MUZIKOLOŠKI ZBORNIK — MUSICOLOGICAL ANNUAL XV, LJUBUANA 1979 UDK 785.6:786,2 Maric DAS BYZANTINISCHE KONZERT FÜR KLAVIER UND ORCHESTER VON LJUBICA MARIC Jelena Miloj koviæ-Djuriæ (Beograd) Die eigenartige Verbundenheit des Alten und Neuen, die Verschmelzung der noch immer lebendigen musikalischen Tradition mit zeitgenössischen Musiksprache, kennzeichnet das Byzantinische Konzert für Klavier und Orchester, das zu den besten Werken der jugoslawischen Musik gezählt werden kann. Das serbische geistige Volkslied, das der Herkunft nach aus Byzanz übernommen wurde, diente als Inspiration und Ausgangspunkt dieses Werkes. Das Byzantinische Konzert ist 1959 als ein Teil des Zyklusses »Musica Oktoicha« entstanden. Zu diesem Zyklus gehörden: Musica Oktoicha No.l, das erwähnte Byzantinische Konzert für Klavier und Orchester, die Kammerkantate die »Schwelle des Traumes«, und Ostinato super Thema des Oktoichs für Streich-quintet, Harfe und Klavier. Die Komponisten Ljubica Maric hatte zuerst ihr Studium an der Musikschule in Belgrad, unter dem wohlbekannten Komponisten Josip Slavenski, begonnen. Auf Slavenskis Empfehlung setzte sie ihre musikalische Ausbildung in Prag fort und studierte 1929—1932 an dem staatlichen Musikkonservatorium in der Meisterklasse von Josef Suk. Wie sie sich selbst ausdrückte, war Josef Suk: »... ein richtiger Lehrer für mich, ...er fühlte, in welchem Masse er mir die Freiheit geben könnte, um zu arbeiten wie ich möchte, und um dann im richtigen Augenblick, wie einen goldenen Tropfen, seinen wertvollen Ratschlag zu geben, der mir so zu sagen gerade ins Blut ging.« (Gespräch zwischen Ljubica Marié und Miloš Jeftiæ im Rundfunk Belgrad, Zweites Programm, Dezember 1976.) Nach dem Abschluss ihres Studiums bei Josef Suk studierte Ljubica Maric etwas später, 1936—1937, unter Alois Hâba in der Abteilung für Vierteltonmüsik am Prager Musikkonservatorium. Während des Studiums in Prag interessierte sie sich leidenschaftlich 3ir die neuesten Errungenschaften der musikalischen Kunst. Der Reichtum des Prager kulturellen Lebens der dreissiger Jahre war von grossem Wert für ihre künstlerische Entwicklung und Reife. Ljubica Marie hatte die Möglichkeit, die Werke der führenden Musikerpersönlichkeiten der Zeit kennenzulernen. Ihre frühen Werke, die sie noch in Prag schrieb, führten sie in die Reihen der musikalischen Avantgarde ein. So wurde die Komposition Musik für Bläser, die Ljubica Marie 1931 komponiert hatte, auf dem Festival der Internationalen Gesellschaft für die zeitgenössische Musik in Amsterdam 1933 aufgeführt Im selben Jahr wurde auch ihre Musik für Orchester während der Musikalisch-Dramati- 102 sehen Arbeitstagung in Strassburg uraufgeführt unter der Leitung der Komponistin selbst. Ein drittes IVerk, "ihr Strekhquartet, hat die Gesellschaft fur die Moderne Musik in Prag gespielt. Die Aufführungen dieser Werke brachten der jungen Komponistin hohes Ansehen. Nach der Rückkehr aus Prag setzte sie ihr weiteres Suchen nach dem autochto-nen musikalischen Ausdruck fort. Mit der Zeit fühlte sie immer mehr die Verbundenheit mit dem heimatlichen Boden und die Wichtigkeit der Kenntniss der Herkunft, zu welcher sie sich hingezogen fühlte. Denn, wie sie sich selbst ausdrückt, der gegenwärtige Augenblick bezieht gleichzeitig die Vergangenheit und die Zukunft ein. In diesem Suchen wurde für Ljubica Maric das serbische geistige Volkslied, das in der Sammlung Osmoglasnik (Oktoechos) enthalten ist, die Verkörperung »des unbegrenzten Raumes der heimatlichen Erde«. Osmoglasnik wurde von Stevan Stojanoviæ-Mokranjac, einem der bedeutensten Komponisten der serbischen Musik um die Wende des 19. Jahrhunderts und den Anfang des 20. Jahrhunderts, gesammelt und aufgezeichnet, mit