des k. k. Staats - Untergymnasiums zu Krainburg veröffentlicht am Schlüsse des Schuljahres 1868. Laibach. Druck von Ign. v. Kleinmayr & F. Bamberg. — Verlag des Gymnasiums. 1868. Ueber die Theilnahme der englischen und französischen Könige an den Kämpfen zwischen den Welfen und Hohenstaufen. (Fortsetzung und Schluss). Im vorjährigen Programme wurden in Kürze die Hauptmomente des Kampfes zwischen den Welfen und Hohenstaufen unter Friedrich I. Barbarossa und Heinrich VI. hervorgehoben und dann die Theilnahme geschildert, welche Heinrich II. von England, sowie Ludwig VII. von Frankreich an diesem Kampfe hatten. Diesmal wollen wir die Kämpfe zwischen den Welfen und Hohenstaufen unter Philipp von Schwaben und Friedrich II., sowie die Theilnahme der englischen Könige Richard Löwenherz, Johann ohne Land, Heinrich III. und der französischen Philipp August II., Ludwig VIII. und Ludwig IX. an denselben näher betrachten. Philipp 1 war der jüngste Sohn Friedrichs I. und der Beatrix von Burgund. Geboren ums Jahr 1176, wurde er schon als Knabe von seinem Vater zum geistlichen Stande bestimmt und einem Scholaster der Kölner Kirche zur Erziehung anvertraut. Im Jahre 1191 erscheint er als erwählter Bischof von Würzburg und 1192 als Propst von Aachen. Aber noch in demselben Jahre muss er zum weltlichen Stande zurückgekehrt sein, da er lediglich nur Bruder des Kaisers Heinrich VI. genannt wird. Dieser scheint ihm vor seinen ändern Brüdern gewogen gewesen zu sein. Er nahm ihn 1194 mit auf die Heer- fahrt nach Apulien und Sicilien, ernannte ihn 1195 im April zum Herzog von Tuscien, vermälte ihn mit einer griechischen Princess und verlieh ihm zu den schon früher überwiesenen Mathildischen Gütern nach dem 1196 erfolgten Tode ihres beiderseitigen Bruders Konrad das Herzogthum Schwaben.2 Im Jahre 1197 zog er mit seinen Getreuen über die Alpen, um auf das Geheiss seines kaiserlichen Bruders dessen jungen Sohn Friedrich zur Königskrönung nach Deutschland abzuholen, als ihn zu Montefiascone, in der Nähe von Bom, die Nachricht von Heinrichs Tode erreichte.3 Da sich Italien zum Aufstande erhob,4 musste er sich vor drohenden Nachstellungen über die Alpen flüchten, während der Knabe Friedrich bei seiner Mutter in Sicilien blieb.5 1198 starb Papst Cölestin und ihm folgte der grosse Innocenz III. Philipps Bemühen war nun, seinem damals dreijährigen Neffen Friedrich die Nachfolge zu sichern, 6 welche 1 Joh. Friedr. Böhmer, die Kegesten des Kaiserreiches — und Otto Abel, Philipp der Hohenstaufe. 5 Otto de S. B. c. 43. 44. 3 Otto de S. B. c. 45: cum venisset Romam; Chron. Ursp.: apud Viterbium. * Chron. Ursp.: orta est seditio, maxime contra Teutonicos. 5 Otto I. c. yix evasit — puero in Sicilia cum matre remanente. ' Otto 46. satagebat omnimodis, ut Principes electionem . . . ratam haberent. demselben ein Jahr früher die Fürsten und zuletzt noch auf seinen besonderen Betrieb der Erzbischof Adolf von Köln zugeschworen hatten. Für diese Nachfolge erklärten sich auch die angesehensten Reichsfürsten, welche damals im heiligen Lande mit dem Kampfe gegen die Ungläubigen beschäftigt waren, namentlich Conrad, Erzbischof von Mainz: Heinrich, Pfalzgraf am Rhein, der Aelteste des welfischen Hauses; Conrad, Bischof von Hildesheim, der Kanzler des Reiches, und Andere. Allein unter den in Deutschland zurückgebliebenen Fürsten war nun keiner gesonnen, die Krone auf das junge Kind übergehen zu lassen, und da sie sich entzweieten, war Philipp genöthigt, um nur überhaupt seinem Hause die höchste Würde zu erhalten, am 6. März 1198 zu Arnstadt zuzulassen, dass er selbst von den damals in Thüringen versammelten Anhängern der Staufen zum Könige ausgerufen wurde.7 Aber die Fürsten und Herren am Niederrheine, geleitet von Adolf von Altena, Erzbischof von Köln, weigerten sich, diese Wahl anzuerkennen, und erhoben ihrerseits, nachdem Philipp den Herzog Berthold von Zähringen, den sie zuerst in Aussicht nahmen, für sich gewonnen hatte, den von seinem Oheim Richard Löwenherz, 8 König von England, unterstützten dritten Sohn Heinrichs des Löwen, Otto,8 Grafen von Poitou, den bald auch der Papst bevorzugte. Philipps zehnjährige Regierungszeit wurde gänzlich ausgefüllt durch den Kronstreit mit Otto IY.10 Otto war zur Zeit seiner Wahl von den drei damals noch lebenden Söhnen Heinrichs des Löwen und der Mathilde, Tochter König Heinrichs II. von England, Schwester der Könige Richard Löwenherz und Johann ohne Land, der mittlere. Sein älterer Bruder Heinrich, durch seine Vermälung mit Agnes zugleich Pfalzgraf am Rhein (f 1227), war damals im heiligen Lande. Der jüngere Bruder Wilhelm, der das Haus fortsetzte, tritt nicht hervor und starb schon 1213. Otto war geboren nach der Rückkunft seines Vaters vom Kreuzzuge, etwa im Jahre 1175, und somit gleichen Alters mit Philipp. Er brachte einen Theil seiner Knabenjahre mit seinem seit 1182 verbannten Vater in England und in der Normandie zu und erscheint dann bald im engeren Bezug zu seinem Oheim Richard Löwenherz. Von 1193 bis 1196 war er bei Kaiser Heinrich VI. als Geissel für den Rest des von Richard Löwenherz noch zn zahlenden Lösegeldes. Damals haben ohne Zweifel persönliche Verhältnisse zwischen ihm und dem Bruder des Kaisers, seinem nachherigen Gegner Philipp, bestanden. Als Otto frei wurde und inmittelst auch sein Vater gestorben war, kehrte er sogleich zu seinem Oheim nach Aquitanien zurück. Richard gab ihm nun die Grafschaft Poitou, welche mit dem Herzogthum Aquitanien identisch war. Damals wird Otto gedacht haben, dort seine Heimat zu gründen. Zweifelhaft ist es, wo zuerst der Gedanke entsprang, ihn zum römischen König zu erheben. Richard Löwenherz hatte gute Gründe, dergleichen zu wünschen, denn bei seinen Kriegen mit Frankreich war es ihm von grösster Wichtigkeit, von Deutschland her Beistand zu haben und somit die Franzosen in die Mitte nehmen zn können. Dieses war von den mit dem französichen Kölligshause befreundeten Staufen nicht zu hoffen. Insofern mag man denken, dass der erste Anstoss von Richard gekommen sei. Gewiss ist, dass Otto seine Wahl mit dem ihm von König Richard gegebenen Gelde bezahlt und zunächst behauptet hat; ja eine eigene Steuer soll Richard zu diesem Zwecke in England erhoben haben. Darum war es auch für Otto so nachtheilig, dass nach Richards baldigem Tode dessen Nachfolger Johann ohne Land die bisherigen Unterstützungen weder fortsetzen wollte noch konnte. Aber Otto war nun einmal in Deutschland als Gegenkönig wider Philipp aufgestellt und suchte diese Stellung zu behaupten. 11 7 Otto I. c. — Chr. Ursp. Dieser Chronist nimmt freilich entschieden Partei für die Hohenstaufen, bezeichnet sie als genus regium, dem die Krone herkömmlich zustehe (antiquae dominationis etc.), tadelt selbst Innocenz III., der Falsa gegen Philipp vorgebracht habe. Aber auch Arn. L. VI. 2 sagt: cum sola Colonia et pars quaedam Westfaliae Othoni fa/veret. ' Arn. L. I. c. — Chr. Ursp. * Die Angaben einzelner Data bei den Chronisten sind hier, wie vielfältig, ungenau. Otto de S. Blas. c. 46 lässt den Pfalzgrafen Heinrich schon bei der Wahl des Zähringers, Arn. Lub. VI. 1, wenigstens bei der Otto’s gegenwärtig sein. Beides beruht wohl, wie Luden XII. S. 78 bemerkt, auf Vermengung der Verhältnisse. Vgl. Pfister II. 480, Raumer II. 627. 