REISE IN OSTINDIEN In Briefen an ALEXANDER VON HUMBOLDT und CARL RITTER von »pold von orlich. Zweite durchgesehene und vermehrte Auflage Erster Band. Verlag von Gustav Mayer. 1845. LEOPOLD von ORLICHS REISE l\ OSTINDIEN. REISE IN OSTINDIEN in Briefen an ALEXANDER von HUMBOLDT und CARL GITTER leopold von om.ich. Erster Band. Zweit« durchgesehene und vermehrte Auflage. Leipzig, Verlag von Gustav Mayer. 1845. Seiner Majestät dem Könige von Preussen FRIEDRICH WILHELM DEM VIERTEN meinen» allergnädigstcn Könige und Herrn. Vorrede zur ersten Auflage. Als vor drei Jahren die unglücklichen Ereignisse in Cahul bekannt wurden, glaubte man allgemein, dass ein ernster Krieg die nothwendige Folge davon seyn müsse. Auch der Verfasser theilte diese Ansicht, an die sich schnell der Wunsch anschloss, dem bevorstehenden Feldzuge beizuwohnen, um in den Reihen der britischen Armee diejenigen Kriegserfahrungen zu gewinnen, welche ein vieljähriger Friede seinem vaterländischen Heere versagte. Sr. Majestät der König hatte die Gnade, dem Verfasser huldreichst zu bewilligen, an den Kriegsereignissen in Affghanistan Tlicil nehmen zu können; aber die nöthigen Verhandlungen mit der britischen Regierung verzögerten die Abreise nach Indien, so wie die dort schnell auf einander folgenden kriegerischen Ereignisse, alle, selbst die kühnsten Erwartungen überflügelten. So geschah es, dass der Verfasser die britische Armee erst hei Ferospur erreichte, wo er mit tiefem Schmerze nur sah, wie Lorbeeren zieren, nicht wie sie erworben werden. Nachdem der Hauptzweck der weiten Reise durch so unberechenbare Umstände verfehlt war, blieb nur übrig, ja es erschien streng gebotene, Pflicht, sich über dieses merkwürdige Land, welches nur von sehr wenigen seiner Landsleute besucht und gekannt ist, zu unterrichten. Wenn diese günstige Gelegenheit nicht vollständig ausgebeutet wurde, so lag die Schuld lediglich in der Kürze der Zeit und in der Persönlichkeit des Verfassers , der fast unvorbereitet auf Schätze traf, die er, wenn auch vollständig zu würdigen, doch nicht genügend zu verwerthen im Stande war. Als Ersatz für diesen Mangel giebt er ungeschmückt, treu und wahr, was er gesehen, empfunden und von glaubwürdigen Männern gehört hat; selbst die Form, in welcher diese Rerichie mitgetheilt werden, ist diejenige , in der sie grösstenteils zuerst niedergeschrieben wurden. Wohlwollende Gönner und theilnehmende Freunde hatte der Verfasser in seiner Heimath verlassen ; Beide fand er im stammverwandten England und in Indien wieder, und wird in dankbarem Herzen sie ewig bewahren. Berlin, im Oktober 1844. Her Verfasser. Vorrede zur zweiten Auflage. Die günstige Aufnahme, welche dies Werk im deutschen Vaterlande und in England gefunden hat, wo es durch die geistreiche Uebcr-setzung des Herrn Evans Lloyd allgemein zugänglich geworden ist, vermochte es nicht, den Verfasser über den wahren Werth seiner Arbeit irre zu leiten. Ohne für Lob und Tadel eine Unempfindlichkeit erheucheln zu wollen, die er nicht besitzt, hat er dennoch, beim Betreten der schriftstellerischen Laufbahn, den Gleichmuth, der für die schwersten Verhältnisse des Lebens als Regel gelten sollte, auch sich als solche vorgezeichnet; und wohl erkannt, wie viel von diesem Beifall er dem glücklichen Zusammen- treffen günstiger Umstände verdanke. Entbehrt diese Auflage auch des äussern Schmuckes, so hat dieselbe dadurch gewonnen, dass das Werk einer abermaligen Prüfung unterworfen, und Mehreres darin von dem Verfasser umgearbeitet und aus seinem Tagebuche und durch Mittheilungen seiner englischen Freunde vervollständigt wurde. Möchte dadurch um so lebendiger und allgemeiner das Interesse an einem Lande werden, das dem ci-vilisirten Europa täglich näher rückt, und das, nach Jahrtausenden des Kampfes und der Verwüstung, wie ein edler Mensch nach viel bewegtem Leben, in Ehrfurcht gebietender Hoheit sich zu erheben anfängt. Berlin, im Juni 1845. Der Verfasser. Inhaltsverzeichniss. Vorwort. Seite Erster Brief. Abreise von London nach Soulhhampton j Kinschil-fung auf dem Dnmpfboot Tajus; Reise über Falmouth nach Gibraltar; Fortgesetzte Fahrt nach Malta und Alexandrien; Heise auf dein Mahmudcanal nach Atfeh; Dampfschiffahrt auf dem Nil; Fahrt nach Cairo; Heise durch die Wüste nach Suez; Einschulung daselbst auf dem Kriegsdampfboot Berenlce; Reise durch das rothe Meer nach Aden; und von dort mit dem Dampfschiff Cleopatra nach Bombay; Einfahrt in den Hafen den 6. August Abends............1 Zweiter JJ r i e f. Aufenthalt in Bombay; Die Stadt und der Hafen; Leben und Treiben in den Bazars; Schilderung der verschiedenen Kaufleutc und Handwerker; Colabah; Hausstand vornehmer Engländer; Ausflüge in die Umgegend nach Malabar-Point und l'areil; Verbrennen der Leichen; Die Parsis; Gymnastische Vorstellungen der Indier und ihre Jongleurs; Reise nach Puna; Die Ghalskclle; Puna; Feste der Eingebomen dem Gouverneur zu Ehren; Bajaderen; Leben der Briten; Par-butti und der Palast des Peischwa; Rückkehr nach Bombay; Die Regenzeit; Einrichtungen zur Reise nach Kuraschy; Haushalt des Gouverneurs......38 Dritter Brief. Einschiffung auf dem Kriegsdampfschiff Zenobia und Abfahrt nach Kuraschy den 3. September; Schreckliche Verheerungen der Cholera ; Gefährliche Landung an der Rüste bei Kuraschy; Kuraschy; Ausflug nach dem Crocodillenteich Muggar Talao; Der Sind unter den Hindufiirsten; Die Mongolenherrschaft j Die Amyre aus dem Hause der Talpuris ; Die Bewohner des Sind; Die ßeludschen; Leben und Rrgierungswcise der Amyre ; Sprache der Sindbewohner; Die Briten im Sind; Fahrt auf dem Garaflüsscheii nach Gara und von dort der Marsch nach Tatla; Einschiffung auf dem Dampfboot Satellit nach Heiderabad; Audienz bei den Amyren; Fortgesetzte Fahrt über Sewalm nach Sakkar; Der Ort und das Leben daselbst, Vorbereitungen zur Reise nach Ferospur..............72 Vierter B rief. Einrichtungen zur Reise nach Ferospur; Aufbruch nach Rory ; Die Ruinen von Allore ; Hochzeitfest beim Städtchen Sangeram; Marsch durch die Wüste; Feier des 15. October im Dorfe Rety; Ueberschreitung der Granze von Bhawnlpur; Ainedpur Kara; Die gastfreien Bewohner des Landes; K anpur; Bewillkommnung des Khans durch eine Eskorte; Einzug in Amedpur; Audienz bei Bhawalkhau in seinem Lustschloss in der Wüste; Das Land und der Khan; Bhawalpur; Schilderungen der Reise nach Mnmdolt; Der Khan von Mamdott; Gefährliche Erkrankung eines unserer Gefährten; Ankunft in Ferospur.........129 Fünfter Brief. Das Peng'ab; Die Siks oder Sciks; Rundgit Sing, seine Regierungsweise und seine Stellung zu den Briten ; Die Satlis; Verbrennung der Leiche Bundgit Sing's mit eilf Frauen ; Dihan Sing und der Fakir Azis-uddin ; Maharajah-Kurk-Sing und die Rany Cendkaur; Shyr Sing: ferospur; Einrücken des eonimandireudeu Generali ins Lager daselbst; Geselligkeit; Das Reiten auf Llephanten; Eintrelfen des Generalgouverneurs Lord Ellenborough; Dessen Tross und Lager; Die Reservearmee; General Sale passirt den Scdlrtg; Ihm folgen wenige Tage spiitrr die Generale Polluck und Nott; Einhändigung eines von den in Cubttl eroberten Geschützen von Seilen der indischen Regierung für den König von l'reussen; Leben im Lager zu Ferospur; Fintreifen des Rajah llira Sing und am 30. Dccember des Kronprinzen Perlhab Sing nebst Dihan Sing; Grosse Revue und Festlichkeiten; Absendung einer ausseror-dcnllichen Gesandtschaft unter dein Staatsrat!] Maddock nach Labore; Reise dahin ; Die Stadt und der Lmpfang beim iMaharajah ; Festlichkeiten in Labore; Das Grabmal Shahi Dera; Grosse Revue von <>0,000 Mann und '2(1(1 Geschützen: Jagd: \bsebiedsaudienz in Schallebagh . ,............108 Sechster Brief. Die britisch-indische Armee ; die Sepoys; der Hindu und der Muselmann; Der europäische Soldat; Stärke vir und Eintheilung der Armee; Besoldung; Das OCticier-corps; Ausrüstung einer indischen Armee; Die verschiedenen Waffengattungen . . ,......260 c 1) e i) t e r Brief. Rückreise von Lahnrc nach Ferospur; Reis*: durch die protektiven Siksstaaten nach Suuain; Antilopenjagd mit einem Leoparden; Marsch mit dem Generalgouverneur nach Dalhal, Sngun und Keythul; Karnaul; Aul-bnich nach Pnnipat und Besichtigung der Stadt und des Schlachtfeldes; Lager der ESlephanten......282 AN ALEXANDEU VON HUMBOLDT. Abreise von London nach Soulhhampton ; Einschulung auf dem Dampfboot Tajus; Heise über Ralmouth nach Gibraltar; Fortgesetzte Fahrt nach Malta und Alexandrien; Heise auf dem Mali-mudcanal nach Atfeh ; DamnIVn-hilffahrt auI'dein Nil; Fahrt nach Cairo ; Reise durch die Wüste nach Suez; Einschiffung daselbst auf dem Kriegsdampfboot Berenice; Reise durch das rothe Meer nacli Aden; und von dort mit dem Dampfschiff Cleopatra nach Bombay ; Einfahrt in den Hafen den 0. August Abends, BOMBAY, den 8. August IS4t». Nach einer glücklichen Fahrt von sieben und dreissig Tagen belinde ich mich seit vorgestern in dem Wun-derlande Indien! Der Gedanke, in SO kurzer Zirit in eine neue Welt versetzt zu seyn, liegt wie ein Traum vor mir, an dessen Wirklichkeit ich zweifeln konnte, überzeugte mich nicht Alles, was mich umsieht, von der Wahrheit! loh will aber, obgleich meine Phantasie noch aufs mächtigste angeregt, und mein Lehen fortdauernd ein sehr bewegtes ist, doch versuefam, Ihnen schon heute die Erlebnisse meiner Reise in vorlaufigen Zügen zu schildern. \. Oriioh'a Reise. I. 1 Den letzten Mittag in London verlebte ich in Gc-sellschaft einiger Landslente bei unserem gastfreien Ge-neralconsul, dessen Gattin das kleine Fest durch ihre edle Weiblichkeit und Anmiilh zu beleben wusste. Auf eine Einladung des Herzogs von Sussex, mit dem ich noch eine lange und sehr interessante Unterredung gehabt hatte, nicht ahnend, tlnss es das letzle Begegnen in diesem Leben gewesen seyn würde, miisslc ich leider verzichten, weil ich an diesem Tage London ver-liess, und, begleitet von den Segenswünschen unseres Gesandten, auf der Eisenbahn nach Southhampton ;ib-ging. Allem seemännischen Vorurthril zuwider schiffte ich mich liier an einem Freitage, den 1. Juli, auf dem prächtigen Danipl'schifle Tajus ein. Es war ein unfreund-licher Morgen, leine liegenwolken, vom Winde getrieben, verdeckten die Sonne, und durchniisslen mich« noch ehe ich das Schilt" erreicht hatte. Aul" diesem mächtigen Dampfboote von 350 Pferdckraft zeigte sich ein interessantes Leben und Treiben. Während das Toben und Zischen des Dampfes die nahe Abfahrt verkündete, wurden noch eilig Sachen aller Art verladen, Matrosen liefen geschäftig hin und her, die meistert Passagiere standen auf dem Verdeck, von Freunden und Freundinnen umgeben; hier gab ein Vater noch seinem Sohne die letzten Lehren und empfahl ihn der Obhul Golfes, dort sagten sich Geschwister und Freunde Lebewohl oder Gallen trennten sich vielleicht auf ewig; Andern wurde aus der Menge, die ängstlich und neu- gierig harrend am l'fcr sland, ein Abschiedsgruss zugewinkt. Ich Wir hier völlig fremd, halte Niemand, dem ich die Hand noch einmal drücken, die Grüssc an die Lieben in der Hcimalh bestellen konnlc; aber im Geiste riet ich Ihnen und allen Freunden "Wünsche und Erinnerungen zu. Im f> Uhr gab der erste lia-BOnenschuss das Zeichen zur Trennung, und wenige Minuten darauf verkündete ein zweiter den Moment unserer Abfahrt. Der Tajus, eigentlich nur zur Fahrt nach Lissabon bestimmt, machte heute für das Dampfboot Orienlal, welches einiger Ausbesserung bedurfte, seine erste Fahr! nach Aegypten; als wir daher SU diesem vor-überfiiliren, brachte uns die Mannschaft desselben laulc Cheen, welche von unseren Matrosen ebenso herzhaft und anhaltend erwiedert wurden. Unsere Gesellschaft bestand aus einigen und fünfzig Personen, von denen mehr als die Hälfte Ollicirre waren, welche zu ihren Regimentern nach Indien ab-gmgen. einigen Oflicierrn dop Murine, liaul'leuten und einem Prediger mit seiner Familie, welche Malla zu ihrem Aufenthalte wählen wölken. Das geräumige Oberdeck und der mit Luxus eingerichtete Salon, in welchem es an einer Bibliothek und Zeitschriften nicht fehlte, waren den kleinen, unheimlichen Kajüten vorzuziehen; daher denn auch Alles entweder dort lustwandelte oder hier sich mit Lesen, Schreiben und Spielen beschäftigte. Als wir uns zwischen der lieblichen, einem Park ähnlichen Insel Wight und dem Festlande befanden, klärte sich der Himmel auf, und ein leichter, frischer Wind blies uns entgegen; aber die Schwankungen des Schiffs nölhigten Mehrere dem Neptun das Opfer wider Willen zu bringen, und versetzten auch mich in einen Zustand von Unbehagliehkcit. An eigentlicher Seekrankheit habe ich indess weder jetzt noch später gelitten. Den 2. Juli, Morgens gegen 9 Uhr, bekamen wir die den Hafen von Falmouth cinschliessenden Felsen zu Gesicht. Kurz vor dem Eingänge in denselben nahmen wir einen Loolscn, welcher uns durch die schmale Strasse in die Hafenbucht führte, dabei ein Felsenriff, auf dem ein kleines schwarzes Thü'rinchen angebracht war, links liegen lassend, so, dass wir, ungefähr acht hundert Schritte von der Stadt, um y210 Uhr ankerten. Hier mussten wir die indische Post abwarten, welche endlich um 4 Uhr an Bord gebrachi wurde, und aus 5C grossen Kisten und anderen Packeten bestund. Gleich darauf lichteten wir den Anker, und noch ehe die Sonne untergegangen war, befanden wir uns schon auf der hohen See, nur Himmel und Meer über und um uns. Das Leben auf einein Schilfe ist, wenn nicht ganz besondere Zufälle eintreten, sehr regelmässig, einförmig und wird auf grossen Seereisen oft langweilig, weil es beinahe unmöglich ist, ernste Beschäftigungen vorzunehmen. Wenn ich Ihnen daher einen Tag schildere, so kennen Sic alle. Unser Capitata ist ein ernster, schweigsamer Seemann, der mit seinen Officieren nur seiner Pflicht nachgeht. Von Sonnenaufgang au ist die Mannschaft mit Reinigung des Decks beschäftigt, die Schiffsglocke verkündet die Stunden, und, wenn die neunte angeschlagen wird, versammeln wir uns im grossen Salon zum Frühstück, welches nach englischer Sitte aus warmen und kalten Speisen besteht. Nach demselben und um 12 Uhr ist der Capitain mit seinen Officieren beschäftigt, den Standpunkt seines Schiffes zu bestimmen, wo denn die Wissbegierigen erfahren, wie viel Meilen in den letzten 24 Stunden zurückgelegt worden sind, und unter welchen Graden wir uns belinden. Gegen 11 Uhr, wenn es ein Feiertag ist, findet sich Alles zum Gottesdienst ein, den hier unser Geistlicher abhält; wo ein solcher fehlt, liest der Capitain das Gebet; an anderen Tagen geht Jeder seinen Beschäftigungen nach, oder sucht Erfrischung und Bewegung auf dem Deck. Um 12 Uhr wird ein zweites Frühstück eingenommen, und um 4 Uhr ruft der Stewart zur reich besetzten Mittagstafel, welche aus drei grossen Gängen und aus verschiedenen Weinen besteht. Nach derselben wird der Abend gemeinhin auf dem Quarterdeck zugebracht, wo derThee die Unterhaltung fördert. Ist das Wetter schön, dann fesselt Manchen dort die reine Luft und der gestirnte Himmel bis zur Mitternacbtsstundc. Die einzige Unterbrechung unseres so dahin ziehenden Lebens sind vorüberfahrende Schiffe, nach denen dann alle Fernröhre gerichtet werden, tummelnde Delphine oder ein stürmisches Wetter. Ein solches trieb unser grosses Schiff gleich einem Spielhall der Küste Spaniens zu, welche wir am Morgen des 5. Juli zu sehen bekamen j und als wir uns in der Höhe des Cap Finis-terra befanden, blies ein angenehmer Nordwind in unsere Segel so frisch, dass Wind und Dampf uns in der Stunde zehn Meilen dem Ziele näher führten. Unter meinen Reisegefährten sind es besonders Obrist M'Cneile, Ca-pilain Forbes und Lieutenant Miaulis, deren Umgang mir zusagte; erstere Beide der Madrasarmee angehörend , letzterer, ein Solin des berühmten griechischen Admirals, ist in München erzogen, und ihut augenblicklich Dienste in der englischen Marine. Mit ihm, zu dem mich sein olfenes heiteres Wesen hinzieht, lebe ich im Austausche unserer kleinen Erfahrungen und Erlebnisse und mit glühenden Augen, ganz begeistert, erzählte mir der lebhafte Grieche von den heroischen Thateu seines Vaters. An den beiden folgenden Tagen erfreuten wir uns eines heiteren, schönen Wetters und reiner Luft, unter dem wundcrliehlicheii Blau des südlichen Himmels. Indem wir am 6. Mittags 12 Uhr zwischen den wildzer-rissenen Berlingasfelsen vorübcrfuhreii, die ein Leuchtthurm von dem kleinen Fort St. Goa warnend verkündet, begegneten wir mehreren portugiesischen Schonern, und sahen um 3 Uhr das einst so berühmte Mafra, dessen ungeheures Kloster, auf einer Höhe der Stadt zur Seile liegend, .schon aus weiter Ferne sich kenntlich macht. Bald darauf zeigte sieh Cintra, und um 7 Ihr auch Lissabon wie im Panorama in seiner ganseli Schönheit und Ausdehnung unseren Blicken, Von jetzt an trennten wir uns mehr von der Küste, welche wir erst wieder am anderen 3iorgen zu sehen bekamen. Mehrere Schilfe führen an uns vorüber, von denen Eines im Sturm seinen Vordermast eingcbüssl halte. Mit Sonnenuntergang segelten wir über den klassischen Meeresboden von Tralaigar, und näherten uns nun der Strasse von Gibraltar. Es war ein selten schöner Abend, die Luft lau und doch kühlend, der Himmel mit seinem reichen Slcrnenmeer in voller Pracht über uns, die See nur leicht bewegt, und eine tiefe Stille auf dem Schilfe. Dies, und die Erwartung, die Durchfahrt! zu einem neuen Meere zu machen, bewog mich bis Zur Einfahrt in den Halen von Gibraltar auf dem Deck zuzubringen. Gegen die eilfle Stunde tobte ganz plötzlich ein sturmartiger Wind uns entgegen, welcher unsere Laterne mchreremale ausblies; die Matrosen eines an uns dicht vorühergelriebcnen Schilfes fürchteten mit uns zusammenzusiossen und schrieen aus vollen Kräften; aber ihre Besorgniss war unnölhig, wir hatten, der Dunkelheit der Nacht ungeachtet, es noch zeilig genug kommen sehen. Je mehr wir uns dem Leuchtlhurm näherten, je heiliger tobte es, und als wir diesen passirt und uns in der Strasse befanden, trat ebenso plötzlich völlige Windstille ein. Gegen halb vier Uhr gab ein Kanonenschuss den Einwohnern von Gibraltar das Zeichen, dass wir in der Rhede vor Anker gegangen waren. Von der bald darauf eintretenden Sonnenlinsterniss konnten wir nichts wahrnehmen, weil Wolken die Sonne verdeck! et». Gibraltar liegt am Fussc eines 1437' hohen Felsens, welcher nach allen Seiten bald mehr, bald weniger steil und grotesk abfällt, gleich einer Wand nach Osten sich ins Meer senkt,und beinahe 500 Schritte in einer zackigen Zunge ausläuft. Nach der spanischen Seite ist völlige Niederung, welche sich im Halbkreise um den Hafen zieht, und an andere Felsmassen anschliesst, die, Gibraltar gegenüber, die Einfahrt in den Hafen bilden. Dieser selbst ist einer der schönsten der Erde, und den grössten Kriegsschiffen zugänglich. Stadt und Festung liegen nach der Hafenseite am Abhänge; diese besteht aus einem Wall, welcher mit vorspringenden Winkeln und Bollwerken die Stadt umgiebt, auf den Flanken sind sie am ausgedehntesten, und werden beherrscht von einigen hoher gelegenen Werken und mehreren in den Felsen gehauenen Batterien, deren Geschütze inKelten hängen. Gibraltar ist durch seine natürliche Lage beinahe un-nehmbar, und kaun nach der spanischen Seite unter Wasser gesetzt und abgeschnitten werden. So viel der felsige Boden erlaubte, sind Orangenbäume gepflanzt und Gärten angelegt; kleines Buschwerk, Caktus und Aloe ziehen siph wuchernd bis zur höchsten Spitze, in welchem unzählige Alfen hausen, die hier, wie einst die Capifolinischen Gänse, sich durch ihre Wachsamkeit bei einer Belagerung auszeichneten und seitdem als heilige Thierc betrachtet werden, denen nicht nachgestellt werden darf. In Gesellschaft von mehreren meiner Gefährten liess ich mich in einem kleinen Kahne ans Land setzen, und ich kann Ihnen nicht sagen, welch ein erhebendes aber auch wehmüthiges Gefühl mich durchdrang, als ich den schonen Boden Spaniens, die südlichste Spitze Europas betrat. Das geschäftige Leben eines Morgens kam mir entgegen, Maulesel mit Gemüse, Früchten und Korn beladen, Landleutc in ihren originellen Costümen, kräftige Männergestalten mit den ausdrucksvollsten Physiognomien und in den malerischesten Trachten: den breit-gekrämten Hut, den togaarligcn Mantclüberwurf um die Schultern, gingen an uns vorüber. Auf den Märkten das laute, lebhafte Treiben der Südländer mit allen ihren uns so fremdartigen Eigentümlichkeiten, und dazwischen die ruhigen ernsten Engländer in ihren rothen Uniformen und die Schotten in ihrer Bardentracht. WTir durchzogen einige Stunden die kleine Stadt und die Festungswerke, uns an diesen Bildern ergötzend, wobei die auf schwer bepackten Eseln vorüberreitenden Frauen und Mädchen, mit ihren schwarzen durchdringenden Augen , ganz keck auf uns herabsahen. Von Hitze und ungewohnter Bewegung erschöpft, kehrten wir, nach Erfrischung verlangend, in den besten Gasthof ein , wo man uns ein kaum geniessbares Frühstück mit 3 Schil- ling bezahlen Hess; es wunderte mich daher nicht zu hören, dass die Engländer diese Klasse von Leuten hier rogues und scorpions nennen. Inzwischen halle unser Schiff Kohlen und Lcbens-millel zur Fahrt nach Malta eingenommen, und wir eilten dasselbe wieder zu erreichen. Schon um 12 Uhr befanden wir uns im Mittelmeere , welches gleich einem Spiegel vor uns ausgebreitet lag; die Luit war warm ohne druckend zu lern und der Himmel unbewölkt. Dies herrliche Wetter hielt bis Sonnabend den 13. an, wodurch unser Schilf sich 10 Meilen in der Stunde fortbewegte. Freitag Abend näherten wir uns der afrikanischen Küste, deren hoch gen Himmel steigende Atlas-kelte, mit ihren kahlen, gezackten, wilden Kalkfelsen lange unser Kegleiter blieb. Wir fuhren nun längs jenen Sagenreichen , klassischen Landstrichen, in denen Dido ihre Macht gründete, wo Aencas Schutz suchte, und wo die Hannibal, Scipionen , Jugurlha, Cäsar, Vandalen, Araber, Spanier und Franzosen gekämpft. Welch eine Vergangenheit, welch ein Ihatenreiches, wechselvolles Leben der Völker und Menschen ging hier im Fluge des Schilfes an uns vorüber! Sonnabends gegen Abend hatte der Wind über den Gebirgen dicke, schwarze Wolken zusammengetrieben, die Gestalten derselben beobachtend, sahen wir plötzlich eine Feuerkugel, dem Monde an Grösse gleich, herabfallen, welche nach wenigen Sccunden zerspringend, Küste und Meer aufs prachtvollste crlcuclitelc. Bald darauf erhellten Blitze nach allen Seiten die Gegend, wobei der Alias manchmal wie in einem Fcuerincere zu schwimmen schien. Montags wurden Wind und See ruhiger und wir konnten uns mit mehr Behaglichkeit des Anblicks der Küslc erfreuen, sahen die Bucht von Tunis, die Lage des alten Carthago, und fuhren dicht an der kahlen Felseninsel Zcmbra und der weinreichen Insel Pantellaria vorüber. Dicnslags blies uns ein frischer Ostwind entgegen und Millwoch Morgens 5 Uhr bekamen wir Malta zu sehen. Bei der Einfahrt in einen neuen Hafen, zu einem unbekannten Lande, ist man voll Erwartung und Spannung, und so stand denn auch Alles auf dem Deck beobachtend und fragend. Malta gewährt den Anblick eines kahlen, unfruchtbaren, felsigen Eilandes, welches einer späteren vulkanischen Erhebung seine Entstellung zu verdanken scheint; nur wenige Orangenbäume, etwas Wein und Obst an künstlichen Wänden gezogen, und wozu die Erde selbst aus Sicilien geholt worden ist, dies war Alles, was sich unsern Blicken darbot. Dicht am Ufer, in Zwischenräumen von (> bis 800 Schritt, stehen theils runde, theils viereckige Thürme, jeder mit einem 24pfündcr versehen, zur liüslcnverlheidigung. Von dem Leuchtthurm bei La Valetta sahen wir die Flaggen aufziehen, welche den Lootsen und dem Gouverneur unser nnnunen anzeigten. Um halb 9 Uhr nahmen wir den Piloten auf, der uns eine Viertelstunde darauf durch einen schmalen Eingang in einen der geräumigsten Häfen der Erde führte. Er besteht aus dem Eingangshafen und drei östlich liegenden Seitenarmen , welchen 3 bis 400' hohe Kalkfclsen umgränzen, an deren westlichen die Stadt terrassenartig emporgebaut ist. Es wimmelte voll Masten , denn eine grosse Flotte von Kriegsschiffen und Imegsdampfbooten unter dem Admiral Owen lag vor Anker. Das Ganze wird von unzähligen Werken und Batterien verlheidigt, welche, vortrefflich gebaut und angelegt, nur den einzigen Fehler zu haben scheinen, dass deren zu viele sind. Dem Haupthafen zur Seile, von der Stadt getrennt, befindet sich der Quarantaine-hafen. Ich übergehe jede nähere Schilderung dieses in vielem Betracht interessanten Eilandes als Ihnen bekannt, und begnüge mich, von den Erlebnissen der beiden Tage, welche ich hier zugebracht, zu erzählen. Wir halten kaum den Anker ausgeworfen, so umgaben uns schon Boote von allen Seiten , aus denen ein ebenso gellendes Schreien und Kufen sich erhob, wie es in Neapel zu seyn pflegt, wenn man ans Land steigen will. Ich nahm einen Kahn und Hess mich nach der Queen" bringen, urn Lieutenant Johnsion aufzusuchen, dessen menschenfreundlicher Vater, Sir Alexander, mir einen Brief an ihn mitgegeben halte. Ein kräftiger junger Manu voll Lebensfrische rief mir ein Willkommen zu, machte mich mit seinen Gameraden bekannt, und führle mich durch alle Bäume dieses schwimmenden Pal- > lastes. Die Queen, ein Schiff von 110 Kanonen, 204' lang, CO' breit und 40' tief, in welchem 1000 Mann sich befinden, war erst vor wenig Monaten von Stapel gelassen worden, und ist augenblicklich wohl das grösste und schönste Kriegsschiff der englischen Marine. Hier, wo die beste Ordnung herrscht, wo Einfachheit mit Zweckmässigkeit bis zur höchsten Vollendung Hand in Hand gehen, tritt uns die Macht Englands so augenscheinlich entgegen; es sind die Fäden, durch welche es sich ausgebreitet, mit denen es gleich einer Spinne die Erde umsponnen hält und die Meere zu beherrschen weiss. In dem geräumigen Versammlungs- und Speisesaale der Offleiere findet man Bücher und Karten, in ihren Kajüten steht, dem Bette zunächst, ein 32plunder, ausserdem sind sie je nach dem Geschmacke des Bewohners verziert, und auch hier vermisst man niemals geistige Nahrung. Indem wir durch die Magazine, das Arsenal, die Vorraths kam inern und das Lazareth gingen, hatte ich Gelegenheit, das geordnete Leben und Treiben der Schiffsmannschaft zu beobachten: aber am «xossar-ligsten ist der Blick über das Oberdeck, wo das Schilf in seiner ganzen Grösse, mit seinen verschlungenen Geweben von Stricken und Leitern, auf Einmal übersehen wird. Nachdem wir zwei Stunden darin umhergewandert, führte mich Johnsion nach dem Howe, welcher 120 Kanonen führt, indess um !)' schmaler als die Queen ist; dann besuchten wir den Indus von 84 Kanonen, den Nelsons berühmte Worte vor der Schlacht bei Tralälgar: »England e&pects every Man to do hin drt/t/" als u mahnender Zuruf auf dem Oberdeck zieren. Um 3 Uhr befanden wie uns wieder auf derQueen, wo ich im Kreise hochgebildeter Ollieiere das Mittagsmahl einnahm. John« slon begleitete mich hierauf nach der Sladt, zeigte mit-den Pallast des einstigen Grossmeisters, die jetzige Wohnung des Gouverneurs, die dortige Waffenhalle und die schöne und reiche Kirche St. Johann. Hier trennten wir uns, meinen jungen Freund rief die Pflicht nach dem Schiffe, mich fesselte die Abend kühle noch einige Zeit in der Stadt, so dass ich erst in der Dunkelheit den Tajus erreichte. Mit Sonnenaufgang des anderen Tages begab ich mich noch einmal ans Land, um die Festungswerke in Augenschein zu nehmen. Ks war bereits die