zu erlangen, aber jedesmal zurückkehren müssen, um seine eigenen Staaten gegen die Einfälle der Usbek-Tmtaren zu vertheidigen. — Dieser Monarch lebte nur fünf Jahre, um die Früchte seiner Siege zu genießen, aber in diesen: kurzen Zeiträume unterwarf er sich durch Waffen und durch Milde viele der rebellischen Großen seines 51 Reiches, vereinigte die Provinzen von Allahabad und Oude mit seinen Staaten, und zeichnete sich ebenso sehr durch seine Tugenden, wie Talente, durch Heldenmut!) und Mäßigung, Großmuth, Gerechtigkeit und Duldsamkeit in Ncligionssachcn aus, wodurch er sich die Liebe und Ehrfurcht seiner Hindu-Unterthanen erwarb; er ermunterte durch Freigebigkeit die Künste und Wissenschaften, leistete selbst Manches in der Literatur, worin er den Beifall der gebildeten Aster fand, er zeichnete sich besonders (nach Ferischta) in Poesie und Musik aus, und schrieb Commcntaricn in der mongolischen Sprache mit so viel Eleganz, daß sie allgemein bewundert wurden. Sein ältester Sohn Humajoon, der Gefährte seiner Fcld-züge und Siege und Mitgenosse seines Ruhmes, bestieg den Thron 1530. Er befaß alle Tugenden und viele der kriegerischen Talente seines Vaters, der ihm Vorbild war. Humajoon hatte aber während seiner Laufbahn größeres Unglück und schwerere Prüfnngen zu bestehen, als sein Vater. Nachdem er die reichen Provinzen Guzerat und Malwa im Westen und die von Bengalen und Bahar im Osten unterworfen hatte, deren Vicckönige sich, wie wir früher erwähnt haben, von der Regierung in Delhi unabhängig gemacht hatten, wurde er von einer Art von Verräthcrei bedrohet, die ihm seine angeborene Großmuth nicht hatte voraussehen lassen; seine jüngeren Brüder, eifersüchtig auf seine Macht und neidisch auf seine Größe, schlössen ein Vündniß gegen ihn, das seine brüderliche Liebe weder auflösen, noch seine Macht unterdrücken konnte. Sein großmüthiges Anerbieten, die Hälfte deS Reichs unter die Brüder zu theilen, genügte ihren ehrgeizigen Absichten nicht, und seine äußersten Anstrengungen, ihrc Empörung zu unterdrücken, blieben ohne Erfolg, da ihn auch gleichzeitig der beste Theil seiner Truppen verließ. Er übergab Hindostan seinem Schicksale und begab sich in ein fremdes Land, um einen günstigeren Zeitpunkt zur Wicdcr-bemächtigung scincs Thrones abzuwarten. Mit einigen getreuen 52 Generälen zog er sich nach Persien zurück, wo er von Tamasp Schah, dem damaligen Beherrscher dieses Landes, liebreich aufgenommen und mit aller, seinem Range und seinen Talenten schuldigen Achtung behandelt wurde. Seine Brüder behielten ihre unrechtmäßig erworbenen Staaten nicht lange, sie entzweieten sich untereinander und sehten sich dadurch den feindlichen Angriffen eines afghanischen Anführers aus, Namens Schere, der ihnen Alles wieder entriß, was ihre Treulosigkeit und schändliche Verrätherci erworben hatte. Schere bestieg ihren Thron im Jahre 1542. — Obgleich dieser Usurpator einen unternehmenden Geist und viel Verstand besaß, so gestattete ihm jedoch seine kurze, dreijährige Regierung nicht, seinen neu-eroberten Staat fest zu gründen, und die Blödsinnigkeit, wie Unwissenheit seines Sohnes Sclim und vier anderer Prinzen seiner Familie, die ihm nach einander folgten, bahnten den Weg zu Humajoon's Rückkehr, dessen tapferer und ausharrender Geist eine neunjährige Verbannung ungebeugt hatte ertragen können. Im Jahre 4554 marschirte er an der Spitze einer zahlreichen Armee, die ihm die Freundschaft des persischen Monarchen verschafft hatte, nach Hindostan, im nämlichen Jahre gelangte er wieder in den Besitz seiner Krone durch einen entscheidenden Sieg über die Afghanen und Patanen, den er bei Sirhind erfocht, wo sein Sohn Akbar, der sein 13. Lebensjahr noch nicht erreicht hatte, dieMor-genröthe des glänzenden Geistes entfaltete, der später auf der Höhe des Lebens Glück und Ruhm über sein unermeßliches Reich verbreiten sollte. Akbar's Negierung war die glänzendste und glücklichste in der muselmünnischen Periode Hindostans. Er bestieg nach dem Tode seines Vaters bm Thron 155«, als er kaum vierzehn Jahre alt war, aber selbst in diesem frühen Alter benahm er sich mit einer Klugheit und Würde, die unter den obwaltenden Umständen wenige Beispiele hatten. Sein Vater hatte ihm Byram Khan zum 53 Vormunde verordnet, der während seiner Minderjährigkeit das Amt eines ersten Ministers bei ihm bekleiden sosttc. Byram Khan war ein Mann von großen Fähigkeiten, besaß aber einen grenzenlosen Ehrgeiz und große Herrschsucht. Akbar verstand, trotz seiner Jugend, mit Klugheit die Talente des Ministers zum Nutzen der Staaten zu verwenden, und indem er sein eigenes Ansehen zu behaupten wußte, hielt er Byram's Leidenschaften in Schranken und sehte seinem Ehrgeize Grenzen. Akbar besaß Großmuth, Geist und hellen Verstand; als sein stolzer Minister, welcher nicht zur Unterwürfigkeit geneigt war, sich gegen ihn empörte, besiegte er ihn und vergab ihm dann. Von solchen Gesinnungen beseelt und so reich mit Talenten begabt, war sein ganzes Leben eine ununterbrochene Kette edler und weiser Handlungen; er unterwarf der kaiserlichen Krone alle Provinzen Hindostans von der Mündung des Indus bis zu dem Ausflüsse des Ganges, und drang im Dec-can bis zu dem muselmannischcn Königreiche von Ahmednagur vor, dessen König sich ihm unterwarf und Tribut bezahlen mußte. Akbar eroberte jedoch mehr in der Absicht, das Glück der Ncbcrwundcnen zu begründen, als um seine Macht zu vergrößern. In jeder ihm unterworfenen Provinz bewilligte er den Hindu's unbeschränkte Religionsfreiheit und drängte die muselmannischen Ucbcrgriffc in den indischen Gottesdienst in ihrc Schranken zurück, indem er unparteiische Gesetze gab und eine strenge polizeiliche Ordnung einführte. Seine Institutionen, welche von seinem Geheimschreiber und Historiographen Abul Fazil gesammelt und herausgegeben wurden, beweisen die Regelmäßigkeit, Gerechtigkeit und Klugheit, womit Albar die Civil- und Militairangelcgenhciten seiner Reiche verwaltete. Seine sanfte und gerechte Regierung wahrte 50 Jahre, unter ihr blühetc der Ackerbau, der Handel lebte wieder auf, Künste und Wissenschaften gediehen, die Literatur schritt fort und das Volk genoß endlich bm Reichthum und Frieden, den es so lange entbehrt hatte. 54 Akbar's Tod, der im Jahre 1605 erfolgte, erlaubte den mu-selmännischcn Fürsten des Dcccan's ihre Eroberungen der Halbinsel fortzusetzen und noch einige kleine Ucbcrrcste der alten Hindu-Monarchie von Bcjahnagm zu unterwerfen. Dieser Staat, welcher die ganze Halbinsel vom Flusse Kistnah bis zu dem Vorgebirge Comorin enthalten hatte, widerstand den vereinigten Angriffen bis zum Jahre 1565, wo er in der Schlacht von Tcllecotah, worin Ram Najee, sein Monarch, den Tod fand, erobert und unterworfen wurde. Obgleich damals das Königreich Veiahnagur aufgelöst wurde, so behielten doch seine südlichen Provinzen Mysore, Vidmorc, Ginjce, Tritchenapoli, Tanjore und Madura ihre Unabhängigkeit bei; die Naik's oder Statthalter dieser Provinzen nahmen die Titel und Würden unabhängiger Fürsten an. — Die Staaten von Travancorc, Cochin, Culicut und Coorg, auf der malabarischm Küste gelegen, die seit undenklichen Zeiten den Königen von Bejahnagur zinsbar waren, erhielten bei dieser Gelegenheit ebenfalls ihre Unabhängigkeit. Die Völker dieser Staaten, an die Sitten der muhamedanischen Kaufleute von Arabien gewöhnt, die sich wählend des zehnten Jahrhunderts unter ihnen niedergelassen hatten, fürchteten die Annäherung der muselmänm-schm Fürsten des Deccan's um so weniger, als sie damals die Hülfe mächtiger Verbündeten nöthig hatten, um die Anmaßungen der Portugiesen zurückzuweisen, die unter Anführung tapferer und kluger Officierc einen beständigen Krieg gegen sie führten und deren Macht eben den höchsten Grad erreicht hatte. Dieses war der politische Zustand von Indien, im Anfange des 17. Jahrhunderts, als Englands Flagge zum ersten Male an seinen Küsten erschien. Drittes Kapitel. Geschichte des ostindischcn Handels und des Verlchrs Hindostans zunächst mit t>cn osl-cinopaischc« Nationen. Wir habm schon früher einige Bemerkungen über den Handel gemacht, der zwischen dein alten Indien und Persicn, Syrien und Egyptcn betneben wurde. Der inländische Handel mit Persien, obgleich öfter durch den Fanatismus der Muselmänner und die Einfälle der Tartarcn unterbrochen, hat die Stürme überlebt, die ihn während einer langen Nrihe von Jahren bedrohten, und blüht immer fort. — Der alte Handel mit Syrien zerfiel mit dem sinkenden Geiste seiner Einwohner und wurde endlich unter Palmira's Nuinen begraben, ungefähr 20(1 Jahre nach der Eroberung dieser berühmten Stadt und der Unterjochung des syrischen Reichs durch den römischen Kaiser Aurelian. Der Handel mit Ogyptcn, der zuerst durch die weisen Plane und die unternehmende Politik Alexander's auf eine feste und ausgedehnte Grundlage gebracht war, wurde mit den nämlichen Grundsätzen, aber größeren Erfolgen unter der Dynastie der Pwlomäcr betrieben. Nach der Eroberung dieses Landes durch die Nömcr unter Augustus fiel der indische Handel mit in ihre Hände. Die kostbaren Waaren des 50 Orients, die sic so hoch schätzten, hatten sie lange Zeit nur durch Umwege empfangen, aber da sie nun selbst das Gebiet besaßen, von dem die übrigen Völker diese schätzbaren Probuctc empfingen, so belebten sie diesen Handel durch ihren großen Unternehmungsgeist. Unter dem wohlthätigen Einflüsse der Nö'mer vergrößerte er sich mit einer Schnelligkeit, die dem Eifer, womit er betrieben wurde, völlig entsprach. Die Verbesserungen m der Schiffsbaukunst und Echifffahrt, die aus diesem Eifer entsprangen, sowie die Entdeckung von der Periodicität der Winde erleichterten diesen Verkehr zwischen beiden Ländern bedeutend, und machten die Nci-sen nach Indien weniger gefahrvoll und zeitraubend. Deßhalb faßten auch die Seeleute, die im Dienste des indischen Handels auf dem rothen Meere gebraucht wurden, Zutrauen, verließen den alten Weg längs den Küsten von Arabia Felir, wagten einen geraden Weg zu nehmen und steuerten von der Meerenge von Babclmandcl über den indischen Ocean gerade auf die Küste von Guzcrat und Malabar zu. — Hippalus, der Commandant eines Handelsschiffes, hat das Verdienst, diesen neuen Weg entdeckt zu haben. Seine Entdeckung wurde mit vollem Rechte für so wichtig gehalten, daß man dem periodischen Winde, der ihn in den Stand setzte, diese Neise zu vollenden, seinen Namen gab. Von diesem Zeitpunkte an bis zum Verfalle des weströmischen Reiches wurde der Handel mit Indien durch den neuentdeckten Weg mit vermehrter Thätigkeit und großem Glücke fortgesetzt; eine Flotte, von 420 Schiffen segelte jährlich von Myos Hormos, einem Hafen am rothen Meere, nach den Häfen von Musiris und Vorace (von Etrabo und Plinius so genannt, sind sie wahrscheinlich die Häfen von Meerjce und Varcelorc auf der malabarifchen Küste), und von dort nach der Insel Ceylon, die das gewöhnliche Endziel ihrer Reise war und daher einer der Hauptmärkte Indiens wurde. Auf diesen Markt brachten die Kaufleute von Bengalen, 57 Orissa, dem Carnatik und den östlichen Inseln ihre feinen Stoffe und die kostbarm Erzeugnisse der indischen und chinesischen Ma-nufacturm, und verkauften sie hier mit großen: Vortheile gegen Silber und Gold, womit die Nömcr hauptsächlich ihre Einkaufe bezahlten. (Minius hat berechnet, daß Nom alle Jahre eine Summe Silber und Gold, die jetzt einen Werth von 800,000 Pfd. Sterling haben würbe, nach Indien sandten.) — In den Monaten December und Januar segelten die römischen Flotten von Ceylon nach Egyptm zurück, beladen mit Seidenstoffen, Monssclin, Gewürzen, Perlen und Edelsteinen; zu Myos Hormos wurde ihre kostbare Labung an's Land gebracht, auf Kameelen nach Coptos befördert und von hier auf Böten den Nil hinunter nach Aleran-dricn geführt. Der Handelsverkehr war allem Anscheine nach zwischen Nom und Indien sehr ausgebreitet, obgleich der daraus entspringende Gewinn zu Gunsten der Hindu's war; denn da die Nömcr nur Geld für Gegenstände deS Lurus gaben, dieses Geld aber aus Mangel eines gegenseitigen Warenaustausches nicht zurückkehrte, so mußte dieser Handel mehr oder weniger die Hülfs-qucllen des römischen Volkes erschöpfen. Doch scheint es, nach verschiedenen Umständen zu urtheilen, welche Plinius anführt, dasi der Reichthum des Staates durch diesen Handel wenig vermindert worden sei, obgleich derselbe ohne allen Zweifel dazu beigetragen hat, die Fortschritte der Sittcnvcrdcrbniß in einem lmu-riös ausgearteten Volke zu beschleunigen. Dahingegen kann aber vom höheren Gesichtspunkte aus der große Nutzen nicht verkannt werden, den dieser Handel im Allgemeinen bewirkte. Der Handel ist immer das vorzüglichste Culturmittcl. Es diente ja auch der indische Handel in dem rohen und unwissenden Mittclalter dazu, den daran Theil nehmenden Nationen Europa's sanftere Sitten einzuflößen und sie zu unterrichten, und in neueren Zeiten nährte er den Unternehmungsgeist, machte weit von einander entfernte Länder mit einander bekannt, tauschte Sitten, Gebräuche, Künste, 58 Wissenschaften und Natur aus und erweiterte den Vlick über das Ganze der Erde und des Lebens. Nachdem die Hauptstadt des römischen Reiches nach Constan-tinopel verlegt und das weströmische Reich dadurch in Verfall gekommen war, scheint der Handel mit Indien durch Ggyfttcn und das rothe Meer sich sehr vermindert zu haben. Die Ursache davon war aber nicht eine verminderte Vorliebe des römischen Volkes für die indischen Probucte, sondern vielmehr eine sehr große Anhäufung von Reichthümern seitens der alerandrinischm Kaufleute, die sie unfähig machte, ihrem Handel diejenige Aufmerksamkeit zu widmen, die er fordert, wenn cr blühen soll. Zur Zeit dieser Vernachlässigung bei den Egyptcrn bekamen die arabischen Handelsleute, welche schon lange Nebenbuhler der Egypter in der Schifffahrt auf dem rochen Meere und im indischen Handel gewesen waren, einen neuen Sporn für ihren Unternehmungsgeist durch Annahme des muhamedanischen Glaubens. Einer der Hauptgrundsätze dieser Religion befiehlt ihren Anhängern, die Lehren des großen Propheten mit einem Eifer zu verbreiten, der der Hoffnung, durch denselben selig zu werden, entspricht, und dem jedes Mittel der Klugheit oder Gewalt gestattet ist. Daraus entsprang die Begeisterung, womit die Araber nunmehr den indischen Handel betrieben, einen Handel, der ihnen sowohl die Hoffnung auf Bereicherung darbot, als auch die Gelegenheit, ihre Religion zu verbreiten. — Sie rüsteten deßhalb jedes Jahr mehrere Flotten guter, wohlbcmannter Schiffe aus, welche ausschließlich für den indischen Handel bestimmt waren. Nachdem sie sich die Zuneigung derHindu-sürsten von Malabar sowohl durch ihren Handclscifcr, als auch durch ihre einnehmenden Sitten erworben hatten, erlangten sie die Erlaubniß, sich als Kaufleute in einigen ihrer Seestädte häuslich niederzulassen/ Der Zam or in/) Rajah von Calicut, begünstigte sie beson- ") Zamorin, oder Sam or in, eigentlich Samudriya . Rilja, heißt Kömq am Qccaii, Küstcusiirst. Nuniert. d. Hercnisgeb. 59 ders sehr; einige arabische Geschichtsschreiber (z. B. Kerul-Ood-puttee, Zaireddin-Mukhdom, Khondcnur, Tohuffut-al-Muiahcd) behaupten sogar, er habe sich selbst zu ihrer Religion gewendet, 'Z dieselbe angenommen, und ihre Derwische, welche ihre arabischen Kaufleute nach Malabar begleitet hatten, hätten den Zamorin bewogen, mit ihnen nach Mekka zu ziehen, um seine Gebete am Fuße der Caaba zu verrichten. Er soll in Mekka gewesen und nach seiner Rückkehr gestorben sein, und, wie die genannten Autoren behaupten, Briefe an die Nair's hinterlassen haben, in denen er ihnen mit Eifer empfiehlt, den Islamismus anzunehmen. In wie weit diese Behauptung wahr ist, das zu erforschen hat weiter keine Bedeutung, es genügt aber, daß die Möglichkeit, ein Hindufürst könne seiner Religion untreu werden, im entschiedensten Widersprüche steht mit den gesammten Thatsachen und der bekannten strengen Anhänglichkeit aller Hindu's an ihren Glauben, wodurch die höheren Klassen sich zu allen Zeiten bemerkbar gemacht haben, und da dieses einzige Beispiel eines Hindufürstcn nur von muselmänni-schm Schriftstellern erzählt wird, und zwar im Gegensatz gegen alle anderen historischen Nachrichten, so müssen wir die Bekehrung des Zamorin's für eine Erfindung halten, die von dem Vckehrungs-cifcr der Moslim's zur Förderung ihrer Absichten erdacht worden ist. Es ist aber gewiß, daß, wenn auch die arabischen Derwische diese mächtige Unterstützung nicht erhielten, ihnen doch nicht die geringsten Hindernisse in den Weg gelegt wurden, um ihre Religion in den malabarischm Staaten zu verbreiten. Ebenso vorsichtig, jede Verletzung der religiösen Vorurthcilc der Hindu's zu vermeiden, als eifrig ihre eigenen zu verbreiten, beförderten die Araber ihre Zwecke, und durch diese Politik und den gewährten Schutz erweiterten sie ihren Handel und erwarben sich schnell Reichthümer. Ihre erworbene Macht fühlend und durch die toleranten Grundsätze der Hindureligion ermuntert, bauetcn sie sich eine Moschee in Corrigalorc im 2l. Jahre ihrer Hejirah (642), wo 60 sich ihre Derwische niederließen. Sowie ihre Reichthümer sich vermehrten, errichteten sie Moscheen in den verschiedensten Theilen Malabars, bis sie nach Verlauf eines Jahrhunderts, während sie mehrere Tausend Proselytcn unter den ausgcstoßcncn Hindu's gemacht hatten, die Aufmerksamkeit der Najah's in den von ihnen bewohnten Provinzen auf sich zogen und deren Eifersucht erregten. Das Mißvergnügen dieser Fürsten über die wachsende Macht der arabischen Kaufleute wurde insgeheim von den Juden und Christen angefacht, die sich lange schon in Malabar niedergelassen hatten und deren Widerwille gegen die Muselmänner ebenso sehr aus kaufmännisch ein Neid wie aus Neligionshaß entstanden war. Der Zamorin hingegen fuhr fort sie zu schützen, und ungeachtet der Feinde, welche ihnen ihr Wohlstand zuzog, arbeiteten sie klug fort an Ausdehnung ihres Handels und ihrer Religion. Die sanften Sitten der Hindu's und der tolerante Geist, welcher dic Brahminen belebte, waren wohl geeignet, muhamedanische Eiferer sowohl wie arme Flüchtige von den nördlichen Gegenden Asiens anzulocken und ihnen das Land zu öffnen; deßhalb hat das hindostanischc Reich vom 8. Jahrhundert an das sonderbare Schauspiel dargeboten, daß alle verschiedenen Arten von Gottesdiensten, die unter den gesitteteren Nationen üblich sind, hier nebeneinander ausgeübt wurden. In einigen malabarischen Städten sieht man neben den Hinbutemfteln Moscheen, Synagogen und christliche Kirchen des römisch-katholischen, griechischen, armenischen und protestantischen Glaubens. Wir wollen nun auch kurz den Weg bezeichnen, auf welchem die christliche und jüdische Religion in das Volk der indischen Halbinsel eingedrungen sind. Daß der Apostel St. Thomas das Evangelium in Indien gepredigt hat, scheint uns gewiß zu sein, denn dieses ist nicht allein durch mündliche Ueberlieferung, sondern auch durch glaubwürdige Geschichtschreiber verbürgt, namentlich durch Eusebius. —Es scheint 61 nach Sokrates (Histor. sool.), daß die Apostel vor ihrer Trennung unter sich verabredet hatten, in entgegengesetzte Richtungen zu wandern, jeder von ihnen hatte einen besonderen Theil der damals bekannten Welt für sich gewählt, um das Evangelium zu predigen. Die ausgedehnten Provinzen des parthischcn Reiches, die das zwischen den Flüssen Guphrat und Tigris gelegene Land umfaßten, wurden dem St. Thomas zu Theil, wohin er sich auch begab und von wo er nach Indien gegangen sein soll. — Um dies noch mehr zu bestätigen, erzählt Eusebius, daß St. Pantc-nius, von evangelischem Eifer beseelt, im Jahre 317 eine Reise nach Ostindien gemacht, dort mehrere Eingeborene in der christlichen Lehre sehr wohl unterrichtet gefunden und bei ihnen eine hebräische Abschrift des Evangelium St. Matthäi entdeckt habe. Diese eingeborenen Christen sagten ihm, sie hatten dieses heilige Buch von St. Bartholomäus empfangen, der einige Zeit unter ihnen gelebt habe. Es ist aber gewiß, daß St. Bartholomäus das Christenthum in Aethiopicn gepredigt hat, und mir daher sehr wahrscheinlich, daß die Erzählungen derjenigen cgyfttischen Kaufleute, die wahrend ihrer Reisen auf dem rothen Meere nach den malabarischen Küsten öfters die Häfen von Aethiopicn besuchten, ihn bewogen haben, sie nach Indien zu begleiten. Aus allen diesen Zeugnissen dürfen wir annehmen, daß die christliche Religion während des ersten und zweiten Zeitalters der Kirche in Indien eingeführt worden ist, und also mehr als 300 Jahre vor der Verbreitung der ncstorianischcn Lehre. Die ccclestastischc Geschichte erwähnt eines merkwürdigen Um-stanbes, der die Zweifel erklärt, die über den Apostel St. Thomas gehegt worden, und weßhalb mehrere historische Schriftsteller ihn für einen Betrüger desselben Namens gehalten haben. — Nach dem dritten Jahrhundert war man so allgemein überzeugt, daß St. Thomas das Evangelium in Indien gepredigt habe, daß der berüchtigte Man es, der sich für einen zweiten Messias ausgab 63 und sich eigene Apostel ausgesucht hatte, einen von diesen nach Indien sandte, welcher ebenfalls Thomas hieß, in der Hoffnung, es werde dieser mit dem echten Jünger des Heilands verwechselt werden. Pantmius begab sich nach Indien, namentlich in der Absicht, die Irrthümer aufzuklären, welche die Sendung dieses Pseudoapostels unter den eingeborenen Christen in Indien verursacht hatte. Ungefähr fünfzig Jahre nach dieser Mission des Pantenius in Indien ernannte im Jahre 3W St. Athanasius einen gewissen Trumentius zum Bischof von Indien, wo er sich sehr lange aufhielt und die christliche Lehre von vielen tausend Seelen geglaubt und ausgeübt fand. Nach Trumentius' Zeiten haben wir keine glaubwürdigen Nachrichten mehr von den Fortschritten des Christenthums in Hindostan, aber es scheint nach den Erzählungen Cosmo's, eines egyptischm Kaufmannes, der den größten Theil von Indien bereiset hatte, ziemlich gewiß, daß der Reichthum und Ginfluß der Christen in Hindostan im Laufe des fünften Jahrhunderts sich vermehrt haben mußte, denn jener Kaufmann erwähnt in seinen Reiseberichten, daß er im Jahre 530 in den südlichen Provinzen der Halbinsel eine grosic Anzahl christlicher Kirchen, mehrere Bischöfe und eine unzählige Menge Ordensgeistliche, Cin-siedler und Wcltgeistliche angetroffen habe. Die kostbarm Erzeugnisse Hindostan's waren von allen Nationen des Alterthums mit großer Begierde gesucht — diese hatten ihnen den Wunsch erweckt, sich einen Weg nach jenem gerühmten Lande zu eröffnen und dessen Märkte persönlich besuchen zu können. Unter diesen Nationen hatten sich die Juden schon lange durch ihre Vorliebe für den Handel ausgezeichnet; obgleich, als Nation betrachtet, ihre Handelsoperationen nicht sehr ausgebreitet waren, so hegten doch viele ihrer Kaufleute die ausgedehntesten und gemeinnützigsten Absichten über diesen Gegenstand. Nach dem Sturze ihrer theokratischcu Regierung und der Zerstörung Jerusalems durch 53 Nebukadnezar, König von Assyrien, im Jahre 588 vor Christi Geburt, siehctcn viele ihrer Kaufleute ihren Ueberwinder um seinen Schutz an, weniger von ihm, als von ihrem eigenen, lasterhaften Tyrannen Iehojatim unterdrückt, und begleiteten ersteren nach Babylon. In dieser volkreichen und blühenden Stadt zeichneten sich die Juden bald durch ihre Handelskcnntnissc aus, sowie durch die unermüdete Betriebsamkeit, die sie dem Handel widmeten. Aufgemuntert in ihrm Bemühungen durch den Beifall ihrer neuen Mitbürger und unterstützt durch den Schutz des Monarchen, häuften sie bald Reichthümer an und erlangten Einfluß. Der beständige Verkehr, der in diesen Zeitperiodm zwischen Babylon und den Hauptmarken von Invien stattfand, setzte sie in den Stand, Antheil an diesem einträglichen Handel zu nehmen. Von dieser Zeit an vermehrten sich die babylonischen Juden außerordentlich, und viele jüdische Familim ließm sich in den verschiedenen Handelsstädten Syriens und PersienS nieder, wo sie sich an den: Handel bethciligten, der zwischen diesen Städten und der malabarischcn Küste geführt wurde. Indessen hat man keine bewährten Nachrichten von der Periode, in welcher sie sich zuerst nach Cochin und Eranganore begaben und dort häuslich niedergelassen haben. — Wenn wir ihren eigenen Berichten trauen dürfen, die noch gegenwärtig in der Synagoge zu Cochin aufbewahrt werden, deren Kcnntm'ßnahmc mir möglich wurde und in hebräischer Sprache auf kupferne Tafeln eingcgrabm sind, so müssen sie gegen das Ende der Regierung des Königs Nebukadmzar's in Malabar angekommen sein; ihre Anzahl soll ungefähr 2000 Seelen betragen haben, und sind von dein damaligen Zamorin sehr gütig aufgenommen worden, indem er ihnen freie Ausübung ihrer Religion gestattete. Dadurch aufgemuntert kauften sie sich Land und baue-tm eine Synagoge, und eine ihrer Weisheit wegen geschätzte, reiche Familie aus ihrer Mitte wurde gewählt, die neue Colonk zu regieren. 64 Das hier Mitgetheilte aus diesen jüdischen Nachrichten kann als wahr angenommen werden und stimmt auch ganz übcrcin mit der Gastfreundschaft und Gutmüthigfeit der Nair's, worüber ich schon vorhin geschrieben habe. Das allgemeine Zeugniß persönlicher Nachforschungen hat mich auch genugsam überzeugt, daß, bevor die in Cochin angesehenen Juden später von den Portugiesen unterdrückt und verfolgt wurden, sie eine Gesellschaft betriebsamer Kaufleute gebildet haben, achtungswcrth durch ihr friedliches Be--tragen, ihre Anzahl und ihren Reichthum. Da ihnen aber die Mittel fehlten, sich von den Verlusten zu erholen, die sie durch die , unerbittliche Feindseligkeit ihrer Unterdrücker erlitten, so gcricthen ^ sie allmälig in Verfall und sanken endlich zu unbedeutenden Krämern herab, ohne Credit und Vermögen. Diese kurze Abschweifung auf die Einführung der christlichen und jüdischen Religion in Hindostan lag in der Natur des Gegen-M' standes selbst begründet; ich kehre nunmehr zu der Geschichte des Handelsverkehrs zurück, der vor der Entdeckung der Durchfahrt um das Vorgebirge der guten Hoffnung zwischen Europa und Indien stattfand. Es ist schon bemerkt worden, daß der Verkehr zwischen Indien und dem römischen Reiche durch daö rothe Meer in Verfall gcrieth, bald nachdem der Sitz der kaiserlichen Regierung von Rom nach Constantinopcl verlegt war, und daß der egyp-tische Handel noch mehr durch den Wetteifer ihrer mächtigen und unternehmenden Rivalen, der Araber, litt. Diese Verhältnisse wirkten auf den egyptischen Handel zu derselben Zeit, wo Ueppigkeit und träge Unthätigkeit der Egyptcr selbst den Verkehr erschlafften. -^ Es wäre die Wiedererweckung eines kühnen, unternehmenden Geistes unter den Kaufleuten, der sie zu großen Anstrengungen anspornte, dieselben durch Klugheit leitete und vom Einfluß der römischen Regierung unterstützt gewesen wäre, nothwendig geworden, um dem gänzlichen Verfalle vorzubeugen, aber 65 nicht einmal der Stachel des eigenen Intereresfes konnte die egyp-tischen Kaufleute zur Wiederbelebung jenes Geistes anreizen, und ihre Herren, die üppigen Römer, waren ebenso unfähig dazu, da sie sich um den Handel mit Indien durch das rothe Meer wenig mehr kümmerten, namentlich da sie jetzt mit den Productm jenes Landes auf einem geraderen, wohlfeileren Wege versehen wurden. Die Perser, welche in früherm Zeiten wenig Vorliebe für den Seehandel gezeigt hatten, scheinen dessen Werth und Wichtigkeit bald nach der Zerstörung des parthischen Reiches erkannt zu haben; sie lernten von den Hindukaufleuten, die mit ihren kleinen Küstenfahrzeugen schon lange einen einträglichen Handel in den >, Hafenstädten des persischen Meerbusens trieben, wie leicht und '^ -sicher eine Reise von ihren Hafen nach der malabarischen Küste und Ceylon gemacht werden könne, sie besaßen Unternehmungsgeist genug, um diesen Vortheil zu benutzen, nebst hinreichendem Scharfsinn, um die großen Handelsvorthcile zu berechnen, die ihnen aus 'H? dem unmittelbaren Verkehre mit Indien entstehen würden. Daher sandten sie von nun an alle Jahre, zu Anfang der nördlichen periodischen Winde, Handelsschiffe nach den verschiedenen malabarischcn Seehäfen; diese Schiffe erreichten gewöhnlich ihren Bestimmungsort in 9—10 Wochen. Nachdem sie gemünztes Geld und einige Erzeugnisse des eigenen Landes gegen die kostbaren Producte der indischen Halbinsel und gegen chinesische Waaren, die sie sich in Ceylon verschafften, umgetauscht hatten, kehrten sie mit dem Anfange der südlichen Passatwinde in ihre Hcimath zurück. Wenn sie im Vuphrat ankamen, wurden ihre Ladungen auf bedeckte Böte gebracht, dann diesen Fluß und den Tigris hinauf nach den beträchtlichsten Handelsstädten Assyriens und Mesopotamiens geführt, von wo sie in das ganze persische Reich vertheilt wurden. Durch diese Straße wurden die schwelgerischen Einwohner Constantmoftcls mit den Manufacturm und Erzeugnissen Hindostans im Ucbcrftussc versehen. Dieser Umstand, in Van Mökein, Ostindien, i. 5 66 Verbindung mit den vorhin erwähnten Ursachen eigener Schuld, zerstörte den egyfttischen Handel mit Indien beinahe ganzlich. Im Lauft des sechsten Jahrhunderts befand sich der gesammte indische Handel in den Händen der persischen und arabischen Kaufleute; die ersteren aber besaßen durch die geographische Lage ihres Landes viele wichtige Vortheile über ihre Nebenbuhler voraus, die dafür um so thätiger waren; die Vortheile wurden indessen von den Persern gut benutzt, und bald fiel auch der Seid en Handel in ihre Hände. Sie kauften alle rohe Seide von den indischen Märkten auf, ein Handelsartikel, dm die Kaufleute von Ceylon seit den frühesten Zeiten aus China eingeführt hatten; die häufigen Kriege zwischen den Persern und den Kaisern von Constantinopel gaben den ersteren einen Vorwand, die Caravanen anzuhalten, durch die Manufacture« und Produtte von China durch die Tartarci nach Griechenland gebracht wurden, die Griechen sahen sich deßhalb genöthigt, alle kostbaren Producte des Orients von ihren Feinden zu kaufen, die sich dafür theuer bezahlen ließen. Nachdem Kaiser Justinian verschiedene Versuche ohne Erfolg gemacht hatte, seine Unterthanen von diesen Erpressungen zu befreien, welche ihnen von den Persern auf eine ebenso ungroß-müthigc, wie unpolitische Art auferlegt wurden, erreichte er endlich ganz unerwartet seinen Zweck durch ein sonderbares, unvorhergesehenes Ereigniß. Zwei Mönche von der nestorianischcn Secte, die als Missionäre nach Indien und China gesandt worden waren, hatten den Seidenbau und die Behandlungsart des Scidmwmms während ihres Aufenthalts in China genau beobachtet, und nachdem sic sich die Kenntniß von der Methode verschafft hatten, durch welche das Gcspinnst des Seidenwurms zu den herrlichen Stoffen verarbeitet wird, die man in Europa bewunderte, begaben sie sich nach Constantinopcl zurück und theilten Justinian ihre wichtige Entdeckung mit. Dieser Politische Monarch, der die Handcls-vortheile voraussah, die aus dieser Entdeckung entstehen würden, s,7 ermunterte die bcidm Mönche, nach China zurückzukehren, und sich jene merkwürdigen Insccten zu verschaffen, deren Erzeugniß nicht nur den Lunls befriedigte, sondern auch den Handel förderte. Nach wenigen Jahren kehrten die Mönche zurück, und brachten die Eier der Seidenraupe in einen: hohlen Stocke mit. Man brütete diese Gier durch die Hitze eines Misthaufens aus, und ernährte die Rauften mit den Blättern des Maulbeerbamms; man besoldete Leute, sie zu besorgen; die Thiere vermehrten sich schnell und erfüllten die Erwartungen des Kaisers gänzlich. Nunmehr wurden im Peloftonnes und in einigen der griechischen Inseln weitläufige Seidenmanufacturcien errichtet; die Einwohner des griechischen Kaiserreichs brauchten nun nicht mehr ihre Seidenstoffe von den Persem zu kaufen, die chinesische Seide selbst fiel eine Zeit lang auf den europäischen Markten im Preise; es brachte dieser neue Handelszweig, bei der allgemeinen Armuth, welche unter Justinian's Regierung in allen seinen Staaten herrschte, einen großen Umschwung in den europäischen Verkehr mit Indien. Viele kleine, untergeordnete Umstände und Ursachen lenkten allmälig den Handelsverkehr Europa's mit dem Oriente auf die Bahn, welche die beiden mönchischen Missionäre aufgefunden und bezeichnet hatten. Gegen das Ende des sechsten Jahrhunderts hatten die Perser sich des ganzen indischen Handels bemächtigt, und unter der weisen Regierung ihres Kaisers Nuschirwan oder Chosro^s einen gewaltigen Vorsprung im Handel sowohl wie in der Kriegskunst erlangt; zwar schte die überlegene Kunst Krieg zu führen, und der persönliche Muth des großen Bclisar ihren Weiteren Eroberungen Grenzen, aber die constantinopolitamschen Kaufleute, deren Wohlstand durch die Erpressungen Justinian's gelitten hatte, waren doch nicht fähig, mit ihren mächtigen und reichen Nebenbuhlern zu concurrire,:, wo es sich um einträgliche Hanbelsspcculationm handelte. Ungeachtet des überwiegenden Persischen Handelseinflusscs wurden doch immer noch indische 68 Producte durch das rothe Meer nach Egypten geführt, von wo sie ihren Weg nach Italien und Griechenland fanden, aber im Laufe des folgenden Jahrhunderts traten Ereignisse ein, welche die Völker Europa's von allem Verkehr mit Indien ausschlössen. Es ist früher schon bemerkt worden, daß Mahomed's neue Lehre unter den Arabern einen heftigen Geist hervorrief, der sich in einer Mischung von religiöser Schwärmerei, kriegerischem Unternehmungsmuthe und Handelslust charakterisirtc. Nach dem Tode des Propheten wurde dieser Geist durch den tapfern Omar, seinen Nachfolger, unterhalten, und dieser marschirte mit einer großen Anzahl seiner Muselmanner nach Pcrsien und unterjochte es nach einigen Jahren. Der indische Handel fiel nun ganz in die Hände der Muselmänner, die ihn mit demselben Eifer und gleicher Thätigkeit betrieben, wie die Perser, und um ihm jede mögliche Aufmunterung zu geben, errichteten die Ealyphen den Hafen von Bassora auf dem westlichen Ufer des Schat el Arab (so wird der vereinigte Tigris und Gufthrat genannt), in gleicher Entfernung zwischen dem Zusammenstuß beider Ströme und ihrem gemeinschaftlichen Ausflüsse in den persischen Meerbusen. — Unter dem Schuhe der thätigen Calyphcnregierung vermehrte sich der persische Handel mit Indien und blühte. Aber indem sie sich mit dem Gewinne, der ihnen aus dem Verkaufe indischer Erzeugnisse in ihren eigenen ausgebreiteten Staaten erwuchs, begnügten, bekümmerten sie sich wenig darum, diese Güter durch die gewöhnlichen Kanäle nach Syrien zu senden, und wurde nach der Eroberung dieses Landes nebst Egyfttm, unter dem Calyphcn Amron (im Jahre 639) den Handelsmännern von Alcrandricn aller Verkehr mit den Unterthanen des byzantinischen Reiches untersagt, und zwar in Folge der Erbitterung, welche zwischen Griechen und Muselmännern herrschte. Die Völker Griechenlands und Italiens sahen sich da-dmch der indischen Erzeugnisse und Waaren beraubt, deren Genuß ihnen unentbehrlich geworden war. Da aber der erfinderische 69 GeniuS des Menschen immer mit seinen Bedürfnissen Schritt hält, so fanden die Handelsleute von Constantinopel bald Mittel, einen neuen Verkehr mit dem Orient zu eröffnen, durch den sie sich die meisten und kostbarsten Erzeugnisse desselben zu verschaffen suchten. Dieses Nntcmchmcn wurde aber nicht ohne große Schwierigkeiten und beträchtliche Unkosten verwirklicht. Die Missionäre, welche die Scidcnwürmcr nach dem griechischen Staate gebracht hatten, wurden bald der Ueberzeugung, daß die Producte von China und Hindostan auf den Märkten von Amol und Urlenje gekauft werden konnten, zwei Städten, die auf dem westlichen Ufer des Flusses Orus im Lande Karasm lagen; einige der unternehmendsten Handelsleute von Constantinopcl sandten Agenten nach diesen Märkten, denen es gelang, einen neuen Handelswcg zwischen China, Hindostan und Europa ausfindig zu machen. In Amol und Urkenjc nämlich wurden die Waaren aus dem Orus eingeschifft und nach dem caspischen Meere hinuntcrgcführt, dann quer über dasselbe in den Fluß Cyrus und diesen hinauf, so weit er schiffbar ist, weiter gefördert, hier eingeschifft und durch einen kur-zcn Transport über Land an die Ufer des Flusses Phasis gebracht, auf diesem w^der eingeschifft, der sie nach einigen Tagen in das schwarze Meer trug, wo sie endlich dann Constantinoftcl erreichten. — Die Nachtheile und Gefahren, welchen man auf diesem anschn< lichen Umwege ausgesetzt war, blieben groß und forderten viele Opfer, aber der Eifer der beharrlichen Handelsagenten überwand alle Hindernisse und verachtete die Gefahren. Auf diesem neuen Wege wurde der byzantinische Handel mit Indien erneuert, und der zwar kurzdauernde Aufschwung, der dadurch geweckt wurde, verspätete, sowohl durch den gestörten Vollsgeist, wie durch den Reichthum, das bevorstehende Schicksal dieses dem Untergänge sich nähernden Reiches. Während mehr als zweihundert Jahren war der eben angezeigte Weg der einzige für den Handelsverkehr der europäischen 70 Völker mit dem Orient; in dieser Zeitfteriode (im 8. und 9. Jahrhundert) hatten die Muselmänner sowohl durch den Einfluß ihres Handels als die Gewalt der Waffen ihre Religion von dem atlantischen Meere bis zum stillen Ocean ausgebreitet; alle Nationen auf der nördlichen Küste von Afrika, von dem Delta von Ggyftten bis zu den Hcrkulcssaulcn, nebst dem größten Theile von Spanien hatten sich den Saracenen unterworfen, und die muhamedanischm Kaufleute, die sich in Malabar niedergelassen hatten, dehnten ihre Handelsreisen bis nach Bengalen, Pegu, Siam, einigen Inseln des östlichen Archipelagus und selbst bis China aus; die durch diesen Handel erworbenen Reichthümer verbreiteten sich nach und nach durch die großen, ausgedehnten Gebiete der Calyvhcn, aber die beständigen Kriege zwischen ihnen und den Christen verhinderten die Völker in Italien und Griechenland einigen Nutzen daraus zu ziehen. Im Anfange des 40. Jahrhunderts, als der Reichthum der Fatimitischcn Calyphcn dieselben bewogen hatte, die Stadt Cairo zu erbauen, und der Reichthum EgyptmS unermeßlich geworden war, blieben die Seehafen dieses Landes, wie die von Syrien, den Handelsleuten von Europa immer verschlossen. Dieses Monopol des indischen Handels und der daraus entspringende Wohlstand der Moslems wurde von den griechischen und italienischen Kaufleuten nicht mit derjenigen Gleichgültigkeit betrachtet, die man hätte von ihrem ausgearteten Charakter erwarten können; durch den schon erwähnten Verkehr mit Indien über die Tartarci empfingen sie von den kostbaren orientalischen Erzeugnissen gerade nur so viel, als nöthig war, um ihre Begierde nach mehreren anzufeuern. In dieser Periode (900) begann in den freien Städten von Amalphi und Venedig sich ein Erwerbstrieb und Handclsgeist zu zeigen, der durch namhafte Umstände geweckt wurde. Die Einwohner dieser Städte nämlich, durch ihre Lage geschützt und im Genusse der Freiheit, betrieben mechanische Künste neben ihrem einheimischcnHandcl; der dadurch gewonnene Reichthum 71 weckte neue Bedürfnisse, und leitete ihren Geschmack auf die orientalischen Erzeugnisse, die ihnen von Constantinoftel aus nicht reichlich genug, um ihre Anforderungen zu befriedigen, zustießen konnten. So lange aber die Küsten des adriatischcn Meeres von muhamr-danischcn Seeräubern beunruhigt wurden und Sicilien den Caly-phcn Unterthan blieb, war es den betriebsamen Bürgern Venedigs unmöglich, die Plane zu verwirklichen, die dem Vortheile der Muselmänner ebenso günstig waren, wie ihrem eigenen. Nach und nach endlich wurde der gegenseitige Widerwille, der so lange zwischen Christen und Muhamedanern geherrscht hatte, gemildert, edlere, duldsamere Gesinnungen gewannen die Oberhand, die barbarischen Vormthcile des Aberglaubens machten den allgemeineren Interessen der Menschheit und der Vernunft Platz; der alte Kanal des indischen Handels durch Egyftten und das rothe Meer wurde allmälig wieder geöffnet, der Handel des Orients mit den italienischen Handelsleuten erneuert, und dieser breitete seinen wohlthätigen Einfluß bald über Frankreich, Flandern und England aus, und erhielt unter der glücklichen Leitung der Unternehmer viel von seinem alten Glänze wieder. Ein Unfall indessen unterbrach auf lange Zeit seine Fortschritte. — Der Verfall des Reiches der Calyphen in der Mitte des elften Jahrhunderts eröffnete den Einfällen der Türken einen Weg; diese, ursprünglich eine Horde von Barbaren, welche einen Theil der hohen Bergkette des Imaus bewohnten, warm früher Sclaven der Khan'S von Gcougen gewesen, die sich im Jahre 549 frei und unabhängig erklärten und ihre Berge unter Anführung eines gewissen Bcrtezzana verließen, der ebenso berühmt durch seine Beredtsamkcit wie Tapferkeit war. In wenigen Jahren eroberten sie die Staaten ihres ehemaligen Gebieters, und begründeten auf deren Ruinen das mächtige Reich der Ottomanen. -— Die bald darauf gemachten Eroberungen, ihre öfteren Gesandtschaften und Anträge der Hülfe, welche sie an die griechischen Kaiser 72 sandten, an sich höchst merkwürdige Begebenheiten, können wir, als nicht speciell zu unserer geschichtlichen Aufgabe gehörend, füglich übergehen. Aber die im elften Jahrhundert durch die Nachkommen dieses kriegerischen Volkes erfolgte Eroberung von Syrien und Palästina wurde eine der ersten Ursachen der Kreuzzüge, dieser schwärmerischen Begebenheiten, die so viel dazu beigetragen haben, das allgemeine Handelsintcressc zu fördern und den Verkehr mit Indien zu erleichtern. Die Fürsten und Ritter, welche die christlichen Heere nach Palästina führten, wurden durch dm großen Unterschied überrascht, den die Künste und der Handel dieser Länder mit dmen ihrer Heimath darboten; sie erkannten, wie weit sie noch darin zurück waren, und, mit ihren religiösen Bestrebungen politische Absichten verbindend, bereicherten sie ihre Einsichten und Erfahrungen, die ihrer Heimath zu Gute kamen. Da sie zugleich Besitzer und Beherrscher der Staaten und Städte wurden, in welche seither die indischen Producte in reichem Maße eingeführt waren, da sie zumal das Königreich von Jerusalem errichteten und den Thron des griechischen Kaiserreichs, wenn auch nur auf kurze Zeit, in Besitz nahmen, so gab ihnen dieses einen mächtigen Einfluß auf den indischen Handel, von dem sie bald eine genügende Kenntniß erlangten, um ihn zu beschützen und zu ermuntern, und obgleich allerdings der indische Handelsverkehr immer ein untergeordneter Gegenstand für die Anführer der Krcuzzüge gewesen sein mag, so war er doch für die italienischen Kaufleute von zu hoher Wichtigkeit, um nicht Theilnehmer der Unternehmungen der Kreuzritter zu sein, wenn auch mehr aus kaufmännischem Eigennütze, als aus Religionscifer; denn ihre Begierde, nach jedesmaliger Eroberung irgend einer für den Handel vorthcilhaft gelegenen Stadt, daselbst Handelsfreiheiten zu erlangen, bewies genugsam ihre Absichten. In Acre, Aleppo und anderen Handelsstädten erlaubten ihnen die Eroberer Niederlassungen zu errichten, sie gaben ihnen darin mehrere Häuser und einige Manufactmm, bewilligten ihnen eine 73 beträchtliche Verminderung der gewöhnlichen Aus- und Einfuhrzölle, nebst der Freiheit, nach ihren eigenen Gesetzen und von ihren selbst gewählten Richtern gerichtet zu werben. Daher nahmen auch die Reichsstädte Venedig, Genua, Amalphi, Pifa und Florenz mit bedeutender Schnelligkeit an Reichthum, Verfeinerung und Eleganz zu, der ganze indische Handel befand sich nun in ihren Handen und jeder europäische Seehafen von Bedeutung wurde damals von ihren Schiffen besucht. Die Vertheilung der griechischen Staaten im Jahre 1104 durch die Anführer des vierten Krcuzzugcs trug noch mehr zu den Fortschritten des indischen Handels bei. Durch diese Vcrtheilung erlangten die Vmetianer den Besitz eines Theiles von Mona nebst einigen der reichsten Inseln des Archipelagus. Diese wichtige Besitzung sehte sie in den Stand, Handelsniederlassungen und Facto-reim längs dcr griechischen Küste, vom adriatischen Meere bis zum Bosphorus in gehöriger Entfernung von einander einzurichten, sie versicherten sich dadurch vieler beträchtlicher Vortheile im indischen Handel über ihre Nebenbuhler anderer Staaten Italiens. Dieses Ucbergewicht erregte natürlich die Eifersucht des letzteren. Die Republik Genua, überdies noch durch das zwischen den lateinischen Kaisern von Constantinopel und den Venctiancrn bestehende Vünd-niß beunruhigt, ergriff die kühnsten und zweckmäßigsten Maßregeln gegen dasselbe, um es aufzulösen. Ohne sich an das Vorurtheil des Zeitalters zu kehren, und im offenen Widersprüche gegen die päpstliche Gewalt, verbündeten sich die Genueser mit den schismatischen und gegen ihre neuen Oberherren verräthcrisch gestimmten Griechen, die von Michael Paleologus befehligt Wurden; das Haus Courtenai wurde abgesetzt und dcr alte Kaiserstamm wieder auf den Thron erhoben. Die venetianischm Kaufleute wurden in Folge dieser Revolution von Constantinopcl vertrieben und die Handelsvortheile, die sie dort besessen hatten, ihren glücklicheren Nebenbuhlern zugetheilt. 74 Die Genueser gebrauchten ihr Glück mit dem Speculations-geiste unternehmender, aber kluger Kaufleute. Der ganze Handel des Eunnus, also auch der inländische Handel mit China und Indien fiel in ihre Hände. Dieser Umstand, durch den die Vc-netianer sich nunmehr von diesem einträglichen Handel ausgeschlossen sahen, diente aber nur dazu, ihre Wachsamkeit und Thätigkeit in einer anderen Wcltgcgmd zu verdoppeln, um das Verlorene wieder einzubringen; sie bewarben sich um die Freundschaft der Sultane der Mameluken, erweiterten ihren Handel mit den egyptischen Kaufleuten und sie erbaten sich, damit nicht etwa Gewissenszwcifcl sich ihren Hanbelsunternehmungen entgegenstellen möchten, vom Papste eine Vulle, die ihnen erlaubte, einen freien Handel mit dm Muselmännern zu eröffnen; sie erlangten dieselbe auch, und nun ließen sich vmetianische Kaufleute und Handwerker in verschiedenen Handelsstädten von Egyvtcn und Syrien häuslich nieder, und der alte Handel mit Indien durch das rothe Meer und den Persischen Meerbusen wurde von Neuem auf den festen Grund gegenseitiger Vortheile errichtet. Indessen fuhren die Genueser fort, den nördlichen Handel zwischen Indien und Constantinopcl zu betreiben, bis sie 4453 durch Eroberung dieser Stadt durch Mahomed II. daselbst vertrieben wurden; durch diese wichtige Umwälzung, durch welche die Genueser von allem Verkehr mit dem Oriente ausgeschlossen wurden, erhob sich die Handelsgrößc der Venetiancr in gleichem Grabe, wie sich die der Nebenbuhler verminderte, indem dadurch Egypten und Syrien die einzigen sicheren Wege wurden, auf denen man von nun an die indischen Producte beziehen konnte. Die Vcnc-tianer, nunmehr ohne Nebenbuhler im indischen Handel, versorgten den größten Theil von Europa mit den Erzeugnissen des Orients von diesem Zeitpunkte an bis gegen daS Ende des fünfzehnten Jahrhunderts. — 75 Die Physische Kraft der Republik Venedig stand jedoch nicht im Verhältnisse mit der Größe ihres Handels und dem Reich-thume ihrer Bürger; es war deßhalb zu erwarten, daß mächtigere Nationen, dm Reichthum Venedigs beneidend und durch den Erfolg dieses Handels belehrt, sich mit der Zeit dieser Vortheile bemächtigen würden. VierteZ MM. Der neue Seeweg nach Indien fur die westeuropäischen Voller. Am Ende des 15. Jahrhunderts ereignete sich eine Begebenheit, welche die übelsten Folgen für den venetianifchcn Handel beschleunigte. Die Entdeckung eines neuen Weges nach Indien um die südliche Spitze Afrika's eröffnete den Portugiesen den indischen Handel, wozu ihre Fertigkeit in der Schifffahrt und Schiffsbaukunst, ihre Speculation und Unerschrockenhcit, kurz alle, ihnen damals noch eigenen Vorzüge ein Bedeutendes beitrugen. — Im Anfange des 15. Jahrhunderts nämlich hatten die Portugiesen unter der tüchtigen Regierung Heinrich's, Grafen von Viseo, die canarischm Inseln in Besitz genommen, welche damals dem Herrn Maciot de Vethancourt gchörtm, der sie als Lehm von der Krone Castilims empfangen hatte. Die Portugiesen, als unternehmende Seeführer, machten 1420 weitere Entdeckungen an der westlichen Küste Afrika's, sie nahmen die Inseln Madeira und Porto Santo in Besitz, umsegelten 1446 das grüne Vorgebirge und entdeckten drei Jahre später die nach jenem Vorgebirge benannten Inseln, welche sie für ihr Eigenthum erklärten. Durch die Erfolge er-muthigt, erweiterten sie ihre Entdeckungsreisen gegen Süden; im 77 Jahre 1486 segelte Varth olomäus Diaz, ein Seemann von reicher Erfahrung und Gcschicklichkeit, um das Vorgebirge der guten Hoffnung, nachdem er wiederholte und furchtbare Stürme ausgehalten und die noch größeren Leiden der Hungersnoth überstanden hatte. Der durch dieselbe hervorgerufene, elende Zustand seiner Schiffsmannschaft verhinderte die Fortsetzung seiner Reise, er kehrte nach einer Abwesenheit von 16 Monaten nach Lissabon zurück und sein Bericht, nebst den topographischen Nachrichten, welche man bereits über die äthiopische Küste von Don Pedro de Covillan*) erhalten hatte, rechtfertigten den schon lange gehegten Glauben, daß es möglich sei, einen neuen Weg nach Indien zu eröffnen, und zwar durch Umsegclung der Süd spitze von Afrika. Stolz auf die bereits gemachten Entdeckungen und den glänzenden Vortheil des neuen Handelswcges richtig voraussehend, hofften die Portugiesen durch eine neue Expedition diesen Weg zu vollenden. Die Erhebung Don Emanuel's auf den Thron von Portugal, 1495, in der vollen Blüthe seiner Jugend und seines Genius, gab diesen Hoffnungen eine neue Zuversicht auf Gebietserweiterung, Ruhm und Reichthum. Gmanuel war entschlossen, die allgemeinen Wünsche seines Volkes zu erfüllen und die Plane seiner Vorgänger ') Don Pedro de Co villan war ein einsichtsvoller, mit der arabischen Sprache und den mathematischen Wissenschaften wohl vertraueter Manu. Er begab sich durch Egyptm und Arabien nach der malabarischen Küste, wo er sich mehrere Jahre lang aufhielt; von hier ging er auf einem arabischen Schisse nach Sofala und kehrte durch Nethiopien nach Egypten zurück. Von hier aus fand cr Gelegenheit, das Tagebuch seiner Reise nach Lissabon zu senden, und kehrte darauf nach Acthiovicn zurück, wo er bis zum Jahre 1528 gefangen gehalten wnrde. Um diese Zeit wurde Don Nodrigo de Lima als portugiesischer Gesandter nach Aethiopicn geschickt, dem Covillan alle seine Reisen erzählte, und von dem cr die großen Entdeckungen und Besitzerwciterungtn erfuhr, zn denen die Nachrichten, die er in seinem Tagebuche nach Portugal gesandt hatte, Veranlassung geworden warm. — Er war der erste seiner Nation, der bis nach Hindostan vorgedrungen war. Die Echtheit dieser Mittheilung wird von allen portugiesischen Geschichtschreibern bezeugt. 78 nicht nur aufzunehmen, sondern noch zu erweitem; er befahl vier Schisse für cine Expedition nach Indien auszurüsten und übergab das Commando derselben dem Don Basques*) be Gama, einem Manne von hohem Range und ausgezeichneten Talenten. Derselbe verließ Lissabon mit seinen Schiffen am 1. Juli 4497, umsegelte am 20. November desselben Jahres das Vorgebirge der guten Hoffnung, langte im Monat März 1498 in Mozambique an, wo er viele seiner Leute durch den Scorbut verlor und sich der Gefahr ausgesetzt sah, verrathen zu werden, sobald man sie als Christen erkennen würde. Indessen die den damaligen Seefahrern so gefährliche Scorbutkrankhcit wußte er durch Sorgfalt und Aufmerksamkeit zu beschränken, und die Gefahr der Vcrrätherei wendete er durch Muth und Klugheit ab. — Von Mozambique begab er sich nach Mombaza, von da nach Melinda, wo er von den Fürsten gut empfangen wurde, und steuerte darauf, laut den ihm ertheilten Instructionen, von Melinda aus gerade gegen Osten quer über den großen indischen Ocean. Am 22. Mai 1498, zehn Monate nach seiner Abfahrt aus dem Tajo, langte er mit seiner Flotte zu Calicut, auf der malabarischen Küste an. Der Zamorin empfing Gama mit aller der Gastfreundschaft und angeborenen Höflichkeit, die einem Hindufürstcn eigen sind; aber seine muhamcdanischm Unterthanen, durch das Erscheinen dieser bedeutenden Handclsrivalen mit Recht beunruhigt, schilderten sie dem Fürsten als ehrgeizige und betrügerische Leute, die nichts Anderes als die Eroberung des ganzen Staates im Schilde führten. Diese Vorstellungen hatten den beabsichtigten Erfolg; es wurden verschiedene Pläne gesponnen, um Gama und seine Leute zu verberben, und in der That wurde deren Lage nun sehr schwierig und gefahrvoll. Aber Gama's Klugheit, Scharfblick und Entschlossenheit vereitelten die verderblichen Pläne; er zog sich auf ') Gewöhnlicher Vasco. A. d. Hcrausss. 79 die Flotte zurück, schrieb von hier aus einen Brief an den Zamonn, in welchem er sich in den stärksten und zornigsten Ausdrücken über das Verfahren beschwerte und sich über die Verleumdungen rechtfertigte, die man falschlich über sein Erscheinen verbreitet hatte. Die Antwort des Zamorin war würdevoll, höflich und edelmüthig, er stellte die Nothwendigkeit vor, zu verhindern, daß sich Fremde in seinen Staaten zu viel Einfluß verschafften, bekannte, daß die Einflüsterungen der Muhamcdaner bei gehöriger Untersuchung als falsch befunden worden seien, versicherte ihm die Bestrafung der Verleumder und fernere Sicherheit der Portugiesen. Mit diesem Briefe sandte er zugleich einen anderen, an den König von Portugal gerichtet, in welchen: er die ihm von demselben angebotenen Vorschlage annahm, den Portugiesen freien Handel zuzugestehen, mit der Bedingung, den Handel anderer Nationen, mit denen sie schon länger verbunden waren, nicht zu beunruhigen. Nach Empfang dieser Briefe und nachdem Gama seine Schiffe, ungeachtet des Widerstandes der muhamcbanischen Kaufleute, mit den Erzeugnissen Malabars und den kostbarsten Produc-tcn Bengalens befrachtet hatte, segelte er von Ealicut nach den Laccadivischcn Inseln, wo er seine Schiffe mit neuem Tauwerk versah/) dessen sie sehr bedurften, kehrte dann nach Europa zurück und langte 1499 im Tajo an. Er wurde von allen Volksklassen mit Jubel empfangen, der König belohnte die glückliche Bemühung *) In vielen Gegenden Indien? wird anö den langen Fasern der Co-cosnüsse Tanwcrk aller Art, von den feineren Stricken au bis zn den Ankertaucn von 5 Zoll Durchmesser, verfertigt. Dasjenige, welches auf den Laccadwischen Inseln gemacht wird, gilt für das vorzüglichste. Die Araber haben sich dieses Tanwerks immer bedient, cmch die englischen Seeleute ziehen es für besondere Zwecke den hänfenen Tauen vor. Die Laceadivischen Inseln liegen nenn Meilen westlich von der mala-barischeu Küste, zwischen dem 10. und 13. Grade nördlicher Breilc, nnd es sind deren sicbzchm vorhanden. 80 durch hohe Ehrenbezeigungen und dehnte seinen Dank über alle Officierc und Matrosen der Expedition reichlich aus. Der glückliche Erfolg von Gama's Unternehmung, eine für Portugal bedeutsame Begebenheit, erregte die Aufmerksamkeit der europäischen Nationen, namentlich denenigen, welche Seehandcl trieben. Jeder erfahrene Kaufmann kannte den großen Vortheil des indischen Handels, geübte Statistiker sahen voraus, daß der neue Weg nach Indien, da er die Portugiesen antreiben mußte, mit großen Capitalien zu handeln, eine wichtige Veränderung in dem bislang befolgten Handelssysteme hervorbringen würbe. Die Senatoren Venedigs erblickten darin den Verfall ihres eigenen, verjährten Handels mit Indien, dem sie Wohlstand und Macht verdankten, sowie ihre Unfähigkeit, den aufblühenden Handel der Portugiesen zu stören oder auch nur zu hemmen. Spanien, Frankreich und England befanden sich noch in den Entwickclungsanfängen des Handels und der Schifffahrt, die nördlichen Nationen fingen nur eben an, sich aus der Barbarei zu erheben; Portugal befand sich daher ohne Nebenbuhler in dem neuen HandelSaufschwunge, und dieser günstige Umstand, der den Portugiesen einen so großen Vorsprung gab, regte die patriotischen und speculativcn Männer dieser Nation an, ihre Kräfte daran zu setzen. König Emanuel ließ ohne Zeitverlust eine zweite Grftcdition nach Indien ausrüsten, und da er wünschte, daß Gama den wohlerworbenen Ruhm im Echooße seiner Familie ungestört genießen sollte, so ernannte er Don Pedro Alvarez de Capral zum Führer der Flotte. Diese bestand aus dreizehn Segeln, worunter mehrere große Schiffe waren und die alle so herrlich ausgerüstet waren, daß sie den europäischen Nationen einen hohen Begriff von der Macht, dem Reichthum und der Größe der Portugiesen einflößten; denn eine so bedeutende Seemacht war damals ungewöhnlich. Dem Religionseifer des Zeitalters gemäß, wurde zugleich eine Anzahl Priester mit eingeschifft, um das Evangelium in Indien zu predigen. 81 Im Monate März 4500 segelte Caftral von Lissabon ab; die Erfahrung hatte schon gelehrt, daß das Frühjahr die günstigste Jahreszeit sci, eine solche Ncise nach Indien anzutreten. Capral verfolgte nicht denselben Weg, welchen Gama genommen hatte; anstatt längs der Küste von Afrika hinzusegcln, steuerte er kühn gegen Westen, in der Hoffnung, dem stürmischen Wetter zu entgehen, welches alle früheren Seefahrer an dieser Küste betroffen hatte. Der Lauf, den er nahm, führte ihn an den östlichen Theil des großen Festlandes von Südamerika, damals noch gänzlich neu-bekannt, und die Annäherung der Küste bewog ihn, auf dem un-entdeckten Boden zu landen und, der damaligen Seefahrersitte in solchen Fallen gemäß, im Namen des Königs Besitz davon zu nehmen, indem er eine Stange aufrichtete, an welcher er die portugiesische Flagge und ein Kreuz befestigte. Er nannte den neuen Boden das „Land des heiligen Kreuzes", später gab man ihm wieder den einheimischen Namen Brasilien. Capral hatte eine so hohe Meinung von der Bedeutung seiner Entdeckung gemacht, daß er, obgleich schon fünf Schiffe von seiner Flotte verloren gegangen warm, dennoch eins semer übrigen Schiffe unter Caspar Lamidos, der sein besonderes Vertrauen besaß, nach Lissabon zurückschickte, nebst einem Eingeborenen des Landes, als Zeugniß von der Wahrheit der Entdeckung. Nunmehr verfolgte er dm Zweck seiner Reise weiter, steuerte auf das Vorgebirge der guten Hoffnung zu, bei dessen Umscgelung er einige furchtbare Stürme auszuhalten hatte, und wo auch sein Begleiter Bartholomews Diaz den Tod im Meere fand, besuchte bann Mozambique, Melinda und die übrigen Theile der Ostküste Afrika's, wo Gama früher gewesen war, und steuerte, diese Küste verlassend, nach den Laccadivi'schen Inseln, wo er seine Schiffe ausbesserte und die Gesundheit seiner Leute wiederherstellte, welche durch die lange Seereise sehr gelitten hatte. Sobald seine Ankunft auf diesen Inseln in Calicut bekannt Van Mökern, Ostindien. I. is zum Verkehre niit England. Als Akbar der Große starb (1605), erstreckten sich seine Staaten von Tibets Gebirgen im Norden bis nach Visiaftur und Golconba im Süden, sowie von dm Grenzen von Anacan, Meekly, Assam und Bootan im Osten bis an die Flüsse Attock und Cabulistan im Westen. Dieses unermeßliche Gebiet enthielt die schönsten und reichsten Regionen Hindostans, es bestand auS lU5 Provinzen und 2737 Bezirken. In der Absicht, seine ausgebreiteten Staaten besser und leichter regieren zu können und den Zustand seiner Unterthanen zu fördern, theilte sie Akbar in 15 Vicckömgrciche oder „Subahdarcicn" ein, und setzte über jeder einen Subahbar, Vice-' könig. Diese Vicckönigreiche waren Delhi, Agra, Allahabad, Oude, Ajimere, Ahmedabad, Vahar, Bengal, Cabul, Lahore, Multan, Malwa, Berar, Candeisch und Ahmednagur. DaS so abgetheilte Reich wurde beinahe nach denselben Grundsahen regiert, wie die alten Hindustaaten, obgleich der Kaiser eine weit unbeschranktere Macht besaß, als die alten Hindu-Könige, denn er hatte nicht, wie sie, ein von ihm unabhängiges, mit dem Civilgesehbuche verwebtes Religionssystem und cinc Alles beherrschende Hierarchie, Ill die durch diesen Coder im gesellschaftlichen Range über den Fürsten erhaben war, bestandig sein Gewissen im Zügel hielt und dadurch seine Handlungen leitete. Akbar erbte von seinen Vorfahren eine in jedem Betracht unbeschränkte Gewalt, aber er sehte seine Ehre darin, diese Gewalt nach den unveränderlichen Grundsahen allgemeiner Gerechtigkeit und Billigkeit auszuüben. Obgleich er alle Talente eines großen Kriegers in hohem Grade besaß, so fand er doch mehr Befriedigung darin, friedliche Küsten zu schützen und die Betriebsamkeit seiner UntcrthamMufzumuntern, als sich den Ruhm eines Eroberers zu erwerben. " In dm Besitzungen, die er eroberte, wie in denen, die er ererbte, gab er den Hindu's nicht nur die freie Ausübung ihrer Religion zurück, sondern auch viele ihrer Rechte und Privilegien. Wir haben schon bei Erwähnung der alten Hindu-Regierungen bemerkt, daß der Monarch der alleinige und unbeschrankte Besitzer des Bodens sei, daß in seinen, ganzen Gebiete das Erdreich den Bedauern desselben nur in kleinen Parccllm ausgetheilt wurde, die sie unter einem immerwährenden erblichen Micthsvertrage besaßen, daß das Product dcs Bodens die Einkünfte dcs Staates darstellte und seit undenklichen Zeiten nur der sechste Theil dcs Nettoertrages von dem Fürsten gefordert wurde, der theils in Natura erhoben, theils in Gelde erlegt werden mußte. Der Zustand des Landbesitz-thums blieb beinahe der nämliche während der ersten drei Jahrhunderte nach der muhamedamschen Unterjochung. — Die ghiznischen Fürsten warm rohe, grimmige Fanatiker, welche die westlichen Provinzen Hindostans mehr durchstreiften als unterwarfen, und deren kurzsichtiger Geiz nie über die augenblickliche Plünderung beweglicher Güter hinausging; anstatt sie in Besitz zu nehmen, zerstörten sie die Quellen, durch die sie sich allen wahren Reichthum und eine dauerhafte Macht hätten erwerben können. IcbcSmal, wenn sie Geld gebrauchten, plünderten sie die Manufacturistcn, Kaufleute und Bauern in dem zunächst um die Hauptstadt gelegenen Districte. 