10 Hauptquellen: Otto de S. Blas, (bis 1209) — Arnold Lub. (bis 1209) — Chron. Ursperg. (bis 1229) — nebst den Chron. Reg. S. Pantaleon [s. Godefrid. Monachi Colon.] (bis 1237), letzteres b. Freher. Germanicar. rer. Scriptores. Frcf. 1624. Mehrere wichtige Urkunden finden sich in Mon. G. H. Legg. t. II. 11 Nach Joh. Friedr. Böhmer, die Regesten des Kaiserreiches, und Otto Abel, Philipp der Hohenstaufe. Otto wird nicht mit Unrecht stolz und einfältig genannt, war aber tapfer und von grösser Körpergestalt.12 So hatte das Reich zwei Häupter; 13 der welfische König, ein kühner Kittersmann von trotzigem Sinn und ungebundenem Wesen, gleich seinem mütterlichen Oheim Richard Löwenherz, fand Anerkennung im Norden, am Niederrhein und in Flandern und Brabant und sein Hauptstützpunkt war die reiche und mächtige Stadt Köln; der Hohenstaufe, ein leutseliger Herr von milder Gesinnung, feiner Sitte und frommer Demuth, zählte die meisten Bischöfe und Reichsfürsten von Süd- und Mitteldeutschland zu seiner Partei, unter ihnen den Herzog Ottokar von Böhmen, der dafür den Königstitel erhielt, und Dietrich von Meissen, dem Philipp das Erbe seines Bruders Albrecht zurückgab. Wie verschieden waren beide Fürsten! Otto hatte seit seinem siebenten Jahre im Auslande gelebt; ihm war das Land seiner Väter fremd geworden. Au Frankreich und England knüpfte ihn die Erinnerung der Kindheit, die Hoffnung der Jugend. Während unter Kaiser Heinrich der deutsche Name nah und fern zu nie gekanntem Glanz und Ansehen gelangte, trieb sich Otto in wilden Fehden an der Garonne und Seine herum. Statt des deutschen Gesanges, der in den Tagen seiner Regierung die höchste Vollendung erreichen sollte, klangen ihm die französischen Weisen der Troubadours in das Ohr und die feurigen Sirventesen Bertrans de Born, der jedem Frieden den Krieg erklärte. So hatte sich Otto, mehr als es dem deutschen König frommen mochte, in die französische Sitte und Sprache des englisch-normannischen Adels eingelebt; und bei seinem von Natur harten, ungeschmeidigen Wesen und seinem Mangel an Selbstbeherrschung trat dieser Uebelstand nur um so schroffer und verletzender hervor. Umsonst bemühte er sich dann, durch unbeugsamen Trotz, was ihm an Kraft, durch persönliche Tapferkeit und oft an Tollkühnheit grenzenden Muth, was ihm an Ueberlegung und Staatsklugkeit abging, zu ersetzen. Er hat sich nie Liebe und Zutrauen in Deutschland erwerben können. Wie ganz anders Philipp! Dessen milden und freundlichen Sinn wussten alle zu rühmen. Wie er in seiner äussern Erscheinung, in Grösse und Gestalt, dem schönen Antlitz und dem blonden Haar dem Bruder nicht unähnlich war, so erinnerte auch seine Leitung der Staatsgeschäfte in manchen Stücken an den verstorbenen Kaiser: nicht unkriegerisch, suchte er doch mehr durch klug geführte Unterhandlungen als durch Gewalt der Waffen zum Ziele zu kommen. Das Leben Philipps und seiner byzantinischen Gemalin Irene, die einst die jugendliche Braut von Tancreds früh verstorbenem Sohne gewesen war und seit ihrem Uebertritt zur römisch - katholischen Kirche den Namen Maria führte, bot das schönste Bild häuslichen Glücks dar. Die Liebe zur heimischen Dichtkunst und zu den Wissenschaften vergass er auch über dem Getöse der Waffen nicht. Seine Gottesfurcht machte ihn Geistlichen und Laien werth. Unter den Leidenschaften der Parteien während eines zehnjährige Bürgerkrieges hat er bei Freund und Feind einen makellosen Ruf bewahrt.14 Seitdem tobte der Bürgerkrieg im Reiche fast 12 Jahre hindurch.15 Philipp, im Besitze der Regalien und der grossen Schätze, die ihm sein Bruder hinterlassen hatte, gewann immer mehr Fürsten für sich, die mit ihm seinen Gegner siegreich bekämpften ;16 dem Herzog von Böhmen ertheilte er die Königswürde. 17 Otto aber wurde zunächst von dem Erzbischof von Köln in Aachen gesalbt (12. Juli 1198)18 und stützte sich auf die Macht seines Bruders, des Pfalzgrafen. 19 Erst später erlangte Philipp die Krönung zu Mainz, 15. August 1198.20 Schon griffen auch die Zwistigkeiten zwischen England und Frankreich in die deutschen Verhältnisse ein ; wie Richard I. und nach dessen Tode Johann ohne Land ihren norddeutschen Verwandten Otto IV. unterstützten, so schloss Philipp von Schwaben (29. Juni 1198) ein Bündniss mit dem nachbarlichen Frankreich.21 Einstweilen suchte Philipp seinen Gegner in dessen Erblanden zu 12 Chr. Ursp.: superbus et stultus etc. — Arn. L. VI. 2: audax animo, rugiens ut catulus leonis. 13 Arn. L. I. c.: duo soles id est reges. “ Weber Dr. Georg: Weltgeschichte. 15 Otto c. 46. Principes, qui electionibus regum non interfuerant, postmodum se vicissim ad alterum eorum conferebant. 16 Otto: Heinrichs VI. Schatzhaus war zu Trifels. 11 Arn. L. VI. 2. " Otto c. 1. Raumer II. 627. '• Otto c. 46. 10 Arn. L. VI. 2. Raumer II. 628. 11 Das „Pactum“ s. Mon. etc. Legg. t. II. p. 202. bedrängen. Bei einem Zuge gegen Braunschweig (im Frühjahre 1199) wurde dieses von Otto’s Bruder, dem Pfalzgrafen Heinrich, tapfer vertheidigt, wobei der h. Autor zum Schutzpatron der Stadt erhoben wurde.22 Inzwischen hatte die streitige Kaiserwahl auch sogleich dem hochstrebenden Papste Innocenz III. Anlass gegeben, sich in dieselbe einzumischen, um seine Macht über die des Kaisers zu erhöhen. Innocenz III., welcher das Papstthum zum denkbar höchsten Gipfel der Macht und des Glanzes brachte, war aus dem erlauchten römischen Hause der Conti, ein geistvoller und willensgewaltiger Mann, der, gebildet auf den Hochschulen zu Rom, Paris und Bologna, noch im kräftigen Mannesalter zum Haupte der Kirche erhoben wurde uud dieselbe von 1198 bis 1216 regierte. Als Gottes- und Kechtsgelehrter einer der ersten seiner Zeit, stand er an Frömmigkeit, sittlichem Ernst, an Begeisterung und Hingebung für die Kirche einem Gregor VII. nicht nach, an Gelehrsamkeit, Scharfblick und Gewandtheit ihn noch übertreffend. Als das sichtbare Oberhaupt der Christenheit griff er in alle Staaten Europa’s, ja bis nach Constantinopel hin ordnend und richtend ein. In seinem Leben streng, war er ein Rächer jeglichen Unrechtes, ein Vater der Witwen und Waisen, und als Stellvertreter des höchsten Versöhners oft ein Vermittler des Friedens zwischen Völkern uud Fürsten. Selbst arm und einfach lebend, sammelte er ungeheuere Schätze zur Verwirklichung seiner geistlichen Weltherrschaft. Innocenz III. trachtete vor allem dahin, den päpstlichen Stuhl durch Befestigung des Kirchenstaates, durch Befreiung Italiens von ausländischer Herrschaft und Trennung Neapels und Siciliens von Deutschland politisch unabhängig zu machen. Nächstdem waren die Rettung der Kirche im Morgenlande, die Bevormundung des christlichen Staatenvereins, die Ausrottung der Ketzer und die strenge Ordnung der Kirche die Hauptgedanken seines Lebens. Davon ist ihm auch vieles gelungen und Rom hat noch einmal durch ilm die gebildete Welt beherrscht. Vor ihm, der den Thron der Deutschen nach Gutdünken besetzte, neigten sich, wenn auch noch so unwillig, alle königlichen Häupter: einen König, Alphons IX. von Leon, zwang er durch Bann und Interdict, seine gesetzwidrige Ehe mit seiner Nichte aufzulösen; Philipp August von Frankreich musste seine verstossene Gemalin Ingeburgis, die Schwester des Dänenkönigs Kanut, wieder anuehmen; die Könige Peter II. von Aragonien und Johann von England erklärten ihre Reiche für zinsbare Lehen des römischen Stuhles. Am Ende seiner Tage, im Rückblick auf das glorreiche Werk seines Lebens, versammelte Innocenz III. um sich die Repräsentanten der Christenheit auf der glänzenden vierten Lateransynode (der zwölften ökumenischen 1215), wo die Gesandten fast aller christlichen Könige, an 800 Aebte, 412 Bischöfe, die Patriarchen von Antiochien und Alexandrien durch Abgeordnete, die von Jerusalem und Constantinopel persönlich zugegen waren. Alle seine dem Concil vorgelegten Gesetze (Canones) über Glauben, Kirchenrecht und Kirchenzucht wurden genehmigt, ein allgemeiner Gottesfriede geheiligt, um alle Kräfte Europa’s zu einem Kreuzzuge nach dem Morgenlande zu vereinen, und furchtbare Massregeln gegen die Ketzer beschlossen. Der Papst erschien hier als das Haupt der grossen christlichen Völkerfamilie und Innocenz konnte sich in solcher Herrlichkeit der Sonne vergleichen, das Königthum dem Monde, der von ihr sein Licht zu Lehen trägt. Kurze Zeit darauf, noch in der Fülle seiner Kraft, überraschte ihn der Tod auf einer zur Aussöhnung der Städte Pisa und Genua unternommenen Reise zu Perugia (1216).23 Gegen Philipp hatte Innocenz schon früher wegen der Mathildischen Besitzungen in Italien Händel angefangen, so sanft und milde sich dieser auch, seinem Charakter gemäss, benahm.24 Philipp und die Fürsten, die ihn gewählt hatten, zeigten dem Papste alsbald die geschehene Wahl an;25 Otto und die Fürsten seiner Partei kamen Innocenz III. zuerst mit der Aufforderung entgegen, dessen Wahl durch sein Ansehen zu bestätigen.26 Innocenz III. hielt absichtlich seine Entscheidung zurück, in der richtigen Berechnung, dass die Verwirrung des Reiches seinen ehrgeizigen Plänen förderlich sein würde. 