zwölfte Stunde herangekommen, als ich erschöpft von meinen Wanderungen nach dem Dampfschiffe zurückkehrte, wo schon alle Anstalten in See zu gehen gemacht wurden, indem das Dampfboot von Marseille mit der neuesten Post aus England eingetroffen war. Inzwischen vergnügten wir uns an dem Tauchen munterer Knaben, welche es nicht verschmähten, seihst Kupfermünzen aus der Tiefe des Meeres heraufzuholen. Bei dem schönsten Weiter lichteten wir Nachmittags 3 Uhr den Anker; aber gegen Abend trieb ein Westwind Regenwolken über uns hinweg. Freitag den 15. machte ein Südostwind die Lull noch kühler, es wechselte Regen mit Sonnenschein, und Abends erhellte fortwährendes Wetterleuchten im Westen Himmel und Meer. Sonnabends liess der Wind nach, bald trat völlige Windstille ein, und ein unbewölkter Himmel und eine spiegelglatte See umgaben uns; aber, als wir Montag Nachmittags 3 Uhr an den arabischen Thürinen vorüber-Fuhren, Bog das Meer ganz plötzlich an so unruhig zu werden, dass unser Schiff unter steten Schwankungen, am Vorderthcil von den Wellen überschlagen, nur 7 Meilen in der Stunde machen konnte. Wir befanden uns kaum 8 Meilen von der Küste; über das kahle Afrika wehte ein glühender Wind, man sah die heissen Dünste auf dem blendend weissen Sande der Wüste schweben. Einige Zeit darauf konnten wir den Leuchllhurin von Alexandrien erkennen. Ungefähr % Meilen vor der Einfahrt in den Hafen, welche an einer Stelle auf kaum 200 Schritt Breite die gehörige Tiefe hat, nahmen wir nicht ohne Schwierigkeit, unweit hunderlen kleiner Steinmühlen, den Piloten auf, wobei der schöne lang-bärtige Türke seine Pantoffeln cinbüssle, und nicht abgeneigt schien, lieber uns im Stich ZU lassen, als diese zu verlieren« Die Sonne neigte sich ihrem Untergänge zu, als wir in den Hafen fuhren, den desPaschas Flotte, einige zwanzig grosse und kleine Kriegsschule, ungewöhnlich belebte. Indem wir uns zwischen diesem Wald \<»n Masten durchwanden, kam uns ein Boot mit Europäern entgegen , welche mit Hüten und Tüchern ein Willkommen zuwinkten, und noch ehe wir geankert, ■Unkreisten uns schon unzählige Kühne ägyptischer Schiffer, von denen ein solches Schreien und Toben zu uns heraufdrang, dass man in der That sein eigenes Wort nicht vernehmen konnte. Nur mit dem Stocke in der Hand war es möglich, sich durch diese zudringliche Menge den Weg zu bahnen, und auf diese Weise allein gelang es den Agenten der Compagnio unsere Sachen fortzuschalfen, und uns den ruhigen Besitz von Kähnen zu sichern. Am Ufer empfingen uns liamcelluhrer und Eselstreiber in nicht minder lästiger Art; ich machte jedoch keinen Gebrauch von ihnen, sondern zog es vor, von einem Führer geleitet, in der Abendkühlc nach dem Gaslhause zu wandern. So war ich denn auf dem an geschichtlichen Ereignissen so reichen Boden Aegyptens! Aber die Bilder, welche hier in der Dämmerung an mir vorübergingen, waren nicht diejenigen, welche sich die Phantasie geschaffen. Durch die engen, schmutzigen Gassen Alexandriens gedankenvoll wandernd, trat mir überall die orientalische Welt mit ihren Eigentümlichkeiten, ihren sonderbaren Sitten und Gebräuchen und ihrer fremdartigen Natur entgegen ; bald kam ich an Gruppen rauchender .Muselmänner vorüber, welche, in ihrem malerischen Gewände da sitzend , sich einst und schweigsam den Dampf zubliesen, Frauen und Mädchen, bis zu den Augen verhüllt, liefen scheu den Ungläubigen aus dem Wege, in den von Lampen erleuchteten Bazars das geschäftige Leben einer kleinen Handelswelt, und dazwischen eilig vorühergelriebene Esel oder bedächtig und langsam hinziehende, schwer bepackle Kameelc. Nirgend ein Zeichen der Freude und des Frohsinns. Nachdem ich wohl eine halbe Slunde meinem Führer gefolgt, traten wir plötzlich auf einen grossen Platz, der von einigen hohen und schönen Gebäuden, den Con-suln gehörig, eingeschlossen ist; hoch in die Luft gebaute Wendeltreppen erheben sich über deren platte Dächer und gewähren einen weiten Blick über Meer und Stadt. Hier befand sich auch unser Gasthof. Es war uns nur so viel Zeit gelassen, um in Ruhe Erfrischungen einnehmen zu können , und nachdem wir der an Bananen, Melonen und köstlichen Weintrauben reichen Tafel lleissig zugesprochen, liiess es, dass die Führer mit den Eseln unserer bereits warteten. Eine ordnungslose Schaar von Knaben und jungen Burschen stürzte uns mit ihren Thieren entgegen, hier dasselbe Schreien und Kufen in gebrochenem Englisch. Noch ehe ich mir es versah, hatte man mich wider Willen auf einen Esel gehoben und forlgelricbcn, dasselbe geschah meinen Gefährten , worauf unsere Gesellschaft gleich einer wilden Jagd zur Einschiffung nach dem Mahmudeanal ritt. Der Abend, den das Älondlicht und die Stille zu einem besonders reizenden gemacht hatten, war so schön, wie ihn sich nur die glühendste Phantasie ausmalen kann. Unser Weg führte an einigen Palmgärten vorüber, über welche ein vom Meer kommender leichter Wind reine, liebliche Düfte wehte, welche die Brust neubelcbend durchzogen , dass man einen Lcbcnsbalsam alhmele. An der Pforte eines kleinen Forls zählte ein türkischer Ollicicr die Durchpassirenden, dann ging es v. Oilidi's Heise. 1. 2 in vollem Trabe zwischen kahlen, steinigen Hügeln unweit der Pompejussäule vorüber, und nach Verlaut' einer kleinen Stunde, es war 11 Ihr, befanden wir uns anter schattigen Sykomoren am Einsehiflungsplatze. Eine vcr-deckle eiserne Gondel, einem Aflfenkastcn ähnlicher als einem Boote , konnte kaum die Zahl der Passagiere fassen 5 ich zog es daher vor, so nachtheilig auch die kühlen , feuchten Nächte der Gesundheil, seyn sollen, auf dem Deck, in den Mantel gehüllt, die Nacht zuzubringen. Der Mahmudcanal, ein Werk Mehemed Alis, ist 84 Meilen lang, 50 Schritt breit, und war augenblicklich 4 bis 6' lief. Er führt bei dem Dorfe Alleh aus dem Nil nach Alexandrien, und dient, nicht allein zur Schififahrt, sondern auch zur Bewässerung des anliegenden Landes. Unzählige Schöpfräder, von Ochsen in Bewegung gesetzt, bringen das Wasser in die Canäle, von denen es nach allen Seilen über den Boden fortgeleitet wird, wodurch derselbe so reichen Ertrag an Iteis , Baumwolle, Tabak und Getreide giebl. Zu beiden Seiten fuhren schmale Wege für Pferde und Kameele. Nach langem Hin - und Herreden ging endlich die Fahrl vor sich, ein Steuermann und zwei linderer, alles Araber, setzten, von vier Pferden unterstützt, die. Gondel in Bewegung, und ein Posten an der Vorderspitze Stiess, wenn sich uns Kühne näherten, in ein Sprachrohr, das die herzzerrcissendsten Töne von sich gab. Bevor man sich darüber verständigt, nach welcher Seile, auszuweichen sey, wurde erst von beiden Seiten gern- Jen, geschrieen und geschimpft. Zu Zeiten waren wir so in einander gefahren, dass unsere Ruderer nach dem Ufer schwimmen mussten, um den Pferden die Ziehtaue abzunehmen. Bei diesem Lärm , welcher noch von dem eintönigen Knarren der Wasserräder und dem Geschrei über uns fortziehender Vögel vermehrt wurde, war an Schlaf nicht zu denken. Glücklicherweise verbreitete das Mondlicht eine solche Helle, dass man alle Gegenstände ziemlich deutlich wahrnehmen konnte. Die Schifflährl war ungewöhnlich lebhaft, bald waren es Kähne mit Reisenden, dann wieder mit Baumwolle, Getreide und Matten beladen , oder andere mit Wasserkrügen , Hühnern und Früchten, die an uns vorüberzogen. Die Dörfer am Ufer sind, wie die meisten ägyptischen Dörfer, von Lehm gebaut, einem unordentlich in einander gebauten Haufen unserer Backöfen am ähnlichsten, bald rund, dann wieder gleich Thürmchen, oder von viereckiger Form, selten höher als 20', und oft ganz ohne Decke und ohne Fenster, nur mit kleinen Luftlöchern versehen ; ihnen zur Seite liegt von Lehmwänden eingeschlossen ein kleiner Hof, in welchem sich das Vieh aulhält, oder die Tenne angebracht ist. Gemeinhin erkennt man die Nähe eines solchen Dorfes an Dattelpalmen und Bananen, die es umgeben, und die der einförmigen Gegend eine dein Auge wohllhuonde Abwechselung gewähren. An einigen Punkten befanden sich Zeltlager für die zur Arbeit verwendeten Truppen, oder für Mehemed Alis Aufseher. In der neunten Morgenstunde des 19. Juli näherte sich uns eine mit Flaggen und Wimpeln geschmiickle Gondel, in welcher sich, nach der Aussage unserer Bootsleute, eine Tochter des Paschas befand. Hinter den zierlich geschnitzten Gittern der Kajüte sahen wir einige verschleierte Frauen, deren Augen neugierig nach uns gerichtet waren. Ein vornehmer Türke, es schien der Gatte zu seyn, sass sehr behaglich auf schönen Teppichen im Freien, die lange Pfeife rauchend, und hatte Kaffee nebst allerhand Früchten und Süssigkeilcn vor sich ausgebreitet. Ihre Eunuchen, militärische Begleitung und Dienerschaft, befanden sicli in einer zweiten ebenso niedlichen Gondel. Aber auf diese Erscheinung des Glanzes und Wohllebens folgte eine des Jammers und des Elends. Ein grosses überlautes Boot mit gefesselten Scheven, Arabern und Abyssinicrn, welche in die Marine gesteckt werden oder der Entwürdigung der Menschheit anheimfallen sollten. Viele dieser Unglücklichen, sagte man uns, brächen sich die Zähne aus, oder hauten sich die Finger ab, um dem harten Schicksale zu entgehen. Unsere Fahrt war reich an den mannigfaltigsten Bildern : Kähne voll .Menschen in den malerischsten Gruppen, Karawanen , Heiler auf Pferden oder Eseln, Postboten , das Spiel der Telegraphen und dazwischen die schwimmlusligcn Bootsleute. Eine besonders anziehende Erscheinung gewährte Said Pascha in seiner schönen Tracht, der auf einem goldbraunen Araber, seinen Neger slels zur Seite, von einigen Reitern umgeben , an uns vorüber sprengte. Je näher wir dem Nil kamen, je belebter wurde die Scene an Booten und grossen Truppenlagern, aus denen einige Male muthwillig Gewehre nach uns abgeschossen wurden; aber auch desto schwieriger wurde das Forlkommen , indem wir zu Zeiten ganz unsanft, auf den steinigen Boden stiessen , und Wasser in unsere Gondel drang. Herzlich froh waren wir daher, als man uns um 2 Uhr ankündigte, dass wir Atfeh erreicht hätten. Wir vcrliessen hier unsere Gondel und gingen durch das Dorf nach dem Nil, wo bereits das niedliche Dampfboot Lotus, mit zwei Cylindermaschinen, jede von 16 Pferdekraft, zu unserer Aufnahme bereit stand, und wo auch eben unsere zu gleicher Zeit eingetroffenen Sachen eingeladen wurden. Atfeh gehört zu den grösseren und besser gebauten Dörfern, hat einen überdeckten Bazar, und selbst einen Gasthof, wenn man ein schmutziges Häuschen mit einem Schilde versehen, so nennen will. Der Nil ist hier ungefähr 500 Schritte breit, dehnt sich je näher Cairo mehr und mehr aus, und fliesst stellenweise in einem 3000 Schritt breiten Bette, von sandigen und lehmigen Inseln durchschnitten; seine Uferränder sind selten höher als 15', und sein Wasser, von dem schlammigen Boden angefüllt, von aschgrauer Farbe. Weil sein Bett stetem Wechsel unterworfen »st, so ist die Fahrt auf ihm schwierig, wir geriethen aller Vorsicht ungeachtet, zweimal auf eine Sandbank, wurden jedoch durch die Kraft der Maschine bald wieder flott. Der Blick auf die längs des Flusses sich hinziehenden reich bebauten Länderstrecken, unterbrochen von kleinen Palmwäldchcn, deren lacherartige Kronen sich stolz und majestätisch über die ärmlichen Hüllen ausbreiteten, oder schlanken Minarcts zur Seile standen, war für Auge und Herz erfrischend. Besonders reizend erschien das hinter Atfeh am rechten Ufer liegende Städtchen durch seine vielen Minarcts und seine reinlichen, weissen Gebäude, von denen einige selbst grossartig waren. Nach einer kleinen Stunde setzten wir uns in Bewegung. Unsere Schiffsmannschaft, bestand ausser den Ingenieurs nur aus Arabern, und während wir auf dem Deck bei untergehender Sonne um unsere Tafel sassen, stieg Einer nach dem Andern von unseren Muselmännern auf die über den Schaufelrädern bclindliehc Erhöhung, breitete seinen Turban aus und verrichtete, von den Tafelfreuden der Christen umgeben, ungestört seine Andacht. Derselbe Eimer, in welchem unsere Teller gereinigt wurden, diente ihnen zur Fusswaschung. Eine sternhelle warme Nacht, denn wir hatten Abends 8 Uhr noch 82° F., war zu einladend, als dass ich mich hätte bald zur Hube begeben können, versunken in Betrachtungen über den Wechsel menschlicher Schicksale, zu denen mich nicht nur eine geschichtlich reiche Vergangenheit aufforderte, sondern auch die Lebensbeziehungen der Menschen, welche aus drei VVclltheUcn sich auf dem kleinen Räume eines Dampfbootes zusammenfanden. Die Meisten hatten ein an Erfahrungen reiches Lehen hinler sich ; aber auch welche Kampfe und Präfungen mag es gekostet haben, bis zur gegenwärtigen Stunde, und welch eine ebenso wechselvollc Zukunft halte ein Jeder noch bis zu sei-uem Lebensziele zu durchlaufen. Wie wenig Glückliche, wie viel Unzufriedene! Mir trat hier unwillkürlich jene Grabschrill in der Westminslcrabtei vor die Seele: , The lifc is a dream, and all things sliow it, 1 tliuughl so oh/t, hui now i know it. . Die aufgehende Sonne des 20. Juli brachte uns einen eben so schönen, klaren Tag, eben so reine, stärkende Lull, als der vorhergehende halte. Mein erster Blick fiel auf eine Moschee, umgeben von einem lieblichen Wäldchen dickbclaubler Sykomorcn, zwischen denen hochstämmige Dattelpalmen standen; aus dem magischen Dunkel schien etwas geheimnissvolles, märchenhaftes zu uns zu reden, was an die poetischen Gebilde der Tausend und eine Nacht erinnerte. Unweit dieser Moschee wurden einige Passagiere, nackte Araber, abgesetzt; aber da war kein Kahn, der sie dem Ufer zuführte, sondern ein Jeder band sich seine wenigen GewHnder um den Kopf, sprang in den Fluss und schwamm, uns ein Salam Alekuml (Friede sei mit Dir) zurufend, dem Lande zu. Gegen 8 Uhr bekamen wir die Pyramiden zu sehen, und von einem Dampfboote aus! Welche Contraste der Zeiten! Eine Meile vor Cairo gewährt die Gegend des rechten Nilufcrs plötzlich ein sehr industrielles Ansehen. Hier lallt zuerst Mchcmcd Alis prächtiger Landsitz in die Augen, den ein mit Kunst und Geschmack angelegter Garten umgiebt; einige dreissig grosse Schöpfräder dienen zu seiner Bewässerung. An diesen sehlicssen sich noch einige Villas an, und dann kommt eine Reihe grosser Fabrikgebäude, in denen jedoch keine, Thätig-keit wahrzunehmen war. Eine neu angelegte Kunststrasse von hochstämmigen, üppig belaubten Sykomoren eingefasst, führt von hier längs des Nil nach Cairo. Unweit derselben begegneten wir dem Dampfboote, welches die aus Indien kommenden Passagiere nach Atfeh brachte; von beiden Seilen hielt man an, schnell wurden einige Fragen an die wenigen Glücklichen gerichtet, welche der Heimatb zueilten, Briefe gewech- " seit, und dann ging es weiter nach Bulack. Vor diesem Städtchen war um halb 12 Uhr die Fahrt von 120 Meilen beendet. Kaum hatten wir geankert, so kamen uns schon Knaben mit Eseln entgegen, auf denen wir nach gewohnter Weise, bei einer Hitze von 95° F. durch die schmutzigen engen Gassen von Bulack nach Cairo ritten. Bulack ist nur drei Meilen davon entfernt, diese wurden in einer halben Stunde zurückgelegt. Auf dem Wege dahin zeigte sich uns das grossstädlische Leben und Treiben einer volkreichen orientalischen Stadt. Schwer bepackte Kameelc und Esel, Reiter und Fussgänger, Frucbthändlcr und einige von Sr. Hoheit Truppen in schmutzigen baumwollenen Kitlein ; vor uns unzählige Minarels, und zur Seite das unabsehbare Nillhal mit den hoch gen Himmel strebenden Pyramiden im Hinlergrunde. Nachdem wir uns nicht ohne Mühe aus der gedrängten Menge durch Schreien und Rufen gewunden und einige kleine schmale Gassen passirt hallen, rillen wir in den Vorhof des Hillschon Hotels, Zu unserem Aufenthalte waren uns nur sechs Stunden Zeit gelassen, und da ich nicht wusste, ob je das Schicksal mich wieder nach Cairo führen würde, so wollte ich die sehr kärglich zugemessenen Augenblicke nach Kräften benutzen. In Gesellschaft des vielgereisten Lieutenant Bowen, den Führer vor uns, ritten wir in der hier üblichen Weise auf kleinen Eseln, durch die belebten Bazars zuerst nach dem Sclavenmarkte der Schwarzen; denn die Weissen zu sehen, ist dem Europäer nicht erlaubt. Durch ein verschlossenes Thor kamen wir in einen von schattigen Hallen umgebenen grossen Hofraum, wo diese Unglücklichen feil geboten wurden, und wo der Mensch den Menschen für 8 bis 40 Lt. kaufen kann. Hier sahen wir einige dreissig Sclaven und Sclavinnen, Abys-sinier und Neger. Die Frauen und Mädchen , nichts weniger als schön, in schmutzigen Gewändern, welche kaum die Blossen bedeckten, erhoben ein schallendes Gelächter, als wir uns ihnen näherten, machten kichernd ihre Bemerkungen, boten sich uns zum Kaufe an und verhöhnten uns, als wir von ihnen zu den Männern und Knaben gingen. Diese, grösstcnthcils im besten Aller, kralligen, gesunden Aussehens, lagen theils angeschlossen, theils frei auf Rohrhotlslellen im Schatten der Hallen; auf ihren Physiognomien war Kummer und Gram zu lesen. Zwei hübsche sochszelmjährigc Neger-knaben näherten sich mir, als wir wieder wegreiten wollten, einige Worte an mich richtend. ,,Sie wünschen, dass Du sie kaufen mochtest," sagte der Führer, „sie wollen Dir treu und unverdrossen dienen." Was sollen die Knaben kosten, fragte unser Führer den dabei stehenden Sclavenhändler. ,,20 Lt. Jeder", war die Antwort. Wie gern hätte ich den Armen die Freiheit geschenkt; aber damit war ihnen nicht gedient, dann wären sie noch verlassener als zuvor gewesen! ,,Ihnen eine kleine Gabe zu geben ist nicht rathsam", äusserte, der Führer, ,,dcnn diese wird sogleich von ihren Henkern in Beschlag genommen." Von noch wehmüthigerem, ja abschreckendem Eindrucke war der Anblick des Irrenhauses. In einem von hohen Gebäuden eingeschlossenen engen Hofe, deren untere Räume kleine Zellen enthielten, in welchen die Irren nur Platz zum Liegen halten, ähnlich den Käfigen wilder Thiere mit eisernen Gittern, befanden sich einige zwanzig solcher Kranke. Die Meisten in Ketten, beinahe ganz nackt, im Schmutze untergehend, heimgesucht von einem Wahnsinn, der entweder in den Verir-rungeu unglücklicher Liebe, in der Trunksucht, oder in körperlicher Krankheit seine Ursachen hat. Ihre Heilmethode schilderte der Wärter sehr einfach : wenig Nahrung, täglich dreimal ein Sturzbad und körperliche Züchtigung. Wer sich auf dem Wege der Besserung befindet, verliert die Ketten und wird mit Handarbeit beschäftigt, und wer die Wochentage und Tageszeiten richtig anzugeben weiss, wird als geheilt entlassen. Erheiternd war dagegen unser Ritt nach der im Südosten der Stadt auf gegen 350' hohen Kalkfelsen gelegenen Citadelle. Von dort geniesst man eine der schönsten, erhebendsten Aussichten der Welt. Cairo mit seinen sechsundfunfzig Minarets lag zu unsern Füssen, unmittelbar davor die Cascrncn der Truppen und das geschäftige Treiben eines Marktes, im Hintergründe der mächtige Nil mit den grünen Ebenen, Schiffen, Villen und Palmwäldchcn, und zur Seite nach Süden die allen Wasserleitungen, die ungeheuren Pyramiden mit dem Blick in die kahle unabsehbare Wüste, und in weiter Ferne die Ruinen von Memphis. Nur wenige Schritte von hier zeigt ein von armseligen Hütten umgebener Fleck den Ort, wo Mebcmed Ali die Mamelucken vernichtete. Von den Fenstern seines kleinen einstöckigen Marmorpallastes übersieht der kalte, schlaue Tyrann sein schönes Land und seine Schöpfungen. In den Vorhallen dieses Pallastcs fanden wir einige junge Männer, auf Teppichen sitzend, mit Schreiben beschäftigt, welchen ein alter graubärtiger Armenier die Tbalen seines Herrn dietirle. Der Pallast selbst besteht nur aus wenigen Gemächern mit seidenen Divans an den Wanden, in theils orientalischem, theils europäischem Geschmackc dekorirt. Ein Billard dient Mehe-med Ali zur Erholung; er pflegt auf demselben mit seinem Mamelucken zu spielen. Neben diesem Pallast ist eine Moschee angefangen, aus einem viereckigen Hofe bestehend, den hohe Marmorhallen von runden und kantigen Säulen aus polirtem Alabaster im maurisch-arabischen Style bearbeitet, umgeben 5 in der Milte ein überdecktes Bassin, dessen Gewölbe von Säulen getragen wird und von wo Springbrunnen Kühlung zuwehen sollen. Das Ganze macht einen grossartigen Eindruck und ist kunstsinnig und gefällig ausgeführt. In der Nähe dieser neueren Bauten belinden sich die dreitausendjährigen Ruinen des von den Einwohnern so genannten Josephs-Pallastes, von welchem indess ausser dem Brunnen nur noch wenig erhalten ist; dieser ist von so bedeutender Tiefe, dass ein herabgeworfener Stein kaum seinen Fall verkündet. Ganz erschöpft erreichten wir, jedoch noch zeitig genug, unseren Gasthof, um uns durch ein Mittagsmahl zum Zuge durch die Wüste zu stärken. Unser Gepäck war bereits auf 40 Kameelen vorausgegangen. Es war sechs Uhr, als wir in sechs zweirädrigen, mit einem Leinwanddach versehenen und von vier Pferden gezogenen Karren, in deren jedem vier Personen Raum hatten, unsere Reise antraten. In dem meinigen waren ausser mir noch Obrist M'Neile, Capitain Forbes und mein trefflicher Unterofficier Werner. Unglücklicher- weise hatten wir einen Italiener zum Kutscher, welcher an völlig rohen Pferden heute sein erstes Probestück ablegen sollte 5 er hatte , wie wir später erfuhren , bisher als Friseur und Schneider sein Leben gefristet und Wollte nun versuchen, sieh als ltossebäudigcr fortzuhelfen. Der Anläng flüsste kein Vertrauen ein; denn nachdem es beinahe eine Viertelstunde gedauert, die Pferde zum Ziehen zu bewegen, entwanden sich diese aus seinen Händen und liefen mit uns aus vollen Kräften einem 20' tiefen Canal zu, in welchen wir sicherlich gestürzt Wären, hätte der nebenher laufende Pferdehüter uns nicht gerettet. Endlich hatten wir das Thor hinter uns, ein üppiger Bananengarlen von hochstämmiger Aloe ein-gefasst, war das letzte Zeichen von Naturleben, und nun lag die Stein- und Kicswüsle mit ihrer unendlichen Oede vor uns. Von wunderbarem Eindrucke war es, so, in stiller schöner Mondnacht sechs Wagen durch die Wüste ziehen zu sehen, welche sich bald neben, bald hinter einander auf der von den Tritten der Kameelc bezeichneten Strasse fortbewegten. Sie wissen, es ist keine blendende Sandwüslc, sondern eine aus steinigem Erdreich mit Kieseln überdeckte und von kleinen wellenförmigen Kalksteinhöhen unterbrochene (irgend, welche erst in der Nähe des rolhen Meeres einen felsigen, wilden Charakter annimmt. Leberall Andeutungen, dass einst die Mcercsfluthen hier gewüthet haben. Bevor wir noch die erste Station erreichten, hatten unsere Pferde mehr als zehnmal sich geweigert. weiter zu ziehen; dann musstcn auch die anderen Wagen halten, die Pferdehüter liefen zur Hüllsleistung herbei, schrieen und schlugen nach den Pferden, und das Ende vom Liede war, dass Werner aus dem Wagen springen musstc, um durch Eingreifen in die Räder unsere Karre in Gang zu bringen. Nach neun Meilen hielten wir vor einem einzelnen Hause, worin zehn Pferde standen, um die ermüdeten Thiere abzulösen; nun ging es ebenso wild, dieselben Pferdehüler nebenher laufend , noch eilf Meilen weiter zum zweiten Ruhepunkt, wo in zwei grossen Gemächern bis 3 Uhr geruht und Kaifee getrunken wurde. Bis zur dritten Station waren es wieder zehn Meilen, wo abermals einzelne Pferde gewechselt, und von hier zur Centrumstation, eilf Meilen, wurden die letzten Kräfte der Thiere in Anspruch genommen, damit wir, bevor die Sonnenstrahlen wirksam sind, uns unter Dach befänden. Ein einzelner schattiger Dornbaum , der Mohamedsbaum genannt, weil der grosse Prophet auf seinem Zuge hier geruht haben soll, und ein mächtiger Anker, geben diesem Punkte eine besondere Bedeutung. Das Haus ist zweistöckig, sehr geräumig Und mit Divans versehen. Wir nahmen hier das Mittagsmahl ein und setzten Abends 5 Uhr, bei einer Hitze von 03° F. die Reise fort. Bezeichneten schon bisher todte Kameele, Esel und Pferde, oder die Grabhügel unglücklicher Wanderer, den Weg durch die Wüste, so vvar es noch weit mehr auf dieser Strecke der Fall. Ein grosser Steinhaufen wies uns den Ort, wo erst vor wenig Tagen fünf Araber, vom Sonnenstich befallen, den Tod gefunden hatten. Nach zwei Stunden hatten wir den nächsten, zehn Meilen entfernten Haltpunkt erreicht ; ohne Aufenthalt ging es zu der eilf Meilen davon entfernten letzten Station, wo die mit Wasser von Suez kommenden Kameele abgewartet wurden; und dann schnellen Trabes nach dem dreizehn Meilen entfernten Suez, dessen Carawanserei uns Morgens 7 Uhr aufnahm. Suez ist ein kleiner schmutziger von Fels- und Backsteinen erbauter Ort, den eine verfallene Mauer um-giebt, mit kaum 2000 Einwohnern, welche sich von Fischläng und Handel ernähren. Es ist der Stapelplatz für den von Mocca kommenden Kaffee, welcher auf Kameelen nach Cairo gebracht wird. Ein alter Brunnen, der ungefähr lausend Schrille davon entfernt, hart am Wege liegt, versorgt den Ort mit Wasser, welches aber durch seinen salzigen Beigeschmack kaum trinkbar ist. Nachdem unser Gepäck verladen und wir uns durch Schlaf und Nahrung gestärkt, führte uns ein grosses Boot, es war 2 Ehr, bei einer Hitze von 9G° nach dem zwei Meilen davon entfernten Kriegs-DampfschifT Bere-nice. Dasselbe gehörte zur Flolille der Ostindisclien Compagnie, enthält 640 Tonnen und eine Maschinen-kraft von 230 Pferden nebst 7 Geschützen. Capitain Barker, ein unterrichteter tüchtiger Seemann, Uösste durch sein bestimmtes Wesen Vertrauen ein , und hielt anter seiner Mannschall: 36Europäern und 22 Lascaris die sirengste Ordnung; ein kräftiger Araber, der sieh durch Kcnnüüss dieses Meeres einen grossen Ruf erworben , diente uns als Pilot. Er ist der Einzige unter den Mohaincdancrn, Avelcher regelmässig mit Sonnenaufgang und Untergang über den Schaufelrädern sein Gebet verrichtet. Sonst sind hier alle Einrichtungen schon in indischem Style, die Diener, Muselmänner und Parsen, deren Einer, während wir das Mittagsmahl einnehmen, uns vermöge der Panka (ein baumwollener Schirm, welcher sch webend über der Tafel an der Decke hängt und durch eine Leine in Bewegung gesetzt wird) Kühlung zuweht. Am 22. Juli Nachmittags 5 Uhr gingen wir bei gänzlicher Windslille in See. In den ersten sechs und dreissig Stunden sahen wir zugleich Aegyptens und Arabiens kalkfelsige Küslen und Bergketten, dann näherten wir uns den scharf und sonderbar gezackten Höhenzügen Abyssiniens, fuhren Mittwochs den 27. Abends 9 Uhr an den kaum 800' hohen vulkanischem Eilande Zebayer und Tages ilarauf an den theils felsigen , theils sandigen Inseln Jibbel, Zuger und Harnisch vorüber. In der Höhe von Mocca , welches mil seinen eng in einander gebauten Häusern und Lehmhütten, ans denen sich zwei Minarcts erheben, von wenigen Dattelpalmen umgeben, in einer Wüste zu liegen schien, gab ein Kanonenschuss das Zeichen unserer Ankunft, und bald darauf näherte sich uns ein Kahn, welcher die für den dortigen Agenten bestimmten Briefe in Empfang nahm. Unsere Fahrl auf der spiegelglatten See wäre eine angenehme gewesen, halle niclil. fortwährend eine Hitze von 100° F. geherrscht, welche selbst Nachts nur auf 89° F. herabsank und durch keinen Luftzug gemildert Ward. Da halfen weder Bäder noch künstliche Mittel irgend einer Art, nur allein kölnisches Wasser war momentan erfrischend, und beinahe verschmachtend ohne Schlaf lebte man die Tage dahin. Als wir aber am 28. Abends aus der Strasse von Bab el Mandeb in die bewegte Südsee kamen, blies uns ein kühlender Monsun entgegen, welcher