112 Unter diesen Umstanden konnte das Land nichts von seinem Untergange retten, als die außerordentliche Fruchtbarkeit seines Bodens und die unermüdliche Arbeitsamkeit seiner Einwohner. — Nach der Gründung der afghanischen Kaiserlime in Hindostan scheinen die armen Bewohner dieses Landes etwas weniger bedrückt worden zu sein; die Monarchen dieses Geschlechtes, obgleich ebenso grausam und geizig als ihre Vorganger, waren jedoch weit klüger und politischer. Sie sahen die Ungereimtheit ein, ihren Unterthanen Alles zu rauben und damit ihrö eigenen Absichten zu vereiteln, indem sie für die Zukunft nichts zu plündern übrig ließen. Diese Fürsten erhoben daher einen schweren Tribut in allen Provinzen, welche sie eroberten, jedoch ohne bestimmten Modus der Erhebung und ohne Einführung irgend einer systematischen Ordnung. Sie änderten in ihren Staaten in Betreff der Landereien nichts, ausgenommen in den Provinzen.von Delhi und dem Duab,*) in denen die Hindubauern genöthigt wurden, den größten Theil der Erzeugnisse ihrer Ländercim in Geld zu verwandeln, das von den Choudrins, oder kaiserlichen Beamten, eingesammelt und in den Schatz des Herrschers geliefert wurde. Der erste muhamedamschc-Monarch, der einige Veränderungen in der politischen Einrichtung von Hindostan machte, war Alla Ud Deen, dessen Negierung, politische Institutionen und persönlichen Charakter wir schon früher bezeichnet haben. Nachdem er eine genaue Besichtigung aller Provinzen seines Reiches hatte vornehmen lassen, befahl er den Steuereinnehmern der Hindu's, in jedem Bezirke den Werth der jährlichen Vodenproductc genau schätzen zu lassen, wovon er sich die Hälfte zueignete. Fcritsch ta berichtet: der Kaiser habe die Choudrins (Einnehmer) den Ryots (Bauern) gleichgestellt, damit diese reichen Beamten die Lasten nicht *) Dieser fruchtbare Bezirk liegt zwischen den Flüssen Ganges und Iumna. 113 gänzlich von sich ab auf die arbeitenden Bauern werfen konnten. — Er verordnete auch, daß die Sportcln, die sie sonst bezogen, künftig in den königlichen Schatz bezahlt werden sollten. Diese schweren Abgaben und noch mehr die Veränderung, welche in ihren alten Gebrauchen gemacht wurde, stürzte die Landleute in Verzweiflung; dcr Ackerbau wurde vernachlässigt und viele wohlhabende Nyots (Bauern) in den nördlichen Provinzen des Reiches verließen ihre Wohnungen und flohen mit ihren Familien und der beweglichen Habe in die Wälder. Nach Kaiser Alla's Tode wurde dieses verderbliche System wieder aufgegeben, aber die nämliche Auflage mit mehr oder weniger Strenge erhoben, bis Firo se Schah den Thron bestieg. Sobald dieser anständige und menschenfreundliche Monarch die Regierung angetreten hatte, erließ er seinen gedrückten Unterthanen den größten Theil der von Alla eingeführten öandtarc, half dem Ackerbau durch viele weise und heilsame Verordnungen wieder auf und belebte von Neuem den Handel. Timur's Eroberung, dic ungefähr zehn Jahre nach Firosc Schah's Tode stattfand, stürzte von Nmem das Reich in Anarchie und Verwirrung. Von Timur's Einfalle bis zu Akbar's Thronbesteigung giebt es nur sehr unvollkommene Nachrichten über dm Zustand der Landbesitzer, und nur der Schriftsteller Fcrischta deutet Einiges darüber an. Es scheint uns jedoch, daß, obgleich die Erpressungen der Monarchen unmäßig waren, auch öfter mit den empörendsten Grausamkeiten erhoben wurden, dennoch Handel und Ackerbau von den geduldigen und arbeitsamen Hindu'S betrieben worden sind, ungeachtet der Unterdrückung, unter welcher sie seufzten. Keiner der musclmännischcn Monarchen machte während dieser Icitperiode bedeutende Veränderungen im Zustande des Landcigcnthums oder in der Weise, wie die Abgaben eingesammelt wurden. Bei seiner Thronbesteigung nahm Akbar sogleich ein System Van M Ü kern, Ostindien, I. 8 N4 von Mäßigung vor; sein erstes Edict verbot strenge, den Landbauern „Peischkusch", d. i. Tribut, abzufordern, noch mehr den Bauern mit Gewalt Rekruten auszuheben, er befahl einen zollfreien Durchzug aller Waaren durch seine Staaten. Dieses Edict wurde streng vollzogen und mehrere andere, welche diesem in ähnlichem Sinne folgten, veränderten in wenigen Jahren den Zustand des Landes und öffneten den Weg für die Verordnungen, welche Akbar's Regierung mit gerechtem und dauerndem Ruhme krönten. Nachdem Afbar die muselmännischm Statthalter der Provinzen, die sich unabhängig gemacht, wieder unterworfen hatte, traf er die vorhin angegebene politische Ginthcilung des Reiches. Zum Zwecke neuer Institutionen für die innere Verwaltung der Subahdareien, die Festsetzung einer Landtarc und die Erhebung der Einkünfte, die er später einführte, bediente sich Akbar der Beihülfe eines Hindu aus der Ehatria-Klasse, Namens Najah Tu dor Mull, der in ganz Hindostan als ein vollkommener Staatsmann bekannt war. Daß er einen so ausgezeichneten Mann zu Rathe zog, beweiset nicht nm Akbar's Scharfsinn, sondern auch die große Achtung und Schonung, die er für die Meinungen und Vorurtheilc seiner Hindu-Unterhcmcn hegte, die ^,> her Bevölkerung seiner Staaten ausmachten. Viele seiner Verordnungen, die er nach Tudor Mull's Rathe verfaßte, sind auf die Grundsätze der alten Hindugesetze gestützt. Während er jedoch den Hindu's eine unbegrenzte Toleranz in Religionssachcn bewies und ihnen ihre erblichen und verjährten Rechte und Freiheiten in Betreff ihres Eigenthums sicherte, behauptete er in allen Criminalfällcn die Obergewalt der muselmännischm Gercchtigkeitspftegc. In Folge seiner Verordnungen wurden in jeder Provinz des Reiches eine systematische Ordnung und Regelmäßigkeit nicht nur in die Verwaltung der Negicrungsangelegcnheitcn, sondern namentlich auch m die der Gerechtigkeit eingeführt. Jede Subahdarci (Vicekönig-thum) wurde, wie bereits erwähnt, von einem Subahdar regiert, 115 der den Monarchen unmittelbar vertrat; derselbe empfing bei seiner Ernennung geschriebene Vcrhaltungsbefchle, in denen ihm besonders anbefohlen wurde, das Glück des ihm anvcrtraueten Volkes zum Hanfttgegenstandc seines Bestrebens zu machen, denn auf des Volkes Glück beruhe die Wohlfahrt des Staates; es wurde ihm ebenfalls anbcfohl«z, die Kenntniß seiner Untergebenen und eine strenge Ausübung der Gerechtigkeit als erste Pflicht und festeste Stütze seiner Macht anzusehen. Dem Subahdar untergeordnet, befand sich eine Klasse von Beamten, „Foujdar" genannt, von denen jeder die Oberaufsicht über einige Bezirke führte und deren besondere Obliegenheit es war, die Befehle des SubahdarS durch die verschiedenen Unter-beamten gehörig in ihrer Vollziehung zu überwachen. Der Cazy und Meer Adul, die beiden Richter des muhamedanischen Civil-und Criminalgerichtshofs, waren die nächsten im Range des Foujdar; der Cazy leitete die Processe und der Meer Adul sprach das Urtheil. Alle Criminalprocesse ihrer Provinz wurden von ihnen untersucht und entschieden, sowie auch alle Eivilproccsse zwischen Muselmännern oder zwischen diesen und den Hindu's. Alle Processe zwischen Hindu und Hindu wurden zwei Pundi ten, d. i. brahminischen Rechtsgclchrtm, zur Entscheidung übergeben, die sie nach Hindugcsctzen beendigten. Die Polizei des Reiches war so gut geordnet und so streng ausgeübt, daß Reisende zu allen Zeiten bei Tag und Nacht durch jede Provinz reisen konnten, ohne etwas zu fürchten, selbst in der Nachbarschaft von großen Städten wurden selten Räubereien verübt. Dieser hohe Grad öffentlicher Sicherheit war der Erfolg der besonderen Wachsamkeit und des Nachdrucks, womit das Amt eines Cutw all's, d. h. Polizeidircctors, verwaltet wurde. Ein solcher wurde von dem Kaiser selbst für jede Provinz ernannt und war verbunden, jedes Individuum der Gerechtigkeit zu überliefern, das in seiner Gerichtsbarkeit irgend eine gesetzwidrige Handlung begangen hatte, und 116 wenn cin Dicbstahl verübt wurde, so war er für den Verlust der bestohlmm Person verantwortlich und mußte sie entschädigen, wenn er den Dieb nicht ausfindig machen konnte. Es war aber gleichfalls verordnet, daß in diesem Falle die Einwohner des Bezirks, wo der Diebstahl geschehen war, dem Cutwall den Betrag des Gestohlenen ersehen mußten, wenn es ihnen nicht gelang, den Dieb oder die gestohlenen Sachen zu entdecken. Wenn daher ein Diebstahl geschah, wurde sogleich eine allgemeine Nachsuchung angestellt, auch entgingen die Schuldigen selten der Entdeckung. Der Cutwall hielt ein regelmäßiges Verzeichniß aller Häuser in jedem Orte seiner Provinz, nebst ihren Einwohnern. Die Städte waren in Bezirke abgetheilt, und für jeden Bezirk ernannte der Cutwall einen Beamten, um der Polizei desselben vorzustehen, der ihm jeden Monat ein Tagebuch einsenden mußte, das selbst die kleinsten Begebenheiten enthielt, die vorgefallen waren. Nußer diesem Beamten befanden sich in jedem Bezirke noch zwei andere, die einander gar nicht kannten, den Bezirks-polizeivorstchcr beobachten und dem Cutwall melden mußten, ob und wie die Pflicht von dem ersteren erfüllt werde. Es war auch eine Obliegenheit des Cutwall's, die Gassen und Nebengassen in den Städten und die durch die Provinz laufenden Landstraßen in gutem Zustande zu erhalten; jede Stadt wurde in der Nacht von bewaffneten Patrouillen bewacht, einige von diesen bestanden aus Cavallcric, andere aus Infanterie. Diese strenge Polizei, obgleich vielleicht unvereinbar mit dem Grade persönlicher Freiheit, die jede gesittete Gesellschaft genießen sollte, scheint jedoch der moralischen Zucht nützlich gewesen zu sein und muß unter Akbar's Regierung bewundert werden. Der unbeschränkte Schutz, den diese Anordnungen dem Pri-vateigcnthmn verschafften, wirkte als cin mächtiger Sporn auf die angeborene Betriebsamkeit der Hindu's; Ackerbau, Manufacturer» und Handel gelangten wieder in den blühenden Zustand, der N7 vor der muhamcdanischen Eroberung Hindostan zu einem der friedlichsten und reichsten Länder der Erde gemacht hatte. Die Staatseinkünfte, obgleich viel beträchtlicher, als in irgend einer früheren Periode, wurden von den Landleutcn nicht nur mit Bereitwilligkeit, sondern auch mit Vergnügen bezahlt, denn die Art, wie sie erhoben wurden, bot der Betriebsamkeit so viel Aufmunterung dar, daß das Land verbessert und die Nyots (Bauern) in dem nämlichen Verhältnisse bereichert wurden, als die Staatseinkünfte zunahmen. — Während der letzten zwanzig Jahre von Akbar's Regierung bclkcfrn sie sich auf Z6 Millionen Pfund Sterling jährlich; — diese ungeheuere Summe entstand größtcnthcils, wenn nicht gänzlich, aus den Erzeugnissen des Bodens, denn die wenigen Abgaben, welche von den Kaufmannsgütcrn erhoben wurden, machten einen sehr unbedeutenden Theil der Staatseinkünfte aus. Es scheint, nach der von Rajah Tudor Mull eingeführten Land-tare (die noch heute im Ayecn Akbcry aufbewahrt wird), daß die Ryots oder Bauern etwas weniger als den vierten Theil der Erzeugnisse ihres Landes bezahlten. Dies war wenigstens der Durchschnittsbetrag der ihnen auferlegten Steuer, denn in einigen Sircar's zahlten sie etwas mehr, in anderen weniger, im Verhältnisse zur Fruchtbarkeit des von ihnen bebauten Bodens — und wenn man bedenkt, daß dies die einzige Abgabe war, welche der Landmann bezahlte, so wird man zugestehen, daß die öffentlichen Lasten nicht schwer waren und also ein jährliches Einkommen von 36 Millionen Pfund Sterling mit dem Wohlstände, Glück und Gedeihen des Volks auch bestehen konnte. Dieser Umstand muß aber dem vortrefflichen Plane zugeschrieben werden, nach welchem man diese einfache Tare erhob. Die Felder jedes Bezirks in» ganzen Reiche wurden unter die Aufsicht eines Aumil's oder Steuereinnehmers gestellt, der ein, von dem Subahbar jährlich ernannter, muhamedanischer Beamter war, dessen Pflicht darin bestand, die Landsteucr zu erheben und den 118 Betrag an die kaiserliche Schatzkammer zu senden. Dieser Beamte besaß beträchtliche Gewalt, war besonders angewiesen, den Anbau der Felder unter seine Aufsicht zu nehmen, Acht zu geben, daß die Ryots arbeitsam waren und keinen Theil ihrer Felder unbenutzt liegen ließen; er sollte ihre Betriebsamkeit anspornen, indem er ihnen nicht nur kleine jahrliche Darlehen an Gelde machte, sondern auch zu allen Zeiten solche Summen vorschoß, als ihre jedesmaligen Bedürfnisse erfordern mochten; er sollte die Steuern mit Milde erheben und zu gewissen Zeiten, auch sie nie eher fordern, bis sie gesetzlich verfallen waren. Der Aumil wurde in der Ausübung seiner Amtspflichten durch den Tepukschy oder Nrchnungs-führer unterstützt, auf den er sich in Betreff der Finanzangclegcn-heiten des Bezirks verließ, richtige Nachrichten darüber zu erlangen. Die besondere Pflicht des Tcftukschy war die richtige Berechnung des Mittclzustandcs der Einkünfte, sowohl in Geld, wie m Naturalien, für jedesmal zehn Jahre, und wenn er sich dadurch genau mit dem Werthe und den Fähigkeiten aller Felder in seinem Bezirke bekannt geinacht hatte, theilte er dein Aumil einen umständlichen Bericht darüber mit. Ebenso mußte er auch ein vollständiges Verzcichniß der Purgmmah's und Dörfer, der Grenzen ihrer Besitzungen, des angebaueten und unangebauetcn Landes und der Gegenstände der Cultur anfertigen. Wenn er die Ausmessung eines Dorfes und seiner Aeckcr vollendet hatte, so mußte er das Verhältniß feststellen, nach welchem jeder Bauer besteuert werden sollte, auch den Betrag der Steuer, den jedes Dorf zahlen sollte, deutlich spccificircn, damit dem Aumil eine feste Regel gegeben wurde, nach welcher er seine Ginsammlung richten konnte. Er mußte überdies ein Tagebuch der Einnahmen und Ausgaben führen, am Ende jedes Monats einen Auszug davon machen und ihn unter des Aumil's Siegel dem Subahdar übersenden. Mit dieser Rechnung überschicktc er auch den Wechselcours des Mohur's (d. i. eine goldene Rupie, im Werthe von 16 sil- 119 bcmm) und der Rupien (d. h. ungefähr ein Gulden Münze im Werthe), sowie die Marktpreise aller Lcbensmittcl. Am Ende jedes Jahres wurde cm summarischer Bericht der Schätzung der Landsteuer dem Kaiser vorgelegt. Der Teftukschy wurde in der Ausübung seiner Amtspflichten von den Wakyahnavce's oder kaiserlichen Sccretairen beobachtet, von denen sich zwei in jedem Bezirke befanden. — Bei der Schätzung der Landstcucr, beim Einsammeln derselben wie bei der Ausfertigung der Rechnungen und Berichte wurden der Aumil und der Tcpukschy durch die Zemindar's und Camungo o's mit den nöthigen Nachrichten versehen und in den verschiedenen Zweigen ihrer Amtspflichten unterstützt. Dieses waren nämlich die Hindu-Stcuerbcamtcn, deren Aemter nach den Hindugcsetzcn erblich waren. Die Zemindar's empfingen ihre Sunnud's oder geschriebenen Bestellungen von dem Kaiser, durch welche ihnen daS Amt eines Steuereinnehmers als erblich übergeben wurde, jedoch unter der ausdrücklichen Bedingung, daß sie ihre damit übernommenen Pflichten mit Treue und Eifer erfüllen sollten. Zugleich mit ihrer Bestallung empfingen sie auch gewisse Portionen Land, Nankarland genannt, welches die alten Hindumonarchen ihnen früher als einen Theil der Besoldung ihrer Aemter gaben und deren unbeschränkter Besitz ihnen durch die nämliche Akte, die ihnen das Amt verlieh, zugesichert wurde. Diese Portionen Land, die der Kaiser dem Zemindar übergab, waren nur klein und gewöhnlich zu einer Versorgung ihrer Familie bestimmt. Die gewöhnliche Besoldung seiner Aemter war Zehn vom Hundert des Betrages der Steuern, die er für die Regierung einsammelte, aber der Werth der Producte der Nankarländer wurde davon abgezogen. Obgleich das Amt eines Zemindar's nebst den dazu gehörigen Ländereicn erblich war, so behielt sich doch der Monarch das Recht vor, die Zemindar's ihres Amtes und Nankarlandes zu cnt- 120 sehen, wenn sic sich Betrügereien oder Untcrschleifc zu Schulden kommen ließen, auch wenn sie sich nur einer strafbaren Vernachlässigung ihrer Pflichten schuldig machten. Die Amtspflichten der Zemindar's warm in dem „Sunnud" genau angegeben und auf das Strengste anempfohlen; seine Pflicht gegen die Negierung bestand barin, die Landstmer nach der jährlich festgesetzten Schätzung zu erheben und die übrigen Staatseinkünfte in dem ihm anvertrauten Purgunnah (Bezirke) einzusammeln; seine Pflichten gegen die Nyots oder Bauern bestanden darin, sie gegen jede Art von Ungerechtigkeit zu schützen und zugleich auch diejenigen unter ihnen, die sich widerspenstig bezeigten, oder Verbrechen begingen, durch Geldbußen oder körperliche Strafen zur Ordnung zu bringen. Alle Befehle des Monarchen, welche die Nyots betrafen, wurden ihnen durch die Zemindar's bekannt gemacht, sowie diese alle ihre Beschwerden und Klagen wiederum den Zemindar's vorzulegen hatten, so daß diese die eigentlichen Agenten der Negierung für Alles waren, was die Einkünfte des Staats und die ländlichen Angelegenheiten der Bauern betraf. Da es aber Akbar für unweise fand, sich diesen Hindu-Beamten in so wichtigen Angelegenheiten gänzlich anzuvertrauen, so ernannte er einen Aumil für jeden Bezirk seines Reiches, um dein Einsammeln der Staatseinkünfte vorzustehen und ein Controleur für die Zemindar's zu sein. Die Camungoos waren ebenfalls Hindu's, also ihre Aemter ebenfalls erblich, aber unter den nämlichen Bedingungen, wie bei den Zemindarcien, baß der Kaiser sie des Amtes entsetzen konnte, wenn sie sich eines Vergehens schuldig gemacht hatten. Ihre Amtspflicht bestand darin, den Tcpukfchy's einen umständlichen Bericht der Landsteuer zu überreichen und die Rechnungen der Zemindar's zu revidiren. Sie wurden dafür besoldet, jeder Purgunnah (Bezirk) hatte einen dieser Beamten. Hiernach scheint es unzweifelhaft dargethan zu sein, da wahrend Akbar's Regierung bas Eigenthumsrecht des Bodens, sowohl 121 durch die hindostanische wie durch die musclmännische Staatsverfassung , ausschließlich dem Monarchen gehörte, daß die wirtlichen Bebauer des Bodens ihre kleinen Güter von dem Monarchen selbst auf immerwährende erbliche Pachtcontractc erhielten, gegen Abgaben in Gelde oder Naturalien, daß sich demnach zwischen Monarchen und Bauern keine Zwischmbcsihcr des Bodens befanden und daher die Zemindar's, von dmcn man glaubte, daß sie die Besitzer der Districte warm, deren Einkünfte sie einsammelten, wirklich nur erbliche Beamte des Monarchen waren, ausdrücklich von diesem ernannt, um die Ryots in dein Anbau ihrer Ländereien zu beaufsichtigen und die Landsteuer von ihnen einzusammeln. Von den bereits erwähnten 36 Millionen Pfunden jährlicher Einkünfte gelangten aber nur 30 Millionen baar in die Schatzkammer, denn die Civil- und Militärverwaltung, welche große Summen kosteten, wurden gleich in den Provinzen aus dem Betrage der Landtare bezahlt. Dic Natur der Civilverordnungen ist im Obigen genugsam erörtert worden. -^ Was dic bewaffnete Macht betrifft, so war sie sehr groß. Außer den regelmäßigen Truppen der kaiserlichen Armee gab es in jeder Provinz zahlreiche Abtheilungen unregelmäßiger Truppen, die zum Dienst des Cutwall's, Aumil's und Zemindar's bestimmt waren. Diese wurden Zemmdarische Truppen genannt, und nach dem Ayccn Akbery sollen sie sich auf 4 Millionen Mann belaufen haben. Dieses ungeheuere Truppcncorps war gänzlich unter dem Commando der Steuer- und Polizeibcamtm und bestand größtentheils aus Hindu's. Zwischen 30—40,000 Mann warm in jedem Bezirk für diesen besonderen Dienst eingeschrieben, und da sie niemals von ihrem Bezirke heimgesandt wurden, so kann man sie als eine Art von Provinzialmiliz betrachten. Ihr Sold war sehr unbedeutend und bestand hauptsächlich in Getreide. Die regelmäßige Armee bestand vorzugsweise aus Muscl- 122 männcrn; sie war in 400 „Munsubs" oder Regimenter eingetheilt, in jedem dieser Munsubs war die Anzahl der Soldatm dem Nangc seines Commandanten angemessen, der „Munsubdar" hieß. Jedes Munsub bestand aus zwei Dritteln Cavalleric und einem Drittel Infanterie; die drei ersteren Munsubs wurden von des Kaisers Söhnen befehligt, das erste umfaßte 40,000 Mann Reiter und 5000 Mann Fußvolk, das zweite: 8000 Mann Reiterei und 4000 Mann Infanterie, das dritte: 7000 Mann Reiterei und 3500 Mann Infanterie. Die Munsubs, welche von „Omrah's" commandirt wurden, bestanden aus 5—6—7000 Mann nach obigem Verhältnisse, alle übrigen aber aus 2—300 Mann, je nach dem Range ihrer Mun-subdar's. Die Cavallcrie war mit breiten und langen Säbeln bewaffnet, nur der vierte Theil der Infanterie hatte Musketen, die andern waren Bogenschützen. Jedes Munsub hatte seine eigenen Pferde, Elephanten, Kameclc, Maulesel, Ochsen, Wagen :c. und einen kleinen Artillcricftark; in jeder Provinz befand sich ein großer Artillcricpark, der aus 400 eisernen Kanonen und 5000 Artilleristen bestand. Außer dieser ungeheueren Armee bestand noch eine Abtheilung von 42,000 auserlesenen Soldaten, deren besonderer Dienst darin bestand, des Kaisers Person und seine Paläste zu bewachen; nebst dieser gab es noch 40 Corps, von 40,000 Mann ein jedes, das man „Schumschccrbaz" oder Fechter nannte. Einige derselben waren mit breiten Schilden und langen Schwertern bewaffnet, die sie mit außerordentlicher Geschicklichkcit zu gebrauchen wußten, andere waren mit kleineren Schilden und Keulen bewaffnet, noch andere mit Dolchen, womit sie im Handgemenge den Feinden großen Schaden zufügten. Die ganze Armee war in 12 große Abtheilungen getheilt, von denen in Fricdmszeiten jede nach der Reihe den öffentlichen Dienst versehen mußte. Die Ofsicicre jedes Ranges waren verbunden, ihren Dienst selbst zu versehen, ausgenommen diejenigen, 123 die an den Grenzen des Reichs angestellt oder zu besonderen Diensten berufen waren. — Asiatische Fürsten bezahlen ihre Truppen selten regelmäßig, sie sind ihnen gewöhnlich rückständigen Sold schuldig und bezahlen ihn öfters erst dann, wenn der Geist des Mißvergnügens sich regt; aber der scharfsichtige und staatsklugc Akbar wußte wohl, daß er seine ausgebreiteten Staaten nm durch eine zahlreiche und gut disäplinirte Armee in Ordnung erhalten konnte und daß die Kricgszucht derselben nicht bestehen kann, wenn die Truppen nicht gut und regelmäßig bezahlt werden. Er hatte daher Kricgszahlmcistcr ernannt, die den verschiedenen Munsubs und den anderen Truppencorps den Sold am ersten Tage jedes Monats regelmäßig auszahlen mußten. Der Sold eines Mun-subdar's betrug von 1000 — 60,000 Rupien monatlich, im Verhältnisse seines Nanges und der Stärke seines Regiments. Die Omrah's, welche die großen Abtheilungen der Armee befehligten und ungefähr die nämlichen Dienste verrichteten, wie die europäischen Generäle, wurden durch Anweisungen auf gewisse Portionen Land, Iaghirc genannt, besoldet, die sie lebenslänglich unter der Bedingung genossen, militairischc Dienste zu verrichten und eine gewisse Anzahl Truppen zu unterhalten, die bei Nothfällen zum Staatsdienste bereit sein mußten. ^ Diese Iaghire's waren oft von beträchtlichem Umfange und sehr einträglich, es wurde aber den Ofsicierm und Vornehmen, denen sie angewiesen wurden, ausdrücklich anbefohlen, sich nicht an den Pachtcontracten der Bauern ihrer Iaghirc's zu vergreifen, oder etwas daran zu verändern, und nicht mehr von ihnen zu fordern, als sie früher der Negierung bezahlten. Bei gewissen besonderen Gelegenheiten wurde alten Ofsicicrcn, die sich durch ihre Talente oder lange ausgezeichnete Dienste verdient gemacht hatten, mit immerwährenden, erblichen Iaghiren belohnt, die in den Provinzen lagen, welche sie durch ihre Tapferkeit oder Kriegskunst dem Staate unterworfen hatten. 124 Die „Ahdy's" oder Haufttlcute und die Subaltemofsicierc wurden theils in Gelde, theils in „Tunkha's" bezahlt. Tunkha war eine Anweisung auf den der Regierung zukommenden Antheil des Erzeugnisses einer gewissen Anzahl „Vccgah's" an Land. (Becgah ist ein hindostanisches Landmaß; drei Beegah's machen einen englischen Morgen.) Die Officiere der Cavallerie mußten, wenn sie in den Dienst traten, sich selbst ein Pferd verschaffen, nachher aber versorgte sie die Regierung mit Pferden und Kamee-lcn. Die Regierung scheuete keine Kosten, um Pferde aus denjenigen Gegenden zu kaufen, welche die schönsten und besten lieferten. Wenn die Pferde in Delhi ankamen, wurden sie von eigens ernannten, sachkundigen Männern genau untersucht, dann nach Werth und Schönheit abgetheilt und für die verschiedenen Corps, wofür sie bestimmt waren, auf eine Weise bezeichnet, wodurch zugleich die Eigenschaften der Thiere angegeben wurden. — Der Sold der gemeinen Reiter wechselte, je nach der besonderen Art Pferde, wozu man sie bestimmte; einige empfingen 90, andere nur 42 Rupien monatlich. Jedem Reiter wurde ein Kameel und ein Tragochft zugegeben. Die Fußsoldaten wurden im Verhältniß des Ranges des sie commandirenden Offiaers bezahlt, ihr Sold wechselte ebenfalls von 10^30 Rupien monatlich. . Auf diese Art hatte einer der talentvollsten und klügsten Fürsten, der jemals die Annalen von Asien geziert hat, ob man ihn nun als Krieger oder Staatsmann betrachte, eine große Armce errichtet und unterhalten. Und doch war selbst die Form dieser ungeheueren Anzahl bewaffneter Menschen im Widersprüche mit jedem Grundsatze der Kriegskunst, Ordnung und Disciplin, und beweiset genugsam, daß Akbar bei allen seinen ausgezeichneten Fähigkeiten doch in seinen Begriffen von Kriegskunst die übrigen asiatischen Herrscher wenig übertraf. Zweimal so viel Cavallcrie wie Infanterie, eine so große Ungleichheit in der Zahl der Soldaten, woraus die verschiedenen Munsubs bestanden, ein so 125 großer und ungereimter Unterschied in dem Solde der Officiere des nämlichen Grades und zwischen dem der gemeinen Soldaten — das sind Fehler von solcher Bedeutung in der Organisation einer Armee, daß sie dieselbe nothwendig verhindern mußten, irgend eine systematische Ordnung zu erlangen und die gewöhnlichsten Evolutionen mit Activitat und Effect auszuführen. Doch war die allgemeine Unwissenheit der Asiaten in der Krieaswissm-schaft so groß, daß diese schwerfällige, obgleich ungeheuere Masse, die von 30,000 gut disciplinirtcn Europäern geschlagen worden wäre, nichtsdestoweniger alle umliegenden Nationen in Furcht und Unterwürfigkeit erhielt. Im Anfange des 47. Jahrhunderts hatte das mongolische Reich durch die Uebermacht seiner Waffen eine große Ucberlegen-heit nicht nur über die anderen Staaten Hindostans, sondern auch über alle zwischen Persien und dem Indus gelegenen Völker erlangt. Von den hindostanischcn Staaten waren die des Deccan die mächtigsten, welche damals von den muhamcdanischen Sultanen von Golconda, Vijapur, Calbcrga und Telinga regiert wurden. Die Gebiete dieser Fürsten erstreckten sich um diese Zeit über den größten Theil des Innern der Halbinsel und enthielten die Provinzen: Telingana, Golconda, Visiapur, Guntoor, Cuddapah, nebst dem größten Theile des CarnatikS und den nördlichen Theilen von Mysore und Vidmore. Seit dem Ursprünge dieser muscl-männnischm Staaten, die am Ende des l 3. Jahrhunderts gestiftet worden warm, war es immer ein Hauptgegenstand der Politik des Hofes zu Delhi gewesen, dieselben zu unterwerfen, eine Politik, die, obgleich nothwendig zm Erhaltung des mongolischen Reiches, ohne Zweifel das Vündniß der muselmännischm Sultane des Deccan verursachte und unterhielt, das später viel Zeit, Blut und Geld kostete, um es wieder aufzulösen. Als Akbar den Thron bestieg, hatte diese Conföderation durch die Unterjochung der alten Hindumonarchen von Bcjanagm eine 126 große Vermehrung seiner Macht erlangt und diese durch beträchtliche Eroberungen im Carnatik noch vermehrt. Einer der ersten Gegenstände seiner Sorgfalt war daher, die südlichen Provinzen des Reiches gegen die Eingriffe und Gewaltthätigkeiten der verbündeten Fürsten zu schützen und scme ganze Macht gegen ein Bund-niß aufzubieten, das seine Gewalt verachtete und selbst seinen Thron zu bedrohen schien. Die großen Armeen, die er deßwegen gegen die verbündeten Fürsten des Deccan sandte, thaten ihren Einfällen in die mongolischen Provinzen von Eandeish und Ah-mednagm auf kräftige Weise Einhalt, und nöthigten sie nicht nur, sich auf das südliche Ufer des Godavery zurückzuziehen, sondern zwang sie auch, um Frieden zu bitten, den sie unter der Bedingung erhielten, dem Kaiser einen jährlichen Tribut zu zahlen und seine Oberherrschaft anzuerkennen. Dieses war die gegenseitige Lage des mongolischen Reiches und der Dcccan-Staaten zur Zeit von Akbar's Tode. Die kleinen Hindustaaten der Halbinsel, die noch ihre Unabhängigkeit behauptet hatten, besaßen jedoch keinen Einfluß auf die allgemeine Politik von Hindostan, aber die unerschrockene Sündhaftigkeit, womit sie sich fortwährend den muselmännischm Waffen widersetzten, wirkte als ein beständiger Zügel auf die Sultane des Dcccan, aber verhinderte sie, Kraft genug zu erlangen, um der überwiegenden Macht des mongolischen ReichcS widerstehen zu können. Den Anfang und die Natur der portugiesischen Besitzungen in Indien haben wir bereits ausführlich erörtert. Zu der Zeit, von welcher wir hier sprechen, hatten die Abscheulichkeitm, welche die Portugiesen in ihren Bemühungen um Verbreitung des christlichen Glaubens begingen, einen allgemeinen Unwillen gegen sie geweckt, nicht nur unter dm Hindu's, sondern auch unter den Muselmännern; auch war schon vor dem Beginne ihres Krieges mit 127 Sevajee, dem Mahrattcnanführer, ihr Handel mit ihrer Macht sehr gesunken. Ehe die Mahrattenstämme sich unter dem kühnen Se-vajce zu einer Nation vereinigt und erhoben hatten, waren sie blos ein Hirtenvolk, das die Gebirge von Berar bewohnte und, wie alle Bergvölker, sich durch kriegerischen Charakter und Frci-heitsliebe auszeichnete. Sie machten häusige Naubcmfälle in die niederen Gegenden der Provinz Bcrar, die Muselmänner trieben sie dann in ihre Berge zurück, ohne den Versuch zu machen, ste zu unterwerfen. Zwischen den Provinzen von Bengalen, Vahar und Oude und den Ländern auf deren östlichen Grenzen bestand ein regelmäßiger Handelsverkehr; diese Lander besaßen jedoch zu wenig Macht und Ansehen und daher zu wenig Einfluß auf die Nationen des Orients, um für den Hof zu Delhi Gegenstand politischer Wichtigkeit zu sein. Mit China scheint das mongolische Reich sehr wenig Verkehr irgend einer Art gehabt zu haben. Daß die Reichthümer dieses fruchtbaren Landes und der friedfertige, ruhige Charakter seiner Einwohner niemals die muhamcdanischen Monarchen angereizt hat, dieses Land zu erobern, ungeachtet ihres grenzenlosen Geld- und Ehrgeizes, ist ein schlagender Beweis, daß Keiner unter ihnen den militairischcn Genius besaß, der Zutrauen zu sich selbst einstößt, Schwierigkeiten überwindet und zu großen und kühnen Unternehmungen antreibt. Afghanistan und Khorastan, die zwischen Hindostan und Persien liegen, nebst den großen Provinzen von Balk und der Bucha-rei, die zwischen den Gebirgen von Hindu-Kho und der Tartarei gelegen sind, waren damals in mehrere Fürstenthümer eingetheilt, von denen einige unabhängig, andere dem mongolischen Kaiser oder dem Könige von Persien, Schah Abbas, zur Tributzahlung verpflichtet waren. — Dieser Monarch, mit dem Beinamen der Große, wurde nach dem Tode seines Bruders, Schah Ismael, 128 auf den Thron erhoben, ungefähr gegen das Ende der Regierung Akbar's, und es scheint, baß die Höfe von Delhi und Ispahan einen freundschaftlichen Verkehr mit einander unterhielten. Wahrend der zehn Jahre, die zwischen Schah Tamasft's Tode und Schah Abbas' Thronbesteigung verflossen, befand sich das ganze Königreich Persicn in einem Zustande von Anarchie, als Folge der Lasterhaftigkeit und Unfähigkeit der verschiedenen Fürsten, die nach einander den Thron inne hatten. Doch zeigte Akbar nicht die geringste Neigung, sich diese inneren Unruhen Persims zu Nutze zu machen und das gute EinVerständniß zwischen beiden Monarchiem wurde nicht gestört. Von dem Handelsverkehre, der zwischen Indien und fremden Staaten, besonders mit europäischen Völkern, seit Alcrander's Zeiten bis an das Ende des 16. Jahrhunderts stattfand, haben wir in den vorhergehenden Kapiteln ausführlich gesprochen. Was aber nun den inländischen Handel Hindostans und des indischen Archipels betrifft, so haben wir darüber mancherlei Aufschlüsse zu geben. Handel zwischen verschiedenen Landern entsteht gewöhnlich durch das gegenseitige Bedürfniß, sich in ihren Productcn auszutauschen. Aber die genügsamen Hindu's, in ihren Wünschen beschrankt, bedurften keiner Waaren, mit denen irgend eine andere Nation sie versehen konnte; ihre charakteristische Geduld, Mäßigkeit und Gelassenheit, die im Laufe langer Zeiten durch die beschränkteren Grundsätze ihrer religiösen Civilordnung hervorgebracht waren, verhinderten sie, den Geschmack an Ueppigkeit und Ausschweifung zu entwickeln, diese Folgen der Sittenverfcinmmg, die allerdings den auswärtigen Handel der Nationen fördert. — Da ihnen ihre eigene, erfinderische Betriebsamkeit jedes Lebmsbedürf-niß der Nothwendigkeit und Bequemlichkeit verschaffte, und die Milde des schönen Himmels, unter dem sie leben, ihnen jede andere 129 entbehrlich machte, so hatten sie keinen Sinn für die Erzeugnisse fremder Länder und fühlten auch wenig Neugier, sie kennen zu lernen. Sie gaben sich daher nie mit fremdem Handel ab, dachten auch nicht an die Vortheile, die sie sich verschaffen konnten, wenn sie ihre eigenen Erzeugnisse denjenigen Nationen zuführten, die diese so hochschätzten. Der Wunsch nach Reichthum ist jedoch ein zu allgemeiner und mächtiger, um nicht auch auf ein so gebildetes Volk, wie die Hindu's, Einfluß gehabt zu haben; das Gold und Silber, mit welchen die Kaufleute fremder Nationen die Markte von Hindostan besuchten, um die unübertrefflichen Manufacture»: und kostbaren Waaren zu kaufen, die man nirgends anders erhalten konnte, wirkte als ein mächtiger Sporn auf die Betriebsamkeit der Hindu's. Das Geld, welches auf diese Weise in das Land stosi, verließ es nicht wieder, weder im Tausch noch zu anderen Zwecken; da der durch die Portugiesen betriebene Handel dir europäischen Völker mit einer wahrhaften Wuth auf indische Erzeugnisse angesteckt hatte, während die Menge der aus Amerika kommenden edlen Metalle die Anschaffung indischer Waaren erleichterte, so wurde natürlich das hinbostanische Reich unter Akbar's Regierung der Sammelftlatz alles Geldes der Welt. Dieser ungeheuere Eingang von Geld, das durch das ganze Reich circulirtc, wurde als ein Mittel für den inneren Handel gebraucht, der dadurch unendlich blühender wurde, als zu irgend einer anderen Zeit, aber sich jedoch nur auf die Halbinsel, den Dcccan, die Provinzen Orissa, Bengalen, Vahar, Oudc, Delhi, Malwa, Guzerat, das Panjab, Caschmir und Cabul erstreckte. Die aus der Tartarei, Persicn und Arabien eingeführten Pferde wurden gegen Mousselin, grobe baumwollene und seidene Stoffe ausgetauscht; der von Ceylon eingeführte Zimmt, die Gewürznelken, Muskatnüsse und Blüthen, aus den molukkischcn Inseln das europäische Eisen und die Van Mölcrn, Ostindien, i. » 130 „Cowri's"*) von ben maledivischen Inseln wurden gleichfalls mit Waaren bezahlt. Diese warm die einzigen Handelsartikel, die damals in Hindostan eingeführt wurden. Die Nachfrage nach Pferden und Gisen entstand durch die großen stehenden Heere, die der Kaiser und die muselmannischcn Fürsten des Deccan unterhielten und durch die immerwährenden Kriege unter einander nöthig wurden. Dieser Tauschhandel war aber im Verhältnisse gegen den allgemeinen Handel des Landes unbedeutend. Der große Ausfuhrhandel von Hindostan bestand unveränderlich in einem gegenseitigen Austausche von Waaren gegen Geld, wurde aber niemals von seinen eigenen Einwohnern unmittelbar betrieben, sondern immer von anderen Nationen in die Hand genommen. Die Einfuhr der edlen Metalle bewirkte einen doppelten Vortheil, sie versorgte nicht nur alle Bedürfnisse der Regierung und der Völker, sondern benahm auch den mongolischen Herrschern die Versuchung, die Gold- und Silbcradern des hinbostanischm Bodens bearbeiten zu lassen, eine Versuchung, wozu alle Regierungen eine große Neigung haben, wenn auch die übelsten Folgen davon entstehen. — Die Kaufleute von Hindostan zogen ebenfalls einen bedeutenden Vortheil von dem Gelde, welches sie für ihre Waaren von den europäischen Handelsleuten erhielten. Während Akbar's Regierung wurde eine Prämie von 20 Proccnt allen Kaufleuten bezahlt, die ihr fremdes Gold und Silber in die kaiserlichen Cassm lieferten, von denen mehrere in verschiedenen Theilen des Reiches errichtet waren. Indem das aus Europa eingeführte Gold in diesen Münz-häusern eingeschmolzcn und ausgeprägt worden und zwar in den im Lande gebräuchlichen Gcldsorten (als Gold-Mohur's und Rupien) wieder ausgegeben war, wurde damit ein ansehnlicher Handel ') Lowri's sind kleine, auf ten Küsten dieser Inseln eingesammelte Muscheln, die in Hindostan als Scheidemünze gcbrancht werden. 131 getrieben, weil sie in dm verschiedenen Provinzen des Reiches einen sehr verschiedenen Werth hatten, je nach dem Orte, wo sie geprägt waren. Die Mohur's und Rupien von Agra und Murschcdabad waren an positivem Werthe und der öffentlichen Schätzung noch besser als alle anderen; ein beträchtliches Agio wurde daher ans den Märkten des Deccan und in Guzcrat an diesen Gelbsortcn gewonnen, wohin man sie für den Ankauf von Diamanten, Rubinen, Smaragden und anderen Edelsteinen, die von Golconda und Vcrar kamen, ferner für die kostbaren Gold-und Silbersammctstoffc, die schönen Teppiche von Putten, Baroach und Ahmcdabad :c. brachte. Die Gold- und Silbcrmünzen (Pagoden und Fanam's), welche die unabhängigen Hindu-Rajah's der Halbinsel prägen ließen, wurden auch mit vielem Vortheile gebraucht, um den inländischen Handel in diesen Gegenden zu beleben. Die „Dam's", „Pice" und andere kleine Scheidemünzen, welche in Umlauf waren, dienten dazu, diesen Handel unter einem Volke zu befördern, das, an die äußerste Mäßigkeit gewöhnt, Gelegenheit haben mußte, seine Bedürfnisse in den kleinsten Quantitäten kaufet« zu können. Nntcr den niedrigsten Klassen war selbst Kupfermünze, so klein sie auch war, nicht gemein oder wohlfeil genug, um ihre Bedürfnisse zu erfüllen, man nahm daher seine Zuflucht zu den Cowri's, jenen maledivischen Muscheln, durch deren Beihülfe sie sich ihre Bedürfnisse in solchen Portionen verschafften, die ihren sparsamen Gewohnheiten angelnessen waren und die sie nicht entbehren konnten. -^ Der Handel mit den Cowri's wurde unter Akbar's Regierung von den Handelsleuten von Camboya, Ghogch und Surate betrieben, welche kleine Schiffe, Tahwery's genannt, mit Reis und groben Baumwollenstoffen beladen, nach den maledivischen Inseln schickten und mit diesen Gegenständen die kleinen, nützlichen Muscheln ankauften. Dies ist der einzige Ausfuhrartikel, der 132 jemals von den Handelsleuten Hindostans auf eigene Rechnung geführt worden ist. Die Stadt Surate, in der Provinz Guzcrat, war in dieser Periode zugleich der vornehmste Seehafen im mongolischen Rciche und der große Stapelplatz von Hindostan. (5r wurde nicht nur von den Portugiesen besucht, die in seiner Nähe Niederlassungen hatten, sowie von anderen europaischen Kaufleuten, sondern auch von den Persern und Arabern. — Die Kaufleute von Deccan und von den östlichen und nördlichen Provinzen des NcichcS brachten daher ihre verschiedenen Erzeugnisse auf diesen Markt, wo sie versichert waren, einen sichern und ansehnlichen Absah ihrer Waare zu finden. Die Waaren wurden von einer Provinz in die andere auf Tragochscn in zahlreichen Caravancn geführt. Tavernicr erzählt, daß diese Caravancn so groß gewesen seien, daß, wenn ein Reisender einer solchen begegnete, er auf dem Wege halten und mit Geduld warten mußte, bis sie vorbeigezogen war, was nicht selten einen bis zwei Tage dauerte. — Viele der Waaren, die auf diese Art nach Suratc gebracht wurden, verkauften ihre Besitzer an die Kaufleute der Stadt oder tauschten sie gegen die besonderen Erzeugnisse der Provinz Guzerat um; auf die nämliche Art wurden die Naturvroductc und Manufacturen einer Provinz gegen die einer anderen umgesetzt. Dies geschah durch ganz Hindostan, den Deccan und die Halbinsel mit einbegriffen. In Bengalen wurde jedoch der inländische Handel wegen der vielen Flüsse, von denen diese Provinz durchschnitten wird, zu Wasser geführt und zwar viel geschwinder und mit weniger Kosten, als durch die Cara-vanen. Dieser große Vortheil, nebst der außerordentlichen Fruchtbarkeit des Bodens, den die Flüsse hervorbrachten, sowie die Betriebsamkeit der Bewohner haben diese schöne Provinz Bengalen zu allen Zeiten zu der reichsten und glücklichsten in ganz Hindostan gemacht. DieseS konnte von dcn Portugiesen nicht unbemerkt bleiben, 133 die einen bedeutenden Handel dort trieben und vom Kaiser die Erlaubniß erhalten hatten, kleine Factoreien an den Ufem des Flusses Hooghly zu errichten, um ihre Handelsagenten in den Stand zu setzen, im Lande zu wohnen und Schiffsladungen in Bereitschaft zu halten, und ihre Schiffe gleich nach ihrer Ankunft von Europa befrachten und heimschicken zu können. — Die Portugiesen hatten auch ihre Agenten in Chittagong, einer großen und volkreichen Stadt auf der östlichen Grenze von Bengalen, nahe an den großen Mündungen der Flüsse Ganges und Brahmaputra. Dieser Ort war der Hauptmarkt auf der östlichen Seite von Hin-dostan, und hierher brachten die Kaufleute von Tonquin, Cochin-china, Sianl, Pegu, Ava, Arrafan und Assam das Gold und Silber, das in den Bergwerken dieser Lander erbeutet wurde und wofür sic die Manufacture« und viele der Naturproductc von Bengalen kauften. Der Handel des indischen Archipelagus, besonders der Inseln Sumatra, Java, Borneo, Celebes und der Molukkcn, war sehr ausgedehnt und blühend. Die Araber und Chinesen hatten schon lange einen sehr ausgebreiteten Handel mit diesen Inseln getrieben. Wir haben aus unbezweifclter Quelle Nachrichten geschöpft, daß mehrere Kaufleute aus den arabischen Handelsstädten sich im Anfange des 9. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung auf den westlichen .Küsten von Sumatra und der Halbinsel von Malacca niedergelassen haben, und daß durch diese Kaufleute ein regelmäßiger Handel zwischen Arabien, Hindostan, dein östlichen Archipelagus, China und Japan betrieben und mit vielem Eifer und verhältniß-masiigem Glücke geführt worden ist. Die Stadt Malacca auf der malayischen Halbinsel, Sumatra gegenüber gelegen, war der große Stapelftlatz der östlichen Inseln. Nach diesem Haftn sandten die Chinesen jährlich eine Flotte von Iunken (chinesischen Handelsschiffen), beladen mit den Erzeugnissen von China, die sie dort für den Goldstaub, daS Zinn und bm Pfeffer von Borneo, Sumatra, 134 und Celebes, nebst dcn herrlichen Gewürzen der Molukkm, austauschten. Viele der Handelsartikel, die von den arabischen Kaufleuten auf diesen Markt gebracht wurden, besonders die Manufac-turen von Hindostan, der Zinunt von Ceylon, die Gold- und Silbermünzcn des mongolischen Reiches, wurden dcn Chinesen in Tausch gegen ihre eigenen Manufacturvroducte überlassen. Ein bedeutender Handel war auch zwischen bm verschiedenen Inseln, durch kleine Schiffe geführt, welche man „Proa's" nennt und welche die Malaycn mit großer Gcschicklichkeit zu führen verstehen. Dieses war nun die Natur des Handelsverkehrs und die Art seiner Führung, als die Portugiesen ihren Verkehr mit den Inseln ansingen und mittelst Waffengewalt verschiedene Niederlassungen auf ihren Küsten gründeten. Sie verdrängten die Araber aus dem Zwischenhandel zwischen Hindostcm und dem östlichen Archipelagus, fanden aber auch ihren eigenen Vortheil dabei, den chinesischen Kaufleuten jede Aufmunterung zu geben, indem sie durch größere Nachfrage nach chinesischer Waare diesen Handelszweig beträchtlich erweiterten. Als die Macht der Portugiesen in den westlichen Theilen von Hindostan in Verfall gcrieth, verloren sie auch ihren Einfluß auf die malayischcn Stämme. Im Königreiche Achcen, auf der Insel Sumatra, wurden sie öffentlich angegriffen und von der Insel vertrieben. In der nämlichen Zeit hatten einige andere ihrer Niederlassungen auf anderen Inseln dasselbe Schicksal. Aber der Handel der malayischm Inseln erlitt keinen Nachtheil dadurch, denn die Holländer hatten bereits mit kräftiger und unermüdlicher Betriebsamkeit daran Theil genommen, eine Betriebsamkeit, die alle ihre merkantilischen Unternehmungen auszeichnete und allein, selbst ohne die Hülfe der Waffen, ihre trägen und ausgearteten portugiesischen Nebenbuhler schon verdrängt haben würde. 135 Im Jahre 1605 hatten die Holländer angefangen, in Java, Vanda und auf dcr östlichen Küste von Sumatra Niederlassungen zu errichten; in den Gcwürzinscln hatten sie die Portugiesen gänzlich verdrängt, die nun auf dieser Seite von Indien nur noch den Hafen von Malacca, die Insel Mocao auf der Küste von China und einige unbedeutende Factoreien in Celebes, Ternate und Tibore besaßen. SielmteZ MM. Geschichte dcs englischen Vrrlchns mit Indien nut> die Oriindmlss der englisch-ostiudischcn Haudclscompassnie. Der Verkehr zwischen England und Indien hat schon in den ältesten Zeiten der englischen Geschichte angefangen. Man hat behauptet, daß Alfred der Große eine Mission nach St. Thomas anf der Küste von Coromandel gesendet habe, ungefähr um das Jahr 888 —und da sich deren Zweck auf fromme, menschenfreundliche Absichten beschränkte, wie es dem Geiste des Zeitalters ange^ messen war, so hat man keine Ursache, diese Behauptung zu bezweifeln. — Die sächsische Chronik meldet, daß, nachdem Alfred a/hört hatte, wie die christlichen Missionaire in Indien sich in großem Elende befänden, er einen seiner Lieblingspriester, Sighel-mus, absandte, um feine Wohlthaten nach dem Kloster St. Thomas auf der Küste von Eoromandcl zu überbringen. Nachdem dieser fromme Priester den Auftrag ausgerichtet hatte, kehrte er nach einer Abwesenheit von mehreren Jahren nach England zurück und brachte eine beträchtliche Menge Edelsteine mit, die er in den Schatz der Kirche Cherburnc in der Grafschaft Dorset niederlegte, von welcher Kirche er zum Erzbischofe erwählt wurde, als Belohnung für seine Dienste. 137 In Folge des rühmenden Berichtes, welchen Sighclmns von dem Handel, Reichthum und Lurus des Orients machte, soll Alfred, wie die sachsische Chronik versichert, mehrere Schiffe haben hauen und mit dem ausdrücklichen Zwecke, am indischen Handel Antheil zu nehmen, ausrüsten lassen. Diese Schiffe lieh er einigen unternehmenden Kaufleuten, die er auch obenein mit Geld unterstützte, und welche denn auch damit verschiedene glückliche Reifen nach den Häfen von Syrien und Egyftten machten, von wo sie reiche Labungen indischer Waaren zurückbrachten. Es scheint aber, daß dieser Handelsverkehr, durch Alfred's unternehmenden Geist angefangen, nicht lange fortgesetzt, auch selbst wahrend der glücklichen Periode seiner Regierung nicht mit Regelmäßigkeit betrieben wurde. Nach den: Tode Alfred's wurden wahrend vieler Jahrhunderte keine weiteren Versuche gemacht, den Handel mit Ggyfttcn zu erneuern. Von dieser Zeit an bis zu denIeiten Heinrich's VIII. wurde England durch die Venctiancr mit den Erzeugnissen des Orients versehen. Nach der Eroberung der Normannen, eine Be-gebcnhcit, welche dazu beitrug, den auswärtigen Handel Englands zu vermehren, wurde jährlich ein großes Schiff, mit verschiedenen Erzeugnissen Indiens beladen, von Venedig nach dein Hafen von Southampton gesandt. Sowie die englischen Barone an Reichthum und Verfeinerung zunahmen, bekamen sic auch den Geschmack für Ueppigkeiten, und die Nachfrage nach indischen Waaren vermehrte sich in gleichem Verhältnisse. Während Eduard's III. Regierung gebrauchten die Vcnctia-ncr jährlich fünf Schiffe für ihren Handel mit England; der größte Theil ihrer Ladung bestand in Zucker, Gewürzen und sonstigen Gegenständen, welche an den Tafeln der Großen sehr beliebt wareil und stark consumirt wurden. Diese kostbaren Artikel, nebst Seiden-und Baumwollenstoffen, wurden theils mit Gelde, theils mit Wolle, ungegcrbten Häuten und Zinn bezahlt; da aber der PreiS dieser 138 indischen Prodmte bedeutend hoch war, so blieb der Vortheil dieses Handels ganzlich den Vmetianern. Ungeachtet dieses ungünstigen Ausfalles und trotz der Ueberlegenheit der englischen Schiffe und Seeleute über die anderer Nationen, machten weder die Staatsmanner noch die Kaufleute Englands die geringsten Versuche, an diesem einträglichen indischen Handel direct Antheil zunehmen, ein genügsamer Beweis, nicht nur des Mangels an Hanbclscapital, sondern auch der gänzlichen Abwesenheit des Sfteculationsgeistcs, dieses belebenden Prinzips alles Handels. Die Briten begnügten sich daher, die Bedürfnisse, auf die sie einen so hohen Werth legten, von den Vmetianern zu beziehen, obgleich sie wohl wissen mußten, wie weit vortheilhaftcr es für sie gewesen sein würde, sich die theuere Waare durch eigenen Handel zu verschaffen. Als aber die Entdeckung des Durchweges nach Indien um das Vorgebirge der guten Hoffnung den indischen Handel in die Hände der Portugiesen brachte und Lissabon der größte Stapelplatz für indische Waaren wurde, führten die Kaufleute von London dieselben in eigenen Schiffen aus Lissabon nach der Themse. — Ungefähr um diese Zeit übergab Heinrich Thornc, ein Kaufmann zu London, dem König Heinrich VIII. ein Memorial, worin er die großen Vortheile darstellte, welche die britische Nation aus einem dirccten Handelsverkehre mit Indien ziehen würde; in der .Absicht, seinen Plan dem ehrgeizigen Monarchen angenehm zu machen, schlug er vor, einen neuen Weg nach Indien einzuschlagen, und da die Portugiesen ihre Entdeckungen nach Osten, die Spanier aber nach Westen gemacht hatten, so würde es ein der englischen Nation würdiger Gegenstand sein, die Schifffahrt des nördlichen Oceans zu eröffnen und dort eine neue Durchfahrt nach Indien zu suchen. Obgleich dieser Plan viel Wahrscheinlichkeit für sich hatte, so scheint es doch nicht, daß ihm Heinrich VIII. jemals die geringste Aufmunterung geschenkt habe, ober B auch nm der Mühe werth 139 gehalten hätte, dessen Möglichkeit zu prüfen. Erst 1578 wmbe durch Franz's Drake das erste Licht über diese Schifffahrt verbreitet. Der erste Engländer, der um das Vorgebirge der guten Hoffnung nach Indien fuhr, hieß Stevens, und hatte lange als Factor in Lissabon gelebt. Im Jahre 1579 ließ er sich bewegen, eine Neise nach Goa auf einem portugiesischen Schiffe zu machen. Nach seiner Rückkehr gab er eine Beschreibung seiner Ncisc und der portugiesischen Niederlassungen auf der malabarischcn Küste heraus. Diese Reise, nebst derjenigen des berühmten Cavendish, der im Jahre 1586 die Welt umsegelte, scheinen zuerst den englischen Kaufleuten den Gedanken eingeflößt zu haben, den ncucnt-dccktcn Weg nach Indien gleichfalls zu benutzen. — Im Jahre 4591 rüsteten Raymond und Jacob Lancaster gemeinschaftlich drei Schisse nach Indien aus, in der Absicht, nicht nur mit den Eingeborenen von Indien Handel zu treiben, sondern auch um die von Indien nach Europa heimkehrenden Handelsschiffe aufzugreifen und gegen sie zu kreuzen. Ihre Reise siel aber sehr unglücklich aus; von den drei ausgelaufenen Schiffen erreichte allein das von Lancaster geführte Indien, die beiden anderen gingen beim Vorgebirge der guten Hoffnung verloren. Lancaster war bei seiner Ankunft in Calicut durch den traurigen Zustand seines Schiffes genöthigt, sein gänzliches vorrathigcs Geld zur Ausbesserung seines Schiffes zu verwenden, was ihn verhinderte, auch nur einen Theil seiner Absichten auszuführen und, um sein Unglück zu vollenden, wurde er bei seiner Rückreise weit nach Westen verschlagen, wo er an den westindischen Inseln Schiffbruch litt, aber von einem französischen Schiffe gerettet und nach England geführt wurde. Die Nachrichten übrigens, welche diese kühnen britischen Seefahrer über die Leichtigkeit des Handcltreibens mit den Eingeborenen Hindostans mitbrachten, sowie über den allgemeinen Unwillen 140 gegen die von den Portugiesen verübteil Abscheulichkciten, wirkten als cin mächtig« Antrieb, um die Londoner Kaufleute zur Betheiligung mn indischen Handel zu bewegen. Sie fingen an, auf die großen Vortheile zu speculiren, die man daraus ziehen konnte, da sie aber nicht Capital genug besaßen, um diesen neuen Handel auf dein ncumtdecktcn Wege um das Vorgebirge nach einem Maßstabe zu führen, der ihnen einige Hoffnung auf glücklichen Erfolg geben konnte, so beschlossen sie einen minder gefahrvollen Weg einzuschlagen, und den Handel mit Syrien und Egyptcn zu erneuern, den die Vcnctianer, in ihrer einstigen Betriebsamkeit erschlafft, hatten in Verfall gerathen lassen. Im Jahre 1594 wurde daher der Königin Elisabeth ein Memorial überreicht, das von einer ansehnlichen Anzahl der ach-tungswcrthcstcn Kaufleute Londons unterzeichnet war, in welchem die Vortheile, die die Nation wahrscheinlich aus einem Verkehre mit Indien ziehen würde, in dem vorteilhaftesten Lichte dargestellt wurden und die Königin ernstlich gebeten ward, der türkischen Regierung Vorschläge zu machen und einen Handclstractat mit ihr abzuschließen, durch den die Unterthanen der Königin solche Privilegien erhalten möchten, die sie fähig machten, mit den Kaufleuten in Syrien und Egypten einen Handelsverkehr zu beginnen, der auf die dauerhafte Basis gegenseitiger Vortheile gegründet werden sollte. — Die Königin empfing diesen Vorschlag mit völliger Genehmigung und bezeugte ihnen ihre Zufriedenheit über den kaufmännischen Spcculationsgeist, der sich in ihren Staaten zu zeigen anfange, und versicherte der Deputation, daß sie keine Icit verlieren wolle, diesem lobenswcrthcn und vernünftigen Begehren zu entsprechen. — Die Königin war überdies immer geneigt, Handcls-entwürft zu genehmigen, und da sie von diesem eine günstige Meinung hegte, so sandte sie sogleich eine Botschaft an den türkischen Monarchen nach Constantmopel mit Vorschlagen für einen Handelstractat. Ihre Briefe wurden mit Höflichkeit empfangen, 141 ihre Vorschläge willfährig angenommen und bald darauf ein Vertrag zwischen beiden Mächten abgeschlossen, durch den die britischen Kaufleute in dem türkischen Reiche größere Privilegien, als irgend eine andere Nation jemals besessen hatte, erhielten. Von nun an wurden die indischen Waaren in englischen Schiffen nach England gebracht und dieser mit dem türkischen Reiche eröffnete Handel wurde, bis lange nach Errichtung der englisch-ostindischen Compagnie, mit unvermindertem Eifer betrieben. Es erwuchsen jedoch nicht die großen Vortheile daraus, die man erwartet hatte; wegen der großen Anzahl Hände, durchweiche die indischen Erzeugnisse gingen, ehe sie England erreichten, wurde ihr Preis natürlich sehr erhöhet, und die Holländer, welche jetzt in verschiedenen Theilen Indiens sich festgesetzt hatten und den Handel auf dem Wege um das Caft der guten Hoffnung mit großem Eifer und Erfolge betrieben, verkauften den Engländern die indischen Waaren auf dein Markte zu London selbst viel wohlfeiler, als die englischen Kaufleute die ihrigen geben konnten. Dieser Umstand diente nun dazu, die britischen Kaufleute mit neuem Eifer zu beseelen, und einige der reichsten unter ihnen beschlossen, wenn ihre Regierung sie unterstützen wollte, nicht länger zuzugeben, daß die Portugiesen und Holländer den reichen indischen Handel allein betrieben. In diesem Entschlüsse wurden sie durch den Grafen George von Cumberland, nebst einer großen Anzahl von Privatmännern von Geburt und Vermögen unterstützt, die sich mit ihnen vereinigen wollten, um eine gewisse Anzahl Schiffe auszurüsten und einen Handel direct mit Indien zu eröffnen, sobald sie von der Regierung eine Urkunde erlangen könnten, die Denjenigen, welche dieses Unternehmen ausführen würden, das ausschließliche Privilegium dazu ertheile. Als man sich an die Königin wandte, um ihre Gesinnungen über diesen Gegenstand zu erfahren, drückte sie ihre Genehmigung dieser Maßregel und den Entschluß aus, ihr 142 jede Unterstützung angedeihen lassen zu wollen. Sie hatte sogar in ihrem umfassenden Geiste diesen Wunsch ihrer Untcrhanen vorausgesehen und in der Absicht, ihnen die Ausführung zu erleichtern, wurde Johann Mildenhall, englischer Consul zu Con-stantinoftel, über Land nach Hindostan gesandt, mit Briefen der Königin Elisabeth an den Kaiser Akbar. Der Zweck dieser Sendung war, von diesem Monarchen für die englischen Kaufleute, welche die Seehäfen seiner Staaten besuchen würden, solche Vorrechte zu erhalten, die ihnen ein bestimmtes Ucbcrgewicht über die anderen europäischen Staaten verschaffen konnten. Wir haben keine genügende Dommcnte auffinden können, wie Mildcnhall von Akbar empfangen worden ist, aber nach dem bekannten, cdcl-müthigcn und milden Charakter dieses Monarchen zu urtheilen, sind wir zu glauben geneigt, daß der englische Gesandte am Hofe zu Delhi mit Auszeichnung aufgenommen wurde, obgleich die ränkesüchtigen portugiesischen Jesuiten, die damals in Agra und Delhi waren, unter nachtheiligcr Darstellung der englischen Nation, Alles aufgeboten haben, ihn zu bewegen, die Anträge der Königin Elisabeth zurückzuweisen. So viel ist wenigstens gewiß, daß Mildenhall nach England zurückkehrte, ohne den Zweck seiner Sendung erreicht zu haben, man weiß aber nicht, ob er Briefe von Akbar selbst an Elisabeth mitgebracht habe. Die Königin hatte jedoch nicht auf die Antwort Akbar's gewartet, um über die Maßregeln zu entscheiden, denn schon am 3i. December 1600, etwa sechs Monate nach Mildcnhall's Abreise von Constantinopcl, wurde die englisch-ostindische Compagnie durch eine feierliche Urkunde der Königin gegründet; diese Urkunde wurde für den Grafen George von Cumberland und 245 Ritter, Aldcrmänner und Kaufleute ausgefertigt und vereinigte sie zu einer selbstständigen Körperschaft mit einem Siegel, das sie nach Belieben verändern können, unter dem Titel: „Gouverneur und Compagnie der nach Indien handelnden Kaufleute von London." 