7 VOrwOr T Der 53. Jahrgang der Zeitschrift Linguistica widmet sich einer aktuellen interdiszi- plinären Frage, der der Sprache und des Rechts. Inhaltlich ist er in drei Teile gegliedert, in denen sich 18 Autoren mit ihren Beiträgen bemühen, diese interessante Thematik von verschiedenen Perspektiven aus zu erhellen – der terminologisch-übersetzerischen, der sprachlichen bzw. sprachwissenschaftlichen sowie der rechtlichen. der erste – terminologisch- übersetzerische – Teil umfasst sieben Beiträge, wo- bei die ersten drei die Problematik der Terminologie von verschiedenen Perspektiven aus behandeln: über die Herausforderungen der Terminologiekommission des Landes Südtirol bei der Suche und Normierung italienisch-deutscher Äquivalente (Elena Chiocchetti/Natascia Ralli/Isabella Stanizzi), mittels eines soziokognitiven Ansatzes zur Untersuchung der Rechtsterminologie, bei der Termini entgegen der traditionel- len Auffassung nicht als Ausdrücke von Konzepten, sondern als Bedeutungseinheiten behandelt werden (Alenka Kocbek), oder als Umriss kurzfristiger terminologischer Veränderungen in ausgewählten Rechtstexten der Europäischen Union (Katia Peruzzo). Die übrigen Beiträge widmen sich dem eigentlichen Übersetzungsprozess und geben einen Einblick in die vielschichtige und anspruchsvolle Arbeit von Rechtsübersetzern – Kommunikationsexperten in einem multilingualen und multikulturellen Rechtsumfeld, die für ihre anspruchsvolle und komplexe Arbeit, wie z. B. dem Fachwissenstransfer, über zahlreiche Kompetenzen verfügen müssen (Vlasta Kučiš/Metka Dubrovnik). Übersetzer haben bei ihrer Arbeit nicht nur zahlreiche Entscheidungen zu treffen, sondern müssen sich zuallererst für eine dominierende Übersetzungsstrategie ent- scheiden – die verfremdende oder die einbürgernde, die möglichst exakt dem Texttyp, der Funktion des Textes bzw. der Übersetzung sowie dem Zielpublikum entsprechen sollte (Sandro Paolucci). Darüber hinaus stellt das Übersetzen von Rechtstexten auch Lehrkräfte vor große Herausforderungen, da sich häufige Übersetzungsfehler der Studierenden auch didaktisch umsetzen lassen. Da es in der Regel an institutionalisier- ten Weiterbildungsmöglichkeiten für Rechtsübersetzer mangelt, bieten einige Staaten, wie z. B. Norwegen, deswegen auch entsprechende Online-Bildungsmöglichkeiten an (Ingrid Simonnæs). Der letzte Beitrag befasst sich mit der Bedeutung der Äquivalenz und der Rechtsnorm beim Übersetzen juristischer Texte; in diesem unternimmt die Autorin Sonia Vaupot den Versuch, anhand eines ausgewählten Korpus festzustellen, ob und gegebenenfalls worin sich Übersetzungen von Linguisten und Juristen vonein- ander unterscheiden. der zweite Teil befasst sich mit der rechtssprache und ihren Besonderheiten, die sich u. A. auch in der Rechtsphraseologie zeigen. Diesem Thema widmen sich zwei Beiträge: Der erste befasst sich mit Dichotomien und Gegensatzpaaren (z. B. V erbot vs. Gebot) als sprachlichen Universalien der Rechtssprache (Dragica Bukovčan), während der zweite rechtssprachliche Kollokationen zum Thema hat. Diese bereiten aufgrund ihrer Besonderheiten nicht nur Fremd-, sondern auch Muttersprachlern Probleme und verdienen bei der Ausbildung daher besondere Aufmerksamkeit (Felicja Księżyk). Die Linguistica_FINAL.indd 7 23.12.2013 11:52:26 8 weiteren Beiträge widmen sich verschiedenen Themen: von der sog. Plain English Campaign, die sich mit ihren Richtlinien für eine bessere Verständlichkeit britischer Gesetzestexte einsetzt (Lidia Borisova), über die Bedeutung des Faches Englisch als Fachsprache beim Beherrschen des Englischen als Gemeinsprache (Vesna Cigan/ Ljubica Kordić) und die Unterschiede zwischen Rechtschreib- und Rechtsnormen (Helena Dobrovoljc), bis hin zu Kurzwortbildungen als Merkmal der deutschen Rechtssprache, wobei die Autorin Ljubica Kordić auch auf bedeutende Unterschiede hinweist, die sich bei einem Vergleich zwischen der deutschen und kroatischen Rechtssprache ergeben. Mojca Smolej weist indes auf den problematischen Gebrauch von Deixis in der Rechtssprache hin, Olivera Vušović befasst sich am Beispiel des französischen Strafrechts mit der Problematik der externen Polysemie und Andreja Žele widmet sich einigen aktuellen Fragen des Gebrauchs der Rechtssprache innerhalb der eigenen Muttersprache – in diesem Fall des Slowenischen. Weiter demonstriert sie anhand konkreter Beispiele semantische Belastungen der juristischen Terminologie, verschiedene (in-)akzeptable Wortbildungsvarianten und weist auf die dringende Einhaltung bestimmter grammatischer Kategorien hin. der letzte Teil befasst sich mit dem Thema recht und Sprache, dem sich mit ihren Beiträgen zwei Rechtswissenschaftler widmen. Matej Accetto behandelt das sensible Verhältnis zwischen Recht und Sprache (Letztere als unentbehrliches Werkzeug ju- ristischer Abhandlungen und Entscheidungen) sowie insbesondere ihre vermeintlich unvereinbaren Charakteristika: Während das Recht auf dem Konzept der Herrschaft des Rechts bzw. auf den Prinzipien des Rechtsstaates basiert, die ein klares und vor- hersehbares System von Normen fordern, ist die Sprache, welche diese zum Ausdruck bringen soll, häufig unbestimmt oder unklar. Marijan Pavčnik indes beschreibt in sei- nem Beitrag Recht und Sprache die Rechtssprache als Sprache des Gesetzgebers, der juristischen Fachwelt und der Rechtswissenschaften. Die Rechtssprache geht aus der Gemeinsprache hervor, baut gleichzeitig diese durch Termini aus und stellt somit eine Fachsprache sui generis dar. Der Titel des aktuellen Jahrganges (Zwischen) Sprache und Recht eröffnet ei- nen Raum, in dem die erwähnten 18 Autoren dieses Themen von verschiedenen Perspektiven aus behandeln – einige tendieren zu einem der beiden Pole, entweder zur Sprache oder zum Recht, während anderen, die eine Äquidistanz zu beiden Polen halten, eine V ergleichung verschiedener Rechtssysteme und die Beurteilung des aus ihr hervorgehenden Äquivalenzgrades immanent ist. Ada Gruntar Jermol, Herausgeberin des 53. Jahrganges Linguistica_FINAL.indd 8 23.12.2013 11:52:26