ZUM BEGINN DER KAHNFIBEL MIT PROFILIERTEM FU SS HERMANN MÜLLER-KARPE München Bei der vergleichenden Chronologie zwischen dem Osthallstatt­ kreis und den italischen Früheisenzeitgruppen spielen die Fibeln eine besondere Rolle. Mit Gewinn aber kann man sie nur verwenden, wenn man die Formbes t i m m u n g genügend präzis und eng vornimmt und wenn zweitens die Erscheinungen innerhalb einer Gruppe ge­ ordnet und in ihrer Abfolge klargestellt sind. Von dem letzteren ist man einstweilen im ostalpinen Hallstattkreis noch erheblich weit entfernt. Wenn noch neuerdings J. Sundwall1 »langfüssige Sanguisuga- und Navicellafibeln mit Knopf am Fussende« zusammenfasst und ihnen einheitliche Zeitstellung unterschiebt, so führt diese typo- logisch weitgefasste Ordnung mindestens im Osthallstattkreis und auf dem nordwestlichen Balkan zu keinen brauchbaren Ergebnissen. Bei feinerer Typologie heben sich regional und zeitlich enger be­ grenzte Varianten heraus. Für die Entstehung der Fibeln dieser Art griechische Paten zu bemühen, wie es Sundwall tut, ist gewiss unrichtig; ein knoipfartiges Fussende wandert nicht allein — ohne zugehörige Fibelform — von der Ägäis nach den Ostalpen. Auch für die Vorstellung, das Gebiet an der oberen Drau und Save hätte solche Fibeln, oder doch deren Kenntnis, aus Oberitalien bezogen, fehlen glaubwürdige Anhaltspunkte, vor allem chronologischer Art. Es ist vielmehr wahrscheinlich, dass im Kreis um die Ostalpen Kahnfibeln mit und solche ohne Fussknopf annähernd gleichzeitig beginnen, wenn man einfache Profilierung überhaupt schon als »Knopf« bezeichnen will. Im mährischen Urnenfeld von Podol, das der Stufe Hallstatt B angehört, kam eine Kahnfibel ohne Fussknopf zutage,2 während vom Urnenfeld von Hajdina (Haidin) bei Ptuj, das ebenso alt ist, eine solche mit Fussknöpfen vorliegt (Museum Ptuj). Selbst wenn diese beiden Stücke den Schlussabschnitt jener beiden Urnenfelder verkörpern, so wird man doch noch ins 8. Jahrh. 1 J. Sundwall, Die älteren italischen Fibeln (1945) 57 f, 210 ff. 2 Ebert, Reallexikon 10, Taf. 46. Abb. 1. Grabfund von Libenska gora, Slovenien (1 : 1le; 2, 3, 5 : 4, 6—9 : % nat. Grösse) v. Clir. zu gehen haben. Aus dem Hallstatt B-zeitlichen Urnenfeld von Tamas, Kom. Tolna, stammt eine Fibel, die der von Podol zu vergleichen ist.3 Für die Beispiele mit profiliertem Fussende in Velem St. Vid lässt sich Zugehörigkeit zur Belegung des Berges während der Hallstattstufe B mangels Fundbeohachtungen freilich nicht nachweisen.4 3 Wosinsky, Tolnavärmegye, Taf. 119/120. 