143 Thomas Smy the, Esquire, Alderman von London, wurde durch die Urkunde zum Gouverneur der Compagnie und von 24 Director«: ernannt. Die Urkunde verordnete weiter, daß alle Jahre ein neuer Gouverneur und neue Dircctorcn gewählt werden sollten, aber in Zukunft durch die Compagnie selbst, daß die Directorcn Ausschüsse bilden sollten, die zusammen die Leitung und Oberaufsicht der Reisen, Schiffe und Waaren, dm Verkauf derselben und die alleinige Negierung aller der Compagnie gehörigen Gegenstände haben sollen, daß diese Dircctorm den Eid der Treue schwören müssen und jedes Mitglied der Compagnie einen Eid zu leisten hat, ehe es ihm vergönnt ist, als cm freier Mann der Compagnie handeln zu dürfen; daß diese Freiheit ihnen, ihren Nachfolgern, ihren Söhnen, wenn sie das Alter von 21 Jahren erreicht haben, ihren Lehrlingen, Factorcn und Bedienten — für die Periode von fünfzehn Jahren bewilligt sei; sie erhielten die Vollmacht, Ncbcngcsetzc zu machen, Strafen an Geld oder körperliche aufzuerlegen, insofern sie nicht mit den englischen im Widerspruch ständen, ihre Waaren vier Jahre lang zollfrei auszuführen, und eS sollten nach dieser Zeit die Abgaben auf alle ausgeführten, aber verunglückten Waaren zurückgegeben werden. — In Betreff der Ginfuhrgebührcn wurde ihnen für die eine Hälfte sechs Monate Credit, für die andere Hälfte zwölf Monate Credit gegeben und freie Ausfuhr für dreizehn Monate. Cs war ihnen erlaubt, 30,000 Pfund Sterling in fremdem gemünzten oder ungemünzten Golde und Silber auszuführen, mit der ausdrücklichen Bedingung icdoch, daß 6000 Pfund Sterling dann in Ihrer Majestät Münz-hauscrn sollten umgeprägt werden. Nach der Vollendung jeder Reise sollten sie ebenso viel gemünztes oder ungcmünztcs Gold und Silber zurückbringen, wie bei dieser Reise ausgeführt worden war. Das alleinige und ausschließliche Nccht, nach Indien zu handeln, war ihnen zugesichert und alle anderen britischen Unterthanen waren unter den schwersten Strafen davon ausgeschlossen; 144 es war jedoch hinzugefügt, daß, wmn nach fünfzehn Jahren (die durch die Charte festgesetzte Dauer der ersten Compagnie) dieses Monopol für das gemeine Beste schädlich befunden worden, cs dann nach einer zweijährigen, unter dem königlichen Privatsiegcl vorausgegcbmm Warnung null und nichtig sein solle, daß aber, wenn die Erfahrung beweisen würde, daß diese neue Corporation der Nation nützlich sei, die Majestät verspreche, nicht nur deren Privilegien zu erneuern, sondern auch solche Clauscln hinzuzufügen, wie man alsdann für den Nutzen der Compagnie und ihren Handel für zuträglich finden würde. Nachdem die Comftagnic diese vorthcilhaftcn Privilegien erhalten hatte, begann sie im Jahre 1601 eine Summe Gelb zu erheben (jedoch nicht in einein gemeinsamen Capital), um ihren Handel anzufangen; obgleich eines Jeden einzelner Antheil auf 50 Pfund Sterling beschränkt war, so betrug doch in kurzer Zeit das in Cassa des Schatzmeisters gezahlte Geld eine Summe von 72,000 Pfund Sterling, ein Umstand, der die Popularität dieses Unternehmens unter den Londoner Kaufleuten genügend beweiset. - -Jedoch fehlten auch solche nicht, welche dieses neue Unternehmen in mehreren Schriften mit den stärksten Ausdrücken und vielen anscheinend sophistischen Gründen zu verdächtigen und in bösen Nuf zu bringen suchten. Die Hauptgründe, die man anführte, sowohl gegen den indischen Handel im Allgemeinen, als gegen die Errichtung einer ausschließlichen Compagnie zur Betreibung dieses Handels, waren: 1) daß es den baarm Reichthum des Landes erschöpfen werde, 2) daß die in diesem Handel gebrauchten Seeleute den verderblichen Einflüssen deS Klima's, der Länge und den Strapazen der Ncise unterliegen würden, daß also ihre Seemacht vcr-hältnißmäßig dadurch geschwächt werden würde; 3) daß, da die zurückgebrachten Ladungen hauptsächlich aus Luxusartikeln bestehen würden, die man entbehren könne, dieser Handel den Ginstuß haben würde, die Betriebsamkeit des Volkes zu vermindern und den 145 Annen ihre Beschäftigungen zu rauben; 4) daß die Einfuhr indischer Manufactm den Verkauf der einheimischen vermindern werde; 5) daß, wenn man auch die Nothwendigkeit dieses Handels zugeben wollte, es doch unpolitisch und den freien Grundsätzen der englischen Staatsvcrfassung zuwider sei, die Vorrechte der ganzen Nation einer besonderen Klasse von Menschen zu übergeben; 6) daß die freien Kaufleute, durch welche der allgemeine Handel der Nation betrieben werde, die Lasten dieses besonderen Zweiges besser tragen, aber auch besser leiten und betreiben würben, als einige Directoren, deren Handelsbegriffc schon das Monopol selbst, unter dem sie handelten, verengen und beschranken würde; endlich 7) daß es jedem Handclsgrundsatzc geradezu entgegen sei, auch für das Publikum äußerst nachtheilig wäre, sich in die Nothwendigkeit zu versetzen, alle indischen Erzeugnisse in den Waarenlagern einer Gesellschaft von Kaufleuten kaufen zu müssen, die dadurch die Macht erlangten, bei Verhinderung aller Eoneurrcnz, den Preis ihrer Waaren nicht nach dem Verhältnisse des rechtlichen Handelsgewinnes, sondern nach Willkür ihres Geizes zu bestimmen. Die Vertheidiger und Beschützer des indischen Hcmdelmono-pols erwiderten auf diese Einwürfe mit Kraft und Klarheit und behaupteten, daß alle Nationen, die sich diesem Handel gewidmet haben, großen Vortheil daraus gezogen hatten, und daß die Geschichte aller, selbst der weisesten Handelsstaatm diesen Punkt unumstößlich, klar und deutlich beweise; daß im Gegentheile nichts mehr dazu beitragen könne, die Seemacht zu verstärken, als eben dieser Handel, wegen der großen Anzahl Schiffe und Seeleute, die dabei gebraucht würden; daß nichts die Schiffskunst so sehr verbessern und vervollkommnen könne, als solche lange Seereisen längs so vieler Küsten, in so vielen Meeren und Klimaten und über den größten Theil der Erde; daß dieser Handel ein nie zu berechnendes Maß von Reichthum nach England bringen würde, Van Möf°r„. Ostindie,,. l. ^ 146 wahrend er noch überdies einer großen Menge arbeitsamer Menschen Beschäftigung geben werde, sowohl zu Hause wie in der Fremde; daß viele Tausend Personen, die wahrscheinlich in Indien angestellt werden müßten, nachdem die Compagnie bort Factorcien und Niederlassungen errichtet haben würde, dort großes Vermögen sich erwerben könnten, womit sie zurückkehren und damit die Masse des Nationalvermögens bedeutend vergrößern würden; baß jeder Handelszweig im Lande selbst mehr oder weniger von dem indischen Handel abhänge oder damit verbunden sei; daß es auch ungerecht sei, die Menge der Landesmanufacten, die die Compagnie durch die Bedingungen ihrer Charte verbunden sei, jährlich auszuführen, nicht zu bedenken und zu erwähnen, und daß in Betreff des Monopols es die allgemein angenommene Meinung aller diesen Handel treibenden Nationen sei, wie es durch einen offenen, freien Antheil daran nicht gelingen könne; daß der wirkliche Zustand und die Beschaffenheit eines Handelsverkehrs nach einem so fernen Lande nicht bekannt gemacht werden könne und daß die nothwendigen Anordnungen und Vorschriften für einen solchen Handel durch kein anderes Mittel, als das einer ausschließlichen Compagnie könne ausgeführt werden; daß den indischen Handel unter Oberaufsicht der Krone zu stellen für die Freiheit der englischen Verfassung viel verderblicher sein würde, als irgend ein schädlicher Einfluß, den dieses Monopol der Compagnie wider Vermuthen jemals erregen könne; und endlich, daß von allen diesen Gründen keine Wahl bleibe, als entweder den Handel mit Indien ganz aufzugeben, oder ihn unter der Leitung und Oberaussicht einer ausschließlichen Compagnie zu betreiben. Dieses ist in Kürze der Inhalt der lebhaften Erörterungen, die wegen dieses wichtigen Gegenstandes stattfanden, und der Auszug, den wir davon gegeben haben, wird dadurch interessanter, weil er beinahe alle Beweisgründe enthält, die seit jener Periode sowohl gegen als für den indischen Handel und dessen Monopol vorge- 147 bracht worden sind; sowohl von spcculativm Philosophen, wie Staatsö'konomisten und praktischen Staatsmännern. Während die Politiker und Kaufleute von London sich mit diesen Erörterungen beschäftigten, warm der Gouverneur und die Directoren der Compagnie eifrig bemühet, ihre erste Handelsflotte auszurüsten, die aus einein Schiffe von 600 Tonnen, einem von 300, zweien von 200 und einem Proviantschissc von 580 Tonnen bestand; die Anzahl der auf diesen Schiffen angestellten Seeleute betrug nm 480 Mann; das Commando dieser Flotte wurde dem Capitain Jakob Lancaster übergeben, dessen wir schon erwähnt haben und dessen Erfahrung und Kenntniß der Schifffahrt der indischen Meere sowohl, als sein natürlicher Verstand und seine Fähigkeiten ihn zu einer tauglichen Person machten, um mit so wichtigem Auftrage beehrt zu werden. Die Ladungen der verschiedenen Schiffe bestanden größtenthcils aus Zinn, Blei, Eisen, eisernen Kanonen, Musketen, Säbeln, die nebst dem ungcmünztm Silber und den spanischen Piastern den Werth von 27,000 Pfd. Sterling betrugen. Der Uebcrrest der 72,000 Pfd. Sterling, die Summe, welche die Compagnie ursprünglich zu diesem Zwecke zusammengeschossen hatte, wurde ganzlich auf Ankauf und Ausrüstung der Schiffe verwandt. Lancaster wurde angewiesen, sich nach den östlichen Theilen von Indien zu begeben, in der Absicht, sich desto leichter die Gewürze zu verschaffen, die damals in England so beliebt waren; in der Absicht, die Erlangung dieses Gegenstandes zu erleichtern, gab ihm die Königin ein Schreiben an den König von Acheen auf der Insel Sumatra mit, worin sie diesem Fürsten ihre Freundschaft und Allianz anbot und den ernstlichen Wunsch ausdrückte, er möchte ihren Unterthanen erlauben, in seinen Staaten Handel zu treiben und in einen Handelsvertrag mit ihr zu treten, zu welchem Zwecke sie dem Ucberbringcr des Schreibens die nöthige Vollmacht ertheilt habe; sie wünsche dadurch Privilegien zu erhalten, welche 1U" 148 die Handelsunternchmungen ihrer Unterthanen sicher stellten und beiden Nationen vortheilhaft würden. Am l3. Februar 4601 segelte die Flotte aus den Dünen ab, und nach einer sehr langen Fahrt von 45 Monaten und i8 Tagen langte sie am 15. Iunius 4602 auf der Rhede von Acheen an. Lancaster sandte sogleich eine Gesandtschaft von sieben seiner Offi-ciere an den König, um ihm anzukündigen, daß er der Ueber-bringer eines Schreibens und einiger kostbarer Geschenke von Ihrer Majestät, der Königin von England sei, und um Erlaubniß bitte, sie persönlich überreichen zu dürfen. Die Gesandtschaft wurde mit größter Achtung emftfangm. Lancaster machte dem Könige seine Auswartung und wurde mit vielem Gepränge und großer Höflichkeit bewillkommnet, deren Grab bei malayischen Fürsten gewöhnlich mit der Anzahl Schiffe und der Macht ihrer fremden Gäste im Verhältniß steht. Nachdem Lancaster dem Könige vorgestellt worden war, überreichte er ihm das Schreiben und die Geschenke der Königin, deren vorzüglichster Gegenstand ein aus Federn verfertigter Fächer war; dann erklärte er dem Könige den Zweck der Ncise, den Antrag eines Freundschafts- und Handelstractats zwischen ihm und der Königin. Der Monarch drückte seine Bereitwilligkeit aus, den Wünschen der Königin von England entgegen zu kommen und daß er sich glücklich schätzen würbe, den englischen Unterthanen jedes Zeichen von Wohlwollen zu beweisen; er versprach, in zwei Tagen die Bedingungen des Vertrages bekannt zu machen, und nachdem er befohlen hatte, Lancaster mit einer prachtvollen Landeskleidung zu versehen und mit zwei Kree's (malayi-schcn Dolchen) zu bewaffnen, zog er sich von der Audienz zurück. Nachdem die Ceremonie beendigt war, wurde der englische Agent und seine Begleitung zu einem prächtigen Gastmahle eingeladen, das für sie zubereitet und dessen Tafclscrvis von Gold war und bei welchem eine Anzahl reichgeklcidetcr und mit Juwelen geschmückter, dem Könige gehöriger schöner Weiber erschien, welche 149 die Gäste mit Spiel und Musik ergötzten. — Am nächsten Tage sandte der König zwei scincr vornehmsten Ofsiciere an Lancaster, um mit ihm die Bedingungen eines Handelstractats in Ordnung zu bringen, die auch bald verabredet, abgefaßt und ausgeführt wurden. Es wurde festgesetzt, daß die Engländer freien Zutritt zu dem Hafen von Acheen, nebst der Erlaubniß, zollfrei zu handeln, haben sollten, daß es englischen Factorcn erlaubt sein solle, in Acheen zu rcsidircn, und daß sic genügsame Sicherheit und Gewährleistung haben sollten für alle Contratte und Käufe, welche sie mit den eingeborenen Kaufleuten abschließen würden, daß sie Macht haben sollten, ihre eigenen Leute nach Gutdünken zu bestrafen, ohne sich deßhalb an die Obrigkeiten des Landes wenden zu müssen, daß, wenn sie sich wegen einiger von Malayen erlittener Unbilden beklagen würden, sie sofort Genugthuung haben follten, und endlich wurde ihnen freie Ausübung ihrer Religion gewährt. Während der Zeit, daß dieser Tractat verhandelt wurde, bewachten die in Achcen residircnden portugiesischen Missionaire mit eifersüchtigen Augen das Verfahren der Engländer, das sie durch Spioniren genau zu erforschen suchten. Lancaster, der viel Scharfsinn nebst großer Thätigkeit und Wachsamkeit besaß, vereitelte jedoch ihre Absicht gänzlich, indem er ihre eigenen, bestellten Spione bestach und sie gegen die Portugiesen gebrauchte. Nachdem er den Hauptzweck seiner Reise erfüllt, so viel Pfeffer, als er sich verschaffen konnte, geladen und einen residircnden Factor in Achcen eingesetzt hatte, segelte er von da nach Bantam auf der Infcl Java. Auf seiner Fahrt dahin begegnete er einein großen, mit Gewürzen reich beladenen Schiffe und nahm es weg. England war damals mit Spanien im Kriege und Portugal eine spanische Provinz geworden. Als er in Bantam ankam, übergab er dem Könige dieses Landes wiederum Schreiben und Geschenke der Königin, was diesem Fürsten so wohlgefiel, 150 baß Lancaster die nämliche freundschaftliche Aufnahme und denselben glücklichen Erfolg, wie am Hofe zu Achcen fand. Es wurden ihm ganz gleiche Privilegien bewilligt, und nachdem er seine Ladung von Pfeffer ergänzt und einen seiner Osficiere als Factor zurückgelassen hatte, segelte er nach England zurück, wo er im September 1603 nach einer Abwesenheit von zwei Jahren und sieben Monaten wieder ankam. Obgleich diese Ncise weit glücklicher ausfiel, als selbst die zuversichtlichsten Freunde der Compagnie es hoffen durften, so diente sie doch nur dazu, den ursprünglich gegen ihr Monopol erhobenen Widerstand eher zu verstärken, als zu vermindern, und verschiedene kleine Flugschriften wurden herausgegeben, worin die Aufhebung der Compagnie auf das Emstlichste gefordert wurde. Die Compagnie jedoch, stolz auf den glücklichen Erfolg ihrer ersten Unternehmung und sich auf die Unterstützung der Regierung verlassend, achtete wenig auf die Schmähungen ihrer Gegner; nachdem sie ihre indischen Waaren mit großem Vortheile verkauft hatte, rüstete sie ihre Schiffe für eine zweite Reise zu. Die Unterstützung, welche sie von Jacob 1. bei seiner Thronbesteigung empfing, gab ihrem Untemchmungsgciste neue Nahrung und sie verfolgte ihre Sfteculationen mit uncrmüdctcr Betriebsamkeit. Im Frühjahre l604 sandte die Comvagnie eine zweite Flotte aus, bestehend aus drei Schiffen, unter dem Befehle von Sir Heinrich Middle: on, dem ebenfalls Briefe und Geschenke von Jacob I. an die indischen Fürsten mitgegeben wurden. Im December desselben Jahres langte Middleton in Bantam an; nachdem er Briefe und Geschenke an den dortigen Fürsten abgegeben hatte, ließ er zwei seiner Schiffe hier, um eine Ladung Pfeffer einzunehmen, und begab sich mit dem dritten nach den molukkischen Inseln, um sich Gewürze zn verschaffen. Bei seiner Ankunft auf der Insel Ternate fand er die Holländer und Portugiesen im Kriege mit einander, nicht etwa, weil sie gegenseitig Streit gehabt 151 hätten, sondern weil sie an einem Kriege zwischen den Fürsten von Temate und Tidorc Antheil genommen hatten. — Der Ausgang dieses Krieges diente dazu, den Verfall der portugiesischen Macht auf diesen Inseln zu beschleunigen und den Holländern den Weg zu eröffnen, ihre eigene Herrschaft zu begründen. Die Ankunft eines englischen Schiffes in diesem Zeitpunkte beunruhigte beide Parteien nicht wenig, da aber England mit Holland verbündet und mit Spanien im Frieden war, so beobachtete Middlcton klüglich die strengste Neutralität. Diese Handlungsweise konnte jedoch die Eifersucht nicht unterdrücken, die seine Theilnahme an dem Gewürzhandel erregte; die Holländer, welche Alles thaten, sich diesen Handelszweig ganz zuzueignen, wendeten jede Art geheimer, niedriger Ränke an, die sie nur finden konnten, um die Eingeborenen zu verhindern, mit den Engländern zu handeln, die sie als ein treuloses, sccräuberischcs Volk schilderten, dem sie den nämlichen Zweck zuschrieben, den sie selbst hegten, nämlich sich der molukkischm Inseln zu bemächtigen und die Einwohner derselben zu Sclaven zu machen. Die Malayen aber, die alle Europäer mit argwöhnischen Augen betrachteten, waren ebenso geneigt, den Einflüsterungen der Holländer, als dem Vorhaben der Engländer zu mißtrauen, und da die letzteren viel Geld mitgebracht hatten, so fingen die Einwohner ohne Verzug einen Handel mit ihnen an. Middlcton erlangte daher bald seine Absicht, ungeachtet aller Ränke der Holländer. Nachdem er eine sehr kostbare Ladung von Gewürzen eingenommen hatte, kehrte er nach Bantam zurück und von da, in Gesellschaft seiner beiden anderen befrachteten Schiffe, nach England. Schon vor Middleton's Rückkehr hatte die Compagnie eine andere Flotte nach Bantam abgesendet, unter dem Commando des Sir Edward Michelbourne, der dort einige Wochen nach Middleton's Abreise ankam. Während der Zeit, daß die eine Flotte abgereist und die andere angekommen war, hatten die englischen 152 Factorm in Bantam viele Unannehmlichkeiten ausgestanden, und waren sogar persönlichen Gefahren ausgesetzt gewesen, in Folge der boshaften Ränke, welche die Holländer ohne Unterlaß anwendeten, um die Eingeborenen gegen die Engländer aufzubringen und sie zu verleumden. Als Michelbourne ankam, meldeten ihm die Factorcn die gefährliche Lage, in der sie sich befanden, und die sie verhinderte, denjenigen Verkehr mit den Eingeborenen zu unterhalten, der ihrem Handel unumgänglich nöthig wäre. Auf diese Nachricht sandte Michclbourne, der viel Muth und Nationalist befaß, dem holländischen Admiral eine Botschaft zu, durch welche er ihn wissen ließ, daß, wenn die holländische Kabale und Verleumdung der englischen Nation nicht sofort eingestellt und die englischen Handclsfactorcn in Ausübung ihrer Geschäfte länger gestört würden, er es als eine Beleidigung der englischen Flagge ansehen und sich die gehörige Genugthuung verschaffen werde. Diese muthige Erklärung machte den holländischen Admiral furchtsam , die Intriguen hörten auf, da er sich einem öffentlichen Frie-dcnsbruche nicht aussehen wollte, und so lange Michelbourne in Bantam blieb, bewies die auffallende Veränderung in dem Betragen der Einwohner gegen die englischen Factorcn deutlich, baß sie nicht mehr unter holländischem Einflüsse handelten. Nachdem das Mißvergnügen in den dortigen Zuständen beseitigt und die Schiffsladung vollendet war, kehrte die Flotte nach Europa zurück und langte im Monat Iunius IWtt in Portsmouth an. Das fast beispiellose Glück, das bis jetzt den Handel mit Indien begleitet hatte, bewog die Compagnie zu einer doppelten Thätigkeit; eine vierte Flotte, aus drei Schiffen bestehend, wurde schnell ausgerüstet und das Commando derselben dein Caftitain William Keeling übergeben, der mit dem Detail des Handels ebenso gut, wie mit den schweren Pflichten eines Seefahrers wohlbekannt war. — Bei seiner Ankunft in Bantam fand er die Fac-toren wieder in der nämlichen Lage, aus welcher sie Michclbourne 153 kürzlich erst befreiet hatte, und die Holländer waren beschäftigter als je, Eifersucht und Feindseligkeit zwischen sie und die Eingeborenen zu bringen, wozu sie sich aller geheimen und gehässigen Mittel bedienten. Nach zwei oder drei ernsthaften Vorstellungen von Seiten Kccling's fanden es die Holländer noch einmal für gut, ihre Umtriebe scheinbar aufzugeben, wodurch die englischen Angelegenheiten wiederum auf einige Zeit besser hergestellt wurden. Der englische Commodore begab sich sodann nach den Inseln Lantore und Poolaway, und schloß auf dieser letzteren mit den Eingeborenen einen Contract sür Errichtung einer Factorci ab, was den auf dieser Insel befindlichen Holländern große Unruhe machte, wcßhalb sie ihren ganzen geheimen Einfluß in Anwendung brachten, um dieses Unternehmen zu hintertreiben. Aber die niedere Habsucht, welche die Holländer in allen ihren Verhandlungen mit den Malaycn so unvcrholcn zeigten, und die verächtliche und übermüthige Art, mit der sie sich gegen die Eingeborenen von Poolaway betrugen, vereitelten ihren Vorsah, und Keeling erlangte von den Oberhäuptern der Insel nicht nur die Erlaubniß zur Errichtung einer Factorci, sondern auch ein schriftliches Versprechen, worin sie sich verbindlich machten, im Verkaufe ihrer Gewürze den Engländern vor allen anderen Nationen den Vorzug zu geben. In Folge dieses günstigen Erfolges sandte Keeling eins seiner Schiffe unter dem Befehle des Capitain David Middleton nach den Inseln Banda und Amboma, und kehrte selbst nach Bantam zurück. Als Middleton in Banda eintraf, fand er die Holländer eifrig beschäftigt, ein kleines Fort zu erbauen; den großen Vortheil fühlend, den ihnen ein solches für ihren Handel geben würde, da die Eingeborenen vor dein Fort Respect haben mußten, beschloß Middleton sogleich, entweder den Fortgang des Mungsbaucs zu verhindern, oder die Oberhäupter der Insel zu vermögen, gegen cine beträchtliche Geldsumme jene Befestigungen mit Gewalt in 154 Besitz zu nehmen und der englischen Nation auf immer abzutreten. Diese Handlungsweise des englischen Capitains, die nur durch die offenen Feindseligkeiten der Holländer entschuldigt werden konnte, belain ihren verdienten Lohn. Dir Holländer, von Middlcton's Absichten benachrichtigt, schlössen sich in ihr Fort ein, beeilten sich, es zu vollenden und nahmen jede mögliche Vorsichtsmaßregel gegen einen plötzlichen Angriff, wahrend sie zu gleicher Zeit einen Bruch mit den malayischen Oberhäuptern zu verhindern suchten, indem sie diesen versicherten, daß das Fort mehr für die allgemeine Vertheidigung der Insel als für die Sicherheit ihrer Factorci bestimmt sei, die jedoch beide beständig in Gefahr sein würden, so lange die Engländer irgend eine Aufmunterung in ihren Plänen erhielten. Durch diese Mittel und einige Geldgeschenke hielten die Holländer einen Angriff ab, bis ihre Festung fertig war. Nun nahmen sie aber einen trotzigen Ton an gegen die Gingeborenen, behandelten Middleton mit Verachtung und Spott, die allerdings sein ohnmächtiger Versuch, sie zu überlisten, verdient hatte. Der Zorn der Einwohner von Banda brach, als sie sich hintergangen sahen, in offene Wuth aus, sie marschirten in großer Anzahl gegen das Fort, mit dem festen Entschlüsse, die Mauern zu übersteigen und die ganze holländische Garnison niederzuhauen. Da die Holländer ihre Ankunft nicht sogleich bemerkten und daher die Thore der Festung offen waren, so würbe ein allgemeines Blutbad erfolgt sein, wenn die Engländer aus Humanität sich nicht dazwischen geworfen und durch ernstliche Vorstellungen die malayischcn Oberhäupter bewogen hätten, ihre Mißhelligkeiten mit den Holländern gütlich abzumachen. Aber ungeachtet des von den Engländern ihnen geleisteten, schätzbarm Dienstes war doch die feindselige Eifersucht der Holländer so groß, daß sie jedes Gefühl der Dankbarkeit verleugneten und sogar den höllischen Plan ersannen, Middlcton's Schiff zu verbrennen, oder, wenn dies nicht gelingen sollte, mit offener Gewalt zu versenken. 155 Als Midbleton Nachricht hiervon empfing, machte er dem holländischen Gouverneur die bittersten Vorwürfe, warf ihm Heuchelei, Undank, unwürdige Verletzung aller Menschen- und Völkerrechte vor. Aber Derjenige, welcher im Stande war, unter obwaltenden Umständen einen solchen Plan gegen das englische Schiff auszubrüten, konnte auch keine Scham empfinden. Der Gouverneur hörte Middlcton's Vorwürfe mit der gleichgültigsten Gelassenheit an, leugnete weder die Anklage, noch suchte er sich zu rechtfertigen oder zu entschuldigen, und antwortete nur, daß die Inseln Banda und Lantore ausschließlich den Holländern gehörten und er deßhalb entschlossen sei, die kräftigsten Maßregeln zu ergreifen, um die Engländer zu verhindern, mit den Eingeborenen Handel zu treiben. Nach einer solchen Erklärung fand es Middleton für unsicher, länger in Banda zu verweilen, da er weder Macht noch Willen hatte, Feindseligkeiten anzufangen. Er lichtete die Anker und kehrte nach Poolaway zurück, wo er eine Ladung Gewürze einnahm und dann nach Bantam steuerte, um sich mit den anderen Schiffen zu vereinigen. Von hier segelte Keeling nach England zurück und langte nach einer verzögerten, aber glücklichen Fahrt im Mai 4610 dort an. Als die Nachricht der auf den Gcwürzinseln stattgehabten Begebenheiten den Dircctoren der Compagnie mitgetheilt wurde, fühlten sie sich mit Zorn und Erstaunen erfüllt; sie entwarfen sogleich ein lebhaftes Memorial an den König, worin sie die Hindernisse und den Verlust darstellten, den ihr Handel durch die boshaften Anstiftungen der Holländer erlitten, und baten um cinc Beschwerde des Königs bei der holländischen Regierung. Jacob empfing dieses Memorial und die barin ausgesprochene Petition mit seiner gewohnten Freundlichkeit, aber sein friedfertiger Charakter und eine damit verbundene Furchtsamkeit machten ihn gegen die Ergreifung jeder öffentlichen Maßregel, die ihn in Streitig- 156 keitm mit einem fremden Staate hätte verwickeln können, so abgeneigt, daß er, bei aller Anerkennung der Richtigkeit der Beschwerde, doch die Bitte der Compagnie nie erfüllte. Die Dircctoren wendeten sich nun an die Minister und baten um ein Geschwader von Kriegsschiffen, um ihren Handel gegen die Beeinträchtigungen, Ucbcrgriffc und Beschimpfungen seitens der Holländer zu schützen, aber auch dieses wurde ihnen abgeschlagen. Unter diesen Umständen beschloß die Compagnie, sich selbst durch Ankauf und Bau neuer, großer und starker Schiffe in ihren Handelsintcressen zu schützen und, da die Erfahrung erwiesen hatte, daß die überwiegenden Vortheile, welche die Portugiesen und nach ihnen die Holländer im Betreiben des indischen Handels besaßen, darin begründet waren, daß diese Nationen sich großer Seehafen bemächtigt, regelmäßige Niederlassungen gegründet und auf verschiedenen Platzen Festungen erbauet hatten, so wurde auch die Compagnie überzeugt, daß sie ohne gleiche Grundsähe und Mittel nicht mit den vorausgegangenen Nebenbuhlern concurriren konnten. — Aber in finanziellen Hülfsmitteln beschrankt und noch unvollkommen mit den Mitteln bekannt, dieselben zu erweitern, konnten sie nur hoffen, durch unermüdliche Beharrlichkeit zum Ziele zu gelangen. In dieser Absicht bat die Compagnie im Jahre 46l0 um Erweiterung ihrer Privilegien, die der König ihr auch bewilligte, „in der Absicht, wie er sagte, des großen Nutzens, den die Nation bereits von ihrem Handel gezogen habe und wegen der Geschick-lichkeit, mit der er geführt werbe." — Aufgemuntert durch diese königliche Anerkennung und durch eine günstige Hoffnung auf die Zukunft sehte die Compagnie ihre Bemühungen mit vermehrtem Nachdruck fort. Im Anfange des Jahres !6N wurde eine Flotte nach Achecn gesandt; bald nachher folgten zwei, auf Kosten und nach dem Plane der Compagnie crbauctc Schiffe, das eine von 1200 Tonnen 157 Last war das größte, das bisher in England erbauet war, das zweite, von 250 Tonnen Last, wurde eine „Pinasse" genannt. Die Erbauung eines so großen, schönen Schiffes »nachte die Compagnie bei der Nation sehr beliebt, da man dasselbe als Gegenstand allgemeinen Nutzens betrachtete und es zugleich als Aufmunterung zur Verbesserung der Schiffsbaukunst galt. Der König, in der Absicht, diese Unternehmung zu begünstigen, war in Begleitung des Prinzen von Wallis und des ganzen großen Hofstaates zugegen, als das große Schiff von Stapel lief, und er taufte dasselbe „Vermehrung des Handels" — und nannte das kleinere „Pfefferkorn."-------- Als diese Schiffe ausgerüstet waren, wurde das Commando über sie dem Sir Heinrich Middle: on übergeben, als würdige Anerkennung seiner bereits geleisteten Dienste. — Der Handel der Compagnie war bis jetzt nur mit dem östlichen Archipel geführt worden, man fand es jetzt aber für gut, einen Verkehr mit den Seehafen, sowohl des Festlandes in Indien als auch von Arabien zu beginnen und zu versuchen, auf der malabarischcn Küste und in Guzerat festen Fuß zu fassen. Mit diesen Absichten verließ Middleton England. Nachdem er das Vorgebirge umsegelt hatte, steuerte er nach der Meerenge von Vabelmandel, von wo er sich nach Mokka begab. Aber eine unglückliche Begebenheit, in die er bald nach seiner Ankunft mit der Regierung dieses Landes verwickelt wurde, verursachte Schwierigkeiten, die ihn nicht nur verhinderten, Handel zu treiben, sondern auch seine Ncise beträchtlich verzögerten. Nachdem er sich nämlich mit einigen seiner Ossicicrc an's Land begeben hatte, erhob sich zwischen ihnen und den Einwohnern ein Streit, in weichein die letzteren die Oberhand behielten, mehrere Engländer gctödtct wurden und Middlcton sich nur mit großer Mühe rettete. Aufgebracht hierüber legte er unvorsichtiger Weise der Regierung den Vorsatz zur Last, ihn und seine Leute ermorden 158 zu wollen, und drohte die Stadt in Grund zu schießen, wenn man nicht augenblickliche und hinlängliche Genugthuung gebm würde. Diese Heftigkeit beunruhigte die Araber so sehr, baß sie ihn, der sein Schiff nicht erreicht hatte, in Ketten legen, in einen Kerker werfen ließen und ihn mit Tortur und Tod bedrohten, wenn er seinen Schiffen nicht Befehl ertheilte, sich zu ergeben. Middlcton aber antwortete ihnen unerschrocken: „sein Leben sei in ihrer Hand und sie könnten es ihm nehmen, keine Marter aber könnte ihn bewegen, ihre Forderung zu erfüllen, seine Ehre zu beschimpfen und seine Nation zu schänden." — Sein Muth hielt die Araber im Zaume, sie begnügten sich, ihn im Gefängnisse festzuhalten und hofften, er werde ihnen für die Freiheit ein Lösegcld anbieten. Aber in dieser Hoffnung betrogen sie sich auch, denn nach einem sechsmonatlichen Gefängniß gelang es ihm, zu entfliehen und sich auf seine Schiffe zu retten, die während seiner Gefangenschaft sich auf der abyssinischm Küste aufgehalten hatten. Da er nun Gelegenheit und Macht besaß, seine erlittenen Unbilden zu rächen, so ließ er der Regierung von Mokka wissen, daß, wenn sie nicht auf der Stelle die noch gefangen gehaltenen Engländer in Freiheit setze und volle Entschädigung für die erlittenen Verluste gewahre, er alle Schiffe im Hafen verbrennen und die Stadt beschießen 'werde. Diese Drohung endigte den Streit, die Gefangenen wurden freigegeben und Middleton empfing eine beträchtliche Summe als Entschädigung für seine Leiden. Da nun aber seine Hoffnung, eine Factorci in Arabien zu errichten, vereitelt war, so beschloß er nach Indien zu segeln, wo er wegen des friedlichen Charakters dcr Einwohner einen glücklicheren Erfolg hoffen konnte. Nachdem er die Meerenge von Babelmandel wieder passirt war, steuerte er nach dem Meerbusen von Cambay in der Provinz Guzcrat. Bei seiner Ankunft vor Surate erhielt er die Nachricht, daß eine portugiesische Flotte von sechs Kriegsschiffen und zwölf Galeeren auf dcr Barre des Flusses 159 Surat vor Anker liege, in der bestimmten Absicht, jede andere europäische Nation zu verhindern, an diesem vortheilhaften Platze Handel zu treiben. Da ihm also keine Wahl übrig blieb, entweder den Hauptzweck seiner Ncise aufzugeben, oder ein Gefecht mit dieser Flotte zu wagen, so beschloß er, ungeachtet seine Streitkräfte bedeutend geringer waren, sich mit der portugiesischen Macht zu messen. Er segelte deßhalb nach Eually, einem Seehafen, einige Seemeilen von Eurate gelegen, wo die englische Compagnie soeben eine Factorei errichtet hatte. Nachdem sich hier sechs frisch von England cingetroffenc Schiffe mit ihm vereinigt hatten, segelte er mit seiner Flotte den Portugiesen entgegen, in dem festen Vertrauen, welches Vaterlandsliebe und die Ueberzeugung von seiner gerechten Sache ihm einflößten. Als er der portugiesischen Flotte ansichtig wurde, hieß er seine Schiffe alle Segel beisetzen und rückte gegen die Mündung des Flusses mit solcher Geschwindigkeit vor, daß er ganz nahe am Feinde war, ehe dieser auf seinen Empfang dachte. Den dadurch erlangten Vortheil verfolgte er mit großer Gcschicklichkcit und Un-erschrockenhcit; sobald er die Unordnung bemerkte,-in welche der Feind durch den unerwarteten Nachdruck seines ersten Angriffs gestürzt war, sowie die große Wirkung des Feuers, welches die englischen Schiffe gut unterhielten, benutzte er eine günstige Gelegenheit und enterte verschiedene größere portugiesische Schiffe, die er nach heftigem Gefechte zwang sich zu ergeben. Dieses kühne, verwegene Benehmen verbreitete solchen Schreck auf den übrigen Portugiesischen Schiffen, daß sie ihre Ankertaue dmchhicben und m größter Eile und Bestürzung in die offene See stachen. Middleton fuhr nun im Triumphe den Fluß hinauf und landete vor Surate; aber trotz des glorreichen Sieges und der Achtung und Bewunderung, womit ihn die Einwohner Smate's, die schon lange die Portugiesen haßten, empfingen, so war es ihm doch unmöglich, das Versprechen zu erhalten, daß die schon im 160 vorigen Jahre aus England angekommenen Factorm der Compagnie den Schuh der Regierung erhalten sollten, und man bedeutete ihm zugleich, daß man ihn nicht langer im Lande dulden könne. So groß war damals der Einfluß der portugiesischen Jesuiten am mongolischen Hofe. Nach dieser Erklärung fand er es für gut, Surate zu verlassen, nicht ohne großen Mißmuth über seine fehlgcschlagencn Hoffnungen. Er beschloß aber sich an bm Portugiesen zu rächen, und da er erfuhr, daß zwei ihrer Schiffe reich beladen im Hafen von Damaun lagen, so begab er sich dahin und nahm sie nach einem schwachen Widerstände weg. Nun kehrte er nach dem rothen Meere zurück, wo er einer reichen arabischen Flotte von 47 Schiffen begegnete, deren er sich bemächtigte und die er nicht eher frei gab, bis die Einwohner von Mokka, denen der größte Theil der Ladung angehörte, ihm eine große Summe Geld bezahlt hatten. — Diese offenbar sccräubcrischc Handlung, die keineswegs dadurch entschuldigt werden kann, daß er durch die dort erlittenen Mißhandlungen dazu angetrieben worden sei, wirft einen Schatten auf seinen Ruhm. Nach dieser letzten Begebenheit segelte er nach Ceylon und von da nach Bantam, wo er starb. Während Middlcton beschäftigt war, die Würde der eng--lischen Flagge und die Uebcrlcgenhcit der englischen Waffen auf den westlichen Küsten von Hindostan geltend zu machen, hatte die Compagnie den Capitain SaviS mit drei Schiffen nach Japan gesandt, in der Absicht, einen Handelsverkehr mit diesem Lande anzuknüpfen. Dieses Geschwader segelte im Jahre l6N ab und langte in Japan gegen Ende desselben Jahres an. Savis erhielt eine Audienz beim Kaiser, dem er ein Schreiben und kostbare Geschenke von Jacob I. übergab und von dein er auf das Huldreichste mit aller der Höflichkeit aufgenommen wurde, durch welche dieser verfeinerte Hof sich so vorthcilhaft unter allen orientalischen Fürsten auszeichnete. 161 Die Hollander, welche sich hier schon früher niedergelassen hatten, wendeten, wie gewöhnlich, ihre ganze, in solchen Fällen kunstreiche Erfindungskraft an, um Savis' Absichten zu vereiteln, aber der japanische Monarch besaß zu viel Scharfsinn und Klugheit, um sich durch ihre Verleumdungen gegen den englischen Nationalcharaktcr irre leiten zu lassen, die, wie er wohl einsah, nur aus Eigennutz entstanden; er nahm deßhalb keinen Anstand, mit Caftitain Savis einen Handelstractat abzuschließen, durch welchen der Compagnie wichtige Privilegien zugesichert wurden, und der außerdem sowohl wegen seiner billigen Grundsätze, wie der gesunden Vernunft und Staatsklughcit, die er verrieth, bemerkenswerth ist. Nachdem Eavis zufolge dieses Tractates eine ansehnliche Ladung japanischer Waaren eingenommen und auch Factorcn zurückgelassen hatte, um die Angelegenheiten der Compagnie zu besorgen, segelte er nach China und von dort nach den Molukken und Bantam. Das Glück, welches diese letzte Reise begleitet hatte, sowie der ausgezeichnete Sieg, den Middleton erfochten, vereinigten sich, um das Ansehn der englischen Nation in Indien zu erhöhen. Deßhalb fuhren die Holländer auf der westlichen Seite von Indien mit crhohctcm Eifer fort, den Handel der Compagnie sowohl durch geheime Intriguen, wie durch öffentliche Räubereien zu zerstören. Es wurde daher unumgänglich nöthig, die Schiffe der Compagnie mit Waffen und Kriegsbedürfnissen zu versehen, sowie mit einer genügenden Anzahl Officicre und Matrosen zu bemannen, um sie in den Stand zu setzen, jedem Angriffe widerstehen und ihren Handel beschützen zu können. Auf diese Art suchte man wenigstens Gleichheit, wenn auch nicht Uebcrlegenheit auf den indischen Meeren zu erreichen. Um im Stande zu sein, die großen, vermehrten Kosten zu tragen, so vereinigte die Compagnie im Jahre l6l2 ihre Privatanthcilc in ein gemeinsames Capital, das sich auf 1,500,000 Pfund Sterl. belief. Van Mökern, Ostindien. I. 11 162 Diesem neuen Plane gemäß rüstete die Compagnie im Frühjahre 16l3 eine Kriegsflotte von vier Schiffen aus, von denen jedes 30 Kanonen und eine vcrhältnißmäßige Bemannung führte. Capitain Thomas Best erhielt das Commando dieses Geschwaders, ein Mann, dessen Kenntnisse als Seefahrer, dessen lebhafter Geist und kühne Unerschrockenheit ihn zu diesem wichtigen Posten am Nützlichsten erscheinen ließen. Er wurde beordert, sich nach Surate zu begebe»!, und einige in Handclsangclegcnheiten erfahrene Männer von feinen Sitten wurden ernannt, ihn als Agenten zu begleiten, um Unterhandlungen mit dem mongolischen Kaiser Ie-hangeer einzuleiten, und von ihm die Erlaubniß zur Errichtung von Factoreien in seinen Staaten zu bewirken. Bei seiner Ankunft in Surate fand Best, daß die Portugiesen viel von ihrem Einflüsse bei Hofe verloren hatten und zwar in Folge ihrer Einmischung in die verschiedenen Neligionssecten Hin-bostans, die sie mit unermüdlichem Eifer in ihrer katholischen Vekchnmgssucht zu stürzen suchten. Die englischen Agenten bestrebten sich daher, die in Surate befehlenden mongolischen Offi-ciere für ihr Interesse zu gewinnen, indem sie ihnen die Versicherung gaben, daß die Ncligionsgrundsätze der englischen Nation weit duldsamer wärm als die der Portugiesen. Diese Versicherung nebst der Redlichkeit, welche die Engländer in allen ihren kaufmännischen Angelegenheiten bewiesen hatten, sprachen sehr zu ihren Gunsten und bewogen den Subahdar von Guzcrat, seinen Einfluß anzuwenden, um den Kaiser zu bewegen, ihnen die gewünschten Privilegien zu bewilligen. Unterdessen hatte der portugiesische Vicekönig in Goa von dem glücklichen Erfolge der Unterhandlungen, welche die Engländer mit der mongolischen Regierung Pflogen, Nachricht erhalten; er beschloß sogleich, einen entscheidenden Schlag auszuführen und durch Vernichtung ihrer Forts ihren ferneren Absichten und 163 Hoffnungen ein Ende zu machen. Er sandte deßhalb eine furchtbare Flotte, aus vier großen, bewaffneten Gallonen und 26 Fregatten bestehend und mit 130 schweren Geschützen nebst 5000 Mann bewaffnet, gegen sie aus. Der englische Admiral ließ sich durch sie nicht erschrecken oder einschüchtern; sobald er den Feind erblickte, lichtete er die Anker und ging mit heroischem Muthe unter Segel, um mit seiner kleinen Flotte die Schlacht anzunehmen. Als beide Flotten sich begegneten, war der Abend schon so weit vorgerückt, daß nach einem thcilweiscn, kurzm Gefechte beide Theile die Schlacht bis auf den nächsten Tag verschieben mußten. Die Portugiesen brachten die Nacht im Gebete zu, um den Sieg zu erstehen, die Engländer aber wendeten diese Zeit dazu an, solche Vorkehrungen zu treffen, welche ihnen den Sieg wahrscheinlicher machen konnten. Capitain Best besuchte jedes Schiff seiner Flotte, gab jedem Commandanten Verhaltungsvorschriften und ermunterte die Schiffsmannschaften, indem er ihnen vorstellte, daß ihre eigene Sicherheit sowohl wie die Hoffnungen des Vaterlandes von ihren Bemühungen abhängen würden und ein großer Ruhm den glücklichen Orfolg krönen werde. Mit großer Begeisterung begannen sie denn auch das Gefecht bei dein ersten Strahle des Tageslichts; die Portugiesen begegneten ihnen mit Muth und Entschlossenheit, wenn auch nicht mit Geschicklichkeit. Sich zu sehr auf ihre Uebermacht verlassend, umringten sie die englischen Schiffe in der Absicht, sie zu entern. Da aber dieses Manoeuvre schlecht geführt wurde, so gerieth die ganze Flotte in die größte Verwirrung. Best benutzte diesen Umstand und gab ihnen seine vollen Lagen mit neuen: Eifer und doppelter Thätigkeit. Jetzt wurde das Gemetzel auf den portugiesischen Schiffen so groß, daß der Muth der Matrofen zu sinken begann und durch das, länger als acht Stunde»: dauernde, fortwährende Feuer erschöpft, leisteten sie dem unveränderten Ungestüm der Engländer nicht länger mehr Widerstand. Als der portugiesische Admiral die Unfähigkeit, länger 164 zu fechten, bemerkte, spannte er alle Segel auf und zog sich in größter Unordnung nach Goa zurück. Die englischen Schiffe waren so sehr beschädigt worden, daß Best, der Klugheit mit Muth verband, eine Verfolgung der fliehenden Feinde für zu gewagt hielt und deßhalb mit seiner trium-phircnden Flotte nach Surate zurückkehrte, wo die Einwohner ihn mit Freude und Bewunderung empfingen, da sie von der Küste aus das ganze Gefecht gesehen hatten. Said cd Khan, ein Omrah von hohem Range, der die mongolischen Truppen im Bezirke von Surate befehligte und einer der erstaunten Zuschauer des Gefechts gewesen war, bewunderte den Heldenmut!) des englischen Commandanten so sehr, daß er ihn in sein Lager einlud, ihn mit den höchsten militairischcn Ehren empfing und ihn nut kostbaren, kriegerischen Geschenken überhäufte. Während Best die Bewunderung einer fremden Nation genoß, vernachlässigte er aber nicht, seine Schiffe auszubessern und wieder segelfcrtig zu machen, um jedem neuen Angriffe begegnen zu können. Die Klugheit dieser Vorsicht bewies sich auch bald, denn der Gouverneur in Goa, über die unrühmliche Niederlage seiner großen Flotte höchst aufgebracht, rüstete mit aller möglichen Geschwindigkeit eine zweite noch stärkere aus, um den portugiesischen Nationalruhm, wegen ihrer Kenntnisse in der Schifffahrt und Tapferkeit, wieder in Ansehen zu bringen. Als diese zweite Flotte vor Surate erschien, beschloß Best auf der Stelle, mit dem muthvollen Zutrauen, das der Sieg einstößt, den Feind anzugreifen. Er befolgte den nämlichen Plan, der ihm in der ersten Schlacht gelungen war, und durchbrach mit seinen Schiffen den Mittelpunkt der feindlichen Flotte; ein blutiges Gefecht entstand, aus welchem er, unter verschiedenem Schwanken des Glücks, doch am Ende den Sieg davon trug. Die Portugiesen zogen sich in Unordnung und sehr übel zugerichtet zurück und sahen sich gezwungen, den Engländern die Herrschaft zur See zuzuerkennen. 165 Diese Siege brachten überhaupt den britischen Seeleuten große Ehre und hatten die wichtigsten Erfolge für den Handel der Compagnie. Die Portugiesen wurden nun belehrt, in Zukunft die englische Flagge zu resftectiren und ihren Handel fernerhin nicht mehr zu beunruhigen, während der mongolische Kaiser, sich auf die Ehre, Redlichkeit und Macht des tapferen Handelsvolks verlassend, nicht länger Anstand nahm, denselben die Erlaubniß zm Errichtung einer regelmäßigen Factorci in Surate zu geben und ihnen einen freien Handel m allen Theilen jener ausgedehnten Staaten zu gewähren. Nachdem Best auf eine so rühmliche Weise den großen Zweck seiner Sendung in den westlichen Gegenden Indiens erreicht hatte, begab er sich, nach vollendeter Ausbesserung seiner Schisse, nach Achcen, wo er von dem Könige dieses Landes eine Erneuerung des vormals mit der Compagnie abgeschlossenen Handclstractats, nebst einigen neuen Privilegien erlangte. Von dort segelte er nach Banba, wo er eine kostbare Ladung von Gewürzen einnahm, womit er nach England segelte. Bei seiner Ankunft in London gab ihm die Compagnie die wesentlichsten und ausgezeichnetsten Beweise ihrer Gunst und Dankbarkeit, und die ganze Nation, welche ihm die erste achtunggebietende Stellung zur See verdankte, zollte ihm lauten Beifall. Das außerordentliche Glück, welches bis jetzt die Waffen der Compagnie begleitet hatte, machte sie stolz und gab ihrem Han-delsgciste größeren Nachdruck; sie begann, ihre Pläne auf größere und höhere Ziele auszudehnen, und die Aufmunterung, welche sie von dem mongolischen Kaiserreiche empfangen hatte, sowie die hohe Meinung, welche die Völker Hmdostans von der britischen Nation gewonnen hatten, waren Umstände, die sie benutzen wollte und von denen sie dauerhafte Vortheile erwarten durfte. Die Compagnie glaubte, wenn ein Mann von Rang und Talent als Botschafter des Königs von England an den Hof des Kaisers von 166 Hindostan gesendet würde, mit dein Auftrage, einen Handelsund Freund schaftstractat zwischen beiden Monarchen abzuschließen, so könne sie dadurch vortheilhafte Privilegien erlangen und die schon bewilligten mehr gesichert sehen. Ein solcher Tractat mit dem mächtigsten Herrscher in Asien müßte den Englandern großen Einfluß und ein Uebergewicht in den Verhandlungen mit den Völkern Indiens überhaupt verschaffen. Iu diesem Zwecke wendeten sich Gouverneur und Directorm der Compagnie mit einer Bittschrift an den König und dieser, der die Pläne derselben immer unterstützt hatte, wo sie nicht gegen seine friedliebende Gesinnung stritten, nahm die Vorstellung günstig auf und ernannte Sir Thomas Roc zu seinem Gesandten am mongolischen Hofe. Gin angemessenes Gefolge wurde ernannt, um den Gesandten mit Ansehen auftreten zu lassen; dcr König Jacob I. gab ihm eine prächtige Staatscarosse und mehrere kostbare Gegenstände für den mongolischen Kaiser Iehangecr mit. Im Anfange des März 1614 schiffte sich Sir Thomas Roe am Bord eines großen Schiffes der Compagnie ein, das für ihn und sein Gefolge besonders eingerichtet war und, von drei anderen bewaffneten Schissen begleitet, nach Smate segelte. Hier traf die Gesandtschaft nach sechsmonatlicher Fahrt ein. Iehangcer rcsidirtc damals in Ajimere, wohin die Nachricht von der Ankunft eines britischen Gesandten sogleich gebracht wurde. Der Kaiser empfing die Gesandtschaft mit großem Vergnügen, sandte sogleich einen Vakeel oder Botschafter nach Smate, um den Gesandten an seinen Hof einzuladen und aab Befehl, daß in allen Städten, durch die er reisen würde, ihm die größte Aufmerksamkeit und Achtung erwiesen werde. Sir Thomas Roe trat die Reise nach Ajimerc an, hielt sich unterwegs einige Tage in Brahmpm, der Hauptstadt von Candcish, auf, wo er vom Sultan Pmvez, dem Subahdar dieser Provinz, mit größter Höflichkeit behandelt wurde. Bei seiner Ankunft in Ajimere wurde er durch Glanz und Pracht, aber auch durch die 167 daselbst herrschende Fröhlichkeit überrascht, denn der Hof feierte so eben ein jährliches Fest, das mit ungewöhnlicher Pracht begangen und von ausgelassener Lustigkeit begleitet wurde; es galt der allgemeinen Ruhe, womit das Reich gesegnet worden. Von diesem letzten Umstände hoffte Thomas Noe keine Schwierigkeiten für seine Unterhandlungen zu finden und beschloß damit, sobald als es die Formen bei Hofe gestatten würden, anzufangen. Er wurde dem Kaiser vorgestellt und nicht nur mit dem Ccremoniell und Pompe eines asiatischen Hofes empfangen, sondern auch mit großer Leutseligkeit ausgezeichnet, als er Briefe und Geschenke des Königs überreichte. Zu gleicher Zeit meldete er dem Kaiser auch den Gegenstand seiner Sendung und bat um Erlaubniß, den kaiserlichen Ministern gewisse Vorschläge mittheilen zu dürfen. Iehan-gcer bewilligte ihm nicht nur dies, sondern versicherte ihm auch seine Geneigtheit, jede Maßregel zu genehmigen, die den gegenseitigen Vortheil seiner Unterthanen und der englischen Nation vermehren könne. Der Gesandte setzte danach 18 Artikel auf, die das Wesentlichste des Tractats enthielten, den die Compagnie wünschte, und gab sie an Asof Khan, des Kaisers Lieblingsministcr. Aber dieser Mann war nicht geneigt, diese Vorschlage zu begünstigen; er war von Natur argwöhnisch, horchte auf die anscheinend nicht grundlosen Andeutungen, welche die portugiesischen Jesuiten und Missionaire über die ehr- und gewinnsüchtigen Absichten der Engländer ihm zuflüsterten, rieth daher dein Kaiser, die größte Behutsamkeit gegen den Gesandten zu beobachten und Zeit zu gewinnen, indem man denselben nut leeren Versprechungen hinhalten und in keinen bestimmten Vergleich mit ihm eingehen möge, bis man die Absichten und Tendenzen der verlangten Privilegien genügend kennen gelernt habe. — Diesem Nathe folgend, wurden die Unterhandlungen durch sieben Monate hin verlängert, bis endlich die von Thomas Roe vorgeschlagenen Artikel ihm zurückgegeben wurden, 168 mehrere darunter geändert, andere ganzlich gestrichen. Gr schlug diese Abänderungen aus, bat sich aber eine Audienz beim Kaiser aus, damit er seine Gesinnungen über die Sache von ihm selbst erfahren könne, nachher wolle er selbst andere Artikel, dem Willen des Kaisers gemäß, aufsetzen. Dieses Gesuch war zu sehr geeignet, dem Iehangeer zu gefallen (der ebenso, wie sein Zeitgenosse Jacob I., stolz auf seine Kenntnisse derjenigen Gegenstände war, von denen er gerade am wenigsten verstand), daß Asof Khan wider seinen Willen gezwungen wurde, dem Kaiser die Bitte des Gesandten um Audienz mitzutheilen. Iehangccr empfing Roe nut seiner gewöhnlichen Höflichkeit, bedauerte, daß man ihn so lange aufgehalten habe und bezeugte seine Vereitwilligkeit, die Unterhandlungen sogleich zu Ende zu bringen. Ein Handclstractat und Frcundschaftsbündniß wurde, dieser Erklärung gemäß, ohne Aufschub und Schwierigkeit abgeschlossen, dessen Bedingungen, obgleich nicht ganz so vortheilhaft, wie die zuerst vorgeschlagenen, doch immer noch für die Compagnie sehr günstig waren. Die Bedingungen dieses Tractats enthielten namentliche 1) daß die den Engländern gegebene Bewilligung, Factorcien in den Hafen von Surate, Sually und Varoach in der Provinz Gu-.zerat anzulegen, ihnen durch eine besondere Urkunde bestätigt werden sollte; 2) daß es ihren Agenten erlaubt sei, in Brahmpm, Ahmebabad und Agra zu residiren; 3) daß alle Unterthanen des mongolischen Reiches die Engländer mit der größten Freundlichkeit empfangen sollten; 4) baß die englischen Kaufleute ihre Waaren ohne Schwierigkeit sollten laden können und gegen alle Ungelegen-hciten geschützt sein würden; 5) daß es ihnen nach bezahlten Abgaben freistehen solle, ihre Waaren nach ihren eigenen Preisen zu verkaufen; 6) daß es ihnen auch erlaubt sein solle, ihre Güter frei von vermehrten Abgaben nach jedem Theile des Reichs zu verführen und endlich 7) daß das Privatvermögm der britischen 169 Unterthanen nach ihrem Tobe gegen Unterschlagung gesichert sein und den englischen Factoren durch die Polizeibeamten gehörig ausgeliefert werden solle. Nachdem Thomas Roe diesen Zweck seiner Sendung erreicht hatte, verabschiedete cr sich vom mongolischen Hofe und empfing vom Kaiser kostbare Geschenke an Edelsteinen, Shawls und Mous-selinm von den feinsten Geweben. Von Ajimere begab cr sich nach Suratc, wo cr die Angelegenheiten der verschiedenen englischen Factorcien ordnete und hier die thatsächliche Erfüllung des Tractates abwartete. Darauf begab er sich zu Schiffe nach Bus-sorah und von dort an den Hof Schah Abbas', Königs von Persien. Der Empfang, welchen er bei diesem ausgezeichneten Monarchen empfing, war ebenso schmeichelhaft, aber herzlicher als der, den er bei dem Kaiser von Hindostan erfahren hatte. In kurzer Zeit schloß cr einen Allianztractat zwischen England und Persien ab, wodurch der Compagnie die Freiheit ertheilt wurde, in allen Theilen von Schah Abbas' Reiche zu handeln, unter der einzigen Bedingung, eine englische Flotte zu senden, um seiner Armee zu helfen, die Portugiesen aus den Niederlassungen zu vertreiben, die sie am Ende des persischen Meerbusens errichtet hatten. Da Thomas Roe nun das Glück gehabt hatte, alle Gegenstände zu erlangen, welche die Compagnie durch seine Sendung beabsichtigte, kehrte er nach einer Abwesenheit von beinahe vier Jahren nach England zurück. Er wurde von dem Könige in London mit der größten Lobeserhebung empfangen und von der Compagnie durch eine Vergeltung an Gelde belohnt. Während Thomas Roe nut diesen wichtigen Aufträgen beschäftigt war, gab sich die Compagnie alle Mühe, die Freundschaft der malayischm Stämme zu erlangen und sich zu erhalten, da sich dort englischer Handel und Einfluß bedeutend vergrößert hatte. Durch diesen Einfluß erhielt sie von den Häuptlingen von Banda 170 und Lantore eine förmliche Abtretung dieser nützlichen Inseln. Eine Factorei war auf der Insel Macassar errichtet worden, die von Bantam und Achecn waren im besten Zustande, auch war ein Handelsverkehr mit Siam eröffnet worden, wo man der Compagnie erlaubt hatte, drei Agenten zu halten, die dort rcsidirtcn, um diesen neuen Handelszweig zu besorgen. In Calicut auf der mala^ barischcn Küste hatte der Zamorin den dort wohnenden Factoren der Compagnie erlaubt, ein kleines Haus zu ihrer Wohnung zu erbauen, aber zu der Errichtung von Waarcnhauscm oder Facto-reien seine Einwilligung nicht geben wollen. Die Compagnie hatte auch angefangen nach der Küste von Coromandcl zu handeln, größtenthcils aber nach Masulipatam, das damals ein ansehnlicher Markt war. Dieses sind die Fortschritte, die England in seinem Verkehre mit Indien während eines Zeitraumes von zwanzig Jahren gemacht hat. Der Handel der Compagnie hatte mit erstaunlicher Schnelligkeit zugenommen und bisher keine Hindernisse und Hemmungen erfahren; das ehrliche Benehmen, die Faktoreien, die Siege über die portugiesische Flotte, der Tractat mit dem hindo-stanischen Kaiser gaben den Engländern ein schnelles Ucbergewicht in diesen Landern über die Portugiesen und Holländer, dmen diescS Uebcrgewicht allerdings sehr lästig werden mußte. Da die Portugiesen aber, deren Macht überhaupt im Sinken begriffen war, keine Mittel besaßen, den Engländern entgegen zu wirken, so verhielten sie sich scheinbar ruhig, dagegen behaupteten die Holländer eine bedeutende Ucbermacht auf den Gewürzinscln, wo sie Festungen erbauet hatten und Truppen unterhielten, und deßhalb beschlossen sie auch, sich an den Englandern wegen ihrer erhaltenen Vortheile in Indien zu rächen und den ersten Vorwanb zu Streitigkeiten zu ergreifen, um die Engländer gänzlich von den Molukkm zu vertreiben. Die Mittel, welche sie anwendeten, um diesen Endzweck zu 171 erreichen, die Handlungsweise ihrer Factoren und Beamten, welche zu einem nationalen Streue bald Veranlassung gab, die Grundsatze, welche die holländische Hanbelscompagnie in Indien ihren Handlungen unterlegte und die mit einer habsüchtigen, unersättlichen Mißgunst die Vortheile Anderer betrachteten, geben leider dem Geschichtsforscher wenig erfreuliche Thatsachen an die Hand. War das Auftreten der Portugiesen in Indien em ebenso romantisch-heroisches, wie von materiellen und religiösen Leidenschaften bewegtes, das auf dem anfänglich klaren Gemälde manche Echatten-ftriche zurückließ, war dagegen das Entstehen des englisch-ostindischen Handels durchgchends ein Bild der ruhigen Besonnenheit, Mäßigung und völkerrechtlichen Handelspolitik, so können wir leider dasselbe nicht von der späteren Geschichte der holländisch-ostindischen Hanbclscompagnie sagen, die so besonnen und anständig begann, aber deren spätere Details von den Schatten mancher menschlichen Schwäche getrübt sind und die wir in unseren folgenden Kapiteln wahrheitsgetreu und historisch gerecht schildern werben. Achw MM!. Geschichte del holländisch-ostindischen Handelscompagnie bis zur Griindung Vatavia's. Unter dm europäischen Nationen hatten sich die Einwohner der vereinigten Provinzen der Niederlande schon früh durch ihre Vorliebe für den Handel und die Geschicklichkcit in der Schifffahrt ausgezeichnet, und die Betriebsamkeit und Sparsamkeit, woran sie gewöhnt waren, nebst der Freihcitsliebe, die sie von ihren ba-tavischcn Vorfahren geerbt hatten, machte sie nach und nach zu einein verständigen und unternehmenden Volke. Schon als sie sich noch unter der Gewalt ihrer alten Barone befanden, die zugleich Vasallen des Reiches und der Krone von Frankreich waren, hatten sie in Handel und Schifffahrt ansehnliche Fortschritt, gemacht. Ungefähr in der Mitte des 42. Jahrhunderts errichteten sie ihre Häringsfischereicn, in denen viele hundert junge Leute beständige Beschäftigung fanden und in dm Pflichten wie Beschwerden des Seclebcns erzogen wurden. Durch diese Beschäftigung wurden die holländischen Seeleute kühn und erfahren in der Leitung ihrer Schiffe, so daß die benachbarten Nationen großes Zutrauen zu ihrer Gcschicklichkeit faßten und die hanseatischen Kaufleute, 173 die damals ihr denkwürdiges Bündniß errichtet hatten, in ihnen keine unbedeutenden Nebenbuhler in der Spedition der kostbaren Waaren zwischen dem Norden und Süden Europa's fanden. Vor dem Ende des 13. Jahrhunderts waren über 1500 holländische Schiffe in diesem einträglichen Handel beschäftigt; der Reichthum der Hansestädte setzte diese jedoch in den Stand, eine Seemacht zu unterhalten, die ihnen den ausschließlichen Handel des baltischen Meeres zusicherte und das wachsende Gedeihen der Holländer beschränkte, aber nicht unterdrückte. Während länger als 200 Jahren erhielt sich der hanseatische Bund dieses Monopol und die Oberherrschaft der nördlichen Meere; der Streit der Hanse mit Dänemark (4431) eröffnete den Holländern das baltische Meer, deren Seemacht von nun an mit solcher Schnelligkeit wuchs, daß sie 1441 eine Kriegsflotte ausrüsten konnten, um ihren Handel gegen den Wandalismus der hanseatischen Schiffe zu schützen, von denen ein beträchtliches Geschwader sie angriff, aber von ihnen weggenommen und zerstört wurde. Aufgemuntert durch diesen Sieg, der sie ihre Macht fühlen ließ und ihnen ein gerechtes Zutrauen auf ihren Muth und ihre Geschicklichkeit einflößte, fingen die holländischen Kaufleute an^ auf eigene Rechnung zu handeln und ihre Seefahrten bis in die entferntesten Gegenden von Europa auszudehnen. Bald nach Eröffnung des portugiesischen Handels nach Indien begaben sich die holländischen Kaufleute nach Lissabon, um dle indischen Waaren aufzukaufen, mit denen sie nachher die Hafen Frankreichs, der Niederlande und des baltischen Meeres versahen. Während der Betreibung dieses Handels bemerkten sie mit eifersüchtigen Augen die großen Vortheile, welche die Portugiesen aus ihrem unmittelbaren Handelsverkehre mit Indien zogen. — Dies, nebst den anziehenden Nachrichten, welche sie von dem Reichthume dieser fernen Länder erhielten, erweckte einen feurigen Nachahmungstrieb und Unternehmungsgeist in ihnen, sie 174 fingen daher an, nach cinem Antheile an dem Handel mit dem Oriente und seinem Reichthume zu streben. Aber die kluge Vorsicht, welche die Holländer von jeher charaktcrisirt hat, verbunden mit der Neigung zu Entdeckungen auf dem Mcere, welche dicse Zeitpcriodc auszeichnete, bewog sic, dem von den Portugiesen sich angemaßten Rechte keinen Abbruch zn thun, so ungerecht und übermüthig es auch von einer Nation war, den Handel mit Indien auf dein von ihnen entdeckten Wege um das Vorgebirge der guten Hoffnung allein besitzen zu wollen; die Holländer versuchten vielmehr, durch das Umsegeln des nördlichen EndeS von Europa sich selbst einen Weg und eine Verbindung mit Japan und China zu eröffnen. Die Ausführung dieses Planes wurde jedoch durch wichtige Umstände verzögert, die, obgleich sie für eine kurze Zeit drohten, den Handel dieses betriebsamen Volkes zu vernichten, am Ende doch die Ursachen waren, welche ihre nachherige Größe begründeten. Nach der Abdankung Kaiser Karl's V. folgte ihm sein Sohn Philipp von Spanien in seinen Erbstaaten nach, und die Verfolgung der Protestanten in den Niederlanden, die der Erstere mit großer Strenge angefangen hatte, wurde von Letzterem mit systematischer, rachsüchtiger und unermüdlicher Grausamkeit fortgesetzt. Philipp verfolgte einen wohlüberlegten Plan zur Vernichtung der Protestanten in seinen Staaten und in der Absicht, mit seinen sog. frommen Zwecken auch weltliche Vortheile zu verbinden, hob er durch ein Edict in allen Provinzen die Freiheiten und Rechte auf, welche durch Jahrhunderte erlangt und genossen waren. Statt ihrer errichtete er eine militairisch-despotische Regierung, verbot die Ausübung der protestantischen Religion und führte die schreckliche Inquisition ein, um die Feinde des römisch-katholischen Glaubens zu entdecken und zu bestrafen. Auch der Handel der Holländer wurde nicht geschont. — Nachdem Philipp Portugal erobert hatte, untersagte er den Holländern, den Hafen von Lissabon 175 zu besuchen, wodurch er sowohl sie als die Portugiesen des Vortheils beraubte, den beide Nationen von diesem reichen Handel bislang gezogen hatten. Gr trug seinen Haß gegen sie so weit, daß er, als sie sich seinen tyrannischen Verordnungen nicht unbedingt unterwerfen wollten, er sie durch furchtbare Mittel zur unbedingten Unterwerfung zwingen wollte und unter Anderem von ihnen forderte, daß sie ihm den zehnten Theil aller ihrer beweglichen Güter und den zwanzigsten ihrer unbeweglichen Güter geben sollten. Mißvergnügen und Zorn, seit Jahren in den Seelen brütend, entstammten endlich zu einer heftigen Revolution und ungeachtet der großen Zahl Truppen, welche Spanien zu ihrer Unterdrückung anwendete, endete dieselbe dennoch mit der Unabhängigkeit und Republik der vereinigten Provinzen. Befreiet von der Tyrannei und den Einschränkungen, welche ihren Speculationsgcist niedergedrückt hatten, machten die Hollander von nun an in ihrem Handel einen schnellen und sicheren Fortschritt, der der natürliche Erfolg jeder sich frei fühlenden Betriebsamkeit ist. Fünfzehn Jahre nach ihrer Befreiung vom spanischen Joche, im Jahre l5!»4, führten sie ihren Acblingsplan aus, den Versuch einer Schifffahrt durch den nördlichen Ocean nach China zu machen, und da ihnen die Freiheit, indische Waaren von den Portugiesen zu kaufen, versagt war, so wurden sie desto ungeduldiger auf den Erfolg ihres Planes, der, im Falle des Gelingens, ihnen einen weit kürzeren Weg nach Indien bahnen würde, als den um das Vorgebirge der guten Hoffnung, und sie deßhalb auch in den Stand zu sehen vermochte, die europäischen Märkte nicht nur weit schneller, sondern auch wohlfeiler nut indischen Erzeugnissen zu versehen, als es bis jetzt geschehen war. Von der Hoffnung gereizt, sich in den Besitz großer Reichthümer zu versetzen, übersahen die holländischen Kaufleute in ihrem Eifer die bereits mißglückten Versuche, welche ausgezeichnete, 176 englische Seeleute kurz vorher gemacht hatten, um diesen nördlichen Durchgang zu finden, sowie die verschiedenen, wahrscheinlichen Hindernisse, die durch dic Reisen jener Seefahrer entdeckt worden waren. Sie rüsteten demnach ein kleines Geschwader aus, dessen Commando dem Wilhelm Varcnz gegeben wurde, einem Seemanne, der sich ebenso sehr durch seine Fähigkeit wie durch seinen Muth auszeichnete. Er verließ Amsterdam im Anfange des Jahres 4595; nachdem er den 78. Grad nördlicher Breite erreicht hatte, wurden seine Schiffe von Eisbergen umgeben, die ihnen den Untergang drohten; seine Matrosen, um ihr Schicksal besorgt, drangen auf die Rückkehr nach Holland, und Varenz mußte endlich wider Willen ihrem immer entschiedener werdenden Begehren nachgeben und kam nach einer Abwesenheit von fünf Monaten in den Terel zurück. Der eifrige Varenz ließ sich jedoch von diesem ersten, unglücklichen Versuche nicht abschrecken, dessen Mißlingen er mehr dem Schrecken seiner Leute, als den physischen Hindernissen zuschrieb, die er durch kühnes Vorrücken glaubte überwinden zu können. Von diesem Gedanken erfüllt, übergab er den Gcneralstaaten ein Memorial, in welchem er vorschlug, einen zweiten Versuch zu machen, um einen nordöstlichen Durchgang durch die Meerenge von Wygaz (Waigatsch) zu suchen, wo er erwartete, weniger Hindernisse als auf seiner vorigen Reise zu finden. Da sein Vorschlag durch dringende Bitten der Kaufleute unterstützt wurde, die ihn zu der ersten Neise gebraucht hatten, so wurde derselbe ohne Schwierigkeit angenommen und man gab ihm das Commando über sechs Schiffe, mit denen er im Juni 1596 nach dem Norden absegelte. Da diese Flotte auf öffentliche Kosten ausgerüstet war, so entsprachen die Hoffnungen, welche man sich davon »nachte, dem hohen Begriffe, den die Hollander von der Weisheit ihrer Regierung hegten — diese Hoffnungen warm daher übertrieben. Barmz's 177 Rückkehr, vier Monate nach seiner Abreise, ohne irgend eine Entdeckung gemacht zu haben, erfüllte deßhalb die Nation mit einem allgemeinen Mißbehagen. Diese fehlgeschlagmm Hoffnungen überzeugten mm die Holländer, daß, wenn auch ein Durchgang durch Nordostm möglich wäre, doch die Gefahren und Schwierigkeiten, die diesen Weg nach Indien unausbleiblich begleiten würden, denselben wenig nützlich für den Handel machten. Sie wendeten daher alle ihre Aufmerksamkeit und Thätigkeit nunmehr an, sich Kenntnisse über die Schifffahrt um das Vorgebirge der guten Hoffnung zu verschaffen, und da sie durch die Feindschaft der Portugiesen jetzt nichts mehr verlieren konnten und die Macht der Spanier wenig mehr zu fürchten brauchten, so beschlossen sie, Alles anzuwenden, um an dein vortheilhaftcn indischen Handel Antheil zu gewinnen. Dieser Entschluß wurde durch Cornelius Houtman aufgemuntert und erleichtert. Houtman war von den Kaufleuten zu Amsterdam in den Handelsgeschäften gebraucht worden, die diese Stadt vormals mit Lissabon betrieben hatte; dies gab ihm Gelegenheit, mit mehreren erfahrenen Seemännern bekannt zu werden, welche die portugiesischen Flotten nach Indien zu steuern pflegten. Als dieser Handel zwischen Lissabon und Amsterdam im Jahre 1594 sein Ende erreicht hatte, blieb Houtman in Lissabon, wo er aber endlich durch seine Nachforschungen über die Schifffahrt der indischen