11 Rehtmeyers Chronik S. 434. 33 Nitzelnadel. Das Wissenswürdigste aus der Welt- und Culturgeschiclite. 2 4 Chron. Ursp.: mansuetus et benignus. mit ausführlicher Charakteristik. — Otto de S. Bl. c. 48. Auch Arn. L. VI 1 nennt Philipp nach dessen Tode: vir mansuetus et humilis etc. 15 Mon. etc. Legg. II. p. 201 urkundlich. ” Arn. L. VI. 1: obnixe postulantibus, ut electionem sua auctoritate confirmaret. (Die Schreiben selbst Mon. etc. Legg. II. 203.) Obwohl er einsah, dass Philipp von den meisten und würdigsten Fürsten erwählt und anerkannt worden, zeigte er doch der englisch-welfischen Partei Gunst und Freundschaft, trat aber nicht gleich offen auf ihre Seite. Vielmehr benutzte er zunächst die günstigen Umstände zur Erweiterung der päpstlichen Macht in Italien. Diese Zurückhaltung des Papstes steigerte die Parteiwuth und Verwirrung in Deutschland. Die Waffen mussten entscheiden, und so begann ein verheerender Bürgerkrieg, während dessen Recht und Gerechtigkeit darnieder lag, Gewaltthat und Bedrückung frei waltete und eine ritterliche Anarchie aller Gesetze und Ordnung spottete. Sechzehn Klöster und 350 Pfarrkirchen wurden in einem einzigen Jahre in Asche gelegt. Nicht nur die Heere der beiden feindlichen Könige bezeichneten ihre Spuren am oberen und unteren Rhein, an der Mosel und im Thüringer Wald, in Sachsen und Braunschweig durch wilde Kriegsgräuel, die sie an Städten und Dörfern, an Menschen und Feldfrüchten verübten; in allen Gauen des Reiches bekämpften die Fürsten und Grafen ihre Widersacher in Burgen und Städten, und in mehreren Bisthümern, wie Würzburg, Hildesheim, Mainz, führten geistliche Doppelwahlen Verwirrung, Unordnung und Spaltungen herbei. Schon vier Jahre hatte der Krieg gewüthet und der Sieg schien sich für die gerechte Sache des Hohenstaufen zu entscheiden, da trat endlich der Papst offen auf die welfische Seite und warf dadurch neuen Brennstoff in die abnehmende Flamme. Voll Freude erkannte er den Welfen an, indem er ihn als seinen geliebten Sohn und Beschützer der römischen Kirche begrüsste.27 In seinen Briefen spricht er wiederholt aus:28 „Der apostolische Stuhl habe die Entscheidung über die streitige Kaiserwahl; die Fürsten sollten sich friedlich einigen oder dem Papste das Endurtheil überlassen. Das Wahlrecht der Fürsten fechte er nicht an, doch habe er die Tüchtigkeit dessen, den er krönen solle, zu prüfen.“ Im Jahre 1201 (Juni) liess er durch seine Legaten in Köln Otto IV. für den rechtmässigen König, erklären, nachdem dieser feierlich geschworen hatte: „seinem Herrn, dem Papste Innocenz III., und dessen Nachfolgern alle der römischen Kirche zustehenden Besitzungen zu sichern und nöthigenfalls wiederherzustellen, namentlich die Mathildischen Güter und das sicilische Reich.“ 29 Der Krieg tobte indessen um so furchtbarer, da sich nun die Geistlichkeit zwischen den beiden Königen parteiete.30 Da jedoch endlich, nacli manchen Wechseln,3' Otto’s Macht immer mehr dahinschwand und Philipp das Uebergewicht erlangte,32 auch den Papst durch Versprechungen gewann,33 liess Innocenz beide kraft apostolischer Machtvollkommenheit auffordern, eine Zusammenkunft zu halten, um unter Vermittlung seiner Legaten und der Fürsten den Frieden herzustellen.34 Die Zusammenkunft kam wirklich zu Stande (1207); Philipp bot seinem Gegner die Hand seiner Tochter und das Herzogthum Schwaben zur Mitgift an, wenn derselbe auf das Reich verzichten wolle; Otto aber, obschon in verzweifelter Lage,35 erklärte, er werde die Krone nur mit seinem Leben niederlegen. Die Legaten versicherten darauf Philipp des päpstlichen Beistandes.36 Schon hatte Philipp von Schwaben (bis zum Jahre 1208) fast alle Anhänger Otto’s bezwungen oder auf seine Seite gebracht, auch eine Versöhnung mit dem Papste eingeleitet und beschloss jetzt, nochmals gegen Otto nach Braunschweig zu ziehen.37 Hierzu versammelte er bereits ein grosses Heer und wollte nur (Johannis 1208) uni eines Aderlasses willen einige Tage auf der Burg bei Bamberg rasten. Hier erfolgte eine bis dahin in Deutschland unerhörte That, die Ermordung des Kaisers. Der Hergang dabei war folgender:38 Am Morgen des 21. Juni hatte König Philipp 37 Arn. L. — Otto de S. Blas. c. 48. *• Pfister II. 483 ff. Planck IY. I. 465. ” God. Col. a. 1201. — Die Urkunde Mon. etc. Legg. II. pag. 205. 30 Arn. L. YI. 2. Chron. Ursp. — Vgl. Pfister II. 491. Es gab zwei Erzbischöfe in Mainz wie in Köln 31 Pfister II. 287 ff. 32 Otto de S. Blas. c. 48: videns vires Ottonis dblatas, Philippum vero praevaluisse. 33 Philippi promissa Papae urkundlich in Mon. etc. Legg. II. p. 208. 31 Otto I. c. medianlibus Cardinalibus aliisque prineibus; vgl. Pfister II. 492. 35 Otto, quamvis desperatus. Auch der Pflalzgraf Heinrich war zu Philipp übergetreten. Arn. L. VI. 6 s. f. 36 Otto de S. Blas. c. 48. 37 Otto de S. Blas. c. 50. contra Brunswic vre disponens. Dies war schon zweimal fehlgeschlagen Arn L VI. 2. 6 cf. VII. 14. 88 Assman, Dr. W.: Handbuch der allgemeinen Geschichte. II. Thl. Sehr ausführlich erzählt dieses Arn. Lub. gegen den Schluss seines Buches VH. 14; im wesentlichen ebenso Otto de S. Blas. c. 50. in Bamberg seine Nichte Beatrix, die einzige Tochter und Erbin seines verstorbenen Bruders, des Pfalzgrafen von Burgund, mit dem Herzog Otto von Meran vermalt. Nachdem er dem jungen Paare eine Strecke Weges das Geleite gegeben, kehrte er in die Stadt zurück und liess sich, wie das in alten Zeiten auch ohne besondere Krankheitsanfälle geschah, mit vielen seiner Leute zur Ader. Im traulichen Gespräch mit seinem Kanzler, dem Bischof Conrad von Speier, und dem treuen Truchsess Heinrich von Waldburg, ruhete er des Nachmittags in einem stillen Zimmer der bischöflichen Pfalz. Da tritt Pfalzgraf Otto von Wittelsbach ein. Mit freundlich scherzenden Worten empfängt ihn der nichts Schlimmes ahnende König. Er aber: „Hier gilt es keinen Spass!“ und stürzt mit blankem Schwerte auf seinen wehrlosen Herrn. Der Ruf des Truchsessen scheint seinen Arm zu lähmen und mit leichtem Hieb nur verwundet er Philipps Hals. Jedoch die Schlagader ist durchschnitten, wenige Schritte noch thut der König, dann stürzt er entseelt zu Boden. Vergeblich sucht Heinrich von Waldburg mit eigener Lebensgefahr dem Mörder die Thüre zu versperren, der bricht sich mit dem Schwerte Bahn und entkommt auf dem zur Flucht bereit gehaltenem Rosse ungehindert aus der Stadt, mit ihm seine Mitverschworenen, die Brüder des eben vermalten Herzogs Otto von Meran. So setzte eine bis dahin in deutschen Landen unerhörte Frevelthat dem Leben König Philipps ein Ziel in dem Augenblicke, da sich sein Glück zu stolzerem Flug erhob. Und um den Gräuel des Königsmordes noch zu vergrössern, fiel er von der Hand eines Mannes, dessen Geschlecht von den Hohenstaufen wie kein anderes Gunst und Gnade empfangen hatte, unter der Mitschuld derer, welche die Heiligkeit des Gastrechtes und das neu geschlossene Band der Verwandtschaft zu seinem besonderen Schutze verpflichtete. Am folgenden Tage wurde der vielbeweinte König im Dom bestattet. Da ruhete der Leichnam, bis er um Weihnachten 1213 von König Friedrich in der Gruft zu Speier beigesetzt und zu seinen Ahnen, den fränkischen Kaisern, versammelt ward. Von den jugendlich blühenden Söhnen, aus deren Mitte Kaiser Friedrich vor einem halben Menschenalter ausgezogen war, lag nun auch der letzte im Grab. Ein einziger Sprössling nur grünte noch vom Heldenstamme im fernen Süden, es war Kaiser Heinrichs Sohn, „das Kind von Apulien.