Luft, und Meer, wie Sie aus beifolgenden Temperaturbeobachlungen ersehen werden, beinahe um 10° hcrabdrückte. Andern Morgens 8 Uhr fuhren wir in die von kahlen zerrissenen 1780' hohen Felsen eingeschlossene Bay von Aden. Ks war uns nicht so viel Zeit gelassen, ans Land zu gehen, indem schon das Dampfboot Cleopatra von 700 Tonnen und 220 Pferdekraft unserer harrte, und wir nach der Umladung die Boise sogleich fortsetzen sollten. Mit uns wurden noch 50 Sepoys, Invaliden des dort slationirenden Regiments, nebst ihren Frauen und Kindern, grösstenteils Hindus, eingeschifft. Diese braunen, nackton Gestalten, hinfälligen Aussehens, hatten sich kümmerlich am Vordertheil des Schilfes niedergelassen, und da die Religion ihnen verbietet auf dem Schilfe zu kochen, so war ihre einzige Speise mit Wasser angefeuchteter Beis und Gewürze, die sie, in massigen Portionen, nur um ihr Leben zu fristen, unter sich verteilten. v. Orlich'i Heise. I. ;\ Nach mittags 3 Ehr lichteten wir den Anker. ßei einem heftigen Sturme, welcher mit aller Wulh gegen den Ausgang der Ray tobte, gingen wir in See; aber w^r, hatten kaum die letzten Felsen hinler uns, als die Lasearis das ängstliche (Geschrei erhoben: ,,cs brennt, es brennt!" Die Maschine hielt an und in demselben Augenblicke sah ich auch schon Leute aus Eimern die Maschine begiessen, welche, nicht gehörig geölt, in Zündung gerathen war und bereits rauchte. Jndess wurde Alles bald wieder in Ordnung gebracht und wir konnten schon nach einer Viertelstunde die Fahrt fortsetzen. Die See war sehr bewegt, der Wind jedoch nicht mehr so heftig, aber der Himmel von einem grauen Schleier überzogen, durch den die Sonne nur einen mallen, melancholischen Schein verbreitete. Auf dem Schiffe, so vorlredlich es sonst, ist, vermisst man leider die den Engländern so eigene Reinlichkeit, die Speisen waren kaum geniessbar, und ich habe in diesen acht Tagen eigentlich nur von Reis und Wein gelebt. Den 31. Juli Nachmittags hatten wir die Region des Monsun erreicht, die Maschine wurde nun ausser Thäligkeit gesetzt, die Segel aufgezogen und ein starker Wind schaukelte uns rasch, in der Stunde acht Meilen, dem Ziele näher. Noch nicht lange waren wir so dahin getrieben worden, die Sonne eben im Untergehen, als sich vom Vorderdeck ein Hullern!' erhob und der Schrei laut wurde, dass Jemand ins Meer gefallen scy. Es war die Frau eines jener Hindusoldaten, welche, ihr Nachtlager sich bereitend, das Uobergewicht verloren hatte, im Fallen noch angstlich: „mein Mann, mein Mann!" geschrieen und vom Schiffe überfuhren, im Augenblicke versehwunden war. Der Capitain liess sogleich die Segel einziehen, aber bevor das Schiff zum Stehen kam und das Rettungsboot herabgelassen war, vergingen wohl fünfzehn Minuten. Ein Oflicier steuerte mit sechs Matrosen, eine Laterne als Signal im Kahn, durch die hochbewegle See, der Gegend zu, Wo die Unglückliche ihr Grab gefunden halte. In der Dunkelheit der Nacht verschwand das kleine Boot bald unseren Augen, lange harrten wir und nicht ohne Be-sorgniss seiner Rückkehr. Nach beinahe einer halben Stunde sahen wir endlich das Boot sich uns nähern; aber wie zu erwarten stand, ohne die Ertrunkene. Zwei Tage später begruben wir einen Matrosen, Als sich die Sonne ins Meer senkte, gab die Schiffsglocke das Grabgoläute, die Matrosen, festlich gekleidet, trugen den Toillen auf einer einfachen Bahre, welche mit Kugeln belastet und von der Flagge bedeckt war, nach der Bordseite des Schilfs. Nachdem der Capitain den Segen gesprochen und das Gebet verrichtet, liesscn die Matrosen den Todton ins Meeresgrab sinken. Es war ein feierlicher Augenblick ! Aber um so unbegreiflicher war es mir, wie einige unserer Passagiere, mit der Kaifeetasse in der Hand, Zeugen dieses Trauerakies «eyn konnten. Von jetzt an zogen von Zeit zu Zelt leichte Re- 3* geiischauer über uns hinweg; jedoch wider Erwarten wurde, je näher wir Bombay kamen, die Luft reiner und der Himmel klarer; der Wind hatte so nachgelassen, dass wir am 4. August wieder die Maschine in Thätigkeit setzen musstcn. Endlich den C. Nachmittag! zeigte sich uns in duftigem Schimmer die Küste von Bombay, und von jetzt an begegneten wir vielen Eiseherbooten, welche oft bis zwanzig Meilen in See geben. In freudiger Spannung stand Alles am Vorder-theil des Schilfes, den Blick nach Bombays Felsen und Leuchtthurm gerichtet, aber bevor wir dieselben deutlich erkennen konnten, war schon völlige Dunkelheit eingebrochen. Der Capitain liess von Zeit zu Zeit ein blaues Licht abbrennen, welches die Lontseuschiflc er-wiederlen, und wodurch sich ein so wundervoller magischer Schein um uns verbreitete, dass das Schilf wie in einem Lichtmeere schwimmend erschien, und die See in weiter Ferne erleuchtet wurde, (legen die achte Stunde näherten wir uns dem von Schiffen belebten Hafen, den wir bei der Einfahrt mit Kanonendonner hegriisslcii, und bald darauf rasselte der Anker mit seinen gewalligen Ketten herab. Sic können sich denken, dass ich kaum die Zeit erwarten konnte, ans Land zu kommen. Lieutenant Bowen und ich nahmen daher sogleich den ersten Kahn in Beschlag, unsere Sachen wurden schnell darauf verladen und nach einer kleinen Stunde hatte ich den Boden Indiens betreten. Aber wie soll ich Ihnen den Eindruck schildern, der mich in diesen Augenblicken fest übermannte, im Lande der Menschheitswiege, der Poesie und der Tausend und einen Nacht! Meine Gedanken konnten es kaum fassen, die Träume, der Jugend verwirklieht zu seilen. Obgleich es ziemlich dunkel war, so zeigten mirdoch die vorübergehenden nackten Gestalten, die Bauart der Häuser und die Natur, dass ich mich in einer völlig neuen Well befände. Ein Oili-eicr, welcher die Rondo ritt, war der erste Europäer, dem wir begegneten, natürlich bestürmten wir ihn mit Fragen über die Armee, und ich freute mich, dass er mir Hoffnung gab, Zeuge kriegerischer Ereignisse werden zu können. Nicht lange, so befanden wir uns unter dem Dache des Vicloriahotels, des einzigen hier vorhandenen Gasthauses, welches mit unseren sogenannten Ausspannungen die meiste Aclmlichkeit hat, während die Rechnungen im Maassstabe des ersten Londoner Hotels abgefasst sind. Für den Augenblick waren wir herzlich froh, unseren Hunger stillen zu können, dann nahm mich ein mit Gazegeweben überdecktes Lager auf, und bald verfiel ich in tiefen Schlaf, aus dem mich die aufgehende Sonne und das Geschrei unzähliger Krähen erweckte. II. AN ALEXANDER VON HUMBOLDT. Aufenthalt in Bombay; die Stadt und der Hafen; Leben und J Iii Ufii in den lla/.ars; Schilderung der verschiedenen Kant leute und Handwerker; Colnbah ; Hausstand vornehmer Engländer; Ausflüge in die Umgegend nach Malabftr-Point und Pareil; Verbrennen der Leichen ; die Parsis; Gymnastische Vorstellungen der ludier und ihre Jongleurs j Heise nach Puna; die Ghals-kette; Puna; Feste der Eingebornen dem Gouverneur zu Ehren; Bajaderen; Lehen der Briten; Parbulti und der Pallast der Peiscliwa; Rückkehr nach Bombay; die Begenzcit; Einrichtungen zur Reise nach Kuraschy; Haushalt des Gouverneurs. BOMBAY, den 30. August 1842. Sic werden mieh bis zu meiner Ankunft in Bombay verfolgt haben. Bevor ich Ihnen indess mein reiches, wechselvolles Leben der letzten Wochen vorführe, erlauben Sie mir, Einiges, dies reizende Eiland betreffend, voranzuschicken. Am Fusse der westlichen Chats liegt eine kleine Inselgruppe, von denen Bombay (unter 18° 58'N.Br. und 70° 55' 0. L. v. (ir.), dem Meere zunächst, auf seiner Nordsoile mit Salsette, der grösseren, durch eine stei- Herne Bogenbröcke verbunden ist; umgeben von andern felsigen, lioeh geliobenen kleineren Inseln, unter denen Eleplianla durch seine urallen kolossalen in den Felsen gehauenen Hindu- oder Bhuddistentempcl die merkwürdigste ist. Zwei weit ins Meer reichende Halbinseln, deren südliche das schmale über dem Meeresspiegel kaum sich erhebende, aus Korallengobilden entstandene Cola-bah ist, die nördliche das felsige Vorgebirge Malabar-Point, bilden eine der schönsten Buchten der Welt, Back hay genannt. Zwischen Colabah, Bombay und Salselfe befindet sich der geräumige Hafen, vier Meilen östlich davon liegt Butchers Eiland, scheinbar mit Elcphanta zusammenhängend, und wenig südlich das Inselcheu Caranjah , von welchem fünf Meilen Südwestlich zwischen Toll-Poinl und Colabah die Einfahrt in den Hafen Stattfindet. An der äusserslen Spitze von Colabah erhebt sich auf felsigem Boden, 150' über dem Meeresspiegel, der Leuchllhurm. Viele Batterien verlheidigen den Hafen und machen jede gewaltsame Landung beinahe unmöglich. Lebei all schmücken Palmen die Cestade, unter denen sich die schlank gen Himmel strebende Ivokos am schönsten ausnimmt. Bombay besteht, ausser einigen Dörfern und vielen Landhäusern, eigentlich aus zwei Städten, der vom Fort eingeschlossenen am Meere liegenden Stadt, und der westlich davon auf angeschwemmtem Boden angebauten Schwarzen - oder Stadt der Eingebomcn. Die Strassen der erstereu sind eng, von hohen dreistöckigen aus Holz tiilcr Backsteinen gebauten Däusern, welche in ihrem Aensseren denen der süditalienischen Studie am nächsten kommen; übereinander vorspringende Vrrandas von hölzernen Säulen gestützt und kleine erkerarlige Vorbauten aus niedlichem Schnilzwerk sind die einzige Zierde, In den unfern Räumen befinden sieh die JJazare, eng und schmutzig 5 grösslentheils von den Parsis gehalten. Das einzige ausgezeichnete Gebäude ist das Couvrruemcnls-haus, seine Front umgiebt eine Säulenhalle, vor welcher ein von Bäumen eingelässler Platz mit einein Bassin sich beiludet. Es enthält die verschiedenen Gcsrhäl'lslokale, eine Bibliothek und einen grossen Feslsaal, geschmückt mit den Marmorslatuon des verdienstvollen edlen Mon« Stuart Elphinslone und Sir Alexander .Malcolm. An dies Gebäude schliessen sich die grossartigen Arsenale und die Schiffswerfle an j denn Bombays Flolte besieht aus 22 Kriegsdampfsrhiffcn mit 2980 Pferdekraft, wovon (> Schiffe ausgerüstet sind, 18 Kriegsschilfen , von denen II mit (.)8 Geschützen, unter denen sich 3 Schaluppen, 4 Brigs, 4 Schoner und 4 Cutter belinden, und 11 eisernen Dampfbooten forden Dienst au! dem Indus undEuph-rat. Ausser diesen muss ich noch eines neu errichteten Schiilgebäudes gedenken; wie denn in letzter Zeit sowohl von Seiten «1er Regierung als durch Privatleute l'ür die Erziehung des Volkes viel gethan worden ist, worüber ich Ihnen später das Nähere milziilheilen hoffe. Eine Kunststrasse führt aus den sehr ausgedehnten Festungswerken durch ein Thor nach Westen, über eine weile Esplanade nach der eine Meile entfernten Schwarzen Sladt. Am Wege stehen um gemauert« Brunnen in den malerischsten Gruppen hundert von Männern und l'rauen, beschäftigt von früh bis spät Wasser zu schöpfen, Wüsche zu reinigen, oder auch sich aus grossen Ii rügen mit Wasser zu übergicssen. Zweistöckige aus Backsteinen erbaute kleine Häuser in engen Gassen bilden die Sladt der Eingcborncn; in der unteren Etage, wenig über den Boden sich erhebend, sind die offenen Bazare, wo die Verkäufer mit untergeschlagenen Beinen hinter ihren in Körben aufgeschichteten Waarcn sitzen. Hier herrscht besonders Abends, wo viele kleine Lämp-ehen die Bazars und die Strasse zugleich erhellen, das lebhafteste, lauteste Treiben. Tausendc von Eingebornen ziehen prüfend vorüber an den Buden der Händler, von denen der Gctreidehandler (Bannia) und der Verkäufer von Süssigkeiten (Mitlie-walla) die besuchtesten sind. Erstcrer hat die mannigfaltigsten Getreidesorten: Walzen, Reis, Gerste, Jowary (Holcus Soi'ghum), Ba-gera (Panicum s/ricaturn). Gräm (eteer arietinum) u. s. w. in Körben aufgestellt, oder auch wohl bei trockenem Wetter auf olfener Strasse vor seiner Bude ausgeschüttet. Gewöhnlich befindet sich ihm zur Seite eine beiss gehaltene eiserne Planne, in welche er Mais schüttet, der von der Hitze aufspringt, sich röstet und eine gesuchte Speise der Indier ist. Sehr oll habe ich gesehen, ^ic die in den oflenen Hallen versammelte Schuljugend, von ihrem Lehrer als Lohn für ihre Aufmerksamkeit mit dieser Frucht rcgalirl wurde. Aber am beliebtesten ist, ein aus 3Ichl und Zucker bereitetes in Cihy (abgeklärt« Butter) gesottenes Backwerk, welches die Verkäufer desselben geschickt zu ordnen wissen und besonders die Frauenwelt damit anlocken, Unserem verwöhnten Gaumen würde es nicht munden, weil es zu süss und unverdaulich ist; die Eingebornen können sich dagegen bis zum Krankwerden daran laben. Der Sullar (Tischler) arbeitet mit nur fünf llaudwerkzrugrn (einer Hacke, einem Hammer, Säge, Bohr und Messer) in sitzender Stellung die niedlichsten Möbel sowohl als auch zierliche Kästchen von Sandelholz mit eingelegter Arbeit aus Stahl und Elfenbein in den reizendsten Muslern. .Ihm zur Seite sehen Sie den Schuhmacher (Muschy) die sonderbar geformten Schnabelschuhe anfertigen 5 und aulfallend erscheint es, dass er beinahe immer ohne Kopfbedeckung sich zeigt. Ein lautes Hammern verkündet die Werkstatt des Lollars (Schmidt und Schlosser-). Er verrieb« tet sein schweres Tagewerk in derselben beschwerlichen huckenden Lage. Weniger unbequem arbeilet der Sei-kelgehr (Stein - und Glasschleifer)^ welcher vermöge einer gespannten Sehne sein steinernes Rädchen in Bewegung setzt. Wenn die kältere Jahreszeil anfangt und kühlende Winde über das Land ziehen, beginnt, namentlich im nördlichen Hindostan, die Krndte. des Pat-langh-walla (Drachenhändlcr), weil Alt und Jung es lieben, mit dem Drachen zu spielen, und wenn der Muselmann den mit dem Halbmond geschmückten sucht, wählt sich der Hindu den besternten oder bunl bemalten. Der Uazars (Kaltundriicker) versteht es sehr geschickt, mit der Hand das in Holz geschnittene Musler einzudrucken; indess ist seine Waare jetzt weniger gesucht, seitdem die hübschen) und billigem englischen Kattune zu haben sind. Gemeinhin befinden sich ihm zunächst der Rui-walla (Baumwollenklopfer), und derSellogry (Baumwollenweber); jener klopft die aus der Hülse entnommene Haumwollc vermöge einer gespannten Leine locker; dieser bereitet das feinste zarteste Gewebe auf einem Webstuhle , mit einer Bürste die Florken abziehend und die Fäden ordnend. Zu dem ärmlichslen Erscheinungen gehören einerseits die armen an den Ecken derBazare siz-zenden Frauen (Dhal-Bechnc wallae), welche mit Dhal (Cyttsus Caja/i.), Gewürzen oder Blumen ein kleines kaufmännisches Geschält herinnen; und andererseits der Batty-walla (Lichtzicher). Jn kühlenden Abenden sitzt er um seinen in freier Lull ausgehangenen Beilen, an welchen die Dochte befestigt sind, und indem er dieselben emsig über ein mit Wachs oder Talg angefülltes Ge-fass dreht, kommt das Geschmolzene durch den Luftzug leichter zur Kühlung. Indess werden die Lichte nur in der kühleren Jahreszeit, und auch dann mehr von den Europäern als liidicrn gesucht; Lampen von Thon und von Glas sind vorherrschend im Gebrauch. Au der hohen kräftigen Gestalt, der gebogenen Nase, den -rossen schönen Augen, der edlen griechischen Physiognomie und dem hohen Turban erkennt mau in der geschäftigen Menge eingeschlossen, und in beiden Stockwerken von einer durch Säulen getragenen Veranda umgeben: sobald die heissen Winde wehen, werden zwischen den Säulen mit aromatisch duftenden Wurzeln gefütterte Schirme aufgehangen und fortwährend feucht erhalten. Diese Yil-las, mit aller Bequemlichkeit und mit Rücksicht auf (las Clima gebaut, ziehen sich mit kurzen Unterbrechungen bis zu dem vier Meilen entfernten Parcil. dem Sitz des Gouverneurs, hin. Mit ebenso schönen, nur noch gesunder und reizender gelegenen Landhäusern ist Mala-bar-Point geschmückt. Dort wohnen viele Europäer und die vornehmsten Eingebornen. Sie werden dies herrliche Eiland (18| DMcile gross), welches von gegen 200,000Mensehcn bewohnt ist, vermehrt durch eine zu-lluthende Bevölkerung von mehr als 70,000 Seefahrern, Kaufleuten, Pilgern und Landlculcn besser kenneu lernen, wenn Sic mich auf meinen Wanderungen begleiten. Beinahe zwei Drittheile sind Hindus, einige und zwanzig Tausend Parsen, die übrigen Muselmänner, Juden und portugiesische Christen. Letztere, von dunkelerer Farbe, als die Eingebornen, wurden mir als Diener empfohlen, weil sie sich jeder Diensfverrichtung unterziehen . und treuer und zuverlässiger als die Hindus und Mohamedaner sind*). *) Nach einer Zählung durch Major Jervis im Jahre 18"/=7 betrug die Bevölkerung Bombays 132,570 Einwohner, mit einer zufluthcnden Menge von 20,000 Mensehen, und aus 10,000 Mann Militair, unter elfteren befanden sich 938 Engländer; 80'20 dang ■ meine Wohnung in ihrem Hause einzunehmen, und Sic können sich denken, wie glücklich ich mich pries, in einer solchen Familie leben zu können. Noch denselben Abend umgab mich der Comfort eines in jedem Betracht bequem und reich ausgestatteten indischen Landhauses. Der General hat vier und zwanzig Diener, von denen Einer in der Säulenhalle au der Treppe die Fremden empfangt. Nicht weit von ihm sitzt gemeinhin der Dirsih (Schneider), mit Instandsetzung der Garderobe der Damen beschäftigt. Der mit dem Stabe in der Hand und einem Schilde auf der Brust ist Chiprassy oder Srhobe-dar; er wird zu amtlichen Versendungen und als Briefbote gebraucht. Bei vornehmen Eingebornen dient er auch als Platzmacher, vor seinem Herrn hergehend, um in reich poetischen Floskeln dessen Tugend, Macht und herrliche Eigenschaften der Menge zu verkünden. Ein Anderer, immer das Schlüsselbund an der Seite, ist der Sirdar, Schal zmeistcr und Oberaufsehcr, auch wohl Buttler genannt. Den Wasserträger (Byhischli) siehl man stets mit dem Schlauch an der Seite-, und wenn der Margen anbricht, kurz vor der Frühslückszcit, erscheint der Cärlner (Mahli) mit Blumen und einem Körbchen, in welchem die Erzeugnisse des Gartens, Früchte und Gemüse, niedlich geordnet sind. Indem der Empfänger das Dargebotene mit der rechten Hand berührt , giebt er zugleich seine Zufriedenheit zu erkennen. Der Huckabc-dar hat das alleinige Geschäft, für des Herrn Pfeife, die Hucka, zu sorgen; sorgsam roll! er den aus Bliiüien und Gewürzen mit Rosenwasser gekneteten Tabak in kleine Kügclchcn, und wirft ihn auf die Kohlen. Vermöge eines langen Schlauches, den man von Zeit zu Zeit mit Rosenwasser tränkt, wird der Dampf durch das im Untersalz befindliche Wasser gezogen und verbreitet einen aromatischen Geruch. Einer der Diener, der Tschauri Bedar, steht bei grosser Hitze mit einem Wedel oder einem Kuhschwanz, von den buschigen seidenartigen Schwänzen dcrKühe Nepauls, hinler seines Herrn Sluhl, ihm fortwährend Kühlung zuwehend. Die Wäsche wird nur von Männern besorgt, und die Doby's , obgleich sie das Linnen mit kaltem Wasser reinigen und Mos klopfen, übertreffen darin unsere Waschfrauen. Sehr wichtig und eine Art Lebciisbedürlhiss ist es, immer kühle Getränke bekommen zu können, deshalb liisst man das Wasser in porösen Gelassen oder in Eis erkalten und wird der Wein mit Hülfe von Salpeter und Salz oder in feuchten Linnen gewickelt der Zugluft ausgesetzt. Der Abdar ist daher der einzige unter den Dienern, welcher bei seiner Verrichtung , um sich nicht zu erkälten , die Schuhe anbehält. Die Köche (Babalschy's) sind in der englischen Kochkunst bewandert, gelehrig und reinlich. Ausserdem sind noch viele Diener mit dem inneren Hauswesen beschäftigt, andere bei den Pferden , deren jedes seinen eigenen Hüter hui, welcher beim Fahren oder Reiten neben demselben herläuft. Von Allen aber ist der Mäthcr dem Range nach der niedrigste, dem Namen nach v. Orlicirs Heise, f. 4 ein Prinz5 er ist gleichsam ein Paria, weil es seine Pflicht ist, den Staub wegzuschaffen und sich allen unreinlichen Handlrislungcn ZU Unterziehen« Die vertraute Dienerin der Herrin des Hauses, die Ayab, wird gewöhnlich mit dem Schmuckkästchen in der Hand dargestellt; und die, welchen die Obhul kleiner Kinder obliegt, werden, wenn sie ins Freie gehen, gemeinhin mich von zwei männlichen Domestiken begleitet, damit es den Kleinen an Beistand nicht fehlt. In diesem wunderbaren Lande tbut Jeder nur eine Sache, dem Hindu gebietet es so die Iteligion, und der Muselmann folgt aus Bequemlichkeit diesem Beispiele; aber dafür wird hier auch vorzüglich bedient, und die meisten dieser dienstbaren Geister sind mit acht Rupien den Monat zufrieden. Meine Zeit lliessf nun ganz in indischer Weise dahin. Morgens, noch ehe die Sonne aulgehl, werden mit Harry, dem ältesten Sohne, Spazierrille nach allen Gegenden dieses Eilandes unternommen; dann erfrischt ein Bad , und gleich darauf um halb 10 Uhr finden wir uns zum Frühstück zusammen. Nach demselben gehl Jeder bis 2 Ihr, wo ein kleiner Imbiss den Kreis von Neuem vereinigt, seinen Beschäftigungen nach. Gegvu 5 l'hr linden abermals Ausllüge Statt, und um 8 L'hr lauschen wir an der Mittagstafel die kleinen Erlebnisse des Tages aus und vergnügen uns hinterher mit Billardspicl. Besuche oder Einladungen geben dieser Geselligkeit einigen Wechsel. Da wir, ungeachtet es noch die Regenzeit ist, fortwährend das schönste Weller haben, gc- wohnlich nur Nachls einige Regenschauer herabfallen, so werden unsere Ritte bis zu den entferntesten Punkten ausgedehnt. Eine neue Kunststrasse führt von Mazagonhaus durch das Westende der Schwarzen Stadt über den sum-ph'gen Boden der Insel an dem Kirchhof der Muselmänner vorüber. Nicht weit davon ist man im Begriff" ein Theater zur erbauen. Sobald man die Ebene hinter sich hat, beginnt mit dem schönen Landhause eines reichen Hindu Goldschmidls, an dessen Eingange eine Pagode steht, die Halbinsel Malabar, in reizender Abwechselung geschmückt mit Landhäusern und Cocoswäldchen. Kunsl-strassen durchziehen und umgeben diese weit ins Meer reichende felsige Halbinsel. An der um das Nordende sich hinziehenden Strasse wird, je, näher dem 31ccrc, die Gegend wilder, zertrümmerte Pidsblöcke liegen zerstreut umher und die Palme ist spärlicher. Aber eben diese Umgebung, mit dem Meere zur Seile, ist von erhabenem Eindrucke. E!-i gegen (HP hoher, spitz ins Meer vorspringender Fels bildet Malal>ar-Point, auf welchem Elphinstone sich ein kleines Sommerhaus baute, und unweit davon, dicht am Meere, stehen die Trümmer uralter Hin-dutempel. Von diesem Punkte geniesst man eine der schönsten Aussichten der Welt, welche mit der von Neapel die meiste Aehnlichkcit hat, sie aber übertrifft. Vor sich die unabsehbare See , die , mit der heftigsten Brandung sich an den Felsen brechend, ihre Wogen hoch in die Lüfte schleudert; zur Seite beide Städte, Colabah 4* liiul dahinter den von Schiffen beichten Hafen, mit den gleich Blumen ins 3Irrr gestreuten Inseln Elephanla, Ca-ranga und Butcbers Eiland. Als wir eines Abends, im Untergeben der Sonne, die südlich führende Strasse narh Hause ritten, uns noch lange an diesem Anblick erfreuend , sahen wir einen armen Hindu, der sorgsam, mit einer kleinen Büchse in der Hand, die über den Weg kriechenden Ameisen mit Zuk-ker fütterte; rolh angestrichene Felsblöcke bezeichneten andere heilige Orte, und fern am Strande, in der von Colabah undMalabar-Poinlgebildeten Bucht, schlugen an vielen Punkten helle Flammen auf, die Scheiterhaufen der heute Gestorbenen. Der Todte wird erst gebadet, mit wohlriechenden Essenzen gesalbt und dann vor der Thür des Hauses auf ein Bettstell heiligen Grases ausgesetzt. Hymnen und Gebete werden an ihn gerichtet, heilige Blätter und Blumen über ihn gestreut und die Leiche sofort von den Verwandten, unter kurzen Schiuerzensaus-rufimgen, zum Scheiterhaufen getragen: im südlichen Indien ist der Zug von Musik begleitet und das Gesicht des Todlen mit Carmoisin gefärbt. In stiller Ergebung, ernst und nachdenkend, sitzen die Leidtragenden (Menschen eines religiösen Ordens in sitzender Stellung mit untergeschlagenen Beinen) in nassen Gewändern um das Feuer, immer den Blick nach dem zwischen Holzsihich-ten stehenden glimmenden Leichnam gerichtet, und, wenn die letzten lie>.