4 Miske-Kalman, Velem St. Vid, Taf. XXXIX, XLII. Dass die G ross form der südostalpinen Kahnfibel mit Fussknopf innerhalb der Hallstattkultur bereits sehr früh bekannt ist, lehrt ein Grabfund aus einem Hügel von Libenska gora (Lodbenberg) bei Krško (Gurkfeld) in Slowenien, der im Museum Brežice aufbewahrt wird (Abb. 1). Der Armring wie auch die Fibel haben zahlreiche Parallelen aus den slowenischen Hügelnekropolen der Hallstattzeit (vgl. Abb. 2). Auch für die Urne (Abb. 1, 1 ) lassen sich dort Entspre­ chungen in der Foam wie der Warzen- und Gabel rippen zier bei- bringen. Das kleine Kugelgefäss (Abb. 1, 6) ist für chronologische Schlüsse wohl weniger zu brauchen. Der Schalenfuss (Abb. 1, 5) kommt in der Stufe Hallstatt B ebenso vor wie später. Eine klare Aussage aber machen die Turbanrandschale (Abb. 1, 2) und der Becher mit geriefter Schulter (Abb. 1, 3). Es sind beides Typen, die in der slowenischen Hallstattkultur sonst nicht begegnen, vielmehr charakteristisch für den Formenschatz der Frühhallstattzeit sind. Turbanrandschalen der vorliegenden Art führt die Dalj-Gruppe in Syrmien ebenso wie die Ruše (Maria Rast-Gruppe) im Drautal, die Hallstatt B-Friedhöfe in Mähren und Westungarn ebenso wie Hall­ statt B-Siedlungen in Kroatien.5 Für den Becher bietet wieder die Ruše-G ruppe und auch D alj Vergleichbares. Man darf diese starken Frühhallstattelemente (HaB) des Grabes auf Libenska gora in einem Gebiet, in dem es eine entwickelte Hallstattkultur in. reicher Ent­ faltung gibt, gewiss in chronologischem Sinn ausdeuten und an­ nehmen, dass jenes Grab an den Anfang der Hallstattzeit zu setzen ist. Die Form der Kahnfibel mit profiliertem Fuss wie Abb. 1, 7 scheint demnach in Zusammenhang mit all den Formen entstanden zu sein, deren Auftreten in den Gräbern wir als Beginn der ent­ wickelten Hallstattzeit in diesem Gebiet werten.6 Nach der best- beglaubigten These ist dies noch im Laufe des 8. Jahrhunderts v. Chr. erfolgt. Entstanden ist die Kahnfibel mit profiliertem Fuss sicherlich im südostalpinen Bereich (z. B. Krain-Istrien). Hier wurden solche 5 Novi grad a. d. Save, Agramer Vjesnik IV, 1899—1900, 43 ff, Taf. I, 4. — Zagreb-Horvati, Serta Hoffilleriana 44, Abb. 7 . 6 Vgl. N. Aberg, Chronologie 42, Abb. 74—76. Abb. 2. Slovenische Kahnfibeln (1:2 nat. Grösse). Nr. 2: Mus. Brežice, sonst Narodni muzej v Ljubljani. 1 . Šmarjeta (Inv. Nr. 4801); 2. Libenska gora; 3. Šmarjeta (Inv. Nr. 885, ähnliche Stücke von dort Nr. 869 und 890) ; 4. Ko­ stanjevica (Inv. Nr. 5076) ; 5. Podzemelj (Inv. Nr. 2276) ; 6. Kostanjevica (Inv. Nr. 3204); 7. Mokronog (Inv. Nr. 1605); 8. Šmarjeta (Inv. Nr. 887, ähnl. Stücke von dort Nr. 884); 9. Mokronog (Inv. Nr. 1623); 10. Mokronog (Inv. Nr. 1628) Fibeln während der Hallstatt zeit wahrscheinlich in nur wenigen Werkstätten hergestellt (vgl. Abb. 2), die eine gewisse Variations­ breite hervorbrachten und offensichtlich kontinuierlich bis in die Certosazeit arbeiteten, in der kleinere Fibeln mit grossem Fussknopf typisch sind. Der Kreis, in dem die älteren, grossen Kahnfibeln der Art wie Abb. 1, 7 und Abb. 2 zum geläufigen Formenschatz der Frauentracht gehörten, ist nicht gross. Bosnien gehört ebensowenig dazu wie Niederösterreich — Mähren, und selbst in Oberitalien sind sie nur als Ausnahmen zu betrachten.