Meere die Aufmerksamkeit der Regierung auf sich zog und gefangen genommen wurde. Er wandte sich nun an die Kaufleute von Amsterdam und bot ihnen an, sie mit allen wichtigen Nachrichten bekannt zu machen, die er über den indischen Handel und die Art, ihn zu betreiben, gesammelt habe, wenn sie ihn aus oem Gefängnisse, worin er schmachte, loskaufen wollten. Dieser Vorschlag langte in Holland gerade zu der Zeit an, wo das Mißvergnügen über die unglücklichen Reisen des Varenz Van Mökein, Ostindien, I. !2 178 sich zu mindern anfing; er wurde angenommen, Houtman losgekauft, und nach seiner Ankunft in Amsterdam gab er so vollständige Nachrichten über den indischen Handel, daß nach reiflicher Ueber-legung ein Plan entworfen und angenommen wurde, nach dem man sich in diesen Handel einlassen wollte. Der Haufttgegenstand dieses Planes war die Errichtung einer „Compagnie von Kaufleuten, um nach fernen Ländern zu handeln." — Man wollte vier Schiffe unter Houtman's Commando nach Indien senden. Die Schnelligkeit, womit die finanziellen Angelegenheiten der neuen Compagnie geordnet und beendigt, sowie die Ausrüstung der Schiffe betrieben wurde, war dem Eifer angemessen, den die Natur der Unternehmung und der Werth der beabsichtigten Gegenstände einem betriebsamen, gelbgierigen Volke einstößt. In weniger als drei Monaten nach Errichtung der Compagnie waren die Schiffe zur Abfahrt bereit und im Herbste 1596 segelte Houtman aus dem Terel. Er wurde angewiesen, keinen Seehafen des Festlandes von Indien zu berühren, sondern sich geradeswegs nach dem östlichen Archipel zu begeben und nur auf solchen Inseln Handel zu treiben, wo die Portugiesen keine Niederlassungen besaßen. Dadurch sollte nicht nur einem möglichen Streite mit den Portugiesen vorgebeugt werden, sondern auch ein wichtiger Zweig des indischen Handels, den die Portugiesen, seitdem sie unter das spanische Joch gefallen waren, vernachlässigt hatten, in holländische Hände gelangen, indem man ihn mit Aufmerksamkeit und Regelmäßigkeit zum Vortheile der Compagnie zu betreiben gedachte und die europäischen Märkte von dort aus mit Gewürzen versorgen wollte. Nach einer langen Reise von neun Monaten, ohne indessen von irgend einem bemerkcnswerthm Umstände begleitet zu sein, langte die holländische Flotte an der Küste von Bantam auf der Insel Java an. Höflich gegen Fremde und dem Handel leidenschaftlich zugethan, empfingen die Javanesen Houtman bei seiner Landung mit den einladendsten Zeichen von Respect und Wohl- 179 wollen und mit einer gegenseitigen Hanbclsbegierde gingen sie in einen Tausch der kostbarsten Inselproducte gegen europäisches Eisen und Gelb ein. Houtman hatte bereits angefangen, seine Labung an Bord zu nehmen, als ein unglücklicher Umstand einen Streit zwischen ihm und den Einwohnern hervorrief, der nicht nur seinen Verkehr mit ihnen unterbrach, sondern sogar seine persönliche Sicherheit in Gefahr setzte. Er hatte, wahrscheinlich mit Necht, zu argwöhnen, daß die malayischen Kaufleute, mit denen er für die feinsten Gewürze einen Vertrag abgeschlossen hatte, ihm eine schlechte Sorte lieferten; er warf ihnen ihre betrügerische Aufführung mit den stärksten Ausdrücken vor, verlangte eine Audienz beim Könige von Bantam, stellte ihm den Betrug vor und verlangte mit drohendem Tone, den dieser Fürst wenig gewohnt war, entschieden eine genaue und rechtliche Vollziehung des Vertrages, der auf der Stelle erzwungen werden sollte. Eine derartige Vorstellung war wenig geeignet, in dem Oberhaupte eines Volkes, das mit angeborener Neigung zu hintergehen und zu betrügen, einen stolzen und rachsüchtigen Geist verbindet, das Gefühl für Gerechtigkeit zu wecken. Hout-man's Unbesonnenheit und Ucbercilung dienten nur dazu, die Beschwerden, über die er sich beklagte, zu vergrößern. Der König, überrascht und zornig über die erstaunliche Kühnheit, womit Hout-man seine Beschwerde geführt hatte, befahl auf der Stelle, denselben gefangen zu nehmen und in einen Kerker zu werfen, ein Verfahren, das auf den malayischcn Inseln gewöhnlich das Vorspiel der Ermordung ist. Er rettete aber sein Leben, indem er dem Könige einen Theil des Geldes, das zum Ankaufe der Gewürze dienen sollte, alS Lösegcld anbot. DicscS Anerbieten milderte den Zorn des malayischm Fürsten, dessen Geiz größer, als sein Stolz war, und Houtman wurde frei gelassen. Bei seiner Rückkehr an Bord der Flotte versammelte er die Befehlshaber der verschiedenen Schiffe, theilte ihnen seinen Argwohn 12" 180 mit, daß die Malaym Verratherische Absichten gegen die holländische Flotte hegten, stellte ihnen die große Gefahr vor, der man sich durch einen längeren Aufenthalt in Bantam aussetzen würde, bestand darauf, daß die Compagnie es gewiß lieber sehen werde, wenn sie mit einer kleinen Ladung, die sie schon an Bord hatten, nach Hause zurückkehrten, als ihr Leben und die Flotte in Gefahr zu setzen, und gab Befehl, die Schiffe scgelfertig zu machen. Nachdem er sich in wenigen Tagen mit Lcbensmitteln und Wasser versehen hatte, ohne den Malaycn den kleinsten Argwohn seiner Abreise zu geben, segelte er in aller Stille am 5. Januar 1598 von Bantam ab und kam nach zehn Monaten im Terel an. Unter großer Freude der Einwohner landete er zu Amsterdam, das Volk rief ihm Beifall zu, die Compagnie hieß ihn erwartungsvoll willkommen. Sein Bericht über die unglücklichen Vorfälle zu Bantam verminderte zwar die Freude seiner Committenten, hatte aber keinen Einfluß auf die allgemeine Zufriedenheit der Nation über den Erfolg der Unternehmung. Daß Houtman die holländische Flagge nach Indien und wieder zurückgeführt hatte, daß sie auf den Küsten jener fernen Länder gewehrt, waren an sich schon Umstände, welche die Nation als eine Wohlthat betrachtete, die man dem Führer der Flotte freudig dankte, indem man ihm die Ehre erwies, ihn als den Erschlicßcr einer neuen Handclswelt für Holland anzuerkennen. Mit einem Enthusiasmus betrieb man jetzt den Verkehr mit Indien, der durch die alleinige Liebe zum Gewinn nicht so bedeutend den Handclsgeist der Holländer gehoben haben würde, zumal Vorsicht und Klugheit jede überspannte Vorstellung zu mäßigen wußten. Der Wunsch, am indischen Handel betheiligt zu werden, rief jetzt einen feurigen Wetteifer unter den Kaufleuten der vereinigten Provinzen hervor und zwar ohne Neid und Erbitterung; verschiedene kaufmännische Gesellschaften wurden gebildet, von denen eine noch schneller als die andere ausrüstete, und ihre Anstrengungen fanden durch die Kühnheit ihrer Seeleute die thatigste 181 Unterstützung, bkc durch Neuheit und Anlockung der Umstände zur Rcisc bereitwillig sich angezogen fühlten. Die ursprüngliche Amsterdamer Compagnie erhielt durch ihre indischen Handelsplanc eincn großen Zuwachs von Credit, Macht und Einfluß, zumal sie sich nüt einer zweiten Compagnie vereinigte, welche sich nach Houtman's Rückkehr in derselben Stadt gebildet hatte und die so vereinigte Compagnie besaß alle diejenigen Vortheile über ihre Concurrcntcn, welche der größere Reichthum an Geldmitteln gewährt; sie hatte daher schon mehrere Monate früher als die anderen Compagnien in Holland eine Flotte scgclfertig, die aus acht Schiffen bestand und unter die Befehle von Houtman und Van Neck gestellt wurde. Letzterer war ein erfahrener und unternehmender Seemann. Die Flotte verließ den Tercl im Anfange des Jahres 4599 und langte gegen Ende des Jahres zu Achcen auf der Insel Sumatra an. Drei Monate spater, als diese Flotte Amsterdam verlassen hatte, sandte die „Seeland-Compagnie" ein Geschwader von vier Schiffen nach dem südlichen Theile von Java, wohin das Gebiet des Königs von Bantam sich nicht erstreckte; man wollte den Beleidigungen der holländischen Flagge dadurch entgehen und einer Verratherei oder Vereitelung des Reisezwecks zuvorkommen. Von allen Compagnien, welche in dieser Periode in den vereinigten Provinzen errichtet wurden, scheint die der Kaufleute von Rotterdam die kühnste und unternehmendste gewesen zu sein. Aufgemuntert durch das Beispiel der Portugiesen, deren glänzende Thaten und wichtige Entdeckungen sie noch zu übertreffen strebten, beschlossen sie, eine Flotte durch die Magclhan'schc Meerenge nach den Gewürzinseln zu senden, um auf diese Art den Ruhm der Weltumsegelung mit dem soliden Vortheile des Handels zu verbinden. Die zu diesem Zwecke ausgerüstete Flotte, unter dem Befehle von Jacob Mahu, einem Bürger von Antwerpen, der in spanischen Diensten gestanden und verschiedene Fahrten in das 182 Südmeer gemacht hatte, segelte im Juni l5W, versehen mit bestimmten Vorschriften für das gewagte Unternehmen, ab und langte, nachdem sie die größten Gefahren überstanden und unzählige Schwierigkeiten überwunden hatte, nach einer Fahrt von neunzehn Monaten und nach dem Verluste von zwei Schiffen, bei den Molukken an. Die vereinigte Compagnie von Amsterdam betrieb indessen ihre Hanbclsinteressm mit großer Regsamkeit; ohne die Rückkehr ihrer Flotte unter Houtman und Van Neck abzuwarten, schickte sie drei andere Schiffe unter dem Befehle von Stephan van der Hagen im Herbste 1599 ab. Derselbe knüpfte die erste Verbindung mit Amboina in den Molukkcn an. Ungefähr sechs Monate nach der Abreise dieses zweiten Geschwaders langte Van Neck mit vier Schiffen im Terel an, mi-t einer reichen Ladung kostbarer Waaren, die er sich in Achccn verschafft hatte. Das Glück dieser Reise war die befriedigendste Belohnung für Mühe, Anstrengung und Risico der Compagnie und zugleich der mächtigste Sporn für die Zukunft. Sie verlor keine Zeit zu neuen Unternehmungen, schon vier Monate nach Van Neck's Rückkehr waren seine Schiffe ausgeladen, ausgebessert und wieder nach Acheen abgefertigt. Gegen Ende desselben Jahres wurde von einer andern Amsterdamer Gesellschaft, aus Brabant'schen Kaufleuten bestehend, ein anderes Geschwader von vier Schiffen nach Indien gesandt. Diese Brabanter waren nach Amsterdam gezogen, um sich am verlockenden indischen Handel zu betheiligm. Im März <600 fertigten sie abermals zwei Schiffe nach den Molukken ab, die unter Bedeckung einer beträchtlichen Flotte der alten Amsterdamer Compagnie, unter Van Neck's Befehl dahin absegelten. Dieser Umstand beweiset thatsächlich, daß zwischen diesen beiden Compagnien keine Eifersucht obwaltete, welche kaufmännische Concurrenz gewöhnlich zu begleiten pflegt, und wirft ein sehr günstiges Licht auf den Verstand und die Handelspolitik dieser 183 holländischen Kaufleute, der überhaupt die Rcftublick Macht und Reichthum verdankte. Es ist wirklich ein merkwürdiger Umstand, daß die zu dieser Zeit in den vereinigten Provinzen bestehenden Gesellschaften die größte Einigkeit unter einander unterhielten, während doch jede mit den größten Anstrengungen dasselbe Ziel erstrebn: und den merkantitischen Vorrang erringen wollte. Die ungcmcinc Erhebung und Vermehrung des hollanbisch-ostindischm Handels in dem kurzen Zeiträume von fünf Jahren war die natürliche Folge des guten Einvernehmens und der vernünftigen Grundsahe bei ihrer Betriebsamkeit. — Im Jahre 1600 segelten nicht weniger als 40 Schiffe von 4 — 600 Tonnen Last von den vereinigten Provinzen nach dem indischen Archipelagus und kamen im Laufe von zwei Jahren mit reichen Ladungen zurück, so daß beinahe der ganze Gewürzhandel sich jetzt in den Händen der Holländer befand. Die portugiesischen Kaufleute sahen diese großen Fortschritte ihrer Nebenbuhler mit Erstaunen und Verzweiflung an; niedergedrückt und erschlafft durch die Unterjochung ihres Vaterlandes, vernachlässigten sie es, die Fortschritte der Holländer im indischen Handel zu beobachten. Philipp II. war zu sehr mit Gegenständen von unmittelbarer Wichtigkeit beschäftigt, die seinen persönlichen Ehrgeiz naher interessirtcn, als daß cr auf die zunehmende Macht und den Einfluß seiner rebellischen Unterthanen Hütte Acht geben mögen. Da die Verbreitung des katholischen Glaubens eine Haupttricbfcder seines Ehrgeizes war, so betrachtete cr Indien mehr mit den Augen der Kirche, als der weltlichen Politik, namentlich der des Handels; cr befahl dem Vicekönigc von Goa, dort die Inquisition einzuführen und alle seine öffentlichen Maßregeln dem papstlichen Interesse unterzuordnen. Alle Niederlassungen der Portugiesen in Indien wurden mit Geistlichen überfüllt, die alle ihre Hülfsmittel des Icsuitismus anwenden mußten, die Eingeborenen zu bekehren, was übrigens vergeblich war und weßhalb 184 die Jesuiten ihren amtlichen Einfluß darauf richteten, die indischen Fürsten gegen fremde, europäische, namentlich nichtkatholische Völker einzunehmen. Unter diesen Verhältnissen wurden' die Handclsangclegenheitcn nicht mit dem Eifer und der Regelmäßigkeit betrieben, welche für ihr Gedeihen nöthig waren,' die kleinen Niederlassungen im östlichen Archipelagus, die Dasein und Gedeihen dem dort betriebenen, einträglichen Handel verdankten, verspürten die allgemeine Erschlaffung des Handels am frühesten und versanken allmälig in Unthätiqkcit. Diese Zustände entgingen den scharfblickenden, holländischen Kaufleuten nicht und sie wußten sie zum eigenen Vortheile zu benuycn. Sie stellten den Malaycn vor, daß die Vortheile, die dieselben aus einem Handelsverkehre mit bescheidenen und sanftmüthigcn holländischen Kaufleuten ziehen würden, weit größer wären, als die, welche die Portugiesen ihnen bieten könnten, die, mehr Krieger als Kaufleute, in der Absicht gekommen wären, zu erobern, statt zu handeln, sie zu Sclaven zu machen und zur Annahme der christlichen Religion zu zwingen. Solche Vorstellungen wurden in's Geheim allen malayischcn Oberhäuptern auf den verschiedenen Inseln gemacht, wo die Portugiesen Niederlassungen besaßen, und mit großein Erfolge im Volke verbreitet. Die Wirkung entsprach den Wünschen der Holländer; die Ma-layen, von Natur argwöhnisch, hatten solche Absichten der Portugiesen schon lange gefürchtet und wurden durch die Erinnerung ehemaliger Feindseligkeiten gewarnt; sie beschlossen den Prophezeiungen der Holländer zuvorzukommen und griffen plötzlich alle portugiesischen Ansiedler auf mehreren molukkischcn Inseln mit solchem Ungestüm an, daß diese, darauf wenig vorbereitet, ihre Häuser und Güter verließen und auf die Schiffe flüchteten. Auf der Insel Sumatra versammelte der König von Achecn eine zahlreiche Armee, in welcher mehrere Holländer als Freiwillige dienten, und führte sie gegen die kleine Festung, welche die Portugiesen 185 am Ende der Bucht von Achem erbauet hatten. Dieses Fort war weder durch regelmäßige Festungswerke, noch durch hinreichende Garnison vertheidigt, abcr der Gouverneur, der sich auf die Unwissenheit seiner Feinde und die erprobte Tapferkeit seiner Truppen verließ, beschloß sich zu vertheidigen, obgleich er sich ohne Mühe hätte zurückziehen können, da mehrere portugiesische Schiffe ganz nahe vor Anker lagen. Der malayischc König, von den Holländern aufgehetzt, gab ihm wenig Zeit zu einer Vorbereitung der Vertheidigung; in der dritten Nacht, nach welcher der Gouverneur die Nachricht von den feindlichen Absichten erhalten hatte, erschienen die Malayen unbemerkt vor dem Fort, nach ihrer Gewohnheit nur mit Krcc's ober langen Dolchen bewaffnet, krochen in größter Stille in den Graben hinunter und stürmten plötzlich den Wall. Die Garnison, welche von dieser unmittelbaren Nähe des Feindes nichts gewußt hatte, ergab sich, von Furcht und Schrecken erfüllt, den wüthenden Angreifern, die nm das Blut ihrer langjährigen Peiniger befriedigen konnte; jeder im Fort befindliche Europäer wurde abgeschlachtet. Die Schiffscommandanlm auf der Rhcede, bestürzt über diese unerwartete Begebenheit und die geheimen Intriguen der Holländer mehr als die offene Feindschaft der Malayen fürchtend, segelten nach Malacca und meldeten dem dortigen Gouverneur das Ercigm'ß zu Achcen. Durch diese Begebenheit erhielt die portugiesische Macht im östlichen Archipel einen Streich, von dem sie sich nicht wieder erholte. Der Gouverneur von Malacca und die vornehmsten Beamten der übrigen Niederlassungen versuchten vergebens, ihren Einfluß über die malayischcn Häuptlinge wieder zu gewinnen. Durch den beständigen Verkehr zwischen den verschiedenen Inseln wurde das Ereigniß zu Achecn schnell im ganzen Archipel verbreitet und überzeugte die Malayen, daß die Portugiesen nicht mehr das furchtbare Volk waren, deren Kriegskunst und persönliche 186 Tapferkeit sie seither gefürchtet hatten. Nach Beseitigung der Furcht glüheten die Malayen vor Ungeduld, die früher erlittenen Ungerechtigkeiten an den Portugiesen zu rächen. Die Holländer wurden daher von jetzt an mit Gunst und Auszeichnung behandelt. Auf den Inseln Celebes und Ternate und auf den Molukkcn versahen sie die Einwohner nicht nur mit Gewürzen von viel besserer Güte, als jemals zuvor, sondern versprachen noch, ihnen ganz allein diese köstliche Waare zu verkaufen. Die Portugiesen sahen sich durch diese glücklichen Nebenbuhler von dem vorteilhaftesten Zweige ihres indischen Handels ausgeschlossen; die dadurch erfahrene Kränkung wurde noch durch das Gefühl ihrer Ohnmacht verbittert, es blieb ihnen nichts übrig, als dem Vicekönig von Goa die traurige Wahrheit zu melden, daß sie die malayischen Niederlassungen verlassen hatten. Der Vicekönig, im Zorne sofort geneigt, die Nationalchrc zu retten und zu rächen, besaß jedoch keine Seemacht, die im Stande gewesen wäre, mit einiger Hoffnung auf glücklichen Erfolg die zahlreichen Geschwader der Holländer anzugreifen, denn diese hatten ihre Handelsschiffs alle gut bemannt und bewaffnet, um ihren ausgedehnten Epcculationen auch die nöthigen Schutzmittel zur Begleitung zu geben. Als das Ereigniß von Acheen in Madrid bekannt wurde, ward Philipp II. gegen die Holländer, die er in Verfolgung anderer Angelegenheiten zeitweise vergessen hatte, auf's Neue zu furchtbarem Hasse angefacht; seine im Augenblicke ergriffenen Maßregeln waren Ausflüsse von Wuth und wurden deßhalb auch mit Uebereilung ausgeführt. Es wurden Befehle ertheilt, daß bewaffnete Schiffe, die gerade in den spanischen und portugiesischen Häfen fertig lagen, sofort in See gehen sollten, um die holländischen Kaufleute auf ihrem Wege nach Indien aufzufangen. Dem zufolge war bald eine Flotte von dreißig Schiffen im Tajo versammelt, die sich nach den Inseln des grünen Vorgebirges 187 begab, wo die nach und von Indien fesselnden holländischen Kauf-fahrcr vorbeikamen. Dic Holländer wußten nichts von dieser gegen sie ausgerüsteten Flotte, aber recht gut bekannt mit Philipp's feindseligen Gesinnungen und der Portugiesen rachsüchtiger Eifersucht, erlaubten sie ihren Handelsflotten niemals Holland zu verlassen, ohne auf Angriffe gehörig vorbereitet zu sein. — Im Monat März i60l begegnete ein holländisches Geschwader von 8 Schiffen, die der alten Amsterdamer Compagnie angehörten, der spanischen Kriegsflotte. Jedes der holländischen Schiffe führte sechszehn Kanonen von kleinem Kaliber und hatte 60 Matrosen nebst einer beträchtlichen Anzahl Soldaten an Bord. Ein so großes Mißverhältniß in der Stärke beider Flotten hob die Hoffnung der Spanier zu einem gewissen und leichten Siege. Die Holländer hingegen ließen sich durch den unerwarteten Anblick eines so überlegenen Feindes nicht erschrecken, noch irre führen; der Commandeur Georg Spilbergen*), der die republikanische Flagge schon mit Auszeichnung vertheidigt hatte, beschloß sofort, sich einen Weg durch die feindliche Flotte zu bahnen oder im Versuche unterzugehen. Er formirte sein Geschwader in eine gedrängte Schlachtordnung, verfolgte seinen Weg mit Entschiedenheit, während die spanische Flotte, welche sich windwärts befand, in drei Abtheilungen hcransegelte, um die Holländer zu umringen und zwischen zwei Feuer zu nehmen. Aber die große Unregelmäßigkeit, womit dieses Manoeuvre ausgeführt wurde, brachte sie in Unordnung, Spilbcrgen benutzte diesen augenblicklich günstigen Umstand, eröffnete ein gut gerichtetes Feuer auf den Feind und richtete ihn so übel zu, daß er nach einem zweistündigen Gefechte sich zurückziehen und den Holländern das Meer freilassen mußte, die nun ihren Weg nach Indien sicher und triumphirenb fortsetzten. ') Einige Geschichtschreiber »emien als de» Befehlshaber dieser Flotte den Wolfart Hcrmanuszoon, was aber unrichtig ist. 188 Das war der ganze Erfolg von Philipp's Zmüstungen, um die Holländer zu demüthigen. Als die spanische Flotte mit den Zeichen ihrer Niederlage zurückkam, sah Philipp zu spät ein, mehr dem Gefühle, als dem Verstände gefolgt zu sein, da er nun auf's Neue überzeugt war, daß die holländischen Seeleute in Führung und Vertheidigung der Schiffe viel zu geschickt und erfahren und ihre Fahrzeuge zu gut ausgerüstet seien, um nicht die wachsende Größe ihres überseeischen Handels zu behaupten, und daß er die ganze Macht seines Reiches nicht in einem Seekriege gegen sie verwenden könne, da er bereits in einem Kriege begriffen war, der für ihn näheres und größeres Interesse hatte und bereits seine Kriegs- und Geldmittel völlig in Anspruch nahm. Er fühlte deßhalb die Unmöglichkeit, sich in einen zweiten Krieg zu verwickeln und überließ den holländischen Handel in Ostindien und seine Besitzungen daselbst ihrem Schicksale. Da die portugiesischen Statthalter in Indien sahen, daß ihre Vorstellungen um Hülfe bei Philipp nichts fruchteten, so erfanden sie verschiedene listige Streiche, um dem zunehmenden Ginflusse der Holländer entgegen zu arbeiten und den freundschaftlichen Verkehr, der zwischen jenen und den malayischcn Fürsten bestand, zu mindern. Einige dieser Intriguen wurden mit großer Geschick-lichkeit betrieben; diejenige, welche ihnen am besten glückte, aber auch Männern, die auf die Würde ihrer Religion so stolz waren, um so mehr zur Schande gereichte, bestand darin, daß sie geheime Emissairc unter der Maske von frommen Proselytcn, welche die christliche Religion abgeschworen und den muhamedanischen Glauben angenommen hatten, an den König von Achecn sandten. Dieser Fürst, ein schwacher Charakter und fanatischer Muhame-daner, empfing sie mit ausgezeichneter Gunst, lieh ihren arglistigen Zuflüstcrungen ein williges Ohr, wodurch er seine Achtung gegen die Holländer verlieren und gegen ihre Absichten eifersüchtig werden mußte, sing allmalig an, in seinen Verhandlungen mit 189 holländischen Schiffscaftitains, die sich damals im Hafen von Acheen befanden, Mißtrauen und Besorgniß zu zeigen — und zufällig befand sich unter ihnen gerade der bekannte Houtman, der diese Veränderung in des Königs Dmkungsart bald erkannte und die wahre Ursache vermuthete. Aber er besaß nicht Vorsicht und Selbstbeherrschung genug, um die Folgen abzuwenden, die er voraussah; er überließ sich, wie schon früher einmal, der ersten Aufwallung seiner Gefühle und forderte in einem stolzen Tone von dem malayischen Fürsten eine Erklärung der Gründe, die ihn zu dieser Vernachlässigung der zwischen ihnen auf Zutrauen gegründeten Freundschaft bewogen hätten. Hierauf wurde nichts erwidert, aber in der folgenden Nacht umringten mehrere malayische Prows (cine Gattung kleiner Schiffe) Houtman's Fahrzeug und suchten es zu entern. Ein wüthendes, länger als zwei Stunden dauerndes Gefecht begann, nach welchem die Malaycn gezwungen wurden, mit großem Verluste an Menschenleben wieder an das Land zu flüchten. Die Holländer hatten aber das Unglück, ihren Commandanten Houtman zu verlieren. Einige Tage nach dieser Begebenheit langte Spilbergen mit seiner siegreichen Flotte an. Als er von dem Bruche mit dem Könige und dessen Ursachen unterrichtet war, schickte er sogleich eine Gesandtschaft an ihn mit der ernstlichen Vorstellung ab, reichliche Genugthuung für die erlittene Unbilde zu leisten und die sofortige Entfernung der portugiesischen Emiffaire, die ihn zu dieser unverdienten und nicht zu rechtfertigenden Gewaltthat verleitet hatten, zu veranlassen. Zugleich forderte er die Erneuerung der Handelsfreiheiten, die er den Holländern zu seinem eigenen Vortheile gewährt habe, und deren sich die Holländer durch die Redlichkeit ihres Betragens und die Billigkeit ihrer Verhandlungen würdig gezeigt hätten. Nach einiger Beratschlagung bewilligte der König diese Forderung. — Er gestand ein, daß man ihn habe glauben machen, die Holländer wollten seine Staaten erobern; da 190 er aber nun vom Gegentheile überzeugt sei, so würbe er Diejenigen, welche ihn erbittert hätten, nicht länger begünstigen und wolle mit Vergnügen den freundschaftlichen Verkehr mit den Holländern zu beiderseitigem Vortheile wieder herstellen. Spilbergcn, obgleich er viel Patriotismus besaß, war zugleich sehr geizig; er begnügte sich daher mit der Versicherung, eine volle Ladung zu bekommen und opferte die Ehre seines Vaterlandes dem kurzsichtigen Eigennutze im engherzigen Interesse seiner Commit-tentm, während er für die Nationalehre gerade jetzt Gelegenheit gehabt hätte, bedeutende Genugthuung zu erlangen. Während sich dieses in Acheen zutrug, wurden die holländischen Factoren auf den Molukkcn durch kleine, spanische Kaperschiffe sehr belästigt, die der Gouverneur von Manilla dorthin sandte, um dem holländischen Handel zu schaden, indem sie in den engen Kanälen und seichten Gewässern an der Küste von Gi-lolo kreuzten, wo sie den Holländern die Zufuhr der Gewürze abschnitten, namentlich wo deren große, schwerfällige Schiffe nicht hinkommen und sie verfolgen konnten. Die eifrige Mitwirkung der Portugiesen und die wachsende Seemacht der Spanier in den Philippinen erleichterte diesen räuberischen Krieg, der den Handel hemmte und sie selbst der Gefahr und Unkosten eines offenen Krie-geS enthob. Die philippinischen Inseln wurden durch den berühmten Magelhan im Jahre 152 t entdeckt. Sie liegen nördlich von den Molukken und dehnen sich vom 5. bis i9. Grade nördlicher Breite aus. Die drei größten Inseln dieser ausgebreiteten Gruppe sind Luzonia, Magindanao (Mindanao) und Pulowa (Palawan). -^ Magindanao, die südlichste derselben, ist 430 englische Meilen von Gilolo entfernt; Pulowa zieht sich von Luzonia bis innerhalb 60 Meilen von der Küste von Borneo hinab, und diese Inseln bilden nebst Balangan, Valback und Vanguey die Inselkette, welche das chinesische Meer gegen Osten einschließt. 191 Obgleich Sftcmicn diese Inseln, auf die Magellan's Entdeckung ihnen ein Nccht gegeben hatte, als sein Eigenthum betrachtete, so war doch bis zu Philipp's II. Regierung nur ein einziger Versuch gemacht worden, sie zu colonisirm, der aber mißlang. Im Jahre 1564 faßte dieser Monarch den Plan, eine neue Erpedition aus Menco über den stillen Ocean dorthin zu schicken, die Inseln in seinem Namen in Besitz zu nehmen und auf der fruchtbarsten derselben eine Colonie zu errichten. Demgemäß wurde auf der westlichen Küste von Neusftam'cn im Hafen der Nativität eine mächtige Flotte ausgerüstet, unter dem Commando von Don Lopez de Legaspi, einem Eingeborenen dieses Landes, der eine Bestallung als Adclantado der philippinischen Inseln mit sich nahm. Bei der Ankunft der Flotte an ihrem Bestimmungsorte fand derselbe wenig Widerstand von den Eingeborenen, deren Charakter sich als ein milder und friedlicher zeigte. Im Laufe einiger Jahre errichtete Legaspi Niederlassungen auf den Inseln Zebu und Negros und auf den drei früher genannten. Als cr aber fand, daß Luzonia einen Ueberstuß an Goldminen hatte, welche die Spanier als die Quelle alles Erdmglücks betrachteten, als cr auch auf der westlichen Küste derselben einen sichern und geräumigen Hafen entdeckte, so widmete er dieser kostbaren Insel seine ganze Aufmerksamkeit. Er erwählte eine am Eingänge des Hafens liegende Stadt, Manilla genannt, zum Hauptorte seiner neuen Regierung. Am 25. Juni 1571, an welchem Tage das Fest Iohannis des Taufers von den Katholiken gefeiert wird, wurde der Grundstein der spanischen, heutigen Stadt Manilla mit großem, religiösen Pompe gelegt und ein ausgedehnter Plan für Erbauung von Festungswerken und Häufern festgestellt und nach und nach ausgeführt. Während des Fortganges dieses Werks hatte die Colonie das Unglück, ihren Gouverneur Legaspi zu verlieren, dessen Verstande, Scharfsinne und Thätigkeit Spanien diese schönen Besitzungen verdankte. Sein Nachfolger, Don Guido dc 192 Lombazaris, ein unternehmender, aufstrebender Mann, führte die meisten Pläne seines Vorgängers aus. Er wurde benachrichtigt, daß chinesische Kaufleute seit den ältesten Zeiten jahrlich diese Insel besucht hatten, um einige ihrer gröberen Manufacture« zu verkaufen, die sie den Tagalicrn, welche die Küste bewohnten, gegen Goldstaub austauschten, und die seit ihrer Bekehrung zur muhamedanischcn Religion im N. Jahrhundert einige Kenntnisse im Handel erlangt hatten. — Lombazaris beschloß diesem Verkehre alle mögliche Aufmunterung zu geben, indem er die Vortheile voraussah, die seine Landsleute daraus ziehen würden. Eine beträchtliche Anzahl chinesischer Kaufleute ließ sich überreden, unter dem Schuhe der spanischen Regierung sich in Manilla niederzulassen, und dieses betriebsame Volk versah die Colonic nicht nur mit den Erzeugnissen seines eigenen Landes, sondern auch mit denen Hindostans und anderer asiatischen Nationen. Von ihnen erfuhr Lombazaris, daß, obgleich China reiche Gold- und Silbcrminen besitze, ihre Regenten doch immer die Politik gehabt hatten, sie nicht bearbeiten zu lassen, daß daher alle edlen Metalle aus fremden Landern eingeführt würden, und da sie keine Goldmünzen prägten, sondern das Silber für diesen Zweck vorzögen, die Nachfrage nach diesem Metalle bei ihnen sehr groß sei. — Nichts konnte den Spaniern angenehmer als diese Nachricht sein, die ihnen die Aussicht auf einen reichen und vortheil-haftcn Handel eröffnete. Die Leichtigkeit, womit sie den Chinesen Silber aus Menko verschaffen und dafür kostbare Producte von China und Indien dorthin zurückführen konnten, wobei die Wohlfeilheit des Einkaufs ihnen auch einen schnellen Absatz sicherte, rechtfertigte die sanguinischen Hoffnungen, die man daran knüpfte. Der Handel mit Amerika wurde daher mit großem Eifer angefangen. Im Beginne des Jahres 4580 segelten drei Schiffe von Manilla nach Callao, an der Westküste von Peru, und nach Acapulko, 193 an der Küste von Ncuspanien, mit Producten aus China und Hindostan befrachtet; diese kehrten im Laufe von zwci Jahren mit einer Earga von Silber zurück, was die Chinesen mit Vergnügen sahen, und worauf sie einen weit höheren Werth sehten, als auf cmdcre Proben desselben Metalls, die sie jemals ftühcr gesehen hatten; wahrscheinlich war das amerikanische Silber sehr rein. Dieser glückliche Anfang des Verkehrs vermehrte den Eifer der Regierung von Manilla; von jetzt an wurden regelmäßig jedes Jahr zwei bis drei Schiffe nach Ncuspanien abgefertigt, und nach einigen Jahren wurden dicsc indischen Producte für die ncuspani-sche Provinz allein vorbehalten und den Peruanern durch strenge Ebicte jeder Antheil an diesem Handel untersagt. Der Reichthum, den die spanischen Colonistcn in Manilla durch diesen Handel erwarben, gab dieser Niederlassung einen Grad von Wichtigkeit, den sie sonst nicht erlangt haben würde, da sie der Regierung von Merico untergeordnet war und mit dem Mutterlanbe keinen eigentlichen Verkehr hatte. In der Periode, von welcher wir sprechen, befand sich die Co-lonie von Manilla in einem sehr blühenden Zustande und hatte einen ansehnlichen Grad von Macht erreicht. Unter der klugen Regierung des Marquis de Figucro wurden sämmtliche kleine Inseln zwischen Magindanao und Luzonia in Besitz genommen, und auf jeder derselben eine Niederlassung gegründet. Die wilde Mcnschemace, welche die inneren Theile von Magmdanao bewohnte und bislang den spanischen Waffen widerstanden hatte, wurde fast gänzlich unterworfen und diese fruchtbare Insel dadurch noch nützlicher gemacht. Auf einer solchen Erpedition starb Figuero, und unter seinem ebenso verständigen Nachfolger wurden die Pläne, die er für Verbesserung der philippinischen Colonic gehegt hatte, ausgeführt. Der glückliche Fortgang entsprang namentlich aus der Betriebsamkeit der Colonistcn selbst, welche durch die Negierung aufgemuntert, dem Handel jede mögliche Erweiterung Van Mütern, Ostindien, I. 13 194 gab, zumal sie vor der Einmischung jeder geistlichen Herrschaft geschützt wurden, ohne jedoch die moralischen Einflüsse der Kirche zu stören. — Die jesuitischen Missionen, welche im Jahre 160l in Manilla sich niederließen, beschränkten sich darauf, durch die sanftesten Mittel die rohen Einwohner der luzonischm Gebirge zu civi-lisircn und mit dein Christenthume bekannt zu machen, erlangten aber nicht das geringste Gewicht auf die Verwaltung der bürgerlichen Angelegenheiten, trotz der feinen Politik, mit welcher sie danach strebten. Der untrüglichste Beweis, daß Manilla nicht unter dem Einflüsse der Pricstcrschaft stand, sondern daß die Regierung allein die Beförderung des Handels zum Zwecke hatte, ist die Religionsfreiheit, die sie den fremden Kaufleuten bewilligte, welche in der Colonie sich aufhielten. Bald nach Einrichtung des Acaftulko-Handels hatten sich 15000 Chinesen und 6000 Iapancscr in der Stadt Manilla niedergelassen, wo sie alle Rechte der Bürger und freie Ncligionsübung genossen. Dieser Handclsgcist fand seine Stütze mit in dem Umstände, daß Manilla keinen unmittelbaren Verkehr mit Spanien hatte und von der Muttcrcolonie Mcrico so entfernt lag, daß eine Oberaufsicht unmöglich war und die Vorurthcile und Frömmelei von Philipp's Staatsmännern drangen nicht bis in diese entlegene, friedliche Handclscolonie. Der auffallende Contrast zwischen dieser und den portugiesischen Niederlassungen machte einen starken Eindruck auf die Hollander, die deßhalb beschlossen, gegen Manilla vcrthcidigungsweise zu verfahren, aber sich gleichzeitig zu bestreben, jener Macht im östlichen Archipel Grenzen zu setzen, indem sie den Untergang derselben durch List und Gewalt herbeiführen wollten. Zur Ausführung dieses Vorsatzes bewilligten die hollandischen Gcncral-staatcn den Befehlshabern der Ostlndienfahrcr Commissionen oder Caperbricfe und befahlen den verschiedenen Handclscompagnien, ihre Fahrzeuge ganzlich für den Krieg auszurüsten. Diese Caper- 195 briefe berechtigten die holländischen Ostindienfahrcr, Repressalien gegen alle Nationen, die ihren Handel beunruhigen oder die Flagge beleidigen sollten, auszuüben. -^ Im Anfange des Jahres 1602 segelte Jacob Heemskirk, mit dieser Gewalt ausgerüstet und mit dem Range eines Admirals beehrt, nach Bantam mit einem Geschwader von vier Schiffen, deren jcdcs zwanzig Kanonen und eine vcrhältnißmäßige Mannschaft führte. Bei seiner Ankunft in Bantam sand er den König noch immer argwöhnisch gegen die Absichten der Holländer und nicht willig, mit ihnen zu handeln. Hccmskirk verließ deßhalb diesen Hafen und begab sich nach der Insel Celebes. Auf seiner Fahrt dahin begegnete er einem großen portugiesischen Schiffe und nahm dasselbe nach schwachem Widerstände weg. Dieser Fang war sehr beträchtlich und von noch größerer Wichtigkeit durch die daraus entstehenden Folgen. Die Portugiesen hatten versucht, den Malayen die Meinung beizubringen, die Holländer würden in Europa nur als eine Sceräuberbande betrachtet, die ihre Untcr-thanspsiichtcn, nebst allen übrigen moralischen und religiösen Pflichten abgeworfen hätten und daher als Feinde keinen Pardon, als Kaufleute aber kein Zutrauen verdienten. Heemskirk, der ebenso sehr wünschte, diese Verleumdung abzuwaschcn, als sie zu rächen, glaubte, daß die Wegnahme dieses Schiffes eine günstige Gelegenheit darböte, um zu beweisen, wie ungerecht man seine Nation geschildert habe, behandelte deßhalb seine Gefangenen mit besonderer Gastfreundschaft und Güte und sandte sie alle, Capitain und Schiffscaplan ausgenommen, ohne Lösegcld nach Goa, obgleich cö damals die Gewohnheit der Portugiesen und aller anderen Nationen war, in solchen Fällen ein Lösegcld zu fordern. Dirsc ungewöhnliche Großmuth bewog den Vicckönig von Goa, ihm ein Danksagungsschreiben zu senden, worin er zugleich die Handlung dcr Holländer bewunderte. Einen solchen Brief zu bekommen, war Hecmskirk's Hauptzweck gewesen und er that die erwartete Wir- ,3* 196 kung. Nachdem er ihn hatte in die malayische Sprache übersetzen lassen, sandte er Abschriften davon an alle malayischen Fürsten und bewies ihnen durch dieses Zeugniß die Falschheit der gegen die Holländer ausgestreueten Anklagen und Verleumdungen. Während der holländische Handel in Indien mit so viel Glück betrieben wurde, sahen sich daheim die verschiedenen Compagnien in Schwierigkeiten verwickelt, die aus diesem Glücke selbst entsprangen. Der Wunsch, an dem indischen Handel Antheil zu nehmen, der in allen vereinigten Provinzen gleich stark war, und durch jede neue Reise vermehrt wurde, brachte endlich so viele wetteifernde Compagnien hervor, die sich gegenseitig an Thätigkeit überboten, daß die Märkte mit indischen Erzeugnissen und Waaren überfüllt wurden und der Preis dafür bis über 40 Procente fiel. Dieser Fall im Werthe von Gütern, die man sich mit großen Kosten verschaffte, wurde für mehrere dieser Compagnien tödtlich und von allen hart gefühlt; selbst diejenigen Gesellschaften, welche diesen Verlust am Besten vertragen konnten, wurden so besorgt, daß sie diesen Handel aufgaben und viele Schiffe und viele hundert Matrosen dadurch außer Brot gesetzt wurden. Es fand daher eine kurze Stockung im indischen Handel Statt und die ganze Nation wurde mit Unmuth, Unruhe und Furcht erfüllt. Die Gencralstaatcn, welche die Folgen dieser allgemeinen Ver-. wirrung fürchteten, hielten es für rathsam, Maßregeln zur Wiederherstellung dieses Handels zu ergreifen, von dem nunmehr ein großer Theil des Reichthums und der Macht der Nation abhing. Nach langen und reiflichen Berathungen fanden sie es am Angemessensten, die angesehensten Compagnien zu ermähnen, ihre Capitalien zu vereinigen und sich zu einer Corporation zu gestalten, welcher dann durch ein Patent das Privilegium ertheilt werden solle, ausschließlich den Handel nach Indien zu treiben. So unangenehm diese Maßregel auch im Allgemeinen der Nation erschien, so war sie doch den Compagnien, welche noch vermögend genug 197 waren, diese angebotenen Vortheile zu genießen, um so angenehmer, und obgleich die Maßregel cinen hohen Grad von Mißvergnügen und Mißtrauen erweckte, so war doch die Regierung von deren Nützlichkeit so überzeugt, daß dieselbe mit aller möglichen Schnelligkeit ausgeführt wurde. Am 20. März 1602 wurde die neue Corporation unter dem Titel: „holländisch-ostindische Compagnie" förmlich errichtet; das Patent auf 21 Jahre bewilligt und die darin enthaltenen Bedingungen waren: 1) daß die Compagnie das Monopol des Alleinhandels nach Indien auf die bestimmte Zeitpcriode besitze ; 2) daß der Staat zum Dank für die Erthcilung dieses ausgedehnten Privilegiums einen Antheil am Handclscapital mit 25000 Gulden haben wolle und eine Abgabe von 3 Procent auf die ganze Ausfuhr, ausgenommen auf ungcmünztes Silber, verlange. — Das ganze Capital der neuen Compagnie bestand aus 6,600,000 Gulden (ungefähr 600,000 Pf. St.), das auf folgende Art in verschiedene „Antheile" klassificirt wurde: '/2 für die Amsterdamer Kaufleute, V4 für die Kaufleute in Middlcburg, >/i6 für die in Delft, ebensoviel für die in Rotterdam, Enchuiscn und Horn. — Das ganze Capital wurde in Amsterdam niedergelegt, wo das Geschäft der Compagnie durch 60 Directorm betrieben wurde, welche die verschiedenen Klassen der Antheilhaber erwählten, indem jede Klasse je nach dem bctheiligten Werthe auch eine Zahl Dcftutirte in's Directorium schickte. Die Gencralstaatm scheinen bei Errichtung dieses Monopols mehr oder weniger dem Beispiele Englands gefolgt zu sein, da aber die Umstände, welche zur Bildung der letzteren führten, ganz anderer Natur warm, so kann die holländische Compagnie nicht mit dcn nämlichen Gründen vertheidigt werden. Als Elisabeth der Londoner Compagnie ein ausschließliches Privilegium ertheilte, um dcn indischen Handel zu unternehmen, befand sich der auswärtige Handel Englands noch in seiner Kindheit und seine Kauf- 198 lcutc besaßen nicht Capital gmug, nm sich allein oder in Gesellschaft in eine so große und gewagte Unternehmung einzulassen, ohne Hülfe eines Credits, den nn solches Patent der Regierung gewährt. Die Königin von England bediente sich demnach des einzigen anwendbaren Mittels, um ihrem Lande den Antheil an jenem großen, vorthcilhasten Welthandel zu verschaffen. Dagegen war die Errichtung der privilegirten holländischen Compagnie nicht an eine solche Nothwendigkeit gebunden, und stützte sich deßhalb auch nicht auf gerechte und löbliche Grundsätze. Die Holländer, welche die thätigsten und, durch ihre sparsame Lebensart, reichsten Kaufleute Europa's geworden waren, hatten früher schon den Handel mit Indien über sechs Jahre lang mit großem Glück betrieben und die Beschwerden, über die sie sich beklagten, entstanden nicht aus Mangel, sondern aus zu großem Uebcrstuß an Capital, aus der Ucberschwcmmung der europäischen Märkte mit indischen Waaren, Aber das Uebel führte auch bereits sein natürliches Gegenmittel herbei; die Verluste der verschiedenen Compagnien wären ohnehin der stärkste Beweggrund gewesen, für die Zukunft ihren Handel vorsichtiger und mäßiger zu treiben, und wenn diese Compagnien ihren eigenen Hülfsmitteln überlassen worden waren, so würde die Handelskrisis von selbst aufgehört und den indischen Verkehr in seine richtigen Schranken zurückgeführt haben, ohne der Nation irgend einen Schaden zu veranlassen; es würde die Freiheit des Handels, die einer handeltreibenden Nation unentbehrlich ist, erhalten und nicht durch die Regierung verletzt worden sein, die nur zu Gunsten einiger Kaufleute ein Monopol stiftete, das die freisinnigen Grundlagen der seitherigen Entwickelung der mcr-kantilischcn Nationalmacht tief erschütterte und von nun an die Ursache jenes habsüchtigen, filzigen und eigennützigen Systems wurde, das den ferneren Handlungen der Holländer in Ostindien und ihrem Nationalcharakter wahrlich keine Chre brachte. Die Compagnie hat ungeheuere Reichthümer nach Holland 199 gebracht, das ist nicht zu leugnen, aber es ist auch ebenso wahr, daß in demselben Verhältnisse, worin sich ihre Macht vergrößerte, auch ihre Grundsätze engherziger und verächtlicher wurden. Die neue Compagnie begann ihre Operationen mit großem Eifer und betrieb sie mit großer Schnelligkeit. Nach weniger als vier Monaten nach Empfang des Patents hatte sie schon eine Flotte von 14 großen Schiffen ausgerüstet und scgclfcrtig gemacht; Anfang Juni l602 segelte die Flotte aus dem Tcrcl unter dem Commando des Admirals Wygbranbt von Waerwick und langte im folgenden Februar in den Molukken an. Die Ankunft einer so bedeutenden Macht erlöste die holländischen Factoren auf den Gewürzinscln von der Unruhe und Vcsorgniß, worin sie die beständigen Angriffe der Spanier und Portugiesen seit einiger Zeit versetzt hatten. Ihr einziger Schutz wahrend dieser bedrängten Zeit waren die drei Schiffe Van Neck's gewesen, die kurz vorher eine Schlappe auf der Küste von Gilolo erlitten hatten und daher wenig im Stande waren, Widerstand zu leisten. Bei der Ankunft der Flotte Wacrwick's zogen sich die spanischen Caper auZ den Gewässern der Molukken zurück nach ihren Niederlassungen auf den benachbarten Inseln, welche sie jetzt nicht wieder zu verlassen wagten. Auf diese friedliche Weise, allein durch die imponirendc Gegenwart seiner Flotte, stellte Waerwick ohne ein einziges Gefecht die Nuhe in den Molukkcn wieder her und sehte die Factorcn in den Stand, ihren Handel mit den Eingeborenen wieder zu betreiben und die Ladung auf den Schiffen Van Neck's zu ergänzen. — Vor der Abreise dieser Flotte langte eine andere von 43 Segeln in Gilolo an, befehligt von Stephan van der Hagen, der ein beträchtliches Trupftcncorps, nebst Verhaltungsbcfchlcn von den Dircctoren der Compagnie mitbrachte, nämlich die wenigen Niederlassungen, welche die Portugiesen noch in den Molukkcn besaßen, zu erobern und alle möglichen Beweggründe anzuwenden, um die malayischcn Fürsten zur Mithülfe daran zu gewinnen und 200 von ihnen die Bewilligung zum Ban nöthiger Festungen zum Schutze der Factoreien gegen die spanischen Caper zu fordern. Daß die Angriffe auf die portugiesischen Colonien Streitigkeiten mit Spanien hervorrufen müßten, war vorauszusehen. Es erschienen denn auch wuthentbrannte Proclamations Philipp's II.; — namentlich im Anfange des Jahres l605 drohte er in einer Proclamation, mit dem ihm eigenen, stolzen Uebcrmuthe, allen Einwohnern der vereinigten Provinzen mit den schimpflichsten Strafen, wenn sie seinem gegenwärtigen Verbote, „nach irgend einem Theile der spanischen Besitzungen in Amerika oder Indien Handel zu treiben", zuwiderhandeln würden. -- Nichts aber hätte den Muth der holländischen Nation mehr anfeuern können, die Macht ihrer Colonien zu verstärken, als diese prahlerische und doch ohnmächtige Proclamation. Sie beschlossen der angedrohten Nache durch eine entscheidende Maßregel zuvorzukommen und sich nicht nur des ausschließlichen Handels der Gcwürzinscln zu versichern, sondern sich auch in eine so günstige Lage zn versetzen, daß sie einen Krieg mit Erfolg führen könnten. Zwei neue Flotten wurden ausgerüstet und nach den Gcwürzinseln gesandt, um sich mit den dort befindlichen Schiffen zu vereinigen. Die erste dieser Flotten bestand aus elf, die zweite aus acht Schiffen, mit Kriegsmaterial und tüchtigen, erprobten Leuten wohl verschen. Als sie angekommen waren, griff Admiral van der Hagen ohne Zeitverlust die portugiesischen Niederlassungen in Amboina und Tidore an, belagerte sie, brachte ihre Batterien zum Schweigen und zwang die Garnison zur Capitulation, wobei er eine Anzahl reichbeladener, portugiesischer Schiffe, die an beiden Orten vor Anker lagen, erbeutete. Die Portugiesen verloren damit ihre letzten Besitzungen in den Molukken. Da die Hollander durch ihre Erfolge die Gunst der Eingeborenen erworben hatten, so fanden sie keine Schwierigkeiten, sich in den eroberten Plätzen festzusetzen, die Festungswerke auszubessern und zu erweitern. — 201 Van bcr Hagen, der den Handclsmtercssen der Compagnie ebenso viele Aufmerksamkeit widmete, wie den militairischen Angelegenheiten, verschaffte sich in wenigen Monaten nach der Einnahme von Amboma und Tidorc so viele Gewürze, um 42 seiner größeren Schiffe damit zu beladen und zwar die feinsten Sorten für einen bis jetzt beispiellosen billigen Preis. Diese reichbcladeneFlotte vertrauere er dem Commando Waerwick's an, der sie, nebst bcr angenehmen Nachricht vom glücklichen Erfolge ihrer Waffen, nach Amsterdam führte. Ein Hinderniß war aber noch zu beseitigen, um das völlige Monopol des Gewürzhandels zu erlangen. — Die Englander batten auf der Insel Banda festen Fuß gefaßt und durch ihre Un-crmüdlichkeit einen beträchtlichen Antheil am kostbaren Gewürzhandel gewonnen. Die Freundschaft und Allianz, welche damals zwischen Holland und England bestand, erlaubte dem Admiral van der Hagen nicht, eine unmittelbare, feindselige Maßregel gegen die Engländer auf Vanda zu ergreifen. Aber so groß war die Eifersucht nnb der habsüchtige Neid gegen jeden Concurrcnten, daß die Holländer ihre Zuflucht zu unwürdigen Intriguen nahinen, um die Absichten der Engländer zu vereiteln. Wir haben diese Intriguen schon im vorigen Kapitel angedeutet. Um diese Zeit erhielt das Glück bcr Holländer im indischen Archipel durch die Folge eines unbesonnenen Eifers van der Hagen's einen empfindlichen Stoß, der ihre Angelegenheiten in eine gefährliche Lage versetzte. Sobald van der Hagen nämlich seine Streitigkeiten mit den englischen Factorcn in Banda beendigt hatte, faßte er den Entschluß, eine Expedition gegen Malacca zu unternehmen, das noch der einzige feste Punkt war, den die Portugiesen auf dieser Seite besaßen. Er rüstete deßhalb eine Flotte aus, die seine ganze, in den Molukken anwesende Schiffsmacht und fast alle seine Truppen enthielt, anvertrauete das Commando dem Cornelius Mate lief, und gab ihm den Befehl Zur Eroberung Ma- 202 lacca's. Die Portugiesen waren aber davon unterrichtet und hatten so gute Vorbereitungen zu einem kräftigen Widerstände gemacht, daß nach einer hartnäckigen Belagerung von fünf Wochen, während welcher auf beiden Seiten mit gleicher Tapferkeit gefochten wurde, die Holländer gezwungen waren, mit einem Verluste des dritten Theils ihrer Truppen, die Belagerung aufzugeben und sich zurückzuziehen. Das Mißlingen dieser Unternehmung war jedoch das kleinste Uebel dieses schlecht angelegten Planes. Van der Hagen, obgleich mit Feuereifer für die Erweiterung seines Vaterlandes erfüllt, vernachlässigte jedoch nicht, alle zu diesem Zwecke entworfenen Pläne den Verhältnissen so anzupassen, daß sie zugleich der Vermehrung seines eigenen Reichthums und der Befriedigung seines Ehrgeizes entsprachen. Als er seinen Plan für die Eroberung von Malacca entwarf, machten die bezeichneten selbstsüchtigen Motive ihn jede Vorsichtsmaßregel vergessen, er bedachte nicht, daß er, indem er seine ganzeMacht gegen Malacca richtete, dadurch die Spanier aufManilla einlud, seine kürzlich eroberten Besitzungen in den Gcwürzinseln wieder zu nehmen. Der in den Philippinen stationirte spanische Admiral bekam durch abgesandte kleine Schiffe frühzeitig Nachricht von der Expedition nach Malacca und dem wehrlosen Zustande der holländischen Coloniecn auf den Gewürzinseln, sandte deßhalb schnell eine beträchtliche Abtheilung seiner Flotte unter dem Befehle des Don Pedro d'Acuna nach Amboina, die schon nach drei Tagen Van der Hagen nöthigte, sich zu ergeben; dann steuerte die spanische Flotte nach den übrigen Besitzungen der Holländer in dcn Mo-lukken, die alle in kurzer Zeit ohne großen Widerstand eingenommen wurden. In den Kriegen, welche in dieser Periode zwischen den europäischen Mächten im östlichen Archipel Statt fanden, nahmen die malayischcn Fürsten gewöhnlich die Partei des Stärkeren; auch bei dieser Gelegenheit ließen sie sich das Glück der Spanier ohne 203 Widerrede gefallen, aber der spanische Admiral, mehr geneigt zu plündern, als zu erobern und die Früchte seiner glücklichen Unternehmungen dein Vatcrlandc zu erhalten, bekümmerte sich nicht im Geringsten um die günstigen Gesinnungen, die ihm die Malayen erwiesen, vernachlässigte sogar die einfachsten Mittel, um die Ehre seiner Flaggen in den Festungen, wo er sie aufgepflanzt hatte, zu erhalten, sondern ließ in jedem Fort nur etwa 50 Mann unter den Befehlen von Seeofficicrcn zurück, die, obgleich in ihrem Fache wohl erfahren, doch ganzlich unfähig waren, die ihnen anvertrauten Posten gehörig zu behaupten. Don d'Acuna segelte, nachdem er zwei Schiffe mit van der Hagen und den übrigen holländischen Gefangenen nach Manilla gesandt hatte, mit seiner Flotte nach der Küste von Java, um ein holländisches Geschwader aufzusuchen, von dessen Anwesenheit er Nachricht erhalten hatte. In weniger als einer Woche nach seiner Abreise von den Mo-lukken kam Cornelius Matclief von seiner unglücklichen Unternehmung nach Amboina zurück; unbekannt mit den Begebenheiten, die während seiner Abwesenheit hier Statt gefunden hatten, tröstete er sich mit dem Gedanken, nunmehr wieder an sicherer Küste Anker zu werfen, wurde aber im höchsten Grade überrascht, als er die spanische Flagge auf der Festung wehen sah und sofort mit einer Salve aus grobem Geschütz empfangen wurde. Nach der ersten Bestürzung folgte bei den Holländern die heftigste Begierde nach Genugthuung und Rache; der Sieg ihrer tödtlich gehaßten Feinde erbitterte sie so sehr, daß sie im Gefühle, von einem Orte ausgeschlossen zu sein, den sie als ihreHcimath betrachtet und mit der Gewißheit, hier nach den ausgestandenen Strapazen Erfrischung und Erholung zu finden, sofort den Befehlshaber der Schiffe anflehten, sie an das Land zu setzen und, so groß auch die Zahl der Garnison sein möge, zu stürmen oder zu fallen. Obgleich Matclief dieses Unternehmen für sehr gefahrvoll anfah, so gab er doch dem Ungestüm seiner tzeute nach, bemannte die Boote und landete an 204 der Spitze von 30l) Mann seiner besten Truppen. Die Spanier, ebenso sehr durch die Kühnheit, wie die Anzahl ihrer Feinde erschreckt, geuethen in Nathlosigkeit und überlegten noch, ob sie dem Sturme widerstehen oder caftituliren sollten, während unterdessen schon die Holländer gegen die Mauern vorrückten und, mit Sturmleitern verschen, so geschwind dieselben erkletterten, daß sie, noch ehe die Besatzung einen Entschluß gefaßt hatte, dieselbe niedermachten und die spanische Flagge herabrissm. Die Malaym be-willkommten nach ihrer gewöhnlichen Politik die Sieger mit verschwenderischen Glückwünschen. Aufgemuntert durch diesen glücklichen Erfolg beschloß Matelicf, nachdem er die Kunde erhielt, baß auch die übrigen holländischen Besitzungen von der spanischen Flotte weggenommen seien, sich ihrer ohne Zeitverlust wieder zu bemächtigen. Nachdem er die Vertheidigung der Festung zu Amboina tapferen Leuten überlassen hatte, begab er sich mit seiner Flotte nach den anderen Inseln und gewann binnen zwei Monaten alle FortS wieder, die Don d'Acuna erobert hatte. Während Hollander und Spanier auf diese Weist in Indien mit einander Krieg führten, hatten die Gcneralstaatcn und der Hof von Madrid Unterhandlungen eröffnet, um Frieden zu schließen, den beide Nationen gleich stark wünschten. Die ostindische Compagnie, um dcr Welt eine hohe Meinung von ihrem Patriotismus zu erwecken und die Gcncralstaatcn zu bewegen, bei den Friedensunterhandlungen das Interesse der Compagnie nicht zu versäumen, rüstete eine wohlbewassnete Flotte von 43 großen Schissen aus, welche sie segelfertig hielt, zugleich aber übergab sie der Regierung ein Memorial, das die großen Vortheile ihres Handels für daS ganze Land und die Personen beiderlei Geschlechts darstellte, die Summen berechnete, die derselbe in das Land zöge und die Wahrscheinlichkeit schilderte, daß sie bei gehöriger Unterstützung und Aufmunterung im Stande wären, die Vortheile für das Land zu erweitern. Die Generalstaaten vertraten bann auch das Interesse 205 der Compagnie mit Eifer, was aber den Absichten des spanischen Hofs so widersprach, daß alle Geschicklichkcit diplomatischer Kunst nicht im Stande war, die Schwierigkeiten in Erörterung der indischen Angelegenheiten zu heben, und da man einsah, daß kein wahrer Friede geschlossen werden könne, ehe man sich über Indien nicht vereinbart habe, so kam man einstweilen zu einem Waffenstillstände, wonach Spanien den Handel der Holländer in Indien mit unabhängigen Nationen nicht beeinträchtigen, den Holländern aber verboten sein solle, die portugiesischen oder spanischen Seehäfen in jenen Ländern zu besuchen. Die Compagnie hatte unterdessen mehrere Geschwader zur Verstärkung nach Indien geschickt, wodurch Matelief in den Stand gesetzt wurde, den Portugiesen kleine, aber kostbare Besitzungen auf der Insel Celebes zu entreißen, ehe noch die Nachricht vom geschlossenen Waffenstillstände alllangte. Dieser wurde indessen in Ostindien nicht lange beobachtet, zumal beide Theile sich ihm mit Widerwillen fügten und die Holländer genug Versuchungen hatten, ihn zu brechen; sie hatten augenblicklich fünfzig Schiffe von 6—800 Tonnen Last in den indischen Meeren und im Besitze so mächtiger Mittel, um Ansehen und Reichthum zu erlangen, und angespornt von einem unersättlichen Triebe nach neuen Unternehmungen, konnten sie dm Vortheilen nicht entsagen, die ihnen winkten, aber niemals durch friedliche Maßregeln erlangt werden konnten. Die Befehlshaber der verschiedenen holländischen Flotten erklärten daher öffentlich, daß die Generalstaaten das Interesse ihrer Unterthanen in Ostindien, in dem mit Spanien geschlossenen Vertrage, gänzlich unberücksichtigt gelassen hätten, daß, so vortheilhaft der Waffenstillstand in Europa sein möge, er dennoch für die indischen Niederlassungen sehr schädlich sei, sie daher entschlossen wären, den Krieg wieder anzufangen. Die verlockenden Nachrichten, welche Iorris Spilbcrgen 206 über die Insel Ceylon mit nach Amboina gebracht hatte, waren wohl im Stande, die Lust der Holländer anzuregen. Jener Offi-cier war nämlich von der Compagnie an den König von Candy gesandt worden, um dessen Gesinnungen gegen die Portugiesen zu erforschen und seine Absicht gegen die öfteren Einfälle derselben in sein Gebiet auszuhorchen. Der schmeichelhafte Empfang, der Spilbergen zu Theil wurde und die Kunde, die er dort erhielt, eröffneten den Holländern so lockende Aussichten, daß man beschloß, Spielbcrgen von Amboina nach Holland zu senden, um dort zu berichten, während man sogleich ein Geschwader nach Vattacola, einem Seehafen auf der Ostküste von Ceylon, schickte, von wo man am Günstigsten einen Verkehr mit Candy anknüpfen konnte. Das Commando dieser Flotte wurde dem Scbald dc Wcert anvertrauet, der im März 4605 von Amboina absegelte, sich durch die Meerenge von Malacca nach Achccn begab, hier von den Factorcn einen frischen Vorrath an Munition und von dem Könige von Acheen eine Verstärkung von 200 malayischen Soldaten empfing, und damit seine Reise nach der Bucht von Vattacola fortsetzte, wo er Mitte Juni einlief. Die Eroberungen der Portugiesen in Ceylon und der Umfang ihrer dortigen Besitzungen ist schon in einem vorhergehenden Kapitel geschildert worden. Ein tiefer Friede hatte zwischen den Portugiesen und dem Könige von Candy viele Jahre vor der Ankunft des holländischen Gesandten Sftilbcrgen bestanden; eine Nuhe, welche jedoch nicht auf gegenseitiges Vertrauen gegründet war. Die Portugiesen enthielten sich nur der Kriegführung gegen Candy wegen der außerordentlichen Gefahr, die mit dem Eindringen in die großen und fast undurchdringlichen Wälder verbunden war; nur die Furcht vor Schwierigkeiten hielt ihre überlegene Kriegskunst und Waffen, stärke zurück. Deßhalb war dein Könige von Candy die ihm angebotene Allianz der Holländer sehr willkommen, da er genug 207 politischen Scharfblick besaß, seine Lage zu den Portugiesen richtig zu würdigen. Der Fürst von Candy war im Jahre 1600 seinem Oheime auf dem Throne gefolgt und zwar unter dem Titel: Rajah Larmu Suree. Ecin Gebiet enthielt den ganzen inneren Theil von Ceylon, nebst dem Theile der östlichen Küste, der sich von Battacola nach Magame erstreckt. An Fruchtbarkeit und Bevölkerung übertrafen diese Bezirke bei Weitem den übrigen Theil der Insel, es waren die inneren Hülfsmittel des Königreichs Candy verhältnißmäßig groß; das Volk, obgleich nicht kriegerisch, war jedoch unerschrocken und beherzt. Die Gewalt dieses Monarchen war, wie die aller asiatischen Fürsten, unumschränkt; der ganze Boden seines Gebietes war nach altem Herkommen sein ungethcil-tes Eigenthum und seine Einkünfte, die beinahe gänzlich aus den Bodencrzcugnisscn entsprangen, bestanden aus einem Theile der Erbproducte, die er nach Willkür den Landbcbaucm abforderte; er hatte eine Armee von 30,000 Mann, die ihn sämmtlich mit Ehrfurcht betrachteten und seinen Befehlen mit Schnelligkeit und Vergnügen gehorchten. Durch diese Hülfsmittel, verbunden mit den unzugänglichen Wäldern, die sein Reich wie eine Schutzmaucr umgaben, waren seine Vorfahren und er selbst im Stande gewesen, die Cinfälle der Portugiesen zurückzuschlagen, die ohnehin den Einwohnern tief verhaßt waren, sowohl weil sie ihr Vaterland überfallen und thcilwcisc unterjocht hatten, namentlich aber, weil sie ihre Kriegsgefangenen mit roher Grausamkeit behandelten und dabei vorgaben, die Verbreitung der christlichen Religion sei der einzige Gegenstand ihres Krieges. Die Candycr sind Verehrer Budha's, dessen Lehren wahrscheinlich zu Anfang unserer Zeitrechnung bei ihnen verbreitet wur-bm, wo sie überhaupt in ganz Indien viel Einfluß erlangt und sowohl in vielen Gegenden des Festlandes wie auf der Insel Ceylon das brahminische System verdrängt hatte. Daß die Städte 208 und Dörfer in Ceylon nach Hindugottheiten genannt sind, sowie daß man noch zahlreiche Uebcrreste brahminischer Tempel auf der Insel findet, beweiset bestimmt, daß die Religion des Brahma ehemals in Ceylon die herrschende gewesen ist. Obgleich weniger strenge als die Hindu's, haben sie doch immer ihre Religions-grundsätze mit dem nämlichen Grade von Begeisterung vertheidigt, und da diese Lehren, gleich derjenigen, welche sie abgeschworen haben, mit allen ihren bürgerlichen Verordnungen und häuslichen Einrichtungen verwebt waren, so konnten weder Überredungskünste noch Waffen der Portugiesen sie davon abwendig machen. Das war die Lage des Königs von Candy und der Portugiesen um diese Zeit. Die Ankunft der holländischen Flotte unter Sebald be Weert machte deßhalb dem Ersteren ebenso viel Freude, als sie die Letzteren beunruhigte. Der König schickte eine Gesandtschaft nach Battacola, um den holländischen Befehlshaber an den Hof einzuladen, der sich auch sogleich dahin begab, und mit besonderer Auszeichnung bewillkommnet wurde. Der erste Gegenstand von de Weert's Wünschen war, festen Fuß auf der Insel zu fassen und zu diesem Zwecke die Erlaubniß zu erhalten, in Battacola ein kleines Fort zu erbauen, unter dem Vorwandc, die Portugiesen zu verhindern, diesen wichtigen Hafen in Besitz zu nehmen und zugleich für sich selbst einen sicheren Verkehr mit Candy möglich .zu machen. Da er aber bei seiner ersten Zusammenkunft mit dem Könige fand, daß er, unter den äußerlichen Formen der Höflichkeit und Achtung, einen hohen Grad von Eifersucht gegen alles Fremde versteckte, so beschloß er klüglich, seine Wünsche zu verschieben, bis er sich durch einen, über die Portugiesen errungenen Vortheil das Zutrauen des Königs erworben haben würde. Nachdem er sich mit dem Könige über die Maßregeln besprochen hatte, die er gegen den gemeinschaftlichen Feind nehmen wolle, kehrte er, von zwei hohen candyschm Ofsicieren begleitet, nach seinen Schiffen zurück; jene Officierc waren ernannt, 209 ihn auch in seinen Unternehmungen gegen die Portugiesen zu begleiten. Nachdem de Weert seine Flotte mit frischem Proviant versehen hatte, ging er unter Segel mit dem Vorsatze, die portugiesische Niederlassung von