|r zur Asche geworden, werden die Kohlen zusammengescharrt und Jeder geht ebenso schweigsam und in sich gekehrt, nach Hause. Der Scheiterhaufen ist nicht über 5' hoch, mit Blumen geschmückt undGhy und riechende Oelc werden auf das Holz und die Flammen gegossen. Schon nach wenigen Stunden hat der Wind oder die Flulh jede Spur davon verwischt. Dazwischen stehen um diese Zeit, mit dem Blicke über das Meer nach der untergehenden Sonne gerichtet, die Parsis, das Gestirn und das Element anbetend. Manche mit Schriften in der Hand, deren Sprache ihnen unverständlich ist. Bir Kirchhof ist nicht weit davon, zwischen Palmen, von einer hohen Steinmauer cingelässt. Dorthin tragen sie gleich den Hindus mit Blumen bestreut die Leiche, stellen sie im Freien aus, und warten bis die Vögel oder Hunde den Todten verzehren; je nachdem ein oder das andere Glied benagt wird, und besonders wenn es zuerst die Augen sind, hallen sie die Seele |des Gestorbenen für glücklich und sein Leben für ein Golt wohlgefälliges. Das heilige A'lisch-Beram oder Feuer des Baliram ist nur in sechs Tempeln der Parsis in Indien zu finden: in zweien zu Bombay, in zweien zu Surat, in einem Tempel zuUdhawada nördlich vonDaman und im Tempel zu Nausari. In dem lüssah-i-Sanjan wird erzählt, dass sie zuerst unweit Sanjan landeten, 24 Meilen südlich von Daman. Hier stellte ihnen der Rajah von Jayadeva fünf Bedingungen: ihren Glauben zu offenbaren, ihre Sprache aufzugeben und die des Landes anzunehmen, ihre Frauen gleich denen der Eingebornen zu kleiden, ihre Wallen und Hüstungen abzulegen, und bei Prozcs- sionen zu Hochzeiten nur die Nachtzeit zu wählen. Als Daslur ihr Führer crwiedcrte, dass sie die Freunde und Verbündete aller Hindus seyn wollten, dass sieYcz-dan, den Mond, die Sonne, das Wasser und das Feuer anbeteten und die Kuh verehrten (letzteres wohl nur um den Rajah für sich zu gewinnen) erhielten sie gastliche Aufnahme. Die Frauen der Parsis leben gleich denen der Hindus abgeschlossen, und dürfen sich, im Zustande derCa-tamenien, weder der Sonne, dem Monde, dem Feuer, noch dem Wasser nähern, und müssen sieh, jedweden Genusses enthalten. Eine Frau, die einen Sohn oder ein todtes Kind zur Welt bringt, soll 40 Tage Entsagung feiern, zurückgezogen von der Welt leben und mit Niemand sprechen. Eines Tages galten meine Ausllügc den Tempeln und den Heiligen, den Fakirs der Hindus. Mein junger Freund hatte mir von zwei derselben erzählt, welche seit fünfzehn Jahren sich der grösslen Pein unterworfen. Einer von ihnen hielt hochgehoben einen Blumentopf in seiner rechten Hand, und hatte sein Gelübde mit solcher Willenskraft durchgesetzt, dass die Nägel der Hand in denselben hineingewachsen waren ; der Andere in demselben nackten Zustande , Haare und Bart wachsen 'as-send, eine Lotusblume. Beiden war es nicht mehr möglich, dem Arm eine andere Lage geben zu können, angebetet von ihren Glaubensgenossen, brachten diese ihnen Speise und Trank und sorgten für ihre Reinigung. Als wir vor der Pagode ankamen und mein Freund nach ihr neu fragte, hörten wir leider, dass sie Tages vorher den Tempel verlassen, indem ihre Prüfungszeit verllos-sen sey. Wir rillen nun zu einigen anderen Pagoden. Vor denselben befinde! sieh gemeinhin ein Tonk, ein ummauerter Teich, zu welchem Treppcnfluehten hinabführen. Hierin lieht man das Volk Hieb baden, seine Sünden darin abwaschen. An den in besonderer Weise, gewöhnlich rolh bemalten Gesichtern und den weissen Gewändern, eine baumwollene Schnur von der linken Schuller über die Brust, erkennt man die Braminen; und die völlig nackten, abgemagerten, schmutzigen Gestalten, mit durch allerlei Malereien verunstaltetem Gesicht, und lang herabfallendem struppigen Haare sind die Fakire, von welcher Art Heiliger jeder Tempel Einige aufzuweisen hat. Andere bringen ihre Devotion in l'eppigkeil und Trägheit zu, mit Baden und schweigender Selbstbescbau-ung sich begnügend, oder mit gleichgültigem Ernste die Gurguru (Hucka) rauchend. Vor dem Tempel befindet sich aus Stein gehauen die heilige Kuh, und in demselben von Lämpchen erleuchlel einige ihrer Gottheiten, Ha teil eine Heise nach Puna mit dem jüngeren Sohne meiner liebenswürdigen Wirlhe beschlossen halte, so wollte die Generalin mich noch einige Proben von der Geschicklichkeit der Eingebornen sehen lassen. Zuerst erschienen mehrere Männer, Frauen und Kinder in unserem Garten, ihre equilihrislischen Künste zu produci-ren. Von dieser Gewandtheit, Gliederverrenkung und Biegsamkeit des Körpers können Sie sieh keine Vorstellung machen; unsere Seiltänzer würden beschämt davon gegangen seyn, doch kann ich ihnen zum Tröste sagen, dass sie mil melir Grazie aul'zulrelen wissen, Beinahealle merkwürdigen Thiere wurden dargestellt, wobei oll mehrere Körper sieh so in einander schlangen, dass man die Einzelnen kaum davon zu sondern wusste, und einiVIann trug sechs Andere, immer zwei übereinander, auf seinen Schultern. Nach ihnen trat eine Bande Jongleurs auf: ein aller bärtiger Mann, begleitet von drei Burschen und einigen Frauen. Zuerst zeigten sie mit abgerichteten Schlangen, unter denen sich die giftige Brillenschlange, befand, verschiedene Kunststücke, indem die Thiere nach dem Tone einer Pfeife bald tanzten, bald sich zusammenlegten , bald verkrochen. Dann wurden allerhand ins Unerklärliche gehende Verwandlungen vorgenommen, so verstand ein grosser fünfzehnjähriger Bursche sich in einem runden, noch nicht 2' hohen und 3' breiten Korbe so zu verkriechen, dass, als der Korb geöffnet wurde, nichts von ihm zu sehen war; sehr geschickt hatte er sich gegen die uns zugekehrte Seile, zu decken gewusst. In die Kehle gesteckte Dolche und aus dem Munde sprühende Flammen beschlossen die Vorstellung« Auch das gesellige Leben habe ich etwas kennen gelernt , was ich der Gastfreiheit einiger der ersten Familien verdanke. Es besteht hauptsächlich aus Diners, musikalischen Unterhaltungen und in der kübleren Jahreszeit aus Hallen; bei erslercn sind dem Fremden die vielen Diener in ihren nationalen Anzügen, deren jeder Gast den seinigen mitbringen muss, eine originelle Erscheinung. Sonst ist Alles in englischem Style, nur, dass die über der Tafel hängende Pank.» Kühlung zuweht. Hierbei kann ich nicht umhin unter allen Kruchten der Mango zu gedenken. Diese goldfarbene Frucht ist grösser als unsere Pfirsich, von dein lieblichsten Aroma, und verbindet im Geschmacke den veredelten Duft der Ananas mit dem würzigen der Orange und dem saftigen der Pfirsich. Die Mango Bombays ist die Auserwählte Indiens und wird durch Bolen weit versendet; auch inZuk-ker eingemacht ist sie noch eine der köstlichsten Früchte der Erde. An einem schönen Morgen, den ein nächtlicher Regen gekühlt halle, ritten wir nachPareil. Auf dem Wege dahin geniesst mau von einigen erhöhten Punkten herrliche Aussichten über die Inseln und das Meer nach den Ghals. Landlcute mit allerhand Früchten oder grossen Krügen voll Jagorr (Totti, wie es der Engländer nennt), ei nein aus der Palme gewonnenen berauschenden Getränke, gingen au uns vorüber. Eine Meile links von der Strasse liegt der durch freiwillige Beiträge vor zwei Jahren angelegte botanische Garten. Pareil ist ein grosses unförmliches Gebäude , einst ein portugiesisches Jesuilercolirgiu m, welches mit Pracht ausgeschmückte schöne Räume ents hält, und von einem ausgedehnten, aber wenig geordneten Garten umgeben ist. Hier verlebt der Gouverneur gewöhnlich die beisse Jahreszeit, die Regenzeit in seinem bei Puna gelegenen Landsitze, und empfängt jeden Senn» abend, Morgens zum Frühstück, die höheren Beamten und die Fremden. An demselben Tage in der Abendstunde besuchten wir den Leuchtturm von Colabah. Bin Kirchhof dicht dabei enthält die Gräber der vielen hier im Schiffbruch Verunglückten, zwischen denen und dem Gemäuer des Leuchllhurms unzählige Schlangen hausen. Noch vor zwei Jahren strandeten hier Fahrzeuge mit Truppen aus England, auf denen sich mehrere Olficierc nebst ihren Familien und über 500 Mann befanden. Nicht Einer konnte gerettet werden. Es war für den Pilolcncapilain und seine Lootsen, als er die Verzweifelten mit dem Elemente kämpfen sah, ein herzzerreissender Augenblick. Die Monsunwinde begannen im Juni des Jahres 1837 mit solcher Heftigkeit, dass die meisten Schilfe im Hafen ihre Mäste verloren. Von der Spitze des Lcucht-ihiirins ist der Blick nach Malabar-Point am schönsten; sonst liegen die Gegenstände zu gesondert, um mit Einmal übersehen werden zu können. Auf der Halbinsel Colabah stand noch vor zwei Jahren in voller Pracht eine 300 Jahre alte, grosse und voll-säftige Andansonia digiiala, von 44' im Umfange, welche durch die Lamia scntt's, dem Gcschlechte der Capricornkäfer angehörig, in noch nicht einem Jahre völlig zerstört wurde, und wrobei an der äussern Binde, mit Ausnahme weniger Löcher, keine Spur der Vernichtung zu bemerken war. Von den Eingebornen wird dieser Käfer gegessen, und von den Chinesen und Malayen, in Zucker eingemacht, als eine besondere Delikatesse angeschen. Sonntags den 14. August wurde die Reise nach Puna angetreten. Wir bestiegen Morgens 11 Uhr ein sogenanntes Banderboot mit einer kleinen Kajüte versehen, von fünf Muselmännern: einem Steuermann und vier Ruderern geleitet. Mit Hülfe des Windes und der Fluth hofften wir in acht Stunden das einige dreissig Meilen entfernte Dorf Panwelly zu erreichen ; aber wir waren kaum eine Stunde an Klephanta vorüber, zwischen Butchcrs Eiland und Salsettc getrieben worden, so liess der Wind nach und nöthigle unsere Bootsleute, die Ruder in Bewegung zu setzen. Ein eintöniger Gesang und die von Mund zu Mund gehende Curguru, unterbrochen von den anfeuernden Worten des Steuermanns, hielt die Trägen in Thätigkeit; indess halte uns dies doch so verspätet, dass wir am Ausgange des Pan-wellflusscs schon um 8 Ehr vor Anker gehen mussten, die neue Fluth abzuwarten. Mit dieser erreichten wir, des Augenblicks ungeduldig harrend , vier Uhr Morgens den dortigen Molo. Bei dem unweit des Ufers stehenden Bangelew landen wir unseren Einspänner bereit, mit welchem wir nun auf einer von Monstuart Elphinstone angelegten trefflichen Kunststrassc durch das reinliche und freundliche Panwelly fuhren. Sobald wir das Dorf hinler uns hatten, befanden wir uns in einem reich bebauten Thale, zwischen den üppigsten Reisfeldern, und zur Seite und im Hintergründe die malerische, seltsam geformte Ghatskeltc. Gleich einer Feueresse, in wild gezackten Formen, erblickt das Auge zuerst den aus der Mitte eines Tafelberges gehobenen Funnelberg, welcher mit seinem schwarzen Felstone gegen das Grün des Laubes und der Matten den eigenthümlichsten Contrast bildet. An ihn schliessen sich andere über das Laub des grossblätlcrigrn Teakbaums keck und zerrissen hervorspringende Felsmassen an, die aus der Ferne gleich kleinen Burgruinen erscheinen und an 3000' über dem Meeresspiegel liegen. Ausser dem blendend weissen langbeinigen Paddavogel (yirdea) , der zwischen den Reisfeldern seine Nahrung aufsuchte und einigen grünen Papageien war nichts Lebendes zu sehen. In den ärmlichen Lehmhütten Sassen die Einwohner um ein Feuer gelagert, oder gingen in den Feldern mit einem Flechtwerk aus Palmblättern, welches oben spitz zuläuft, von den Schultern breit herablallt und als Regendach dient. Zu Zeiten begegneten wir langen Zügen schwer beladencr Heckeries von Ochsen gezogen und Marwarys, welche ihre mit Korn bepackten Ochsen vor sich hertrieben. Das Knarren und Pfeifen der Räder dieser Heckeries oder Bauerwagen, dringt schon aus weiter Ferne zum Ohre. Sie sind ungeschickt und schwerfällig gebaut, ihre Räder bestehen entweder aus Scheiben oder enthalten acht Speichen, zwei und zwei dicht zusammen, die beinahe im rechten Winkel die Achse durchschneiden. Dem Landniaim dienen sie zur Einbringung seiner Erudte oder als Transportmittel für seine Erzeugnisse. In Gegenden, wo gedüngt wird, befindet sieh auf der Heckeric ein Korb, den Dünger auf den Acker zu schaffen. Nach neun Meilen"), bei einem hasslichen, aus Stein gehauenen, rolh angestrichenenMahratlengötzcn, befand sich die erste Poststation ; dann steigt der Weg mehr und mehr an, die Hohen werden bewaldeter und das Thal verengt sich endlich ganz bei dem Dorfe Kampuly, welchem zur Seite ein alter, dem Mahadeo (Gott des Todes), geweihter Tempel, von einem grossen ummauerten Teich umgeben steht. Von hier windet sich die Strasse in steten Krümmungen denKindallapass hinauf nach dem gegen 3000' hoch gelegenen Dorfe Kandalla oder Kin-dalla. Wir verliessen hier unseren Wagen, der von Menschen hinaufgezogen wird, und Hessen uns in Palan-kinc auf die Höhe tragen. Der Morgen war kühl, die Sonne war! von Zeit zu Zeil ihre Strahlen durch die sich brechenden Wolken; und die mich umgebende üppige und reizende Natur, der reiche Blumenflor auf den Felsmatten, welcher in aller Frische und Schönheit sich entfaltete, dies Alles war zu einladend, als dass ich mich hätte von Menschen tragen lassen können. An einer Stelle übersieht man plötzlich das ganze eben durchreiste Thal, zur Seite mehr als lehn Wasserfälle (ein Anblick, den man nur in der Begenzeit geniesst), unter denen der wohl 1400' hoch, in mehreren Absätzen herabstürzende *) Wh es nicht besonders bemerkt wird, ist immer nur von englischen Meilen die Rede. Calliani besonders grossartig hervortritt, und ei den Füssen tief im Thale liegt Kumpuly mit seinem einsamen Tempel; wendet sieh aber der Blick nach der entgegengesetzten Seile, so ist die nach Süden fortlaufende Ghatsketlc mit dem Meere in weiter Ferne vor dem Beschauer ausgebreitet. Ueber der ganzen Land* .schall lag in diesen Momenten eine so feierliche Stille, als ruhte die Natur anbetend vor Gott. liandalla, das kleine, Dörfchen auf der Höhe, wo an' den malerischesten Punkten einige Landhäuser britischer Olficianten sich belinden, enthält ein*Bungalow, in welchem wir bei einem Parsen unser Frühstück einnahmen. Von hier aus senkt sich die Strasse alhnäüg und geht auf einer 3 bis 4000 Schritte breiten Hochebene fort, deren sie begleitende Höhen mehr und mehr den wellenförmigen Charakter annehmen, je näher Puna, zurücktreten , und endlich nur noch in einzelnen Absätzen erscheinen; beinahe alle zehn Meilen findet man Postpferdc bereit. Da wir genöthigt waren noch denselben Tag Puna zu erreichen, so musste der beabsichtigte Ausflug nach den berühmten Felsgrotlen. von Carli auf gelegenere Zeit verschoben werden. Erat Abends 9 Uhr fand ich hinter Puna in dcmBangalow des Hauptmanns St. Clair die liebenswürdigste Aufnahme. Puna, die einslige Residenz dcsPeischwa odcrObcr-rajahs der Mahratten, liegt auf einer weiten, kahlen, gegen 2200' hohen Ebene, umgeben von seltsam geformten Trappgebirgen, deren Felshöhen mit verfallenen Mahrattcnburgen gekrönt sind. Es ist seiner gesunden Lage wegen eine Hauplstation der Briten. Augenblicklich befänden sich hier 5000 Manu nebst dem comman-direnden General Sir Thomas M'Cmahcn, und dem Gouverneur der Provinz Sir George Arthur in seinem Landsitze Dapury. Die Stadt, welche zur Zeit ihres Glanzes über 140,000 Einwohner hatte, zählt deren jetzt kaum 60,000, besteht grösslenlheils aus zweistöckigen Häusern, von Felssteinen, Holz und Backsteinen gebaut; die Hauptsirassen sind makadamisirl und reinlich, die Bazare breit und mit Bäumen bepflanzt. Her Handel ist nicht unbedeutend und überall Spuren zunehmenden Wohlstandes. Ausserhalb der völlig offenen Stadt, im Halbkreise nach Osten, liegen die Kasernen, eine protestantische Kirche und unzählige von den schönsten Blumen- und Obstgärten umgebene Landhäuser und Bungalows der Olficierc und Otlician-ten. Ausser Bananen, Orangen, Mangos, Pommgrana-ten und Cuslardäpfel gedeihen hier auch Weintrauben und Aepfel. Nach allen Seiten führen Kunststrassen, und über die in breitem und steinigem Belle fliessende Muta und Mola zwei aus mehreren Bogen bestehende, von steinernen Pfeilern getragene Brücken. Ein glücklicher Zufall wollte, dass gerade an «lern ersten Tage meines Hierscyns die vornehmsten Eingebornen dem kürzlich aus Europa eingetroffenen Gouverneur Empfangsfeierlichkeiten bereiteten. Begleitet von meinem Freunde ritt ich durch die Stadt nach dem u Hause eines reichen Hindukaufmanns j die Häuser waren mit Hhimen geschmückt, und auf den Strassen stand feierlich eine festlich gekleidete Menge in weissen Gewändern , welche neugierig dem Vorbeizuge des Gouverneurs entgegensah. Dieser sass mit Sir Charles iNapier in einem oflenen Wagen, dem Cavallerie und seine in Ruth gekleideten Diener vorangingen; in einigen anderen Wagen befand sich seine Umgebung und abermals schloss Reiterei den Zug. Obgleich ich Sir George Arthur noch nicht vorgestellt war, so hatte derselbe doch die Güte, mich einzuladen, dieser ebenso interessanten als originellen Feier beizuwohnen. Die Häuser der Festgeber zeichneten sich durch besonders reiche Bekränzungen aus; der Wirlh empfing unter dem Schalle einer unharmonischen Musik seinen hohen Gast an der Schwelle seines Thors, durch welches man in den von offenen Arkaden eingeschlossenen vorderen Hofraum trat, der Aufenthall der Carawanen ; eine kleine und dunkele Treppe führte ins zweite Stockwerk zu den sehr einfachen, niedrigen Kmplängsgc-mächern. Hier standen demuthsvoll die männlichen Mitglieder der Familie und die Dienerschaft. Sobald wir auf Divans und Stühlen Platz genommen, erscholl die Musik: eine kleine Trommel, eine Pfeife, eine Art Ziller, und Bajaderen eröffneten ihren ungracieusen Tanz; während andere uns dabei mit Blumengewinden bekränzten und mit Rosenöl besprengten, und der Wiriii auf silbernen Gcfässcn allerlei vergoldete Gewürze und die zierlich in Bctclblältern gewickelte, mit, Catcchu und Chunam vermischte Betelnuss den Güsten darrci-chen Hess. Die überreich mit Juwelen, Ohren-, Nascn-und grossen Knöchelringcn geschmückten Bajaderen waren in faltenreiche bunte Gewänder gekleidet, das schone, seidenartige schwarze Haar hing in Flechten herab, und ein Shawl von dem feinsten Gewebe bedeckte den Nacken und die Brust. Bei ihrem Tanze, der aus bald sich drehenden, bald hüpfenden Bewegungen bestand, wobei der Shawl in mannigfaltiger Weise um den Körper geschlungen wurde, hegleiteten sie durch eintönigen Gesang den Takt der Musik. Den Beiz der Augen zu erhöhen, hallen sie die Augenlider mit Anti-moniuni geschwärzt. Ihre Füsse und Hände klein und zart, die Form des Körpers und des Gesichts durchweg edel und zierlich, waren diese Bajaderen, wenn auch nicht schön, doch eine anziehende weibliche Erscheinung. Nachdem wir eine Viertelstunde dem Tanze zuge-sehen, führte uns der Wirth nach dem inneren vom Zenana eingeschlossenen kleineu Blumengarten, in dessen Mille ein Bassin mit Springbrunnen sich befand; Festons von Kränzen und Guirlanden, zwischen denen unzählige Lämpchcn und bunte l'apierlatcrncn angebracht waren, verbreiteten über das Ganze eine Art Zauber. Im Umherblicken nach diesen kleinen Herrlichkeiten erkannten wir hinter einem hölzernen Gnleider zweiten Etage die Frauen und Töchter des Festgebers, welche, sich bemerkt fühlend, augenblicklich v. Oilich's Reise. I. 5 unseren neugierigen Blicken entschwanden. Nachdem wir uns von hier entfernt,, machten wir noch drei anderen Vornehmen Besuche, wobei Empfang und Festlichkeit in derselben Weise stattfand, nur, dass die Beichercn mehr Pracht und Aufwand in Verschönerung ihrer Wohnungen und im Vorführen von zahlreiche» Bajaderen zeigten. Mein Leben ist hier ein an militairischen und anderen Festen sehr bewegtes. Schon früh mit dem ersten Morgenschimmer, wenn das Geschülzfeuer ertönt, befinde ich mich bei den Truppen, die übrige Zeit füllen Besuche und Feste aller Art, und nicht genug kann ich von der Gastfreundschaft des Gouverneurs, des conunandirenden Generals und Sir Charles Napicr erzählen, so wie dem cameradschaftlirlien Entgegenkommen der Olliciere aller Truppenlheile. Besonders gefällt mir Dapury, es ist ein freundlicher Landsitz, von einem reizenden Blumen- und botanischen Garte.....Hieben; dicht dabei, etwa fünf Meilen von Puna, liegt das Dörfchen Kerky, in welchem das 14. Dragonerregiment sta-tionirt ist. Auch einen Ball habe ich hier erlebt, den das 1. europäische Regiment in seinem Messlokale veranstaltet halte; hier gingen indischer Luaiis mit europäischem Comforl Hand in Hand. Zwischen der schönen Damenwelt, den reichen Uniformen, vornehme fndier in ihrer malerischen Landestracht, sich ernst und stumm bewegen zu sehen, gab Stoff zu vielfachen Betrachtungen und Vergleichen über die Charaktere und Sitten so verschiedener Völker. Im daranstosscndcu Garten befanden sich künstliche ßlumcnlauben, mit Festons geschmückte Zelle, auf die mannigfaltigste Weise erleuchtet, und alle Gange waren mit den kostbarsten Teppichen ausgelegt; dabei eine so schöne und kühle. Nacht, dass man sich bis zum anbrechenden Morgen dem Frohsinn überliess. Einer meiner neuen Bekannten, Capitain Reith Erskine, dessen Humor und Witz uns in bester Stimmung zu erhallen wussle, übernahm das mühevolle Amt eines Cicerone, und ritt an einem heilem Morgen mit mir nach dem vier Meilen südwestlich von der Sladt gelegenen Parbutli. Kurz vor demselben, an einem grossen Teiche, von Pipul oder Pipala (Fiats roli-if/'t/sfr), Mangos, Tamarinden und Ranyancn beschallet, in einem üppigen lllimiengarleii, lieg! Hyra ßagh, das ehemalige Sommerschloss des Peischwa. Wir wurden hier in sehr cordialer Art von einem jungen Parsen hegrüsst, welcher nicht ohne Talent sich aus der untergeordneten Stellung eines Schreibers zu der eines indischen Vornehmen heranzubilden wusste. Aber Manackjy Carsetjy, dem man nach Veröffentlichung einiger leidlichen Gedichte zur Aufmunlerung die Ehre erwies, ihn the Byron of the Fast zu nennen , hat durch seine Reisen in Europa, wo jedem lädier so freigebig der Titel eines Prinzen beigelegt wird, und wo ihn der Papst und die Ersten Englands und Frankreichs mit besonderer Auszeichnung empfingen und beschenkten, so 5* viel von einem modernen Stutzer angenommen , dass> man den eiteln jungen Mann, welcher wirklich von sich glaubt, ein Byron zu seyn, nur bedauern konnte, die civilisirlc Well gekostet zu haben. Parbutli, ein isolirler, IHM)' hohrr Pick, mit einigen Tempeln der Parvaü auf der Höhe, gewährt eine der malerischsten Aussichten. Am Fusse der Teich, umgeben von einem Wiesengrund voll Landkrabben, dabei das anmuihige llyra Bagh, dem zur Seile der Elcphanlenzwingcr lag, in welchem der Peischwa Tigerkämpfe hallen liess, und dahinter die Stadt und die Bungalows linier einem Wald von .Mangobäumen, aus denen nur die Spitzel» der Pagoden bervorsahen, und im fernsten Hintergründe die Felshöhen mit Mahratten-burgen. Ein blinder Bramine war unser Führer, welcher in englischer Sprache des Peischwas Leben auf diesem Sitze, seine verfallenen Tempel und die reizende Natur in so lebhaften Farben schilderte, dass mau ihn für sehend hätte halten mögen. Als wir fortgingen, bat einer seiner Genossen um ein Almosen für ihn; er selbst wünschte nur unsere Namen als Andenken zu bewahren. Wir nahmen den Rückweg durch das verbaute und schmutzige Südende der Stadt, nach dem ehemaligen Pallast des Peischwa. Es ist ein von einer hohen Mauer und einem Graben umgebenes grosses viereckiges Gebäude, mit (Kolonnaden von zierlich geschnitzten Holzsäulen umgeben, und einem thurmarfi-gen Vorbau, den eine Veranda gegen die Sonne schützt; aber so im Verfall, dass es die Kosten zur Wiederherstellung nicht werth ist. WTie bald war unter solchem reichen Wechsel der Erlebnisse der kurze Zeilraum von acht Tagen verflossen. Den letzten Abend befand ich mich noch unter den Officieren des 14. Dragonrrrcgimenls bei einem heiteren Mahle, wo es nach englischer Sitte an Toasten und Heden nicht fehlte. Mit diesem angenehmen Eindrucke, von vielen Wünschen begleitet, nahm ich von dem mir lieb und werth gewordenen St. Clair Abschied, und schon nach zwei Stunden befand ich mich mit dem Adjutanten des Gouverneurs auf dem Wege nach Bombay. Da ein Laufzettel vorangegangen war, so erreichten wir bereits Montags den 22. Morgens Panwelly, liiusslen aber mehrere Stunden vergeblich hier zubringen, indem des Gouverneurs Gondel uns erst um 11 Uhr abzuholen kam. Es war schon ganz dunkel, als wir bei Trombay auf Salsctte landeten, von wo uns eine kleine Kutsche auf einer Kunslsl.rassc weiter brachte. Auf den regnigen Tag war ein sternheller Himmel gefolgt, leuchtende Insecten tauchten von allen Seilen gleich kleinen Flämmchcn auf, und aus der Wiblniss und den vielen Ruinen aller Tempel und portugiesischer Kirchen schwirrte von Zeil zu Zeit, vom Geräusch des Wagens geweckt, ein Vogel an uns vorüber. Aber unsere, glückliche Fahrt sollte durch einen kleinen Unfall unterbrochen werden; denn kaum hatten wir die Brücke hinter uns, so bog unser Kutscher eiui- gen Heckerics zu weit aus und warf uns in einen Graben. Mein Gefährte sprang in einem Augenblicke durch das Kutschenfenster aus dem Wagen, ich wartete jedoch bis die Thür geöffnet wurde, und war gleichfalls froh, mich wieder auf den Beinen zu befinden. Mit Hülfe einiger Vorübergehenden wurde der leichte Wagen bald aufgerichtet, und unversehrt traf ich in der Mitternachtsstunde vor Mazagonbaus ein. Die folgenden Tage wurden in unserem heileren Kreise, den die Gcncralin so anmuthig zu beleben wusste, im Austausche der Erfahrungen und in Vorbereitungen für meine Heise zugebracht. Ein ununterbrochener Regen, der gleich einem Wolkenbruche vom Himmel herabfiel und vierzehn Tage der Sonnenstrahlen beraubte, machte jeden Ausflug unmöglich; dabei ist die Luft so mit Wassertheilen angefüllt, dass Kleider, Wäsche, ja alle Gegenstände feucht werden, Waffen und Stahlsachen vor Rost nicht mehr zu bergen sind, und um nur einigermassen sich dagegen zu schützen, müssen fortwährend Kohlenbecken im Zimmer stehen. Meine Einrichtungen betreffend, so bedaure ich, diese nicht in Europa besorgt zu haben; mit Ausnahme der Zelle, ist Alles über die Begriffe schlecht und theuer. Seit mehreren Tagen suche ich nach einem Pferde, von denen, welche von Arabern herübergebracht werden, fordert man für ein brauchbares Thier 100 Lt., und ich tnussle zufrieden seyn, Eines für 817 Rupien erstanden zu haben. Eben so schwer ist es für den Fremden, gute Diener zu erhallen. Teil Lahr deren hier zwei Muselmänner, nämlich einen Buttler und einen Bärer angenommen; ersterer spricht ziemlich geläufig englisch, hat den Feldzag in Afghanistan mitgemacht, und erhält monatlich 42 Rupien, letzterer 14 Rupien; am Indus gedenke ich die Fehlenden zu werben. Inzwischen habe ich auch zwei Tage bei dem Gouverneur in Pareil verlebt, wo ich hinreichend Gelegenheit fand, den grossen Haushalt und Luxus der höchsten Beamten Indiens kennen zu lernen. Zu seiner Unterhaltung dient ein Musikchor von 25 Spielleuten, welches jeden Abend zur Tafel spielt, eine Leibgarde von 1 Ollicier und 25 Mann begleitet ihn auf Reisen und Öffentlichen Aufzügen, und gegen 200 Bedienle stehen zu seiner Verfügung, von denen einige vierzig in Roth gekleidet, mehren theils Parsis und Mohamedaner, um seine Person sich belinden; vierzig sind in den Gärten angestellt, die anderen im Marslall oder ander-weilig beschäftigt. Unsere Abreise nach dem Sind ist spätestens auf den 10. September festgesetzt, bis dahin ist zu hülfen, dass sich die Kraft des Monsun gebrochen haben und die Brandung uns an der dortigen Küste zu landen erlauben wird. Meine nächsten Nachrichten sende ich von der Mündung des Indus; mit diesen wie immer mich Ihrem ferneren Wohlwollen empfehlend, bitte ich meinen Angehörigen und Freunden die herzlichsten GrÜsse und ein Lebewohl zu sagen. III. AN CARL RITTER. Einschiffung auf dem Kricgsdampfschifr Zenobia und Abfahrt nach Kuraschy den 3. Sepieniber; Schreckliche Verheerungen der Cholera; Gefährliche Landung an der Küste bei Kuraschy; Ku-raschy; Ausflug nach dein Oocodillcnlcich Maggar Talao ; Der Sind unter den IlindufUrsten; Die Moiigolenheirsehaft; Die Amyre aus dem Hause der Tulpuris; Die Ilewnlmvr des Sind; Die, He-ludschen; Leben und Itegierungswei.se der Amyre; Sprache der Sindbewohner; Die Briten im Sind; Falrt auf dem Garaflüssehrn nach Gara und von dort der Marsch nachTalta; Hinschill'ung auf dem Dampi'bnot Satellit nach Heiderabad ; Audienz bei den Amy. run; Fortgesetzte Fahrt über Sewahn nach Sakkar; Der Ort und das Leben daselbst; Vorbereitungen zur Heise nach Ferospur. Kl'llASCHV, den 14. September 1842. Als Sie mir die letzten Abschiedsworle zuriefen, alinete ich nicht, dass ich Ihnen das erste Lebenszeichen nicht fern von den Mündungen des Indus senden würde, an dessen Ufern Ihr rastloser Geist so viele Slunden forschend geweilt hat; aber noch weniger glaubte ich, dass dieses mit Schihierungen beginnen würde, die mich in ihrer Wirklichkeit an die Sehrck-kensscenen erinnerten, welche Boccaccio mit so Schau- drr rrrcgcwlcn Zügen von den Verheerungen der Pest in Florenz entwirft. Zeuge solcher traurigen Momente bin ich denn auch gewesen. Sie werden aus meinem Briefe an Alexander von Humboldt entnommen haben, dass ich mit mehreren Olfi-eieren in der ersten Hallte des Septembers auf einem Kricgsdampfsdiilf der Regierung nach dem Indus abgehen wollte; indess Nachrichten von Unruhen im Sind bewogen die Begicrung, unsere Sendung zu beschleunigen, und um so mehr, als Sir Charles Naplcr zum commandirenden General aller dortigen Truppen ernannt war und wünschen inusste, sobald als möglich seine neue Bestimmung anzutreten. Der General hatte die (•öle, mir für den Fall, dass es zu kriegerischer Thä-tigkeit kommen sollte, eine Stelle in seinem Stahe anzubieten, was ich natürlich ebenso freudig als dankbar annahm. — Mit schwerem Herzen sagte ich den lieben Bewohnern von Mazagonhaus Lebewohl und schiffte mich, begleitet von dem General und seinen Söhnen, Sonnabends den Ii. September Nachmittags 3 Ihr auf dem Dampfschiff Zenobia von 070 Tonnen mit 285 Pl'erdckrafl ein. Ausser Sir Charles Napier befanden sich daselbst noch TZ Ollieiere, 150 Soldaten des 28. Königinrcgimrnts, 50 Sepoys, 23 europäische Soldatenfrauen, 27 Kinder, mein Werner und gegen (10 Diener. Auf einem von der Zenobia aus Schlepptau genommenen Boote waren unsere Pferde. Mit Sonnenuntergang lichteten wir den Anker, ein feiner Regen, Wind und eine bewegte See, machten die Fahrt sehr unangenehm, und besonders widerwärtig den Soldaten, Frauen und Kindern, wrclche mit den Dienern eng zusammengedrängt, ohne Schulz auf dem Deck zubringen mussten; glücklicherweise klärte sich das Welter auf, als wir das letzte Leuchtschiff passirl hatten und in die hohe See kamen. Aber gegen Mitternacht bezog sich der Himmel von Neuem, ein tropischer Regen fiel in Strömen und mit solcher Heftigkeit herab, dass ich darüber erwachend, meinen Mantel umnahm, zu sehen, wie es den Armen auf dem Deck erginge. Denken Sie sich hier aul' dem engen Kaum eines Schiffs so viel Männer, Frauen und Kinder in oJfcner Luft zusammengekauert, ohne