dem Wunsch den kirchlichen Gesang der hauptsächlich durch die mündliche Tradition überliefert wurde, von der weiteren Änderungen aufzubewahren. Der serbische Osmoglasnik, ähnlich wie der Byzantinische Oktoechos enthält die kirchlichen Gesänge, Stichera idiomela, die nach dem System der acht Tonarten (griechisch Echos) angeordnet sind. Jeden Sonnabend werden die Stichera der Reihe nach, in aufeinanderfolgenden Tonarten gesungen. Der Text der Gesänge, welche zu dem Oktoechos gehören und die Auferstehung des Herrn feiern, Stichera Anastasima, bleibt für alle acht Tonarten unverändert, Das Byzantinische Konzert ist nach den melodischen und kadenzierenden Formeln der zweiten, dritten und vierten Tonart komponiert. Die Komponistin betont das Gefühl der Mehrdeutigkeit und Mannigfaltigkeit des unerschöpften Reichtums der musikalischen Gedanken, die im Osmoglasnik verborgen liegen. Die Möglichkeit von verschiedenen rhythmischen Fassungen der charakteristischen melodischen Substanz gibt, laut Ljubica Marié, unter anderen, die notwendige kompositorische Freiheit in der Gestaltung des musikalischen Werkes. So wird der grundlegende Gedanke in dem Prozess zusammengefasst, umgewandelt und verdichtet, um in der neu gestaltenen Form die Bedeutung des Kernes zu erreichen, der die Bildung des ganzen musikalischen Satzes bedingt. Deswegen betrachtet Ljubica Maric die musikalische Form nicht als ein selbständiges Schema oder eine Schablone, da die Form aus dem eigentlichen musikalischen Inhalt hervorgeht. Die Gestaltung der musikalischen Gedanken ist auch durch die aussergewöhn-îiche Orchestration des Werkes unterstrichen. Die Orchesterbesetzung umfasst ausser Streicher, 1 Harfe, 4 Hörner, 4 Trompeten, 3 Posaunen, 1 Tuba, das Schlagzeug mit Pauken, Triangel, Piatti, Gran Cassa und Tamtam. Der Klang wird nicht bloss wegen der koloristischen Qualitäten verwendet. Im ersten und dritten Satz des Konzertes wird die Kontrastierung und Abwechslung der Streichergruppe mit den Blechbläsern und wiederum mit dem Soloinstrument, die hauptsächlich freie, präludierende und rhapsodische Form geprägt. Obwohl das Werk in der Form eines Konzertes geschrieben ist, bietet es keinen bravurosen Glanz für den Solisten. Es ist auch kein Werk, in dem das Klavier die Rolle des obligato Instrumentes spielt. Die Komponistin strebte nach 103 einem Gleichgewicht der Stimmen und deren deutlichem Abhebung voneinander. In diesem Sinne stellt das Konzert einen Dialog oder eine Mitarbeit, dar. Der erste Satz, Preludio quasi una Toccata, fängt mit durchsichtigen Klavierfloskeln, in Sechszehntel-Figuren, die dem präludierenden Charakter des Satzes entsprechen. Nach dieser kurzer Einleitung, wird der Hauptgedanke von der Trompete intoniert (T 6-21). Die breite, ruhige Melodie, die sich diatonisch, stufenweise entfaltet, wurzelt diastematisch in den charakteristischen melodischen und kadenzierenden Formeln der zweiten Tonart. Der typische Ambitus für die Stichera der zweiten Tonart ist in dem Hexachord: f, g, a, b, c, des enthalten, und prägt den charakteristischen Dur-Mollklang aus (grosse Terze und kleine Sexte). In dem Byzantinischen Konzert ist dieser Hexachord durch die dreifache Anknüpfung an die kreisförmige Tonalitätsdreieinigkeit F-Cis-A erweitert. Auf diese Weise schlTesst die tonale Basis, in polytonalen Beziehungen alle zwölf Tone der chromatischen Leiter ein. Beispiel 1 Jedoch die umgewandelte, polymetrische Struktur, die Verbindung von Zwei-und Dreiteiligkeit und häufige Taktwechsel, hebt die anscheinende Verdichtung des musikalischen Ausdrucks hervor. Beispiel 2 (Der Hauptgedanke des 1. Satzes) -f pos."^_^-^--^ b|T T T-ü f i t Beispiel 3 (Auferstehungssticheron der 2. Tonart) 1 *" __ K