Negombo anzugreifen. Als er sich diesem Orte näherte, begegnete ihm ein feindliches Geschwader, von dem er nach einem blutigen Gefechte einen großen Theil gefangen nahm, und da er fand, daß seine Beute von beträchtlichem Werthe war, so beschloß er, um sie in Sicherheit zu bringen, nach Battacola zurückzukehren und seine Unternehmung für den Augenblick aufzugeben. Als die Nachricht von diesem Gefechte nach Candy kam, überzeugte sich der Najah von der großen Ueberlcgcnheit der Holländer, war aber sehr unzufrieden mit dc Wcert, daß er die Expedition gegen Negombo in einem so günstigen Augenblicke aufgegeben habe, da er sie als den Gegenstand höchster Wichtigkeit betrachtete. Die angstliche Sorge des holländischen Befehlshabers, seine geraubte Beute in Sicherheit zu bringen, zeigte dem Rajah, daß der Geiz dessen vorherrschende Leidenschaft sei und der verständige Fürst schloß mit Nccht, daß, wenn diese niedere Habsucht vorherrsche, dieselbe alle edleren Beweggründe verdränge und die Gefühle der Freundschaft und Treue ersticke. Es erschien ihm daher unpolitisch und gefährlich, mit einem Manne verbündet zu bleiben, der ihre beiderseitigen Entwürfe nur insofern ausführen wollte, als sie für sein Privatinteressc günstig ausfielen und dessen Interesse von dem seinigen abgesondert war. Der Bericht, den die beiden Officicre, welche der Rajah zu dc Weert's Begleitung mitgegeben hatte, abstatteten, wie der holländische Commandeur die gefangenen Portugiesen behandelt habe :c., bestärkte den Rajah noch mehr in seiner Meinung, die er über die Holländer gefaßt hatte. Beide Officicre meldeten ihrem Fürsten nämlich, daß der größte Theil der Gefangenen frei gegeben, der zurückgehaltene Theil aber mehr als Freund wie als Feind behandelt worden sei, und viele Van Mölei», Ostindien, I, l 4 210 der gefangenen portugiesischen Officiere mit dem holländischen Admiral an seiner Tafel speiseten. ^ Von dieser Art Höflichkeit zwischen Feinden konnten sich die Candycr keinen Begriff machen, obgleich sie, ihrer Religion nach, vor grausamer Behandlung der Kriegsgefangenen selbst zurückgeschreckt sein würden; ihre Begriffe von Menschlichkeit bestanden darin, daß man die Gefangenen in ewiger Gefangenschaft behalten müsse, ohne sie zu mißhandeln. Sie schloffen deßhalb aus de Weert's Art der Gcfangenenbchand-lung, daß Holländer und Portugiesen heimliche Freunde seien und nur Feindschaft mit einander vorgäben, um sich die Eroberung von Ceylon gegenseitig zu erleichtern. Dc Weert, im Siegesräusche und gänzlich unbewußt, daß er seinen Alliirten Ursache zum Mißvergnügen und Verdachte gegeben habe, war kaum in Battacola gelandet, als er schon nach Candy eilte, um seine Glückwünsche zu empfangen und neue Verabredungen zu treffen, wurde aber nicht sowohl durch den kalten Empfang als durch den Najah selbst überrascht, der ihn des Treubruches anklagte, da er die portugiesischen Gefangenen freigelassen und mit Geringschätzung die verabredete, so günstig gelegene Sache, wohl gar die gemeinschaftliche Allianz verlassen habe und zwar wegen der untergeordneten Sorge um sichere Bergung erbeuteter Reichthümer. Vergeblich suchte de Weert ihm begreiflich zu machen, -daß er nach europäischen Kriegsgesetzcn verbunden sei, Gefangene auf diese Weise zu behandeln; der Rajah antwortete ihm, daß, da die Portugiesen in ihren Kriegen mit Candy sich nicht nur von diesen Gesetzen, sondern auch von allen Rechten der Menschlichkeit losgesagt hätten, er glaube, daß auch kein treuer Verbündeter von ihm sich an die europäischen Gesetze zu binden brauche. — Da de Weert's Vertheidigung wegen Verschiebung der Erpedition gegen Negombo noch weniger Gehör fand, da der Rajah noch nie im Leben ein Schiff gesehen hatte und sich keine Vorstellung von der nothwendigen Rückkehr in den Hafen nach den Verlusten bei 211 einem unerwarteten Gefechte machen konnte, so »nachte de Weert viele fruchtlose Versuche, ihn von der Redlichkeit seiner Absichten und seiner Treue zu überzeugen, fand es auch nicht für angemessen, noch länger in Candy zu bleiben und kehrte nach seiner Flotte zurück, nachdem er die Erlaubniß erlangt hatte, so viel Zimmt zu kaufen, als nöthig sei, zwei seiner Schisse zu beladen, aber unter der ausdrücklichen Bedingung, die portugiesische Niederlassung von Punto di Gallo zu erobern, die auf der südlichen Küste der Insel liegt. De Weert betrieb aber diese Angelegenheit mit so viel Geschick-lichkeit, daß er sich zuerst den Zimmt verschaffte und dann die Erfüllung der eingegangenen Verbindlichkeit unter verschiedenen Vor-wändcn hinausschob, in der Hoffnung, dcn Najah endlich noch zur Erneuerung des Bündnisses zu bewegen. In dieser Absicht wagte er sich noch einmal an den Hof von Candy, wo seine unerwartete Erscheinung die größte Ucberraschung verursachte; es erschien den Hofleutcn von Candy unbegreiflich, wie ein Mann die Kühnheit und Unverschämtheit haben könne, nachdem er ihren Monarchen hintcrgangcn, sich noch vor ihnen blicken zu lassen. Als de Wccrt vor dem Raiah erschien, bekannte er ihm aufrichtig die Beweggründe, die ihn bewogen hätten, die versprochene Unternehmung gegen Punto di Gallo aufzuschieben und sagte zugleich, daß nach einer neuen reiflichen Ucberlegung des Contracts, vermöge dessen er den Zimmt bekommen, er nicht einwilligen könne, denselben zu erfüllen, wenn nicht vorher ihre ehemalige Freundschaft erneuert würde. Wüthend über dies unverschämte Gcstandmß verließ der Rajah anf der Stelle den Audienzsaal, ertheilte seinem Gefolge den Befehl, dc Wccrt gefangen zu nehmen und in einen Kerker zu werfen. Dieser Behandlung wollte sich der Admiral nicht unterwerfen, er zog den Degen und vertheidigte sich lange, bis cr endlich, der Menge unterliegend, einen Säbelhieb erhielt, der seinem Leben cm Ende machte. Die Bestürzung und Unruhe, welches dieses Ereigniß hervorrief, 14' 212 verbreitete bald die Nachricht von de Weert's Schicksale außerhalb der Mauern des Palastes, wo die Officiere seines Gefolges, sobald sie es erfuhren, auf die Straßen stürmten, mit dem festen Entschlüsse, den Tob ihres Befehlshabers zu rächen oder selbst zu fallen. Obgleich nur Zehn an Zahl hieben sie sich einen Weg durch die Volksmenge, welche die Straßen füllte und stürzten sich im Wahnsinn des Schmerzes und der Wuth in den Palast, zum größten Erstaunen des Volks, das, durch ein so gewagtes Unternehmen betäubt, keinen Versuch machte, sich zu widersetzen. Sie wollten den Rajah den nämlichen Tod sterben lassen, den ihr Admiral durch ihn erlitten hatte; sobald sie aber in die inneren Zimmer gedrungen waren, wurden sie von allen Seiten umringt, ein verzwciflungsvolles Gefecht erhob sich, worin alle zehn taftfern Manner als Opfer ihres zwar edlen, aber irrcgleitetcn Eifers fielen. Einige Wochen verflossen, ehe die Offuierc Nachricht auf der Flotte von dein Unglücke de Wccrt's und seiner Begleiter erhielten. Der Raiah, die Macht derHolländer begreifend und ihre Rache fürchtend, hatte in seinem ganzen Gebiete den strengsten Befehl ertheilt, die ganze Begebenheit geheim zu halten; er befahl allen Unterthanen, besonders denen in Battacola, die größte Höflichkeit und Aufmerksamkeit gegen die Holländer zu beweisen. Zu gleicher Zeit sandte er einen Abgeordneten an den portugiesischen Gouverneur von Columbo, mit Vorschlägen, das gute Einvernehmen, das durch die arglistigen Bemühungen der Holländer unterbrochen sei, wieder herzustellen, und dieser Kunstgriff gelang ganz nach seinen Wünschen. De Wccrt's Schicksal blieb unbekannt, der Gouverneur von Columbo ging bereitwillig auf Erneuerung eines Tractats ein, dessen Beobachtung seinem gegenwärtigen Interesse angemessen war. Als der »tajah seinen Zweck erfüllt sah, schickte er eine Armee von 10,000 Mann nach Vattacola. In der Nahe dieses Ortes angekommen, ließ der General dieser Truppen den Holländern 213 melden: „daß ihr Admiral dcn Rajah so schmachvoll behandelt habe, daß letzterer ihm, ohne scinc Würde zu vergeben, dieses Betragen nicht habe verzeihen können, sondern befohlen hätte, ihn gefangen zu nehmen und er bei Widcrsetzung als Opfer seiner eigenen Tollkühnheit gefallen sei, daß der Najah nach solchen Umständen der holländischen Flotte sogleich befehlen lasse, sein Land zu verlassen, da er entschlossen sei, keinen Verkehr nut Leuten zu unterhalten, die, wie es ihm scheine, weder diejenige Treue noch Redlichkeit besäßen, welche zu allen Bündnissen wesentlich nothwendig sei, und daß sie noch mit der Achtung unbekannt wären, welche man dem Monarchen einer unabhängigen Nation schuldig sei." Die holländischen Officicre und Matrosen, welche ihren Admiral sehr liebten und bereits durch den Mangel aller Nachrichten von ihm besorgt gemacht waren, gcricthen durch diese Nachricht in die tiefste Betrübniß; aber das schnell aufsteigende Gefühl der Nachc trieb sie zu dem Wunsche, sogleich mit ganzer Macht zu landen, gegen die Candycr zu marschirm und mit deren Blute dcn Admiral zu sühnen. Obgleich die Leidenschaft sie zu diesem Vorhaben antrieb und kein politischer noch klüglich« Beweggrund sie davon zurückhalten konnte, so befand sich dennoch kein Anführer unter ihnen, der die Leitung eines solchen Wagnisses hätte übernehmen wollen. Es fehlte der Flotte nicht an tapferm und erfahrenen Offtciercn, aber so groß war die Verwirrung, welche de Wcert'S Verlust unter ihnen erregt hatte, daß sie, bei der Meinung von seiner Uebcrlcgcnhcit an Talent und Geschick, vom Bewußtsein ihrer untergeordneten Talente ergriffen, Keinen unter sich hatten, der sich zum Oberbefehle erbot. In diesem Zustande der Unmtschlossenhcit und Verlegenheit brachte ihnen ein arabisches Schiff die Nachricht, daß der Gouverneur von Columbo mit dem Rajah von Candy ein Bündniß abgeschlossen habe und eine portugiesische Flotte von zehn Schiffen unterwegs sei, um sie cmzu- 314 greifen. Die Frage der nächsten Zukunft war nun entschieden; da sie zwei ihrer Schisse, mit Zimmt beladen, nach Holland gesandt hatten, so blieben ihnen nur noch fünf Schiffe, weßhalb sie es für rathsam hielten, dem Begegnen der portugiesischen Flotte auszuweichen, wenn es mit Ehren geschehen könne. Man lichtete die Anker und kam unangefochten nach Amboma zurück. Dies Geschwader langte dort zu einer sehr gelegenen Zeit an, denn die Niederlassungen in den Moluklen warm wieder ganz ohne Schutz gelassen worden, da Man die Schiffe zu verschiedenen kleinen Erftebitionm nach Java im Laufe des Jahres 4608 verwendet hatte. Man fürchtete daher täglich einen Angriff von Don Juan be Sylva, Gouverneur von Manilla, der mit einer mächtigen Flotte an der Küste von Borneo kreuzte, in der Absicht, ein aus Japan zurückkehrendes holländisches Geschwader aufzufangen. In dieser kritischen Lage erschien es den Officicren und Beamten in Amboina rathsam, ein Geschwader in Mes Meer zu senden, um die Bewegungen der Spanier zu beobachten und wo möglich mit der japanischen Flotte sich zu vereinigen. Diesem Beschlusse gemäß segelte Admiral Wittert mit sechs Schiffen, von 20 Kanonen jedes, nebst 200 Soldaten an Bord, nach der Westküste von Borneo; der Officier, der die japanische Flotte befehligte, ahnend, daß die Spanier ihn wahrscheinlich auffangen würben, wenn er den gewöhnlichen Weg zwischen Borneo und Banka segelte, nahm aber seinen Lauf längs den Küsten von Tonquin und Cochinchina und durch die Meerenge von Malacca nach Achccn. Diesen Umstand nicht voraussehend, begab sich Admiral Wittert nach seinem Bestimmungsorte, wo er in der Nacht nach seiner Ankunft der spanischen Flotte begegnete. Die große Ucbcrlegcnhcit der Spanier und der gleich im Anfange eintretende Tod Wittert's entschied das Schicksal der Holländer bald, im Laufe einer Stunde wurden drei ihrer Schiffe genommen, einS 215 versenkt, die übrigen zwei retteten sich mit großer Noth durch die Flucht. Als Don Juan de Sylva von den Gefangenen erfahren hatte, daß dieses Geschwader in den Molukkcn ausgerüstet sei, schloß er sehr richtig, daß die dortigen Besitzungen sich in einem schwachen Vcrtheidigungszustandc befinden müßten und nahm sich vor, sie sofort anzugreifen. Im Anfange des Juli 1609 erschien er vor Amboina mit seiner ganzen Flotte und forderte den holländischen Gouverneur auf, sich zu ergeben. Dessen Antwort war Helden-müthig: „Meldet dem spanischen Admiral" — lautete sie — „es sei seine Pflicht zu überwinden, aber die meinige, zu vertheidigen, und baß eine feige Nebcrgabe für Beide nur unrühmlich sein würde!" — Sylva, selbst einen großmüthigen Charakter besitzend, ehrte diese Antwort, und als er Befehl zum Angriff ertheilte, wurde sein Mitgefühl mächtig für einen Feind erregt, dessen Tapferkeit ihn eines höheren Vcfchlshaberpostcns für würdig gemacht hätte. Die Spanier landeten unter einem heftigen Kanoncnfeuer der Festung, das ihnen große Verluste zufügte, sie jedoch nicht verhinderte, sich einer Anhöhe zu bemächtigen, die ungefähr eine Meile (mgl.) von der Küste entfernt und außer dem Bereiche der Batterien lag. Sylva sehte sich hier mit 500 Mann fest, bis das Feuer seiner Flotte die Kanonen der Festung zum Schweigen brachte und eine Bresche in den unvollkommen gebaueten Werken entstanden war. Zweihundert unerschrockene Männer, mit ihrem Gouverneur an der Spitze, traten den Spaniern an der Bresche entgegen; ein blutiges Gefecht, das auf beiden Seiten mit tapferer Beharrlichkeit geführt wurde, entspann sich; endlich aber siel der holländische Gouverneur, und seine Gefährten, bis auf 50 verringert, stürzten mit neuer Kraft, jedes Anerbieten von Gnade verachtend, auf die Angreifenden. Sylva bedauerte die Nothwendigkeit, diese braven Männer aufopfern zu müssen; vergebens hatte er versucht, sie zu entwaffnen, um sie retten zu können, ver- 216 gebens hatte er ihncn Pardon auf Bedingungen, die sie selbst wählen möchten, angeboten, sie wcihctm sich dem Hclbcntodc und Sylvia hatte sich über ihre Vernichtung keine Sclbstvorwürfc der Grausamkeit zu inachen. Nachdem er von seiner theuer erkämpften Eroberung Besitz genommen und eine genügende Garnison hineingelegt hatte, versah er seine Flotte mit frischem Proviant und begab sich dann nach einigen anderen holländischen Niederlassungen in den Mo-lukkcn, die sich sogleich auf Gnade lind Ungnade unterwerfen mußten. Er fand nicht für gut, diese Platze in Besitz zu nehmen, da er zu diesem Zwecke keine Truppen mehr von seiner Flotte hergeben konnte, begnügte sich daher damit, alle beweglichen Güter, nebst den Factorcn, mit sich zu nehmen, und kehrte nach Manilla zurück. Es war dieses die wirksamste Expedition, welche die Spanier gegen die Holländer in den östlichen Meeren unternommen hatten. So groß war aber damals der schnelle Glückswechsel in diesen Gegenden, daß neun Monate später die sämmtlichen von Sylva genommenen Besitzungen den Holländern wieder angehörten. Die spanische Garnison von Amboina hatte sich, in einein Zustande gänzlicher Unthätigkcit und ohne einen bestimmten Gegenstand des Interesses, der größten Trägheit und Bequemlichkeit hingegeben — durch hinzukommende Krankheiten ihrer üppigen Lebensweise war schon nach sieben Monaten ihre Zahl bedeutend vermindert und mußte jedem feindlichen Angriffe eine leichte Beute erscheinen. — In diesem geschwächten Zustande verträumten sie die Zeit in Gleichgültigkeit, ohne an Gefahren zu denken und die freundschaftlichen Ancrbictungen der englischen Factorm zu würdigen, die auf der Insel wohnten und deren Einfluß auf die Malaycn ihnen hätte nützlich werden können. Nach der Ankunft des Admirals Pier Borth aus Holland mit 13 Schiffen, im Mai 1611, gericth die Garnison in die 317 größte Bestürzung und ergab sich ohne einen Schuß. Der holländische Admiral hatte eine große Truftpenverstärkung mitgebracht, nebst großem Vorrathc von Munition und Kriegsbedürfnissen, weßhalb die Niederlassungen in den Molukkm ohne Zeitverlust wieder hergestellt, neue Forts erbauet wurden und am Ende dieses Jahres die Holländer im völligen Wicdcrbcsitz des Verlorenen sich befanden. ^Dasselbe Jahr brachte noch andere Vortheile für die Holländers Eine glänzende Gesandtschaft wurde von der Compagnie im Namen des Prinzen von Oranicn und der Gcncralstaatcn an dcn Kubo oder Kaiser von Japan geschickt, von dem sie wichtige Han-dclsftrivilcgien erhielt und einen regelmäßigen Verkehr zwischen diesem Lande und den holländischen Niederlassungen auf den Gewürzinseln veranlaßte. Dieser glückliche Erfolg ist aber sowohl von dcn holländischen wie Portugiesischen Geschichtschreibern mehr der unbesonnenen Art, nut der die spanischen und portugiesischen Kaufleute, die in Japan wohnten, den Zweck dieser Gesandtschaft zu vereiteln suchten, als der Gcschicklichkcit der holländischen Gesandten zuzuschreiben. Die thatsächliche Wahrheit ist folgende: Die Japanesen, die unter allen Nationen Asiens sich durch ihren unabhängigen und stolzen Geist auszeichnen, wurden natürlich mit Unwillen erfüllt, daß einige fremde Kaufleute es wagten, ihrem Monarchen Rathschläge zu geben über einen so wichtigen Gegenstand, als ein Handclstractat nut einer fremden Nation, die ihnen nützlich zu werden schien, war; ihr Kaiser dachte ebenso und wies dcn spanischen Missionair mit Verachtung zurück, der hergesandt war, um ihn vor der Gefahr einer Verbindung mit den Holländern zu warnen. Dieser Zurückweisung folgte ein Edict, das dcn Spaniern und Portugiesen unter den schwersten Strafen drohcte, irgend einen Theil des japanischen Reiches zu betreten, mit Ausnahme der Stadt Nangasaki, wo man dcn Portugiesen gestattet hatte, eine Factorei zu errichten. Iu gleicher Zeit bewil- 218 ligte der Kaiser den Holländern eine kleine Insel ganz nahe bei der Stadt Firando, und erlaubte ihnen, solche Gebäude darauf zu errichten, die sie für nöthig fänden, um ihren Handel mit Vortheil und Leichtigkeit zu betreiben. — Die spanischen Kaufleute sandten ohne Zeitverlust ein Schiff nach Manilla mit der Nachricht von der außerordentlichen Gunst, welche der japanische Kaiser der holländischen Gesandtschaft erwiesen hatte, und von den Einschränkungen, welche in Folge dessen ihnen und den Portugiesen auferlegt waren. Sobald Sylva diese Kunde erhalten hatte, segelte er mit einer beträchtlichen Flotte nach Malacca, um dem Gouverneur dieses Platzes einen ausgedehnten Operationsplan gegen den Handel der Holländer mitzutheilen, aber die Portugiesen hatten zu wenig Vertrauen zu ihren Verbündeten und waren zu eifersüchtig auf ihre Absichten, um, obgleich ebenso sehr wie Sylva von dem Wunsche, dem holländischen Handel Abbruch zu thun, erfüllt, sich bewogen zu fühlen, an einem Unternehmen Theil zu nehmen, das Sylva befehligen würde. Der Gouverneur von Malacca lehnte daher unter verschiedenen, nichtssagenden Vor-wänden seine Mitwirkung ab. Gekränkt und verdrießlich über die Vereitelung seiner Plane, erklärte Sylva, daß er die Portugiesen nicht länger als die Verbündeten seiner Nation betrachten könne, daß er bis jetzt ihre Interessen ebenso warm vertheidigt habe, wie die seiner eigenen Co-lonie, er aber von nun an das von jeder ritterlichen Tugend entblößte Volk seinem Schicksale überlassen werde, das dasselbe verdiene. Er bereitete sich vor, Malacca zu verlassen, und als die Flotte scgelfertig war, bekam er ein Fieber, an dem er nach wenigen Tagen starb. Spanische Geschichtschreiber haben ihm große Lobsprüche ertheilt, sowohl wegen der Klugheit, womit er die inneren Angelegenheiten der Colonie von Manilla verwaltete, als wegen seiner Tapferkeit, Großmuth und seines Scharfsinnes, welche er in seinen kriegerischen Unternehmungen zeigte. 219 Der Tod des spanischen Admirals war das Vorspiel zu einem Unglücke, welches die Flotte betraf und wahrscheinlich durch Sylva's Talent verhindert worden wäre. Eine holländische Flotte von Ili Segeln erschien plötzlich vor dem Hafen von Malacca, am nämlichen Tage, als die Schiffe abfahren wollten, und ehe sie sich zum Gefechte ausbreiten konnten, wurden sie mit solchem Ungestüm angegriffen, daß sie sofort in Unordnung gcricthcn und keinen Widerstand leisten konnten. Mehrere spanische Schiffe kappten ihre Ankcrtaue und rannten auf den Grund, die übrigen wurden versenkt oder genommen. Dieser glänzende Sieg war die Folge eines Planes, den der holländische Admiral Pier Borth, der nunmehr zum General-statthaltcr aller holländischen Besitzungen in Indien ernannt worden war, erdacht hatte. Nachdem er erfahren, daß Sylva von Manilla abgesegelt war, um sich mit der portugiesischen Flotte zu vereinigen, sandte er den Commandeur VerHagen mit der oben erwähnten Seemacht nach Malacca, um diese Vereinigung zu verhindern, indem er den Spaniern den Weg versperren oder, wenn ihre Vereinigung schon geschehen sei, sich dem Absegeln der verbundenen Flotte widersetzen sollte. Sobald Vorth die Nachricht vom glücklichen Erfolge seines Planes erhalten hatte, beschloß er, hierdurch aufgemuntert, eine neue Unternehmung von noch größerer Wichtigkeit zu beginnen. Nach weiterer Ucbcrlegung der Umstände, welche de Wccrt's Schicksal auf Ceylon herbeigeführt hatten, war er der Ansicht, daß dieser Admiral mehr durch seine eigene Ucbcreilung und seinen Ungestüm, als durch absichtliche Feindseligkeit des Fürsten von Candy den Zweck der Expedition vereitelt und sich selbst geopfert habe. Er glaubte daher, wenn er einen kaltblütigen, verständigen Officicr von gewinnenden Sitten, als Stellvertreter des Prinzen von Oranicn, nach Candy absenden würbe, vielleicht doch noch ein Bündniß dieses Fürsten mit den Holländern möglich werde, 220 um sich den Besitz eines Hafens in Ceylon zu sichern, der sie allein in den Stand setzen konnte, Antheil an dem Zimmthandel zu nehmen und einen Handelsverkehr mit den Nationen Hindostans zu eröffnen, der ohne einen solchen benachbarten Hafen sehr gefährlich gewesen wäre, da die ganze noch übrige Macht der Portugiesen auf der westlichen Küste Hindostans zusammengezogen war und eine systematische und beständige Beunruhigung der holländischen Schiffe in dieser Gegend stattgefunden haben würde. Gs schien dem Gcncralgouverncm Borth wesentlich wichtig zu sein, dem dahin zu sendenden Officier das Commando einer Flotte zu geben, die machtig genug war, um nach Gelegenheit die Portugiesen angreifen zu können oder eine Niederlassung zu gründen, aber auch nicht zu mächtig erscheine, um die Canbycr nicht in den Argwohn einer hinterlistigen Absicht zu versetzen. Borth führte diesen Gedanken mit Geschick und Schnelligkeit aus, aber die Wahl eines Offieicrs, der dazu die nothwendigen Eigenschaften vereinigte und dessen Treue ihn: gewiß war, hatte feine Schwierigkeiten und verzögerte etwas die Ausführung. Endlich fiel seine Wahl auf Marccllus Boschkouveur, einen Officier, der bei verschiedenen Kricgsuntcrnehmungcn mit Auszeichnung gedient, den Nuhm vieler Heldenthaten getheilt und durch seine Mäßigung, Festigkeit und seinen scharfsichtigen Verstand die entsprechenden 'Empfehlungen für diese Unternehmung hatte. Am 1 Mai 1612 empfing Boschkouvcur seine Vcrhaltungs-bcfehlc und übernahm das Commando dcr zu dieser Expedition bestimmten Flotte, welche aus fünf Schiffen bestand, von denen jedes 25 Kanonen und 100 Soldaten nebst dcr gewöhnlichen Schiffsmannschaft führte. Er verließ Amboina am 4. Mai, pas-sirtc die Meerenge von Sunda und langte nach einer sechswöchigen Fahrt in Battacola an. Die Einwohner empfingen ihn bei seiner Ankunft mit Kälte und Mißtraum, verweigerten semer Flotte jede Art von Erfrischung und erklärten, daß ihr König ihnen streng 221 Verboten habe, irgend einen Verkehr mit den Holländern zu unterhalten. Der Verdruß, den diese Nachricht erregte, wurde aber durch die Nachricht gemindert, daß Rajah Lormu Suree todt sei, und sein Bruder, Rajah Ccnuvcrct Aavorsyn, nunmehr auf dem Throne sitze, ein Jüngling, dm seine Unterthanen wegen seiner Wohlthätigkeit und Milde sehr liebten. Boschkouvem bedachte schnell die Mittel, um zum Rajah zu gelangen; er schrieb einen Brief an ihn in den wärmsten und schmeichelhaftesten Ausdrücken, in welchem er ihm „„die Hochachtung und Ehrfurcht versicherte, die sowohl sein Gebieter, der Prinz von Oranicn, wie die ganze holländische Nation, deren Stellvertreter zu sein er die Ehre habe, für ihn fühlten und in deren Namen er Seine Hoheit wegen des äußerst unverständigen Benehmens de Wcert's um Verzeihung bitte"" — und er endete, indem er ihn bat: „„ihm zu erlauben, sich vor seinem Throne niederzuwerfen als einen Beweis der Aufrichtigkeit seiner Versicherungen und der Ernsthaftigkeit seiner demüthigen Bitte."" Der schlaue Briefsteller fand aber Schwierigkeit, dieses Schreiben nach Candy zu senden; der Vadanee oder Untergouvcrncur des Districts von Vattacola zeigte sich sehr abgeneigt, seinem Monarchen irgend eine Mittheilung von den Holländern zu übersenden, bis endlich Boschkouvem's Dolmetscher ihm den Inhalt bekannt gemacht hatte. — Dieser geschickte und gut versteckte Kunstgriff hatte den glücklichsten Erfolg. — Das warmfühlende, großmüthige, arglose und biedere Herz des jungen Fürsten glühetc vor Vergnügen, von einer unabhängigen Nation solche offene Ausdrücke der Achtung und Freundschaft zu empfangen, die den: Wunsche entsprangen, frühere Beleidigungen zu versöhnen. Von Boschkouveur's Aufrichtigkeit überzeugt, beschloß er ohne Anstand, sein Gesuch zu bewilligen; eine Gesandtschaft wurde nach Vattacola geschickt, um ihn nach dem Hofe einzuladen und zu begleiten. Als Boschkouvem dem 222 Rajah vorgestellt wurde, befestigte er durch seine milden, sanften Sitten den günstigen Eindruck, den sein Brief bewirkt hatte, und er wurde sowohl von dem Monarchen wie von den Hofleutcn mit einer Güte behandelt, die alle seine Hoffnungen übertraf. Er nahm sich jedoch vor, klüglich nur stufenweise seine Absichten zu eröffnen und allmalig zu erreichen, was er als Hauptgegmstand seines Kommens dem Rajah ablocken wollte. Ganz unerwartet wurden seine Absichten durch eine Gelegenheit begünstigt, die ihm sehr gelegen kam. ~ Eine Anzahl Portugiesen von Columbo hatten einen Einfall in das Candy'schc Gebiet gemacht, um sich Zimmt zu holen; sie wurden von den Candyern mit dem Verluste der Hälfte ihrer Leute in ihren Bezirk zurückgejagt. Der Gouverneur von Columbo nahm davon einen Vorwand zur Kriegserklärung, zu der er sich schon seit mehreren Monaten vorbereitet hatte und wozu er nur die erzwungene Gelegenheit abwartete. Unbekannt mit dem Umstände, daß eine hollandische Flotte in Battacola lag, und nicht argwöhnend, daß ein so bedeutender holländischer Officier, wie Boschkouvcur, sich in Candy befand und das Vertrauen des Rajah besaß, gründete er seine Hoffnung auf Erfolg theils auf die Unerfahrcnhcit und den unkriegerischen Charakter des jungen Fürsten, theils auf eine kühne Handlung, indem er nämlich einen Durchgang durch die Wälder von Nttegode hauen ließ und an der Spitze von Z000 Mann, aus Europäern und Negern von Mozambique bestehend, in das Königreich Candy einbrach und schon ziemlich weit vorgerückt war, ehe die Nachricht von seiner Annäherung die Hauptstadt erreichte. Diese unverhoffte üble Nachricht erfüllte die Einwohner mit der grenzenlosesten Bestürzung und Besorgniß; die Portugiesen, welche in früheren Kriegen öfter glücklich gewefen, aber noch nie durch diese Wälder gedrungen waren, welche die Candyer für jede menschliche Macht undurchdringlich hielten und als ihre natürlichen 223 Vormauern mit besonderer Ehrfurcht betrachteten, hatten die Kühnheit gehabt, bis in das Herz des Landes zu dringen und die Nußen-werke durchzuhauen, welche die Natur zur Vertheidigung geschaffen hatte — so gesellte sich der Aberglaube zu der Furcht und vergrößerte die Gefahr, indem man glaubte, die Götter hätten sich gegen sie verschworen und aller Widerstand sei unnütz. Diese Anschauungen hatten nicht nur das Volk, sondern auch Hofleute, Minister und Fürsten ergriffen und zaghaft gemacht. Mitten in diesen Scenen allgemeiner Noth und Verzweiflung sah Boschkouveur die endliche Erfüllung seiner Wünsche voraus. Der Dienst, den er nun Gelegenheit fand, dem Rajah zu leisten, mußte ihm ein gegründetes Recht auf dessen Dankbarkeit geben, die, von der bereits zwischen ihnen herrschenden Freundschaft unterstützt, die Erfüllung der kühnsten Wünsche hoffen ließ. Hierdurch angefeuert und über den Erfolg der Unternehmung nicht zweifelhaft, eilte Boschkouveur in das Palais, versicherte den Rajah seines Beistandes, ermähnte ihn lebhaft, sofort seine Truppen zu sammeln und nicht zu dulden, daß sein altes, ehrwürdiges Land von einer Räuberbande verheert und entweihet werde, bat um Erlaubniß, nach Battacola senden zu dürfen, um 300 seiner Leute nach Candy zu beordern und verbürgte sich, daß er unterdessen die Fortschritte des Feindes mit 6000 candyschcn Soldaten aufhalten wolle. Das großherzige Gemüth des Fürsten wurde durch diese begeisterte Aufforderung an seinen Stolz und Patriotismus entstammt, von Dank und Bewunderung erfüllt genehmigte er Boschkouvmr's Vorschläge, sammelte seine Minister und Generäle, um ihnen seinen Entschluß bekannt zu machen und ließ seine Truppen aufrufen. Das Beispiel des Fürsten giebt in asiatischen Staaten dem ganzen Volkskörper Leben und Bewegung, daher wurde auch der neue Geist, der den Rajah beseelte, durch alle Volksklassm mit Schnelligkeit verbreitet und erweckte einen so großen Eifer, daß in drei Tagen eine Armee von 3000 Mann 224 bereit war auszurücken. Auf Voschkouveur's Rath wurden dieselben in zwei Abtheilungen getheilt, eine, welche der Najah, die andere, welche Boschkouveur befehligte, jede von dreißig Elephanten begleitet. Die Portugiesen waren unterdessen bis auf 8 Stunden von Candy vorgerückt und im Begriffe, die Bergkette zu ersteigen, an deren Nucken die Stadt liegt; sie hatten bis jetzt keinen Widerstand gefunbcn, und in Folge der Kunde, welche sie von der Verwirrung erhalten hatten, hofften sie eine leichte Eroberung zu machen. Ihr Vorrücken bergan ging langsamer und die zu überwindenden Na-turhindcmissc wurden noch dadurch vermehrt, daß sie sechs Kanonen mit sich führten, die sie die Anhöhen hinaufschlcppcn mußten, so daß, noch ehe sie den Gipfel der ersten Bergkette erreicht hatten, Voschkouvcur mit seiner Abtheilung Candy'scher Truppen eine enge Schlucht in Besitz genommen hatte, die auf dem Abhänge der zweiten Bergkette lag und den die Feinde durchaus passircn mußten. In dieser vortheilhaften Lage beschloß er den Angriff derselben abzuwarten, wenn nicht seine eigenen Soldaten von der Flotte früher zu ihn» stoßen sollten. Aber schon vor deren Eintreffen forderte die Ankunft der Portugiesen zum Gefechte auf. Gr war nicht im Stande, die Ungeduld der Candycr für den Angriff zurückzuhalten; sie stürzten sich mit solcher Wuth auf die Feinde, daß, ungeachtet ihrer überlegenen Zahl und Kricgszucht, ihre Reihen durchbrochen wurden und das Gefecht auf beiden Seiten mit Hartnäckigkeit, Erbitterung und großem Verluste lange Icit fortgesetzt wurde. Am Ende sammelten sich die Portugiesen wieder, schlössen ihre verdünnten Reihen, und da sie unterdessen ihre Feldgeschütze heraufgeschleppt hatten, so eröffneten sie ein heftiges Kartätschcnfeucr, das die Candyer Anfangs zum Rückzüge zwang und endlich in die Flucht trieb. Nur einige hundert auserlesene Männer blieben bei Bosch-louveur am Eingänge des Passes stehen, den sie jedoch, nachdem 225 sie ihn lange tapfer vertheidigt hatten, eben verlassen wollten, als zur größten Bestürzung der Portugiesen in ihrem Rücken ein europäisches Tmppmcorps erschien. Voschkouvem erkannte sogleich seine eigenen Soldaten und zu neuem Muthe entstammt feuerte er seine Candycr an, den Platz länger zu vertheidigen, da ihnen der Sieg werden müsse. Das Gefecht wurde erneuert, die holländischen Truppen aber warfen sich mit Ungestüm auf den Feind, strebten, sich seiner Artillerie zu bemächtigen, die in Front vor den Candyern aufgepflanzt war, durchbrachen die portugiesischen Reihen und eroberten nach hartnäckigem Kampfe die Geschütze, welche sie nun gegen die Feinde richteten. In demselben Augenblicke traf der Rajah mit seiner Abtheilung ein; es erfolgte nun ein furchtbares Blutbad, das mit der gänzlichen Vertilgung der Portugiesen geendet haben würde, wenn Boschkouveur nicht den Rajah bewogen Hütte, ihre Unterwerfung anzunehmen, die sie, um das Leben flehend, anboten. Es waren nur noch 140 Portugiesen übrig, welche der Gnade theilhaftig werden konnten. Das Frohlocken der Canbyer über diesen Sieg wurde nur durch das Dankgcfühl gegen den Retter des Vaterlandes übertroffen, sowie durch die Bewunderung seines Hcldenmuthes und Scharfblicks. Während er längs den Reihen der Armee hinging, um sich zum Rajah zu begeben, der in einer kleinen Entfernung vom Schlachtfelde auf einem Elephanten saß, drängten sich die Candyer mit einer Art geheimnißvoller Ncugier um ihn herum, als ob er zu einer höheren Art Wesen gehöre, warfen sich vor ihm auf die Erde und bezeigten ihm die nämlichen Formalitäten der Ehrfurcht, wie ihrem Monarchen. Die Art, wie ihn dieser empfing, war dieser Achtung der Soldaten angemessen; er stieg, als er ihn kommen sah, von seinem Elephanten herab, ging ihm entgegen, umarmte ihn mit Herzlichkeit, lobte ihn mit asiatischer Uebertreibung, die aber seine wahren Gefühle ausdrückte, überhäufte ihn mit vielen kostbaren Geschenken und versicherte ihn und der VanMütcrn, Ostindien. I. ^ '^ 226 holländischen Nation seiner Freundschaft so warm, baß er sich der größten Verbindlichkeiten gegen sie und cmeS nationalen Bündnisses mit ihnen rühmte. Dies war ein zu günstiger Augenblick für Boschkouvcur's Pläne, als daß er ihn hätte in nutzlosen Com-plimcntm vorbeigehen lassen sollen. Er sagte dem Rajah, baß, um ihre Freundschaft zu befestigen und gegenseitig nützlich zu machen, er ihm vorschlage, gewisse Bedingungen aufzusetzen und niederzuschreiben, vermöge deren die Holländer sich verbindlich machen würden, den candyschcn Monarchen mit einem beträchtlichen Truppencorps zu unterstützen, um entweder den Krieg gegen die Portugiesen fortzusetzen, oder zu welchem Zwecke er dasselbe gebrauchen wolle, und daß er dafür die Erlaubniß ertheilen möge, in Vattacola oder einem anderen bequemen Hafen auf der Ostküste der Insel eine Festung erbauen zu dürfen, und die Holländer außerdem jährlich mit so viel Iimmt zu verschen, als sie im Tausche gegen Gold und Silber und hindostanische Manufacture« verlangen würden. — Auf diese Vorschläge ging der Najah sehr willig ein und ein in holländischer und candyscher Sprache geschriebener Allianz-Tractat wurde demgemäß vollzogen. Boschkouveur sanbte nun einen Boten an seine Flotte, um seinen Ofsicieren die angenehme Nachricht vom glücklichen Gelingen des Hauptzweckes seiner Erpedition mitzutheilen und dem stellvertretenden Befehlshaber der Flotte den Befehl zu geben, sogleich nach Columbo zu segeln, um bei Eroberung dieser Festung mitzuwirken. Nachdem er dem Rajah den Inhalt der an seine Flotte gerichteten Befehle mitgetheilt hatte, stellte er ihm die Nützlichkeit vor, die errungenen Vortheile weiter zu verfolgen und Columbo zu belagern, das, wenn auch durch die Stärke seiner Festungswerke vielleicht schwer überwindlich, doch jedenfalls eine Unterwerfung des kostbaren Districts zur Folge haben werde, in welchem die Festung liegt, und dann die Portugiesen gezwungen werden 227 könnten, sich solchen Fricdensbedingungen zu unterwerfen, die am Besten berechnet sein würden, die Monarchie von Candy gegen künftige Eingriffe zu sichern. Der Rajah nahm um so weniger Anstand einer Maßregel beizupflichten, die sein Interesse förderte und seine Unabhängigkeit befestigen mußte, als sie durch die nämlichen Talente ausgeführt werden sollte, die so eben den Ruhm seines Sieges veranlaßt und den Ruin seines Landes abgewehrt hatten; er befahl deßhalb, die Armee zu rüsten und gegen Columbo mar-schiren zu lassen. Durch die eifrigen Bemühungen Boschkouvem's befanden sie sich bereits nach wenigen Tagen im Stande auszurücken und ill einer Woche erreichten sie schon das portugiesische Gebiet, nahmen es ohne Widerstand, rückten dis auf eine Meile gegen Columbo und forderten die Garnison zur Ncbcrgabe auf. Die holländische Flotte war zwei Tage vorher angekommen und lag, ein Wenig außer dem Bereiche der Kanonen, an der nördlichen Seite der Festung vor Anker. — Die Nachricht von der ganzlichen Vernichtung der von Columbo ausgezogenen, portugiesischen Armee war der Ankunft der Sieger nur drei Tage vorausgegangen; der Schreck, den sie in der Garnison hervorbrachte, verbunden mit dem erlittenen, ungeheueren Verluste an Vertheidigungskräftcn, machte dieselbe muthlos und bewog sie, dem Könige von Candy Fricdcnsvorschläge zu machen, statt den zahlreichen Truppen, welche die Festung einschlössen, Widerstand zu leisten. Sie fühlten sich zu dieser vorsichtigen Politik noch mehr veranlaßt, da sie sich des umliegenden Districts beraubt sahen, welche der Niederlassung allein Werth gab und ohne den die Vertheidigung der Festung nicht der Mühe lohnte- Der Festungscommandant antwortete daher auf die Aufforderung der Ucbergabe, daß, obgleich er im Stande sei, den ihm anvertrauetm Platz lange Zeit gegen alle Angriffe der Belagerer zu vertheidigen, ihm jedoch mehr an dem Ruhme gelegen sei, einen dauerhaften Frieden mit dem Könige von Candy abzuschließen, als 15' Z28 sich durch die Fortsetzung, selbst des glücklichsten Krieges, den Beifall der nicht dabei interessirten Menge zu erwerben, daß er bereit sei, in jede Bedingung einzuwilligen, welche sich mit der Ehre und Würde seines Vaterlandes vertragen würde. Der Rajah nahm dieses Anerbieten auf Boschkouvem's Rath sogleich an und ein für die Canbyer höchst vorthcilhafter Friede wurde geschlossen. Da die Holländer und Portugiesen in anderen Theilen Indiens mit einander Krieg führten, so erklärte Boschkouveur, daß er ohne die Genehmigung des holländischen Gmcralgouvemeurs keinen Antheil an diesem Tractate nehmen könne, aber in einen Waffenstillstand auf zwei Jahre mit den portugiesischen Niederlassungen in Ceylon unter der Bedingung einwillige, daß sie ihm eine genügende Menge des besten Zimmts liefern sollten, um seine Schiffe damit zu befrachten. So endete dieser portugiesische Einfall in das Königreich Candy, der wegen der Muthlosigkeit der Bewohner das Land gewiß in portugiesische Hände gebracht habm würde, wenn nicht Boschkouvcur's kriegerische und diplomatische Talente dazwischen getreten wären. Durch das Zusammentreffen dieser Umstände erlangten also die Holländer eine Niederlassung in Ceylon, die wohl geeignet war, großen Nutzen zu bringen. Als die verschiedenen Bedingungen des Tractats ausgefertigt waren, beorderte Voschkouveur seine Flotte nach Battacola zurück, er aber begleitete den Rajah nach Ceylon, mußte während der Reise auf dem königlichen feierlich geschmückten Elephanten an der rechten Seite des Fürsten sitzen und hielt mit ihm einen großartigen Einzug in die Stadt, wo die Ehrenbezeugungen, welche Boschkouveur vom Volke empfing, noch die übertrafen, welche er früher von der Armee erhalten hatte, und die Hochachtung und Zuversicht des Königs war so groß, daß er ihm, um ihm einen Begriff von der Bedeutung der dein Reiche geleisteten Dienste zu geben, zwei kleine 229 Landbezirkc zum Eigenthum schenkte und ihm Titel und Würden eines Rajah verlieh. Obgleich auf alle diese Auszeichnungen stolz, vernachlässigte Boschkouveur doch seine Pflichten und die Interessen seines Vaterlandes nicht. — Nachdem er einige Wochen in Candy zugebracht und sein Landcigenthmn in Besitz genommen hatte, kehrte er nach Battacola zu seiner Flotte zurück und segelte längs der östlichen Küste der Insel hin, in der Absicht, die verschiedenen Buchten und Abschnitte des Meeres zu untersuchen, um die vorteilhafteste Lo-calität für eine Handelsniederlassung zu bestimmen. Da der geräumige Hafen von Tnmomalce schon von den Portugiesen besetzt war, so blieb ihm wenig Auswahl übrig, und nachdem er Battacola mit den übrigen Häfen dieser Küste verglichen hatte, wählte er die Bucht von Cotiarum als den bequemsten Ort. Er verlor nun keine Zeit, um Materialien für die Erbauung eines Forts zu sammeln, das er auch, mit der reichlichen Hülfe, welche ihm von Candy aus geleistet wurde, in 18 Monaten zu Stande brachte. Dann landete er von seiner Flotte alle Mannschaft aus, die er nur immer auf den Schiffen entbehren konnte, und bildete damit eine Garnison, stark genug, um die neue Festung gegen Allgriffe der Portugiesen zu schützen. Am i. März l6!5 wurde jede Anordnung und Einrichtung für die Verwaltung der neuen Niederlassung beendigt; Boschkouveur fertigte ein Schiff nach Amboina ab mit einem ausführlichen Berichte über die Verknüpfung glücklicher Begebenheiten, die den Erfolg seiner Erpcbition begleitet hatten; er sandte auch zwei mit Zimmt bclabene Schiffe nach Holland, um der Nation die nämlichen glücklichen Nachrichten mitzutheilen. Während Boschkouveur beschäftigt war, den Einfluß und Handel der Holländer in Ceylon zu befestigen, that der General-gouvcrncur Pier Vorth das Nämliche in anderen Gegenden Indiens mit gleichem Erfolge. Im Jahre l<5!3 sandte er eine 230 Grpedition gegen die portugiesische Niederlassung in Timor, die nach einer langen und hartnäckigen Vertheidigung gezwungen wurde sich zu ergeben, worauf ein Allianzvertrag mit dem Fürsten dieser Insel abgeschlossen wurde, vermittelst dessen die Hollander den Besitz eines beträchtlichen Bezirkes dieser Insel erlangten. Im folgenden Jahre schickten sie eine Gesandtschaft an den König von Siam, welche die Wirkung hatte, daß dieser Fürst ebenfalls einen Tractat mit den Holländern abschloß, der ihnen gestattete, eine Factorei daselbst anzulegen, sowie noch manche andere wichtige Handclsprivilegien bewilligte. In demselben Jahre sandte Borth drei Schiffe nach der Stadt Masulipatam auf der Küste von Coromandel, in der Absicht, einen Handelsverkehr zwischen den holländischen Niederlassungen im Archipel und jenem merkwürdigen Markte anzuknüpfen. Da der Commandant des Geschwaders ein Mann von angenehmen Sitten und großem Scharfsinn war, so gelang ihm nicht nur der unmittelbare Gegenstand seiner Sendung, sondern er erlangte auch viel andere wichtige Vortheile. Er stattete dem Rajah von Ellore*) einen Besuch ab, in dessen Gebiete Masulipatam damals lag, und machte ihm große Geschenke von den feinsten Gewürzen, erwarb sich dadurch seine Gunst und die Bewilligung, ein großes Waarenhaus nebst einem Wohnhausc für einen Factoren nahe bei der Stadt erbauen zu dürfen, eine Bequemlichkeit, die durchaus erforderlich war, um den dortigen, hauptsächlich aus Baumwollcntüchcrn bestehenden Handel mit Vortheil betreiben zu können. Bei der Rückkehr dieser Schiffe aus Masuliftatam nach den Molukkcn berührten sie die neue Niederlassung von Cotiarum, wo ihr Commandant den hier noch beschäftigten Boschkouveur mit dem ') Der El lore Sircar war damals noch unter der Regierung seiner alten Hindufürstcn und wurde crst 168? unter Aurung Icb's Regierung den muselmännischen Waffen unterworfen. 231 neuen und reichen Handelszweige bekannt machte, den er so eben eröffnet hatte, und versorgte die Niederlassung mit einigen der feinen, weißen Baumwollenstoffe und den zierlichen Calico's von Ellore. Boschkouveur ersah sogleich die Vortheile, die seine Co-lonie durch die Eröffnung eines Handelsverkehrs mit Masulipatam erlangen würde, beschloß, sich sogleich selbst dahin zu begeben, bc-lud eins seiner Schiffe mit Zimmt, dem einzigen Handelsartikel, den er als Tausch für die schönen Manufacture von Ellorc anbieten konnte, und segelte nach Masulipatam ab. — Die mcrkantilischen Kenntnisse dieses ausgezeichneten Mannes waren aber nicht in gleichem Verhältnisse mit seinen übrigen Talenten; er dachte nicht an die Möglichkeit, daß die Einwohner von Masulipatam durch andere Kanäle versorgt sein könnten, auch dachte er nicht an die Unrathsamkcit, den Erfolg einer Speculation von dem Verkaufe eines einzigen Handelsartikels abhangig zu machen, von dem er nicht einmal wußte, ob eine hinreichende Nachfrage danach sei oder nicht. Er gericth daher bei seiner Ankunft in die größte Bestürzung, als er fand, daß dort die Nachfrage nach Zimmt zu allen Zeiten sehr unbedeutend und besonders zur Zeit sehr klein sei, daß die Einwohner der Küste von Coromandel von Iaffnapatam aus mit diesem Gewürze reichlich versorgt würden, wo es ihnen in den Fischcrbötcn gebracht wurde, die längs der Küste handelten und es viel wohlfeiler als die Colonie von Co-tiarum liefern konnten. — Die Kaufleute von Masulipatam erklärten ihm, Gold und Silber seien in ihrem Lande das einzige Tauschmittcl, und wenn er ihre Manufakturen zu kaufen wünsche, so müsse er mit edlen Metallen wiederkommen. — Der holländische Agent, den die molukkischc Flotte in der Factorei zurückgelassen hatte, verschaffte endlich dem Boschkouvcur mit großer Mühe einige Stücke Calico für seinen Zimmt in Tausch. Acrgerlich über diese fehlgcschlagcm Hoffnung beschloß Boschkouvcur nach Holland zurückzukehren, um der Compagnie einen 232 Plan von großem Umfange vorzulegen, um einen Handel mit den vornehmsten Markten im bengalischen Meerbusen zu eröffnen. Er begab sich deßhalb nach Cotiarum und von da nach Candy, um von seinem edlen Gönner, dem Najah, Abschied zu nehmen. Nachdem dieses geschehen war und Boschkouvcm einen treuen Mann ernannt hatte, um die Angelegenheiten seines Bcsitzthums aufCcy-lon während seiner Abwesenheit zu verwalten, segelte er im October i6l5 von Cotiarum ab und langte im folgenden Frühjahre in Amsterdam an. — Der Empfang, welcher ihm von dm Directoren der Compagnie zu Theil wurde, war sehr abweichend von dem, welchen ihn seine großen und wichtigen, der Compagnie geleisteten Dienste erwarten ließen. Anstatt des sonst üblichen Beifalls und Lohnes, den sein, unter Gefahren und Schwierigkeiten erfolgreicher Heldenmuth verdient hatte und ihm die gerechte Dankbarkeit der Compagnie hatte schuldig gemacht, empfing man ihn mit zurückstoßenden, kalten Höflichkeiten, dic zwar für Männer, deren einziger Gott das Geld war, deren einziges Streben, dem Dienste ihres Abgottes gewidmet, nur dahin zielte, so viel zu erwerben, als nur immer möglich, gleichviel wie — ganz natürlich erscheinen mußten, obgleich sie dem Gefühle eines edlen, großherzigen Mannes tief verletzend wurden. Die Directoren, welche die Dienste ihrer Diener in Indien nur nach der Zahl und dem Werthe der Schiffsladungen, die sie nach Holland sandten, und nicht nach Talent, glänzenden Heldenthaten, Scharfblick und politischer Klugheit zu tariren pflegten, schätzten deßhalb alle Besitzungen und Erwerbungen, die nicht sogleich schnellen, unmittelbaren Gewinn abwarfen, sondern erst einen künftigen merkantil!schm Vortheil, oder eine nationale Fernsicht darboten, sehr gering, setzten deßhalb wenig Werth auf Bosch-kouveur's glücklichen Erfolg in Ceylon, da er im Laufe von drei Jahren nur vier Schiffsladungen Zimmt nach Holland gesandt habe, und kränkten durch solche niedrige Grundsätze der gewöhn- 233 lichsten Krümerrechnung diesen wohlverdienten Mann so tief, daß er den Dienst der Compagnie verließ und das Benehmen derselben tadelte. Beleidigt durch solche Geringschätzung verließ Boschkouveur sein undankbares Vaterland und begab sich nach Dänemark, wo er den Kaufleuten von Copenhagen einen Plan vorlegte, um am indischen Handel Theil zu nehmen, indem er sich erbot, ihre Schiffe nach Gegenden Indiens zu führen, die bis dahin weder von den Portugiesen noch Holländern besucht worden seien und reicher waren, als dieienigen, wo jene Nationen handelten. — Ehe er aber eine Antwort auf seinen Vorschlag erhielt, wurde er von einer bösartigen Krankheit plötzlich hinwcggcrafft. Dem Beispiele Voschkouvcur's folgten viele andere Offici ere und eine große Anzahl Soldaten, die, gleichfalls vernachlässigt und gekränkt von den engherzigen, habsüchtigen Grundsätzen der Compagnie, welche sich weigerte, anerkannte Verdienste zu belohnen oder sogar ihre alten Diener, dir ihre Jugend und Gesundheit in dem ungesundesten Klima Indiens dem Vortheile der Compagnie geopfert, zu versorgen, — ihre geizigen Herren verließen und in anderen Staaten ihr Brot suchten. Dieser Umstand verletzte wohlvcrdicntcr-maßen den guten Ruf der Compagnie, selbst ihren Crcbit, so sehr, daß endlich die Directoren aus ihrer blinden Selbstsucht erwachten und nun fühlten, was sie jenen braven Mannern, ihrer eigenen Eristenz willen, schuldig waren und wie sie dieselben vernachlässigt hatten. Wenn die Umstände auch nicht im Stande warm, den Krämergeist zur Großherzigkeit zu steigern, so wurden sie doch überzeugt, daß die Wohlfahrt ihrer Angelegenheiten wesentlich davon abhänge, sich der Ergebenheit und Treue ihrer Diener in Indien zu sichern, und baß das nur durch freigebige Vcrthcilung von Ehren und Belohnungen geschehen könne. — Die Compagnie er-höhete daher den Sold ihrer Truppen in Indien und der auf den Schiffen dienenden Seeleute; sie ließ auch eine Aufforderung 234 bekannt machen, worin sie Allen, die sich in ihre Dienste begeben wollten, ein beträchtliches Handgeld versprach und, um ihren Handel noch besser gegen den Verlust zu schützen, den das Mißvergnügen der Seeleute verursachen konnte, so bewog die Compagnie die Generalstaaten ein Criminalgcsetz zu verfassen, das gegen alle Seemänner, die aus dem Dienste der Compagnie descrtiren würben, die strengsten Strafen verhängte. Durch diese Mittel fanden sich die Directorcn im Stande, eine beträchtliche Macht auszurüsten, um die Fürsten von Bantam und Iacatra zu unterwerfen, deren Unabhängigkeitslicbe und Eifersucht gegen alle fremde Nationen bis jetzt alle friedlichen Versuche, eine dauerhafte Niederlassung auf der Insel Java zu errichten, vereitelt hatten. Das Commando über diese Erpedition wurde dem Laurcnz Rcaal übergeben, einem Officier, der neun Jahre in Indien gedient und sich durch Klugheit und Muth ausgezeichnet hatte, und auch für den Nothfall zum Nachfolger North's, als Gcncralgouvcr-nem von Indien, ernannt wurde. Seit Cornelius Houtman's Ieitm bis Anfang des Jahres 1647 waren die Angelegenheiten der Holländer auf der Insel Java zu unbedeutend, um einer historischen Aufmerksamkeit würdig zu sein. Der Zwist, der sich zwischen dem Fürsten von Bantam und Houtman erhoben hatte (siehe den Anfang dieses Kapitels), verhinderte die Holländer mehrere Jahre, die nördliche Küste von Bantam zu besuchen, da man glaubte, daß sich das Königreich so weit erstrecke. Sie besuchten jedoch zuweilen verschiedene Häfen auf der Sübküstc der Insel, die sie unter der Herrschaft verschiedener kleiner Fürsten fanden, die unabhängig von einander, aber alle gleich feindselig gegen den König von Bantam gesinnt waren. Durch diese Fürsten wurden die Holländer benachrichtigt, daß der reichste Theil der Insel dem Fürsten von Iacatra gehöre, dessen Gebiet sich länas der Nordseite von dem bantamesischen Staate 235 bis an das östliche Ende von Java erstrecke und von der Seeküste bis an die Bergkette reiche, welche die Insel in der Lange durchschneidet. Diese Nachricht bewog die Holländer, einen Verkehr mit diesem Fürsten anzuknüpfen und zu versuchen, in feinem Lande festen Fuß zu fassen. Im Jahre 1603 begab sich daher ein Geschwader von drei Schiffen nach Iacatra, das man als bequemen und sichern Hafen antraf, allen Zwecken eines ausgedehnten, ausländischen Handelsverkehrs angemessen. Der Commandant dieses Geschwaders war so glücklich in seinen Verhandlungen mit diesem Fürsten, daß er sich nicht nur eine reiche Ladung für seine Schiffe verschaffte und einen Vertrag zur Betreibung eines regelmäßigen Handels abschloß, sondern auch die Erlaubniß auswirkte, eincFac-torei in der Stadt Iacatra zu errichten. Im nächsten Jahre wurden auch in Bantam die nämlichen Freiheiten erlangt. Die Holländer hatten sich also nun in beiden Städten festgesetzt und wandten allen ihren Scharfsinn und jeden Kunstgriff an, um Einfluß und Macht zu erlangen. Sie waren an Intriguen schon langst gewöhnt, aber, sich mancher Handlung schämend, konnten sie den Gedanken nicht ertragen, von einer anderen europäischen Nation beobachtet zu werden, am Wenigsten von den Engländern, welche nach einem Antheile an diesem Handel strebten. Beschämung und Habsucht trieben sie daher an, sich den Absichten und Interessen der englischen Rivalen zu widersetzen, und sie bedienten sich dazu nicht sehr achtungswerthcr Mittel, von denen wir schon im siebenten Kapitel geredet haben. — Ihre Intriguen in Iacatra waren noch feindseliger und wurden mit weniger Scheu verübt. Wohl fühlend, daß solche Handlungsweise über kurz oder lang eine Vergeltung verursachen mußte, vermehrten sie allmälig in's Geheim die Zahl ihrer Handelsagenten und Gehülfen, die eS endlich wagten, eine Verschanzung um ihre Factorei auszuwerfen, 236 so daß sie nun gegen einen plötzlichen Angriff von Seiten einer englischen Flotte oder der Eingeborenen gedeckt waren. Der König, überrascht durch die Kühnheit, Festungswerke zu errichten oder auch nur eine Veränderung der Factorei vorzunehmen, ohne seine Erlaubniß einzuholen, befahl die frisch erbauten Werke auf der Stelle niederzureißen, aber durch Bitten, Geschenke und Vorspiegelungen milderten sie seinen Zorn, indem sie ihm versicherten, die Verschanzungcn seien nur als Schutzwchr gegen die Engländer errichtet worden. Er ließ sie denn bestehen und nachdem sie diesen wichtigen Punkt erlangt hatten, meldeten sie diesen Erfolg sogleich ihrem Gcneralgouverneur Pier Borth, der mit der Schnelligkeit und Entschlossenheit, die ein Hauptzug seines Charakters warm, sogleich ein Geschwader unter Befehl eines talentvollen Officicrs nach Iacatra sandte, um dem Könige im Namen des Prinzen von Oranien ein Freundschaftsbündniß anzubieten, aber auch zugleich um die neubefestigte Factorei mit einigen Kanonen und einem Vorrathe von Kriegsmaterial zu versehen. Diese Sendung wurde mit Gewandtheit geführt und vom Glücke gekrönt. Gin „Tractat mit Vidak Rema, Sultan von Iacatra", wurde abgeschlossen, vermöge dessen den Holländern gegen Bezahlung einer gewissen Summe Geldes erlaubt wurde, eine andere, kleine, befestigte Factorei zu erbauen. Der Bau dieser kleinen Factorei, die aber eine Festung werden sollte, wurde ohne Zeitverlust begonnen, und als Borth im Jahre 1616 seine Stelle dem General Reynst übergab, war sie beinahe vollendet. General Reynst's Regierung war kurz, schwach und unthätig, und die Angelegenheiten der Holländer in Java wurden während dieser Periode sehr herunter gebracht. Die Engländer, durch die Intriguen der Holländer erbittert, wodurch jene den Handel derselben gestört und die Eingeborenen gegen sie aufgehetzt hatten, erwarteten nun eine schickliche Gelegenheit, um die vollkommenste Genugthuung zu fordern oder zu erzwingen. Als sie daher 237 Admiral North's Abreise nach Holland und seineS Nachfolgers friedlichen Character erfuhren, fingen sie an, ihre Gesinnungen gegen die Holländer offenherzig einzugestchen; ein Geschwader von fünf englischen Schiffen lag auf der Rhede von Iacatra vor Anker, deren Commandant sich zum Gouverneur der Factorci begab und ihn aufforderte, auf der Stelle vor dem Fürsten eine öffentliche Widerrufung aller der Verleumdungen zu thun, die er und seine Untergebenen sich immer so viele Mühe gegeben hätten, gegen die Engländer zu erfinden und in Umlauf zu bringen; er drang ebenfalls darauf, daß cr sich verbindlich machen sollte, unter dem Verluste einer beträchtlichen Summe sich nicht nur aller Versuche zu enthalten, den Eingeborenen eine ungünstige Meinung von den Engländern beizubringen, sondern auch jeglicher Einmischung in ihre Handclscmgclegenheiten, und daß die Rivalität zwischen beiden Nationen, von nun an allein durch gerechte Grundsätze regu-lirt, zu einer ehrlichen und verständigen Mitbewerbung gebracht werde. Diese Forderungen schlug der holländische Gouverneur in den stolzesten und hochmüthigsten Ausdrücken aus. Der englische Commandant, auf eine solche Antwort vorbereitet, griff sogleich die holländische Flotte an, die auf der Rhcde vor Anker lag, und gewann nach einem mehrstündigen, hartnäckigen Kampfe bm vollständigen Sieg über sie; einige Schiffe wurden genommen, andere versenkt, die übrigen zogen sich, übel zugerichtet, nach Amboina zurück; die englischen Schiffe hatten selbst zu viel gelitten, um sie verfolgen zu können. Diese Begebenheit hatte einen mächtigen Eindruck auf den Sultan Vidak Rema gemacht, der, mit der geschmeidigen Politik eines malayischen Fürsten, der Freundschaft der Ucberwundenen entsagte und sich mit dem Ueberwinder verbündete. Die Ankunft einer frischen Flotte von elf Schiffen aus England unter Sir Thomas Dale befestigte noch den Fürsten in seinen neuen Gesinnungen. 