Schulz gegen den liegen, im Wasser stehend und dabei noch von den überschlagenden Wellen bespritzt; der Wind war billcr kalt und kein trockener Fleck, weder zum Liegen noch Stehen zu finden. Die Soldaten des 28. Begimcnls, mit ihren Frauen und Kindern erst vor drei Tagen aus Neusüdwales eingelrollen, konnten auf jener langen Fahrt nicht so gelitten haben, als in dieser einen Nacht; überdem war keine Kochgelegenheit vorhanden, warme Speisen für so Viele zu bereiten, Biscuil, Thee und Branntwein ihre einzige Nahrung. Es war ein Bild des Jammers und des Elends, und ach, ich ähnele nicht, dass schon nach vier Tagen der dritte Theil dieser Leidenden im Meere und nach noch nicht vierzehn Tagen mehr als die Hälfte von ihnen begraben seyn würden, Sonntags den 4. mit Tagesanbruch halle der liegen nachgelassen, lieble Wolken, durch welche die Sonne ihre brennenden Strahlen auf uns herabsendete, zogen am Himmel. Die Ausdünstungen der nassen Decken und Kleider, der zusammengedrängten Menge und die Hitze der Maschine, erzeugten eine so stickende Luft, dass ich den Versuch, nach dem Vorderdeck zu gehen, aufgeben musste. Gegen neun Uhr hiess es, die Cholera ist auf dem Schiffe ausgebrochen und drei Mensrhen davon befallen, bei zweien war es nur ein leichter Anfall, eine Frau starb jedoch noch denselben Tag. Wir hallen dieselbe Montag Morgens kaum ins Meer gesenkt, so meldeten sich bereits neun Mann an dieser furchtbaren Pest erkrankt, und diese Zahl vermehrte sich in einigen Stunden so, dass wir auf unserem zum Lazarelh eingerichteten Deck schon einige vierzig dieser Unglücklichen beherbergten ; zwischen Kranksein und Tod waren oft nur vier Stunden, und um für die Kranken Kaum zu gewinnen, mussten die Todten in ihre Bellen genäht und mit Kugeln belastet, ohne Aufschub und ohne den üblichen Segen ins 31ecr geworfen wrerdcn. Zwei Aerzte, Olfi-ciere und Soldaten waren nach Kräften bemüht, den Leidenden Hülfe zu leisten; aber da halfen weder Reibungen noch Medicamente, Porlwein, Sago, Ararut und Branntwein.' Unvergesslich werden mir einige der Jammerscenen seyn. Eine blühende, kräftige Frau, mit dem Kinde an der Brust, warf sich vor Schmerzen zu Boden, schon mit dem Tode ringend, wollte sie das geliebte Kind nicht, von sieh lassen j aber noch ehe die Sonne unterging, hatte der trauernde Gatte die Seinigen ins Meer gesenkt. Eine andere Frau führte weinend und schluchzend ihren Mann, kniete verzweifelnd au seiner Seite, um die erstarrten Glieder mit ihrem Korper zu erwärmen: ,,Mann du musst sterben!" schrie sie, die Hände ringend, in ihrer Herzensangst, zog ihm den Trauring vom Finger und nicht lange so hatte sie eine Leiche in ihren Armen. Tiefergreifend war die Trennung einer Mutter von ihrem Gatten und ihrem dreijährigen Kinde, noch im Todeskampf umschlang sie Heide, Keiner wollte von dem Anderen lassen, bis der Tod seinen schwarzen Schalten über das verzerrte Antlitz ausgebreitet hatte. Nicht minder rührend und schmerzlich war es, den Ingenieur, einen blühenden jungen Mann hinsterben zu sehen; er hatte sich erst zwei Tage vor unserer Abfahrt verheirathel und liebte nur weinend zu Gott, er möge ihm vergönnen, in den Armen seines geliebten Weibes zu sterben. Diese tief melancholischen Scencn, das Geschrei und Jammern der Sterbenden, der schrecklich verzerrte Anblick der Todten mussten das festeste Herz erweichen und rühren. In vier Tagen begruben wir so 45 europäische Soldaten, 2 Eingeborne, 3 Matrosen, 4 Frauen und 3 Kinder! und brachten noch einige dreissig Cholerakranke ans Land. Am Dienstage erreichte die Krankheit ihren höchsten Grad. Mittwochs den 7. kamen wir in eine ruhigere See, und erfreuten uns von jetzt an eines schönen Wetters. Unter einem reich gestirnten Himmel, aber in dunkler Nacht, bekamen wir folgenden Tages in der zwölften Stunde die felsige Küste zu sehen. Capitain Newman, der menschenfreundlichste Charakter, licss, um sich zu orientiren, derselben so nahe als möglich steuern und ununterbrochen die Tiefe messen; während der Steuermann des Pferdeboots, in einer uns wenig verständlichen Sprache, aus vollen Kräften rief, dass wir uns an den gefährlichsten Fclsriflcn befänden. Zweimal wurde das Geschütz abgefeuert, aber ohne beantwortet zu werden. Gleich dem verirrten Wanderer im Walde, verfolgten wir, immer die Felsen zur linken Hand, die Richtung, dabei einige Male über den felsigen Meeresgrund hinwegstreifend, bis der Anker ausgeworfen wurde ; aber nun ergab sich's , dass wir beim Eintreten der Ebbe nicht Wasser genug haben würden. Schnell wurde der Anker wieder in die Höhe gewunden, wir gingen von neuem in See und ankerten endlich um 1 Uhr in einer Kuchl. Als der Morgen anbrach, sahen wirr dass wir Kuraschy vorübergefahren waren und zehn Meilen davon in einem nordwestlich ins Land sich ziehenden Meeresarm geankert hatten. Gegen 7 Uhr traten wir die Fahrt dahin an, und zwei Stunden später wurde der Anker den Kuinen eines kleinen auf 50' hohen Felsen gelegenem Fort gegenüber ausgeworfen. Bald sahen wir uns von einer Menge Haifische umgeben, welche ihren gierigen Rachen aus dem Meere hoben; sie wissen sehr geschickt den Moment abzupassen, wenn ein Unglücklicher über Bord fällt, oder Einer so kühn seyn sollte, die zur Abholung bestimmten Boote schwimmend erreichen zu wollen 5 weniger gefährlich sind sie den Eingebornen. Ungeachtet das Meer sich wenig bewegt zeigte, so war die Brandung doch so heftig, dass das erste Boot beim Herabhissen an unserm Schilfe zerschellte , der arme Matrose in demselben die Brustknochen brach und bald nachher verschied. Lord Alta-mont*), den in vergangener Nacht ein leichter Cholera-anläll ergriffen, die Capitains West (Sohn des Lord Kammcrhcrrn Earl de la Warre) und Bennett und ich, wählten das erste sich uns nähernde Boot, in welches wir nur durch einen geschickt berechneten Sprung kommen konnten. Von dem ins Meer vorspringenden allen Fort zieht sich drei Meilen östlich eine Bucht ins Land, welche an einigen Stellen so stark mit Mangrovegebüsehen (Ricophora) bewachsen ist, dass es aus der Feme gleich kleinen Inselchen erscheint. Wilde Schweine hausen in diesen («ehüschen, in die uns der Wind so schnei) hineintrieb, dass wir schon nach einer Stunde die Hache, sandige Küste erreichten, und von unseren Bootsleuten ans Ufer getragen wurden. Das Städtchen Kuraschy oder Karaschy, nur 300 Schritt von dieser Bucht entfernt, in der Nähe des alten Crocola, ist ein kleiner, eng gebau- *) Jetzige Manjuis von Sligo. ter, schmutziger Ort, von Lehm, Holz und Backsleinen errichtet, dessen 14,000 Einwohner (9000 Hindus und gegen 5000 Muselmänner) von Handel, Schifffahrt und Fischfang leben. Der Sclavenhandel von Maskat aus mit Sydhys, mit Afrikanern von Zanzibar und Habschys und Abyssiniern ist so bedeutend, dass durchschnittlich jährlich zwischen G bis 700 Knaben und Mädchen eingeführt werden, von denen drei Viertel Mädchen sind ; manchmal, doch selten, führte man Georgierinnen für den Harem der Beirhen ein. Der Preis einer hübschen Abyssinierin gehl bis zu 250Rupien ; für Knaben weiden zwischen 60 bis 100 Rupien bezahlt.*) Am ostlichen Ausgange der Stadt liegt eine Moschee und ein Teich, welcher aber oft austrocknet; einzelne Dattel-und Ba-nancnpalmen, einige Tamarinden und Tamarisken deuten an, dass nicht alles Nalurlcbcn verschwunden ist. Zwrei Meilen Östlich der Stadt langen die Canton-nements der Truppen an (augenblicklich standen hier 2000 Mann), nur wenige Häuser sind bis jetzt von Steinen gebaut, die meisten von Lehm und Holz, aber alle von kleinen Gärten umgeben. Der Platz für die Casernen der europäischen Truppen war sehr ungeeignet in der heissen Ebene abgesteckt, ein viel besserer Punkt wäre die hoch gehobene Meeresküste von Ghis-rybanda oder Ghisrikrick gewesen, wo eine reine kühle Luft fortwährend weht, und der Blick nach dem Meere *) Seitdem sich die Britische Regierung in den Besitz des Landes gesetzt hat, ist der Sclavenhandel streng verholen. so für Herz und Korper gleich woiillhucnd ist. Eine unterirdische Quelle süssen Wassers, welche sich von der Stadt bis zu den Cantonnemcnls in einer Urcilc von 15' hinzieht, giebl das trinkbare Wasser; an allen übrigen Stellen ist nur salziger Untergrund. Nördlich streichen kahle wellenförmige Kalkfelsberge von Osten nach Westen und bilden von dieser Seite gleichsam eine Ein-schliessung. Der Himmel ist hier nur in der Regenzeit bewölkt, sonst beinahe immer klar, die Temperatur selten höher als 95° F., manchmal in Jahr und Tag kein -liegen, daher das wenige Getreide nur durch Leberrie-selung mit Wasserrädern gewonnen wird, in der Zeit vom Mai bis September treibt ein trockener Wind über die Hache sandige Ebene ununterbrochen Alles verdunkelnde Staubwolken auf. In einem kleinen Wachhäuschen erwarlelen wir die Diener und Pferde derjenigen Olliciere, denen wir empfohlen waren. Wir sahen ihnen um so sehnsüchtiger entgegen, als Lord Altamont immer heftiger erkrankte, und nur von einer sorgsamen Pflege und Behandlung die Erhaltung seines Lebens erwarten durfte. Werner bekam ich erst den andern Tag zu sehen, er hätte beim Ausschiffen beinahe sein Leben eingebüsst und musste, sich zu retten, meinen Höhcnbaromc-tcr zum Opfer bringen. Die Millagstundc war bereits herangekommen, als ich mich vor den Zelten des Lieutenants Munbee befand, und auch hier, unter den Officieren der Ingenieure und der Artillerie, fand ich die herzlichste Aufnahme, und die des 22. Bcgimenls wünschten, dass ich mich während meines Hierseyns als ihren Gut ansehen solle. Meine Zeil fliesst in diesem mililairisehen Lager, wo beinahe Alles imler Zelten lebt, ganz soldatisch dahin, und der Umgang mit einem General wie Sir Charles Napier kann nur höchst lehrreich und fruchtbringend seyn. Leider wurde der General bei einem Baketen-versuche, dem wir zwei Tage nach unserem Fintrelfen beiwohnten, durch Sprengung der llakete im Tubus an der Waile verwundet; obgleich ich Sir Charles zur Seite stand, so blieb ich wunderbar genug ganz unversehrt. Sonst mache ich Spazierritte nach allen Seiten und nach der Stadt. Hier erfreuen mich besonders die kralligen Gestalten der schönen Männer, die eine hohe Kappe von Baumwolle oder Seide mit Gold und Silber durchwirkt, noch mehr hervorhebt; die Frauen in den langen schmutzigen Gewändern sind weniger schön, aber gross und schlank. Fn sittlicher Beziehung steht das Volk hier im schlechtesten Buir. Zu meinen interessantesten Streil'zügen gehörte ein Ritt nach dem acht Meilen nördlich von hier gelegenen Crocodillenteich Maggar Talao oder l'yr Maugar, einem Wallfahrtsorte «1er Lingebornen. Capitain West, mein Beisegelahile, wählte ein liameel, ich bestieg ein Pferd, und wir kamen überein, auf dem Bückwege die l'lälze zu wechseln. Unser Führer, ein schöner Araber, sass in weissem Gewände, den Säbel vor sich, auf dein Vor- Orlich's Heise. I. 6 m dersattcl, den andern Sitz nahm mein Freund ein und ich Folgte, mich dem schnellen Tritt des Kameeis bald ziii'Seite haltend, bald ihm vorauseilend, und mich dabei an dem eigenthümliehen Hilde ergötzend. Unweit unseres Lagers kamen wir an einigen Hütten vorüber, von wenigen Dattelpalmen, Bananen und verkrüppelten Tamarisken beschattet, und von spärlich keimenden Getreidefeldern umgeben; dann ritten wir durch die 50 Schritt breite und ausgetrockneteLeiary noch zweiMei-len in der Ebene. Vor uns zogen sich kahle bis 500' hohe Kalkl'clsen in wellenförmigen Linien von Osten nach Westen, von deren höchsten Punkten man eine weite Aussicht über Kuraschy, das Industhal und das Meer geniesst. Zwischen diesen gebröckelten Felsmassen, auf schmalem Pfade Berg auf Berg ab reitend, sahen wir nur wilde Tauben, einige Geyer und Ziegeu-heerden, welche von den spärlich aus dem Geröll hervorkeimenden Grashalmen leben; ihre Hirten, wie die wenigen Wanderer, denen wir begegneten, waren bewaffnet. Nach zweistündigem Ritte bekamen wir von einer Höhe ein mehr als tausend Schritte breites, von parallel fortlaufenden 7 bis 800' hohen Bergen eingeschlossenes Thal zu sehen, in welchem uns zur Rechten ein üppiger Dattelwald lag*), an den sich ein kleines Gehölz von Tamarinden anscbloss. Aus dein Grün schimmerten die *) Derselbe giebt durchschnittlich eine jährliche Uevenue von 1000 fanden. blaues und weissen Kuppeln der Gräber der Heiligen hervor. Hier schien einst grosse Cultur geherrscht zu haben. Nachdem wir an einigen Hütten vorüber gekommen waren, hielten wir vor einem 200 Schritt langen und 50 Schritt breiten Teiche, welcher mit Gras und Schilf bewachsen nur wenig Wasser enthielt. Eine mineralische Quelle, Kischty genannt (früher Khyr-Kundh oder der Milchteich), welche eine Meile von hier so warm aus dem Felsen kommt, dass man die Hand nicht darin halten kann, versorgt ihn mit Wasser. Sie lliesst von ihrem Lirsprunge aus nur wenige Schritte oberhalb der Erde fort, bahnt sich dann ihren Weg durch einen Felsen, aus welchem sie noch mit 133° F. herauskommt und ergiesst sich am Fusse der Gräber in ein kleines gemauertes Bassin und von dort aus in den Teich. In diesem Teich leben einige fünfzig Crocodille, von welchen mehrere über 15' lang sind; Fakire sind die Schützlinge dieser für heilig gehaltenen Thiere, denen man, um sich ihres Anblicks zu erfreuen und ihre Gier zu befriedigen, einen Ziegenbock opfern muss. Wir waren daher kaum abgestiegen, so boten auch schon einige schmutzige, nackte Fakire ihre Dienste an; Einer von ihnen brach Bohrzweige ab, die zudringlichen Cro-codille abzuwehren, und rief in klagendem Tone : owh ! otvh! (komm, komm). Gleich Hunden krochen einige dreissig Crocodille aus dem Wasser und legten sich im Halbkreise vor des Gebieters Füssc. Es war ein sonderbares Schauspiel, diese Thiere, mit aufgesperrtem 6* Hachen, vier Schritte vorsieh zu sehen ; sie waren aber so folgsam, dass sie sich bei der geringsten Berührung mit dem Bohre zurückzogen. Inzwischen halle unser Führer einen Ziegenbock für eine Rupie erhandelt, derselbe wurde zur Stelle geschlachtet und stückweise den Bestien vorgeworfen, wrclche sich die Bissen gierig abzujagen suchten und dabei mit ihrem Schuppenkörper so heilig aneinander sliessen , dass Einzelne förmlich überschlugen. Nach der Mahlzeit trieb der Fakir seine Plle-gebefohlenen wieder in den Teich. Das grösste und heiligste dieser Crocodille, wir schätzten es beinahe 20', befindet sich allein in dem gemauerten Bassin. Von diesem widerlichen Anblicke uns wegwendend , stalteten wir der Moschee und den Gräbern der Heiligen unseren Besuch ab. Diese sind aus Steinen gebaut, mit mosaikartiger Arbeit von farbig glasirleu Ziegeln und mit Kuppeln versehen, kaum 20' hoch,;und bieten nur so viel Raum im Innern, dass ausser dem Sarge sich noch einige Menschen darin aufhallen können; vor dem Eingange tragen zierlich aus Holz geschnitzte Säulen einen bahlachinartigcn Vorbau. Die Moschee ist Pyr Iladschy Mungah gewidmet, einem Heiligen, der bei den Hindus und Muselmännern eine gleiche Verehrung geniesst, und dessen Grab der Wallfahrtsort, vieler Pil-gcr ist. Der Sarg ist mit Malereien und Spielereien aller Art geschmückt, Federn, Strausseneiern, Bändern, Glöckchen und Lampen. Ein alter graubärtiger Fakir lag am Eingänge des Grabmales, erhob sich nur laug- sam als wir uns näherten, und versicherte uns auf die Frage, wie alt diese Gräber wären, dass wir vor 2000 Jahren allen Monumenten ständen. Kr schien etwas ungehalten zu seyn, als wir unseren Unglauben äusserten. Vor diesen Gräbern, dem Teiche zur Seite, steht ein grosser wunderschöner Tamarindeubaum, welcher im Stamm bei 5' Höhe noch 22' im Umfange hatte. Unter dessen zephyrartigem, reizend gefiedertem Laube, welches sich nach allen Seiten in einem undurchdringlichen Dache ausbreitete, setzten wir uns nieder und tranken auf das Wohl der Lieben in der llcimath. Bei 90° Hitze, aber glücklicherweise etwas bewölktem Himmel traten wir die Rückkehr an, der Sitz auf dem Kameel war im Trabe sehr unangenehm, indess brachte mich dasselbe so schnell nach Hause, dass ich das Unbequeme darüber ver-gass und mich schon nach einer starken Stunde vor meinem Zelte befand. Unsere Abreise nach Sakkar ist auf den 15. festgesetzt, allein bevor ich Sic bitte, mich durch diese noch wenig gekannten Länder zu begleiten, werden Sie mir erlauben, Ihnen einen kleinen geschichtlichen Abriss von den Fürsten und dem Volke zu geben, welche einst hier lebten und gegenwärtig sich hier befinden. Der Sind hat seinen Namen von dem Weltstrom Sind oder Indus (im Sanskrit heissl er Sindu d. h. Ocean, die Eingebornen nennen ihn Mehran oder MythaMehrannar, d.h. die süsse oder frische See), welcher auf seinem Laufe von 320 deutschen Meilen, hei den letzten hundert Meilen dies Land durch- so schneidet. Er ist dem Sind was der Nil für Aegypten, seine regelmässigen IJobcrschwommungen, wenn der Schnee im April in den Himalayagehirgen schmilzt und die heftigen Regen herabfallen, verbreiten Segen und Fruchtbarkeit weit über das Land, welches eines der reichsten der Erde seyn könnte, wenn nicht der zerstörende Geist mohamcdanischer Usurpatoren es seiner Kräfte beraubt hätte. Von den alten Ilindudynasticn, welche einst hier geherrscht, sind leider nur wenige Sagen der Priester zu uns gekommen. Im siebenten Jahrhundert soll Sehasch, einBramine, durch seine Schönheit das Herz der Gemahlin des regierenden Königs gewonnen haben. Als Vertrauter und Freund des Fürsten, sah ihn die Königin einst hinler dem Vorhange im Gemach ihres Gemahls, und wurde so heftig von Liebe für ihn entbrannt, dass sie beschloss, beim Absterben des Königs, sich ihn zum Gatten zu wählen. Bald war ein Ernvcrsländniss zwischen den Liebenden geschlossen, der König starb, ob vergiftet oder auf natürlichem Wege, wird nicht gesagt, genug der listige Priester wurde der Erbe des grossen und schönen Reichs; dies erregte aber die Eifersucht vieler Nachbarfürslen, die ihre Ansprüche gellend machen wollten, jedoch unterlagen oder auf die Seite geschafft, wurden. Schasch soll vierzig Jahre regiert haben, sein ältester Sohn Dahir lölglc ihm. Unter seiner Regierung wurden einige reich beladene Schiffe, welche mit kostbaren Waaren und schönen Scla- vllinen von Ceylon kamen und dem Kai Ifen von Damaskus gehörten, nach dem Indus verschlagen und von den Einwohnern beraub!. Der Kalif Abdul Mulk verlangle vergeblich Gonuglhuung und rüstete sich; aber er starb in den Vorbereitungen zum Kriege und überlicss seinem Sohne Valid die Hache, Dieser sandte unter dem jungen und schönen Hin Cassini, zur See und zu Lande, ein grosses Heer mit allem nur erdenklichen Kriegsmaterial nach dem Indus, Siegreich drang Hin Cassini 711 bis Allora, der Hauptstadt des Königs, vor. Erst jetzt trat ihm Dahir mit ungeheurer Macht entgegen. Vor seinen zahlreichen Rcitcrschaaren und Elephanten standen 30,000 Mann Fussvolk, den ersten Sloss des Feindes abzuhalten; er selbst, sagt die Geschichte, ritt auf dem grössten Elephanten in einem kostbar verzierten Hau-dah, umgeben von zwei schönen Sclayinncn, welche ihm Wein und Erfrischung reichten, längs den Reihen seiner Krieger, diese zum Kampfe ermullügend. Die Schlacht begann von beiden Seiten mit gleicher Erbitterung; aber die Elephanten durch Feuer zur Wulh getrieben, kehrten um, vernichteten Alles um sich her und verbreiteten Furcht und Schrecken unter den Hindus. Auch des Königs Elephant war gellohen, ein Pfeil traf Dahir tÖdtlich in den Hals, er alhmele nur noch wenige Augenblicke und Wurde, um seinen Körper vor den Feinden zu bergen, auf derselben Stelle begraben. Indess seine Scla-vinnen verriethen das Ende ihres Herrn, man grub den Leichnam aus, heftete den Kopf als Siegeslropbäc an einen Speer, und auf den Ruinen dcrllindutempel wurde Allah für den Sieg gedankt. Unter dem Haube fielen dem Sieger auch zwei Töchter des Rajah in die Hände; ihrer Schönheit wegen sandle sie Cassini seinem Herrn für dessen Harem. Als diese vor Valid erschienen, klagten sie seinen General als einen Verrülher an, indem er sie entehrt habe. Im Siegeslaufe traf Bin Cassini das Todes-urtheil; geduldig unterwarf er sich den fürchterlichsten Torturen und starb nach drei Tagen. Sein Leichnam wurde den Prinzessinnen als ein Beweis der Macht und Strenge des Kalifen gezeigt; indem sie ihn mit zufriedenen Blicken betrachteten, gestanden sie, dass der Angeklagte unschuldig sey, dass sie nur Bache an dem Mörder ihres Vaters hätten nehmen wollen , und jetzt bereit wären, jeden Todes zu sterben. Der Kalif Hess die Töchter des Rajah von Pferden zerrcissen, und errichtete seinem treuen General ein prachtvolles Denkmal. Der Sind blieb in den Händen der Omiaden bis zum Einfall Mahmud des Ghaznividen nach Indien; dann wurde das Land eine Beule der Ghuriden und Mongolen. Die Zerrütlungen am Hofe zu Delhi, die Schwäche seiner Fürston und die weite Entfernung vom Sitze der Regierung machten es den hier eingesetzten Statthaltern leicht, sich dem Throne der Grossmoghulc gegenüber für unabhängig zu erklären. Seil Aurcngzebs Zeiten sehen wir einen Stamm oder eine Familie, die Kalorys oder Abassys, angeblich von abassydischen Kalifen abstammend, herrschen; welche später dem Nadir Schah, nach seinem Tode dem Ahmed Schah Durani und endlich auch den Mahr-allen li'ibutair wurden. Die Kalorys halten sich durch Grausamkeit dem Volke verhasst gemacht, und als sie im Jahre 1785 einen Abgesandten von Joud-pur, einen nahen Anverwandten der ücludsclienlämilic der Talpuris in Heidrrabad, ermordeten, gelang es Myr FallehAly, dein Haupte dieser Familie, von mehreren Bcludschenhäiiptlingen unterstützt, die Kalorys zu vertreiben und sich des Landes zu bemächtigen. iNur Wenige von ihnen entkamen, welche in Joudpur und bei Timm Schah von Cabul ein Asyl landen und mit Jaghyrs belehnt wurden. Der noch lebende Myr Nussir Khan, zu jener Zeit ein Knabe von zehn Jahren, war Zeuge der furchtbaren Verwüstungen und Zerstörungen, mit denen damals das Land heimgesucht wurde, von welchen es sich noch bis zur gegenwärtigen Stunde nicht hat erholen können. Unvcrgesslich, äusserte er einst gegen einen Engländer, werde ihm der Untergang des blühenden, volkreichen Sakkars seyn, und im Vorgefühl seines Schicksals sprach er öfters den Wunsch aus, die Geschichte seiner Zeit einem weisen Manne in die Hand zu diktiren. Myr Fattch Aly (alte Leute wollen ihn gesehen haben seine Heerden weiden), anfänglich noch von den Affghanen abhängig, wusste sich mit Hülfe der Heimischen, von denen er mehrere Stämme ins Land zog und mit Jaghyrs belehnte, auf dem Throne zu behaupten und Herr des ganzen Landes Sind zu werden. Er übcrliess einenTheil desselben zweien seiner ersten Thei luehmer, und behielt mit dein Titel eines Amyrs den Rest, drei Fünftel des Ganzen mitlleiderabad zur Hauptstadt, unter eigener Verwaltung, in Verbindung mit seinen Brüdern : Myr Gholam Aly Khan, Myr Karani Aly Khan und Myr Murad Aly lihan. Bs wurde festgestellt, dass immer der Aeltcste der Familie in Heiderabad residireu und die Herrschaft, über Alle ausüben solle. Myr Fatteh Aly übernahm nicht nur die Zahlung des Tributs an Cabul, sondern auch die Ausgaben der Regierung und die Erhaltung der ganzen Talpurlämilie. Bei seinem Tode, im Jahre 1801, wurde Gholam Aly lihan, als der nächste im Alter, Häuptling der Brüderschaft, und als er im Jahre 1811 starb, übernahm Kanon Aly und Myr Murad Aly, nach einem Streite mit den Söhnen der verstorbenen Brüder, Myr Sobdar und Myr Mohamcd , welcher mit deren Unterwerfung und Bcislimniung endete, die Oberleitung. Karam Aly starb 1828 ohne mannliche Nachkommen, und Myr Murad Alv, der einzige noch lebende der vier Brüder, wusste die Oberhoheit zu behaupten. Er halte vier Söhne : Nur Mohamcd, Myr Nassir Khan , Mohamcd Khan und Ahmed Khan, von denen die beiden letzteren kinderlos starben. Als Fatteh Aly und seine Brüder die Kalorys vertrieben , kam das im Norden gelegene Kheirpur unter Myr Sohrab Aly Khan, einen Theilnchmcr der Insurrektion. Myr Sorab starb 1830 in Folge eines Falles von einer Veranda, und hintcrlicss fünf Söhne, von denen derAel-teste, Myr Rustam , an die Spitze dieses Majorats trat. Kheirpur liegt zu beiden Seiten des Indus, erstreckt sich nördlich bis Schlkarpur und Milan, südlich bis zur Wüste und giebl zwischen fünf bis sechs Lack Revenue. Myrpur, das andere vom Sind getrennte Territorium in direkter Linie, zwischen Kaisen und Hciderabad, ist der unbeträchtlichste der dreiTheile, mit einer Hevcnue von kaum fünf Lack. Es wurde von Myr Fatteh Aly an zwei Brüder überlassen , den Amyren: Mvr Fara und MyrBaga. Erstrrcr überlebte seinen Bruder und wusste die Obergewalt zu Gunsten seiner Söhne, Myr Aly Mo-rad Khan und Myr Aly zu behaupten, und seinen Neffen Kailea Khan von derThcilnahme an der Herrschaft aus-zuschliessen. — Beide, sowohl Kheirpur als Myrpur, Sieben zu einander und zu Hciderabad durch Heiruthen in verwandtschaftlichen Beziehungen ; befanden sich aber auch zu Zeilen in feindseliger Stellung, wobei indess die Amyre von Hciderabad ihren Einfluss und ihre Obergewalt, zu behaupten wussten. Diese dreiFürsteiilhümcr, Heiderabad, Kheirpur und Myrpur, bilden das von den Amyrs beherrschte Land, von denen eigentlich immer nur dem Acllcslcn jeder die* ser Familien der Titel Amyr zukommt. Bemerkenswerl h ist, dass Myr Fallen Aly und zwei seiner Brüder Suiten waren, wogegen .Myr Morad durch den Einfluss des Mi-nislers Isman lihan. eines Persers, als strenger Schyite: erzogen wurde. Myr Morad Aly starb 1834. Nach sei* nem Tode übernahmen, als Triumvirat, Myr Nur Moha-med, Nassir Khan und Sobdar die Regierung, und nach des erstercn Tode 1839 linden wir fünf Amyre in Hciderabad, von denen der Aelteste , Myr Nassir Khan, als das Oberhaupt der Familie angesehen wurde. Die Bewohner des Sind bestehen aus Mohameda-nern und Hindus; unter den ersteren treten die Belud-schen gleichsam als Kriegerkaste auf, die Jats sind die Landbaucr, und unter den Einwohnern der Städte kann man annehmen, dass der fünfte Thcil aus Hindus besteht; so gedrückt diese in religiöser und geselliger Beziehung auch sind, so ist doch hauptsächlich in ihren Händen der Handel und das Geld. Unter der Million Einwohner, welche hier leben sind 200,000 Hindus, 500,000 Abo-rigincr oder Jats und 300,000 Beimischen. Die Hindus tragen den Bart und Turban der Muselmänner, haben deren Gewohnheiten und Sitten, das Unterwürfige und Geschmeidige der Juden unserer Länder, und sind so schön aber noch schmutziger als die Jats. Als Geld-Wechsler gemessen sie ein solches Vertrauen, dass ihre Anweisungen durch ganz Indien für gültig angesehen werden. Sie und die Jats sind diejenigen, auf deren Ergebenheit das britische Gouvernement rechnen kann. Die Jats, ein grosser, kralliger, schöner Menschenschlag, ursprünglich Hindus, sind die eigentlichen Ureinwohner des Landes; ihre Frauen zeichnen sich durch Schönheit undKeuschheit aus, was sich von denen derllindus nicht sagen lässt. Als ackerbauende Klasse ist ihr Leben ein ganz friedliches; nächst der Bebauung des Bodens ist der Jat mit der Zucht seiner Büffel - und Ziegmheerden, oder mit der der Kamcele beschäftigt; ihm ist dies nützliche Thier, was dem Araber das Pferd. Mit der Schulfahrt und dem Fischfang sind die Miani vertraut: sie leben ebenso viel in und auf dem Flusse und den Seen, als ausserhalb, ja Einige haben keine andere Wohnung al> das Boot. Ihre Weiber, so kräftig und muskulös als die