485 technologisches Wissen, aber auch ihren Geschmack weitertradierten. Im Anschluß an die Charakterisierung des Materials erfolgt eine übergreifende Analyse der ostalpinen Grobkeramik, wobei neben publiziertem Fundmaterial zahlreiche Siedlungsfunde aus Slowenien erstmals vorgestellt werden. Der kompakte Katalog erlaubt einen raschen Überblick über das bislang bekannte Keramikspektrum und ist aus diesem Grund eine wertvolle Basis für weitere Studien. Die Errichtung der spätantiken Siedlung auf dem Tinje wird in die 2. Hälfte des 4. Jhs. datiert (S. 146), obwohl für diesen Zeitraum charakteristisches Fundmaterial kaum vertreten ist. Dies könnte jedoch mit dem minimalen Grabungsausschnitt und einem damit verbundenen selektiven Fundspektrum in Zusammenhang stehen. Aus dem gleichen Grund ist es beinahe müßig, nach der Funktion der Siedlung zu fragen. Die wenigen und zudem schlecht erhaltenen baulichen Strukturen und ihr Inventar geben keine eindeutigen Hinweise auf die ethnische Zusammensetzung der Bewohner, noch auf deren spezielle Aufgaben. Es ist jedoch durchaus plausibel, dass die Wahl des Siedlungsplatzes durch die nahe gelegenen reichen Blei- und Zinkvorkommen begünstigt wurde (S. 152 f.). Während die Masse des Fundmaterials als einheimisch römisch angesprochen werden darf, bezeugen die langobardischen Gefäße die Präsenz germanischer Familien, wobei über deren Größe und Rang keine Aussagen möglich sind. Gegen Ende des 6. Jhs. wurden zumindest die Objekte 2 und 4 „höchstwahrscheinlich” durch Brand zerstört (S. 149). Der Autor vermeidet zwar einen direkten Zusammenhang zwischen dem archäologischen Befund und der historisch überlieferten Einwanderung der Slawen, merkt aber an, dass zahlreiche Siedlungen im Ostalpenraum gleichzeitig „in Folge eines überregionalen Ereignisses” verlassen wurden. Die Schwierigkeit dieser Interpretation liegt darin, dass kaum eine der vielen zitierten Brandschichten archäologisch eindeutig datiert ist. So lange feinchronologisch auswertbares Fundmaterial fehlt und die zeitliche Einordnung ausschließlich auf der Grobkeramik basiert, ist eine Korrelation methodisch nicht vertretbar und die Gefahr von Zirkelschlüssen immanent. Gerade dieses Problem tritt bei der Charakterisierung der frühmittelalterlichen Siedlung auf dem Tinje deutlich zu Tage. Auf die Zerstörungen folgen Aufgabe, aber auch Adaption der älteren Gebäude im Rahmen einer jüngeren Siedlungsphase. Wann dies geschah und wie lange die Siedlung bewohnt blieb, muß offen bleiben. Aufgrund des Fehlens von datierenden Tracht- bzw. Ausrüstungs- gegenständen sowie Waffen ist der frühmittelalterliche Horizont weder zeitlich noch ethnisch zweifelsfrei einzuordnen. Die Grobkeramik wiederum zeigt so starke Ähnlichkeiten zu den spätantiken Produkten, dass von einer direkten Kontaktnahme zwischen Altsiedlern und etwaigen Neuankömmlingen ausgegangen werden kann. Warum ist es eigentlich ausgeschlossen, dass die ansässige Bevölkerung auch nach einer „Katastrophe” im Land verblieben ist und Höhensiedlungen kontinuierlich weiter bewohnt wurden? Muß es unbedingt zu einem rigorosen Bevölkerungswechsel gekommen sein? Die Antworten auf diese Fragen liegen nicht zuletzt in der zeitlichen und ethnischen Einordnung der Grobkeramik. Hier ist ein intensiver Diskurs und eine Gegenüberstellung von spätantiken und frühmittelalterlichen geschlossenen Fundkontexten gefordert, deren zeitliche Einordnung jedoch nicht allein auf der Grobkeramik basieren darf. Spätantike Siedlungen mit frühmittelalterlichen Nutzungsphasen sind in diesem Zusammenhang von besonderer