“ Dass die Ermordung Philipps ausser allem Zusammenhang stand mit seinem um den Besitz der Krone geführten Kampf, dass also namentlich der welfische Gegenkönig rein von jeder Mitschuld ist, darüber ist kein Zweifel erlaubt. Nicht minder gewiss ist es aber auch, dass Otto von Wittelsbach nicht etwa, wie man es hat darstellen wollen, einen, wenn auch thörichten und unglücklichen, doch nicht böse gemeinten Scherz machte, dass er vielmehr mit voller Absicht, von Rachsucht getrieben, handelte. Pfalzgraf Otto von Baiern stand, wie alle Baiern, wie auch sein Vetter Ludwig, auf staufischer Seite. Zur Belohnung für die geleisteten Dienste, oder um ihn zu fernerem Eifer anzuspornen, versprach König Philipp, ihn zu seinem Eidam zu machen. Irene hatte während einer eilfjährigen Ehe ihrem Gemal keinen gohn, aber vier Töchter geboren, von denen die beiden mittleren, Kunigunde und Maria, mit den Söhnen des Königs von Böhmen und des Herzogs von Brabant verlobt waren. Von den zwei anderen, die beide nach der Grossmutter Beatrix hiessen, wurde die erstgeborene im August 1212 mit Kaiser Otto vermalt, starb aber schon vier Tage nach der Hochzeit; die jüngste heiratete im Jahre 1219 den König Ferdinand von Castilien. Eine Beatrix nun, und ohne Zweifel die ältere, war es, welche König Philipp dem Pfalzgrafen zur Ehe versprochen hatte. Aber sei es, dass ihn die rohe, gewaltthätige Sinnesart Otto s seine Zusage gereuen liess, sei es, dass die höheren politischen Zwecke, die durch die Vermälung von Philipps Töchtern mit König Otto und dem Neffen des Papstes zu erreichen standen, dem Pfalzgrafen einen Verzicht abnöthigten, die beabsichtigte Verbindung unterblieb. Das warf wohl den ersten Funken von Hass und Erbitterung in Otto’s Seele, es war aber sicherlich nicht, wie gewöhnlich angenommen wird, die unmittelbare Ursache seiner schwarzen Tliat. Er suchte und fand Ersatz für Beatrix und verlobte sich mit Gertrud, der Tochter Herzog Heinrichs von Schlesien und der nachmals heilig gesprochenen Hedwig von Meran. Ob und auf welche Weise nun König Philipp dem Pfalzgrafen bei dieser zweiten Bewerbung in den Weg trat, darüber lassen sich nur unsichere Vermuthungen aufstellen. Bei einem Menschen von so starken und ungebändigten Leidenschaften, wie Pfalzgraf Otto war, reichte auch eine geringere Beleidigung, der blosse Verdacht von Verrath hin, um seine Rachsucht zu entflammen und ihn zu rascher Frevelthat fortzureissen.39 Gleich nach Philipps Ermordung verbot der Papst bei Strafe des Bannes, einen ändern König zu wählen, damit der Friede des Reiches nicht von neuem gestört werde.40 Auf einer Versammlung zu Halberstadt, welche Otto berief und wo der grösste Theil der geistlichen und weltlichen Fürsten aus Sachsen und Thüringen erschien, wurde er eimnüthig als König anerkannt.41 So unvollständig diese Wahl auch war, so wurde sie doch von allen gebilliget, welche den innern Frieden als das dringendste Bedürfniss ansahen. Entscheidend aber war der Umstand, dass auch der Papst Innocenz III. nun für Otto auftrat und von jeder Wahl eines neuen Königs abrieth. Wie vorhin in Sachsen, so wurde Otto bald auch auf fränkischem Boden, zu Frankfurt am Main, nicht etwa als der siegreiche Nebenbuhler Philipps anerkannt, sondern als dessen Nachfolger neu gewählt, wodurch also ausgesprochen war, dass Philipp der rechtmässige König gewesen sei. Nachdem Otto den Eid als König auf das Evangelienbuch geleistet und geschworen hatte, über die Wahrung des Friedens zu wachen, ein gerechter Richter zu sein immerdar und jeden Feind der Christenheit männlich zu bekämpfen, überreichte ihm der Kanzler Conrad feierlich die Zeichen der Herrschaft, und zum ersten male bestieg nun Otto, die Krone Kaiser Karls auf dem Haupte, die heilige Lanze in der Hand, den Thron, um die höchste königliche Pflicht zu üben, um Recht zu sprechen. Und was hätte dringender Gerechtigkeit und Sühne erheischt, als der noch ungestrafte Mord König Philipps? Ein zartes Mädchen führte als das älteste Glied des verwaisten Hauses seine Sache. Schüchtern trat sie an der Hand ihres Vormundes Conrad in den Kreis der Fürsten und üel weinend dem Könige zu Füssen. Schmerzlich war alles bewegt und nach einstimmigem Fürstenspruch erklärte Otto den Mörder für geächtet, für recht- und friedelos. Nachdem dieser ersten Pflicht genügt war, ging man über zu freudigerem Thun.42 Die Fürsten riethen, Otto möge sich, um die völlige Versöhnung der Welfen und Hohenstaufen herbeizuführen, mit Beatrix verloben. Der Papst ertheilte unaufgefordert die Dispensation wegen der nahen Verwandtschaft. Der König verkündigte, dass Beatrix von heute an in seiner Mundschaft stehe und dass er, so bald sie zu ihren Jahren gekommen sei, sich mit ihr ehelich verbinden werde. Auf die einfachste Weise wurde so die Zwietracht beendet, der alte Hass der Geschlechter und Parteien versöhnt, und nur so konnten die ausgedehnten staufischen Hauslande zur Verstärkung der königlichen Macht dienen. Und das war kein geringes: 35U Burgen und Schlösser kamen mit der Hand von Philipps Erbtochter au den Welfen. Mit den Drangsalen der eben abgelaufeneu Zeit glaubte man in Deutschland auch ihre Folgen überwunden zu haben und träumte jetzt von neuem Glück und neuer Herrlichkeit, und doch war es nur ein vorübergehender Sonnenblick des Friedens, hinter dem bald dieselben Stürme wieder aufziehen sollten, die eben erst im Reiche ausgetobt hatten. Es war alter deutscher Rechtsbrauch, dass der neue König durch festlichen Umritt von seinem Reiche Besitz nahm. So begann denn auch der neue König Otto seinen grossen Umzug im Reich. Zu Augsburg hielt Otto einen grossen, vornehmlich von schwäbischen und baierischen Herren besuchten Reichstag, aucli Abgeordnete der italienischen Städte erschienen hier vor ihm. Es galt, die Anhänglichkeit der staufischen Hauslande, die er nun als Herr und Erbe betrat, sich zu gewinnen, vor allem aber der strengen Gerechtigkeit zu pflegen. Zum zweiten male erging jetzt, und zwar nach baierischem Recht und auf baierischem Boden, des Reiches Acht über König Philipps Mörder, und die Vollstreckung des Spruches liess nicht lange auf sich warten. Otto v. Wittelsbach ward auf einem Hofe der Mönche von Ebrach (oberhalb Regensburg), wo er sich seit seiner Aechtung versteckt hielt, aufgespürt, der Marschall Heinrich von Kallindin versetzte ihm den Todesstreich, das Haupt ward vom Rumpfe getrennt und in die Donau geworfen, der Leichnam blieb unbestattet liegen, bis ihm nach 7 Jahren auf päpstliche Erlaubniss ein christliches Begräbniss zu Theil wurd?. Auf einem dritten Reichstage zu Würzburg, der gleichsam den Schluss aller vorhergehenden bilden sollte, wurde in Gegenwart zweier Cardinäle als päpst- _______________________________________________________________________________________________________________________________________ J 89 Nach Joh. Fried. Böhmer, die Regesten des Kaiserreiches, und Otto Abel, Philipp der Hohenstaufe. *° Pfister II. 495 nach den Epist. Innoc. III. 41 Arn. Luh. VII. 15. 42 Arn. L. VII. 16; ganz ähnlich Otto de S. Blas. c. 50. 51. licher Legaten über die Rechtmässigkeit der Ehe Otto's mit König Philipps Tochter verhandelt, und nachdem dieselbe anerkannt worden, ward Beatrix durch die Herzoge von Oesterreich und Baiern in den Saal vor den königlichen Stuhl geführt. Erröthend gab sie auf die Frage, ob sie dem Könige Otto ihre Hand schenken wolle, das schüchterne Jawort. Durch die Hände der Cardinäle nach fränkischem Recht mit Otto verlobt, wurde sie in königlichem Geleite nach Braunschweig gebracht, während Otto im Süden blieb, um die Vorbereitungen zu seinem bevorstehenden Römerzuge zu vollenden.43 Nachdem Otto IV. die dem Papste schon früher gegebenen Versprechungen vor zwei Legaten desselben feierlich wiederholt hatte, den Oüterbesitz der römischen Kirche herzustellen, brach er mit einem grossen Heere nach Italien auf. Die Fürsten und Städte der Lombardei, insbesondere Mailand, empfingen ihn mit grossen Ehren und erklärten sich unterwürfig. Auch der Papst gewährte ihm willig die Krönung in Rom, nachdem er den gewöhnlichen Kaisereid geleistet hatte. Bald kam es mit Innocenz III. zum Zwiespalt, weil Otto IV. zunächst die Mathildischen Güter, dann auch das sicilische Reich in Anspruch nahm, da er zufolge des — zuletzt geleisteten — Kaisereides wirklich geglaubt zu haben scheint, berechtigt, ja verpflichtet zu sein, die Rechte des Reiches auch auf jene Besitzungen geltend zu machen.44 Hierüber zog er sich den Bann des Papstes zu.45 Schon hatte er inzwischen ganz Apulien und Calabrien unterworfen, auch von den Grossen Siciliens das Versprechen