Männer, thcilen die schwere Arbeit der Galten, und während der Mann am Netze strickt oder seine Pfeile raucht, das Bind in dem schwebenden Netzwerk unter dem Mäste hängt, steuert die Frau mit dem gewaltigen Ruder das Boot. Die Beludscben, die Freibeuter der Wüste, kamen von den Gebirgen und Steppen aus Nordwesten, und bilden etwa den vierten Thcil der Bevölkerung. Mehrere ihrer Gebräuche und Sitten gehören den mosaischen Gesetzen an, und ihre mündlichen und schriftlichen Feber-licferungen, so wie ihre äussere Erscheinung, haben so viel Aehnliches mit denen der Juden, dass man sie für Nachkommen der verloren gegangenen Stämme angesehen hat. So ist beim Tode des Ehrgatten der Bruder des Gestorbenen verpllirhlet die Witlwe zu heirathen, und die Kinder sind die Frben des Verblichenen; auch Laim sieh ein .Mann Aon seiner Frau nach den unter den Juden üblichen Verträgen scheiden. Sic betrachten sich als die Herren des Landes, und lieben nur- den Kampf, den Raub und die Jagd. Wenige unter ihnen beschäfti- gen sich mit Ackerbau, aber Alle mit Pferde»- und Ka-meelzucht. Die Unwissenheit und Wildheit, in der sie leben, macht es schwer, sie an Gehorsam zu gewöhnen; jeder Stamm gehorcht nur seinem Häuptlinge, ist aber Gclähr vorhanden, so eilen nach allen Richtungen Bolen auf Ivaniceleu oder zu Pferde, Alles was Walfen tragen kann, unter die Fahnen zu rufen. Diese sind von solcher Ausdauer und Schnelligkeit, dass, nach glaubwürdiger Mittheilung, ein Kamcel des Myr Nassyr, als Lord Keane einrückte, den Weg von Hciderabad nach Sak-kar, einige fünfzig geographische Meilen, in zwei Tagen zurücklegte. Sein Führer wussle es durch Reis, Chy und berauschendes Getränk bei Kräften zu erhallen. Die Häuser der Beimischen sind so armselig, schmutzig und klein, als die der übrigen Bewohner, und nur die der Häuptlinge etwas geräumiger und mit Teppichen geschmückt. In ihnen sieht man die Frauen den häuslichen Sorgen obliegen, den Mann rauchen, schlafen, trinken oder mit den Kindern spielen. Die Beimischen sind von dunkelbrauner Gesichtsfarbe, schön und edel im Ausdruck, feurigen Augen, und wenn auch nicht von grosser, so doch kräftiger Statur. Auf dem Kopfe tragen sie eine bunte, aus Baumwolle und Seide gewebte; Kappe, mit Gold und Silber durchwirkt; über den Oberkörper ein offenes Heinde, und darüber eine gelb oder rolh seidene Weste, weite Pentalong und spitz zulaufende Schuhe ; bewaffnet sind sie mit einer langen Lun-tcnllinte, Säbel, Bogen, Schild und Köcher. Haar und Bart werden nicht, geschoren; das Haupthaar fällt entweder in Locken ober die Schultern, oder ist im Knoten auf dem Kopfe zusammengebunden. Der Bart wird als grosse Zierde sorgsam gepllegt. Alte und heilige Männer liehen es, ihn sich rolh zu färben, und die Schyilen ziehen, gleich den .Nachkommen des Propheten, die grüne Farbe allen anderen vor. Ihre Frauen tragen bis zur Erde herabfallende Böcke, welche sich miederar!ig an den Oberkörper schliessen und weile Pantalons ; ein Tuch ist lose um den Kopf geschlagen, und das Haar fällt in Flechten herab. Sie wechseln selten ihre Kleidung und sind so schmutzig, dass man weder die Farbe ihrer Gewänder, noch die ihres Gesichts erkennen kann. Diese Beimischen , als Vollstrecker der Befehle der Amyre, sind die argen Blutsauger des armen, hart gedrückten Landmanns, welcher mehr als die Hälfte seines Ertrages den Fürsten abliefern mass. Die Revenuen des Landes, welche früher 90 Lack betrugen , sind jetzt auf einige vierzig herabgesunken ; könnten aber bei guter Bewirtschaftung auf das Dreifache gebracht werden. Die Amyre sind so unwissend, wie das Volk, ihre Zeit wird im Harem oder auf der Jagd zugebracht, und diese wird mit solcher Leidenschaft beirieben, dass sich dadurch das Land täglich mehr entvölkert. Im ihre Schi-kargah's (grosse Waldgehege für das Wild aus Mondhole, Babulbäumcn [eine ArtMimosa arabic«), Tamarinden und Tamarisken bestehend) , auszudehnen , werden die grössten Gewalttätigkeiten verübt. So Hess Myr M Fatteh Aly eine» der fruchtbarsten Bezirke am Indus, in der Nähe von Heiderabad, welcher eine Revenue von beinahe zwei Lack abwarf, von seinen Bewohnern räumen , weil es der Lieblingsaufenthalt des Hirschebers war; und Myr Murad Aly Hess ein grosses Dorf von Grund aus zerstören, damit das Weiden des Bindviehs und das Krähen der Hähne das Wild in seines Bruders daranslossendem Gebiet nicht störe. In der Mitte dieser Schikargahs befindet sich ein einzelnes Häuschen, vor welchem ein Teich gegraben ist, dorthin wird das W ild getrieben, und von den hinter Mauern stehenden Amyrs getödtet. Als Lord Keane mit der Armee durch das Land zog, hatten drei Olficiere ein solches von trok-kenen Baumstämmen eng eingeschlossenes Häuschen in Besitz genommen, um darin zu übernachten und am andern Morgen den Jagdfreuden nachzugehen; aber, wahrscheinlich auf Anstiften , Steckte man den von der Hitze ausgedörrten Wahl an, und alle drei kamen in den Flammen um. Nach diesen Schikargahs, von denen jeder Amyr seine eigenen besitzt, ziehen sie, umgeben von ihren Häuptlingen und einer grossen Anzahl Dienerschaft, mit Hunden und Falken, auf Kameelen oder zu Pferde, oder auf dem Flusse in ihren grossen Slaalsbarken. Auf dem Wege dahin nttSS das Volk für die Verpflegung des zahlreichen Trosses sorgen, und der Bewohnet der den Schikargahs zunächstgelegenenOrtschaften als Treiber dienen, wobei es sich sehr olt ereignet, dass Einer dieser Unglück- liehen stall des Wildes getödlet oder von dem Sambur (Hirscheber) nms Leben gebracht wird. Sie bedienen sich auf der Jagd langer, reich mit Gold und Juwelen ausgelegter Flinten, an denen die Schlösser der von den Briten geschenkten Gewehre angemacht sind; diese selbst haben keinen Werth in ihren Augen. Es ist ein Beweis grosser Gunst, wenn ein Fremder dazu eingeladen wird. In dem Sind herrscht in Ausdruck und Schrift eine von dem übrigen Indien ganz verschiedene Sprache; aber bei der tiefen Unwissenheit der Fürsten und des Volks können nur wenige Mohamedaner dieselbe schreiben. Die Charactere werden Khada-wadi genannt, und linden sich in den Briefen der Ranflente. Im Vergleich mit den meisten Alphabeten llirulostans ist das des Sind sehr arm, es giebt nur zwei Schriftzeichen für die Selbstlaute, welche auch nur in Anwendung kommen, wenn sie als Anfangsbuchstaben gebraucht werden. Daher ist die Schriftsprache auch blos beim Briefwechsel in Gebrauch, und die wenigen dort vorhandenen Bächer in arabischen Characleren geschrieben. Die Aussprache der Beimischen hat so etwas wildes, dass die Sindier sagen, diese hätten sie als Hirten in den Bergen von Kclat von ihren Ziegen gelernt. Es bestehen zwei verschiedene Dialekte, der von Lar, welcher in Hciderabad und Umgegend gebräuchlich ist, und der von Sar, dessen man sich im Ober-Sindbedient*). ') Capitata EaatwMc von der Bombay-Armee liat aia sehr interessantes Wörterbuch der Sii»ds|iraehe verfassl ; desgleichen v. Oilich's Ilcis«'. I. 7 Es scheint, dass die ersle britische Niederlassung im Sind im Jahre 1758 stattfand, indem das Bedürfiiiss nach Wollwaaren und anderen Stoffen, dureh welche die vom Indus durchslrömlrn Länder lieriihml wraren, zum Handel dahin aufforderte, auch schien der gute Absatz einen günstigen Erfolg zu versprechen. Indess im Jahre 1775 linden wir jene Verbindungen wieder abgebrochen, weil die Regierung im Sind dem Handel grosse. Schwierigkeiten in den Weg legte. Aber wiederholte Versuche durch den Canal des Indus zukommen, bewogen im Jahre 1779 die osiindische Compagnie, ihre Handelsverbindungen mit dem Sind zu erneuern, weshalb Hr. Crow dahin abgesendet wurde, dem es gelang, eine Faktorei in Talla zu errichten, und von der Sindregierung die Erlauhniss zu erhalten, seinen Aufenthalt entweder in dieser Stadt oder in liuraschy nehmen zu dürfen. Die Amyre zeigten auch jetzt grossen Widerwillen gegen die Einrichtung einer Faktorei in Kuraschy, und wünschten nur die Häfen Schalender und Talta als Niederlassungen der Briten. Hr. Crow hatte daher kaum in Kuraschy festen Fuss gelässt, so erhielt er im August 1800, wahrscheinlich auf Anstiften der einheimischen Kaullcule, plötzlich den Befehl, ohne Verzug sich nach Talta zu begeben, und seine Niederlassung lediglich auf diesen Funkt zu beschränken. Man hatte in früheren Zeiten erst die Wua- verdanken wir dem Capitain Poslans in seinen „Personal oh-si'rvalionx un Sinrfh" die besten Mittheilungcn über jenes Land. reu nach Dehra-Jamka oder Anfangsbander gebracht, und von dort nach Schahbander, 20 Meilen westlich, weiter geführt. Ks inuss damals ein ziemlich bedeutender Handel nach Mull an und Labore stattgefunden haben; denn die Faktorei von Schahbander bestand aus 12 Booten oder Duiidys, jedes zu 30 bis 40 Tonnen und zwei Fahrzeugen für reisende Kaufleute. luidlich, am 22. Augusl 1809, wurde ein förmlicher Traktat mit dcnAinyren im Sind abgeschlossen, und den 9. November 1820 erneuert und dahin erweitert, dass alle übrigen europaischen Nationen und den Amerikanern der Handel dahin nicht gestaltet würde. Zugleich wurde festgesetzt, dass den Räubereien der Kbosas und anderer Horden im Katsch kein Vorschub geleistet werden dürfe. Bekanntlich sandle die britische Regierung Alexander Burncs 1831 nach dem Indus, um sich eine Kennlniss des Landes und ganz besonders der SchillVahrl auf diesem Flusse zu verschallen. Seine Berichte machten csder indischen Regierung immer wünschenswerther, sich eine freie Schilffahrt auf dem Indus zu sichern. InFolgc dessen wurde Sir Henry Poltiuger von dem Keneralgou-verneur Lord Bentinck zu den Amyren mit dem Auftrage abgesendet, die Schiffahrt und den Handel auf dem Indus auf eine sichere Grundlage festzustellen. Ls gelang Sir Henry Pollinger, mit dem Amyr Morad Aly von Hciderabad und Rustum von Kheirpur unterm 19. Juni 1832 einen Traktat abzuschliessen, in welchem eine dauernde Freundschaft ausgesprochen und den Kaullcuten 7' Indiens ungestörter Handel auf dem Indus zugesichert wurde ; wobei sich jedoch die Amyre vorbehielten, den Handeltreibenden Pässe gegen einen massigen Zoll zu ertheilen, und die Bedingung daran knüpften, dass keine bewaffneten Fahrzeuge den Indus befahren, noch Personen sich im Lande niederlassen dürften. Dieser Traktat wurde im Jahre 1H39 dahinabgeändert, dass es den Briten freistehen solle, in Talta oder einigen Punkten Besatzungen zu halten, wogegen diese sich verpflichteten , den Sind gegen fremde Invasionen jeder Art zu schützen. Als Lord Keane gegen Afighanistan vordrang, sah er sich veranlasst, zur Sicherung seines Kückens und der Schulfahrt, in Kuraschy, Sakkar und Schikarpur Besatzungen zu legen; es trat die Notwendigkeit, den Indus zur Gränze des ungeheuren Reiches zu machen, immer scharfer hervor. Bei allen diesen Traktaten zeigten die Amyre sich mehr fügsam der britischen Regierung, als ihre Be-ludschenhäuptlinge, welche sehr richtig erkannten , [dass mit der Festsetzung einer so bedeutenden Macht, wie die der Briten, ihr Einfluss und ihre Erpressungen ein Ende nehmen würden 5 daher denn auch die Beimischen gegen den Willen der Amyre bei mehreren Gelegenheilen feindselig auftraten. Seit dieser Zeil linden wir die Fürsten im Sind von der britischen Regierung abhängig, und durch einen politischen Agenten an ihrem Hofe geleitel und überwacht. SAKKAR, den 10. October 1842. Die Vorbereitungen zu meiner Reise hierher, und die Beschwerden auf derselben, uöthigten mich, in meinen Mittheilungeu abzubrechen, und der neue Aufbruch nach Ferospur gestattet mir erst heute, darin fortzufahren. Am 13. September waren meine Sachen auf vier Karneolen unter der Aufsicht meiner Diener zu Lande nach Tatta vorausgegangen. Zwei Tage später, Nachmittags 4 Uhr, brachten mirhPalankinträger nach dem drei Meilen von Kuraschy entfernten Ghysrikrick, wo in dem hier in die See sich mündenden Garaflüssehen ein Boot zu meiner Aufnahme bereit stand. IJnbezwcifelt floss einst in dem heutigen Bette der Gara ein Hauptarm des Indus, und sollte, nicht auf den wenigen Trümmern von Ghysrikrick das alte Pattala gestanden haben? Meine Reise-gelahrten waren in einem anderen Boote vorausgegangen. Die Fluth trieb uns auf der hier mehrere hundert Schritt breiten und *20' tiefen Gara durch ein odesLand, zwischen Tamariskensträuchern, Akazien und einigen Babulbäumen, nach Gara; ein aller runder Thurm war das einzige sichtbare Gebäude. Vier Meilen von Ghysrikrick erweiterte sich die Gara bis zu 500 Yards, dann wieder allmählig in Breite und Tiefe abnehmend, verengte sich derFluss zwei Meilen vor Gara bis auf 100 Schritte, ward schmaler und schmaler, und endlich so eng und da die Ebbe eintrat, so wasserarm, dass wir kurz vor Gara unser Boot verlassen und nach dem Dorfe gehen mussten. Der Boden zu beiden Seilen ist wechselnd, bald das fruchtbarste Erdreich, bald sandig und mit Salz überdeckt. Vor Gara traf ich mit meinen Reisegefährten zusammen , wir wanderten gemeinsam durch das auf leichtem Abhänge gebaute, schmutzige Dorf, nach einer am östlichen Ausgange gelegenen Carawanserei. Unser Weg führte bei dem Hause eines Gerbers vorbei, dessen Hand-thicrung ich in Augenschein nahm. Die Häute werden nach der Form des Thierkörpers zusammengenäht, und an drei über ein kleines gemauertes Rassin errichtete Pfähle mit dem Halse nach oben aufgehangen; alsdann wird durch den Hals des Felles die zwischen Steinen geriebene Borke des Babulbaumes geschüttet, und fortwährend Wasser eingelassen, welches durch die kleinen Oeffnungeu allmäblig dringt. Von Zeit zu Zeit wird das Fell in das Bassin gelassen, um von der Borke und dem Wasser mehr gar gemacht zu werden; ein langes Messer dient dazu, die Haare abzuziehen. Sobald das Fell gehörig gegerbt und geölt ist, wird es im Schatten getrocknet. Das Leder im Sind gehört zu den besten Sorten Indiens, und steht an Weiche und Dauerhaftigkeit dem in Europa nicht nach. Gara besteht aus ungefähr 200 Häusern und ist meist von Hindus bewohnt; alle Gebäude sind hier aus Lehm gebaut, kaum 20' hoch und mit platten Dächern versehen, aus denen manchmal eine Art Ventilator emporsteigt; Luftlöcher vertreten die Stelle der Fenster. Ein anhallender Regen würde diese Hütten vernichten und ganze Ortschaften wegschwemmen. Die Carawanserd ist eine kleine offene Halle mit einem von einer Lehm-mauer umschlossenen Hofe davor, und wird von einem Parsen unlerhaltcn, welcher im Auftrage der britischen Regierung für das Forlkommen der Heisenden zu sorgen hat. Wir hatten beschlossen, den Nachmittag hier abzuwarten, in der Halle wurden Teppiche ausgebreitet, und während wir der Ituhe pflegten, sorgten die Diener für ein Mahl : Theo, Heis und fische. Als die Sonne sich ihrem 1 ulergangr zuneigte, trat unsere kleine (Karawane den Maisch nach Talta an; Einige auf Kamee-len, Andere zu Pferde. Unser Weg führte durch eine verödete (irgend, erst längs einem ausgetrockneten Arm des Indus, dann auf dem fruchtbarsten Erdreich zwischen hohen Tamaiiskenslräuchern, und über viele theils Irok-kenc, theils mit Wasser angefüllte Gräben. Nach zweistündigem Iiitie wurde die Landschaft, belebter durch hohe Bäume und einzelne (iehöfle, um welche der Boden bebaut war. Dinier einem Tamariskenslrauch am Wege stand ein Schakal, seine grossen Augen nach uns gekehrt : er war so dreist , dass man ihn mit der Pistole halle Indien können. Vom hellsten Moudlichl begünstigt, konnlen wir ohne Unfall die von Grüben immer mehr durchschnittene Gegend durchziehen; denn es war bereits 10 Ihr, als wir bei dem Dorfe Gongah ankamen. Es ist ein grosser Ort, mit mehreren aus Backsleinen erbauten Häusern, in einer sehr fruchtbaren Ebene. An einem Teiche unter Tamarinden und Mangos landen wir die schon Tages zuvor dahin abgegangenen (Hliciere, neben deren Lager wir auch das uusrige bereiteten. Morgens 3 lihr winde der Marsch in einer von tiefen Wassergräben durchzogenen Ebene zwischen 12' hohen Jowari- (Hofens sorghum) und Hageln- (Pa/iicum spieatum) Kornfeldern fortgesetzt. Nach ungefähr drei Meilen befanden wir uns auf breiter Strasse; in einem undurchdringlichen Jangle von Tamarisken und vnki üjipelten Tamarinden, über welche sich zu Zeiten ein Kabul- oder Banyanen-bauin erhob. Auf halbem Wege lag an einem Teiche eine kleine Carawanserei, unter der Obhut eines Priesters und einiger Fakire; der Boden um dieselbe war bebaut und ein kleiner Garten mit Bananen und Mangos, sowie einige Tamarinden um den Teich gewährten in dieser Wildniss etwas sehr einladendes und freundliches. In der siebenten Stunde näherten wir uns einem steinigen gegen 150' hohen Bergrücken, auf welchem eine grosse Stadl zu liegen schien. Es waren eine Menge grosser und kleiner Gräber mit domartigen hoehgewÖlb-ten I)ä. Lanzierrrgimenls fand ich Hindu Kau, den Bruder der Baeza Bay, der Licb-lihgsfrau des Maharajah Dowlat Rau Scindia, welcher sich vor fünfzehn Jahren an der Spitze des Meeres seines Schwagers befand, und bei dessen Tode nicht abgeneigt War, sieh des Thrones vom Scindia zu bemächtigen. Er lebt jetzt in Delhi von einer Pension , die ihm die britische Regierung vom Gwaliorstaate garanlirl hat, ist leidenschaftlich der Tigrrjagd ergeben und ein *) Es giebt Hilter den Bingebon..... hier eine Sekte, welche einer grossen Art Uideehseu nachstellt, und sie ihres feile* >\e gen Iiis eine Licblingssneise \crzehrl | in Folge der Nachgrabungen findet man daher den Boden so voll Locher. grosser Verehrer der Briten. Sein Genuas bestand darin, schweigsam bei Tische zu sitzen, sich Über unseren Appetit zu freuen, ohne selbst etwas anzurühren. Noch vor nicht langer Zeit hatte er sich dem Trünke ergeben, als er aber eines Tages einen europäischen Soldaten im trunkenen Zustande begegnete, und von seinein Vertrauten hörte, dass er sich eben so gebebrde, wenn er des Guten zu viclgcthan, gelobte er, keine geistigen Getränke mehr anzurühren und hat Wort gehalten. Bei den Festen des commandirenden Generals fand man gewöhnlich die aus Afghanistan eintreffenden Of-ficiere und Einige der Gefangenen. Unter jenen war mir die Bekanntschaft eines unserer Landsleute, des Baron Meyer, eine besonders angenehme; dieser brave junge Ollicier ist in einem Gefechte in den Keiberpässcn verwundet werden, und kann sich noch immer nicht von seiner Wunde erholen. Wir haben manche Stunde in Erinnerungen an das liebe Vaterland verplaudert. Bas Lager gewann täglich an bunten Bildern durch das Zusammenströmen aus den verschiedensten Theilen Indiens ; aber auch an betrübenden Erscheinungen, wenn man die vielen, mehr von der Kälte als vom Feinde verstümmelten Sepoys sab, welche nicht allein ihre Glieder eingebüsst, sondern auch ihre Kaste verloren hatten; das Schrecklichste, was einem Hindu begegnen kann. Sonntags den \. Dccember (wir hatten vor Sonnenaufgang 44° und Mittags 771° F.) ritt ich nach dem i 1 Sedletg, die dort geschlagenen Schiffbrücken in Augenschein zu nehmen. Dieselben sind 200 Schritte lang und aus Dundybooten gebaut, wie sie hier und auf dem Indus gebraucht werden, mit flachem Boden und breiten Enden, ähnlich unseren Prahmen; die eine der Brücken bestand aus 59, die andere aus 47 solcher Boote. Sie sind so stark, dass die schwersten * Lasten ungefährdet hinüber gehen können. Auf dem Wege dahin erschien mir zum ersten Male die Gebirgskette des Himalaja! So gewaltige schneebedeckte Massen, umgeben von tropischer Natur, gleichsam den Himmel berührend zu sehen, ist von unbeschreiblichem Eindrucke. Der Mensch sucht vergeblich nach Worten, die Empfindungen wiederzugeben , welche bei solchem Anblicke seine Seele bewegen, es sind Gedanken des tiefsten Inneren, für die er keinen Ausdruck findet. Am 9. Dccember hielt der Generalgouvcrneur, Lord Ellenborougli, mit 120 Elephanten, 700 Kamceleu und vielen Heckerics in Ferospur seinen Einzug. Zu seinem Empfange war die ganze Armee ausgerückt, und in Linie auf dem Wege nach Ludiana aufgestellt. Ich war Sr. Lordschaft mit meinem Freunde, Lord Alta-monl entgegengeeilten. Wir trafen erst auf unabsehbare Züge von Elephanten, Kameelen, Wagen, Pal anleinen , Heckerics, Keilern und Bedienten aller Art, dann begegnete uns die Eskorte des Gencralgouver-neurs, das 3. Bengalcavallerieregimenl, welches Tages vorher mit den Ghisuymedaillen geschmückt, demsel- brn vorantrabte. Der König des Landes ritt in Civil-kleidern auf einem schönen Araber, umgeben von seinem Stabe. Gearge Clerke hatte die Güte, uns ihm vorzustellen, wir wurden aufs wohlwollendste bewillkommnet und von ihm eingeladen, uns als seine Giisle in dem Lager niederzulassen. Ein Anerbieten, welches natürlich aufs dankbarste angenommen wurde. Von dem Zelt des Generalgouverneurs gehen in einer 150 Schritt breiten Gasse die Zelle der zum Verwaltungspersonal gehörigen höheren Beamten, Ot-ficiere und Adjutanten: zu der des Secretary of the trövernment gehören allein über 40 Schreiner. Am Ende dieser Gasse beiludet sich das für mich .geschlagene Zelt, bestehend aus drei Abtheilungen, mit doppelten Wänden und Dächern versehen, und 12 Schritt lang und 8 Schritt breit. Eine Leibgarde von 2 Officieren und 1*20 Pferden ist um die Person des Genc-ralgouverneurs; hunderte von Bedienten ungerechnet. Ein Regiment Cavallerie, ein Regiment Infanterie und eine Batterie versehen den Dienst im Lager. Lord Ellcnborougbs Derbarzell besteht aus drei grossen Zellen und ist 108' lang, 32' breit und 28' hoch. Die kostbarsten Teppiche schmücken den Boden, Kronleuchter erhellen Abends die Baume, eiserne Orlen erwärmen in der Kühle, und ein Baldachin, vor welchem auf hohem Mäste Englands Flagge weht, bezeichnet den Eingang. Aus diesem Dcrbarzclt führt eine Glaslhüre durch einen verdeckten Gang in das Wohn- und Schlafzell. Abends, wenn wir uns an der mit silbernen Aufsätzen gezierten Tafel niedersetzen, eröffnet des Gencralgouverneurs Musikchor mit ,,Got/ save the Queen1', das Mahl, hinter jedem (last steht ein rothgekleideter Diener, und zwei besonders stattlich aussehende Hindus, wehen dem hohen Gebieter, ernst und pathetisch, mit Kuhschwänzen Kühlung zu. Eines Tages zeigte die irreguläre Cavalleric vor Lord Ellenborough Proben [ihrer Geschicklichkeit. Der Generalgouverneur, wie alle höhereu Olficiere und die Damen befanden sich in langer Reihe auf Elephanten, eine Menge Zuschauer zu Pferde. Zuerst schössen tue in Gelb und Roth gekleideten Reiter mit ihren Luntenllinlen in vollem Carriere nach Glasflaschcn, von denen neune getroffen wurden ; dann würfle im stärksten Jagen mit der Lanze nach Zeltpflöckcn gc-stossen, was ebenso grosse Körperkraft als Gewandtheit erfordert, endlich schlössen Reiterkünste aller Art das interessante Schauspiel. Nach demselben vertheilte Lord Ellenborough an die Sieger schöne Waffen: Säbel, Flinten und Rogen. Die Eingebornen besitzen eine besonders grosse Geschicklichkeit in Handhabung des Säbels; aber es gilt hier recht eigentlich, was der Kaliph Amrou einem Gesandten sagte, als dieser den Säbel zu sehen wünschte, mit welchem er so unglaubliche Theten verrichtet habe, ,,dass das Schwert selbst, ohne die Hand seines Herrn, weder schärfer noch gewichtiger ist, als das Schwert des Propholcn Pharczdak." So wurde mir von einem englischen Ollicier erzahlt, welcher sich an Rud-git Sing's Hole aufhielt, dass nach solchen Uebungen, welche der Maharajah eines Tages abhielt, einer der Häuptlinge, Einem aus seiner Umgebung befahl, sich den Oberkörper zu entkleiden, und mit dem Rücken ausgestreckt auf die Erde zu legen. Dieser Häuptling breitete über die nackte Brust des Liegenden ein seidenes Tuch aus, und durchschnitt dasselbe im Vorübergehen mit seinem Säbel, ohne auch nur im Geringsten die Haut zu lädiren. Es war eine von den mit Gold aufgewogenen Wutzstahlklingen, welche bis zu 11000 Rupien bezahlt werden. Mit grosser Spannung sah ich dem Eintreffen der aus dem Kriege heimkehrenden Truppen entgegen: zuerst sollten die tapferen Verlheidiger von Jellalabad den Sedletg passiren und mit besonderen Ehren empfangen werden. Den 16. hatte sich General Sale mit seiner Brigade am rechten Ufer des Flusses, unweit der Brücken, gelagert. In früher Morgenstunde ritt ich mit Lord Allamont nach seinem Lager. Wir begegneten vielen Afghanen mit Frauen und Kindern, welche ihr Vaterland verlassen und sich den Engländern angeschlossen hallen : und mehreren britischen Of-licieren, darunter einige der Gefangenen mit ihren Angehörigen ; die meisten waren in All'ghaucnkleidern, eine Tracht, die zu den malerischsten und zweckmäs-sigsten gehört, die ich je gesehen habe, Im Lager be- fand sich unler einem runden buntgestreiften Zelte einer der ersten Affghanenhäuptlingc, Jan Fishan lihan, ein Verwandter der Königslämilie und ein Nachkomme des Propheten. Er selbst, ein schöner Mann von 45 Jahren, sass mit seinen beiden Söhnen in einer rothen, mit Gold gestickten Tschoga*), umgeben von seinen Dienern, ausserhalb des Zeltes; und während diese mit der Ausbesserung von Kleidern beschäftigt waren, spielte er mit den muntern Knaben. Seine Frauen, deren Eine, in weissem, den ganzen Körper und das Gesiebt verhallenden Ecbcrwurf neben ihm stand, befanden sich in einem Nebenzelle. Er sprach mit hoher Verehrung von den Briten, bei denen er ein zweites Vaterland zu linden holte, und beklagte nur seine Gallin, welcher man vor zwei Tagen ihren Schmuck gestohlen hatte; ihm selbst schien dieser Verlust weniger empfindlich. Am folgenden Tage überschritt General Sale den Sedletg und rückte ins Lager der Reservearmee. Lord Ellenborough halte mich eingeladen, mit ihm auf seinem Elephanten zu reiten. Es war noch völlige Dunkelheit, als unscrc^Elephanteiicavalcade das Lager ver-liess, voran leuchteten die Teufel — wie hier die Fak-kcllräger genannt werden— und die Leibgarde folgte. Die Reservearmee bildete zu beiden Seiten des "Weges *) Ein weites, bis zu den Kub'cheln lierablallendes Gewand, mit weiten Aermeln, ausgeschnittenem Krügen und jiu den mannigfaltigsten Mustern gestickt. ein Spalier, und zunächst der Brücken standen 200 Elephanten festlich geputzt und bemalt, welche von ihren Mahouds so abgerichtet waren, dass sie ihre Devotion mit Niederkniecn und Aufhebung der Rüssel an den Tag legten. Die Brücken waren mit Flaggen verziert, und zur Seite der einen eine Tribüne errichtet, unter welcher wir Platz nahmen. Mehrcrc indische Fürsten und viele Damen auf Elephanten und zu Pferde verliehen der Umgebung etwas Poetisches und 3ialc-rtsches. Um 8 Uhr delilirlc Salc's Brigade mit ,,God saee the Queen" und unter dem Donner des Geschützes und den bunten Chvers der Armee. Es gewährte einen freudig rührenden Eindruck, als Offioiere und Soldaten, voran die Heldin des Tages, Lady Sale, auf dem schönsten reich'geschmückten Elephanten, die Freunde be-grüssten. Man konnte den braven Kriegern weder die Entbehrungen einer langen Belagerung, noch die Mühen eines weiten Marsches ansehen. Auf die Truppen folgte der Tross, das wundersamste aber treueste Bildeines Zuges der Kreuzfahrer. Leichte Kranke auf Elephanten und Kameelen , schwere in Palankinc oder Dulis ; dann Kameelc, Esel und Ochsen schwer bepackt; hier eine AJfghanin tief verschleiert, mit gitterartiger Stickerei vor den Augen, in weissem Ucberwurf, der nur an den kleinen Füssen die mit Gold gestickten Schuhe erkennen Hess, dort eine Muller mit einem Kinde auf einem Kameelc ; da:in wieder Kinder auf Ponys, eine Katze oder einen Hund tätschelnd oder Tauben und Hühneriü Körben überwachend ; gefesselte