Bedeutung, da sie die Übergangszeit wohl am besten dokumentieren. Mit der Vorlage der Befunde und des Fundmaterials vom Tinje ist ein erster Schritt in diese Richtung gegangen worden. Dafür ist speziell S. Ciglenečki, aber auch seinen Mitarbeitern herzlich zu danken. Zweifellos werden weitere ähnlich substantielle Arbeiten folgen. Sabine LADSTÄTTER Srednjeveško Celje (Medieval Celje). Mitja Guštin (Hrsg.). Archaeologia Historica Slovenica 3. Ljubljana 2001, 287 S. m. zahlr. Tafeln u. Farbabbildungen. Slowenien unternimmt gerade in den letzten zehn Jahren erfolgreich Anstrengungen um Anschluß an den internationalen Forschungsstand in der Mittelalter- und Neuzeitarchäologie zu erlangen. Tragende Säule dieser Bestrebungen ist das Zentrum für Mittelalterliche und Neuzeitliche Studien in der archäolo- gischen Abteilung der Universität Laibach. So konnten schon eine Reihe von Publikationen - meist von Mitja Guštin initiiert und herausgegeben - der Fachwelt vorgestellt werden, für die sowohl die slowenische als auch die internationale Forschung dankbar ist. Besprochen werden die seit den 70er Jahren durchgehenden Untersuchungen in zwei Burgen und der Stadt in Cilli. Es handelt sich um Altsiedelgebiet, wie eine norische Siedlung, die in der römischen Kaiserzeit zum municipium aufstieg, die Bischofssitz war und im 6. Jh. n. Chr. von Slawen und Awaren zerstört worden ist, zeigt. Cilli war vor allem für den Transitverkehr bedeutend und seit 1400 Residenz der gleichnamigen Grafen (seit 1436 Reichsfürsten), die Stadterhebung erfolgte erst 1451. Es handelt sich um eine Publikation, die als Ergänzung zum Symposiums- und Ausstellungsband über die Grafen von Cilli gedacht war (Celjski grofje / Stara tema - nova spoznanja / Die Grafen von Cilli, Altes Thema - neuen Erkenntnisse, Celje 1998; Grofje Celjski / Die Grafen von Cilli, razstavni katalog / Ausstel- lungskatalog, Celje 1999) und durch die archäologischen Funde Einblick in die Rolle der damaligen Landesherrschaft gewähren soll. Den Vorberichten und Einzelarbeiten dazu folgt nun eine erste größer angelegte Zusammenschau. Bei dem in vier Sprachen vorgestellten Werk ist der inter- disziplinäre Ansatz (Beiträge J. Vavrus u. R. Krempuš) besonders hervorzuheben. Nach einer Einführung in den Forschungs- gegenstand und Region und Ausführungen zur archäologischen und bauanalytischen Untersuchungen erfolgt eine breite Materialvorlage. Der Vergleich mit anderen mittelalterlichen Grabungen in Städten und Burgen Mitteleuropas ergibt viele Gemeinsamkeiten. Dazu gehören u. a. das Repräsentationsgebaren des Adels mittels Ofenkacheln mit dem Wappen (Beitrag Guštin). Die Münzen der Cillier behandelt A. Šemrov, wobei die archivalisch belegten Fälschungshinweise und die Währungs- gebietsausdehnung für die zukünftige Spatenforschung vielversprechend sind. Die Glasfunde von Celje sind von I. Lazar sauber recherchiert, mit reichhaltigen Abbildungen und umfangreichen Katalog versehen und reihen sich gut in den internationalen Formenkanon ein. Über den Import von italieni- scher Majolica gibt uns R. Cunja erschöpfend Auskunft und zeigt die intensiven Kontakte zu den entsprechenden Töpfer- eizentren, während etwa Rheinisches Steinzeug oder graphitierte gestempelte Keramik mit Kremprand aus Passau oder Obernzell im vorgelegten Fundmaterial nicht vorkommen. S. Gelichi und M. Guštin reißen das überaus spannende Kapitel der spanischen Lüsterkeramik in Slowenien an und verweisen auf die inzwischen immer häufiger werdenden Parallelfunde in Mittel- und Osteuropa. Für den sehr sorgfältig recherchierten