der Unterthänigkeit empfangen, als er sich durch Bewegungen, welche die Partei der Hohenstaufen in Deutschland wider ihn erhob, zur Rückkehr über die Alpen bewogen sah (1211). In Nordhausen feierte er seine Vermälung mit der inzwischen herangewachsenen Beatrix, die aber schon 4 Tage nachher eines plötzlichen Todes starb (12. August 1212).46 Hiermit verschwand auch die letzte Hoffnung für Otto, die Anhänger der Hohenstaufen an sich zu fesseln. Schon war inzwischen (1211) der jugendliche Friedrich (II.) gegen ihn nach Deutschland gerufen.47 Die Geschichte weiss von vielen bedeutenden Männern zu erzählen, die in einer Jugend voll Mühen und Entbehrungen die Schule für ihre künftige Grösse durchgemacht haben, wohl nie hat aber ein Fürst seine Kinderjahre so trüb und traurig verlebt, als Friedrich II.48 Am 26. December 1194 war er zu Jesi in der Mark Ancona geboren, zu einer Zeit, da sein Vater alle Gegner niedergeworfen hatte und in Italien wie in Deutschland auf der Höhe seiner Macht stand. Welche Erwartungen mochten sich an dieses Kind knüpfen, dem die deutschen Fürsten schon in die Wiege die römische Königskrone gelegt hatten, das, so schien es, die Macht seiner beiden Grossväter, Kaiser Friedrichs und König Rogers, dereinst zu vereinigen und die Entwürfe Heinrichs VI. vollenden sollte. Aber Friedrich war noch nicht drei Jahre alt, als sein Vater, noch nicht vier Jahre alt, als auch seine Mutter Constanze starb, und der Erbe halb Europa’s stand allein in der Welt, ohne Verwandte und ohne Freunde, schütz- und hilflos, wie noch nie ein König. Am Pfingstfeste (17. Mai) 1198 ward der dreijährige Knabe im Dom von Palermo zum Könige gesalbt und gekrönt, fünf Monate später, kurz vor der Mutter Tod, auch die Anerkennung und Belehnung des Papstes für ihn erwirkt. Mit Vollendung seines 12ten Lebensjahres war der junge König nach Feudalrecbt der oberlehensherrlichen Vormundschaft des Papstes entwachsen, er sollte hinfort im eigenen Namen die Regierung führen. Welche Aufgabe für einen 13jährigen Knaben! In Sicilien noch mehr als auf dem Festlande waren alle 13 Nach Otto IV. und König Friedrich II. aus dem Nachlasse von 0. Abel. 14 Luden XII. 258. Math. Par. a. 1210 tritt sogar selbst jener Ansicht bei: memor sacramenti, quod fecerat; wesshalb er auch hinzufügt: Papam sine merito ad odium provocavit. 45 Chr. Ursp. a. 1209. Godefr. Col. a. 1210. ** Godofr. Col. I. c. — Alb. Stad (nach einer Nachricht vergiftet, Pfister II. 505.) 47 Assmann, Dr. W.: Handbuch der allgemeinen Geschichte. 4‘ Die deutschen Quellen für Friedrichs II. Regierung sind sehr dürftig (auch reicht Chron. Ursp. nur bis 1229, God. Col. bis 1238). Jamsilla de Gestis Fr. II. ejmque ßiorum gibt von Friedrichs Regierung nur eine kurze Ueber-sicht. Je mehr aber in dem Kampfe zwischen Kaiser und Papst auch die übrigen abendländischen Staaten zur Theilnahme herangezogen werden, desto ausführlicher werden die Nachrichten über das Kaiserthum in den gleichzeitigen fremdländischen Geschichtbüchern; so gehört Math. Paris Angli Hist, major (ed. Wats. Parisiis 1644 fol.) zu den Hauptquellen für die Geschichte Friedrichs II. — Von Wichtigkeit sind einige vollständige Urkunden in Mon. G. H. Legg. t. II. — wie Auszüge aus solchen in Böhmers Regesten, wo aber aus den hinzugefügten Uebersichten allzudeutlich die Tendenz hervortritt (p. VII.) „die Schattenseiten der Hohenstaufen“ aufzusuchen. Bande der Ordnung gelöst, jeder wollte befehlen, niemand gehorchen, fast alle Nationen Europa’s tummelten sich in dem schönen unglücklichen Lande herum; neben der griechischen Bevölkerung, deren Sprache und Gottesdienst noch vieler Orten herrschte, gab es zahlreiche arabische Stämme, die dem Worte des Propheten glaubten. Was ihnen an Menge abging, das ersetzten die Deutschen durch Kraft und Kühnheit, sie fühlten sich fortwährend als die Eroberer des Reiches und waren nicht gesonnen, das geringste von ihren Ansprüchen aufzugeben. Die normannischen Barone glaubten, die Zeiten seien zurückgekehrt, wo sie, noch nicht gebändigt durch König Rogers Strenge, frei im Lande geschaltet hatten; gleichgiltig gegen die gemeine Wohlfahrt, gegen Eid und Pflicht, verfolgten sie nur ihren eigenen Vortheil. Durch Boten und Briefe schilderte Friedrich dem Papste seine traurige Lage. Er bat den heiligen Vater, sein geistliches Schwert für ihn zu gebrauchen. Dieser Bitte entsprechend, erliess dann Innocenz ein kräftiges Schreiben an die sicilianischen Barone. Als alle Versuche, mit der vereinten Macht des Königs und des Papstes Ordnung im Reiche herzustellen, gescheitert waren, schien nichts anderes übrig, als ausländische Kräfte zur Unterstützung König Friedrichs aufzubieten. Schon die Kaiserin hatte ihr Auge auf Aragonien geworfen und durch eine Verlobung ihres Sohnes mit einer Schwester König Peters in diesem sich einen Verbündeten zu erwerben gedacht. Wirklich kam es zu einem Vertrage, dem zufolge 200 aragonische Ritter dem Könige Friedrich zu Hilfe geschickt werden sollten. Doch verzögerte sich die Verlobung, weil König Peter nicht seine jüngere Schwester, sondern zunächst seine ältere, Constanze, die durch den Tod ihres Gemals, des Ungarnkönigs Emmerich, damals Witwe geworden war, wieder verheiraten wollte. Erst im Sommer 1209 ward die Vermälung gefeiert und der nächste politische Zweck derselben erreicht, da es gelang, mit Hilfe catalonischer und provenzalischer Ritter wenigstens den nördlichen Küstenstrich der Insel zur Unterwerfung zu bringen. Dagegen konnte die Verbindung mit einem Weibe, das fast seine Mutter hätte sein können und mindestens 10 Jahre älter war, als der kaum fünfzehnjährige Friedrich, ihm nicht den Segen des Familienlebens bringen, den das Schicksal dem Knaben nicht gegönnt hatte. Durch den frühen Verlust der Eltern hatte er schon in jungen Jahren gelernt, auf sich selbst zu vertrauen. Daher hatte er bereits Selbständigkeit im Denken und Handeln, berechnende Klugheit und eine seltene Menschenkenntniss sich angeeignet. Aber auch die Schattenseiten dieser isolirten Stellung fehlen nicht: die Menschenkenntniss wurde oft zur Menschenverachtung, die Selbständigkeit zur Selbstsucht und Geringschätzung dessen, was für Andere ein geheiligtes Ansehen hatte, zu der einfachen Klugheit gesellte sich Listigkeit und die Kunst der Verstellung; über das ganze Wesen des jungen Fürsten, dem nie ein warmes, theilnehmendes Herz entgegengeschlagen hatte, verbreitete sich schon frühe eine eisige Kälte, die nie mehr von ihm gewichen und nur in einzelnen Fällen durch heftige, aus den Tiefen der Seele kommende Gefühlsergüsse vorübergehend gebrochen worden ist. Durch Geburt und Erziehung war und blieb Friedrich vorwiegend Italiener, aber nicht so sehr, dass er darüber seiner deutschen Herkunft vergessen hätte; ja weit mehr, als man gewöhnlich annimmt, wandte er von früh auf seinen Sinn Deutschland zu. Seit dem Tode Philipps trat er in die Rechte jenes heldenmüthigen Kaisers ein, dessen einziger Enkel er war; ihm kamen das Herzogthum Schwaben und die anderen staufischen Erbländer zu, ihm auch die Krone des deutschen Reiches; und gleich im Sommer 1208 machte er Miene, den Kampf seines Oheims gegen den Welfen Otto aufzunehmen. Die Ereignisse in Deutschland kamen seinen Wünschen zuvor, auch Papst Innocenz erklärte sich aufs bestimmteste für König Otto, zum zweiten male ging für Friedrich die deutsche Krone verloren. Ja selbst nach der Krone beider Sicilien strebte dieser Gegner und seine Fortschritte in der Eroberung der Festlandsbesitzungen Friedrichs waren so drohend, dass im Hafen von Palermo die Galeere schon bereit lag, auf welcher Friedrich im äussersten Falle zu entfliehen gedachte. Da schleuderte Innocenz III. zum Schutze seines Mündels den Bannstrahl gegen Otto, in Folge dessen dieser in Deutschland abgesetzt wurde, Friedrich aber, der sich schon im Februar 1212 „erwählter römischer Kaiser“ nennt, folgte dem Rufe der deutschen Fürsten nach Deutschland, nachdem er vorher seinen kleinen Sohn Heinrich zum Könige von Sicilien hatte krönen lassen; seiner Gemalin übertrug er die Vormundschaft und Reichsregierung. So