238 In dieser mißlichen Lage der Angelegenheiten auf Java schlössen sich die holländischen Factoren in ihre Forts ein, die sie mit unermüdlicher Anstrengung zu verstärken suchten, und meldeten dem englischen Admiral, daß sie diese nur mit ihrem Leben übergeben würden. Die beiden Forts waren sehr vortheilhaft auf beiden Seiten der Stadt Iacatra gelegen und beherrschten diese zum Theil, aber keins von beiden war darauf berechnet, cinem regelmäßigen Angriffe von disciplinirtm Truppen zu widerstehen, denn die Werke waren nicht nur von schlechten: Material erbauet, sondern auch nicht genug mit Artillerie versehen; ferner hatte das eine Fort nur 12, das andere nur 17 Kanonen, und beide Garnisonen betrugen zusammen nur 270 Mann, unter denen 100 Ncger-sclaven. Aber diese kleine Zahl wurde durch den kühnen Muth und die Unerschrockmheit ihres Commandanten Van den Broek ersetzt. Die sie bedrohende Macht war in dcr'That groß genug, um die Holländer in ihrer eingeschlossenen, gefahrlichen Lage zu beunruhigen. Die Stadt Iacatra enthielt ungefähr 40,000 Einwohner, worunter 4000 Chinesen waren; der König hatte etwa 6000 Soldaten, nebst einem Corps Chinesen, die sich mit ihm vereinigt hatten. Auf einer Erhöhung in der Mitte der Stadt hatte er den Engländern erlaubt, eine Batterie zu errichten, auf welcher dieselben eine große Anzahl schwerer Kanonen aufgepflanzt hatten. Die Anzahl der englischen Streiter betrug nur 50 Mann, aber diese waren durch ein ansehnliches Corps Matrosen von der Flotte verstärkt. Dieses war der Zustand der kriegführenden Parteien in Iacatra, als Laurenz Reaal, von dem vorhin bereits die Rede war, mit der für die Unterjochung der javanischen Monarchen bestimmten Flotte in Amboina eintraf. Da derselbe aber durch Krankheit verhindert wurde, in Indien zu bleiben, so fiel daS Commando der Expedition nach Java auf Jan Pietersz 239 Co en, einen Mann von großen Talenten. Die Erpedition wurde für einige Wochen verschoben wegen eines Schadens, dm die Flotte im Sturm erlitten hatte, und wegen eines bösartigen Fiebers, das verheerend unter den Mannschaften wüthete. Sobald aber sechs Schiffe in scgclfertigen Zustand versetzt waren, fuhr Com nach Iacatra in der Absicht, die englische Flotte anzugreifen und eine Landung bei der Stadt zu bewerkstelligen, durch die er wenigstens Verstärkungen in die Forts zu werfen hoffte, wenn es ihm auch nicht gelingen sollte, die Stadt zu erobern und den König zur Unterwerfung zu zwingen. Am 1. Januar 1619 erreichte er die Bucht von Iacatra und fand zu seinem größten Erstaunen, daß die englische Flotte aus 14 großen Schiffen bestand, alle in gutem Zustande und für einen Kampf wohl vorbereitet. Es würde deßhalb ebenso unvorsichtig wie unnütz gewesen sein, irgend einen Theil seiner Absicht ausführen zu wollen, er kehrte deßhalb nach Amboma zurück, um Verstärkung zu holen, nachdem er jedoch Mittel gefunden hatte, dem Factored Commandanten van den Broek einen Brief zu übersenden, worin er ihn ermähnte, seinen Posten auf's Aeußerstc zu vertheidigen, keinen Friedens- oder Vergleichsvorschlägen von Seiten Vidak Rema's Gehör zu geben; wenn er es unmöglich fände, sich länger zu vertheidigen, er eine ehrenvolle Capitulation von den Englandern zu erhalten suchen und, wenn ihm diese abgeschlagen würde, sich lieber unter den Ruinen der Festung begraben lassen möge. Der tapfere van den Broek fühlte seinen Muth gestärkt, als er diese Ermahnung von seinem Chef erhielt, die mit seinen eigenen Gesinnungen übereinstimmte. Bald aber sollten diese hart geprüft werden. — Am 8. Januar eröffneten die englischen Batterien ein heftiges Feuer auf die holländischen Forts und die Iacatrancr, dem Beispiele ihrer Ncuverbündeten folgend, singen ebenfalls von allen Seiten der Stadt auf die Forts zu feuern an. — Um die 240 Angreifer irre zu leiten und ihnen ein ungegründetes Zutrauen auf ihre Ueberlegenheit einzustoßen, erwiderte van den Broek den ganzen Tag nur ein schwaches und unregelmäßiges Feuer; durch diese wohl angebrachte List wurden die Englander zu der Vermuthung geleitet, daß es den Holländern an Munition fehle, oder sie unter sich selbst uneinig seien. Sie hörten deßhalb früh am Abend mit Feuern auf, und ruheten aus in der Ueberzeugung, daß sie am nächsten Morgen den Feind ohne große Schwierigkeit zur Uebcrgabe zwingen würden. Ihre Ueberraschung muß aber sehr groß gewesen sein, als sie mitten in der Stille und Dunkelheit der Nacht plötzlich durch die Flammen geweckt wurden, welche sie umgaben. Van den Broek hatte mit 60 auserwähltcn Leuten einen Ausfall gethan, das chinesische Quartier der Stadt angezündet, welche, da es ganz aus Holz, Rohr und Schilf erbauet war, bald fürchterlich brannte und die Flammen schnell verbreitete. Durch diesen glücklichen Erfolg kühner gemacht, versuchte er nun die englische Schanze zu erstürmen, wurde aber mit Verlust zurückgeschlagen und zum schnellen Rückzüge in sein Fort gezwungen. Unterdessen hatten sich die Flammen beinahe der halben Stadt bemächtigt; die Einwohner, durch diese furchtbare Scene geängstigt und beschäftigt, Weiber und Kinder dem Flammentode zu entreißen, deren schreckliches Geschrei die Luft erfüllte, waren nicht im Stande, die geringste Anstrengung zu machen, um dem Feuer Einhalt zu thun, das aber endlich durch die eifrigen Bemühungen der englischen Matrosen und durch einen zufällig eintretenden, starken Platzregen gedämpft wurde, nachdem der größte Theil der Stadt eingeäschert und eine Anzahl von mehreren Hundert Einwohnern um's Leben gekommen war. Dieses furchtbare Hülfsmittel, das van den Broek angewandt hatte, vermehrte natürlich den Haß, den die Iacatraner bereits gegen die Holländer gefaßt hatten; die größte Wuth schwur ihnen jetzt Rache. Seine Lage machte jedoch verzweifelte Maßregeln nöthig, nicht nur für die Vertheidigung seiner Festung, sondern auch für 241 die Erhaltung seiner Garnison, und obgleich das menschliche Gefühl sich auch gegen solche Handlungen empört, so müssen sie doch, nach den Kncgsbegriffcn beurtheilt, als Nettungsmittel des MuchcS und der eisernen Nothwendigkeit in Etwas gerechtfertigt erscheinen. Van den Brock fand, daß seine Garnison einen so großen Mangel an Munition und Lebmsmitteln hatte, daß er sich unmöglich länger als zehn Tage halten konnte, er entschloß sich daher, irgend einen entscheidenden Schlag zu thun, durch den er den König zwingen könnte, auf billige Bedingungen Frieden zu schließen. In dieser Absicht und ehe die durch das Feuer der Stadt herbeigeführte, allgemeine Verwirrung vorüber war, begann er, eine heftige und wohlgerichtete Kanonade gegen des Königs Palast zu richten, so wie gegen die steinernen Gebäude, welche denselben umgaben, wodurch der König so beunruhigt und erschreckt wurde, daß er einen Waffenstillstand vorschlug und seinen Wunsch zu erkennen gab, Friedcnsuntcrhandlungcn zu beginnen und sich sogar zur Zahlung einer beträchtlichen Geldsumme erbot, als Beweis seiner Aufrichtigkeit. Van den Brock, in einem der schwachen Augenblicke, von denen auch die scharfsichtigsten Männer nicht immer frei sind, ließ sich durch diese anscheinende Aufrichtigkeit hintergehen und ohne den geringsten Argwohn der dahinter versteckten Verräthcrci zu hegen, willigte er ein zu unterhandeln, und nach einer zweiten Botschaft des Königs versprach er sogar, persönlich zu ihm zu kommen. Er begab sich am anderen Tage in den königlichen Palast, nur von einem Officier und fünf Soldaten begleitet, die er mehr als ein, seinem Range gebührendes Gefolge, als auS Vesorgniß für seine Sicherheit mit sich nahm. Der König cmftsing ihn mit Zeichen von Hochachtung und Gefälligkeit, führte ihn in ein inneres Gemach seines Palastes, wo er ihm die Bedingungen des Friedens mittheilte, wahrend sie aber noch über die einzelnen Artikel unterhandelten, stürzte auf ein H nn Mvtern, Ostindien. I. !,6 242 gegebenes Zeichen eine Anzahl bewaffneter Männer in das Zimmer, bemächtigte sich van den Broek's, schleftvte ihn in einen Kerker und drohte ihm mit den fürchterlichsten Martern, wenn cr nicht auf der Stelle seiner Garnison den Befehl zusenden würde, sich auf Gnade und Ungnade zu ergeben. Die ihn begleitenden Soldaten wurden in demselben Augenblicke entwaffnet, an Händen und Füßen gebunden und in einen stinkenden Kerker geworfen, wo man diese Unglücklichen auf alle nur mögliche Weise, welche Feigheit und Grausamkeit nur immer erfinden konnten, mißhandelte. — Van den Vroek wurde in Gegenwart des Königs und des englischen Commandanten auf das Unwürdigste behandelt, welches der letztere, zu seiner ewigen Schande, nicht zu verhindern suchte. Doch weder Beleidigungen noch Drohungen konnten van den Broek's unerschrockenen Charakter erschüttern, oder ihm irgend ein anderes Gefühl einflößen, als Zorn über den unmännlichen und schändlichen Kunstgriff, durch den man ihn gefangen genommen hatte. Mit würbiger Fassung sagte er ihnen, daß, da er ihr Gefangener sei, die holländische Garnison dem Befehle nicht gehorchen würde, den sie von ihnen verlangten. Unbefriedigt von dieser Antwort, die sie für eine Ausflucht hielten, legten sie ihm einen Strick um den Hals und ließen ihn durch zwei englische Soldaten unter den Wall der Festung führen, damit die Holländer die Gefahr sehen sollten, welcher ihr Commandant ausgesetzt war, und damit sie versichert sein möchten, daß sein Leben von ihrem Verhalten gegen seinen Befehl abhänge. Auf diese niederträchtige Art wurde dieser kühne Officier von Engländern unter dieselben Mauern geführt, die er mit so viel Tapferkeit vertheidigte. Die Ueberraschung seiner Führer muß jedoch ebenso groß wie ihre Schande gewesen sein, als sie ihren Gefangenen, nachdem sie ihn so nahe an die Mauern geführt hatten, daß seine Soldaten ihn hören konnten, dieselben eindringlich ermähnen hörten, ihren 243 Posten tapfer und beharrlich zu vertheidigen. — Ein solches Beispiel von tugendhaftem Heldcnmuthe würde von einem Feinde, der selbst ähnlicher Gefühle fähig gewesen wäre, als ein glorreiches Sühnopfer für frühere Verleumdungen betrachtet worden sein; — aber eö entzündete nicht einen Funken von Großmuth, erregte keine Spur von Mitleib in den unwürdigen Gemüthern der Elenden, welche van den Broek bewachten. Im Gegentheile erregte es ihren Zorn und reizte sie, den Gefesselten schandlich zu mißhandeln. Sie schlugen ihn zu Boden und schleppten ihn über das Steinpflaster nach dem königlichen Palaste zurück. Wir würden diese Thatsache bezweifelt haben, die für die Engländer so entehrend ist, wenn wir sie nicht in van den Vroek's eigener Erzählung von den Begebenheiten in Java umständlich er-wähnt gefunden hätten, ein Werk, das allen Glauben verdient, nicht nur wegen seiner einfachen Treue, sondern auch wegen des bekannten Charakters des Verfassers. Als Sir Thomas Dale diese Begebenheit erfuhr, fühlte er sich von Mitleib und Bewunderung für diesen Mann erfüllt und empfand Neue, ein Theilnehmcr der Verratherei und Grausamkeit gewesen zu sein; er bewog deßhalb den Sultan dem van den Brock das Leben zu schenken und ihm zu gestatten, der holländischen Garnison solche Bedingungen zm Uebergabe anzubieten, die sie mit Ehren annehmen könnten und ihm die nämlichen Vortheile, wie eine unbedingte Unterwerfung bieten sollten. Er sandte daher mittelst eines hineingeschosfenen Pfeiles einen Brief in jedes der beiden Forts, indem er vorschlug, daß sie sich auf ehrenhafte Bedingungen ergeben, die Englander aber sich verbindlich machen sollten, sie gegen die etwaigen Gewaltthätigkeiten der Iacatrancr zu schützen, daß die Holländer mit Kanonen und Privatvermögen an Vorb der englischen Flotte gebracht und nach Cotiarum auf der Insel Ceylon geführt werben, daß aber alle ihre Waaren und öffentlichen Effecten dem Könige des Landes ausgeliefert werden sollten. — 16* 244 . Da die Garnisonen sich in der größten Noth befanden, alle ihre Munition verschossen und auch keine Lebensmittcl mehr hatten, so nahmen sie diese Bedingungen, obgleich sehr ungern, an. Während aber diese Capitulation auf dem Punkte war ausgeführt zu werden, ereignete sich eine unerwartete Begebenheit, welche die Lage der Dinge auf einmal ganzlich änderte. Van den Broek hatte während semer Gefangenschaft ein Mittel gefunden, um einen vertrauten Boten an den Pan go ram, oder Sultan von Bantam abzusenden, durch den er ihm vorstellen ließ, daß wenn er sich der Sache der Holländer annähme und ihren Gouverneur aus dem Kerker befreien wolle, so würden sie ihm dafür bchülflich sein, das Königreich Iacatra zu unterwerfen, ohne von ihm noch mehr von dem eroberten Lande zu fordern, als was sie in nächster Umgebung der Forts schon besäßen. Diesen Vorschlag machte van den Brock, ohne die geringste Kenntniß von den Bedingungen zu haben, welche Sir Thomas Dale den Garnisonen der Forts angeboten hatte. Der Pangoram besaß Scharfsinn genug, um einzusehen, daß die wahre Absicht van den Brock's, welche ihn antrieb, diese Allianz zu suchen, nur darin bestand, die holländischen Niederlassungen auf Java zu befestigen, damit weder er selbst noch ein anderer einge--borcner Fürst künftig im Stande sein würde, die holländische Macht wieder zu zerstören; obgleich er recht gut fühlte, daß sein eigenes Interesse es erheische, den Holländern keinen Vorschub zu leisten, sondern sie vielmehr von der Insel zu vertreiben, so hatte die ihm angetragene Allianz doch unmittelbare Vortheile für ihn, da sie ihm eine gute Gelegenheit darbot, den lange gehegten Haß gegen die Iacatraner zu befriedigen und zugleich die Person van den Brock's in seine Gewalt zu bekommen, wo er ihn dann zwingen könnte, sich den Bedingungen des Pangorams zu unterwerfen. Diese Rücksichten und diese fein ausgedachten Pläne wirkten so anregend auf ihn ein, daß er ein Bündniß mit den Holländern ein- 245 ging, einen tüchtigen Ofsicier mit 2000 Mann nach Iacatra sandte, unter dem Vorwande, dem Könige gegen die Holländer beizustehen. Unter dieser Maske hoffte er ohne Schwierigkeit in Iacatra aufgenommen zu werden. — Die unerwartete Ankunft eines so zahlreichen Trupftencorfts aber erregte eine allgemeine Ucberraschung, da aber keine augenfällige Ursache da war, an der Aufrichtigkeit der Versicherungen des Pangorams zu zweifeln, so nahm der König keinen Anstand, dem Commandanten der bantamcsischen Truppen eine Pnvataudicnz zu bewilligen. Seltsam war es, daß ein an Vcrratherei und Mord gewöhnter malayischcr Fürst nicht besser auf seiner Hut war. Der bantamcsischc Officicr befand sich kaum mit dem Könige allein, als er ihm einen Dolch auf die Brust setzte und seine augenblickliche Bewilligung alles dessen forderte, was er ihm vorschlagen würde. Der von Natur feige Fürst machte keinen Versuch sich zu retten, sondern fügte sich, unter seinem Namen Befehle zu geben, daß die bantamesischm Truppen in die Stadt einrücken dürften und die Eingänge seines Palastes bewachen sollten, daß seine eigenen Truppen und Unterthanen icdc Verbindung mit den Engländern aufgeben, mit den Holländern Frieden und Freundschaft schließen und ihnen alle vorher besessenen Privilegien zurückgeben sollten. Obgleich die Iacatraner über diese plötzliche Sinncsvcranbe-rung ihres Königs äußerst überrascht und bestürzt waren, so hatten sie doch die Gewohnheit, allen fürstlichen Befehlen unbedingt zu gehorchen, und auch diese ganz widersprechenden Befehle wurden mit größter Schnelligkeit ausgeführt. Sir Thomas Dale sah sich nicht im Stande, diesen neuen, ganz unerwarteten Maßregeln entgegen zu wirken, zog-sich daher auf seine Flotte zurück, nahm alle, der englischen Factorei gehörigen Güter nut und segelte, da er von einem längeren Aufenthalte zu Iaeatra unter diesen Umständen keinen Vortheil mehr sah, nach der malabarischen Küste. Als der Anführer der bantamcsischen Truppen durch diese List 246 zum Ziele gekommen war, sandte er den König von Iacatra insgeheim nach einem entlegenen Theile der Insel, ließ van den Brock unter einer starken Begleitung nach Bantam abführen und erklärte alsdann den Iacatrancrn, daß er ihren König abgesetzt habe und entschlossen sei, ihr Land in Besitz zu nehmen. Die Wuth, welche diese Nachricht bei dem Hintergangenen Volke hervorbrachte, wurde zwar durch ihre Furcht vor den Holländern im Zaume gehalten, deren Gunst der bantamcsischc Anführer durch kostbare Geschenke und Freundschaftsversicherungen erworben hatte, und indem er sie zu überreden suchte, baß er zwar van den Brock aus seiner Gefangenschaft erlöst, derselbe aber doch für gut befunden habe, sich nach Bantam zu begeben, um einen Allianztractat mit dem Pangoram abzuschließen. Während die Iacatraner insgeheim Maßregeln trafen, um das Joch der Bantamesen und Holländer abzuschütteln, machte plötzlich Co en's Ankunft mit einer Flotte von 17 Schiffen und 6000 Soldaten allen diesen Entwürfen ein Ende und ihre Unterjochung zu einer unabänderlichen Thatsache. Am 25. März landete er seine Truppen, vertrieb die Bantamesen ohne Widerstand und nahm die Stadt Iacatra durch das Recht der Eroberung im Namen der holländischen Compagnie in Besitz. Und da er gegrünbete Ursache hatte zu argwöhnen, daß der Pangoram van den Vroek in Gefangenschaft halte, so sandte er eine Abtheilung von 1200 Mann nach Bantam, um dessen augenblickliche Befreiung nebst einer tüchtigen Summe Geldes zu fordern, als Strafe ihrer Kühnheit, den holländischen Gouverneur gefangen zu nrhmcn. Zu gleicher Zeit sollten diese Truppen den Pangoram zwingen, die Oberherrschaft der Holländer auf der Insel Java anzuerkennen. Da dcr Pangoram nicht im Stande war, sich einem so starken Corps holländischer Truppen zu widersetzen, so bewilligte er diese Forderungen, obgleich mit großem Unwillen. Van dm Broek wurde ber Dankbarkeit seiner Lanbsleute zurück gegeben, die er sowohl 247 durch seine für sie erlittene Schmach und Qual, als durch seine Tapferkeit wohl verdient hatte. Als Com die Eroberung von Iacatra vollendet und seine Gewalt über den größten Theil der Insel befestigt hatte, sing er an, eine Stadt zu bauen, die bestimmt war, die Hauptstadt des holländischen Reiches in Asien zu werden. Die Lage der Stadt Iacatra schien die vorteilhafteste Position für die neue Stadt darzubieten. Er entfernte daher alle malayischen Einwohner, die Chinesen ausgenommen, in verschiedene Gegenden des umliegenden Landes, wo er große Dörfer zu ihrem Empfange crbaucte, dann schleifte er die alte Stadt Iacatra von Grund aus und er wurde zu dieser harten Maßregel durch die Lage der Stadt selbst bewogen, die sowohl für alle Zwecke des Handels als der Vertheidigung vortrefflich geeignet war. Iacatra lag am Ende einer geräumigen, obgleich nicht tiefen Bucht, die durch eine Kette kleiner Inseln gegen das Meer gedeckt ist, die vor dem Eingänge liegen und einen sicheren und ruhigen Hafen bilden. Auf beiden Seiten der Stadt ergossen sich zwei schöne, obgleich nicht große Flüsse in das Meer, die jedoch fähig waren, große Böte und kleine Schiffe zu tragen und die der Stadt Wasser in Uebcrstuß gewährten. Der Boden, worauf sie stand, ist stach, gleich dem «inliegenden Lande, das ein ebenes, ausgedehntes Thal, im Umfange von 450 cngl. Meilen darbietet, mit Holz bewachsen und von den beiden Flüssen, nebst den sich in sie ergießenden kleinerm Bächen bewässert, — Die überwiegenden Vortheile einer solchen Lage für die Zwecke des Handels und der Vertheidigung ließen den Holländer, der überhaupt niedere Gegenden liebt, die Rücksichten in Betreff eines ungesunden Klima's übersehen, das sogar eine epidemische Krankheit unter seinen eigenen Truppen bereits hervorgerufen hatte. Eocn verlor keine Zeit, den Plan seiner neuen Stadt zu entwerfen und deren Bau zu beginnen. Nachdem er einen bequemen Platz am Ufer des östlichen Flusses zur Anlegung einer Citadelle 248 auserlesen hatte, bezeichnete er eine ausgedehnte Grenzlinie für die Stadt, die einen Platz von 2 engl. Meilen im Umfange einschloß, durch dessen Mitte der östliche Fluß fließt und in welchem die beiden älteren holländischen Forts mit inbegriffcn waren. Auf der Ost- und Nordseitc war diese Linie von beinahe undurchdringlichen Wäldern begrenzt und auf der Westseite von dem anderen Flusse geschlossen und geschützt. Breite Straßen wurden nun in gerader Richtung abgesteckt, die einander durchkreuzten, und mehrere von ihnen bekamen in der Mitte Kanäle, die beide Flüsse mit einander in Verbindung setzten und wodurch die Straßen beständig mit frischem, laufenden Wasser versehen wurden. Auf jede Seite dieser Kanäle wurden Reihen von Bäumen gepflanzt, die gegenwärtig die senkrechten Strahlen der brennenden Sonne auffangen und einen breiten, kühlen Schatten über Häuser und Passage werfen. — Aber diese anscheinende Bequemlichkeit wurde eine sehr verderbliche Zierde der Stadt, denn indem sie die schädlichen Ausdünstungen vermehrt, die aus einem feuchten Boden in einer mit Wald bedeckten unermeßlichen Ebene, in einer so heißen Gegend aufsteigen, tragen diese sonst angenehmen Schattengängc dazu bei, die Ungesundheit der Stadt zu vermehren. Die Erfahrung von zwei Jahrhunderten muß die Holländer von dieser Thatsache überzeugt haben, obgleich ihre Vorliebe für flache Gegenden und schattige Spazicrgange sie veranlaßt hat, ihren Geschmack auf Kosten ihrer Gesundheit zu befriedigen. Am 10. August 1619 wurde der Grundstein der neuen Stadt gelegt und im Laufe von drei Jahren war der eben erwähnte prachtvolle Plan beinahe beendigt. Die Festung bildete ein kleines Viereck regelmäßig befestigt, der Umfang der öffentlichen Gebäude und die Zierlichkeit der Wohnhäuser gaben der Stadt ein sehr schönes Ansehen. Das Ganze wurde von einer hohen Mauer umgeben, von 18 Bastionen und 90 Kanonen vertheidigt und somit den Einwohnern ein mächtiger Schutz gegen feindliche Angriffe. 249 Dieser schönen Stadt gab Com den Namen Vatllvia, und es wurde von nun an der Sitz der obersten Regierung aller holländischen Besitzungen in Indien hierher gelegt. — Die holländischen Besitzungen warm nunmehr schon sehr zahlreich. In den östlichen Meeren erstreckten sie sich über den größten Theil des Archipels, in Japan und Siam besaßen sie beträchtliche Factoreim, auf der westlichen Seite von Indien gewann ihre Niederlassung von Cotiarum auf Ceylon immer mehr an Macht und Ansehen, was sie endlich in den Stand setzte, die Portugiesen von der Insel zu vertreiben. Auf dem Festlanbe von Indien hatten sie zwar noch keinen festen Fuß fassen können, außer in Masulipatam, wo ihre Factorcn einen sehr einträglichen Handel betrieben und auch einigen Einfluß besaßen. Die geringen Fortschritte, die sie bis jetzt in Hinbostan gemacht hatten, rührten nicht sowohl von ihrer Nachlässigkeit her, womit sie die Vortheile eines wichtigen Handels sich zuzueignen versäumten, als vielmehr von der überlegenen Handlungsweise und Geschicklichkcit der Engländer, wodurch ihnen mancher Versuch vereitelt wurde, den sie machten, um von der mongolischen Regierung oder den Fürsten der Halbinsel Hanbclsftrivilegien zu erhalten. Dieser für die Holländer kränkende Umstand vermehrte ihre Erbitterung gegen die Nebenbuhler und bestimmte sie, ihre Rache durch alle Mittel zu versuchen, die ihre List immer ersinnen konnte, aber diese Mittel wurden mit großer Vorsicht geleitet und ihrem politischen Handelssysteme behutsam angemessen. Sie betrachteten den Krieg als das unwirksamste Mittel, den Engländern zu schaden, deren Seemacht der ihrigen das Gleichgewicht hielt, und sie warm selbst dem Kriege abgeneigt, weil er sie verhindern würde, ihre Operationen gegen die Portugiesen, die ihnen weniger gefährliche Gegner warm, fortzusetzen und die ihnen mehr Beute und weniger Verluste brachten. Die Feindseligkeiten, welche in Java statt gehabt hatten, 250 obgleich durch die Verleumdungen der Holländer verursacht, waren jedoch von den Engländern angefangen worden, und während Com mit der Erbauung der Stadt Batavia beschäftigt war, stellte er durch einen förmlichen Friebcnsvertrag mit den englischen Factorm in den Molukkm den Verkehr mit gegenseitigen Höflichkeitsbezeugungen wieder her. Unter diesen Umständen kann man die hinterlistige Vorsicht und bedachtsame Falschheit nicht verkennen, welche die Politik und Handlungsweise der Holländer leiteten und sie bewog, ihre Eifersucht zu verstecken, womit sie sogar versuchten, den Engländern bei der außerordentlichen Untersuchung, welche dem Blutbade vor Amboina vorausging, den Vorwurf der Verrätherei zu machen. Inwiefern die unschuldigen Schlachtopfer dieser furchtbaren, unmenschlichen Begebenheit getadelt werden können, und ob das Betragen der Holländer entschuldigt zu werden vermag, wollen wir bald nachweisen. Die gegenseitige Lage der englisch- und holländisch-ostindischm Compagnien im Jahre 1619, sowohl in Betreff ihrer Handels-angclegenheitcn, als der Stellung, welche sie in Indien erlangt hatten, bezeugt die Ucberlegenheit der holländischen an Reichthum und Macht. Der schon so lange bestehende europäische Zwischenhandel der Holländer, bei der Betriebsamkeit und Mäßigkeit, die ihrem Nationalcharakter eigen waren, bereicherte sie mit baarem Gelde und setzte dadurch ihre ostmdische Compagnie in den Stand, ihren Handel mit Thätigkeit und Glück zu treiben. Das Capital, womit, wie wir früher angaben, die neuftrivilegirte Compagnie im Jahre 1602 ihren Handel anfing, betrug 600,000 Pfd. St., eine Summe, die klein erscheint, wenn man den großen Privatreichthum der Kaufleute bedenkt, aus denen die Compagnie zusammengesetzt wurde, aber mit cinem kleinen Capitale anzufangen, war den Vor-sichtsmarimm ihrer merkantilischen Politik angemessen, die ihren Unternehmungsgeist leitete, ohne ihn zu hemmen und deren Wirk- 251 samkeit durch die großen und öfteren Dividenden, die sie unter sich vertheilten, genugsam bewiesen wurde. So groß und schnell war der Fortschritt der Compagnie, daß sie im Laufe der ersten 47 Jahre neun Dividenden von ihrem Capital austheilen konnten. Nach der Rückkehr ihrer ersten Flotte vertheilten sie 45 Proccnte, zwei Jahre später, 1605, wiederum 45 Proccnte und im Jahre 4606 war ihr Gewinn so groß, daß er sie in den Stand setzte, eine Dividende von 75 Procent zu vertheilen, so daß die Eigenthümer des vorgeschossenen Capitals schon 90 Proccnte von ihrem Gelde zurückerhielten, die zuerst vertheilten 45 Procentc nicht mit gerechnet, da sie nicht aus dem regelmäßigen Handelsgewinne, sondern aus den Prisen, welche den Portugiesen genommen worden, entstanden waren. — Im nächsten Jahre, 4607, vertheilten sie 25 Procentc, 4608: 40Procente und 4609: 420Procentc. — In diesem letzten Jahre trug die Errichtung der Wcchselbank von Amsterdam, die alle Handelsoperationen erleichterte, sehr viel dazu bei, die Hülfsmittel und die Macht der Compagnie zu vergrößern. Im Jahre 4640 vertheilten sie 50 Procente, 4643: 37 Proccntc, 4646: 62^2 Proccntc. Der ungeheuere Reichthum, den sich die Compagnie erwarb, und die Vortheile, welche die Nation aus ihrem Handel zog, mußte ihr in allen vereinigten Provinzen, deren Hauptbeschäftigung der Seehandel war, einen großen Einfluß verschaffen. Die General-staaten, sehend, wie die Compagnie die Hauptquellc nationaler Macht und Größe war, fühlten sich bewogen, die Compagnie in der Annahme der souveränen und unabhängigen Gewalt, die sie in Indien behauptete, zu bestätigen, obgleich die Errichtung einer solchen Macht mit den Grundsätzen der holländischen Republik unvereinbar, sogar eine offenbare Verletzung der Staatsvcrfassung war. Es erregte dieser Act deßhalb großes Mißvergnügen unter der patriotischen Partei, und da deren Häupter die Maßregel stark bestritten, so gab die Regierung doch den scheinbaren Beweggründen 252 der Compagnie, wahrscheinlich mit stillen Vortheilen verbunden, nach, da behauptet wurde, daß eine große militairische Macht für die Sicherheit ihrcr zahlreichen indischen Besitzungen nothwendig sei, und daß die Pracht der souvcrainen Gewalt zur Erhaltung der Ehrfurcht und des Gehorsams der indischen Völkerstamme wesentlich beitrage, wovon die Dauer dieser Besitzungen vornehmlich abhinge. Ein diesen Ansichten angepaßter, systematischer Plan wurde von der Compagnie für die Regierung und Verwaltung ihrcr ostindischen Besitzungen entworfen und nach der Erbauung von Batavia in Ausführung gebracht. Den Entwurf dieses Planes werden wir in der Folge mittheilen; aber einige Haupttheile desselben müssen wir hier nothwendig gleich angeben, um den Zustand der holländischen Besitzungen in Ostindien während dieser Periode, von der wir reden, zu erläutern. — Alle Besitzungen, Niederlassungen und Factorcicn der Com-vagnic wurden unter die Gewalt und Leitung eines obersten Rathes gestellt, der „Rath von Indien" genannt wurde, dessen Sitz in Batavia war. Der Rath bestand aus einem Präsidenten und zwanzig Richtern; ersterer war Gcneralgouverneur und General-capitain, und in seiner ausübenden Gewalt lag der erste Magistrat der Regierung. Die ganze Verwaltung der öffentlichen Angelegenheiten war also dem Generalgouverneur und Rathe anvertraut, deren Oberaufsichtsgewalt alle Gouverneure und Factoren der verschiedenen Besitzungen unterworfen waren, die ihre jährlichen, regelmäßigen Berichte übersenden und für ihre Handlungen verantwortlich sein mußten. Eine regelmäßige Land- und Seemacht wurde errichtet, deren Oberhaupt der Generalgouvcrneur war und der volle Gewalt über sie besaß. Diese ausgedehnten Vorrechte waren mit viel Pomp und Glanz verbunden, die der Würde und Herrlichkeit eines Souverains wenig nachgaben. In der Ausübung seiner Gewalt wurde der Generalgouverneur von einem unab-ängigcn Rathe controlirt, „Justiz-Rath" genannt, der eine richter- 253 liche Gewalt besaß, nebst dem bedeutenden Vorrechte, das er von den Gmeralstaaten selbst empfing, nämlich dem Rechte: die von der Compagnie eingesetzte Regierung jeder, mit der Oberherrschaft des Vaterlandes oder der Treue und Untcrthanspsiicht unverein? baren Handlung anzuklagen. — Dieser Iustizrath bestand aus einem Präsidenten und acht Mitgliedern, die sämmtlich Doctoren der Rechte sein mußten, und die Gerichtsbarkeit desselben dehnte sich über alle Besitzungen der Compagnie aus. — Das Handels-departemcnt hatte den nächsten Platz in der Regierung und der Gmeraldircctor dieses Departements hatte die besondere Leitung aller Handclsangelegmheitm. Die Militairmacht bestand aus 6000 Mann regelmäßiger, europäischer Soldaten und einer gut bisciftlinirten Miliz, größten-theils aus Malayen gebildet, deren Officicre zugleich die jüngeren Civilbcamtcn der Regierung waren. Die gcsammte Macht wurde von einem Generalmajor commandirt, der in Batavia wohnte, wo das Haufttcorps der regelmäßigen Truppen stationirt wurde. Jede Niederlassung hatte ihre eigene Miliz, aber alle Forts und Citadellen warm allein mit europäischen Truppen besetzt. — Die Seemacht der Compagnie war ebenfalls sehr beträchtlich; sie bestand aus 40 Schiffen von 16 — 30 Kanonen, die für den Handel bestimmt warm und beständig im besten Zustande erhalten wurden; sie befanden sich unter einem Commandeur, der den Seedimst schulgerecht gelernt haben mußte. Außer dieser Flotte warm noch 10 bis 12 Schiffe kleinerer Art vor Batavia stationirt, die besonders für kriegerische Unternehmungen bestimmt warm. Die Besitzungen der Compagnie, für die dieses glänzende Regierungssystcm gemacht war, hatten einen angemessenen hohen Werth; da sie größtcnthcils in den Inseln des indischen Archipels lagen, und einige noch weiter entfernt, so entsprangen ihre zunehmenden Fortschritte ebenso sehr aus der Sicherheit und Aufmunterung, die sie von diesem Verwaltungssysteme empfingen, als aus 254 dem Ueberflusse ihrer natürlichen Hülfsmittel. — Beträchtliche Districte warm auf den Inseln Amboma, Banda und Temate, bei Malacca, auf der malayischcn Halbinsel und bei Cotiarum auf Ceylon in Besitz genommen; einige derselben waren sogar von den eingeborenen Fürsten den Holländern abgetreten, freilich nur dem Namen nach, andere unter Vorwanden ober mit Waffengewalt den Fürsten entrissen worden. Jede Niederlassung hatte ihre kleine, befestigte und wohlgamisonirte Hauptstadt als Schutz und Zierde, iede wurde durch einen Rath und Präsidenten verwaltet unter der Aufsicht des Rathes von Vatavia. Wenn aber auch die Staaten der holländischen Compagnie sich beinahe ausschließlich auf den indischen Archipel beschränkten, so dehnte sich dennoch ihr Handel auf alle Küstenländer Asiens aus; in Japan, Tonquin und Siam, auf der östlichen und westlichen Küste der großen indischen Halbinsel, im persischen und arabischen Meerbusen betrieben sie einen eifrigen und eintraglichen Handel; in allen diesen Ländern war ihnen erlaubt worden, Factoreien zu errichten und Handelsagenten zu stationiren, die durch dcn Gmeralgouvernem und Rath von Batavia ernannt wurden und einen bedeutenden Zweig des Gcncral-verwaltungssyftcms für die Handelsangelegenheitcn bildeten. So erlangte die holländische Compagnie in der kurzen Periode von t? Jahren nicht nur den höchsten merkantilischm Wohlstand, sondern gründete auch einen festen und mächtigen Staat in indischen Inseln; der, indem er ihr fast den ganzen Gewürzhandel zusicherte, sie zugleich in dcn Stand sehte, jeden Vortheil aufzufassen und zu benutzen, den ihnen das sinkende Glück der Portugiesen darbieten konnte, und zur Vernichtung der ehemals blühenden Besitzungen jener Nation am Wirksamsten beizutragen. Mllw MM!. Der Zustand d« englisch-ostindischen Compagnie und ihr Friedens- und Frenndschaftsvertrag mit der holländischen Compagnie im Jahre 1619. Die englische Compagnie, welche die verschiedenen Vortheile, die man aus dem indischen Handel zog, ebenso gut zu berechnen wußte, wie die Holländer, und ebenso thätig und betriebsam war, aber weniger erfahren in den kleinen Nebcnumständm des Handels, weniger unterstützt von ihrer Regierung und, wic es schien, weniger begabt mit den großen und weltumfassenden Ansichten, welche die Speculationen ihrer Nebenbuhler systematisirten und leiteten, und mtmuthigt durch Jacob's I. schwache Regierung in ihren Bemühungen, trieb ihre Pläne nicht zu einem geregelten Streben nach Ge-bietscrwcrbung, Eroberung und Landbesitz in Indien. Die Siege, welche sie zur See über die Portugiesen erfochten hatten, nebst der Gesandtschaft des Sir Thomas Roe, hatten zwar den Charakter der Engländer in Hindostan in größeres Ansehen gebracht, die englische Compagnie hatte dadurch wichtige Vortheile in ihrem Handelsverkehre mit dem mongolischen Reiche erlangt, die die Holländer vergeblich für sich nachgesucht, jedoch warm die Englander diese Vortheile vorzüglich dem Umstände schuldig, daß sie in Indien bloß als Kaufleute erschienen, mit strenger Red- 256 Ä "'------------ lichkeit und einfachen Sitten, und wodurch sie sich von den Portugiesen und Holländern bedeutend unterschieden. In dieser Periode war die englische Compagnie weiter nichts, als eine Verbindung von Kaufleuten ohne militairischc und politische Pläne. Der Handelsgewinn war vcrhältnißmäßig sehr gering im Vergleich zu ihrem Eifer, ihrer Industrie und dem verwendeten Capitale. Im Jahre 1612, als die einzelnen Antheile der Mitglieder in ein allgemeines Capital vereinigt wurden, belief sich dic Summe, wie schon früher erwähnt wurde, auf 1,500,000 Pfd. St., die also das Capital der holländischen Compagnie um 900,000 Pfd. St. überstieg. Und doch betrug der ganze Gewinn der englischen Compagnie binnen 15 Jahren (von 1617 ^1632) nur I2V2 Procent ihres Capitals, so daß sie zu dieser Zeit, von welcher wir reden (1619), also sieben Jahre nach der geschehenen Vereinigung ihres Capitals, noch kaum sechs Procentc vertheilt hatten. Die Vergleichung dieses Gewinnes mit dem der Holländer während der nämlichen Periode zeigt ein auffallendes Mißverhältniß in den Fortschritten des merkantilischcn Wohlstandes der englischen Compagnie, während er auch ein redendes Beispiel ist von der Wirksamkeit eines gleichförmigen und strengen Systems in der Oeconomie und Leitung kaufmännischer Angelegenheiten. Doch befand sich ein beträchtlicher jährlicher Ueberschuß zu Gunsten der englischen Compagnie. Im Laufe von 19 Jahren, die seit ihrer Errichtung verflossen waren, hatten sic die Summe von 548,000,900 Pfd. St. in spanischem Silber ausgeführt, dergleichen in wollenen Tüchern, Zinn, Blei und Eisen den Betrag von 292,000,286 Pfd. St., zusammen also für den Gesammtbetrag von 840,001,186 Pfd. St., also jährlich eins in's andere für 44,210,588 Pfd. St. Im Jahre 1618 erlitt die englische Compagnie einen schweren Verlust durch die Secräubereim der Holländer, der Beschwerden und Vorstellungen ungeachtet, welche sie häufig gegen diese Uebcr-fälle und Beraubungen gemacht hatten. Unter dem nichtigen 257 Vorwande, daß die englischen Factorm einige der angemaßten holländischen Privilegien auf den indischen Inseln beeinträchtigten, griffen die Holländer zwölf englische Schiffe an und nahmen sie weg; sieben davon confiscirtm und verkauften sie. — Die Compagnie hatte jedoch immer noch 2t Schiffe in ihrem Dienste, deren Gcsammtlast 10,000 Tonnen betrug und die mit 2500 Seeleuten bemannt waren. In Indien hatten sie 120 Factoren und Superkargen zu ihrem Dienste, die in den verschiedenen Städten statio-nirt waren, wo sie Waarenlager und andere Gebäude für ihre Handclszwecke errichtet hatten. Von diesen Orten und dem damit errichteten Handelsverkehre haben wir schon früher berichtet. Die Compagnie besaß kein Gebiet oder irgend eine Art von Herrschaft in Indien, außer auf der Insel Lantorc, deren Besitz ihnen die inalayischm Fürsten zugestanden hatten, wo von ihnen der Anfang gemacht worden war, eine Niederlassung zu errichten und einigen Einfluß auszuüben. Diese Gewalt war ebensowohl auf das persönliche Interesse der Einwohner wegen der Vortheile, die sie von dem europäischen Handel zogen, als auf die günstige Meinung gegründet, welche die Einwohner von den Engländern hegten, und wurde durch das Gefühl gegenseitigen Vertrauens und Vortheils unterhalten, das von Anbeginn an hier bestanden hatte. Die Insel wurde von einem Handelsagenten der Compagnie regiert, der dreißig andere Englander als Comptoirdimer, Schreiber, Aufseher und Waarenhausgchülfcn unter sich hatte; diese nebst etwa 250 bewaffneten Malaycn waren die einzige Macht, womit sie sich vertheidigen konnten. Auf den Inseln Amboina, Banba und Poolaway besaß die Compagnie ausgedehnte Factoreien, in jeder residirten zehn Handelsagenten; in Macassar, Acheen, auf der Insel Sumatra, sowie in Bantam auf der Insel Java besaß sie gleichfalls Factoreien, obgleich weniger bedeutend als die in den Molukken. Van Mütern, Ostindien. I. 17 Dies war die Lage der englischen Compagnie im indischen Archipelagus, wo die Herrschaft und Ueberlegenheit der Holländer fest begrünbet war. In Folge des Ueberblicks, den wir hier von der gegenseitigen Lage beider Compagnien gegeben haben, ist es augenscheinlich, daß die Holländer nicht die geringste Ursache zu einer Besorgniß über das Benehmen der Engländer hatten, die sie eben als Vorwand anwendeten, um unter dem Scheine der Noth und Selbstverthcidi-gung ihre Räubereien gegen die Engländer zu rechtfertigen. Es ist gar leine Thatsache als Beweis aufzufinden, daß die Englander jemals auch nur dm Wunsch geäußert hätten, die Holländer aus den Gewürzinseln zu verdrängen, und hätten sie ihn auch gehabt, so wäre er durch die Ueberzeugung von der Unmöglichkeit unterdrückt worden. Aber das redliche Benehmen der englischen Factorm und ihr Mangel an ehrgeizigen Plänen gab den eingeborenen Handelsleuten die günstigste Meinung von ihnen und ließ das übermüthige Betragen der Holländer im grellsten Contraste erscheinen. Das merkten diese auch sehr wohl und um dieser ihr Interesse schmälernden Wirkung zuvorzukommen, blieben ihnen nur zwei Mittel übrig, entweder ihr eigenes Betragen zu bessern, oder die Engländer gänzlich vom Gewürzhandel auszuschließen . und aus diesen Gegenden, wo sie ein so schwer zu befolgendes gutes Beispiel gaben, zu vertreiben. Die Habsucht, das vorherrschende Princip, trieb die holländische Compagnie an, das letztere Mittel zu wählen, das sie mit natürlicher Leidenschaft verfolgten, und weder das Gefühl der Gerechtigkeit und Furcht vor kommender Vergeltung, noch die in Europa bestehende Freundschaft zwischen England und Holland konnten diese Leidenschaft zügeln. Jeder Kunstgriff, den die Spitzfindigkeit nur immer erfinden konnte, wurde angewandt, um das gute Einvernehmen der Engländer mit den Eingeborenen zu stören und MißlMgkeitm zwischen ihnen hervorzurufen, damit ihrem 259 Handel jedes mögliche Hinderniß in den Weg treten sollte und sie endlich angereizt werben möchten, die angemaßten Privilegien der Holländer zu verletzen. Man wollte sie erbittern, sie zwingen, zu Maßregeln eigener Sicherheit zu greifen und dann den Vorwand zu Feindseligkeiten gegen sie geltend machen. Die gegenseitige Erbitterung, welche diese Handlungsweise hervorbringen mußte, der den Engländern daraus erwachsende Rachtheil wurde endlich Gegenstand von Vorstellungen und Beschwerden Seitens der englischen Nation selbst. Die Directorm der englischen Compagnie hatten früher schon eine Untersuchung dieser Mißhelligkeitm angestellt, das Resultat den Directoren der holländischen Compagnie mitgetheilt und gewisse Vorschläge zu einem gütlichen Vergleich daran geknüpft. Zwei Unterhandlungen zwischen beiden Compagnien wurden nach einander eröffnet, aber die ernannten holländischen Commissarien brachten in jene Con-serenzen alle Erbitterung ihrer Gebieter mit, und anstatt die Streitigkeiten zu besänftigen und auszugleichen, erweiterten und verwickelten sie dieselben nur noch mehr und brachen die Unterhandlungen mit so viel Groll und Zorn ab, daß endlich die beiderseitigen Regierungen sich in's Mittel legen mußten. Beide Compagnien wurden angewiesen, neue Commissarien für die Beilegung ihrer Mißhclligkeiten zu ernennen, die unter Aufsicht von Beglaubigten des Königs von England und der Generalstaaten unterhandeln und einen Friedens- und Frcundschaftstractat abschließen sollten. Die Commissaricn und Bevollmächtigten versammelten sich in London Anfangs Juni 1619 und nach vielen langweiligen Untersuchungen und Veranschlagungen wurde endlich am 7. Juli ein feierlicher Allianz- und Freunbschaftstractat zwischen beiden Compagnien abgeschlossen, der vom englischen Könige und von den Gcneralstaatcn bestätigt wurde. Durch diesen Vertrag wurde stipulirt: 1) daß eine allgemeine Vergessenheit aller Beleidigungen von beiden Seiten 17' 260 stattfinden, alle Gefangenen frei und alles geraubte Eigenthum zurückgegeben werden solle; 2) daß die Diener beider Compagnien einen freundlichen Verkehr mit einander unterhalten und bei allen Gelegenheiten gegenseitig sich beistehen sollten; 3) daß der Handel nach Indien beiden Theilen freistehen solle; 4) daß zum Vortheile des Handels beide Theile die übermaßigen Abgaben, die in Indien bezahlt wurden, zu vermeiden und auf einen festen Fuß zu setzen suchen sollten, auch die Sitte des Geschcnkgebms aufzuheben; 5) daß ein maßiger Preis für alle Waaren in Indien festgestellt werde; 6) daß ebenfalls ein bestimmter Preis ausgemacht werden sollte, unter welchem es verboten sei, bei öffentlichen oderPrivat-verkäufen die indischen Waaren in England und Holland auf eine bestimmte Icit zu verlaufen; 7) daß in Absicht, alle Eifersucht zu verhindern, die Factoren beider Compagnien sich wegen eines mäßigen Preises für den Pfeffer in Bantam und anderen Märkten der Insel Java sich verständigen sollten und eine vollständige Handelsfreiheit in Betreff der anderen Productc dieser Insel für beide Theile bestehen sollte; 8) daß die englische Compagnie einen freien Handel nach Poolicate auf der Küste von Coromandel genießen solle und für dieses Privilegium die Hälfte der Unkosten für den Unterhalt der englischen Forts und Garnisonen dieses Orts tragen sollte; 9) daß auf den Inseln Amboina und Banda der Handel mit gegenseitiger Bewilligung der Art festgestellt werden solle, daß ein Drittel den Engländern und der Rest den Holländern gehöre; 40) daß die Probucte beider Inseln von den Factoren beider Compagnien für den laufenden Preis gekauft und dann durch das Loos zwischen beiden Theilen vertheilt werden sollten, daß in dieser Absicht den Engländern und Holländern freistehe, ihre beiderseitigen Forts und Factoreien zu besuchen; 44) daß für die gegenseitige Veschützung ihres Handels jede Compagnie zehn Kriegsschiffe, jedes von 30 Kanonen, ausrüsten solle; 12) daß die Forts und Garnisonen in Banda und Amboina aus dem Ertrage der 261 auf diesen Inseln erhobenen Ausfuhrgebühren swelche von dem holländischen Rathe festgesetzt und von den Agenten beider Compagnien angenommen werden müßten) bezahlt und unterhalten werden sollten; l3) daß für die bessere Beschützung der Gcwürz-inseln ein Vcrtheidigungsrath eingesetzt werden solle, der aus acht Beisitzern bestehen und zwar in gleicher Anzahl von beiden Nationen zusammengesetzt und jeder der Ncihe nach den Vorsitz führen sollte; daß dieser Vertheidigungsrath die Macht habe, bei gewissen Gelegenheiten die Kriegsschiffe auch zum Transporte der Waaren von einem Hafen zum andern in Indien zu gebrauchen, und im Falle der Noth selbst die Handelsschiffe beider Nationen als Kriegsschiffe zu verwenden; 14) daß die in irgend einem für die allgemeine Vertheidigung stattgehabten Gefechte erlittenen Verluste von beiden Compagnien zu gleichen Theilen getragen und die Prisen ebenso getheilt werden sollten; 15) daß die Forts und Factoreim beider Parteien in den Händen Derjenigen bleiben sollten, die sie bei Unterzeichnung dieses Vertrages eben im Besitz haben würden; 16) daß, in Betreff des Vorschlags der englischen Compagnie, Forts für die Sicherheit ihres Eigenthums zu errichten, derselbe 2—3 Jahre unentschieden bleiben solle, bis man genügende Zeit gehabt habe, diese Sache reiflich zu überlegen, Art und Anzahl der Forts zu erwägen und zu einem befriedigenden Entschlüsse kommen zu können; 17) daß die Forts, welche durch die vereinigte Macht beider Compagnien von einem gemeinschaftlichen Feinde genommen werben würden, auch von beiden zugleich besessen, beseht und unterhalten werden sollten; 18) daß die contrahiren-den Parteien einander nicht hinderlich sein sollten, mit irgend einer Nation in Indien Handel zu treiben, mit der sie etwa abgesonderte Verträge schließen möchten; 19) daß der Handel von ganz Indien beiden Theilen frei und offen stehen solle, sowohl in den Besitzungen beider Compagnien, als in anderen Seehäfen, und endlich 20) daß dieser Vertrag zwanzig Jahre in Kraft 262 bleiben sollte und im Falle, baß während dieser Zeit Mißhellig-keiten zwischen den Dienern beider Compagnien sich erheben könnten, die weder der Rath in Indien noch die Direction in Europa beizulegen vermöchten, solche dem Könige von England und den Generalstaatcn der vereinigten Provinzen zur Entscheidung vorgelegt werden sollten. — — Wir haben hier eine genaue Uebersicht dieses berühmten Vertrages gegeben, von dem man hoffte, daß er heilsame Folgen haben würde, der aber, anstatt auch nur kurze Zeit einigen Nutzen zu stiften, von den holländischen Gouverneurs in Indien gänzlich vernachlässigt und bei Seite geseht worden zu sein scheint, denn bald nach Publication desselben verletzten sie seine Grundsätze und übertraten seine bestimmtesten Stipulations. Einige dieser Sätze waren freilich wenig geschaffen, die gegenseitige Eifersucht zu mildern und die Rückkehr von Streitigkeiten zu hindern, die der Vertrag gerade beseitigen wollte. In den Artikeln besonders, welche die Gewürzinscln betreffen, wo der Handel gerade die Hauptquelle aller Streitigkeiten gewesen war, bleibt es sonderbar und thöricht, anstatt eine gänzliche und klare Absonderung des Handels und der übrigen Angelegenheiten beider Compagnien festzustellen, die Com-missarien sich im Gegentheile vereinigt hatten, eine Gemeinschaft der Interessen zu bedingen und die widersinnigsten Anordnungen für die Vertheilung der Productc dieser Inseln zu veranstalten, sowie für die vereinigte Führung des Handels zwischen Leuten, die nie aufhören konnten ihre Concurrenz zu fühlen und ihre seitherigen heftigen Streitigkeiten in Wahrheit zu vergessen. Der geringste Scharfsinn hätte diesen Unterhändlern die Unausführbarkcit ihrer Anordnungen voraussehen lassen sollen, und wären sie auch ausführbar gewesen, so hätten sie selbst zwischen weniger feindlichen Parteien, wie Engländer und Holländer warm, zu Streitigkeiten führen müssen. Die englischen Commissanen waren darum um so mehr zur Vorsicht verpflichtet und verbunden gewesen, bessere 263 Gewährleistungen für den Frieden zu fordern, zumal ihre Compagnie eine viel zu geringe Macht barbot, um im Falle eines neuen Bruchs mit den Holländern ihre Niederlassungen vor einem gewissen Verderben zu schützen. Und doch ließen sie die Frage wegen der Festungen unentschieden, den einzigen gewissen Schuh ihrer Unabhängigkeit und ihres Eigenthums. So groß war jedoch die Muthlosigkeit und bcklagmswcrthc Thorheit der englischen Regierung, daß die königliche Genehmigung einem Tractate ertheilt wurde, der den englischen Handel gänzlich der Gnade habsüchtiger, grollender, übermüthiger Nebenbuhler preisgab, die man völlige Ursache hatte mit Mißtrauen zu betrachten. Die Habsucht der holländischen Gouverneure in Indien war so groß, daß sie, von den geheimen Wünschen ihrer Gebieter zu gut unterrichtet, zwar den Vertrag in Indien bekannt machten, aber durchaus nicht in Kraft setzen ließen. Schon zwei Monate nach der Publikation verletzten sie ohne Scheu öffentlich eine seiner Haufttbcdingungcn. — Es war ausdrücklich im Vertrage stipulirt, daß „die Besitzungen der contrahirenden Parteien in bm Händen der zeitigen Besitzer bleiben sollten." -^ Die Insel Lantore, die vier Jahre vorher von den malayischen Oberhäuptern den Engländern freiwillig und in aller Form abgetreten worden, also nach allen Rechten ein unzweifelhaftes Eigenthum und eine vom Vertrage eingeschlossene Besitzung war, wurde der erste Streitpunkt. Die holländische Regierung in Batavia beschloß unter dem nichtigen Vorwande eines früherm, fingirten Rechts, eine Niederlassung auf dieser Insel zu errichten und wenigstens deren Vortheile mit zu genießen, wenn nicht die Engländer ganz von der Insel zu vertreiben. Eine Erpedition wurde daher ausgerüstet und nach Lantore gesandt; der sie befehligende Officier hatte die Ordre, die Engländer nicht zu beunruhigen, wenn sie sich nicht widersetzen würden. Die Einwohner, welche einen unversöhnlichen Haß gegen die Holländer hegten wegen der vormals dort verübten Grausam- 264 leiten, sahen kaum deren Flotte erscheinen, als sie sich in großer Anzahl versammelten und sich der Landung widersetzten. Die Engländer, höchst erstaunt über diesen ganz unerwarteten Angriff auf ihre unabhängige Besitzung, die soeben durch feierlichen Tractat bestätigt worden war, beschlossen ihre Rechte und Freiheiten auf das Aeußerste zu vertheidigen und vereinigten sich mit den Ma-layen, welche sie gegen die landenden Holländer anführten. Dieser zwar muthvolle und gerechte, aber unglückliche Entschluß brachte die Angreifer zum Zom, aber er war ihnen zugleich willkommen, da er ihnen einen Vorwand gab, sich der englischen Niederlassung zu bemächtigen, da deren Besitzergreifung ja der eigentliche Zweck ihrer Ankunft war. Die englische Stadt war durch eine Mauer von der Landscitc und durch eine kleine Schanze von der Seeseite vertheidigt, nach welcher einige Kanonen aufgepflanzt waren, und da die englischen Factorcn selbst mit den allergemein-sten Grundsätzen der Vertheidigungskunst gänzlich unbekannt waren, so war ihr Widerstand anch nur schwach und kurz. Die discipli-nirten holländischen Soldaten überwanden die Malayen leicht und nahmen den Platz mit Sturm ein. Die wenigen Engländer, welche der ersten Wuth der Stürmenden entgingen, forderten Pardon nnd erhielten ihn auf kurze Zeit, nicht aus Menschlichkeit, sondern um sie für ein Schicksal nufzubewahren, das den Charakter ihrer Ucbcrwindcr mehr als grausam erscheinen ließ. Nachdem sie viel Geld und kostbare Waaren, welche die Stadt enthielt, auf ihre Schiffe geschleppt, sowie die Wohnhäuser der Factorcn geplündert und zerstört hatten, befahl der holländische Befehlshaber (dessen Name leider dem schwarzen Buche der Geschichte verloren gegangen ist), die wenigen Engländer, welche den Sturm überlebt und sich der Gnade der Sieger anvertrauet hatten, nackend auszuziehen, zu binden und öffentlich zu geißeln; während sie noch von Blut trieften, legte er sie in Ketten, schleppte sie mit kannibalischem Vergnügen durch die 265 Straßen, und als er sich endlich an ihren Martern genug gesättigt hatte, ließ er sie von der Stadtmauer hinabstürzen. Und das thaten Christen gegen Christen — die den Timm noch an Grausamkeit und Blutgier übertrafen. Nach Beendigung dieser furchtbaren Scene begaben sich diese Ungeheuer auf ihre Schiffe zurück und segelten nach der Insel Poolaway, wo sie die gleichen Räubereien und Mordsccnen an den dort wohnenden Engländern begingen. Das war die erste praktische Ausführung des frisch geschlossenen Friedens- und Freundschaftsvertragcs, wie ihn die Holländer aufgefaßt hatten! — Als die Nachricht dieser unerhörten Handlung England erreichte, wurde die ganze britische Nation von Abscheu, Schmerz und Nachcgcfühl ergriffen. Die Verrätherei der Holländer und ihre Kannibalen-Grausamkeit empörte jedes Herz; die Regierung, obgleich nichtssagend und schwach, war es doch ihrer eigenen Ehre und der Nation schuldig, diese schmachvolle Verletzung eines Tractates, den der König selbst unterschrieben hatte, zu ahnden, das Volk rief nach Rache und Vergeltung. Diese Rücksicht, welche die Nation von der Negierung forderte, war für letztere gewiß von weit größerer Wichtigkeit, als der damals zwischen Böhmen und dem Hause Oesterreich ausgcbrochmc Krieg, der leider die englische Regierung mehr intcressirtc, obgleich er sie gar nichts anging. König Jacob, mit seiner seichten, zaghaften Politik, mit so vielen kindischen Vorurtheilen vermischt, die seine bedeutungslose Regierung charaktcrisirten, überließ die Ahndung dieser, der englischen Nation und ihm selbst zugefügten Beschimpfung und Unmcnschlichkcit ganzlich der Compagnie und widmete unterdessen seine ganze Aufmerksamkeit den deutschen Angelegenheiten, von denen er die höchst ungegründete Hoffnung hegte, daß er den Schiedsrichter davon abgeben würde. Aus diesem Grunde forderte der schwache Monarch keine 266 Genugthuung für die Grmclthat von den Generalstaaten und machte nicht einmal eine Reclamation dagegen. Die Voltswuth erschöpfte sich in nutzlosen Klagen, daß eine große, stolze und mächtige britische Nation sich von einem „Krämervolke", wie sie sagten, öffentlich beschimpfen und mißhandeln lassen müsse und von der Regierung verlassen werde. — Die ganze Angelegenheit endigte mit einem Federkriege zwischen der englischen und holländischen Compagnie. Die gerechten Vorwürfe der englischen Factoren wurden von den Holländern durch eine ausführliche Vertheidigung des Betragens ihrer ostindischen Regierung beantwortet. Der Inhalt dieser Vertheidigung lautet im Auszuge folgendermaßen: „Es wird behauptet, daß die Holländer ein älteres Recht auf die Inseln Lantore und Poolaway hätten und daher kein nachfolgender Actus Seitens der Oberhäupter dieser Inseln, die den Holländern schon lange alle Rechte abgetreten hätten, die Ansprüche der Holländer entkräften könnten; daß, was die Feindseligkeiten betreffe, welche gegen die englischen Factoren verübt worden seien, so habe die holländische Regierung für gut befunden, die Insel Lantore anzugreifen, um deren malayische Oberhäupter wegen Uebertretung der mit ihnen geschlossenen Verträge zu bestrafen; daß die englischen Factoren durch den Beistand, den sie den Eingeborenen leisteten, den zwischen beiden Compagnien bestehenden Freundschaftstractat verletzt hatten und deßhalb allein für die Unglücksfälle, die sie betroffen, verantwortlich wärm." Die Antwort der englischen Compagnie auf diese unwahre Vertheidigung war unumstößlich und entscheidend; sie behauptet: „daß der von den Holländern angeführte Vorwand durchaus falsch sei, daß die eingeborenen Oberhäupter von Lantore den Holländern niemals ein Recht auf ihre Insel abgetreten hätten; daß dieser Punkt nicht nur durch das allgemeine Zeugniß der Eingeborenen selbst, sondern auch durch das Bekenntniß der Holländer 267 genugsam erwiesen sei; daß in bm früheren Streitigkeiten zwischen beiden Compagnicen die Holländer nur auf ein Versprechen der malayischen Oberhäupter Anspruch »nachten, durch welches diese sich verpflichteten den Holländern unter gewissen Bedingungen ihre Rechte abzutreten, baß aber die ganze Welt wisse, wie die Holländer jene Bedingungen niemals ausgeführt hätten und daß das Recht der englischen Compagnie auf alle Plätze, die sie zm Zeit der Bestätigung des jüngst geschlossenen Vertrages besaß, ihr ^urch eine ausdrückliche Bedingung des Tractats zugesichert worden sei." — Die englische Compagnie erreichte dadurch nichts weiter, als das Zeugniß der Unparteilichkeit, die Vorwände der Holländer durch wahre Beweise widerlegt zu haben; denn einige schwache, fast tränkende Beileidsbezeugungen für die geopferten Engländer und eine schwache Mißbilligung der Aufführung der Officiere ihrer Schiffe war die ganze Genugthuung, welche die englische Nation von der holländischen Compagnie erreichte. Alle Verhandlungen der Holländer in dieser Zeit beweisen deutlich, baß sie den bestimmten Plan entworfen hatten, die Engländer ganzlich aus den Gewürzinseln zu vertreiben, und ihre Beweggründe, den neuesten Trac-tat zu unterzeichnen, keine andere waren, als um nur Zeit zu gewinnen, den Plan reifen zu lassen und um ihre Rivalen in eine falsche Sicherheit einzuschläfern, welche die Ausführung jenes geheimen Planes nur erleichtem und beschleunigen konnte. Der Commandant der Expedition nach Lantore überschritt wahrscheinlich seine Vcrhaltungsbefchle, aber die holländische Compagnie, auf den friedliebenden Charakter des englischen Königs und auf den Umstand rechnend, daß er zur Zeit mit der Politik des europäischen Festlandes sehr beschäftigt war, sah den ergriffenen Zeit-Punkt als günstig an, um ihre Pläne ernstlich zu verfolgen. Sie war daher wenig geneigt, eine Ucbercilung im Betragen ihrer Beamten zu mißbilligen, obgleich dasselbe von Gewaltthätigkeiten bezeichnet war, die jedoch die stillen Wünsche nur förderten, und was 268 die dadurch erregte Empfindlichkeit der Engländer betraf, so verließ sich die holländische Compagnie auf ihre Geschicklichkcit, dieselbe beschwichtigen zu können. Der Erfolg bewies die Nichtigkeit ihrer Ansichten genügend und ihre feindliche Politik wurde von nun an ununterbrochen fortgesetzt. Während die Engländer diese schweren Verluste und die schmachvolle Behandlung seitens ihrer sogenannten Verbündeten im östlichen Archipelagus erduldeten, entschädigte sie einigermaßen das Glück für diese Unglücksfällc, indem ihre Unternehmungen und Waffen auf der westlichen Seite Indiens begünstigt wurden. Im Anfange des Jahres 1620 ließ die Compagnie vier neue Schiffe von Stapel laufen, zwei von 400, zwei von 800 Tonnen Last, welche wieder für Krieg und Handel zugleich ausgerüstet wurden und besonders zur Beschützung ihres Handels auf der malabanschen Küste und im persischen Meerbusen gegen die Angriffe der Portugiesen bestimmt warm. Dieses Geschwader verließ England im Februar unter dem Commando des Eapitain Spelling und erreichte die Küste von Indien in der Mitte des Sommers. Nachdem er Varoach besucht hatte, begab sich Spelling nach dem persischen Meerbusen, wo er an dessen Eingänge einer portugiesischen Flotte von vier großen Schissen (Galleoncn) von 40 Kanonen, nebst zwei kleineren Schiffen (Galliotcn) und zehn Galeeren, begegnete. Ungeachtet der großen Ueberlegmheit des Feindes beschloß Spelling, seinen Verhaltungsbcfehlen gemäß, sich in seinem Laufe nicht aufhalten zu lassen, und als die portugiesische Flotte eine Bewegung machte, um ihm den Weg zu versperren, griff er sie sogleich an und nach einen: hartnäckigen und blutigen Kampfe, welcher neun Stunden währte, zwang die Dunkelheit der hereinbrechenden Nacht die portugiesische Flotte, den Kampf zu unterbrechen. Als am andern Morgen die Portugiesen sahen, daß die Engländer bereit waren, den Kampf wieder aufzunehmen, segelten 209 sie nach Ormus und ließen der englischen Flotte Freiheit, ihren Weg siegreich fortzusetzen. Als Spelling nach der malabarischen Küste zurückkehrte, wurde er zum zweiten Male von den Portugiesen, die unterdessen ihren erlittenen Schaden ausgebessert hatten, angegriffen, es erfolgte eine noch blutigere Schlacht, als das erste Mal; zwei der größeren portugiesischen Schiffe wurden in den Grund gebohrt, die übrigen zer-ftrcuctcn sich, die Engländer aber erkauften den Sieg theuer durch den Tod ihres tapfern Spelling, der das Eigenthum der Compagnie mit großem Muthe vertheidigt und die Ehre der englischen Flagge aufrecht erhalten hatte. Die Wirkung dieses Sieges wurde bald gefühlt, sowohl in der Ausdehnung des englischen Handels, als in dem vermehrten Einflüsse der Compagnie im westlichen Indien. Im Osten dagegen hatte sie sich ohne Widerstandsmacht der holländischen Oberherrschaft unterworfen, die nach und nach den englischen Gewürzhandel gänzlich unterdrückte. Angereizt durch die ruhige, sorglose, fast fahrlässige Art, womit die englischen Factoren auf den Inseln den Handel ihrer Compagnie betrieben, glaubten die Holländer, daß zur Ausführung ihrer Plane nun die Zeit gekommen sei; ihre Regierung mBatavia begann daher ihre Handlungen, die in den Annalen der Geschichte ewig durch Barbarei und Treulosigkeit gebrandmarkt sind. Die erste Scene dieser Thaten ist durch die Bezeichnung „das Blutbad von Am boina" bekannt. Die gegen die englischen Factoren vorgebrachte Anklage, daß sie eine Verschwörung zur Vertilgung der Hollander entworfen hätten, das Necht der Gerichtsbarkeit über diese Factoren, das sich die holländische Regierung widerrechtlich anmaßte, die Feierlichkeit einer öffentlichen Verhandlung, um dem Raube und Morde einen gesetzlichen Anstrich zu geben, die Gräßlichkeit der Verbrechen, die unter dem Schutze eines öffentlichen Verhörs begangen wurden, die sophistische Vertheidigung dieser Verbrechen durch die holländische Compagnie und die noch außerordent- 270 lichen Ergebung Englands in diese unerhörte Verletzung des Völkerrechts, der Nationalehre, der Moral und des allgemeinen Menschheitsrechts — alles dieses zusammen erfordert eine vollständige Erzählung der Umstände, die diese Begebenheit geschichtsgetreu begleiteten und von unzähligen Historikern absichtlich oder unwissend entstellt worden sind; es wäre der Würde der Geschichte wenig angemessen, die Verbrechen holländischer Factoren und die Leiden englischer Handelsagenten in einer so fernen Zeit und in einem so abgelegenen Winkel der Erde weitläufig zu erzählen, wenn es nicht darauf ankäme, daß Ehre und Charakter zweier europaischer Nationen eng in diese Begebenheit verwickelt wären, und baß wir im Stande sind, mit der größten, unparteilichen Treue zu berichten, wie wir es im nächsten Kapitel unternommen haben. Hchnw Kapitel. Das Blutbad von Amboina; in der Thatsache und auf dcm Actcn- papiere. Amboina, die größte und fruchtbarste der molukkischen Inseln, gehörte größtmtheils den Holländern, die eine sehr beträchtliche Niederlassung daselbst errichtet hatten. Die Engländer besaßen ebenfalls fünf Factoreien auf der Insel, die in verschiedenen Theilen derselben erbauet waren. Die Besitzungen der Holländer waren durch vier Forts beschützt, von denen das beträchtlichste bei der Stadt Amboina, der Hauptstadt der Insel, lag. Die Festungswerke dieses Ortes waren regelmäßig gebauet, sehr fest und mit einer großen Anzahl Kanonen besetzt; gegen die Lanbscite waren die Werte von einem breiten und tiefen, von der See mit Wasser gefüllten Graben umgeben, auf der Seeseite aber durch das Meer selbst vertheidigt, das den Fuß des Walles bespülte. Die Festung war durch 200 holländische Soldaten, einer Milizcomftagnie und 400 gut disciplinirtc Mardykcr besetzt. Die auf der Rhcde liegende, für Krieg und Handel ausgerüstete Flotte trug viel zur Sicherheit des PlatzcS bei; hier hatten die Engländer ihre Haufttfactorei und die meisten ihrer Factoren wohnten in Amboina. Seitdem die Erbitterung, die über den 272 Vorfall zu Lantorc entstanden war, sich zu mildem begonnen hatte, lebten die Engländer unter holländischem Schutze in der Stadt und, wie es scheint, mit dem Zutrauen, das die alte, früher herrschende Freundschaft beider Nationen und der kürzlich geschlossene Tractat ihnen einflößen mußten. Dieses Zutrauen scheint noch durch den heftigen, geheuchelten Unwillen bestärkt worden zu fein, den die Holländer in Amboina über die Vorfälle in Lantore bezeigten, und diese arglistige Politik wiegte die Engländer in eine unglückliche Sicherheit ein, die sie bald schwer büßen mußten. Der Same der Zwietracht war in der Habsucht der Hollander zu tief gewurzelt, um nicht die Bedingungen des neuen Tractates für sich auszunützen und die scheinbare Ruhe auf Amboina zu erschüttern, wenn auch nicht die Regierung selbst den Plan dazu längst entworfen gehabt hätte. Die englischen Factorcn hatten angefangen, sich über die unbillige und unnöthigc Last zu beschweren, die ihnen die Holländer für den Unterhalt der Festungswerke und der Garnison auferlegten, sie führten an, daß man sie zwinge, ihren Antheil an baarem Gelde zu bezahlen, während die holländische Regierung ihren Antheil in Proviant hergebe, der dreimal höher angerechnet werde, als er wirklich koste, dadurch müßten sie, die Factoren, zwei Drittel von der Last bezahlen, von der sie, den ausdrücklichen Bedingungen des Tractates zufolge, nur die Hälfte zu tragen hätten. — Diese Beschwerden wurden dem Rathe von Batavia über-sandt, der, nach einigen Berathschlagungcn, darüber nicht entscheiden wollte, sondern sie nach Europa sandte. Mittlerweile wurden die zu Amboina daraus entstandenen Streitigkeiten täglich heftiger, doch müssen die Engländer keine Gefahr eines offenen Bruches geahmt haben, da sie nach wie vor ihre Geschäfte sorglos betrieben. Ein Zufall aber, der sich jetzt ereignete und der holländischen Regierung eine Art von Vorwanb gab, um die feindliche Maske abzuwerfen, entflammte den Streit zur offenen Leidenschaft. 