Kampfhähne oder Kampfwidder; Männer, Frauen und Kinder in den sonderbarsten Trachten; AffghanenhäupÜinge mit ihren Familien; Kaulleute und Diener der verschiedensten Länder und Gewerbe, Schaf-und Ziegenhcerden und langsam fort-gezogeue Heckeries. Der Zug dieses bunten Gclrci-bes einer Krigade über beide Krücken dauerte volle vier Stunden! Wir konnten uns au dieser kleinen Völkerwanderung nicht satt genug sehen, und blieben beinahe eine Stunde im .Anschauen und in Betrachtungen versunken. Aachher fanden wir uns in einem, unweit der Brücken aufgeschlagenen Zelte zum Frühstück zusammen, wo noch vielfach dieser Bilder gedacht wurde. Abends bewirlhelc der Generalgouverneur in seinem Zelte, in the most splendid style, die tapferen Vcrlhei-diger von Jcllalabad ; natürlich fehlte es nach englischer Sitte nicht an schönen Heden und Toasten. Lady Sale wohnte diesem Feste bei: sie hat beinahe ihr ganzes Leben in Indien zugebracht, und ist. eine Soldatenfrau im wahren Sinne des Wortes, aber sie erscheint mehr wie, eine würdige Matrone, denn als die kühne, entschlossene Heldin des Tages. General Polluck delilirle mit seinem Corps folgenden Tages; sein Tross war natürlich noch grösser, und es wurde Abend, bis derselbe das Lager erreicht halte. Von den Geschützen, die von diesen Truppen bei Erstürmung des Bala-Hissar von Cabul erobert wurden, hat mir die indische Regierung einen unter Dost Maliomed gegossenen Neonpfunder für Se. Majestät den König ubergebenDies Geschütz gebt auf dem Indus nach Bombay, und wird von dort mit der nächsten Gelegenheit nach Europa gesendet werden. General Nott rückte mit seinem Corps am Jahrestage der Ermordung M'Cnaughtens, den 23. Dccember, über den Sedletg, Er führte die berühmten Sandelholzlhore von Somnal.h mit sich, welche mit rolhen, in Gold gestickten Decken behangen waren, und von 24 Ochsen gezogen wurden. Der Maharajah Shyr Sing halle deuTho-ren nicht allein eine Leibgarde zum Empfange auf britischem Gebiete mitgegeben, sondern auch Geldgaben an letzlere gespendet, Als ich die Thöre anderen Tages näher in Augenschein nahm, fand ich mehrere Braminen daselbst, welche Blumen darauf streuten, und mir versicherten, dass an der Aechtheit derselben nicht zu zweifeln sey. Mit grosser Kunst sind Sterne und *) Camp Fcrozcpore Dccember 1(J. 1842. ,,Tlie Governor General of India, re B,m,1y mit ^ DM-> Alwar mit 323 DM., Bykanir mit 1806 DM., Jessulmere mit 978 □ M., Kischcngarh mit 72.DM., Banswara mil 144 DM., Partabgarh mit 145»■ DM., Dongerpure mit 200 □ M., Kerauly mit 187.3 DM., Serowy mit 302 DM., Catch mit 739j- DM., Rewah mit 1031 DM., und Dhattea, Jansy, Mahratta und Tcrhy mit 1617 DM. — Sechs andere Hindustaaten: Mysore mit 2800 DM,, Travancore mit 457 DM., Cochin mit 197;? □ ., Bhurt-pure mit 194.V DM., Dolpuro mit 162V DM. und Sa-want Wary mit 93^ DM. — Die unter britischer Protection stehenden Siksstaatcnmit 1662DM. und mehrere kleinere Staaten und Jagerdars, unter denen Saugor und Bandelkand die hauptsächlichsten sind. Endlich dieBerg-häuptlinge von Siccam, Manypurc, Singbum, ChotaNagpore, Sirguja , Samblepure , Oudepure, Tanjore , Curg, dieBareitschlämilie, Ferospure und die Jagerdars im südlichen Mahratlenlande. Der Flächeninhalt dieser sämmt-lichen, unter britischem Schutze befindlichen Staaten beträgt ungefähr 45,000 geogr. DM., während die den Briten gehörigen Länderstrecken gegen 62,648 DM. umfassen. Ganz getrennt von der regulären Armee befinden sich noch ungefähr 300,000Mann, welche mit Luntenflinten, Schwertern und Schilden bewaffnet sind, beider Finanz-, Polizei - und Justizverwaltung. Der grössere Thcil dieser Mannschaften ist militairisch organisirt und ausge- bildet, und ^ derselben, gleich der irregulären Cavallerie, beritten und bewaffnet. Die Besoldung der Olficiere, wie Soldaten, ist imVcr-bällniss zu der der europäischen Heere sehr hoch; indes« die bedeutenden Ausgaben, denen der Europaer in diesem Lande ausgesetzt ist, erfordern eine so hohe Gage. Her Gehalt des commandirenden Generals beträgt monatlich 10,000 Rupien , eines Generallieulenanls G000 Rupien, eines Obersten der Infanterie im Felde 1280 und der Cavallerie 1407 Hupien; eines Capitains der Infanterie 411 und der Cavallerie 500 Rupien; eines Lieutenants 251 und des Fähnrichs 200 Rupien. Der Sepoy erhält monatlich 9 Rupien, wovon 1 Rupie 8 Annen zu seiner Bekleidung in Abzug kommen. Die Bekleidung wird unter der Aufsicht einer besonderen Commission von den Regimentschefs besorgt, zu welcher Würde die Generale nach der Anciennelät steigen, und welche ihnen, selbst wenn sie auf Pension gesetzt werden, zeitlebens verbleibt. Hierdurch ergiebt sich für den Bcgi-mentschef noch eine jährliche Revenue von durchschnittlich 500 Lt. Ein europäisches Cavallericregimcnl kostet in Bengalen jährlich 73,778Lt., ein europäisches Infanterieregiment 51,754 Lt., ein Regiment Eingeborner Cavallerie 35,784 Lt. und ein Regiment Eingeborner Infanterie 24,402 Lt. Die Bengalarmee kostete 1841 vier Millionen Lt. (k Mann 40 Lt.), die Madrasarmee 2,859,927 Lt. (ä Mann 45 Lt.) und die Bombayarmcc 1,547,640 Lt. (ä Mann 47 Lt.) Mithin die ganze Armee 8,407,567 Lt. Sie wissen, dass das OHiciercorps einer Armee den Werth und die Tüchtigkeit derselben bestimm!, dass es die Kctle ist, welche dein grossen beweglichen Körper Einheit und Charakter giebt, und nach dessen Vorzügen das Ganze beurtheilt wird. Durch dasselbe leitet der Feldherr das Werkzeng, welches über das Schicksal von Staaten bestimmt und Wcllereignissen eine neue Richtung giebt. Sein gesunder, kralliger Sinn , sein ritterlicher Geist hat Englands Macht in Indien zu einer so bedeutenden erhoben. Lebensfrischc, Thalendurst, Un-abhängigkeitsgcfühl, Selbstvertrauen und ein praktischer Sinn, das Geschick, sich in alle Lebensverhältnisse schnell zu linden, charakterisiren recht eigentlich den englischen OHicicr. Sie sind ihm mehr eigen, als vielleicht irgend einem Olliciercorps der europäischen Armeen ; aber es sind diese herrlichen Eigenschaften nicht allein Gaben der Nationalität, nein, er verdankt sie den mannigfachen, grossartigen Wechselfällen seines Lebens, welche ihn beinahe nach allen Ländern der Erde führen, wodurch er die verschiedenartigsten Nationen kennen lernt, und mil den verwickeltsten Zuständen vertraut wird. Indien wird mit Recht als die Bildungsstufe für die Ollicicre der englischen Armee angeschen. Mögen auch die dortigen Kriege in vielen Dingen von denen in Europa abweichen, so kommen sie doch in dem Wesentlichsten ihnen nahe, wenn nicht gleich, und sind iu v. Orlirlfs Reite. I. 18 anderen wiederum schwieriger. Beinahe alle ausgezeichneten Generale Grossbritanniens haben ihre Schule und ihre Erfahrungen in Indien gemacht. Der Herzog von Wellington erschien von dort aus auf der pyre-näischen Halbinsel als vollendeter Feldherr. Englands politische Stellung in Indien erfordert mehr als in irgend einem Reiche der Erde, eine kriegsgewohnte .schlagfähige Armee. Ein zehnjähriger Friede dürfte dort von grösserem Nachtheile seyn, als den europäischen Armeen ein dreissigjähriger, weil man darüber vergessen würde, dass Indien auf mililairischem Wege regiert werden muss, und, um Ersparnisse zu machen auf den unglücklichen Gedanken kommen könnte, die Armee zu reduciren, ihren Gehalt zu veringern oder anderweitig zu vernachlässigen. Wenn auch der Olli-cier anerkennt, dass der Wirkungskreis des Civilbe-amten ein grossartigerer, sein Tagewerk ein härteres ist, so muss doch zwischen Beiden, da jener fühlt, dass dieser unter seinem Schulze schafft und verfügt, eine Animosität entstehen. Bei einer Verwaltung, wie die Indiens, kann das Ganze nur gedeihen, wenn Beide Hand in Hand wirken, und Beiden gleiche Vorlheile, gleiche Ehren zu Theil werden. Darum erscheint es so unbegreiflich, wie man politischen Agenten die Gewalt geben konnte, nach Gutdünken über die Truppen zu verfügen, ja selbst ihre Operationen anzuordnen. Wir sahen Zeiten, wo Männer ohne alle Rriogserläh-rung Generalen Befehle ertheilten; verantwortlich sollte damals der Agent seyn, aber nach dem Ausgange wurde der General beurtheilt. Eine eigenthümliche und bei allen sonstigen Vortheilen doch auch sehr nachtheilige Einrichtrang sind die sogenannten ,, Staffappointemenls", die Anstellung für den Generalstabsdienst. Solche sind nicht allein bei der Truppe, sondern auch Anstellungen im Lande. Sic bringen zwar Olficiere in die bedeutendsten und belehrendsten Wirkungskreise, aber sie berauben auch die Regimenter derselben und entfremden so den Officier gänzlich von der Truppe, was bei den mit europäischen Officieren sehr schwach besetzten Regimentern von nacht heiligen Folgen seyn muss. Ich machte die Bekanntschaft eines Capilains, welcher bei zwanzigjähriger Dienstzeit nur zwei Jahre beider Truppe gestanden, sein Regiment seit dieser Zeit verlassen, immer an Einem Orte gestanden und Cavallerie und Artillerie noch nie gesehen hatte. Solcher Generalstabsanstellungen hatte Bengalen vor drei Jahren 400, Bombay 181) und Madras 301. Doch muss ich hierbei erwähnen, dass Jeder, der auf eine solche Anstellung Anspruch macht, vorher vor einer Commis-sion ein Examen in Persisch und Hindostani bestehen muss. Dagegen gewährt das camcradschaftlichc Leben einen sehr wohlthuenden Eindruck. Ich habe das Glück gehabt, die meisten Armeen Europas kennen zu lernen; aber in keiner mehr Innigkeit und gegenseitige Aufopferung als in der englischen gefunden. Hierin will Niemand dem Anderen nachstehen, hierin betrachten sie sich 18* alle gleich, der höhere Officier ist dem jüngeren nicht entfremdet, dessen Interessen sind auch die scinigen, Beide wollen Freud und Leid mit einander theilen. Ein Olficiercorps ist dort im wahren Sinne des Wortes eine grosse Familie. Es liegt etwas herzliches, vertrauungs-vollcs in der Art, mit welcher der jüngste Olfieicr bei tische den General nach englischer Sitte auffordert, dass er mit ihm ein Glas Wein trinken möge. Dabei sieht man aber im Dienste strenge Ausübung der Pflicht, und niemals ein Hintansetzen der Achtung, welche der Jüngere dem Aeltcrcn schuldig ist. Aber die britische Armee iu Indien bedarf, wie die meisten Armeen, frischer, junger Kralle an der Spitze der Truppen. Die meisten Generale und Stabsolficicre haben ein zu hohes Alter erreicht, und finden nie Gelegenheit, grosse Massen zu stellen und zu bewegen. Sie haben ihre meiste Lebenszeit in Indien zugebracht, einige sahen seit ihrem siebenzehnten Lebensjahre das Vaterland nicht mehr, andere vielleicht nur auf kurze Zeit; ihnen ist die indische Lebensweise zur anderen Natur geworden. Auch unter den Hauptlcuten findet man selten junge Männer, indem die meisten erst nach achtzehnjähriger Dienstzeit diese Charge erreichen; obwohl sie nach fünfzehnjähriger zum „Brcvctcaptain" befördert werden. Die Schwierigkeiten, mit welchen der General einer indischen Armee zu kämpfen hat, übersteigen alle unsere Begriffe von Kriegführung. Ihm liegt die Sorge für die Erhaltung zweier Heere ob, des Fechtenden und des Trosses, wo dieses das grössere, weniger geordnete und schwerfälligere ist. Nicht allein dass Alles genöthigt ist, unter Zelten zuzubringen, sondern auch die grosse Anzahl der Diener, welche zur Bedienung und Fortschaffung aller Lebensbedürfnisse erforderlich sind, und das strenge Festhalten des Hindu an seinen Gebräuchen. Jeder Sepoy führt sein Kochgeschirr mit sich ; wenn er ins Lager rückt, baut er sich seinen kleinen Hcerd, umgiebl ihn mit einem Kreise , um den Ungcweihtcn von den Speisen abzuhalten, und kocht sich sein Essen allein; auch hierin will keine Gaste mit der anderen Gemeinschaft haben. Bei einem europäischen Infanterieregiment bilden 1 Sergent, 1 Corporal und 14 Mann eine Zeltmannschaft, welche von einem Claschy (Zeltschläger), einem ßchischty (Wasserträger) und einem Doby bedient wird, und vier Kameelc bedarf; bei einem Sepoy-regiment gehören 2 Sergenten, 2Corporate und 28Mann zu einer Zeltmannschaft, denen 2 Claschys und 2 Wasserträger zugetheilt sind. Bei der Cavallerie hat jeder Soldat einen Seyce (Pferdehalter), welcher das Pferd putzt und füttert, zwei Soldaten einen Wasserträger und immer zwei Pferde einen Grasschneider; Zelte und andere Bedürfnisse werden auf Kameelen oder Heckerics nachgeführt. Zu jedem Geschütze gehören 4 Wasserträger, 4 Grasschneider, 4 Pferdeputzer, 2 Waschleute und ein Zcltaufschläger. Der Reservearmee, aus 5 Regimentern Cavallerie, 12 Regimentern Infanterie und 48 Geschützen bestehend, waren zu ihrem Transport 164 Elephanten, 1745 Kameelc, 2000 Zugochsen und 5422 Trossdiener geliefert. Als sich die aus Afghanistan heimkehrenden Truppen mit ihr hei Ferospur vereinigt hatten , befanden sich 36,000 Mann und 102 Geschütze daselbst unter den WaiFen, zu denen 400 Elephanten, 25,000 Kameele, 6000 Zugochsen und gegen 100,000 Diener aller Art gehörten. Diese Armee nahm im Lager über zwei deutsche Meilen ein, und hätte nach genauer Berechnung auf dem Marsche eine Ausdehnung von 80 englischen Meilen erreicht! Den Comfort des Lebens, den der Engländer sich in seinem Valcrlande so behaglich zu schaffen weiss, trägt er auch nach Indien hinüber; aber hier, wo der Keich-thum der Natur, der Genüsse so mannigfaltig ist, wo das Clima, die Sitten und die Gewohnheiten den Bequemlichkeilen des Lebens so verschwenderisch Vorschub leisten, findet man es in einem noch höhereu Grade. Die grosse Anzahl der Diener, wie denn ein Lieutenant deren selten unter zehne hat, ein Capitain gemeinhin vierzehn und ein General wohl einige zwanzig; die Sonderung von den Eingebornen, denen gegenüber er sich als ein höheres Wesen zu stelleu genölhigt ist, zwingen jeden seinen eigenen Haushalt zu bilden. Darum findet man in den Standquartieren so viele Landhäuser (Ban-galows genannt) als sich ölliciere dort befinden; und wo neue Stationen errichtet werden, sieht man in kurzer Zeit die schönsten Landhäuser, von den lieblichsten Gärten umgeben, entstehen. Hinler den Baugalows lie- gen die von Lehm erbauten Baracken der Eingeborenen ; Bütten ähnlicher als ordentlichen Gebäuden. Dagegen sind die Casernen der europäischen Regimenter mit um so grösserem Luxus mit aller mögliehen Rücksicht auf das Clima gebaut. Jedes Olliciercorps hat sein eigenes Messbangalow, welches aus einem Versammlungsziin-mer, einem Speise-, Billardsaal und einem Bibliothck-zimmer besteht; ein Blumen-, Gemüse * und Obstgarten versorgt die Tafel mit dem Notlügen. Die Tafel ist selten unter zehn Gerichten, geschmückt mit silbernen Aufsätzen und Schüsseln und auf reichem Geschirr servirt, wras Alles durch die weiten Länder geschleppt wird. Die Messe allein kostet Jedem monatlich CO Rupien, Aber dennoch muss man dem englischen Ollicier das Recht widerfahren lassen, dass er bei den grössten Anstrengungen, sich auch freudig den grössten Entbehrungen unterzieh! ; er will diese Bequemlichkeiten nicht aufgeben, wo er sie haben kann, verzichtet jedoch gern darauf, sobald es die Notwendigkeit erfordert. Ich glaube diese Zeilen nicht besser beschlicssen zu können, als wenn ich das Leben eines englischen Olli-ciers in Indien, iu der Kürze an Ihnen vorüber gehen lasse. Ist er in Indien geboren, so senden ihn die Eltern, damit er keine Beute des Climas wird, vor dem achten Jahre nach England. Hier finden wir ihn in der Schule zu Addiscombe, wo er für seinen Beruf erzogen, mit dem achtzehnten Jahre seine Eltern und Indien wiedersieht. In den ersten Jahren nimmt ihn der Dienst und die Er- lernung der eingebornen Sprachen in Anspruch; der neue Wirkungskreis, die fremdartigen Eindrücke von Natur und Menschen haben einen grossen Heiz für ihn. Aber wenn er erst mit dieser Neuheit vertraut ist, verschwindet auch das Inlercsse dafür, sie wird ihm alltäglich und um so widerlicher, wenn er an eine Station gebunden ist, und das Clima ihm anfängt lästig zu werden. Morgens, noch ehe die Sonne aufgeht, linden Truppen-Übungen statt, oder ein Spazierritt wird unternommen; aber bevor der Sonne Strahlen mächtig sind , muss dies beendigt seyn. Ein Bad erfrischt ihn nach dieser Anstrengung, und die neunte Stunde vereinigt ihn mit seinen Cameraden zum Frühstück. Nach demselben wird die Zeit bis 2 Uhr mit Billardspielcn, Lesen, Arbeiten, der Hucka oder in einem ilolce für nie nie zugebracht. Zu dieser Stunde befindet er sich wieder im Messlokale zu einem zweiten wurmen Frühslücke, dem 'rillen, wie es der Engländer hier nennt. Nach diesem verlliesst die Zeit in derselben Weise wie vorher, und erst, wenn die Sonne im Untergehen begriffenist, nimmt ihn von Neuem der Dienst in Anspruch oder körperliche Bewegungen werden vorgenommen: Beilen , Bockelspiel oder Crik-kett. Abends 8 Uhr findet das Mittagsmahl statt, wo man gewöhnlich bis 10 Ehr zusammenbleibt. Die einzige Unterbrechung dieses einförmigen Lebens sind Wettrennen und Jagden, namentlich Tiger- und Eberjagden, ein Vergnügen und eine Gefahr, welche Jeder erlebt zu haben wünscht uud weder Kosten noch Mühe scheut, sich diesen Genuss zu verschaffen. Nach solchen kühnen Jägern suchte der Herzog von Wellington, wenn es auf etwas Entscheidendes ankam. Zehnjährige Dienstzeit giebt dem Officier das Hecht, auf drei Jahre beurlaubt zu werden , worauf er seilen verzichtet, wrcil ihn gemeinhin Krankheit und Liebe zu dem Vater-lande nach Europa ziehen ; oder er suchl die Wiederherstellung seiner Gesundheil in einer der fünf Gesundheits-stationen: den Mahabaleshwarbcrgcn, den Ncilgheries, Simla, Cherra Punjy (in den Cossyahbergen) und in Dargyling. Hat er sich ein Familienleben gegründet, so schallt ersieh wohl einKesitzthum und betrachtet Indien gleichsam als sein zweites Vaterland. Wenige unter ihnen fühlen sich glücklich in diesem Wuuderlande, die Meisten scheiden nach fünfundzwanzigjähriger Dienstzeit, hoffen in der Heimath ein zufriedeneres Leben zu führen, und linden hinterher, dass sie, den Angehörigen und Freunden entfremdet, das Gesuchte nicht mehr erreichen können. VII. AN ALEXANDER VON HUMBOLDT. Rückreise von Lahore nach Ferospur; Reise durch die protektiven Siksstaatcn nach Sunain ; Anlilopenjagd mit einem Leoparden ; Marsch mit dem Geiieralgouverneur nach Dathal, Sagun und Keythul; Kamaul; Aufbruch nach 'Pauipat und Besichtigung der Stadt und des Schlachtfeldes ; Lager der Elephanten. DELHI, den 14. Februar 1843. Aus der einstigen Capitale der Kuru und der Gross-moghule, dem weltberühmten Delhi, begrüssc ich Sie und alle Lieben in der Heimath mit dem Zeichen der Erinnerung. Sie werden hoffentlich mein Schreiben aus Lahore erhalten haben, in welchem ich Ihnen von meinem dortigen Leben erzählte, und sich erinnern, dass ich darin die Absicht aussprach, nach Caschmir zu gehen. Die britische Hegierung, und besonders George Clerkc, der Gesandte am Hofe zu Labore, wollten es beim Maharajah vermitteln; aber Herr Maddock drang ernstlich in mich, diesen Plan aufzugeben. Er sagte mir, dass er die Zustände in jenem Lande für höchst unsicher halte, die dorlige Regierung auf zu schwachen Füssen stände und, wenn eine Umwälzung stattfände, während ich mich in jenem Laude befände, mein Leben der grössten Gefahr ausgesetzt sey. Obgleich der Rath eines so einsichtsvollen Freundes mich schon allein hätte veranlassen müssen, meinen Plan aufzugeben, so war es aber noch mehr die ßesorg-niss , dass man sich mit dieser Absiebt nicht einverstanden erklären könnte, und dem gemäss mich zu verhalten, muss meine erste Pflicht seyn. Ueberdem sind die Kosten dazu so bedeutend, dass ich fürchtete , es würde meine Kräfte bei weitem übersteigen, und mit der Ausbeule nicht in Einklang zu bringen seyn. Ich nahm in meinem letzten Briefe in jener Nacht von Ihnen Abschied, als ich eben von Schalimar zurückgekehrt war, und den Maharajah zum letzten Male gesehen hatte. Anderen Morgens, den 13. Januar, traten wir mit denselben Kutschen und in gleicher Art die Rückreise nach Ferospur an. Bei Lulliana nahmen wir, während die Pferde gewechselt wurden, unter einem vorangeschicklcn Zelte ein Frühstück zu uns, und dann begrüssten uns wieder von Kassaur aus die Kanonen der Festung. Unsere Bedeckung, von dem Obersten Shelh Sing angeführt, blieb stets zur Seite, einige der Reiter waren so malerische Erscheinungen, dass ich sehr bedauere, kein Bild von ihnen entworfen zu haben; namentlich zog ein graubärtiger Gortschura, der mit seinen durchdringenden Augen uns fortwährend beobachtete, und, ohne sein Pferd zu wechseln, mit uns zugleich am Sedletg eintraf, meine Blicke auf sich. Am Sedletg fanden wir die Boote zum Uebersetzen bereit, und am jenseiligen Ufer Fuhrwerk und Elephanten, uns nach den Cantonnements von Ferospur zu bringen. In dem Bungalow meines Freundes Ewart fand ich die gewohnte gastfreie Aufnahme und wir verplauderten in Gesellschaft seiner liebenswürdigen Gattin und des Capilains Hay die Abendstunden, wobei ich nicht genug von dein merkwürdigen Hofe in Labore erzählen konnte. Der folgende Tag wurde mit Vorbereitungen zu meiner Heise durch die protektiven Siks-staaten nach Sunam zugebracht. George Clerke hatte nämlich die Güte, uns eine Dawk zu legen, vermöge welcher wir es möglich machten, den Generalgouverneur in diesem Orte einzuholen. Dieselben Menschen, welche Herrn Maddock und Capitain Somerset getragen hatten, sollten mich am Sonntag Abend fortbringen. Die Siks Staaten (14,000 engl. Quadratmeilen) werden von hundert und fünfzig kleinen Rajahs und Scrdars beherrscht, unter denen die von Patteala, Kcytul, Naba und Jynd die bedeutendsten sind, und stehen unter dem Schutze der britischen Regierung. Sie sind, mit Ausnahme von fünfzehn, Siks und Eroberer des ihnen gehörigen Landes j das Volk, mch-rcntheils Muselmänner urd Hindus, wird völlig despotisch regiert. Man schätzt das Einkommen von allen diesen kleinen Fürslenthümern und Jagerdars auf jähr- lieh einige fünfzig Lack, und glaubt, dass dieselben ohne Schwierigkeilen 5000 Heiler und 20,000 Mann Infanterie zusammenbringen können. Von dem schönsten AVetter und hellem Mondschein begünstigt, bei 56° F., trat ich Abends 9 Uhr die Reise an. Acht Leute trugen abwechselnd meinen Pa-laukin, ein Fackelträger ging nebenher und ein mit Säbel und Flinte bewaffneter Kamcclreiler (Sawar) trabte voran. Bis zur ersten Station fühlte der Weg meh-rcntheils durch Jangles, unzählige todtc Kameelc bezeichneten die Richtung, welche von der Armee genommen worden, sie waren umlagert von Schakals, die, ihren Hcisshunger zu stillen, sich hierher gezogen hatten. Die Strasse, welche ich einschlug, ist niemals von Palankinreisenden benutzt worden, die Träger waren für unseren Zweck gegen Bezahlung aus den Ortschaften entnommen, und daher dieser Arbeit gänzlich ungeAvohnt. Auch stehen diese Gegenden der Unsicherheit wegen nicht in dem besten Rufe, englische Ollicicre sind hier oft beraubt worden, und noch wenige Tage nach mir wurden einem Obristen in der Nacht seine Kamcele, Pferde und ein Thcil seiner Effekten gestohlen. Dies hatte George Clerke bewogen, Su-wrars zu unserer Sicherheit aufzustellen, denen zugleich die Aufsicht über die Träger übertragen war. Vom Dorfe Malwal an fand ich daher zwei bewaffnete Reiter und statt acht Trägern deren seebszchu; allein es wurde den Leuten beiir besten Willen die ungewohnte Arbeit sehr schwer, und anstatt in der Stunde drei Meilen zurückzulegen, brachten sie mich kaum zwei weiter. Als mir daher die Suwars in Mudky das Anerbieten machten, eines ihrer Pferde zn besteigen, und meinen Pa.fatnk.in nachkommen zu lassen, nahm ich dies mit Freuden an. Nun ging es unaufhaltsam über Bha-ga-Parana, Patoki, Bhadaur, Ugaiky, Hudaya und San-gawal nach Sunam. Die Gegend war bald mehr, bald weniger bebaut, der Boden überaus fruchtbar, einzelne kleine Forts lagen gleich Bilterburgcn zur Seite, und mehr als ein Mal wurde ich an unsere mittelalterlichen Zeiten erinnert. Nach vier und zwanzig Stunden halle ich den Weg von hundert Meilen zurückgelegt, und bekam Abends 9 Uhr das von Mauern umgebene Städtchen Sunam und das dahinter aufgeschlagene Lager des Gcneralgouvcrneurs zu sehen. Ohne irgend eine Nahrung zu mir genommen zu haben, und von der schwerfälligen Gangart der Pferde und den unbequemen Sätteln sehr angegrilfen, fühlte ich mich so erschöpft, dass ich kaum das Zelt meines Freundes Durand erreichen konnte, um ihn zu bitten, mir einige Erfrischungen zukommen zu lassen. Oberst Ashburn-ham, welcher sich meines Werners während meiner Abwesenheit angenommen hatte, Hess mir ein Lager in seinem Zelte bereiten und die grosse Ermüdung wiegte mich bald in festen Schlaf, der mich neu gestärkt dem anderen Morgen zuführte. Am 17. Januar brachen wir nach dem Dorfe Dirbab auf. Wir hatten die Truppen und das Lager vorangehen lassen, der ganze Weg von 13 Meilen war von ihnen bedeckt, und nicht ohne Mühe und weite Um-wesre mussten wir uns durch dieses wandernde Volk durchwinden. Einer der uns begleitenden Siksrajahs hatte einen sechs Monate alten Elephanten mitgebracht, welcher im zahmen Zustande geboren war; und ein anderer Ilajah führte einen zur Antilopenjagd abgerichteten Leoparden mit sich, mit dem wir gleich nach unserem Eintreffen eine Jagd veranstalteten. Der Leopard ist dabei mit einer rollten Kappe versehen, ähnlich denen der Falken. Sobald man dem Wilde nahe genug ist, wird dem Leoparden die Kappe abgenommen, der Führer streicht einige Male über die Augen des Thiercs und richtet dessen Kopf nach der Antilope. Kaum wird diese von dem Leoparden gescheit, als er ihr auch schon nachsetzt; gelingt es ihm aber nicht, die Antilope in zwei bis drei Sprüngen zu erreichen, so lässt er davon ab und legt sich ruhig hin. Sein Führer nimmt ihn wieder auf die Heckerie und giebt ihm etwas Fleisch und Wasser zur Stärkung. Eine zweimal verfehlte Jagd macht den Leoparden niuthlos und er ist erst nach einigen Tagen wieder zu gebrauchen. Die Antilope besitzt eine solche Springkral'l, dass sie Sätze von 30 bis 40 Schritte macht, deshalb leicht dem Leoparden entkommt, und man genölhigl ist, sich dem Wilde so sehr als möglich zu nähern. Gelingt es aber dem Leoparden, die Antilope zu fangen, so springt er ihr auf den Rücken, sie dabei mit seinen Tatzen umklammernd, sie stürzt zusammen , er saugt ihr das ßlut am Halse aus und folgt nachher ohne Widerstand seinem Wärter. Wir befanden uns auf zwei von Ochsen gezogenen Jleckeries, der Leopard mit seinem Führer auf einem drillen. Das Wetter war klar und kühl, denn wir hatten Mittags nur 69j° F. Zwei Meilen vom Lager wurden wir ein Rudel Antilopen ansichtig und es gelang uns, dieselben so zu umkreisen , dass wir ihnen bis auf 50 Schritt nahe kamen. Der Wärter besorgte, die Antilopen würden nicht länger Stand halten und Hess den Leoparden springen; aber der Roden war zu sehr mit Dornen bedeckt, und die Antilopen machten so grosse Sätze, dass der Leopard nach zwei Sprüngen schon nach-liess und sich niederlegte. Eine zweite Jagd war ebenso erfolglos, und wir mussten unverrichteter Sache zurückkehren. Am folgenden Morgen schloss ich mich dem Gene-ralgouverneur an, welcher immer der Erste ist, der nach dem neuen Lager aufbricht. ]hm folgen die Truppen und der Tross, und ein Eanoncnscbuss giebt das Zeichen seiner Abreise. Begleitet von seinem Stabe und einem Theil seiner Leibgarde, verlässt Lord Ellenborough gewöhnlich eine Stunde vor Sonnenaufgang (heule bei 47.V° F.) das Lager, und lässt sich, bis der Tag anbricht, von