riss sich der siebenzehnjährige Jüngling los von Heimat und Familie. Doch kein fremdes Reich war es, nach welchem er auszog, er hatte die Ansprüche, die aus seiner Erwählung im Jahre 1197 hervorgingen, niemals aufgegeben, auf das väterliche Erbtheil, die staufischen Haus- 2* lande niemals verzichtet. War er erst im anerkannten Besitze seiner deutschen Rechte, dann gedachte er, die Kaiserkrone auf dem Haupte, wieder zurückzukehren und auch in der sicilianischen Heimat ein selbstständiges königliches Regiment zu führen. Bei seinem Erscheinen im westlichen Deutschland fand Friedrich allgemein Anhang; auf der Grenze Lothringens (in Toul) schloss er bei einer persönlichen Zusammenkunft mit (Ludwig) dem Sohne des Königs Philipp von Frankreich ein förmliches Bündniss, worin er sich verpflichtete, ohne Zustimmung Frankreichs niemals mit Otto und dessen Oheim, Johann von England, Frieden zu machen. Dafür unterstützte Philipp, als Otto's Todfeind ein sicherer Bundesgenosse, den jungen König mit Geldzahlungen, wodurch dieser manchen Fürsten zum Abfall von Otto bewog. Nach seiner ersten Krönung in Mainz befestigte er seine Stellung durch Hoftage in Baiern und Schwaben, Otto aber liess sich zu Gunsten seines Schwiegervaters, des Herzogs von Brabant, der vom Könige Philipp bedrängt war, in einen Krieg mit Frankreich ein, in dei Hoffnung, so den mächtigsten Bundesgenossen Friedrichs zu schlagen. In der Schlacht bei Bouvines, in der Nähe von Tournay, unterlag der Rest von Otto’s Macht; Friedrich dagegen liess sich in Aachen zum zweiten male krönen (25. Juli 1215), zugleich die Gebeine Karls des Grossen in einen neuen Sarg legen und nahm selbst aus eigenem Antriebe das Kreuz, vier Monate früher, als das Concilium im Lateran zum Kreuzzuge auiforderte. Ausserdem versprach er (1216) dem Papste Innocenz III., sobald er die Kaiserkrone erlangt habe, wolle er seinem bereits zum König gekrönten Sohne Heinrich das sicilische Reich überlassen, um es als ein Lehen der römischen Kirche zu regieren: wenige Tage darauf starb Innocenz III. Sein Nachfolger Honorius III., welcher die Ausführung der Pläne seines Vorgängers eifrig betrieb, mahnte die ganze abendländische Christenheit zur Theilnahme am Kreuzzuge und dran°" auch bei Friedrich auf die Erfüllung seines Gelübdes. So lange nun Otto in Deutschland noch Land und Leute besass und am Leben war, hatte Iriedrich in der Nothwendigkeit, den Krieg hier persönlich zu führen, bei dem Papste eine hinreichende Entschuldigung für sein Hinzögern. Als aber Otto im Mai 1218 gestorben war, schienen alle bisherigen Hindernisse bei Seite geräumt.49 Wie von Kindheit auf, stieg Friedrich II. auch nach seiner Anerkennung in Deutschland (1215) nur unter schweren Kämpfen zu immer höherem Glanze empor. Nach 1235 erreicht er den höchsten Punkt seiner Macht; seitdem aber beginnen neue Kämpfe, vor allem mit dem Papstthum, unter denen Friedrich II. erliegt (1250), wie bald darauf das ganze hohenstaufische Geschlecht. Friedrich, der vor allem auf Befestigung seines Ansehens in Deutschland Bedacht nehmen musste, feierte mit grösser Pracht in W orms seine dritte \ ermälung mit Isabelle, der Schwester König Heinrichs III. von England, wodurch er sich auch mit den Welfen von neuem verschwägerte.50 Dann hielt er den eben so glänzenden als bedeutungsvollen Reichstag zu Mainz 1235. Hier, wo fast alle deutschen Fürsten versammelt waren, wurde der Landfrieden beschworen und zum ersten male in deutscher Sprache schriftlich jedermann zur Kenntniss gebracht.51 Jeder soll nach dem neuen Gesetz 52 sein Recht vor dem Richter suchen und der Kaiser stellt einen Hofrichter an, der, wo er selbst behindert ist, in seinem Namen Recht spricht. Eben daselbst legte Friedrich II. die alte Fehde seines Hauses mit den Welfen unter Zustimmung des Reichstages bei. Der einzige männliche Erbe des welfischen Geschlechtes war damals Heinrichs des Löwen Enkel, der Sohn seines in England geborenen Sohnes Wilhelm, Otto das Kind (Puer). Diesem hatte sein letztüberlebender Oheim Heinrich der Pfalzgraf das Erbrecht auf alle welfischen Besitzungen zuerkannt;J3 bei dessen Tode (1227) machten jedoch seine eigenen Töchter und deren Gatten Joh. Jried. Böhmer, die Regesten des Kaiserreiches; Heinrich Leo, Geschichte der italienischen Staaten; 0. Abel, Kaiser Otto IY. und König Friedrich II. 40 God. Col. a. 1235. God. Col. a. 1235. Curia celeberrima -- pax juratur, vetera jura stabiliuntur, nova statuuntur, Teutonico sei mone in membrana scripta omnibus publicantur. Berthold II. 109 bemerkt: Wegen der Wichtigkeit dieses „Mainzer Rechtes1- das zu den zweckmässigsten Reichsgesetzen bis auf die Zeit der goldenen Bulle gehört — glaubte man lange, die Urkunde sei als die erste in Reichsangelegeuheiten in deutscher Sprache erschienen. Vgl. Pfister II. 549 Anm. *’ Mon. etc. Legg. II. 313 sqq.: „Constitutio pacis“ - insbesondere N. 3, 4, 15. (Koch) Pragmat. Gesch. des Herzogthums Braunschweig und Lüneburg. Braunschweig 1764, S. 83. Anspruch auf die braunschweigischen Güter und traten dieselben verkaufsweise an Friedrich II. ab.64 Otto das Kind war schon länger im Besitze Lüneburgs und der zu diesem gehörigen Güter; auch er aber trat — nach dem Wortlaut der zu Mainz erlassenen Urkunde — dieses sein „Eigen“ dem Kaiser ab,55 worauf Friedrich II. letzteres wie auch Braunschweig dem Reiche übertrug, diese Lande zu einem „Herzogthum“ vereinigte und dasselbe als ein Reichslehen Otto dem Kinde und seinen Erben, Söhnen und Töchtern ertheilte.56 Der Kaiser verordnete, dass der Tag, wo das neue Herzogthum geschaffen war (21. August 1235), in die Jahrbücher eingetragen werde, und lud zur Feier desselben, nachdem er im Kaiser-schmuck in der Kirche zu Mainz gethront hatte, die Fürsten zu einem prächtigen Gelage.57 Nachdem Friedrich II. die nach Selbständigkeit strebenden lombardischen Städte zum Gehorsam zurückgeführt und den Herzog Friedrich von Oesterreich bezwungen hatte, stand er auf der Höhe seiner Macht; alle Länder seines weiten Reiches waren nunmehr unterwürfig; Furcht und Schrecken kam über die Städte Italiens.58 Als aber Mailand und dessen Bundesgenossen Unterhandlungen suchten, bestand der Kaiser auf unbedingter Ergebung.59 Damals warnte ihn eine besonnene Frau, die Gräfin von Caserta: „Herr, Ihr habt ein so schönes Reich, Ihr babt alles, was einen Menschen beglücken kann; warum — um Gotteswillen! — stürzt Ihr Euch in diese neue Fehde?“ — Friedrich antwortete: „Der Ehre wegen bin ich soweit vorgeschritten; der Ehre wegen kann und will ich nicht mehr zurück!“ 80 Im Kampfe mit dem Papste vermochte dieser in Deutschland die Treue der Fürsten und Städte trotz der wiederholten Vorschrift, offenen Aufstand gegen den Kaiser zu beginnen, nicht so bald zu erschüttern, auch während Friedrich lediglich damit beschäftigt war, den Kampf in Italien gegen Mailand und dessen Bundesgenossen fortzusetzen.61 Die Erzbischöfe und Bischöfe des Reiches schrieben dem Papst: „Er möge auf Frieden mit dem Kaiser denken, um kein Aergerniss zu gebeneinige Reichsfürsten aber: „Der Papst habe nicht das Recht, einen Kaiser einzusetzen, sondern nur den von den Fürsten Erwählten zu krönen.“ 02 Auch in Frankreich regte sich bereits ein freierer Geist, und der König Ludwig der Heilige trat so kräftig gegen die Anmassungen des Papstes auf, wie das erwachende Nationalgefühl es verlangte. Als der Papst eine Botschaft an den französischen König erlassen hatte: „Er habe Friedrich vom Gipfel der kaiserlichen Hoheit herabgestossen und Robert, den Bruder Ludwigs IX., an dessen Stelle zu treten erwählt,“ antwortete der König nach gepflogenem Rath: „Mit welcher Kühnheit wagt es der Papst, einen so grossen Fürsten, dem niemand unter den Christen auch nur gleich steht, ohne Ueberführung oder eigenes Geständniss von der Hoheit des Kaiserthums herunterzustürzen?“ worauf die päpstlichen Gesandten sich bestürzt zurückzogen. Französische Gesandte aber berichteten dem Kaiser das Geschehene; vor diesen erhob Friedrich II. die Hände zum Himmel und erklärte unter Thränen und Schluchzen: „Er sei in Wahrheit ein katholischer Christ!