273 Gin japancstscher Soldat im Dienste der Holländer pflog zufällig einmal in der Nacht eine Unterredung mit einer europäischen Schildwache, die ihren Posten auf dem Walle der Festung hatte; unter anderen Gegenständen, worüber sie sich unterhielten, that der Japanese verschiedene Fragen über die Festungswerke, die Zahl der Kanonen, die Stärke der Garnison. Die jaftancsischen Truppen versahen den Dienst in der Stadt, aber nicht in der Festung, von deren Garnison sie ausgeschlossen waren, so daß man, wie es scheint, einen gewissen Argwohn gegen ihre Treue hegte. — Ein holländischer Officier, der die Schildwache mit dem Japanesen sprechen gesehen hatte, fragte dieselbe nach dem Inhalte dieser Unterhaltung und hielt dieselbe wichtig genug, dem Gouverneur Bericht darüber abzustatten. Der Japanese wurde auf der Stelle arretirt, unter dem Vorwande, daß er irgend einen vcrräthcnschcn Anschlag kennen und darin verflochten sein müsse; man brachte ihn auf die Folterbank und nach den furchtbarsten Martern bekannte er endlich, daß er und einige seiner Landsleutc des angeblichen Verbrechens schuldig wären. Seine angeblichen Mitschuldigen, nebst einem Portugiesen, der Aufseher der Sclaven der Holländer war, wurden auch eingezogen und ebenfalls auf die Folter gespannt. Das Verhör dieser unglücklichen Schlachtopfer holländischer Unmenschlichkcit dauerte vier Tage, während der die englischen Fac-toren ihre Geschäfte ill der Festung wie gewöhnlich verrichteten, ein Beweis, daß sie keinen Argwohn hegten, von der holländischen Negierung in diese angebliche Verschwörung hinein geflochten zu werden, sondern sich unschuldig fühlten. Sie waren überdies gänzlich unbekannt mit dem Japanesen und dem Portugiesen, die bereits unter den hmkcrmäßigcn, holländischen Verhandlungen gelitten hatten. Es gab aber außer diesem Umstände noch einen anderen, dessen sich die holländische Regierung begierig bediente, um einen scheinbaren Anklagepunkt gegen die Engländer zu finden. Wan Mötern, Ostindien, i 18 274 Ein Engländer, Namens Price, ehemals Wundarzt der englischen Factorei, befand sich gerade im Gefängniß der Festung, weil er in der Trunkenheit gedroht hatte, das Haus eines Holländers. anzuzünden, gegen den er einen persönlichen Haß hegte. Die Absicht der Holländer verknüpfte diese Drohung mit der angeblichen Verschwörung und man erklärte, Price müsse ein Mitschuldiger sein. Er wurde daher vor dm Fiscal in das Verhör geführt, als gerade der unglückliche Japanese die Marter der Folter zum zweiten Male duldete. Man eröffnete dem Price, die Engländer wärm angeklagt, Mitverschworene eines soeben entdeckten Com-plots zu sein und daß er, wenn er nicht auf der Stelle alle Umstände entdecken würde, eine weit härtere Marter ausstehen müsse, als die, die der Japanese eben vor seinen Augen erduldete. Price antwortete mit Festigkeit, er wisse von keinem solchen Anschlage und habe also auch nichts zu entdecken, aber die Ausführung der ihm gemachten Drohung und die abscheuliche Marter, welche er erlitt, überwältigten seine Standhaftigkeit und sein Gewissen und er bejahte alle Fragen seiner Henker und Nichter. ^ Auf diese einem Gefolterten abgepreßten angeblichen Bekenntnisse ließ die holländische Regierung den Chef der englischen Factorei, Tow er son, und alle englischen Factorm auf der Insel Amboma gefangen nehmen. Dieser willkürlichen, boshaften Maßregel folgte ein summarisches Verhör der Gefangenen, sowie die Folter, um ihr Bekenntniß dem Willen der Peiniger genehm zumachen. Beaumont und Johnson, zwei englische Factoren, wurden zuerst verhört; der letztere wurde auf die Foltrr gespannt, während der erstere in einem anstoßenden Zimmer sich befand, wo er das Aechzen seines Leidensgefährten deutlich vernehmen konnte, so daß das nämliche Marterinstrument, das den Einen peinigte, auf den Geist des Andern durch Furcht einwirken sollte. Nachdem Johnson die Marter mit unerschütterlicher Standhaftigkeit ertragen hatte, wurde er mit Price 275 confrontirt, bestand aber mit mannlicher Festigkeit auf seine Unschuld. Den verschiedenen, furchtbaren Martern der Foltcrkunst durch Wasser und Feuer zum Trotz, die man ihm anthat, bestand er auf die Wahrheit und gab damit ein cdelmüthiges, siegreiches Beispiel gegenüber der teuflisch grausamen Gewalt. Er wurde nun in seinen Kerker zurückgcschlcftpt und Beaumont aus dem anliegenden Gemache herbeigeführt. Das ehrwürdige Ansehen dieses Mannes und das gottesfürchtigc Betheuern semer Unschuld flößten doch seinen Henkern eine schwache menschliche Furcht vor einem höheren Richter ein, er wurde aus der Folterkammer mit dem traurigen Vorrechte hinweggeführt, den Kerker des unglücklichen Johnson zu theilen. Am nächsten Morgen wurden nun andere Schlachtoftfer verhört und mit denselben Martern gefoltert, denen Johnson so hel-denmüthig widerstanden hatte; aber der Muth einiger dieser armen Dulder war der Härte dieser Probe nicht gewachsen. Giner von ihnen, als er den furchtbaren Apparat erblickte, der ihn foltern sollte, schauderte zusammen; aber gegen diese Wirkung des Schrecks empörte sich sein Gewissen, sobald er wieder seiner mächtig wurde; als man ihn in ein anderes Gemach geführt hatte, betheuerte er, daß er nichts zu entdecken habe, da cr ganzlich unwissend vom Dasein irgend einer Verschwörung sei und er wandte sich feierlich gegen Gott, die Wahrheit seiner Vcthcuerung zu bezeugen und den Herzen seiner Richter Barmherzigkeit einzuflößen. Aber dieser moralische Beweis seiner Unschuld machte keinen Eindruck auf seine herzlosen Richter, die mehr darauf erpicht waren, die Urheber einer Verschwörung, die sie selbst erdichtet hatten, zu bestrafen, als zu überführen. Collins, so hieß dieser Engländer, wurde nun auf die Folter gebunden, und als die Marter eben ihren Anfang nehmen sollte, bat er noch einmal um Gnade und versprach zu bekennen, betheuerte aber zugleich, daß es nur die Furcht vor den Martern sei, die ihn dazu bewegen könnten, lieber auf alle ihm 18* 276 vorgelegten Fragen mit Ja zu beantworten, als dic Folter zu erleiden. — Er gab demnach zu, daß er und einige Andere seiner Mitgefangenen eine Verschwörung mit den Japanesen angeknüpft hätten, um die Festung zu überrumpeln. Es wurde gefragt, ob Mr. Towerfon ein Mitverschworener sei, was er aber mit Festigkeit verneinte; er wurde gefragt, ob er nicht auf die Bibel einen Eid des Geheimnisses habe ablegen müssen ^ er wollte es anfangs auch verneinen, als man ihm aber auf's Neue mit der Folter drohte, bejahetc er es. Nach verschiedenen anderen Fragen der nämlichen Art, die er aus gleichen Beweggründen bcjahete, wurde er in sein Gefängniß zurückgebracht. Johann Clarke, ein Factor, der nach ihm in das Verhör geholt wurde, ließ sich nicht so leicht erschrecken; er wurde daher mit barbarischer Grausamkeit behandelt, der er eine unerschütterliche Etandhaftigkeit entgegen setzte. Länger als zwei Stunden ertrug er die Qualen einer Stufenleiter von Foltern, die das scharfsinnigste Ungeheuer der Menschheit jemals auscrsonnm hatte; alle Erfindung der Grausamkeit wurde an ihm erschöpft, seine physischen Kräfte warm ermattet, ehe sein standhafter Geist sich seinen teuflischen Peinigern ergab. Alles, was man ihm entreißen konnte, war ein stillschweigendes Zugeben derselben Fragen, die man schon an Collins gerichtet hatte. — Da man es nicht möglich fand, Clarke zu irgend einer Erklärung oder auch nur Einräumung zu zwingen, die zu ihren Zwecken paßte, so warf man ihn blutend, zerrissen, von den zahlreichen Wunden außer Stande, sich zu bewegen, in einen stinkenden Kerker, auf die bloße Erde, wo man ihn ohne irgend eine Hülfe liegen ließ und wo der unglückliche Märtyrer nach zwei Tagen lebendig verfaulte. Die übrigen, noch nicht verhörten Gefangenen wurden durch die an Clarke verübten Grausamkeiten so sehr in Furcht gesetzt, daß vier von ihnen alle an sie gerichteten Fragen bejahrten, ohne die Folter zu erwarten. Sie gingen selbst so weit, daß sie ein 277 Bekenntniß unterzeichneten, das man eigens dazu aufgesetzt hatte. Sobald sie sich aber wieder in ihrem Kerker befanden, baten sie Gott um Verzeihung für ihren erzwungenen Meineid. Die letzte verhörte Person war Mr. George SHarrok, Oberaufscher der englischen Factorei in Gitto, ein auf der Insel Amboina, weit von der Hauptstadt entlegener Ort. Als er in die Martcrkammer gebracht wurde, bat er Gott um Beistand, solche wahrscheinliche Lügen gegen sich selbst und seine Landsleutc zu erfinden, die seine Henker befriedigen und ihn von den Qualen der Folter befreiru möchten. Als eben der Fiskal ansing, ihn zu befragen, war er aus Furcht nicht im Stande, ein Wort hervorzubringen. Erschreckt durch den Gedanken des Verbrechens, das er eben zu begehen im Begriffe stand, indem er Unwahrheiten bezeugte, die das Leben feiner unschuldigen und leidenden Landsleutc in Gefahr setzen mußten, fiel er in frommem Wahnsinn aus seine Kniee und betheuerte in Gottes Gegenwart seine Unschuld und flehte die Gnade seiner Richter an.") Erbittert statt erweicht durch diesen rührenden Anblick gaben die Henker ihm die Folter; er flehte um einen kurzen Aufschub, führte zu seiner Vertheidigung an, daß er sich den nämlichen Tag in Gitto befunden habe, an welchem die angebliche Verschwörung entworfen sein sollte, daß er seit jenem Tage nicht mehr in Amboina gewesen sei, bis man ihn als Gefangenen hergebracht habe, und daß er bereit sei, diese Thatsachen durch das unverwerflichc Zeugniß glaubwürdiger Holländer zu *) Man vergleiche, nm die Richtigkeit unserer Angaben zu l'cwciscn, dic .,., leidliche Aussage ron Eamuel ssolson, William Briggs, AbclPriec und Johann Beaumont, englischen Factoren inNm-boina, die vor dem hohen Admiral i tät ^ gc rich to Hofe in ltng^ land nach jh,cr Nückt'ehr gerichtlich aufgenommen wurde."" - Siehe Osl'orne'ö Sammlungen, Vol. 11. P"3- 28?. — Diese vier Männer, nel'st noch drei anderen wurden vom i^ouvernenr von Amboina begnadigt nnd durften nach England zurückkehren. Mer nnr die vier Genannten kamen lcl'end in dem Vaterlande an. 278 beweisen. Aber auch dicsc Vertheidigung — die nicht zum Zwecke der Regierung ftaßtc — half ihm nichts, er wurde auf die Folter gespannt und die Furcht vor den Martern zwang ihm am Ende daS Geftändmß ab, das er vorher als Verbrechen verabscheuet hatte. Er erzählte nun, er habe Clarke sagen hören, er wolle sich an den Holländern für die unerträglichen Beleidigungen rächen, die sie den Engländern zufügten, daß er dem Towerson einen Plan vorgeschlagen habe, diesen Zweck zu erreichen, baß er ihn um Erlaubniß gebeten habe, nach Macassar zu gehen, um mit den Spaniern Maßregeln zutreffen, sich der kleinen Factorcicn aufAmboina und den umliegenden Inseln zu bemächtigen. Als man ihn fragte, ob Towcrfon diesen Vorschlag genehmigt habe, erwiederte er, Towerson sei im Gegentheile über Clarke höchst unwillig geworden und habe ihn seitdem nicht mehr leiden können. Durch diese Antwort wild gemacht drohte der Fiskal abermals mit der Folter, aber nach verschiedenen widersprechenden Geschichten und unzusammcnhängenden Antworten, die alle dahin gingen, die Unwahrheit seiner ersten Erzählung darzuthun, fand man es unnütz, ihn länger zu verhören und man schickte ihn in das Gefängniß zurück. Am anderen Tage wurde er wieder vor den Fiskal geholt, um sein Bekenntniß zu unterzeichnen, was er mit großem Widerstreben that; er hatte noch den Muth zu erklären, daß das Bekenntniß, das er nur unterzeichne, um den unversöhnlichen Haß seiner Richter zu befriedigen, gänzlich falsch sei. — Auf diese Art wurde eine Anzahl unschuldiger Männer durch die unmenschlichste Barbarei zu Geständnissen gezwungen, deren Unwahrscheinlichsten und Widersprüche sonnenklar die Falschheit derselben darthaten und die sie auf das Feierlichste abschwuren, sobald sie von den Qualen befreiet waren. Die holländische Regierung von Amboina verurtheiltc auf diese Zeugnisse hin, mit unbeugsamer Beharrlichkeit in ihren barbarischen Planen, Towerson und alle die übrigen gefangenen Engländer und Japanesen zum 279 Tode, vier Engländer ausgenommen, die unumstößlich bewiesen, daß sie während der Zeit der angeblichen Verschwörung in Gitto gewesen waren. Alle Gefangenen wurden nun zusammen vor den Gouverneur und den Fiskal geführt, um ihr Urtheil zu empfangen. Hier machten die Engländer den Japanesen Vorwürfe, daß sie unschuldige Manner, die sie nie gesehen und beleidigt, falsch angeklagt hatten; die Japanesen antworteten auf asiatische Art nur, indem sie ihre auf der Folter empfangenen Wunden vorwiesen und fragten, ob menschliche Wesen eine Probe bestehen könnten, die selbst die Natur unbelebter Körper verändert haben würde. Drei Engländer wurden begnadigt, einer, weil man vieren von ihnen erlaubt hatte, zu loosen, die beiden anderen auf die ernstliche und wiederholte Fürbitte der holländischen Kaufleute in Amboina. Mr. Towcrson und zehn andere Engländer, nebst dem Portugiesen und elf Japanesen wurden zum Tode vcrurtheilt. Am 27. Februar 1632 wurden sie sämmtlich auf den Nichtplatz geführt, wo sie, nachdem sie alle noch einmal den sie zum Tode begleitenden, holländischen Geistlichen feierlichst ihre Unschuld bekannt und ihre erzwungenen Bekenntnisse widerrufen hatten, hingerichtet wurden. Am folgenden Tage wurde eine öffentliche, gottcsdienstlichc Dankfeier veranstaltet, wegen der ausgezeichneten Rettung von dieser furchtbaren Verschwörung, welche die Stadt Amboina bedroht habe. Nach Beendigung dieser abscheulichen Verhandlung wurden die noch übrigen englischen Factoren nach Vatavia gesandt, wo sie mit Erlaubniß des hohen Rathes nach England geschickt werden sollten. Nach der Abreise dieser Unglücklichen machte der Gouverneur von Amboina mit seinem Fiskal eine Ncisc nach Vanda, in der Absicht, irgend einen scheinbaren Vorwand zu entdecken, um auch die auf dieser Insel residircnden englischen Factoren in die Verschwörung von Amboina zu verwickeln und seinen Blutdurst mit neuen Schlachtopfcrn sättigen zu können. Aber nach der 280 strengsten Untersuchung oder vielmehr Nachspürung des Verhaltens Weld en's, des Präsidenten der Factorei und der ihm untergebenen Agenten, vermochten sie, aller Mühe ungeachtet, nicht das geringste Motiv zu entdecken, das nur den Anfchem eines Argwohns erlaubt hätte. Welden erhielt vom Gouverneur (dessen Name nicht mit Gewißheit anzugeben ist) die erste Nachricht von dem Schicksale seiner Lanbsleutc. Ebensosehr von berUmvahrscheinlichkcit einer solchen angeblichen Verschwörung überzeugt, als von dein Schicksale der Unglücklichen erschüttert, begab er sich auf der Stelle nach Am-boina, sowohl um unter den Eingeborenen alle möglichen Nachforschungen über die entsetzliche Verhandlung anzustellen, als auch die Rückgabe des Eigenthums der englischen Compagnie zu fordern. Der Erfolg seiner Nachforschungen enthält eine vollständige Bestätigung der Aussagen, welche die überlebenden, nach England zurückgekehrten englischen Factorm eidlich gemacht haben, aber seine Bemühungen, das Eigenthum der Compagnie zurückzuerhalten, blieben fruchtlos. Die Regierung von Amboina, sich in allen Stücken gleich bleibend, behauptete, die Macht nicht zu besitzen, das Confiscirte herauszugeben und verwies ihn an den obersten Nath zu Batavia, von dem sie wohl wußte, daß er gleichermaßen handeln würde. Wclden überreichte nach seiner Ankunft daselbst dein Gmeralgouverneur und Rathe eine, von allen dort lebenden englischen Kaufleuten unterzeichnete, energische Vorstellung über die Ereignisse auf Amboina, erhielt aber von dieser Behörde die falsche Antwort i daß die Negierung zu Amboina nicht unter ihrer Gerichtsbarkeit stehe, jene Negierung aber durch dringende Nothwendigkeit gezwungen worden sei, so zu handeln, indem solche Verschwörungen alle Regeln und den gewöhnlichen Lauf der Ge> rechtigkeit aufhöben. Es blieb nun Welden nichts übrig, als einen ausführlichen Bericht über die schauderhafte Begebenheit nach England zusenden. 231 Diese traurige Nachricht kam gerade zur Zeit bort au, als Jacob I., ^ s durch Volksvorurthcilc, Ministcrintriguen und seinen eigenen unentschlossenen Charakter, sich in einm Krieg mit Spanien hatte verwickeln lassen. Dieser Umstand, nebst der Nothwendigkeit, in die er sich dadurch verseht sah, die Allianz der Gencralstaaten zu bewahren, machte, daß er, nach einer sehr unbedeutenden Vorstellung dieser Verletzung aller Mmschenrechte bei den Gencralstaatm, sich der Beschimpfung, die auf Amboina seiner Krone und seinem Volke geschehen war, geduldig unterwarf. Ueberhaupt charakte^ risirte sich seine Negierung durch eine merkwürdige Unempsindlich-keit gegen wirtliche Beleidigungen. -- Was aber noch viel merkwürdiger als diese Fühllosigkcit und Gleichgültigkeit Jacob's und seiner Minister gegen die Ehre der Krone und das wahre Interesse des Landes war, ist die Gleichgültigkeit, womit das englische Volk, das doch sonst ein so zartes Ehrgefühl hatte, bei jchiger Gelegenheit gänzlich dasselbe vergaß, indem es seinen Zorn gegen katholische Spanier ausgoß und den Mord seiner Brüder durch protestantische Alliirtc nicht weiter beachtete. Die Gcncralstaaten sahen aus dem Style und Geiste der englischen Gegenvorstellung, daß sie in Zukunft die gänzliche Führung dieser Angelegenheiten ohne alle Gefahr ihrer ostindischcn Compagnie überlassen könne, die dann auch eine sehr künstlich ausgearbeitete Vertheidigung des Betragens ihrer Regierung in Am-boma nach England schickte. Diese Rechtfertigung ist eine der merkwürdigsten Proben kühner Sophisterei, ein Gewebe von künstlichen Voraussetzungen und Schlüssen. — Haben wir daS Blutbad in Amboma vorhin mit historischer Treue und nach den genauesten Nachforschungen auf icner Insel selbst, in seiner Thatsache beschrieben, so wollen wir nun auch unsern Lesern die Aktenstücke darüber nicht vorenthalten, damit die Welt erfahre, wie sich solche Gräuel auf dem Papiere der Behörden ausnchmcn. 282 Die Vertheidigungsschrift der holländischen Compagnie sagt: „Die Diener der englischen Compagnie in Indien Hütten den Vertrag vom Jahre 1619 verletzt, weil sie refusirt hätten, gemeinsam mit der holländischen Regierung zu wirken, um die Räubereien, welche die Malaycn gegen den hollandischen Handel begingen, zu unterdrücken und zu bestrafen; daß die malayischen Fürsten in dieser Zeit so kühn geworden seien, sogar die Insel Amboina mit einem Angriffe zu bebrohen und die holländischen Niederlassungen daselbst zu zerstören. Dieser Umstand habe, vereinigt mit mehreren anderen Begebenheiten, die Negierung auf Amboma zum Argwohn gebracht, daß die englischen Factoren daselbst einen freundschaftlichen Verkehr mit jenen Fürsten unterhielten; daß Gouverneur und Rath von Amboma in Folge dieses Argwohns das Benehmen der Engländer genau habe beobachten lassen, besonders wegen der geheimen Korrespondenz, die sie, wie man glaubte, besonders mit den Fürsten von Ternate und Tidore unterhielten; daß während dieser Sachlage in Amboina eine Verschwörung der englischen Factorcn gegen die holländische Regierung, in Verbindung mit einigen jaftancsischen Soldatm im Dienste der holländischen Compagnie, die von den Engländer bestochen wären, verrathen worden sei; daß nach den Geständnissen der jaftanesischen Soldaten sowohl, wie der Engländer selbst, die Verschwörung con-statirt gewesen und die Thcilnehmer nach holländischen Gesetzen verurtheilt und hingerichtet worden seien, ausgenommen sieben Engländer, welche der Gouverneur wegen ihres bekannten, guten Charakters begnadigt habe. Hätte man die Gerechtigkeit dieser Sache in Zweifel gezogen, so möge man erwägen, daß jeder Staat das Recht habe, seine eigenen Gesetze auszuüben und daß die holländische Compagnie durch das Recht der Eroberung die höchste Gewalt in Amboina besitze, mithin das Recht ihrer Gerichtsbarkeit über alle auf der Insel wohnenden Personen, die eine Verschwörung gegen sie angezettelt, nicht in gerechten Zweifel gezogen werden 283 könne und die Gerichtsbarkeit in ihrem Verfahren um so weniger angegriffen werben dürft, als dasselbe den Gesetzen in den vereinigten Provinzen angemessen gewesen sei; baß zwar die englischen Gesetze von den ihrigen sowohl, wie von denen aller anderen Nationen der Welt verschieben seien/') daß aber die englischen Mit-verschworenen in Amboina nur nach den Gesetzen der Regierung, unter der sie lebten, gerichtet werden könnten; daß in Betreff der Beschwerde, warum die Verschworenen nicht nach Batavia geschickt worden wären, um durch den dortigen Iustizrath gerichtet zu werben, es zu bemerken genüge, baß der Gouverneur und Nath von Amboina durch den Vertrag von 46l9 nicht dazu verbunden seien, und endlich, auch in Betreff des Gebrauches der Folter, über den die Engländer sich so bitter beklagten, nicht nur weil sie ihren Gesehen entgegen, sondern auch unmenschlich sei, so scheine es nicht, daß etwas mehr als die gemeine Tortur angewendet worden sei und daß die Engländer kein Recht hätten, sich darüber zu beklagen, da dieser Grad der Folter den holländischen Gesetzen ganz gemäß sei und in Fallen von Hochvcnath gewöhnlich angewendet werbe." — DieseVertheidigungsschrift zog eine Antwort von Seiten der englischen Compagnie nach sich. In dieser Erwiederung beweiset sie deutlich, durch Hinwcisung auf bekannte Thatsachen und Data, „daß der Vorwand der Holländer wegen der feindlichen Absichten, welche die Fürsten von Ternate und Tidore gegen ihre Niederlassungen in Amboina gehegt haben sollten, nebst der geheimen Corrcspondenz zwischen diesen Fürsten und den englischen Factoren, durchaus falsch und erdichtet sei, denn ein Fricdenstractat sei zwischen diesen Fürsten und der holländischen Negierung in Amboina zehn Monate vor dem Zcit- ") Allerdings N'uvdc in (5,^lmid die ssoltnbank mcht zufassen. 284 Punkte dieser angeblichen Verschwörung abgeschlossen worden; — daß der holländische Gouverneur die angebotene Mitwirkung der englischen Schiffe in der Grftedition gegen die malayischen Seeräuber deutlich und bestimmt ausgeschlagen habe, indem er erklärt, es sei seine eigene Privatunternehmung und die Engländer sollten weder an dem Ruhme, noch an den Vortheilen, die daraus entstehen könnten, irgend Theil haben." — Die englische Compagnie beweiset ferner: „daß in Anbetracht der angeblichen Verschwörung es klar und deutlich, sowohl durch die eidlichen Aussagen der zurückgekehrten Facwren als durch Wclden's Bericht über dessen an Ort und Stelle aufgenommene Nachforschung, namentlich auch durch die auffälligen Widersprüche in den erpreßten Geständnissen sowohl der Engländer als Japanesen und durch die von den Holländern selbst eingestandene Anwendung der Folter — hervorgehe, daß diese angebliche Verschwörung nicht bestanden habe; — daß keine gesetzmäßigen Gründe vorhanden gewesen wären, um die englischen Factoren vor Gericht zu stellen, noch viel weniger gesetzliche Beweise, um sie der angeklagten Verbrechen überführen zu können; daß selbst nach den Gesetzen der vereinigten Provinzen die Geständnisse von Verbrechern, die durch Anwendung der Folter oder aus Furcht vor derselben gemacht werden, niemals als genügendes Zeugniß zur Motivirung eines Todesurtheils angesehen werden dürfen, auch selbst, wenn solche Geständnisse gleichförmig, zusammenhängend und wahrscheinlich wären; — daß die Verhandlungen der Negierung von Amboina deßhalb nicht nur eine vollständige Uebertretung aller Rechte der Menschheit und aller Gesetze des Staats seien, sondern auch aller Gesetze civilissrter Völker; — daß in Betreff der Gerichtsbarkeit des Gouverneurs und Rathes von Amboina es durch die Bedingungen des Trac^ tates von 161!) sattsam erwiesen sei, daß ihre Gerichtsbarkeit sich nicht auf die Engländer erstrecke, denn im 13. Artikel (siehe in unserem übersichtlichen Auszuge dieses Tractats im vorhergehenden 285 Kapitel unter Nr. 20) sei ausdrücklich stipulirt, daß alle Streitigkeiten zwischen Engländern und Holländern in den Molukkcn, die nicht durch den Iustizrath in Vatavia beigelegt werden können, den beiden Compagnieen in Europa übcrsandt und vorgelegt werden sollten. Es sei daher unumstößlich durch diesen Vertrag dargc-than, daß die holländische Regierung in Amboina verbunden war, den Proceß der englischen Factoren dem Iustizrathe von Batavia zu übergeben, und hätten sie dies gethan, so würden sie den zwischen beiden Compagniecn geschlossenen Vertrag nicht so widerrechtlich übertreten und den unveränderlichen, von allen Nationen anerkannten Grundsatz der Gerechtigkeit nicht so furchtbar verletzt haben, daß nämlich der Ankläger nie zugleich auch der Richter der Angeklagten sein könne, wie hier der Fall gewesen; daß, wenn man überdies die gegenseitige Macht der Regierung von Amboina und der englischen Factoren erwäge, gar keine Schwierigkeit obgewaltet haben könne, die angeblichen Verschwörer schuldmäßig nach Batavia zu senden; daß ferner der Umstand, daß achtzehn englische, mit einigen Musketen bewaffnete Factoren, von elf Japanesen unterstützt, den Anschlag entworfen haben sollten, eine regelmäßige, von 200 europäischen Soldaten, einer Milizcompagnie und 400 Mar-dyker beschützte Festung zu überrumpeln — so fabelhaft und unwahrscheinlich sei, daß es den ganzen Vorwand dieser Erdichtung ebenso lächerlich als unmöglich mache und kein vernünftiger, unparteiischer Mann etwas davon glauben werde und daß, wenn man alle diese Unistände mit der früheren Handlungsweise der Holländer in Lantorc und Poolaway vergleiche und vereinige, sich die englische Compagnie genugsam ermächtigt fühle, zu schließen, daß diese vorgebliche Verschwörung von der holländischen Regierung selbst hinterlistiger Weise ersonnen und von der holländischen Compagnie genehmigt worden sei, um dadurch den Gegenstand ihrer sehnlichsten Wünsche zu erlangen, den sie schon so oft zu erkennen gegeben hätten, nämlich die Engländer von dem 286 Gcwürzhandel gänzlich auszuschließen und nebenbei ihren Geiz und Rachedurst durch die Plünderung englischen Eigenthumes und die gerichtliche Ermordung der Diener der englischen Compagnie zu befriedigen." — Aus der Vcrglcichung der gegen einander gehaltenen Gründe und Beweise, welche die holländische und englische Compagnie angeführt haben, ziehen wir den Schluß, daß die Motive, auf welche Gouverneur und Rath von Amboina die englischen Factoren gefangen setzte, nicht nur unwahrscheinlich, sondern durchaus falsch sind, daß ihr Verfahren in dem gegen diese Factoren geführten Processe nicht nur ein Bruch des Tractates von 1619, sondern auch eine Uebertretung aller Grundsätze der Gerechtigkeit ist, daß die Art, sie zu verhören und die Zeugnisse zur Motivirung der Urtheile, nicht nur allen moralischen und menschlichen Rechten, sondern auch direct den holländischen Gesetzen zuwider sind und das Blutbad von Amboina eine historische Uebclthat bleibt. Die einige Monate nach diesem Ereignisse stattgefundme gänzliche Vertreibung aller englischen Factoren von den Gcwürzinseln giebt die vollständigste Bestätigung. — Englands muthloses Benehmen bei dieser schweren Unbill hatte die Folgen, welche die holländische Compagnie schon lange herbeigewünscht hatte und die englische Compagnie voraussah, ohne sie verhindern zu können. — Obgleich die öffentliche Meinung über diese Angelegenheit offenbar zu Gunsten der Engländer war, so hielt sie doch die Habsucht der Holländer nicht zurück. Sie verfolgten ihren Lieblingsplan unveränderlich, sich des gesammten Gewürzhandels zu bemächtigen und durch Unterdrückung und Gewaltthätigkeit weiter zum Ziele zu führen. Nach dem Ereignisse in Amboina zwangen sie die englischen Factoren in den Molukken eine Insel nach der anderen zu verlassen und sich nach Bantam auf die Insel Java zurückzuziehen, die noch einzige Niederlassung, welche den Engländern im östlichen Archipel übrig blieb. 287 Dadurch erlangte die holländische Compagnie endlich den ausschließlichen Besitz des Gewürzhandels. Ueber den wahren Werth dieses Gewürzhandels war die Täuschung so groß und allgemein, daß auch die englische Compagnie diesen Zweig des Handels nicht gehörig gewürdigt zu haben scheint, denn ihre Ausschließung davon ertheilte demUntcrnehmungs-geiste, dem sie seither ihr Glück zu danken hatte, den ersten Stoß und gab den Bemühungen, wieder Theil am Gewürzhandel zu gewinnen, den Ausdruck der Muthlosigkeit und ihrem bisherigen Betriebe eine auffallende Lauheit. Diese Muthlosigkeit entstand zugleich mit aus der unverzeihlichen Vernachlässigung, womit die englische Regierung ihre Handelsintcrcsscn behandelte und den Vorstellungen der Compagnie weder Gehör gab, noch den gerechten Beschwerden gegenüber, ihr auch nur den nöthigsten Schutz ange-deihen ließ. — Mea MM. Die Entwickelung der englischen Compagnie im westlichen Theile Indiens, die Gründung von Madras nnd der Erwerb der Insel Vombay unter Carl n. im Jahre u.«8. Ungeachtet des Verfalles der englischen Compagnie, den die im vorigen Kapitel angegebenen Ursachen bewirkten, hielten die Agenten und Beamten derselben, die auf dem Continents und der westlichen Küste von Indien angestellt waren, den Credit der Compagnie in unvermindertem Zutrauen und bewiesen die Energie des englischen Charakters durch standhaften Muth. Von den Portugiesen in diesem Theile Indiens öffentlich angegriffen, scheinen die Fähigkeiten und der Muth dieser Beamten der englischen Compagnie, womit sie ihren Feinden widerstanden und sie oft zurückschlugen, im Verhältnisse zu ihrer gesteigerten Gefahr mit gestiegen zu sein. Die Gehülfen dieser Männer bildeten einen auffallenden Contrast mit denjenigen, die der Verwaltung der Compagnieangelegenheiten im östlichen Archipel vorstanden, denn indem letztere sich der schlcchtverhchltm Feindschaft ihrer Nebenbuhler unterwarfen, ohne irgend Maßregeln der Vorsicht und Klugheit gegen sie zu treffen, die ihr Eigenthum oder ihr Interesse hatten vertheidigen können, hatten die ersteren sich dieser 289 vcrtrauungsvollm Sorglosigkeit nicht hingegeben und begegneten ihren Feinden mit Klugheit und Muth. Waren im östlichen Archipelagus die Holländer offene Feinde, so warm es im westlichen Theile Indiens die Portugiesen. Wir haben schon Gelegenheit gefunden, zu erzählen, wie die portugiesische Negierung hier das Wachsthum des englischen Handels nut Eifersucht überwachte und keinen Umstand unbenutzt ließ, ihn mit Waffengewalt zu unterdrücken. Aber der Erfolg ihrer Bemühungen stand nicht im Verhältnisse nut den Hülfsmitteln, welche sie besaßen und anwendeten. Die von ihnen ausgerüsteten Flotten für diesen Krieg, obgleich den Engländern immer überlegen, wurden jedesmal zurückgeschlagen und zweimal völlig besiegt. Durch diesen glücklichen Erfolg aufgemuntert, beschlossen die englischen Factoren, einige Schiffe der Compagnie nach dem persischen Meerbusen zu schicken, um eine Armee des Königs von Pcrsicn zu unterstützen, die Portugiesen von der Insel Ormus zu vertreiben. In dem Tractate zwischen diesem Monarchen und der englischen Compagnie, den Sir Thomas Roc im Jahre 1619 abgeschlossen hatte, war es, wie man sich aus unserer früheren Mittheilung lsiche am Schlüsse des 7. Kapitels) erinnert, ausbedungen, daß, als Vergeltung für die ertheilte Erlaubniß, nach allen Theilen der persischen Monarchie handeln zu dürfen, die Compagnie eine Flotte ausrüsten sollte, um vereinigt mit den Truppen des Schah's, den Portugiesen die Niederlassung am Eingänge des persischen Meerbusens zu entreißen, daß aber der Schah allein die Unkosten der Unternehmung bezahlen wolle. Die vornehmste dieser Besitzungen war die Insel Ormus (auch Ormuz oder Hormuz geschrieben), wodurch die Portugiesen in den Stand gesetzt waren, sich beinahe des ganzen Handels im persischen Meerbusen zu bemächtigen und durch die Lage begünstigt, mit großer Leichtigkeit die englischen Kausfahrcr zu beunruhigen und wegzunehmen, ob- Va„ Mökcrn, Ostindien, i. l^ 290 gleich es ihnen nicht gelungen war, sie ganzlich von den persischen Meerhafen auszuschließen. Ills Schah Abbas den Thron von Persim bestieg, sah er die widerrechtlich angemaßte Gewalt der Portugiesen mit Unwillen und nahm daher gern das Anerbieten des Thomas Roe an, ihre beiderseitige Macht zu vereinigen, um die Portugiesen aus ihren Schlupfwinkeln zu vertreiben. Es vergingen jedoch fünf Jahre nach Abschließung des Tractates, ehe die Compagnie ihren Fac-toren in Suratc Schiffe und Hülfsmittel genug sandten, um diesen Plan ausführen zu können. Endlich im Jahre 1624 wurde der ganze Plan der Expedition entworfen, in Folge dessen fünf englische Schiffe (drei von 50, zwei von 6 Kanonen) nebst einer Armee von 40,000 Persern, die auf kleinen persischen Schiffen transportirt wurden, nach der Insel Ormus aufbrachen, Truppen an's Land setzten, die Hauptstadt zu Wasser und zu Lande einschlössen und nach einer hartnäckigen Belagerung von zwei Monaten zur Uebcrgabc zwangen. Der auf der Insel gefundene Reichthum, den man als unermeßlich schildert, wurde zu gleichen Theilen zwischen Engländern und Persern getheilt und als eine fernere Belohnung für diesen wichtigen Dienst bewilligte Schah Abbas der Compagnie nicht nur eine Erlassung aller Abgaben, sondern auch die Hälfte des Betrages der im persischen Meerbusen erhobenen Hafenzölle. Dadurch wurde der Handelsverkehr der Compagnie mit Persien auf gegenseitigen, festen Vortheil gegründet und die Portugiesen für immer von diesem einträglichen Handel ausgeschlossen, da der Verfall ihrer Macht und ihres Wohlstandes sie verhinderte, ihn jemals wieder zu erlangen. Dieser wichtigen Angelegenheit folgten andere Vortheile; die Portugiesen kannten die unauslöschliche Eifersucht, welche zwischen den Engländern und Holländern herrschte, nebst den Folgen derselben und dem daraus erwachsenen tiefen Hasse. Anstatt jedoch diese 291 Umstände zu ihrem Vortheil zu benutzen, was sic so leicht und mit viel Erfolg hättm thun können, machten sie sich beide Völker zu Feinden in der angeblichen Hoffnung, den Handel beider Nationen zu zerstören. Die portugiesische Regierung von Goa beschloß, ihrer Gewohnheit einer falschen Politik gemäß, alle anderen europaischen Nationen wieder von dein indischen Handel zu verdrängen und die alten Zeiten von Alboqucrquc zurückzurufen, ohne an ihre eigene, heimische Schwäche zu denken. Der Verlust des persischen Meerbusens hatte sie erbittert, sie rüsteten eine starke Flotte aus, um die Insel Ormus wieder zu erobern, und um die ursprüngliche, ausschließliche Souverainctät über den indischen Ocean wieder zu erringen, die sie im vorigen Jahrhundert zeitweise besessen hatten. Diesen ehrgeizigen Plänen versagte aber die Macht, es kam mit einer viel schwächeren feindlichen Flotte zu einer Seeschlacht, worin die Portugiesen geschlagen wurden. Im Januar 1625 wurde ein holländisches und cm englisches Geschwader, jedes aus vier Schiffen bestehend, auf der Rhcde von Gombroon von der portugiesischen Kriegsflotte angegriffen, aber nach einem Kampfe, welcher vier Tage dauerte, nahmen die Portugiesen die Flucht und überließen ihren Feinden den Besitz des Platzes, den sie vorher schon irme gehabt hatten. Diese angenehme Siegesnachricht erreichte England bald nach der Thronbesteigung Carl's I., ein Intpunkt, der dem englischen Handelsinteresse sehr günstig zu sein versprach. Carl's Neigung, das allgemeine Wohl des Handels zu befördern, den Beschwerden der indischen Compagnie abzuhelfen und ihr Recht zu verschaffen, zeigte sich schon in der crstm Maßregel seiner Regierung, aber die Wirkung dieser Maßregel wurde durch die bürgerlichen Unruhen unterbrochen, welche spater die Nation erschütterten. Die Bittschriften der ostindischen Compagnie, dic unter Jacob's Regierung im Winkel gelegen hatten, wurdm nun untersucht und deren Inhalt mit Begeisterung aufgenommen. Man u)' 292 machte sogleich eine Forderung an die Gencralstaatcn, für die Wiedererstattung des der Compagnie gehörigen und ihr widerrechtlich entrissenen Eigenthumes und verlangte Genugthuung für die unvergeßliche That in Amboina; aber diese gerechten Forderungen wurden leider nicht mit Beharrlichkeit und Entschlossenheit verfolgt, noch weniger durch Ergreifung kräftiger Maßregeln unterstützt. Die Antwort der Generalstaatcn war wie gewöhnlich ausweichend, weitschweifig; — nach einem Briefwechsel, der beinahe zwei Jahre dauerte, endete die ganze Unterhandlung damit, daß die holländische Compagnie der englischen für ihre ungeheueren Verluste eine Entschädigung von 85,Ü00 Gulden bezahlen sollte, daß cinc besondere Untersuchung wegen der Ereignisse in Amboina stattfinden und daß die endliche Ausgleichung der vorwaltenden Mißhclligkeitcn zwischen beiden Compagnien einer besonderen Commission übergeben werden solle. Die Summe von 85,000 Gulden (die ungefähr den hundertsten Theil des wahren Verlustes der Compagnie ausmachen mochte) wurde bezahlt, aber die Erfüllung der übrigen Bedingungen, welche die Gcneralstaatcn nie im Sinne gehabt hatten zu vollbringen, wurde von Zeit zu Zeit unter Vor-wändcn verschoben. Carl I. und seine Minister ließen sich durch solche Ausflüchte hinhalten, bis diese Angelegenheit im Sturme innerer Unruhen vergessen wurde, die Englands politisches Leben ergriffen und seinen Handel auf mehrere Jahre unterbrachen, so daß die Holländer jetzt ihren indischen Handel allein, ohne englische Einmischung, betreiben konnten. Während des Verlaufs dieser angeführten Verhandlungen mit den Gmcralstaaten prüfte die englische Regierung den Finanzetat der Compagnie, ihre jährlichen Einfuhren und Verkäufe, woraus sich ergab, daß sie nicht im Stande war, die Nachfrage des englischen Publikums nach indischen Producten zu befriedigen; in der Absicht, diesem Mangel abzuhelfen, wurden einige unabhängige Kaufleute aufgemuntert, cinc Flotte nach Indien zu senden, 293 jedoch ohne Beeinträchtigung der Rechte und des Interesses der Compagnie; obgleich im Grunde dieser Plan dennoch eine Verletzung des Privilegiums der Compagnie war, so widersetzte sie sich demselben doch nicht, empfahl und förderte ihn im Gegentheil auf das Wirksamste mit einer Freigebigkeit, die in einer Monopol-gesellfchaft sonst nicht sehr gebräuchlich ist. Für diesen also begünstigten Plan wurde eine große Smmm zur Ausrüstung der Schiffe und zum Ankaufe einer Ladung für die indischen Märkte zusammengeschossen. Sechs große Schiffe segelten, diesem Projecte gemäß, nach Indien unter einem Sftecialpatente der Regierung. Ihr Glück war im Anfange sehr groß, wie sie es nur immer wünschen konnten, aber die hollandische Compagnie, durch diesen Versuch zur Erneuerung des cnglisch-ostindischen Handels beunruhigt, fing die englischen Schiffe auf ihrer Rückreise mit einem starken Geschwader auf, dem es gelang, nach einem wüthenden Gefechte die zwei größten der englischen Schiffe zu versenken, deren Ladung auf 250,000 Pfd. Stcrl. geschätzt wurde. Dieser Unglücksfall schlug jedoch die Courage und den Unternehmungsgeist der Speculantcn nicht nieder, im Gegentheile gaben die reichen Ladungen, welche die übrigen vier Schiffe brachten und der große Gewinn, den sie dennoch gewährten, ihrem Eifer neues Leben und überwog in ihrem Gemüthe, wcnn auch nicht in ihren Büchern, den erlittenen Verlust. Eine neue, aus sieben Schiffen bestehende Flotte wurde sogleich ausgerüstet und segelte im folgenden Jahre nach Indien, wurde aber, wie die erste, eine Beute der holländischen Seeräuber. Die Nothwendigkeit, worin sich die englische Flotte nach ihrer Ankunft in Indien befand, sich zu theilen, um die besonderen Producte der verschiedenen Gegenden desto schneller und vorthcilhafter zu bekommen, gab den Holländern Gelegenheit, ihre Räubereien desto leichter auszuführen, so daß kein einziges dieser Schiffe nach England zurückkehrte. Eins derselben wurde auf den Strand getrieben, zwei andere wurden nach 294 einer tapferen Gegenwehr von zwei großen holländischen Kriegsschiffen genommen, ihrer Ladung beraubt und dann versenkt, die übrigen wurden auf der Küste von Sumatra genommen und nach Vatavia geführt, wo die Officicre und Matrosen derselben nebst ihren Flaggen öffentlich in den Straßen der Stadt zur Schau an den Pranger gestellt und ihnen mehrere Stunden lang vom Pöbel jedmögliche Beschimpfung und Mißhandlung angethan wurden. Wenn dieses keine Thatsachen wären, so würde man sich selbst gegen eine solche Erzählung sträuben, da die Rede darin von Europäern ist, die gegen Europäer also gehandelt haben. — Die Portugiesen mit all ihrem mißverstandenen Ncligionseifcr haben ihre Grausamkeiten nicht bis zu diesem Grade ausgedehnt. So endigte dieser vielversprechende Plan der Engländer, um ihrem indischen Handel ein regeres Leben zu geben. Die Holländer gaben ein neues Beispiel von der tiefen Verachtung, die sie gegen die englische Negierung und Nation fühlten, die alle in Indien erduldeten Schmähungen ruhig hinnahm und zu schwach war, um Genugthuung zu fordern. Hatte aber auch Carl I. den Muth gehabt, diese letzten Beschimpfungen und Beraubungen, die während seiner Regierung stattfanden, zu rächen, so wäre er doch nicht mehr dazu im Stande gewesen, denn der Bürgerkrieg war ausgebrochen und wüthete in vollen Flammen. Die Holländer wurden daher lange im ruhigen Genusse ihrer indischen Herrschaft gelassen. Während der Periode, welche mit dem Tode des unglücklichen Königs endigte, scheinen keine Nachrichten und Verhandlungen der englisch-indischen Compagnie aufbewahrt worden zu sein — es ist aber gewiß, daß der englische Handel nach Indien, wenn nicht ganzlich unterbrochen, doch in so hohem Grade vernachlässigt und unbedeutend war, daß alle indischen Probucte von den Holländern auf die Märkte nach England gebracht wurden. 295 Die Nachfrage nach diesen Waarm wurde ohne Zweifel sehr eingeschränkt und vermindert, indem die Puritaner oder Presbyte-rianer alle kostbaren und feinen Luxusartikel mißbilligten und gegen den Gebrauch von Waaren predigten und eiferten, die theuer und nur verfeinerte Lebensgenüsse waren, während sie durch Einfachheit und Strenge in Sitten und Leben den Zweck ihrer Lehre erreichen wollten. Die Menschen lassen sich jedoch nicht überreden oder zwingen, gewohnte Genüsse des Wohllebens aufzugeben; ungeachtet aller puritanischen Bestrebungen wurden doch indische Pro-bucte über Holland in das im Bürgerkriege befindliche England eingeführt und verkauft. Nach der Begründung der Republik und einer ruhigeren Regierung zeigte sich der natürliche Verstand der Engländer bald durch die Wiederbelebung der Industrie und des Handels, worin sie die republikanischen Grundsätze noch mehr bestärkten. Die Land-ebelleute bewogen ihre Söhne, sich dem Handel zu widmen und vcrheirathttm ihre Töchter an reiche Kaufleute. Die Wirkung dieses Gesinnungswechsels zeigte sich bald im schnellen Nachs-thume des Handels und der Künste. Die indische Compagnie und die übrigen privilegirtcn Mo-noftolien waren nie ausdrücklich aufgehoben worden, weder durch das Parlament, noch durch Cromwell, aber ihr Privilegium wurde allmalig beeinträchtigt. Einige Kaufleute fingen an, im Handel mit Indien zu speculiren, die großen Capitalien jedoch, die dieser Handel forderte, wegen der kostspieligen Schiffe und der langen Dauer der Reise, machten sie nur zu unbedeutenden Rivalen der englisch-ostindischm Compagnie, ungeachtet aller Verluste, welche diese Gesellschaft seither erlitten hatte. Diese Mitbcwcrbung einiger Kaufleute versorgte indessen genügend die englischen Märkte mit indischen Producten und entzog wieder Holland den alleinigen Absah dieser Waarm, den Englands Revolutionszeit ihm eröffnet hatte. Aergerlich darüber und ermuntert durch den Gedanken, daß 296 die Macht des Parlaments nicht fest genug stehe, um einen auswärtigen Krieg wagen zu dürfen, »nachte die holländische Compagnie, von den Generalstaatm ermächtigt, Zurüstungen, um den ostindischen Handel Englands in seinem Wiederbeginne gründlich zu zerstören, wozu sie ihre alte, längst bewährte Methode anwenden wollte; ehe aber dieser Plan ausgeführt werden konnte, wurde er durch den Krieg verhindert, der zwischen der englischen und holländischen Republik ausbrach. Dieser Krieg entstand zwar aus rein politischen Ursachen, die dem Handel ganz fremd waren, aber das englische Parlament versteckte sehr geschickt seine feindseligen Absichten unter dem Vor-wande, für den Handel seiner Nation sorgen zu müssen und, nothwendig durch die verletzte Nationalehre gezwungen, vollständige Genugthuung für die an Engländern verübten Gräuel in Amboina, für viele übermüthige Beschimpfungen der Nationalflagge, für zahlreiche Beraubungen und Schmähungen zu fordern. Da das Parlament Krieg haben wollte, so ergriff es Maßregeln, von denen es voraussah, daß sie die Gcneralstaatcn erbittern mußten; während man durch die englischen Gesandten die vollständigste und reichlichste Genugthuung und Entschädigung für die verschiedenen Beschwerdcpunktc forderte, entwarf das Parlament die berühmte Schifffahrtsakte, die allen Nationen verbietet, in ihren Schiffen andere Waaren nach England einzuführen, außer denen, die ihre eigenen Länder produciren. Dieses Gesetz machte dem holländischen Handel nut England ein Ende, da Holland keinerlei Waaren hervorbrachte und ihr Handel nur dadurch entstanden und unterhalten war, daß sie die Factorm für ganz Europa warm. Dieser kühnen Maßregel folgte eine andere, noch entscheidendere, die beinahe einer Kriegserklärung glich. Das Parlament bewilligte der ostindischen Compagnie und mehreren Kaufleuten Kaperbriefe als Repressalien gegen Feindseligkeiten, welche die 297 Holländer gegen die Besitzer dieser Kapcrbriefe verübt hatten. In Folge dieser Maßregel wurden bald über 80 hollandische Schiffe weggenommen. Die Generalstaaten, beunruhigt durch diese Schritte und mit dem Wunsche, einen öffentlichen Bruch zu vermeiden, drangen darauf, den alten Defensiv-Allianztractat zwischen beiden Nationen zn erneuern, unter den nämlichen Bedingungen, die das Jahr vorher der englische Gesandte ihnen angeboten und die sie ausgeschla-gcn hatten. Zugleich aber bereiteten sie sich mit größter Schnelligkeit und Macht auf den Krieg vor und beauftragten ihren Gesandten in London, zu erklären, daß sie eine Flotte von 450 Schiffen scgclfcrtig hätten. Dieser Vorschlag zur Erneuerung eines Bündnisses, begleitet von einer solchen Drohung, diente nur dazu, das englische Parlament zu erbittern, es entstand endlich eine offene Feindschaft zwischen beiden Regierungen und Völkern, so daß der Krieg erklärt und mit großer Leidenschaft und Erbitterung geführt wurde. Dieser Krieg begann im Sommer 170, war im Anfange unseres Jahrhunderts ein Staatsgefangener in Satarcch und die Regierung wurde von einer Cabalc von Brah-minm in Poonah geleitet. Man muß jedoch gestehen, daß dieselben für den öffentlichen Dienst ganz geeignet waren; ihre un< *) Auch Sevagce geschrieben. 352 gezwungenen Sitten, ihre scheinbare Höflichkeit, die Veränderlichkeit ihres Geistes, ihr leicht auffassender Verstand und dabei ihr erstau-nenswcrther Gleichmuth, machen sie für diplomatische und ähnliche Stautsgeschäfte sehr geschickt. — Dies ist jedoch die glänzende Seite ihres Charakters; sie besitzen keine Spur von Wahrheitsliebe oder Redlichkeit oder Menschenliebe; der Geiz ist ihr Herr, als Sclaven desselben kennen sie die Dankbarkeit nicht einmal dem Namen nach, Gefühle für andere Menschen sind ihnen fremd. Der Name der Mahrattcn war früher als Volk ganz unbekannt. Ihr ursprüngliches Vaterland sind die Provinzen C and ei sh und Vaglana im Deccan, die gegen Nordwcsten bis nach Guzcrat und dem Ncrbuddastufse reichen; hier fangen die Völkerstamme der Gracia's und Beel's an, und man wird sehr selten einen Mahratten weiter nördlich antreffen. Gegen Westen erstreckt sich ihr Land längs der Sccküste von Suratc bis nach Canara, und bildet den schmalen Landstrich, welcher Kokan genannt wird. Gegen Süden bildeten Tippo's Staaten ihre Grenzen, dcrm ursprüngliche Einwohner die Tclingana's sind. Das Gebiet des Nizam, das ebenfalls von Tclingana's bewohnt ist, dic eine ganz andere Race in Sprache und Charakter sind, bildet die östliche Grmze. Der ursprüngliche Mahrattcnstaat, wie ihn Scwagi verließ, war innerhalb obiger Grenzen gelegen, ein Landstrich von großer, natürlicher Stärke, von Bergen und Gebirgspässen durchschnitten, die alle durch Bergfesten vertheidigt wurden und auch zu Verwah-rungsplätzcn für Schätze, oder als Zufluchtsörter nach Niederlagen dienten. Kein Land der Erbe ist vielleicht besser für den Verthci-digungskricg geschaffen als dieses. Daher war auch hier, was auch immer das Kriegsglück der Mahratten im Felde sein mag, die Vertheidigung im eigenen Lande eine sichere, bis endlich die englischen Truppen auch hier ihre Uebermacht bewiesen. Während einer Tagereise durch Candcish zählten wir beinahe zwanzig solch« Vergschlösscr, die sich dem Gesichtskreise darboten. 353 Von der Unüberwindlichkeit eines so befestigten Landes wurde der Kaiser Nurungzebe endlich überzeugt, nachdem er verschiedene vergebliche Versuche gemacht hatte es zu unterjochen; denn wahrend er im Deccan, in der höchsten Blüthe seiner Macht, mit Eroberungen beschäftigt war, fand er es gerathener, sich den Plünderungen Sewagi's, des Stifters des Mahrattenrciches, nicht zu widersetzen, als eine stichende Armee durch ein bergiges Land zu verfolgen. Und dies war das Volk, welches die Geschichte bestimmt hatte, das große, stolze Reich einzustürzen, welches Aunmgzcbe damals zu vergrößern suchte, ein Volk, das ails seinen Bergen und Thälern hervorbrechend, in weniger als einem Jahrhundert die ganze muselmännischc Macht und Größe von Grund aus zerstörte und auf den Trümmern einer der mächtigsten Monarchien Asiens, die 700 Jahre gedauert hatte, für sich selbst ein unabhängiges Reich errichtete. Etwa fünf und sechzig Jahre vor dein Schlüsse des vorigen Jahrhunderts fanden die Mahratten sich stark genug, um mit den Muselmännern um die Oberherrschaft von Hindostall zu kämpfen. In der Schlacht von Panmvut fochten die Armeen beider Völker um diese Oberherrschaft, die Mahratten verloren zwar die Schlacht, wurden aber weder zerstreuet, noch überwunden. Ihrem unverrückbaren politischen Zwecke Schritt vor Schritt ihre großen Unternehmungen näher rückend, ließen sie sich durch eine Niederlage nicht zurückschrecken, und es gelang ihnen durch List und Sieg endlich das mongolische Reich zu stürzen, das ohnehin durch Umfang, innere Unruhen und Gebrechen für seinen Fall vorbereitet war. Die Mahrattcn-Regierung ist schwer zu bezeichnen; sie ist keine eigentliche Monarchie, die Mahrattcn besitzen keinen betitelten Adel, keine aristokratische Kraft; dagegen hat aber auch das Volk keine Stimme im Staate, also ist auch keine demokratische Verfassung anzunehmen. Man könnte den Mahrattmstaat am besten mit den ehemaligen Reichsrittcr-Kreisen des deutschen Reiches vergleichen, mit einer kriegerischen Republik, aus Oberhäuptern Van Mökcrn, Ostindien, i. 2°; 354 bestehend, die von einander unabhängig sind. Sie erkennen zwar als höchstes Oberhaupt des Staats den Paischwa an, der eigentlich selbst nur der titulairc erste Minister des wahren Oberhauptes der Mahrattm ist, denn der Titcl Paischwa bedeutet bei ihnen dasselbe, was bei den persischen und osmanischch Fürsten Großvesier besagt, nämlich erster Minister und Stellvertreter des Monarchen. Schon unter Sewagi's, des Stifters, zweitem Nachfolger, bemächtigte sich der damalige Paischwa aller Gewalt im' Staate, sperrte seinen Fürsten in seine Hauptstadt Satarah ein und ließ ihm und seinen Nachkommen nichts als einen tobten Titel ohne Ansehn und Gewalt. Dieser Paischwa und seine Nachfolger haben seitdem die höchste Gewalt im Staate ausgeübt, aber sich mit dem Titcl Paischwa begnügt. Das erste und eigentlichste Oberhaupt des Mahrattenstaates ist demnach der Najah von Satarah, als unmittelbarer Nachkomme des Stifters Sewagi's. Dieser unglückliche Nachkomme, obgleich ohne Macht, empfängt dennoch durch das Gefühl der Tradition manche Ehrfurchtsbezeugungcn der Erinnerung; kein Paischwa kann nämlich den Musnud (Thron) besteigen^ ehe er nicht das Kh elat (d. i. ein Stück kostbaren StoffcAden der Rajah von Satarah eigenhändig früher dem Paischwa übergab nnd womit er ihn zu seinem Posten erhob und bestätigte) aus den Händen des Rajah empfangen hat. (Khclat's werden in allen Dmbar's Denen gegeben, die zu einein hohen Posten erhoben werden, sie sind das Bcstallimgs-decrct. Ohne diese öffentliche Anerkennung würde die Ernennung als ungeschehen betrachtet werden. Sonst wurden Khclat's auch vom Fürsten als Zeichen seiner Gunst und Gnade Privatpersonen überreicht; gewöhnlich bestehen sic in Shawls ober kostbaren Stoffen, aber Alles, was man von der Hand des Fürsten empfängt, sei es ein Ring, Halsband oder Blumenstrauß, wird als ein Khc-lat betrachtet.) Die Unterwürfigkeit der übrigen Mahrattcnfürsten, welche sich 355 nach Sewagi's Tode allmälig in ihrem Staate erhoben haben gegen den Paischwa, ist meist nur nominell. Jedesmal, wenn der Paischwa persönlich in das Feld ziehen will, muß er vorher eine Abschiedsaudicnz bei dem Najah gehabt haben. Pas Land rings nm Satamh ist gegen alle militairischen Plünderungen geschützt, und wmn ein Mahrattenhauptling diesen bevorzugten Bezirk betritt, so muß er alle Zeichen seiner Regenten-würde ablegen, selbst seine Na gara oder große Reichstrommel (Nagara nennt man ein Paar großer Kcsseltrommcln, Pauken, die auf einem Staats - Elephanten geführt und als eine Hauftt-insignie der Negentcnwürdc angesehen werden. Sie gehen auf dem Marsche immer vor der Person des Fürsten her und in allen großen Festungen werden die Nagara's über dem Thore gerührt. Sie werden auch bisweilen einzelnen Ofsicicrcn von hohem Range, die sich ausgezeichnet haben, verliehen, und der Sircar bewilligt ihm dann eine angemessene jährliche Summe, um diese Würde behaupten zu können) hört auf zu spielen. Dieses sind, wie ich glaube, die cinzigm Zeichen der Hochachtung, die das nominelle Oberhaupt des mächtigen Staates von seinen Unterthanen empfangt; übrigens M^r ein StaatsgefanPncvuuit einem mäßigen Gehalt. DcrDajah um das Jahr 1^70 war früher ein „Filladam" oder Befehlshaber über ein kleines Cavallcrsccorps, da er aber zu seinem Unglück ein Abkomme der Familie Sewagi's war, so wurde cr nach dem Absterben seines Vorgängers, gegen seinen eigenen Willen ausüben Thron von Satarah erhoben und mußte cine obscure, aber glückliche Lage mit dem Prachtvillen Elende des Fürstcnthums und Gefängnisses vertauschen. Die Mahratten erscheinen selbst als eine seltsame Erscheinung in der politischen Welt des Orients; namentlich erregen ihre Nc-gierungsgrukdfätze unsere Verwunderung, da dieselben eine Denkungs- und Handlungsweise verrathen, die gänzlich von dem regelmäßigen Systeme europäischer Staatswcishcit verschieden ist. 23" 356 Selbst die örtliche Eintheilung ihres Reiches ist ganz eigenthümlich, denn die Gebiete der verschiedenen Oberhäupter sind mit einander vermengt und zerstreuet. Gin Theil der Staaten des Paischwa liegt an der Seeküste, andere liegen nördlich von Delhi; es ist nichts Seltenes bei ihnen, daß ein Purgunnah, sogar eine einzelne Stadt, zwei ober drei verschiedenen Herren angehört. Der Paischwa besitzt sogar einige gemeinsam mit dem Nizam. Eine so vermischte Landeintheilung muß, sollte man glauben, die Macht des Ganzen schwächen, ob dieselbe aber Zufall oder Politik ist, haben wir nicht zuversichtlich ermitteln können. Der Paischwa, obgleich das factische Oberhaupt des Staates, besitzt wenig eigenes Gebiet; die Subahbarei von Ahmedabad, die etwa 60 Lacks von den Pagoden jährlich einträgt, ist der größte Bezirk, den er besitzt. Einige der höheren Staatsbeamten des Poonah Sircar's (d. i. der Hofhaltung) besitzen, vermöge ihrer Aemter, sog. „Iaghire's", die sie vom Staate erhalten haben, sehr viel eintragen und von dem Paischwa unabhängig sind. Dasjenige Iaghir, welches Purscram Bow besaß, trug jährlich 30 Lacks Rupien ein, das sind ungefähr 3 Millionen Gulden. Rastia Foncia, oder wie man ihn auch sonst wohl nennt: To-Pekonna Wallow, d. h. ein Ofsicicr, der das nämliche Amt, wie in Europa etwa ein commanbircnder General der Artillerie hat, ebenso die Firbia und andere Staatsbeamte haben sehr beträchtliche Einkünfte, während die, welche der Paischwa von seinen eigenen Bezirken hat, nur sehr gering sind. Seine Hülfsmittel hängen größtenthcils von den Geldbeiträgen ab, die ihm andere Fürsten des Reichs zahlen, und sein gcsammtes Einkommen mag m Summa ungefähr 4 Er ore Rupien, d. i. 5,500,000 Pfd. St., betragen. In dem großen Durbar von Poonah sind alle hohen Staatsämter erblich j das des Dew an (ersten Ministers), des Furna-vese (Finanzministcrs), des Chitnavesc (der alle dem Fürsten 357 übergebencn Vliese und Bittschriften lesm und darüber berichten muß), sowie des Besitzers des Jerry put's, d. i. desjenigen Ncichspaniers, das nie anders gebraucht wird, als wenn der Paifchwa persönlich ill's Feld zieht und aus einer kleinen Standarte von der Größe eines Taschentuches besteht, aus Goldstoff gewebt und in Gestalt eines Schwalbenschwanzes ausgeschnitten ist — sind alles erbliche Aemter. — Ausgenommen das Amt des Dewan eristiren die anderen genannten Aemter an den übrigen mahrattischcn Höfen nicht, sondern allein in Poonah. Diese Anordnung wird so strenge beobachtet, daß noch kein Paischwa es gewagt hat, sie zu übertreten. Es ist ein eigenthümlicher Zug des Mahrattenstaates, daß er sich immer als im Kriegszustande betrachtet. Dieser Umstand rührt aber nur von den schwankenden und ungeregelten Zuständen der verschiedenen Regierungen her, sowie von den in Hindostan erworbenen Besitzungen, die nur durch das Schwert erhalten werben können, und von der Nothwendigkeit, worin sie sich befinden, die Bezahlung des Chout, d. i. Tributs, der immer ungern entrichtet wird, von den Schuldigen einzutreiben, was öfters nur mit den Waffen ill der Hand erzwungen werden kann. Aber auch ohne diese Beweggründe ist Krieg eine ergiebige Quelle ihrer Ein> künfte, da die verschiedenen Fürsten des Mahrattenreiches jähr-liche Feldzügc in die wenigen Bezirke Hindostans unternahmen, die sie noch nicht unterjocht hatten. Diese kriegerischen Streifzüge werben Muluk-Gher<' genannt, ein aus zwei persischen Wörtern zusammengesetztes Wort, nämlich: Muluk, d. i. Bezirk — und Ghere, d. i. Vesihnehmcn. Dieses ewige Kriegführcn mußte natürlich ungeheuere Unkosten verursachen und um diese zu decken, hatten sie verschiedene Finanzmcthoden. Die allgemeinste ist jedoch immer die gewesen, ihre Einkünfte im Voraus zu erheben; solche Darlehen auf die Landescinkünfte wurden mit reichen Sou car's (zwischen denen und den Ministern immer ein Einvcrstänbniß 358 herrschte) abgeschlossen, oft mit einem Verluste von dreißig Prosenten und dann noch in den verrufensten Münzen bezahlt. Hindostan besitzt nämlich eine sehr große Verschiedenheit von Rupien, sehr ungleich an Werth. Jede Rupie wird auf 46 Anna's berechnet, jede Anna enthält 4 Picen, eine sehr kleine Scheidemünze, so daß die Rupie auf 64 Piccn geschätzt wird. Aber die Pondichcrry-Nuftic wird zu 84 angenommen, wahrend die von Guzerat nur auf 50 geschätzt wird. Der nämliche Unterschied findet auch unter den Goldmünzen statt. Die alte Dclhi-Goldmohm wird für 46 Rupien ausgewechselt, die in Poonah geprägten jedoch nur für 43. Dieser Münzenwcrth ist aber sehr veränderlich und hängt von dem jedesmaligen Ucbcrstussc der Gold- oder Silbcr-münzen ab. Daraus erwachsen nun für das Publikum große Beschwerlichkeiten, da eine Ncbcreinfunft der Schroff's, d. i. Wechsler, zu jeder Zeit einen augenblicklichen Mangel an Gold oder Silber herbeiführen kann, wie es ihr Interesse gerade erfordert. Die Hoon, oder Goldpagode, ist in dem Mahrattenstaatc nicht gangbar, wird aber zu gewissen Zeiten in Zahlung angenommen; sie wird auf 3 Rupien 42 Anna's geschäht, ist aber nur 3 Rupien Silber werth. Es giebt auch eine große Verschiedenheit dieser Goldmünzen. Die Masulipatam-Pagode ist die beste, die von Carnatik die schlechteste. Es geschieht öfters, daß die Münzen, welche in einer Stadt circuliren, in der nächsten nicht angenommen werden, was eine Quelle großer Beschwerden ist, aber von den Fürsten nicht abgeholfen wurde, weil jeder Häuptling seine eigene Tocksaul, d. i. Münze, hatte, die jedoch immer nur im Namen des Kaisers geprägt wurde. In Gcldverhandlungm mit dem Sir-car wird öfters specificirt, daß dem Darleiher ein Profit von 48 Anna's si'rr die Pagode gestattet werden soll. Diese Darlehen werden dann in den Münzgattungen bezahlt, die den niedrigsten Werth haben, aber nach dem höchsten angerechnet. - Diese verderbliche Methode, Geld zu verschaffen, entsprang gänzlich aus 359 dem unruhigen und ungewissen Zustande des Landes, wobei eine Regierung vorzieht, sogleich für die Gegenwart eine gewisse Summe in Händen zu haben, wenn auch mit großem Verluste, als die zukünftige Erhebung ungewisser Einkünfte nach drei bis vier Jahren zu erwarten, denn so weit in Voraus nehmen sie oft ihre Vorschüsse. In den Bezirken, welche dem Sircar selbst angehören, werden die im Allgemeinen sehr mäßigen Abgaben auf eine seit den ältesten Zeiten gebräuchliche Zeit erhoben; nämlich die Abgaben von den gewöhnlichen Lebensbedürfnissen übersteigen nie 5 Pro-ccnt, ausgenommen die auf Ghec, d. i. Büffelbutter, welche 50 Procent beträgt. Das Einkommen vom Bodenbesitze, das die Hälfte des Ertrages ausmacht, ferner der Tribut, den der Nizam bezahlt, und der Werth der Beute, die in den Muluk-Ghcr^'s gemacht wird, bildeten die großen Geldquellen des Mahrattenstaatcs, und obgleich sie eine ungeheuere Summe jährlich abwarfen, so langten sie doch bei Weitem nicht für die gewöhnlichen Bedürfnisse des Staates aus. Das von den Mahrattcn in Hindostan eroberte Land, durch bestandige Plünderungen erschöpft, war nicht mehr im Stande, eine Nupie zu liefern, der ganze Reichthum biescS ehemals so reichen und blühenden Landes befand sich in den Privatschatzkammern der verschiedenen Mahrattcnfürstcn und war für alle Zwecke des Handels und Verkehrs verloren. So groß war der Mangel an baarem Gelde in den oberen Provinzen, baß Sein-dmh zwe/ Jahre lang gmöchigt gewesen ist, von der Provinz Poonah Geld zu erpressen, um die ungeheuerm Armeen in Hindostan zu bezahlen. In den verschiedenen Staaten, sowohl der Mahratten- wie der übrigen Hmdufürstcn, ist der Regent, wenn er nicht sehr ausgezeichnete Talente hat, eine bloße Null. Der Dewan oder Minister hat alle Gewalt in seinen Händen. Dieses Amt wnrdc meistens Demjenigen ertheilt, der den größten Nuzzir anbietet. (Nuzzir ist gewöhnlich ein Geschenk an Geld oder GeldeSwerth von einem 360 Niedrigeren an seinen Vorgesetzten; im speciellen Sinne bedeutet es aber ein Geschenk an Gelde, das die Staatsbicner dem Fürsten machen, wenn sie in seine Dienste treten. Auch bei festlichen Gelegenheiten werben unter Anführern von gleichem Range Geschenke gewechselt, die aber nie als Nuzzir angesehen werden, weil das einen niedereren Nang des Gebers andeuten würbe.) Auch giebt man, um Minister zu werden, statt des Nuzzir eine Geldsumme, um damit irgend eine Staatsvcrlegcnhcit zu beseitigen. Das Un< vermögen Geld anzuschaffen ist immer eine gewisse, Ursache vom Sturze eines Ministers. Hat der Fürst die Bestechung empfangen, die öfters viele Lak's von Rupien beträgt, so ist natürlich der erste Gegenstand des Gebers, sich wieder bezahlt zu machen. Dadurch werden nun der Bestechung Thür und Riegel geöffnet, jedes Amt wird zum Verkaufe ausgebotm und dem Meistbietenden zuerkannt, ohne dabei eine einzige, zu dessen Befähigung nothwendige Eapacität in Betracht zu ziehen. Jedes Amt, ein Komis-daur, Killadaur, Petcl, werden auf öffentlichem Markte verkauft. (Komisdaur ist Gencralstcuercinnchmcr eines Bezirks, Killadaur ein Festungscommandant, Petcl ein Dorfvorstchcr.) Erpressungen können deßwegen nicht bestraft werden, da Derjenige, welcher sie bestrafen sollte, selbst das Beispiel giebt. Der Mann selbst, der ein Amt gekauft hat, ist nie sicher, baß er es ein halbes Jahr behalten werde; dieser Gedanke treibt die Habsucht auf bm höchsten Grad, er erpreßt von dem unglücklichen Ryot, oder Lan-mann, den letzten Ertrag seiner saueren Arbeit und plündert die Unterthanen, die er beschützen sollte. Wird ein solcher Tyrann auch gestürzt, so ist daS Uebel darum nicht gehoben, denn sein Nachfolger wird, indem er sein Amt gleich dem Vorgänger kaufen muß, ebenso raubgierig sein. Das ist die Ursache, warum die große Masse der Einwohner der Mahrattmstaatm gänzlich verarmt ist. Wenige Personen hatten Gelegenheit, unter einer Mahrattcmegierung Vermögen zu er- 361 werbm, ausgenommen die mächtigen Brahmmen, welche die Staatsämter in dem Durbar besitzen, und derm Geiz unersättlich ist, obgleich sie sehr gut wissen, daß sie weder für sich noch für ihre Familie sammeln, denn wennauch dieMahrattenfürstcn dcnBrah-minen Jahre lang erlauben, jede Art von Erpressung ungestraft auszuüben, so erregt ihr Reichthum am Ende doch die Aufmerksamkeit des Negcntm, der sie dann zwingt, das unrechtmäßige Gut herauszugeben und sie hierauf gewöhnlich für die übrige Zeit in ein Staatsgcfängniß werfen läßt. Sterben sie im Amte, dann wird ihr Vermögen von dem Sircar in Beschlag genommen, doch werden in diesem Falle ihre Familien durch Penstonen ober auf andere Art versorgt. Diese echt mahrattische Gewohnheit, reiche Staatsdiencr zu plündern, die man „Goonagarc" nennt, macht einen beträchtlichen Theil der Accidcnticn für den Staat aus. Im Allgemeinen liefert die Geschichte wohl kein Beispiel weiter von einer Regierung, die so wenig berechnet ist, den Unterthanen Schutz zu gewähren und sich selbst zu eonsolidiren. Daher entstanden auch Volksclend, Armuth, Hungersnot!) und Mangel aller Zuversicht. Bedenkt man die große Fruchtbarkeit Hindostans, wo es öfter Jahre giebt, die drei, auch vier Ernten hervorbringen, so ist man erstaunt, so oft von Hungersnot!) zu hören, worüber aber die politischen Zustände im Reiche der Mahrattm vollständig aufklären. Dabei konnte auch der wichtige Sporn der Betriebsamkeit, der Sicherheit des Eigenthumes, nicht anregen, sich etwas zu erwerben; der Ryot, der dieses Jahr sein Landstück bcbauete, war nicht sicher, ob er es das nächste Jahr noch besitzen würde, und behielt er es, so wußte er nicht, ob in seiner Nähe plötzlich eine große Truftpenzahl lagern werde und doppeltes Unglück über ihn komme, denn eine mahrat-tische Armee ist an das Zerstören gewöhnt, gleichviel ob es das Eigenthum des Feindes oder Freundes ist. Deßhalb erzeugte der Ryot nie mehr Fclbfrüchte, als er selbst für seinen Unterhalt noth- 362 wendig bedürfte; darum gab es auch keine öffentliche Vorraths-Häuser für die Icit eintretenden Mangels, zumal bei fallendem oder zu anhaltendem Regen. Entstand Hungcrsnoth, dann flohen die Einwohner nach anderen Bezirken oder an die Küste und halfen auch bort den Mangel fördern; Reisende, welche in dem Jahre l770 das Mahrattenland durchstreiften, berichteten von Hunger, Krankheit und Tod — so daß sie selbst auf den Gassen und Landstraßen die Leichen und Gerippe Verhungerter liegen fanden. Dadurch wurden die Gefühle der Mahrattcn gänzlich abgestumpft und sie blieben bei dem größten Elende Anderer völlig gleichgültig. — Merkwürdiger Weise haben diese Zustände nie einen Aufruhr gegen die Regierung hervorgerufen, was wohl darin begründet liegen mag, daß der leidcnschaftlose Hindu das Unglück als ein bestimmtes Loos betrachtet, dem er sich ohne Murren unterwerfen muß. Der Mahrattenherrschaft muß man es auch zuschreiben, daß manche Theile des Reichs sehr dünn bevölkert waren, denn fast in ganz Hindostan (Bengalen und Vahar ausgenommen) war kaum ein Morgen Land unter fünfzig Morgen angebaut. Die Engländer begannen erst auf dein von ihnen erworbenen Boden den Anbau. — Große Städte verloren oft durch Hungcrsnoth drei Vier-theile ihrer Einwohner und oft wurden ganze fruchtbare Bezirke auf viele Jahre lang gänzlich entvölkert und boten eine verwilderte Gegend, mit Buschwerk bedeckt, dar. Es ist schon bemerkt worden, daß der Mahrattenstaat sich immer im Kriegszustandc betrachtete. Während des Festes der Du-sera, das nach dem Schlüsse der Nordwcst-Monsoon stattfindet, wird die„Ihonda" oder die große Standarte des Fürsten aufgepflanzt, die königlichen Zelte werden aufgeschlagen und ein Lager errichtet. Die Kriegsopcrationcn für das nächste Jahr werden besprochen und beschlossen, ob man gegen einen wirklichen Feind Krieg führen, den Chout eintreiben oder einen Muluk-Ghcr^ unternehmen wolle. Die Länder, die diesen Streifereien unterworfen sind, waren namentlich 363 das Reich des Rajah von Iynftoor, der Bezirk von Marwarry und das nördliche Ende der Halbinsel von Guzcrat, nahe am Meerbusen von Cuth. Den Ueberrest Hindostans hatten sie bereits ganzlich unterworfen und machte cinm Theil ihres großen Reiches aus. Wenn die vereinigte Macht des Mahrattcnbundes in's Feld zog, wie es während des Krieges mit dem Nizam l794 der Fall war, so befehligte der Paischwa persönlich die ganze Armee, die dann in drei große Abtheilungen getheilt und jede durch besondere Namen und Stellungen bezeichnet wurde. Die erste, Vorhut oder vorgerückte Armee, welche die sämmtliche Infanterie enthielt, ward „Cherry-Fodgc" oder leichte Truppen genannt; sie steht unter den Befehlen des Ierryput; die Centrum-Division, von lauter Caval-lerie gebildet, heißt „Vecchlaschkar", wird als Reserve betrachtet und ist weder mit Artillerie noch mit Gepäck belastet. Die dritte Division, den Nachtrab bildend, stand unter dem eigenen Commando des Paischwtt und heißt „Voonga", führt den großen Artillericpark, „Iensa" genannt, und das Gepäck der ganzen Armee mit sich. Jeder Häuptling führte jedoch den Befehl über seine eigenen Truppen unter dem Abtheilungs-ssommandanlen. Die Mahrattm ließen sich nie in ein Gefecht ein, ohne vorher Unterhandlungen versucht zu haben und wenn es möglich war, den Streit mit Gelde zu beendigen, so thaten sie es; selbst, wenn sie dem Feinde bereits gegenüber standen, ließen sie sich selten in ein offenes Gefecht mit ihm ein, sondern blieben, wenn sie nicht selbst angegriffen wurden, oft Tage lang ruhig in ihrem Lager, wahrend welcher Zeit sie ihre Feinde zu ermüden suchtm, indem sie ihm alle Zufuhren und Fouragen abschnitten und die umliegende Gegend zerstörten. Nur im äußersten Falle nahmen sie die Schlacht an. IhreHauvtkriegsmacht bestand früher in Cavallerie, dic man in vier abgesonderte Gattungen unterscheiden kann, nämlich i) die Kascypagah, oder Leibwache, Haustruppen des Fürsten, 364 immer ein schönes, gutausgcrüstctcs Corps mit vortrefflichen Pferden, die des Fürsten Eigenthum waren und der jedem Reiter (Baugir) einen Monatssold von 8 Rupien zahlte. 