Aufsatz von M. Guštin über die Tonbecher vom Typ Celje, ist man für die Übersicht der Formen und Dekore z.T. mit Farbbildern versehen, dankbar. Mit dieser gestempelten Gefäßform scheint die Region eine bestimmte Zeit einen Sonderweg gegangen zu sein. Ein Katalog mit einer Übersicht der Keramikfunde von M. Guštin, M. Jezeršek und N. Prošek, die größtenteils unstratifiziert sind, ermöglicht einen Überblick zu Formen und Dekor, deren beste Parallelen wir in der Steiermark, Kärnten bis Osttirol finden. Der Beitrag von M. Guštin, F. Bressan u. B. Komplet über Metallfunde aus Celje beschließt den Band. Der Leser erkennt in der repräsentativen Übersicht international bekannte Formen. Unter den Bolzeneisen überrascht etwa der verschwindend geringe Anteil mit Dorn. Knjižne ocene in prikazi 486 Als störend werden die grammatikalischen Druckfehler im ersten Beitrag von M. Guštin empfunden. Den sonst vorzüglichen Fotoansichten fehlen durchgehend die Angaben zur Himmels- richtung, von der das jeweilige Bild geschossen wurde. Im Aufsatz von M. Guštin über Ofenkacheln mit dem Wappen der Grafen von Cilli hätte der Rez. auf S. 65/Abb. 1 aus furnologischen und Datierungsgründen mehr Informationen zur Gestaltung der Rückseiten (angarnierte Stege oder gedrehte Formen?) erhofft. In der Auswertung der Tonbecher von Celje (M. Guštin) wären doch noch einige Sätze zu einer eventuellen Beeinflussung/ Wechselbeziehung zum sogenannten Dreihausener-Steinzeug (I. Holl, Ausländische Keramikfunde in Ungarn 14.-15. Jh., Acta Arch. Acad. Sc. Hung. 42, 1990, 209-267) ein Desiderat gewesen. Auch die in der Einleitung abgegebene Einschätzung der Unmöglichkeit von mittelalterlichen Holzgefäßen auf dem Gebiet von Slowenien ist nach Meinung des Rez. zu pessimistisch. Zumindest für Gewölbeschüttungen und Blindböden in Stadthäusern, Kirchen, Burgen und Edelsitzen (Vgl. u. a. E. Altwasser, Archäologie im Obergeschoß, in: Dirk Schuhmann, (Hrsg.), Bauforschung und Archäologie, 2000, 44-60) bestehen dafür genügend nutzbare Möglichkeiten. Rez. dürfte richtig vermuten, daß der plastische Dekor auf den Celjer Exemplaren nicht aus der Masse gezogen, wie die Zeichnungen (S. 213/40, 217/87, 231/190) wiedergeben, sondern aufgelegt ist. Bei der Dokumentation der Ofenkacheln wirkt der Umstand, daß die Form der Angarnierungen der Stege in den Zeichnungen S. 220/110-115, 230/181/182, 234/214, 235/ 225, 236/228, 238/252) nicht festgehalten ist, informations- mindernd. Die Form auf S. 238 Nr. 250 und 251 hat formale Ähnlichkeit mit bekannten Stücken aus Osttirol, die gesichert als Kuppelelemente eines Kachelofens (vgl. H. Stadler, Fünf Jahre Stadtkernarchäologie in Lienz, Nearchos 1, 1993, 57, Abb. 37; dort noch eine Sekundärverwendung beschrieben) genutzt wurden. Gewichtsangaben hätte man sich bei den Bolzeneisen S. 261/262 zumindest bei den kompletten Stücken gewünscht, auch die Frage der Dendrologie des Schäftungsholzes bleibt offen. Bei dem Objekt auf S. 284 Nr. 394 sollte man noch einmal prüfen, ob nicht eine karolingisch/ottonische Schmucknadel bzw. auf S. 287 Nr. 518 nicht eine römische Attasche vorliegt. Warum die Naturwissenschaften (Anthropologie, Paläozoologie etc.) und Kleinfunde aus Knochen diesmal noch etwas zu kurz gekommen sind, geht aus dem Text nicht hervor. Insgesamt ist es eine gelungene Publikation, wobei uns besonders wichtig erscheint, daß auch Objekte des 20. Jh. in den Katalog mitaufgenommen wurden. Medieval Celje kann somit jedem Mittelalter- und Neuzeitarchäologen in den Bücherschrank empfohlen werden. Harald STADLER Knjižne ocene in prikazi