“ Die Gesandten erwiederten: „Das wolle Gott nicht, dass wir einen Christen ohne offenkundige Schuld angriffen! Auch treibt uns kein Ehrgeiz, denn wir glauben, dass unser König, der erbliche Beherrscher Galliens, selbst noch höher stehe, als der allein durch Wahl erhobene Kaiser.“ 83 Unter dem thatkräftigen Innocenz IV. nahm der Kampf mit dem Kaiser wieder eine entscheidende Wendung. Auf einer allgemeinen Kirchen Versammlung zu Lyon 1245 vom Papste in den Bann s* Constitutio Ducatus Hr. et Lbg. in Mon. etc. Legg. II p. 319. I. 3: Civitatem de Brunswick. Eine wichtige Urkunde. 55 Ib. in proprietatem etc. Dominium specialiter assignavit. 5“ Ib. foedum imperii concessimus ad heredes suos, filios et filias, liereditarie devolvendum. ” God. Col. a. 1235. 51 Matth. Par.: Irruit formido et pavor super civitates Italiae. Böhmer p. XXXII.: Alle Städte Oberitaliens vraren unterworfen bis auf vier: Brescia, Bologna, Piacenza und Mailand. 00 Pfister II. 557 nach einer von Raumer III. 617 angeführten Handschrift. •' Raumer III. 660. “ Alb. Stad. a. 1240: Quidam principum ei rescripserunt: „non sui juris, imperatorem substituere, sed tantum electum a principibus coronare.“ "3 Matth. Par. p. 350. gethan, kämpfte der Kaiser jetzt ohne Rücksicht und Nachsicht gegen ihn, ja er suchte die Herzen der Könige und Fürsten nicht nur dem Papste, sondern auch dem ganzen damaligen Clerus abwendig zu machen.84 Durch solche Forderungen brachte sich freilich Friedrich II. bei vielen Zeitgenossen in den Verdacht der Ketzerei; aber auch die Könige wie die weltlichen und geistlichen Grossen von Frankreich und England wurden doch zu gleicher Zeit besorgt, dass der Papst, wenn es ihm gelänge, Friedrich unrettbar der Krone zu berauben, sich in Zukunft zu unerträglichen Anmassungen gegen unschuldige Fürsten und insonderheit Prälaten erheben möchte. 85 Alsbald bewog indess der Papst die englische Geistlickheit, die Bulle der Absetzung Friedrichs II. durch ihre Unterschrift feierlich anzuerkennen.88 Der französische König war bemüht, eine Versöhnung des Papstes mit Friedrich II. herbeizuführen; der Papst wies aber diese Vermittlung auf das hartnäckigste zurück.67 Im weiteren Kampfe mit dem Papste und den von der feindlichen Partei aufgestellten Gegenkönigen wollte das Schicksal Friedrich härtere Prüfungen ersparen. Er hatte eben, um den Krieg grösstentheils mit zuverlässigen, dem päpstlichen Bannurtheil unzugänglichen Leuten führen zu können, saracenische Schaaren aus Afrika kommen und durch sie einen grossen Theil des Kirchenstaates besetzen lassen, als er in der Nähe des ihm getreuen, ebenfalls saracenischen Luceria im November 1250 erkrankte und gegen die Mitte des December auf seinem Schlosse in Firenzuola starb. Unmittelbar vor seinem Tode war er von dem Erzbischöfe von Palermo wieder in den Schooss der Kirche aufgenommen worden. W ie über Kaiser Heinrich IV., so sind auch über Friedrich II. von verschiedenem Standpunkte aus die entgegengesetztesten Urtlieile gefällt worden. Böhmer in den Regesten des Kaiserreiches fasst am Schlüsse seiner Darstellung dieser Regierung sein Gesammturtheil im wesentlichen also: „Alle Urtheile der Zeitgenossen, wie verschieden sie auch sonst sind, stimmen darin überein, dass es dem Kaiser eben so wenig an persönlichen Anlagen zur Grösse fehlte, als an ä'ussern Mitteln. Was er also nicht erreicht, oder was er gefehlt hat, kommt ganz auf die Rechnung seines verderbten Wollens. Als nächstes Beispiel dessen, was von ihm zu meiden war, stand derjenige vor ihm, den er gestürzt hat: Otto. Doch wunderbar! Keinem einzigen unserer Kaiser hat Friedrichs Wirken und auch Friedrichs Ende mehr geglichen, als dem Ottos. Verschieden waren beide freilich in wichtigen Beziehungen; Friedrich besass nicht die persönliche Tapferkeit und die kriegerischen Gaben Otto's, und dieser stand hinwieder gegen ihn unendlich zurück an Bildung des Geistes und an Macht. Aber beide waren Geschöpfe der Kirche, beide hatten den Päpsten ihre Erhebung zu verdanken; beide waren gleich undankbar gegen ihre Wohlthäter; beide brachten ihr Leben in Mühen und Kämpfen hin und beide waren zuletzt entfernter von ihrem Ziele als Anfangs. Beide endeten müde und verlassen. Das mächtigste Reich wollte er bauen; gleichgiltig gegen die Mittel, mied er weder irug noch Gewalt. Aber am Ende war doch alles vergeblich; nichts war von dem erreicht, was er erstrebte; aber was er besessen hatte, war verspielt. Das heilige Land war verloren; kümmerlich behauptete sich sein Sohn in dem zerrütteten Deutschland, während er selbst gegen den Schluss seines Lebens sich genöthigt sah, sein Gebiet in Italien unter seine natürlichen Söhne, wie Manfred und Friedrich von Antiochien, und unter seine Anhänger zu zertrümmern. Er, an dessen Jugend die Völker so grosse Hoffnungen geknüpft hatten, war zuletzt nur noch der Schrecken und die Geissel derer, die er erreichen konnte; der Schwachen nämlich, über die er nur Raub und Brand und Elend aller Art häufte. Er selbst, hingegeben jenem hartnäckigen Eigensinn, der ihn einst vor Faenza und Parma festgehalten hatte, war eibitteiten Gemüthes, zeifallen mit den Freunden und Getreuen seiner früheren Jahre, verlassen vom Glück. Das Urtheil der Völker Italiens sprach sich aus in ihrem Jubel bei der Rückkehr des Papstes, dessen Reise von Mailand bis ^Neapel ein Triumphzug war; denn der Tyrann, der alle unglücklich gemacht hatte, war nun todt und es war wieder Hoffnung auf bessere Zeiten.“ Anders sein neuester Biograph, Fr. Wilh. Schirrmacher.88 Nun gehen wir zu den englischen und französischen Königen über. •* Matth. P. 459 tam a devotione quam veneratione ecclesiae et Praelatorum, praecipue domini Papae. •5 Matth. P. si eum (eUi dignum) auctoritas papalis irrestaurabiliter deponeret, in postenm in intolerabilem superbiam sublevaretur. cf. p. 472. Matth. P. tam ad majorem roborationem, quam ad memorium rei sempiternam. I. c •’ Matth. P. 468. a. 1246. ** Wilh. Pütz: Geschichte des Mittelalters. Nach der Bestattung seines Vaters eilte Richard nach Rouen und holte die Absolution für die gegen den Vater begangene Sünde ein. Seinem jungen Bruder Johann sicherte er alle Besitzungen, welche derselbe von dem Vater empfangen hatte. Ohne Staatsklugheit verstiess er die weisesten Räthe seines Vaters und übergab seiner Mutter die Statthalterschaft in England. Bald kam er selbst dorthin, um in feierlichster Weise gekrönt zu werden.89 Bei der prachtvollen Krönung, die zu Westminster stattfand, war auch der Erzbischof Folkmar 70 von Trier, der wegen seiner welfischen Gesinnungen verschiedene Streitigkeiten hatte und in Folge päpstlichen Befehls vertrieben worden, zugegen. Auch Herzog Heinrich der Löwe,71 der Schwager des Königs, welcher seit einigen Monaten mit seinem ältesten Sohne Heinrich in England war und bis zu Michaelis dort blieb, soll zu den erlauchten Fremden bei der Krönung gehört haben. Selbst seine Tochter und sein Sohn Wilhelm werden als gegenwärtig erwähnt. Die Krönung wurde die Veranlassung zu einer Verfolgung der Juden,72 da einige derselben sich zu der Kirche herangedrängt hatten, um den König zu sehen. Unter dem Einflüsse der Kreuzzugsschwärmerei wurde dieses Beispiel gegen die Juden im ganzen Lande nachgeahmt; Richards Gegenbefehle wurden wenig beachtet. In blinder Verzweiflung beschlossen die Juden, sich gegenseitig umzubringen. Frauen und Kinder wurden mit dem Messer geschlachtet, die Männer stürzten sich mit ihren Schätzen in die Flammen. Das Volk aber verbrannte all ihr Eigenthum und vergass nicht die Schuldbriefe zu vernichten. Kaum war Richard gekrönt, so beschäftigte ihn nur der Kreuzzug, den er wie Philipp II. von Frankreich und Friedrich Barbarossa gelobt hatte. Er selbst hatte keine anderen Gedanken, als das Gelübde, das er der erste unter den Fürsten der Christenheit gethan, auf alle Fälle und ohne Ansehung der Mittel, zu erfüllen, Zu diesem Zwecke suchte er vor allem eine grosse Masse Geldes zusammenzubringen; Rechte und Freiheiten wurden käuflich, wer Geld gab, erhielt Ländereien und Aemter. Er selbst rief einst aus: 73 „Hätte sich ein Käufer gefunden, so hätte ich ihm auch London zugeschlagen!