2) Die Sil-labaurs; von diesem Worte kann man die Muthmaßung fassen, daß die Mahratten ehedem die Gewohnheit hatten, einen Harnisch zu gebrauchen. — Man hat die Mahrattenreiter sehr häufig ein Panzerhemd tragen sehen, das sie „Bcuta" nennen und den alten europäischen Panzerhemden sehr ähnlich ist; aus in einander geschlungenen eisernen Ringen gewoben, schmiegten sie sich fest an den Körper an und folgten allen seinen Bewegungen. Diese Silla-dams schließen mit dem Sircar einen Contract, cine gewisse Anzahl Pferde auf solche Bedingungen zu liefern, als sie nur für sich am Vortheilhaftesten erlangen können, sic bekommen gemeinhin für Mann und Pferd monatlich 35 Rupien. 3) Die zahlreichste Gattung ist die der Freiwilligen, die ihre Pferde und Waffen mit sich in's Lager bringen; ihr Sold beträgt 40^50 Rupien monatlich, im Verhältnisse des Werthes ihrer Pferde. 4) Die Pindarics, schlechtes Gcsindcl, das ohne Sold dient, nur von Plünderung lebt und sich zu diesem Zwecke auch der Armee anschließt; aber den vierten Theil ihrer Beute müssen sie dem Sircar abgeben. Sle sind jedoch ein so undisciplinirtes Grsindel, baß sie nicht bei jeder Mahrattenarmee angenommen werden, und sie stehen weder unter KriegSzucht, noch verpflichten sie sich auf bestimmte Zeit und verlassen die Armee nach Belieben. Sie dienen blos in der Schlacht, nur liefern sie im Lager ein Piquet „Echabccna" genannt, über das wir später reden müssen. Die Mahrattencavallerle ist immer unregelmäßig und schlecht bezahlt; der von dem Sircar besoldete Bnugir bekommt fast niemals Geld, sondern blos eine tägliche Portion groben Mehles nebst einigen anderen Lcbmsmitteln, die ihm gerade nur das Leben fristen. Der Silladaur ist nicht viel besser daran; für seinen mit dem Sircar geschlossenen Contract läßt ihm dieser eine gewisse 365 Strecke „Jungle", d. i. cin unbcbauctcs, mit hohem Gras oder Gebüsch bewachsenes Land, anweisen, wo er seine Pferde weiden lassen kann; hier lebt er mit seiner Familie, und seine einzige Beschäftigung, wenn er sich nicht im Dienste befindet, ist die Vermehrung und Pflege seiner Pferde, indem er von seinen Stuten, aus denen fast die ganze Mahrattcmavalleric besteht, Fohlen erzieht. Kein Volk in der Welt verstand, wie die Mahrattcn, die Kunst der Pferdezucht so gut. Es ist nichts Ungewöhnliches, baß ein Silladaur mit einer einzigen Stute in den Dienst getreten und nach einigen Jahren im Besitze einer ansehnlichen „Pagah", d. i. Pfcrdetruppc, ist. — Sie haben verschiedene Methoden, um ihre Pferde fruchtbar zu machen, sie besteigen ihre jungen Pferde weit früher als wir und machen sie damit auch früher zum Dienste tauglich. — Diese beharrliche Betriebsamkeit und Kunst der Pferdezucht ist die Quelle der ungeheuren Cavallcriecorps, welche die Mahrattcn immer in das Feld stellen konnten. Außerdem wurde aber auch jährlich eine große Anzahl Pferde von Candahar und Tibet gebracht, und auf den verschiedenen großen Jahrmärkten in Hinbostan verkauft. Wenn der Sircar den SiUadaur in den Dienst fordert, wird er mit seinen Pferden gemustert und er muß bei dieser Gelegenheit immer dem Brahminen, der ihn mustert, eine Vestcchungsgabe überreichen, denn der „Hazrcc" oder „Hazri", d. i. Musterrolle, ist so beschaffen, daß nur ein Schurke sie annehmen kann. Nicht nur werden die schlechtesten „Tatoos", b. i. eine Gattung kleiner, unansehnlicher und wcrthloser Pferde, an den Platz der Mustcrvfcrde gestellt, sondern sie leihen sogar Pferde, um die zu stellende Zahl voll zu machen. Hufstricke und Maulsäcke werden vorgewiesen, als ob sie weidenden Thieren angehörten, kurz, jede Methode wird angewendet, um den Sircar zu betrügen. Dieser aber entschädigt sich seinerseits durch schlechte, unregelmäßige Bezahlung, indem cr 366 glaubt, der Sillabaur sei immer noch gut bezahlt, wenn er statt 42 Monate nur 6 Zahlung empfange. Die Freiwilligen von der dritten Klasse sind noch schlechter daran, dmn sie sind nicht in Corps vereinigt und können ihren Forderungen keinen Nachdruck geben, ein Mahrattm-Sircar giebt aber selten Geld, ohne dazu gezwungen zu werden. Unter diesen Mahrattentrupften herrschte noch ein anderer großer Mißbrauch; jeder Soldat in einem Mahrattcn-Lager, der Vaugir ausgenommen, war völlig unabhängig; er ist der Eigenthümer des Pferdes, das er reitet und das er deßhalb nicht in Gefahr zu seyen wünscht, da er ohne sein Pferd sein Brot nicht verdienen kann. Dadurch werben Muth und Kühnheit des Reiters geschwächt, der vorzüglich darauf bedacht ist, sich und sein Pferd zu schonen, denn wenn auch bei der Anwerbung sein Pferd vom Sircar auf eine gewisse Summe geschätzt wird, so hat er doch auf keine reelle Entschädigung zu hoffen. Ist ein Silla-daur den Dienst überdrüssig, so kann er jederzeit ohne Hinderniß die Armee, selbst vor dem Feinde verlassen. Ein anderer bemer-kcnswerthcr Umstand ist, daß ein wohlhabender Silladaur zu gleicher Zeit Truppen in den Dienst verschiedener Häuptlinge senden kann, wenn sich dieselben auch in offenem Kriege mit einander befinden. Um rückständigen Sold zu erlangen, ist die gewöhnlichste Methode, die allgemein unter den hmdostanischcn Truppen eingeführt ist, der sogenannte „Dhema", die darin besteht, daß man den Schuldner, er mag sein, wer er will, in einen Zustand von Einschränkung oder Gefangenschaft verseht, bis man Genugthuung erlangt hat, oder die Schuld bezahlt worden ist. Jede Person in des Sircar's Diensten hat das Nccht, ihren rückständigen Sold von dem Fürsten oder seinem Minister zu erlangen und ihn in „Dherna" zu setzen; auch wird ihm kein Hinderniß in den Weg gelegt, um 367 dieses zu thun, da Niemand einem Befehle gehorchen würbe, der gegen die Ausübung dcs Dherna gerichtet wäre. Auch wird dem Soldatm kein Vorwurf deßwegen gemacht, noch verliert er etwas in der Achtung seines Oberhauptes dadurch, so allgemein anerkannt ist dieser Gebrauch. Der Dherna wird öfters sehr weit getrieben und ohne Unter-terschicd der Person bis zum Fürsten hinauf ausgeübt, und der Erfolg ist bei Hohen und Niederen derselbe, indem selbst der Fürst eine Ehrensache daraus macht, weder zu essen noch zu trinken, so lange sein Dewan im Dherna sitzt. Zuweilen dauert der Dherna mehrere Tage und wahrend dieser Zeit ist der betreffenden Person nicht erlaubt, weder zu essen noch zu trinken, sich zu waschen ober zu beten, oder den Platz zu verlassen, auf dem er sich gerade befindet, wenn er mit dein Dherna überrascht wird, was öfters in der Sonne und mit unbedecktem Haupte geschieht, bis die Schuld gebeckt, oder genügende Bürgschaft dafür gegeben ist. Die verschiedenen Mahrattcnfürstcn befinden sich meist die Hälfte ihrer Zeit im Dhcrna. Es giebt außer dieser noch andere Arten von Dhcrna, die man ausübt, um entweder sein verlorenes Vermögen, oder seinen Charakter wieder zu erlangen. Zwei davon wollen wir anführen. Der Gläubiger geht vor die Thür seines Schuldners und verlangt Bezahlung oder Bürgschaft; wird dies abgeschlagen, so steht der Gläubiger in Gegenwart des Schuldners auf, nimmt ein ungeheueres Gewicht auf den Kopf, das er zu diesem Zwecke mitgebracht hat, und schwört seine Stellung nicht eher zu verlassen,' bis er Genugthuung erhalten habe, und stößt zugleich die fürchterlichsten Verwünschungen gegen seinen Schuldner aus, wenn er ihn in dieser Lage sollte den Geist aufgeben lassen. Dieses verfehlt selten seine Wirkung. Sollte aber der Gläubiger im Dhcrna sterben, so wird des Schuldners Haus der Erde gleich gemacht und er nebst seiner Familie werden als Sclaven verkauft, um die Schuld 368 zu bezahlen und den Erben des Verstorbenen Genugthuung zu verschaffen. ^ Eine andere Art ist noch schrecklicher, wird aber selten ausgeübt und heißt: „Koor aufrichten." Wir habm schon früher davon gesprochen — der Koor besteht aus einem großen Holzstoße, den man vor dem Hause des Schuldners aufrichtet, nachdem er die gewöhnliche Schuldforderung gemacht und abgewiesen worden ist. Oben auf den Holzstoße bindet der Gläubiger eine Kuh, ein Kalb oder ein altes Weib, gewöhnlich seine Mutter oder eine nahe Verwandte, und schwört zugleich, daß er den Holzstoß anzünden werde, wenn man ihm nicht auf der Stelle Genugthuung gebe. Das alte Weib stößt zu gleicher Zeit die fürchterlichsten Verwünschungen aus und drohet dem armen Schuldner, ihm in diesem und künftigem Leben auf ewig zu verfolgen, wenn er sie auf dem Holzstoße sterben lasse. Diese Procedur wird aber selten auf das Acußerste getrieben und meist nur im engeren Hin-dostan ausgeübt; dieser Gebrauch ist nicht bis in den Deccan gedrungen. Solche Mittel sind die einzigen, welche man kennt, um Wiedcrbczahlung einer Schuld zu erlangen, da die Mahratten-regicrung nicht eine Spur von Civil- und Criminalgerichts-pstege hat. In den verschiedenen Mahratten-Armeen ist selten mehr als die Halste geborene Mahratten, es geschieht auch selten, daß sie in die Infanterie treten. Die Seapoy's, im Solde der verschiedenen Mahrattenfürstcn, werden sämmtlich in Hindostan geworben, vorzüglich aus der Rajepoot- und Purvia-Kastc. Diese können durch ihre Gestalt unter die schönsten Manner gezählt werden, sie sind meistens hoch, stark athletisch gcbauet, besitzen ein lebhaftes Temperament und kriegerischen Muth. Von leichter Fassungskraft, scharfsinnig und kühn, sind sie zugleich sehr sparsam, aber auch ungeduldig gegen Kricgszucht, haben einen natürlichen Hang zum Aufruhr und besitzen, wie alle Hindu's, nicht die Fähigkeit, Zuneigung oder Dankbarkeit zu empfinden. Sie sind Abenteurer, die 369 nur fm Sold dienen, weßhalb sie aus Hindostan nach dein Deccan auswandern, wo man sie Purdasies, oder Fremde nennt; sie haben keinen Begriff von Patriotismus und plündern im feindlichen Heere ohne Bedenken ihre eigene Heimath-Eltcrn und Verwandte. In den Mahratten-Heerm traf man auch jederzeit eine große Anzahl Muselmanner, von denen einige sogar wichtige Aemter bekleideten. Sie haben im Umgänge mit dm Hindu's einen gewissen Grad von Höflichkeit angenommen, der ihnen sonst nicht eigen ist. Die Umgangssitten der Mahratten sind so höflich und verbindlich, daß der übermüthige Muhamedaner die Mahrattcn-regierung seiner eigenen vorzieht und allmälig den Stolz und Ueber-muth ablegt, der ihn gewöhnlich zum Gegenstände des Abscheues in Hindostan macht. Die Infanterie der Mahrattenstaaten war selbst zur Zeit ihrer höchsten Macht immer nur sehr unbedeutend und warm (Scin-diah's Brigaden ausgenommen) wahrhafte Carricaturen dcS Krie-gcrstanbes. Mahajec Scindiah (Vater des mächtigsten unter ben Mahrattenfürsten) war der einzige Beherrscher des Reiches, der ein tüchtiges und zahlreiches Infantcriccorfts hatte, das auf europäischen Fuß eingerichtet war. Es war ein Mann von aufgeklartem Geiste, und sein Ehrgeiz war seinen Fähigkeiten angemessen. Im Jahre 1791, als er in den Dcccan zurückkam, war er Vezier des mongolischen Kaisers, und ging nach Poonah (auch Punah geschrieben) mit dem bestimmten Vorsahe, Dewan des Paischwa zu werden, und wäre es ihm gelungen, so würde er eine größere Gewalt besessen haben, als je cm Kaiser von Delhi zuvor, selbst in der höchsten Blüthe der Macht. Gin Mann mit so außerordentlichen Fähigkeiten und Plänen konnte auch nur Großes denken, und sein Glück war der Größe seiner Untcmch- Van Molern, Ostindien. I. 24 370 mungen angemessen. Er errichtete eine Kanonengicßerci in Agra, um sich eine Artillerie zu verschaffen, ließ die Musketen für seine Infanterie selbst anfertigen, ermunterte europäische Officiere von Talent, in seine Dienste zu treten und hatte das Glück, sich die Dienste de Voigne's") zu erwerben, den er zum General seiner Infanterie machte und der ein Mann von großen militairischen Talenten, tiefen Einsichten und politischer Kenntniß war, uner-müdet in der Verfolgung seiner militairischen und politischen Entwürfe, um die Staaten Scindiah's zu vergrößern. Die von ihm errichtete Armee bestand aus 20,000 Mann regelmäßiger Infanterie, die ganz wie die englischen Scapoys (eingeborene Rekruten) disciplinirt, bewaffnet und ausgerüstet waren und von europaischen Officicrcn befehligt wurden, 40,000 Nezib's, eine Gattung von Truppen, die wir gleich naher beschreiben werden, und 3000 Mann wohldisciplinirtcr Cavallcric nebst trefflichen Artillcricparks; die ganze Armee wurde gut bezahlt und Scindiah stellte sie an die Spitze seines Reiches und wurde durch sie mächtig. Die Nczib's waren mitLuntcnflintm bewaffnet und wurden nach ihren Kasten: „Allcgolcs" oder„Nohilla's" genannt; sie wurden ohne Unterschied aus den höheren Hindukastcn und Muselmännern gewählt; ihren Luntenstintcn hatte de Boignc's Ersin-dungsgeist ein Vajonct beigefügt. Sie fühlten auch Schwert und Schild und besaßen große Uncrschrockcnhcit. Wenn man den schlechten Zustand der Musketen bedenkt, die man gewöhnlich im Innern von Hindostan antraf, und die Verbesserung der von de Boigne eingeführten Luntcnflintm darauf vergleicht, so kann man die Ncbcrlcgenhcit dieser Nezib's sehr wohl erklären. Der „Van-dook" oder die Luntenstinte erfordert mehr Zeit zu laden, als eine ') Dic Biographie des Generals de Voignc geben wir aus authentischen Quellen bearbeitet in kcr Folge. (Tichc den II, Band,) 371 Muskete, weil sie eine Kanuner hat, aber sie trägt die Kugel viel weiter und schußgerechter und die längere Uebung seht die Nezib's in den Stand, mit einer Geschwindigkeit zu laden, die für den gewöhnlichen Dienst ausreicht. Die Nczib's warm auch sehr geschickt in der Führung des Schwertes und wurden gewöhnlich angewandt, einen Angriff nut dem Schwerte in der Hand aus den Feind zu machen, sobald man irgend einen Anschein von Unordnung im Feinde bemerkte. Die Nohilla's waren sämmtlich Muselmänner von dem schlechtesten Charakter, sie besaßen aber ebenso viel Muth als Laster und wurden immer für Stürme und gefährliche Unternehmungen vorbehalten; sie thaten auch keinen andern Dienst irgend einer Art und hatten nicht die mindeste Kriegszucht. Diese starke Armee hat den Mahajee Scindiah ein Uebergewicht und eine Gewalt über die Politik des Reiches gegeben, wie sie noch kein anderer Mahrattcnfürst jemals besessen hatte; aber sein Nachfolger, der Dowlut Row Scindiah scheint die Klugheit und Fähigkeit seiner Vorgänger nicht besessen zu haben. Nichts konnte eine größere Unordnung darbieten, als sein Durbar seit der Absetzung und Verhaftung Ballajec Tantiah's, auch Nana Furnavcse genannt, der letzte Minister seines Vorgängers. Seitdem ist kein regelmäßiger Dcwan wieder ernannt worden und die Geschäfte der Sircars wurden von einer Zahl unwissender Schmeichler geführt, die sich durch die Jugend und Uncr-fahrenheit ihres Gebieters von Bedienten und Sclaven zur Macht erhoben hatten. Scindiah's Ausgaben übertrafen weit seine Einkünfte, sein ausgesogcnes und nichts erzeugendes Land bot ein allgemeines Bild von Armuth und Unterdrückung dar, und ein »nächtiger Feind hätte ihn bald überwältigen könnm. Seine Regierung kannte nur dic Methode, sich aus derNoch Zu hchm dmch 24° 372 Geldcrftrcssung und, obgleich diese Hülfsquelle des Poonah Sircar's bedeutend war, so konnte sie doch nicht andauern. Seine Deccan-Armee kostete ihm allein 25 Laks Rupien alle Monate, seine Truppen in Hindostan wurden nur auf Raub und Plünderung angewiesen, er hatte keine Khazanna oder Privat-Schahkammer und seine unglücklichen Unterthanen seufzten unter furchtbarer Bedrückung. Von den anderen Fürsten des Reiches scheint Vouncelah, Rajah von Berar, in seiner Staatcnverwaltung der vorsichtigste und sparsamste gewesen zu sein. Seine Staaten waren zwar ausgebreitet, aber zusammenhängend, auch nicht mit den Besitzungen anderer Mahrattenfürsten gemischt, wie es sonst üblich war. Er besaß eine ausgedehnte Sceküste in der Provinz Orisa, die ein Gegenstand politischer Wichtigkeit ist, er mischte sich weniger in die inneren Unruhen des Reiches, als Scindiah oder Holkar, sondern in sich selbst conccntrirt, besaß er eine gewisse abwehrende Macht, die zu seiner Vertheidigung hinreichte und er war ohne Eroberungssucht, mit seinen Erbstaaten zufrieden. Er war, bei allem Rechte auf eigene Dauerhaftigkeit seiner Verwaltung, nach Scindiah der mächtigste Fürst im Mahrattmstaate, hatte ungefähr l 0,000 Mann Infanterie, die jedoch schlecht diSciplinirt und bezahlt waren, konnte aber eine treffliche Cavallerie in's Feld stellen und sein Reichthum in baarcm Gelde war unermeßlich. Aber bei allen diesen Vorzügen galt er schon bei seinen Zeitgenossen für einen Mann ohne Grundsätze, Kraft und Talent. Holkar wird unter dcn Mahrattcn wegen seiner Geburt sehr hochgeachtet; er besaß ein großes Gebiet sowohl im Deccan als in Hindostan und war Subahdar von Malwa, unter welchem Titel man ihn allgemein kannte. Sein Vorgänger Malarrow Holkar, den man den Großen nennt, war einer der frühesten Abenteurer in den Streifemcn der Mahrattm gegen Norden, und scheint 373 große Talcute besessen zu haben, sowohl als Kriegsführer wie als Staatsmann. Sein Nachfolger Holkar konnte 50,000 Mann Cavallerie stellen und hatte etwa 6000 Mann gut disciplmirtc, wohl ausgerüstete Infanterie in seinem Dienste. Doch geriethen seine Angelegenheiten in Verfall, theils durch den mit Scindiah geführten Krieg, theils und vornehmlich wegen innerer Mißhcllig-keiten in seiner Familie. Der Paischwa, obgleich das Oberhaupt des Reiches, war, wie bereits gesagt wurde, nicht so mächtig, als einige geringere Mitglieder des Staatenbundes. P oonah war der Sitz seiner Regierung und zugleich die Hauptstadt des ganzen Mahrattcn-rciches, dazu der Ort, wo der größte Theil des Reichthums der ganzen Nation sich befand. Sie zeichnet sich durch nichts Anderes als eine strenge Polizei aus, die allein viele tausend Mann beschäftigte. Abends zehn Uhr nach einem abgefeuerten Kanonenschusse durfte Niemand mehr in den Straßen erscheinen, wenn er nicht sogleich von den Patrouillen gefangen genommen sein und bis zum andern Morgen festgehalten werden wollte, wo er von dem Cutwall, wmn keine weitere Klage gegen ihn vorlag, freigegeben wurde. Diese Zucht ist so strenge, daß selbst der Paischwa eine ganze Nacht festgehalten worden ist, weil er sich während der verbotenen Zeit hatte in den Gassen betreffen lassen. — Der Sircar von Poonah besoldete 2000 Mann Infanterie, die sich aber größtentheils nur auf dem Papiere befand und der davon gesparte Sold wurde für Aufrechterhaltung der Ordnung und Ruhe in der Stadt verwendet. Wie alle Bürgertrupvcn waren die Infanteristen nur bewaffnete Rotten und in kleine Corps, welche man „Brauderies" nennt, unter Befehle vonBrahminen vertheilt, welche durch falsche Musterrollen und durch Betrug der Soldatm um ihren Sold sich selbst ein gutes Einkommen verschafften. Die Reiterei des Paischwa war besser und achtungswür- 374 diger, sie wurde meistens von den „Maunkarrie's", d. h. den im Deccan unter der mongolischen Herrschaft gestandenen, aber abgefallenen und mit Sewagi sich vereinigt habenden mächtigen Häuptlingen, geliefert, und von diesen auch größtmtheils comman-dirt. Diese Maunkarrie's hatten bei ihrem Abfalle vom Großmogul zur Gründung des Mahrattenreiches beigetragen, warm deßhalb am Hofe zu Poonah sehr geachtet und genossen viele Vorrechte. Unter anderen mußte der Paischwa sie immer stehend empfangen, wenn sie in seinem Durbar erschienen. Sie thun es in Pracht und äußerlichem Gepränge den Fürsten gleich, wenn der Paischwa seinen Elephanten besteigt, so thun sie dasselbe, desgleichen wenn Pferde oder die Palankeen's bestiegen werden. Begegnet der Paischwa auf einem Elephanten einem Maun-karric, der zu Pferde sitzt, so thut dieser, als ob er den Fürsten nicht kenne. — Ucbrigms lieferten auch ursprünglich Mitglieder der Mahrattenrepublik einen Theil Reiterei, die indessen schlecht ist. Diese Mahrattenhäuptlingc erweisen fast ausschließlich nur dem armen Rajah von Satarah Achtung, ziehen auch nie anders in das Feld, als wenn der Paischwa selbst mitzieht. Govind Now Guiacquar, Fürst von Guzarat, hatte eine Coore Rupien jährlicher Einkünfte und konnte 30,000 Mann Reiterei in's Feld stellen. AliBehaudcr, der uneheliche Bruder des Vorgängers vom Paischwa dieser Zeit, streifte mit seinen Truppen durch den Bezirk von Bundclcund und hatte eine sehr schwankende, ungesicherte Lage. Rastia, Foocia, Firkia, die früher erwähnten erblichen, hohen Staatsämtcr der Sircars von Poonah, nebst einigen anderen vornehmen Mahrattcn, warm blos „Iagherdar's und konnten nur sehr wenig zur allgemeinen Vertheidigung beitragen. Dieses nun waren die verbündeten Kräfte des Reiches, die, wenn sie gehörig vereinigt gewesen wären, wohl hätten gefürchtet 375 werden können. Im Jahre 1794, als die Mahrattm mit dem Nizam im Kriege waren, hatten sie allein im Dcccan mchr als 200,000 Mann im Fcldc. Die Mahratten befolgten zwei verschiedene Methoden, um ihre Infanterie zu errichten. Die erstere ist die von Scindiah angewendete oder die europäische, nach welcher alle militairischm Bedürfnisse, Kanonen, Waffen, Munition und Montirung dem Sircar angehören und nur das Commando in den Händen des Generals sich befindet; andere Fürsten aber, wie Holkar, hatten das besondere System, das ganze Corps mit seiner Ausrüstung einem Commandanten auf eigene Rechnung zu überlassen, dessen Eigenthum dann natürlich auch das Corps war. Die Folge davon ist die gewöhnliche — das Corps wird so billig wie möglich hergestellt und im Kriege so viel als thunlich geschont; denn der Sircar würde dem Truppen-Eigenthümer keine Entschädigung geben. Die Topekonna oder das Artillericdcpartemcnt ist bei den Mahrattcnfürstcn ein Amt von hoher Wichtigkeit und beträchtlichen Einkünften. Ihre Kanonen sind nicht übel gegossen, aber alle Lafetten schlecht und schwerfällig gebaut; die Räder sind von drei dicken Planken von Baboolholz gemacht, die mit hölzernen Nägeln vereinigt sind und sich um eine sehr dünne Achse drehen. Wenn sie einige Zeit gebraucht worden waren, so zerstörte die Reibung sehr bald die Nundung der Nädcr, namentlich an den beiden Sei-tenplankcn, welche den Fasern des Holzes parallel laufen, während das Mittelstück, das den Boden nur mit seinen beiden Enden und mit dem Querschnitte des Faserlaufes berührt, gewöhnlich weniger abgenutzt wurde. Wir haben alte Kanonen der Mahrattm gesehen, die im letzten Kriege mit England genommen waren, und deren Nader fast viereckig aussahen, also die Kanone förmlich geschleift sein mußte. Ein Marsch von einigen Tagen rüttelt die 376 Lafette beinahe zu Stücken. In letzter Zeit haben sie jedoch ihre Artillerie sehr verbessert, besonders in den Corps, wo europäische Officiere angestellt waren, wir haben Kanonen gesehen, die sehr stark und sauber montirt erschienen. Alle Kanonen werden aber nicht nach einem bestimmten Kaliber, sondern ohne Regel von allen Dimensionen gegossen und die Kugeln nachher, der Mündung gemäß groß oder klein angefertigt und zwar nicht gegossen, sondern mit dem Hammer gearbeitet. Deßhalb behalten sie immer scharfe Ecken, welche die innere Politur der Kanone in kurzer Zeit zerstören und den Schuß unsicher machen. Von diesen Kanonen schleppten die Mahrattm immer eine beschwerliche und unnütze Menge mit sich, weil sie ein großes Vertrauen in die Wirkung der Artillerie setzten, obgleich sie mit der Artillerie-Wissenschaft gänzlich unbekannt warm. Dann und wann warfen sie Raketen unter ihre Feinde, machten aber selten von der Muskete, nie aber vom Bajonctc Gebrauch. Ihr Pulver war auch sehr schlecht, obgleich sie die besten Materialien dazu besaßen, aber sie kannten die gehörigen Verhältnisse und Bedingungen nicht und sie mischten überhaupt eine Menge fremdartiger und unnützer Stoffe hinzu. Gin Mahrattenlager wirb ohne Ordnung und Regelmäßigkeit aufgeschlagen und nimmt immer ein großes Stück Land ein. Wenn das Zelt des Fürsten aufgerichtet ist, so wird der große Bazar oder Markt in Front von ihm eröffnet, wo alle Arten Kaufmannswaarcn zum Verkaufe ausgcboten und alle Gewerbe ausgeübt werden. Der Fürst bezieht eine beträchtliche Summe von seinem Bazar (was auch die Commandanten der englischen Armee nachahmten, indem sie gleiche Abgaben von den Bazar's bezogen, welche ihre Truppen in Indien stets auf den Märschen begleiteten) und jeder „Bunga" oder Krämer mußte dem Sircar eine ansehnliche Summe monatlich bezahlen. Da die Zahl der„Dokaun's" 377 oder Krambuben oft mehrere Tausend betrug, so war die Einnahme nicht gering. Jede Person, welche ein Gewerbe trieb, mußte für dcn Dokaun monatlich etwa fünf Rupien bezahlen. Demselben Tribut waren auch die Bajaderen, „Kunchenoes" ober tanzenden Mädchen unterworfen, von denen gewöhnlich mehrere Hundert einem großen Lager folgten, desgleichen die „Fooda's" oder pri-vilegirten Schelme und Narren, die in großer Zahl die Mahratten-armeen begleiteten und von dein Sircar gegen Bezahlung einer monatlichen Abgabe geschützt wurden. Das Zelt des Dewan's ward nahe bei dem des Fürsten aufgeschlagen, die übrigen Sirdar's schlugen die ihrigen auf, wo es ihnen am Bequemsten erschien, jeder hatte aber seine eigene Fahne vor seinem Zelte ausgestanzt, die seinem Gefolge zum Zeichen diente, wo es sich zu ihm gesellen sollte. Im Ganzen hatte ein Mahrat-tenlager einen sehr malerischen Ausdruck. Das Fcldgcrath des Fürsten und besonders sein Zelt ist groß und elegant, die Zelte der anderen Sirdar's sind bequem und geräumig und öfters von verschiedenen Farben. Die verschiedenen aufgepflanzten Fahnen, welche im Winde flattern, die Größe und der Reichthum des Bazar, machen auf den Europäer einen eigenthümlichen Gindruck. Der Dimertroß und das Bagagcpcrsonal einer Mahrattm-Armee ist ungeheuer groß und kommen durchschnittlich wenigstens drei Personen auf einen wirklichen Krieger. Der große Kanoncnpark oder „Iensa" wie sie ihn nennen, macht eine besondere Abtheilung des Lagers aus, gewöhnlich auf einer der Flanken; auch die Infanterie lagert besonders und stets in der Fronte des Lagers; die Reiterei beobachtet im Felde meist eine gute Kriegszucht, stellt die Piquets, „Schabtenah's" genannt, die in ansehnlichen Größen nach verschiedenen Richtungen vorgesendet werden, und ist Tag und Nacht so wachsam, daß es beinahe unmöglich erscheint, ein Mahrattenlager zu überfallen. 378 Der Gang der öffentlichen Geschäfte wird nie unterbrochen, wenn der Fürst im Felde steht. Jeden Abend wird in dem „Dewry" ober Staatszelte des Fürsten ein „Durbar" gehalten, sowohl an Marsch- wie an Ruhetagen, und die Geschäfte werden mit derselben Leichtigkeit und Regelmäßigkeit abgethan, wie es bei Hofe in Friedcnszeit zu geschehen pflegt. Das Innere eines Mahratten-Durbar's bietet ein Gemälde großer Einfachheit dar; hier hört man kein Geschwätz, sieht kein Gepränge, keine Streitigkeit und Rechthaberei, sondern jede Person, selbst die geringste, kann eine augenblickliche Audienz beim Fürsten erlangen und wird mit Höflichkeit und Aufmerksamkeit empfangen. Wenn das Lager verändert werden soll, so giebt der Fürst den Befehl, wo man am anderen Tage lagern soll; diese Nachricht wird schleunigst der Armee durch die Untergebenen des „Vimey-Wallow" oder Generalquartiermeisters bekannt gemacht, der es auf dem öffentlichen Bazar ausrufen läßt. Auf dem Marsche bildet die Infanterie immer die Vorhut, da sie schon vor Tagesanbruch aufbricht, die Cavallerie aber setzt sich selten vor neun Uhr Morgens in Bewegung, da sie immer vorher ihr Frühstück verzehrt. Die Topekonna (Artillerie) marschirt ebenfalls abgesondert, gewöhnlich hinter der Armee, oft in großer Entfernung, was gegen alle Kriegsvorsicht verstößt, da es einem rührigen Feinde leicht einen günstigen Angriffspunkt darbietet, um die gcsammte Artillerie abzuschneiden. ^ Del Fürst marschirt mit großem Pomp, seine Elephanten vor ihm her, nebst dem Träger der großen Standarte, und seinen Handpferden, und er ist immer von einem auserlesenen Cavallericcorps umgeben. — Er sammelt große Summen auf seinem Wege, da er einen Nuzzir, oder ein Geschenk von jedem Orte erpreßt, den er zu Gesicht bekommt, er mag in seinem Gebiete liegen oder nicht. Aus dieser Ursache bleibt auch der Kanonenpark hinter der Armee zurück, er zwingt jedes Dorf, das auf seinem 379 Wege liegt, eine gewisse Quantität Ghee, ein Schaf und eine Rupic in Golde für jede Kanone zu liefern. Diese Contribution fordern sie nach uraltem Herkommen, sie sind aber selten mäßig genug, sich mit diesem zu begnügen. Diese Erpressung wird „Vaht" genannt und von jedem Armcecorps eingetrieben, das stark genug ist, sie mit Gewalt zu fordern. Die armen Dörfer werden noch überdies grausam bedrückt, indem sie Biggareers liefern müssen, um das Fclbgcräth weiter zu schaffen, und außerdem werden häufig noch Ochsen und Wagen rcquirirt und sehr weit mitgenommen. Sehr oft geschieht dies nur aus dem Grunde, um den armen Dorfvorstehcrn, Petcl's, eine Entschädigung abzuzwingen, die noch obenein die ganze Armee mit Gras und Brennholz versehen müssen. Diese Ausgaben trägt der Pctcl zwar auf Rechnung des Sircar's, die auch bei den jährlichen Rechnungsabschlüssen erstattet werden sollen, aber selten entschädigt werden. Die Reiterei der Mahratten macht zuweilen sehr lange und geschwinde Märsche, wobei sie sich weder durch die Monsoon (d. i. die in Indien von den furchtbarsten Stürmen begleitete Regenzeit), noch durch andere Witterungscinstüsse aufhalten laffm. Es ist unglaublich, welche Strapatzm ein Mahrattm-Rciter im Falle der Noth aushalten kann. Ocfters vergehen mehrere Tage, ohne daß er ein einziges regelmäßiges Mahl genießen kann, er verläßt sich gänzlich auf die verschiedenen Kornfelder, durch die er reitet; einige „Iaary" (d. i. eine Gattung Getreide), die er im Durchreiten Pflückt und zwischen seinen Händen zerreibt, ernähren ihn für den Tag. Sein Pferd bekommt die nämliche Nahrung und mit dem Zusähe von ein wenig Opium, das die Mahratten öfters ihrem Vieh geben, sind sie im Stande erstaunliche Märsche zu machen. — Selbst wenn die Armee mit schwerer Artillerie belastet ist, bewegt sie sich doch mit großer Schnelligkeit, da sie immer einen 380 Vortrab von Reiterei hat, die für den Zweck detachirt ist, von allen Ortschaften, in deren Nähe die Armee vorbeizieht, Zugochsen in Requisition zu setzen oder zusammenzutreiben. Dies sind aber Anstrengungen, die nur bei außerordentlichen Gelegenheiten gemacht werden; der gewöhnliche Tagesmarsch einer Mahratten-Armce betrug 8 Cos oder 12 englische Meilen; sie lagerten sich gemeiniglich in der Nahe einer größeren Stadt, ihres Bazars wegen. Die ungeheuere Consumtion einer Mahrattm-Armce erzeugte natürlich den Gedanken an große Zufuhren und Magazine; aber die Fürsten gaben sich keine Mühe, ihre Armeen zu ernähren und hatten von dem für Truppen so wichtigen Proviant-Departement gar keinen Begriff. Die „Vunga's" oder Getreidcvcrkäufcr einer indischen Armee sandten ihre Diener immer der marschirmdm Armee voraus, um in den umliegenden Bezirken alle Lcbensmittel aufzukaufen; die gewöhnlichen Lebensbedürfnisse fehlten in den Lagern nie, aber sie waren gewöhnlich fünf Proccnte theuerer, als auf den Märkten der Städte. Nebst diesen kleinen Bedürfnissen lieferten die Bunga's auch große Mengen Getreide, das sie auf Ochsen oft aus großen Entfernungen zusammenbrachten. Diese reisenden Kornhändlcr, Vanjaree's, warm eine ganz besondere Menschenklasse; früher wurden sie so heilig gehalten, daß sie ohne Unfall mitten durch kriegführende Armeen ziehen tonnten, doch hatte diese Verehrung mit der Zeit abgenommen und sie wurden bisweilen gänzlich ausgeplündert, namentlich durch Sultan Tiftfto; -^ sie besaßen indessen in sich selbst eine beträchtliche Kraft und waren zu allen Zeiten im Stande, einer gewöhnlichen Bande von Plünderern zu widerstehen. Diese Vanjaree's verließen sich aber nicht allein auf den Verkauf ihres Getreides, sondern nahmen als Erwerbsmittel auch große Lasten Kaufmannsgüter aus dem Deccan mit sich nach Hindostan zurück. In ihren mü- 381 ßigen Stunden webten sie eine Gattung groben, hänfenen Stoffes, der „Tartpartoo" genannt und sehr theuer verkauft wurde; man gebrauchte ihn, um Kornsäcke und große Kamceldcckcn (Valuta's) daraus zu verfertigen, die sehr stark gebraucht wurden. — Wir begegneten in Guzerat einmal einer zahlreichen Bande Vanjarec's, die uns sagten, baß, da sie ihr Getreide nicht hätten verkaufen können, sie ein ansehnliches Stück Land urbar und mit ihrem Getreide besäet hätten und daß sie nun der Hoffnung lebten, einen guten Gewinn daraus zu ziehen. Hirtenvölker lieben das Herum-wandern, nicht aber Ackerbau treibende Völker, und die Vanjaree's sind wirklich ein seltenes Beispiel, daß Landbauer auch wandernde Krämer sind. Die Infanterie in den Mahrattentruftpen wurde gewöhnlich von europäischen Ofsicieren befehligt, die, wenn sie einer Brigade vorstanden, gut bezahlt wurden. Oberst Perron, der Nachfolger des de Boigne, hatte monatlich über 5000Nuftien Sold; andere europäische Officiere in Scindiah's Dienste hatten wohl 1—3000 Rupien monatlich, die Nebmeinkünftc nicht mitgerechnet. Auch andere Mahrattenfürsten bezahlten ihre europäischen Officiere gut. Holkar gab dem Befehlshaber seiner Seapoy's monatlich 3000 Nu-pien und ebenso viel erhielt Obrist Voyd vom Paischwa als Befehlshaber von dessen regelmäßiger Infanterie. Obrist Raymond, der die Nizam-Infantcric befehligte, besaß einen Iaghire von 30 Laks Rupien jährlich, um seine Truppen zu bezahlen. Der Sold der europäischen Subaltcrnosfmcre betrug von 200 bis zu 500 Rupien monatlich und wenn der Sold auch nicht immer regelmäßig ausbezahlt wurde, so war er doch sicher und der Dienst dafür unbedeutend. Nur im Felde hatten sie viele Ausgaben und, da sie Bedienten und Vieh selbst halten mußten, manche ansehnliche Abzüge. Wenige von ihnen, außer den höheren Befehlshabern, haben Gelegenheit gefunden, sich ein namhaftes 382 Vermögen zu erübrigen, und wenn sie im Dienste verwundet oder verkrüppelt wurden, so erhielten sie vom Sircar weder Pension noch Entschädigung. Zur Zeit des Generals de Boigne mochten wohl an 300 Europaer in der Mahrattcn-Armee angestellt gewesen sein, von denen etwa, außer acht Hochcommandi-renden, die sich Vermögen erwarben, 60 Officicre waren, die Uebri-gen dienten als Sergeanten oder Kanoniere, der Mehrzahl nach Franzosen,— viele von den Schiffen und aus den Niederlassungen desertirt. Die Vorliebe der Mahrattenfürstcn für europäische Soldaten war so groß, daß sie ihnen viele Vorrechte einräumten, die sie den Eingeborenen versagten. Die verschiedenen europaischen Manufacturwaaren, die sie gebrauchten, bekamen sie zollfrei; wahrend es in der Armee jedem Mahrattm verboten ist, ohne besondere Erlaubniß ein „Palankcem" zu gebrauchen, thaten es die Europäer ohne Erlaubniß — wenn sie durch die verschiedenen Staaten der Fürsten reiseten, wurde ihr Gepäck unentgeltlich von Stadt zu Stadt geschafft und ihre Person genoß eines besonderen Schutzes. Die Menschenliebe der Hindu zeigt sich überhaupt fast nur gegen Reisende. Sroy's, Durum Solla's (Ruheplätze) zu bauen, in wasserarmen Gegenden Brunnen zu graben und Pagoden zu bauen, darin besteht fast einzig die praktische Menschenliebe der Eingeborenen. Dieser Grundsatz zeigt sich auch in ihren inneren Einrichtungen; daher werden an jedem Orte drei Personen auf öffentliche Kosten unterhalten, deren ausschließliche Dienste jedem Reisenden zu Gebote stehen. Der Erste von ihnen ist der „Ishkaur" — ober Oberhaupt der niedrigsten Kasten, dessen Schuldigkeit es ist, dem Reisenden „Coolie's" oder Träger zu verschaffen, um dessen Bagage zu transportirm; kann er dergleichen nicht bei der Dare- ober Parwarry-Kaste finden, so geht er zu der Sonaur- oder Silbcrschmied-Kaste, und sind auch hier keine zu 383 finden, so geht er durch alle anderen Kasten des Ortes, und will Niemand das Gepäck tragen, so muß es der Pctel (Vorsteher) selbst thun. Wir haben oft Brahminen von hohem Range gesehen, die zum Dienste des Gepäcktragcns gezwungen wurden, doch unterstehen sie sich nie, einen Muselmann dazu zu zwingen, mag auch dessen Rang noch so niedrig sein. Diese „Biggarec's", oder Träger, werben im nächsten Dorse gewechselt, wo sie von dem Petcl eine gewisse Quantität groben Mehles für ihre Mühe empfangen; von dem Reisenden aber wird niemals Bezahlung erwartet oder verlangt. Die zweite der drei obengenannten Personen ist der „Veel" oder Wegweiser. Diese Vccl's sind ein Iungle-Volk, das in Wildnissen in einem Zustande von Nohhcit und fast gänzlicher Wildheit lebt; cs hat immer Vogm und Pfeile in Händen, lebt nur von Stehlen und Plündern und steht gewöhnlich unter dem Schutze kines Mahrattmfürstcn, dem sie Chout, d. i. Tribut, bezahlen. Es ist nur eben einmal bekannt geworden, daß sie sich an einem Europäer vergriffen hätten. Von diesem Volte werden zwei oder drei in jedem Dorfe auf Kosten des Sircar's unterhalten. Die dritte Person wird „Kooley" genannt und ist entweder ein Mann oder eine Frau von einer so hohen Kaste, daß jeder Hindu die von ihnen zubereiteten Speisen genießen darf. Wenn cs der Reisende fordert, so bereitet der Koolcy ihm seine Mahlzeit, holt ihm Alles zusammen, was er dazu bedarf, vom Bazar, und erwartet keine Bezahlung für seine Mühe. Außer allen diesen Dienstleistungen kann der Reisende auch noch von dem Petel eine gewisse Quantität Salz und Massalah (Gewürze), auch Kochgeschirr und Brennmaterial fordern. Fernere geschichtliche Mittheilungen über die Mahratten sparen wir als eine Einleitung unserer später folgenden historischen Darstellung des Mahrattenkricges mit den Engländern auf, da dieselben die Ursachen und Umstände, welche jcnm Krieg herbeigeführt haben, näher erläutern und aufklären können; einen Krieg, der von verschiedenen Parteistellungm beurtheilt zu werden pflegt und ohne die militairischen Talente der englischen Generäle und die Tapferkeit europäischer Truppen sehr leicht dem englisch - ostin-dischcn Reiche ein Ende hatte machen können. (Siehe Band II. Kapitel 22.) Vmjchnw Kapitel. Hie Muselmänner in Hindustan. Um die Muhamedaner jeder Eecte und jedes Landes, welche sich in Hinbostan niedergelassen haben, zu bezeichnen, gebraucht man hier gewöhnlich das Wort: „Mohr." Es ist aber auch in der That nothwendig, einen allgemeinen Namen für sie zu haben, denn man findet hier Patancn, Afghanen, Perser, Araber, Tartaren ic., aber die erschlaffende Milde des Klima's bildet sie bald Alle zu einem gemeinsamen Charakter um, dessen bezeichnende Eigenschaften Sinnlichkeit und Treulosigkeit sind. Wir wollen den allmüligcn Fortschritt ihrer Natur bis zu diesem Charakter näher erforschen und die verschiedenen Nationen, woraus die Mohren gekommen sind, näher unterscheiden, ehe sie mit der allgemeinen Masse hindostanischcr Muselmanner zusammengeschmolzen sind. Ihr Ursprung ist demnach folgender: Die Araber, welche aus dem rothen Meere kamen, ließen sich in Masulipatam nieder, stifteten aber außerdem in verschiede-denen Theilen Indiens Colonien, die noch eristirm und deren Nachkommen „Patanen" heißen. Vnn Mükern, Osti„dlc„, i, 25 386 Die Afghanen, welche aus lKandahar und von den Gebirgen, welche Pcrsicn von Hindustan trennen, gekommen sind, wurden ebenfalls Patanen genannt; woher dieses Wort stammt und warum es den Abkömmlingen beider Nationen gegeben ist, kann nicht zuversichtlich ermittelt werden. Die Tartaren oder mongolischen Tartaren, die aus Bochara und Samarkand mit Tamerlan in'S Land gekommen sind, werden gewöhnlich Mongolen genannt. Dieser Name wird auch den UzbeckS, Kalmükcn und anderen tartarischcn Stämmen gegeben, die beständig auf Abenteuer in das Land strömten, sowie den Persern, die seit der Zerstörung ihres eigenen Reiches sich an die Höfe des Mogul's, der verschiedenen Subadahr's und Nabob's flüchteten. Diese, nebst den Sclaven, die sie in ihrer Religion aufgezogen haben, machen die Gesammtheit der Muhamcdaner aus, die man in Hindostan als Mohren bezeichnet und die, obgleich nur ein geringer Theil der Einwohnerschaft, dennoch, wegen der Uneinigkeit der Hindu's, beinahe das ganze Land in Unterwürfigkeit zu erhalten wußten. Um ihren wahren Charakter zu beurtheilen, muß man ihre Erziehung kennen. BiS in's fünfte oder sechste Jahr bleiben die Knaben von hoher Geburt ganzlich den Händen der Weiber und Verschnittenen überlassen, durch deren Affenliebe und zärtliche Pflege sie schon von Anfang an eine zarte Lcibcsconstitution, Furchtsamkeit und einen sehr frühen Hang für die Freuden dcS Serail erhalten. Dann giebt man ihnen Hauslehrer, um ihnen die persische und arabische Sprache beizubringen, und schon in diesem Alter bringt man sie in Gesellschaft, wo man sie lehrt, sich mit großer Ernsthaftigkeit und Behutsamkeit zu betragen, jede Regung der Ungeduld zurückzuhalten, sich an die übertriebenen pünktlichen Ceremonien orientalischen Hoflebens zu gewöhnen, Gebete öffentlich zn sprechen und alle Zeichen äußerlicher Andacht anzu- 387 nehmen. Es ist wirklich zum Erstaunen, wenn man sieht, wie gut ein solcher Knabe von acht ober neun Jahren sich in öffentlicher Gesellschaft benimmt. Dabei lernen sie reiten und den Gebrauch der Waffen, man giebt ihnen Schild und Säbel und einen kleinen Dolch, den sie im Gürtel tragen und der gelegentlich dazu dient, Jemand damit zu durchbohren. Wenn die Unterrichts- und Gesellschaftsstunbcn vorbei sind, kehren sie in das Serail zurück; ihre Eltern machen sich kein Bedenken daraus, sie allen ihren Vergnügungen und Schauspielen beiwohnen zu lassen, bei denen oft widernatürliche und bestialische Darstellungen gegeben werden, nicht um Abscheu gegen das Schlechte, Unschöne und Lasterhafte zu erwecken, sondern einzig zum Zwecke des Zeitvertreibes, wobei man die Gleichgültigkeit der Eltern gegen die empfänglichen Seelen ihrer zarten und aufmerksamen Kinder bewundern muß. — Die Sclaven und Weiber des Serail erwarten mit Ungeduld das erste Zeichen des jugendlichen Verlangens, um sie ohne Vorwissm der Eltern zu verführen. Diese Erziehungsmethode wird bis in das dreizehnte oder vierzehnte Jahr fortgesetzt, bann vollzieht man ihre Heirathm, die von ihren Eltern schon in ihrer Kindheit geschlossen worden waren, und sie bekommen eine abgesonderte Haushaltung; das Serail ihres Vaters bleibt ihnen nunmehr verschlossen, sie dürfen nur ihre Mütter sehen, auch der Vater darf nicht zu seiner Schwiegertochter kommen. Von dieser Zeit an wird die Verstellungskunst, die ste von ihres Vaters Lehren und Beispielen gelernt haben, zwischen Vater und Sohn in Ausführung gebracht und nur zu oft erhebt sich Eifersucht zwischen Beiden, die dann gar nicht selten, wie Thatsachen beweisen, mit blutigen Scenen endigt. Dieses ist mit wenigen Ausnahmen die allgemeine Erziehung der vorneh m c n Muhamedaner. 25* 388 Die mittleren und ärmeren Klassen unter ihnen werden nur durch den Mangel an Gelb im Zaume gehalten, denn sobald sie Reichthum erlangen, treten sie in die Fußtapfen der Vornehmeren. — Hierin liegt aber namentlich der Ursprung der Treulosigkeit und Sinnlichkeit, welche jedesmal den Charakter eines hindostanischen Mohren auszeichnen, Eigenschaften, die schon längst ihr ganzes Geschlecht zerstört haben würden, wenn sie nicht beständig durch neue Ankömmlinge aus ihrem Vatcrlande, ergänzt worden wärm. Die Patanen haben sich, wie schon bemerkt worden ist, in zahlreichen Colonim im Inneren Hindostans niedergelassen, hauptsächlich in den unfruchtbaren, bergigen Gegenden; sie scheinen hier Nachkommen der Araber zu sein, die von dem persischen Meerbusen kamen und deren Macht durch Tamcrlan und dessen Nachfolger zerstört worden ist. Diejenigen aber unter ihnen, die sich irgend eines Bezirkes bemächtigt hatten, der schwer zuganglich war, behaupteten sich darin, und ihre Nachkommen sind bis zur Zeit die besten einheimischen Soldatm von ganz Hindostan geworden, werden aber von den Mogul's gehaßt, weil sie glauben, daß jene sie an Treulosigkeit und Grausamkeit übertreffen. Sie machen eine Gewerbe daraus, ihre Dienste an den Meistbietenden zu vcrmiethen und tragen, wenn sich die Gelegenheit dazu darbietet, gar kein Bedenken, den Fürsten, der sie bezahlt, zu verrathen. Die afghanischen Patancn bleiben selten im Lande, machten früher oft Einfalle, um zu plündern und kehrten dann mit ihrer Beute in die Heimath zurück. Die Uzbeken, Kalmücken und andere Tartarenstämmc, die auf gut Glück nach Hindostan kommen, sind bei ihrer Ankunft gewöhnlich ein kräftiger, kühner und kriegerischer Menschenschlag; ihre natürliche Rohhcit und ihre barbarischen Sitten werden dann von ihren schon früher angekommenen 389 und bereits abgeschliffenen Landslcutcn derb bespöttelt und bald abgewöhnt. Sie bringen gewöhnlich ein gutes Pferd mit und sind gewiß, Dienste zu finden, denn man halt sie für treuer und ehrlicher als die übrigen Mchamedaner. Sic fangen als gemeine Reiter an, werden nach und nach befördert und einige von ihnen bringen es selbst zu hohen Ehren- und Befchlshabcrstcllcn. Im Anfange verabscheuen sie die Sinnlichkeit und Weichlichkeit ihrer Herren, aber allmälig verlieren sie ihre angeborenen männlichen Sitten und ergeben sich endlich der Wollust, die sie früher verachteten; sie verhcirathcn sich mit den Dirnen des Landes und schon ihre Kinder, namentlich aber Kindeskindcr besitzen nichts mehr von ihrer tartarisehen Geburt und Sitte. Die Perser sind nicht zahlreich und werden wegen ihrer schönen, weißen Gesichtsfarbe und feinen Sitten an den hindostani-schen Höfen günstig empfangen; die großen Herren geben ihnen gern ihre Töchter, um die Gesichtsfarbe ihrer Familie rein hell zu erhalten, denn so ausgeartet auch die Muselmänner in Hindostan sind, so stolz sind sie doch auf ihre Abkunft, und da die Mogul's Tartaren von weißer Gesichtsfarbe sind, so hängt ihr Rang mehr oder weniger von ihrem Teint ab. Was aber die Sclaven betrifft, welche sie in der muhamedanischcn Religion erziehen, so sind sie ungefähr die nämliche Art von Menschen, wie die portugiesischen Proselyten, sie haben alle guten Eigenschaften der Hindu's verloren und besitzen nur die schlechten der Muhamcdaner. Wir fühlen recht gut, daß unsere Charakteristik der hindosta-nischen „Mohren" keine sehr günstige und cmpfehlcnswerthc ist, aber es ist leider nur zu wahr, daß man von diesem schlechten Typus der ganzen Klasse nur sehr wenige Ausnahmen antrifft und diese sich meist unter den tartarischcn und persischen Ofsicieren finden, die ihre angeerbten Sitten und Tugenden noch nicht ganz verloren haben. — Gastfreiheit ist die einzige Tugend, auf welche 390 diese „Mohren" Anspruch machen dürfm; sie scheint eine Zuflucht gegen die Unterdrückungen der Negierung zu sein und viele unter ihnen würdm sich ein Gewissen daraus machen, eine Treulosigkeit an Jemandem zu begehen, den sie in ihrem Hause aufgenommen haben. Man könnte daraus teicht den Glauben gewinnen, daß Freundschaft unter ihnen ein heiliges Band wäre; sie führen sie zwar immer im Munde, abcr selten im Herzen und gebrauchen deren heiligen Namen selten anders, als zum Betrügen. — Ihre Freundschaft wie ihre Frömmigkeit ist nichts als eine heuchlerische Ceremonie, sie trinken ein Glas Rum oder Arrak zwischen jedem Gebet, obgleich, wie man weiß, ihre Religion ihnen alle geistigen Getränke auf das Strengste verbietet, und sie können Jemand durchbohren, während sie ihn umarmen. Aus diesem Grunde und aus Vorsicht in der sogenannten Freundschaft, umarmen sich die vornchmcn Muselmänner in Hinbostan immer nur auf der linken Seite, damit die Person, die sie umarmen, sich nicht mit der rechtm Hand ihres Dolches bemächtigen könne. In anderen Wcltgcgenden sind die Muhamcdancr gewöhnlich Fanatiker in ihrer Religion, in Indien dagegen streiten sich die Secten von Osman und Ali niemals wegen der Streitfrage, wer der rechtmäßige Nachfolger im Kaliphatc war, sondern sind schon befriedigt, wenn sie sich über die Nachfolge in der Regierung, unter welcher sie leben, verstandigen können. Es giebt wenig Moscheen in Hindostan, noch weniger muhamcdanifche Priester, und die vornehmen Muselmänner, obgleich sehr pünktlich in ihren formellen Andachtsübungen, gehen selten in die Moschee. Man kann dic „Mohren" in zwei Klassen eintheilen, in die, welche nach Macht streben, und in die, welche dieselbe bereits erlangt haben. Die Ersteren sind muthvoll, unternehmend und wachsam und der Partei, mit der sie sich verbunden haben, möglichst treu — sind sie aber einmal in den Besitz der Gewalt gelangt, 391 so scheinen sie dieselbe nur erstrebt zu haben, um sie zu mißbrauchen und sie ihrer Sinnlichkeit unterzuordnen. Die Reize des Serail entwaffnen und entnerven sie schnell, sie überlassen sich sorglos dem Vergnügen und werden endlich ein Opfer Derjenigen, welche dieselben Eigenschaften noch besitzen, durch die sie sich erhoben und die sie nun verloren haben. Mlihchntea MM. Die Seil's. <6m Charakterbild. Die Seit's bewohnen bekanntlich ein Landgebiet, dessen Flächenraum gegenwärtig 5000 Quadratmeilen groß und dessen Hauptstadt Lahore ist. ^ Die Scik's sind im Allgemeinen stark und wohlgcbauct; von ihrer ersten Kindheit an gewöhnt an ein arbeitsames Leben und eine grobe Nahrung, machen sie Märsche und ertragen Strapazen, die außerordentlich sind. Auf ihren Strciftreien, die sie früher in großer Menge ausübten, führen sie weder Zelte noch Gepäcke mit sich, höchstens- vielleicht ein kleines Zelt für den ersten Anführer. Dic Ucbrigcn schützen sich gegen das Wetter durch wollene Decken, worin sie sich einhüllen und die wahrend des Rittes als Satteldecken dienen. Sie haben gewöhnlich zwei, einige auch drei Pferde bei sich, die von mittlerer Größe, kräftig, lebhaft, aber sanftmüthig sind. Die Provinzen von Lahore und Moultan, bekannt wegen ihrer vortrefflichen Pferde, liefern ihnen Ueberfluß davon und sie selbst suchen sie so viel als möglich mit der größten Sorgfalt zu vermehren. Obgleich sie sich bei dem Tode ihrer Verwandten lustig machen, 393 so trauern sie desto mehr bei dein Tode ihrer Pferde, wodurch sie ihre Vorliebe für ein ihnen so nützliches Thier genugsam beweisen. Die grobe Nahrung der Seik's ist so beschaffen, daß selbst die niedrigsten und ärmlichsten Kasten in Hindostan sie nur im Falle der Noth genießen würden. In heißer Asche gcbackcnes Brot, das in eine dicke, aus verschiedenem Gcsämc gekochte Suppe gebröckelt wird, ist ihr bestes Gericht, das sie sich nur dann gewahren, wenn sie sich gänzlich in Ruhe befinden, sonst sind Wicken und ahnliche Feldfrüchte, die sie ein wenig rösten, ihre ganze Nahrung. Sie verabscheuen das Tabakrauchm, die Ursache wissen sie selbst nicht klar anzugeben, aber sie betrinken sich gern in einem selbst gebrannten, starken, spirituosen Getränke, von welchem sie jeden Abend nach des Tages Strapazen eine tüchtige Tasse voll zu sich nehmen. Ihre Kleidung ist sehr unbedeutend und besteht auS einem Paar langen, blauen Hosen, einer Art schottischen Mantels, von dem ein Theil um die Hüfte festgebunden, der andere über die Schulter geworfen wird, und einem schlechten Turban. Ihre Oberhäupter zeichnen sich durch einige schwere goldene Armspangen, die sie am Handgelenk tragen, und durch eine goldene, um ihren Turban gewundene Kette aus, so wie durch bessere Pferde; sonst bemerkt man keine andere Auszeichnung bei ihnen. Die Häuptlinge sind zahlreich, einige halten 10—12,000 Mann Reiterei, viele aber nur 20 —30 Pferde, von denen der kleinere Theil gewohnlich dem Häuptlinge, der größere den Reitern selbst gehört. Der Hang zur Unabhängigkeit, der so allgemein unter ihnen herrscht, ihre gegenseitige Eifersucht, ihre Habsucht und die Neigung zum Umhcrschwärmen verhindert die Scik's oft an einem Einverständnisse unter einander und als Nation zu handeln. Durch 394 den Einfluß Persönlichen Ehr- und Gcldgeizes oder des Mißtrauens geleitet, verfolgen sie nur solche Pläne, die diesen Vcwcgungs-gründm entsprechen. Mall hat sogar ein Beispiel gesehen, daß ihre Truppen für zwei entgegengesetzte Interessen fochten, als Mhah Sing, ein Seik-Häuptling, dcnRajah von Iumbo gegen einen Angriff seiner eigenen Landslcute vertheidigte. Das ausgedehnte und fruchtbare Gebiet der Seil's, ihr Fleiß und ihre Vorliebe für den Ackerbau mitten im Kriege muß ihnen ein beträchtliches Einkommen zusichern; sie treiben auch einen ausgebreiteten und gewinnrcichcn Handel, der sich nach den entlegensten Theilen Indiens erstreckt, besonders nach Bengalen und Bahar, wo sich viele reiche Scik's-Kaufleute aufhalten. Kaufleute jeder Nation oder Sectc, die einen nmm Handelszweig in den Seik's-Staaten errichten, oder sich unter den Schutz ihrer Regierung begeben, genießen völlige Sicherheit und die nämlichen Handelsfreiheiten, wie die Seik's selbst, aber sie müssen sich unter ihnen niedergelassen haben, oder ihre Märkte mit Waarcn versehen. Fremde Kaufleute und Reisende aber, welche versuchten durch den Panjab zu reisen, wurden gewöhnlich geplündert und gemißhandelt, und wenn es nicht geschah, so wurde es als die höchste Gnadc Gottes angesehen und ihm dafür inbrünstig gedankt. Diese Handlungsweise der Seik's entsprang theils aus ihrer außerordentlichen Eifersucht gegen alles Fremde, theils aus ihrer habsüchtigen Natur, die sie verhindert, irgend ein Vorhaben zu begünstigen, bei dem sie nicht selbst persönlich interessirt sind. Die entgegengesetzten Interessen, welche diese Nation veruneinigen, sowie ihr Volkscharakter, wird sie immer außer Stand setzm, so lange diese Ursachen bestehen, eine achtunggebietende Macht zu werden; auch haben sie nie die Mittel gehabt, entferntere Eroberungen zu machen und zu behaupten. In der Vertheidigung und Wiedercroberung ihres eigenen Reiches haben sie den hartnäckigsten Muth und eine Ausdauer im Unglück bewiesen, die 395 reichlich bezeugen, welche Hülfsquellen sie besitzen, wenn eine gemeinsame Gefahr sic vereinigt und anspornt. Sollte irgend einmal eine Ursache die vereinigten Anstrengungen der Seil's erfordern, um die Unabhängigkeit ihres Reiches zu retten, und würbe irgend ein entschlossener und vom Glücke begünstigter Häuptling eine mächtige Monarchie zu gründen verstehen, so könnte der Staat der Scik's den ersten Rang in Hindostan erreichen, so viel innere Elemente liegen dafür im Lande und Volke selbst schlummernd. Druck von Ferbcr H? Seydel in Leipzig. z- 'H ^,