Fackelträgern den Weg erleuchten. Gemeinhin srhlicssen sich ihm noch Hindu Hau und die Alfghancnhäuptlinge an. Eine Meile vor dem neuen Lager findet man Helller und Fakire zahlreich an der Strasse, welche durch ihre kleine Trommel und durch Gesang das Mitleid der Vorübergehenden in Anspruch nehmen ; von Calcutta aus folgte Lord Ellenborough ein alter Fakir, der es sich zum Beruf gemacht hatte, dem Könige des Landes schützend zur Seite zu bleiben. Der Weg nach dem eilf Meilen entfernten Dathai führt durch eine ebene, aber fruchtbare und reich bebaute Landschaft, deren Anblick durch kleine Waldchen zwischen den Fruchtfeldern ein sehr malerischer ist. Da mein Palankin auch hier noch nicht eingetroffen war, in welchem sich mehrere meiner Sachen, Pistolen und Geld befand, so hatte George Clerke die Güte, einen reitenden Bolen nach demselben abzuschicken, feh gab schon die Hoffnung auf, das Meinige je wieder zu erhalten; aber zu meiner nicht geringen Ueberra-schung wurde mir der Palankin zwei Tage später ganz unversehrt überliefert, selbst einiges in demselben ollen liegende Geld war unangerührt. So gross ist der Einfluss der Briten und besonders George Clerke's Ansehn in diesen protektiven Staaten! Den 19. Januar ritt ich nach Sagun (10 31cilen) auf einem Elephanlcn; die Gegend dahin ist etwas mehr von niedrigem Gesträuch bedeckt und weniger angebaut, aber der Weg vortrefflich. Kurz vor dem Orte kamen wir durch den von 20' hohen und steilen Ufern v. OrUctVi Reise. I, 19 eingeschlossenen Gaggcrfluss, welcher jetzt kaum 2'tief war, aber bei starkem Hegen so bedeutend anschwillt, dass ein Durchgang unmöglich ist. Lord Auckland musste, bis sich das Wasser verlaufen hatte, drei Tage an seinem Ufer liegen bleiben. Folgenden Tages, nach dem letzten Siksorle Kcythul (12 M.), überschritten Avir die Sursatli, einen JNebcnfluss des Gagger. Es war ein kühler nebeliger Morgen, nur 42J° F.; der Boden mehrentheils bebaut und sehr fruchtbar. Vor Kcythul, an der Landslrasse, stand des Hajahs Bruder mit vier Böllern und einigen hundert Suwars auf Kameelen und zu Pferde, alle in gelben Gewändern, um den Gcncral-gouverneur zu bewillkommnen. Den Rajah fesselt Krankheil seit Jahren an das Lager. Ich war auf einem Elephanten Lord Ellenborough vorangeritten, und hatte daher Gelegenheit, den festlichen Empfang gehörig in Augenschein zu nehmen. Die Kanoniere hielten uns in ihrem Eifer für den hohen Gast und feuerten ihre kleinen Kanonen ab; aber sie wurden bald den Irrlhum gewahr und hielten nach zwei Schüssen ein. IN ach Landessitte sandle der Kajah dem Gcneralgouvcrneur Blumen, Früchte, Süssigkeiten und Lcbcnsmiltel aller Art, und seine Suwars befanden sich den ganzen Tag neben unserem Lager. Keythul ist einer der reizendsten Punkte in diesen Staaten. Ein ziemlich breiter und wasserreicher Teich, einem kleinen See ähnlich, zieht sich südlich im Halbkreise nach Oslen, um den auf einer kleinen weüenför- migrn Höhe gebauten Ort. An der Ostspitzc befindet sich eine von Steinen erbaute Citadelle, deren zwei 50' hohe und runde Bollwerke ins Wasser vorspringen. Auf denselben liegt das Schloss des ltajab, und gegenüber , am anderen Ufer, durch eine Bogenbrückc verbunden, iu rein italienischem Style, seine Sommervilla. Liebliche und zierliche Gärten voll Blumen, Früchten und Palmen, sowie grosse Tamarinden, Mango, Ni-mes (Melia azcdirachta)und Pipalahüume zogen sich um den Teich, das Schloss und die Villa, neigten sich mit ihren anmulhigen Zweigen über den Wasserspiegel oder schwebten mit den vom leichtesten ZephjT bewegten Bliithcnäslcn leicht auf der Oberfläche umher. Unter dem Schatten dieser üppig belaubten Bäume liegen gemauerte Bassins mil Freitreppen zum Baden. Au einigen Punkten, namentlich von der Plattform der Villa, bekommt man mit einem Blicke die zauberischen Reize zu sehen, welche über dieser anmulhigen Landschaft ausgegossen sind. Auf einem der Dollwerke liegt das Schloss und der Harem des Rajah, und wir bemerkten mehrere weibliche Gestalten in leichten weissen Gewändern, welche mit Blumen spielten, aber entflohen, als wir die Fernröhre nach ihnen richteten. Von hier ritten wir auf Elephanten durch die Stadl; ihre engen Strassen sind aus Backsteinen und Lehm erbaut, indess war in den Bazars viel Leben, selbst Seidenstoffe und Shawls aus Multan und Caschmir wurden darin feilgeboten; letztere freilich von sehr unter- 19* geordneter Qualität. Der Rajali hatte den Generalgouverneur um einen Arzt bitten lassen, ein Beweis, dass er sich dem Tode nahe fühlen musste. Wenn er stirbt, fällt sein kleines, schönes Ländchen, mit einer Revenue von fünf Lack, an die britische Regierung, weil er weder Kinder noch anspruchsberechtigte Verwandte besitzt ; seine Frauen sehen diesem Augenblicke mit Sorgen entgegen. *) Von dem reizenden und mannigfaltig bebauten Key-thul kamen wir den 21. nach Fatteypur (ll.V M.), durch eine meist von Gebüschen bedeckte Gegend, denn wir trafen nur ein Dorf am Wege. Fatteypur, ein grosses aber schmutziges Dorf, ist von Teichen und schönen Bananen und Tamarinden umgeben; in dem grünen, unreinem Wasser sahen wir den ganzen Tag unsere Hindus sich baden und daraus trinken. Es giebt wohl kein reinlicheres und zugleich sebmuzigercs Volk als die In-dier; fortwährende Waschungen, stets in netten weissen Gewändern, aber dasselbe Wasser, in dem sie den Körper gereinigt, die Bedürfnisse verrichtet, dient ihnen häufig zum Trinken und Kochen. Der Weg nach Nisang (15 M.) führte uns folgenden Tages durch eine fruchtbarere Gegend; zur Seile nach Osten lagen in voller Klarheit, Pracht und Schönheit ') Der Rajah starb noch im Marz desselben Jahres, und nach seinem Tode wollte sich seine Gemahlin mit Gewalt des Thrones bemächtigen , aber sie wurde gefangen genommen und das Lumichen den britischen Besitzungen einverleibt. die Himalajagebirgemit ihren mächtigen Massen, und deren schneebedeckte Spitzen (sechs Höhen über 20,000')*) das Himmelsgewölbe zu erreichen schienen. Besonders kenntlich machte sich der Jamnolri-Peak. Er ist ein Wallfahrtsort der Hindus, von welchem aber Niemand heimkehren darf, will er nicht seine Caste verlieren; denn wer die Reise dahin unternimmt, wird, wie die Braminen sagen, von den Göttern in die seligen Gefilde des Jenseits geführt, kehrt er aber zurück, so ist er als ein Verstossener anzusehen. Natürlich kommt Jeder, der den Weg dabin unternimmt, durch Hunger und Kälte um. Ein sittenloser und verschmitzter Hindu, dessen Leben schon manchen Ansloss gegeben halte, wollte sich von den Vorwürfen reinigen und in den Schein der Heiligkeit setzen. Er nahm Abschied von Frau und Kindern, empfing den Segen und wurde von einigen Braminen bis zu 5000' Höhe begleitet, dann wanderte er allein weiter. Aber die Kälte war ihm unerträglich, und man war nicht wenig verwundert, ihn nach einigen Tagen wiederkehren zu sehen. Voll Tadel und Entrüstung fragten ihn die Braminen, wie dies möglich sey. ,,Ich hatte," entgegnete er, „meinen Weg verfolgt, und wollte mich eben vorbereiten, vor Golt zu erscheinen, aber da zeigte sich mir der Herr und gebot mir, umzukehren. So sehr ich lichte, mich ') Der Cone 21,178', der Jamnotri-Pcak 21,155', der Gtkn-gotri 22,798', der liudriuath 23,441', der Mt. Moira 22,062' und der Lewahir 25,749'. gewähren zu lassen , um so ernster befahl er mir, mein Vorhaben aufzugeben." „„Du hast Frau und Kinder," "sagte Gott, ,, „welche deines Beistandes bedürfen, verkündige den Braminen meinen Willen und sie werden den Willen für die That ansehen." " Auf diese Anrede wussten die Braminen nichts zu entgegnen und der schlaue Hindu hatte seinen Zweck erreicht. Den 23. lagerten wir vier Meilen von Kamaul. Auf dem Wege dahin trafen wir in den Jangles Antilopen, welche so zahm waren, dass sie sich selbst vor dem ungewohnten Anblick eines Elephanten nicht scheuten, sondere uns neugierig längere Zeit begleiteten. Nachmittags bezog sich der Himmel (bei 77° F.) im Westen mit schwarzen Gewitterwolken, und während auf dieser Seite Blitze die Landschaft erleuchteten, versilberten auf der entgegengesetzten Seite die Strahlen der Sonne die Schneeberge des Himalaja. Ein leichtes Unwohlsein nöthigte mich folgenden Morgen nach Kar-naul zu fahren. Schon auf dem Wege erreichten uns die Gewitterwolken, und ein tropischer liegen fiel unaufhaltsam den ganzen Tag herab, wodurch nicht allein wir und die Truppen völlig durchnässt wurden, sondern auch unsere Zelte so viel Wasser einsogen, dass wir hier fünf Rastlage machen mussten. Wenn der Boden aufgeweicht ist, können die Kameele kaum von der Stelle kommen, und sehr häufig büsst man bei solchem Wetter die schwächsten Thiere ein, da sie im Fallen mit den Hinterlassen seitwärts auseinander gleiten, wodurch sie sich die Sehnen aufreisscu und Hiebt mehr aufstehen können. Es ist ein wehmüthiger Anblick , diese nützlichen und geduldigen Thiere so dahin sterben zu sehen. Unser Lager befand sieh östlich von den Cantonnements, unweit der Kirche auf einer Ebene. Mehrere Zelte und namentlich das meinige waren so vom Regenwasser umgeben, dass sie wie auf einer Insel lagen und man nur auf kleinen Dämmen trockenen Fusscs hineinkommen konnte. Die Cantonnements ziehen sich im Halbkreise drei Meilen um die Stadt. In ihnen liegen, ausser den Casernen, hunderte von Villen und Bangalows, mehrere mit vieler Kunst und in reinem Geschmack gebaut, und sämmtlich von niedlichen Gärten oder parkartigen Anlagen umgeben. Aber leider hat Karnaul aufgehört eine Gesundheilsstaüon der Briten zu seyn, indem hier seit einem hajhen Jahre die verheerendsten Fieber unler den europäischen Trappen gewüthet haben, und ein grosser Thcil dieser schönen Anlagen verlassen werden mussle. Ob die Aufräumung des Canals, der sich von hier gegen Delhi nach dem Jamna hinzieht, die Schuld davon trägt, ist noch unerwiesen; Sachverständige behaupten, es sey ein vorübergehendes Uebel, und nur an eine bestimmte Lokalität gebunden, da, wo gerade die Casernen der curopäi-schen Truppen gelegen haben. Die Stadl selbsl, mch-renlheils von Backsteinen gebaut, ist von einer hohen Mauer umgeben, eng und schmuzig und hat kaum 8000 Einwohner. Kunststrassen mit Bäumen bepflanzt durchziehen die Cantonnements nach allen Seiten. Erst am 26. Abends klärte sieh der Himmel auf, wir waren bis dahin gänzlich an unsere Zelte gefesselt gewesen, entschädigten uns nun aber durch stete Ausflüge nach allen Seiten und durch den erbebenden Anblick des Himalaja, dessen kolossale, mächtige Formen sich nie in solcher Klarheit an dem dunkeln Blau des Himmels gezeigt hatten. Lord Ellenborough gab beinahe täglich Feste in seinem Zelle, und auch einen Ball, welcher jedoch wegen Mangel an Damen sehr wenig belebt war, und die tanzlustigen Herren nöthigte, sich unter einander zu vergnügen. Am Sonntage fand die gottesdienstliche Feier in der Kirche statt, bisher hatten wir uns, um Gott zu danken und zu preisen, im Zelte des Gencralgouvcrneurs versammelt. Es war das erste Gotteshaus mit einem Glockcnthurme, welches ich in Indien sah, und es erinnerte mich aufs lebhafteste an die Heimath. Etwas störend, aber durch das Clima geboten, sind die Panka's in der Kirche. Montag, den 30., brach das Lager nach Garaunda auf (12 M.). Die Strasse dahin war jedoch so aufgeweicht, dass mehrere Heckerics und Kameelc umfielen, und der Abend herankam, bis wir alle unsere Bagage zusammenhatten. Von Kamaul an sind die Cost- Minars, welche Akbar der Grosse von Delhi bis nach Caschmir alle Cost (eine Cost gleich 2 engl. Meilen) als Meilenzeiger errichten licss, noch erhallen; einige waren aus Pielät von den Einwohnern renovirt worden. Es sind spitz zulaufende, 20' hohe runde Thürmchen von Steinen erbaut. Auf dem halben Wege führte eine schön gewölbt« hohe Bogcnbrückc, vom Kaiser Humayun angelegt, über den nach Delhi gebenden Canal; ein ungewöhnlich grosser Baumwollenbaum an derselben scheint gleichfalls aus jener Zeit herzurühren. Garaunda ist ein kleiner Ort mit einer alten Carawanserei, von welcher die nach Norden und Süden liegenden grossen und schönen Thore mil kleinen Thürmchen am besten erhalten sind. Abends bei einem Spaziergange durch das Lager mit Herrn Maddock, sahen wir die originellsten cquilibristischcn Künste einer Frau, Dieselbe hatte sieh nämlich an einem hohen Baume mit ihren Haaren aufgehangen, und machte so in der Luft schwebend alle nur möglichen Bewegungen mit ihrem Körper. So wenig anziehend dies uns erschien, so ergötzlich fand es die umstehende Menge, welche noch durch die komischen Erklärungen eines Spassmachers bei guter Laune erhalten wurde, und sich einige Kupfermünzen aus der Tasche locken liess; dies hat übrigens bei den Eingebornen seine Schwierigkeiten, und setzt eine grosse Ueberredungsgabe des Empfängers voraus. Folgenden Tages marschirten wir nach Panipat (10 M.). Die Gegend ist durchweg bebaut, Waizen und Gerste standen in grosstcr Ucppigkeit auf den Feldern. Panipat ist ein kleiner freundlicher Ort aus Backsteinen erbaut, mit 6000 Einwohnern und von einer Mauer umgeben; die Bazare sind reinlieh und geräumig und man Bildet iu ihnen einen grossen Reichthum von Waaren aus Delhi. Auf der westlichen Seite liegen kleine Hügel aus den Trümmern verlassener Häuser, Moscheen und Carawansereien entstanden; wie denn überhaupt und besonders im nördlichen Indien, alle Städte und selbst Dörfer von solchen Ruinen umgeben sind. Das Städtchen hat bei den Muselmännern einige Berühmtheit, indem hier ein Heiliger, Schah Ali Cal-ländas, begraben liegt; aber in der Geschichte Indiens sind die Felder, welche nach Süden liegen, sehr blutige und entscheidende gewesen. Drei Schlachten sind hier geschlagen worden, in der letzten, im Jahre 1761, sollen 200,000 Mann C avallerie der Mahratten gekämpft haben. Dies Alles in Augenschein zu nehmen, begab sich der Gcneralgouvcrneur mit seiner Umgebung auf Elephanten dahin, begleitet von einem alten Muselmann, welcher nach den Ueberlicferungeii seines zu jener Zeit hier thätig gewesenen Vaters als Führer diente. Wir fanden die Einwohner, Männer, Frauen und Kinder, festlich gekleidet auf den Strassen oder auf der Plattform der Häuser, überall verneigte sich das Volk vor dem hohen Herrn; aber vor dem Grabe Calländas und auf dem von Mauern eingeschlossenen und mit Marmorplatten ausgelegten Vorhofe desselben stand eine so dicht gedrängte Volksmenge, dass wir uns nur mit grosser Mühe den Weg bahnen konnten. Man schrie und jubelte vor Freude, Pauken und Pfci- fen ertönten, als der Gcneralgouverneur erschien. Der Heilige ruht in einem weissen Marmorsarge, der mit arabischen Inschriften verschen und mit einem künstlich geschnitzten Holzgitter umgeben ist. Als Lord Ellenborough aus dem Grabe trat, warf sich ein alter Fakir zur Erde und streichelte ihm dankend und segnend die Füsse. Von dem Grabmal ritten wir durch die Bazare um die Stadt nach dem Schlachtfelde. Es ist eine unabsehbare Ebene, vortrefflich geeignet für die Cavallerie; ein Brunnen, von Bäumen beschattet, wurde für den Funkt ausgegeben, auf welchem die Schlacht durch die Artillerie zur Entscheidung gekommen war. Unser Führer versicherte, es wären zehn Lack (100,000 Menschen) hier geblieben. — Wir haben seit einigen Tagen eine ziemlich gleiche Temperatur gehabt, vor Sonnenaufgang nicht unter 47° F., Mittags nicht über 74° F., und Abends gewöhnlich 63° F. Den 1. Februar marschirten wir 14 Meilen nach Sumalka, auf einer breiten nnd schönen Strasse, durch eine kultivirte und mit Dörfern bebaute Gegend. Das Volk stand am Wege und in den Ortschaften sehr malerisch gruppirt, um uns kommen zu sehen, die Meisten hatten in der Kühle des Morgens ihre bunten Dek-ken um den Oberkörper geworfen oder den Kopf damit umhüllt, während der Leib nur von dem gewöhnlichen weissen Gewände bedeckt und die Füssc bloss waren. Sumalka liegt unter dem Schatten alter und schöner Tamarinden, I'ipala und Akazien. Unweit des- selben befand sich das Lager unserer 120 Elephanten, in dem ich immer gern umherwandere, um dies kluge Thier zu beobachten. Der indische Elephant ist durch die vielen Verfolgungen von Seiten der Menschen, durch die Jagden auf ihn und durch seine Zähmung , um sich seiner zur Pracht der Höfe, als Laslthier oder Kriegsmaterial zu bedienen, aus dem Inneren Indiens beinahe gänzlich verschwunden, und lebt nur noch wild in den Vorbergen des Himalaja, namentlich in den Dschemnawäl-dern, inNepaul, einigenTlieilen der Ghats,in Tarrai, im Königreiche Ava und in Ceylon. Am oberen Indus, unweit Atlock, wo Alexander der Crosse seine erste Elephantenjagd hielt, im Peng'ab und an den Ufern des Jam na,nicht fern von Kalpy, wo Kaiser Baber jährlich den Jagdfreuden nachzugehen pflegte und viele jener Thiere einfangen Hess, ist keine Spur mehr von diesem königlichen Thiere aufzufinden. Auch seine erste Zähmung ist weder in der Mythe noch in den bildlichen Darstellungen zu Ellora überliefert worden, sie wird, wie alle Anfänge indischer Cultur, als schon vorhanden vorausgesetzt; indess scheint die Art und Weise verschieden gewesen zu seyn, denn der Avacancsenkönig Ju-maway (130G—1330 v. Chr.) soll, als er nach Hindos-tau vertrieben wurde, den Hindostancrn gelehrt haben, wie man auf die beste Art Elephanten fängt. Obgleich man sich dieses handbegabten Thieres, Hastin oder Karin, wie es im Sanskrit genannt wird (von Hasta oder Kara, d. i. Hand), schon in frühester Zeil zur Ausrü- slung der Heere als Streitmittel bediente, es sieb ganz gehorscim zu machen wusste, so ist es doch nicht möglich geworden, dasselbe zum Hausthier, durch Fortpflanzung im zahmen Zustande, heranzubilden. Einzelne Fälle sind allerdings vorgekommen, wo Elephanten im zahmen Zustande geboren haben: wie mir denn selbst ein erst zehn Monate alter Elephant gezeigt wurde, welcher einem Siksrajah gehörte; ob man aber fürchtet, dieses Thier werde in einen völlig entarteten Zustand übergehen, oder ob man das Hedürfniss der Fortpflanzung auf diesem Wege noch nicht gefühlt hat und sich mit dem aus der VVildniss eingefangenen begnügt, lasse ich dahin gestellt seyn. Im wilden Zustande soll derElephant über 200 Jahre alt werden, im zahmen 120 und mehr Jahre; seine Grösse ist sehr verschieden, die in Ceylon und in Tarrai gehören zu den kleinern Hacen und sind selten mit Fangzähnen begabt; ein viel erfahrener Elcphantenjägcr versicherte mir, dass in Ceylon unter hundert Elephanten kaum zwei Fangzähnc besässen. Sobald ein solcher Elephant cingefangen ist, werden ihm die Fangzähne bis auf ein oder zwei Fuss abgesägt, und die äusserste Spitze mit Silber oder Gold cingefasst. Die grössten , welche ich gesehen, gehörten dem Generalgouverneur, dem 31a-harajah von Lahore, dem Könige von Aude und den Ha-jahs von Bhurtpure und Alwar, und erreichten kaum 11' Höhe; aber sie zeigten sich bebender, schneller, ausdauernder und klüger als die gewöhnlichen. Ein solcher Elephant wird mit 5000 Rupien und mehr bezahlt, während ein Elephant mittlerer Grosse und 7' Höhe für 1000 Rupien zu kaufen ist. Gemeinhin trägt der Elephant fünfmal so viel als das Kameel, und wird bei der Armee nicht nur als Träger der Vornehmen und Kranken, sondern auch zur Fort-sehaIfung der grossen Zelle und Teppiche verwendet. Ebenso brauchbar, wenn nicht noch nützlicher, könnte der Elephant als Zugthier benutzt werden, indem er Lasten, welche zehn Pferde kaum fortzuschaffen im Stande, sind, mit der grössten Leichtigkeit zieht; er ist daher mit dem besten Erfolge von den Briten seil kurzem der Artillerie einverleibt worden. Dagegen hat es seine Schwierigkeiten, ihn bei dem Setzen über grosse Ströme zu benutzen, weil er sich ungern dazuentschliessl, dann schwer zu leiten ist und sich so tief ins Wasser senkt, dass nur die äusserste Spitze des Rüssels hervorsieht, den er dabei hoch gehoben hält. Wenn er über Schiff" brücken, in Prahme oder über sumpfigen Koden geht, so sondirt er mit dem Rüssel deren Festigkeit und tritt vorsieht ig prüfend erst mit einem Fussc auf den Roden, der ihn tragen soll. Ein Zeichen der Freude und des Behagens ist es, wenn er den Rüssel senkrecht in die Höhe hebt; in dieser Stellung, indem er sich mit den Knieen dabei senkt, pllcgt sein Mahoud ihn abzurichten , sobald er vor einem hohen Gebieter seine Ehrfurcht bezeigen soll. Die Hindus behaupten, dass cram meisten inMond-scheinnächten sich so dem Monde zuwendet, was wohl bei ihnen zu dem Glauben Veranlassung gegeben haben mag, dass er dieses Gestirn anbetet. Von besonders grossem Nutzen ist der Elephant auch zur Tigerjagd , sowohl zum Transport als zum Schulze für den Jäger. Diese Jagden werden in den dicht verwachsenen Jangles abgehalten , wo der Fussgänger und Reiter zwischen dem IG'hohen Schilfgrasc, dim Gesträuchen und auf dem schlammigen Boden nicht durchkommen könnte. Die Monate April und Mai sind die günstigsten für Tigerjagden, weil dann der Tiger mehr als je auf Nahrung ausgeht, sich den Ortschaften nähert, dicllcer-den beraubt und daher leichter aufzufinden ist. Auf dem Haudah hat jeder Jäger gewöhnlich zwei Tigerhüchsen, welche von stärkcrem Galiber sind; der Büchsenspanner vertritt die Stelle des Bedienten. An einer Tigerjagd nehmen gemeinbin mehrere Jäger Antheil, und unter den dazu bestimmten Elephanten bemüht man sich einige zu bekommen, die der Erfahrung und Anstrengung schon gewohnt sind. Sobald der Tiger aufgespürt ist, sucht er sich fortzuschleichcn, setzt sich jedoch mit dem ersten gefallenen Schuss zur Wehre, und erhebt, wenn er verwundet ist, ein furchtbares Brüllen und llctschl mit den Zähnen. In diesen Momenten der Aufregung kommt Alles darauf an, dass derElephant seinem Gegner nicht den Rücken kehrt, sondern, damit der Jäger Zeit gewinnt, einen zweiten Schuss anzubringen, vermöge des Rüssels denselben abzuwehren suchl, wobei die meisten Elephanten eine grosse Gewandtheit an den Tag legen. Sobald der Tiger grtödtct ist, giebt der Elephant seine Freude zu erkennen, und erfahrene Jäger versicherten mir, dass er mit jedem neuen Siege kühner und unermüdlicher wird; aber ereignet es sich , dass der Jäger von seinem Elephanten flüchten muss und diesem den Kampf mit dem Tiger allein überlässt, so hält es schwer einen solchen Elephanten nachher wieder jagdlustig zu machen. Sobald der Elephant seiner Last entledigt ist, wird ein Pfahl in die Erde geschlagen, an welchen die um einen der Vorderfüsse des Elephanten geschlungene Kette befestigt wird; obgleich es ihm ein Leichtes wäre , sich zu befreien, so geht er doch nur darauf aus , wenn er in der Brunstzeit von der Matta befallen wird. Bei Festlichkeiten verwenden die Mahouds grosse Sorgfalt darauf, seinen Kopf und Kussel mit Arabesken in Weiss, Roth, Gelb oder Blau zu bemalen. Das VeruuiiflähnJiehe seiner Handlungen hat ihn bei den Indiern zum Symbol des höchsten Wissens erhoben, indem Ganesa, der Gott, der Kunst und Wissenschaft mit dem Elephantenkopf dargestellt wird. Von den Hindu's wird dies Thier aber noch besonders verehrt, es ist der Lebensgenosse der Götter, der Wächter vor den Hallen der Tempel und die Carya-tide und das Ornament ihrer Architektur; in den Leibern der Elephanten glauben sie die Seelen büssender Prinzen und Braminen zu sehen, und ein Hindu niederer Caste mag es für höher stehend als sich selber halten. Nach Mcnus Gesetz soll eine Braut den anmulhigen Gang eines Flamingo oder eines jungen Elephanten haben; da- her noch heute die Prinzen und Prinzessinnen alter Hindudynastien im Gange eines Elephanten unterrichtet werden. Die Mahouds hegen viel Sorgfalt, für das ihnen anvertraute Thier, sie seihst stehen, sonderbar genug, in dem Ruf grosser Beschränktheit. Ein Mahoud wird es nicht wagen, dem Elephanten sein Futter abzukürzen, oder ihn weh! gar hungern zu lassen; sein Zell, in welchem er mit Frau und Kindern zubringt, befindet sich dicht vor dem Elephanten, so dass dieser gleichsam mit ihnen lebl. Zuerst röstet der 3:faiioud dem Elephanten das geknetete Mehl auf einem Eisenblech, wobei das Thier geduldig wartet, bis die vor ihm hingelegten Chi-patos abgekühlt sind, und dann aus den Händen der Familie seine Nahrung empfängt. Leidenschaftlich liebt der Elephant Zuckerrohr und Jowarystauden. Als die Elephanten heute damit gefüttert wurden, ging doch einem die Geduld aus, wie er seine Nachbarn in bester Arbeit dabei sah und sein Mahoud ihn vergessen zu haben schien. Gleich einem ungezogenen Knaben, der mit den Füssen stampft, wenn ihm sein Wille nicht erfüllt wird, schlug dieser Elephant ganz ärgerlich mit dem Rüssel anl die Erde, beruhigte sich aber gleich, als sein Futter gebracht wurde. Der Elephant liebt es, sich mit dem Rüssel den Rücken mit Erde und Laub zu bewerfen, es ist die fortwährende Beschäftigung in müssigen Stunden; noch mehr aber und Stunden lang kann er sich im Wasser wälzen. v. OrUch'l Reise. J. 20 Wenn sein Wärter ihn reinigt, legt er .sich geduldig knicend oder zur Seite auf die Erde. Bei dem Dorfe Burkc-choky, woselbst wir folgenden Tages lagerten, stand au einem Brunnen eineficus indica, die ihre üppig belaubten und dunklen Zweige über ein Grab ausbreitete, und nach allen Seiten hin Wurzeln und neue Stämme in die Erde gesenkt hatte. Dieser wunderschöne Baum hatte mehr als 80' im Umfange und bildete ein so dichtes ausgebreitetes Laubdach, dass mehrere hundert Menschen darunter Schutz linden konnten. Auf dem Wege nach Barolah (13 M.) kamen wir an dem Städtchen Sompalh vorüber. Es liegt auf 80' hohen Hügeln, welche aus den Trümmern untergegangener Gebäude entstanden sind; wie denn hier nach allen Seiten die Ruinen von Moscheen und Carawanse-reien zu sehen waren, an denen man den grossartigen Styl und die schönen Wölbungen der Tborc und Kuppeln noch erkennen konnte. Je näher wir Delhi kamen, deslo zahlreicher zeigten sich die Ruinen ; besonders malerisch erschien eine Moschee hart am Wege nachNcar-Allipur, welche in den reizendsten Zeichnungen mit den Wurzeln und Aestcn eines Banianenbaumes verwachsen und umschlungen war. Ende des ersten. Itandcs Drndk von Rreitkapf nnd Hirtel i" Leipzig X,eopold von Orttch's Reise in Ostindien. In Briefen an Alexander von Humboldt und Carl Ritter. Zugeeignet Ör. lllajfftiit ücm &öni$e von prrufjfn Friedrieh Wilhelm IV. Mit Kupferstichen, farbigen und schwarzen Steindrücken und Holzschnitten. Gross 4. — feinstes Velinpapier, gebunden in englischem Einband, mit vergoldetem Deckel. Preis Tlilr. 94. Dieses Werk, die erste Auflage des Gegenwärtigen, ist in einer Art und VVeise ausgestattet, die ihm einen würdigen Platz an der Seite der reichsten und prachtvotlslen Ausgaben deutscher, englischer und französischer- Hrisewcrkc verschallt und gesichert bat. Bs ist gescluuiickl mil mehr als 40 in den Text gedruckten Holzschnitten, die Sitten, Gebräuche und Trachten der Indier darstellend, 9 Abbildungen in farbigem Steindruck von den prachtvollsten und merkwürdigsten Hauten der Mongolen, 6 Aufzügen der Indier in Kupier gestochen: Das Fest des Maba- rem zu Delhi. ■ -■ Der Aufzug bei einer Nnlliy. Der Aufzog eines Bräutigams. — Die Predigt in einer Moschee. — Ein Bajaderentanz« - Kin indischer Prinz im Takhl -i - Itiiu.in. 2 Plänen, mehreren Blättern mit Ackergeräthschaften u. s. w. Von diesem Prachtwerke, das in solchcrYYcisc wohl nicht wieder hergestellt wird, sind nur noch wenige Exemplare zum Preise von Thlr. 24 zu haben. Leipzig, Juli 1843. Gustav Mayer Verlagshandlung, Brook von Breitkopf und Hirtel iu Leipzig.