“ Auch die Lehensabhängigkeit Schottlands wurde für die Summe von 10.000 Mark aufgehoben. Zum Statthalter Englands ernannte er seinen Günstling, den Kanzler Wilhelm, Bischof von Ely. Nachdem er zuvor eine Pilgerfahrt zu seinem Lieblingsheiligen Edmund gemacht, schiffte er am 12. December 1189 von Dover nach Calais, wo er vom Grafen Philipp von Flandern empfangen wurde, und hielt zu St. Remy bei Nonancourt eine Zusammenkunft mit König Philipp. Beide Fürsten schworen sich am 30. December mit Bezug auf ihre früheren Verträge abermals Treue. Philipp versprach das Eigenthum Richards zu schirmen wie seine gute Stadt Paris, und Richard das Land des Königs von Frankreich gleich wie Rouen.74 Während der Vorbereitungen zum Kreuzzuge traten zwei Todesfälle störend dazwischen. Es traf die Nachricht ein, dass Richards Schwager, der König Wilhelm II. von Sicilien, am 17. November 1189 gestorben sei, und am 15. März 1190 starb auch Elisabeth, die Gemalin des Königs Philipp. Die Folge war, dass sich die Fahrt nach dem gelobten Lande noch bis in das folgende Jahr verzögerte. Zu Anfang Juni des Jahres 1190 züchtigte er noch einige Raubritter in seinen südlichen Staaten und begab sich nach Tours, wo sich mittlerweile die grosse Menge der englischen und normannischen Pilger versammelt hatte. Eine zahlreiche Flotte, die mit allem Zubehör und mit Lebensmitteln auf ein Jahr ausgerüstet war, setzte sich in Bewegung und war bestimmt, einen Theil der Kreuzfahrer aufzunehmen. Die Flotte stach in See, das Landheer begann sich in Bewegung zu setzen. Der König aber, nachdem er vom Erzbischof von Tours Pilgerstab und Tasche empfangen, wobei der Stock, als der eiserne Fürst sich auf ihn stützte, zum bösen Wahrzeichen zerbrach, eilte nach Vezelay, wo Philipp bereits mit seinem Heere eingetroffen war.75 In Messina sollte das ganze Kreuzheer sich sammeln. •• Reinhold Pauli, Geschichte von England. III. Bd. 70 Gesta Trevir. Archiep. ap. Brial XVIII, 676. 11 Great Roll of the Pipe 1189—90. Vgl. Bened. Petr. b. a. Godefred monach. Arnold Lub. L. IV. 1. L. 71 Bened. Petr. 560, 561. Rad. de Die. 647. Guil. Neubr. IV. 1. 13 Guil. Neubr. IV. 5. Si invenissem emptorem, vendidissem Londoniam. Ric. Div. 10. ’* Urkunde bei Rymer Födera I. 50. vgl. Rad. de Die. 650. Im Auszuge bei Bened. Petr. 583, der noch den eigenthiimlichen Zusatz hat: Quud si alter eorum decessisset in illa peregrinatione, alter qui supervixerit, pecunias de-functi haberet et homines ad servitium Dei faeiendum. ’5 Rog. de Hoved. 666. Iter Hieros. II. 8. Am 30. Juni zogen die beiden Könige nach Lyon, wo Richard wieder ein Unfall traf. Als nämlich die Engländer über den Rhonfluss setzten, brach die schmale Brücke ein und Richard musste sich mit einei nothdüiftigen Schiffbrücke behelfen.76 Des Unterhaltes wegen trennten sich beide Könige. Philipp mit seinem Heere schlug die Richtung nach Genua ein, Richard zog nach Marseille, wo er seine Flotte erwartete. Da sie jedoch nicht erschien, fuhr er am 7. August 77 auf dreiundzwanzig gemietheten Fahrzeugen von Maiseille aus. Eine kleine Abtheilung fuhr geraden Weges nach Acre, wo sie das Herannahen der Könige von England und Frankreich verkündeten. Die englische Flotte war inzwischen am 22. August nach Marseille gekommen und fand den König nicht mehr. Acht Tage waren zu Ausbesserungen erforderlich, alsdann segelten sie weiter nach Messina, wo sie Freitag den 14. September einliefen. Richard fuhr inzwischen langsam an der italienischen Küste entlang und stieg ans Land, wo es nur möglich war. So landete er bei Genua, Pisa, Ostia und Neapel, wo er während seines Aufenthaltes das Heiligthum des St. Januarius und die Gebeine vieler Heiligen besuchte. Mehr einem fahrenden Rittei ähnlich als dem Könige von England, der an der Spitze eines Kreuzheeres nach Palästina zu ziehen gedenkt, reiste er zu Pferde weiter nach Salerno, dem Sitze der schon damals weit berühmten medicinischen Hochschule, und verblieb dort, bis er von der Ankunft seiner Flotte hörte. Hierauf ging er der Meerenge zu, nicht ohne Abenteuer, nach denen sein Herz sich sehnte. Als er eines Tages, nur gefolgt von einem Begleitei, durch ein calabrisches Dort zwischen Mileto und Bagnara ritt, hörte er in der Hütte eines Bauern einen Falken. Ohne weiters ging er hinein und nahm sich den Vogel. Sogleich eilten die Bauern hei bei und fielen mit Knitteln und Steinen über ihn her; als einer sein Messer gegen ihn zog, hieb er mit der flachen Klinge aui diesen los, so dass das Schwert zersprang; er vertheidigte sich dann ebenfalls mit Steinen und erreichte bei Bagnara sein Gefolge wieder.78 Dann setzte er über die Meerenge und zog am 23. September unter dem Klange von Hörnern und Trompeten in Messina ein, wo ihn der König von Frankreich, dei wenige läge zuvor angekommen war, empfing. Während Philipp im königlichen Palaste zu Messina wohnte, bezog Richard das Haus eines Ritters in den Weinbergen vor der Stadt. Der Seeweg ins gelobte Land ward von Richard absichtlich gewählt, weil er durch die Unterstützung Heimichs des Löwen und durch die Aufnahme des verjagten Bischofs von Trier den Kaiser Friedrich Barbarossa und dessen Reichsverweser Heinrich VI. beleidiget hatte und deshalb den Marsch durch Deutschland bedenklich finden musste. Zugleich hatten die beiden mächtigsten Fürsten des romanischen Abendlandes nicht ohne tiefere Absicht die Insel Sicilien zum Ausgangspunkte ihrer Unternehmung gewählt. Die doitige normannische Herrschaft war in Kämpfen mit den Saracenen aufgewachsen; die Herren von Neapel und Sicilien hatten den eifrigsten Antheil an den ersten Kreuzzügen genommen. ■ Die alte Stammgenossenschaft mit den Herzogen der Normandie war noch vor kurzem durch eine Heirat zwischen den beiden Königshäusern neu befestigt worden. Diese Angelegenheit und der Tod König Wilhelms II. veranlasste Richard, in Sicilien einen langem Aufenthalt zu nehmen. Tancred von Lecce, ein Enkel König Rogers I. und nicht ehelicher Geburt, hatte sich des Thrones bemächtigt und nicht nur die wahre Erbin Gonstance, eine l'ochter Rogers, der Nachfolge beraubt, sondern hielt auch die verwitwete Johanna, Richards Schwester, zu 1 alermo im Gewahrsam. Richard masste sich wohl nicht an, die Nachfolge im Reiche entscheiden zu wollen, aber er verlangte, dass seiner Scliwester Gerechtigkeit geschehe und dass ihm die ihr von ihrem Gemal testamentarisch zugesicherte reiche Mitgift ausgeliefert würde.78 lancred hatte sich nun freilich auf die Kunde von Richards Ankunft beeilt, die Königin iii Fieiheit zu setzen. Bereits am 28. September war Johanna von ihrem Bruder empfangen worden, bei welch ei Gelegenheit der König von Frankreich sich so höflich und freundlich benahm, dass im Volke die hede ging, er würde sie zu seiner Gemalin machen. Tancred hatte ihr aber nur ihren einfachen Haushalt ’6 Iter Hieros. II. 9, 10. cf. Bened. Petr. p. 590. ” Septimo autem die Augusti, Bened. Petr. I. c. 7* Bened. Petr. (104. Unter den Forderungen ist die Grafschaft Monte San Angelo, ein goldener Tisch, ein seidenes Zelt und andere Kostbarkeiten; doch verlangte Richard auch Korn, Wein und 100 Schiffe zur Seefahrt. Bened. Petr. 612 cf Iter Hieros. II. 18. Ric. Div. 19. und die Verschreibung einer Million Tarenen mitgegeben. Dieser Umstand und die feindselige Stimmung, die die Eingebornen den Engländern zeigten, bewirkten, dass der prunkvolle Hochmuth, mit dem Richard aufgetreten, sich bald zu rücksichtsloser Gewalttätigkeit steigerte. Nach Eroberung Messina’s folgte ein Vertrag mit König Tankred. Unter Vermittlung Philipps schwor man sich gegenseitig Frieden und Freundschaft unter der Bedingung, dass Tankred die Ansprüche der Königin Johanna mit zwei Summen von je 20.000 Unzen Gold abkaufen sollte, wovon die zweite erst dann zahlbar war, wenn Richard seinen Neffen Arthur, den Herzog der Bretagne, mit einer Tochter Tankreds verheiraten würde.80 Es sollte dies die Grundlage eines Bündnisses sein, das offenbar gegen die Ansprüche des deutschen Königs Heinrich VI. gerichtet war, des Gemals der Constance, der bereits zu Anfang des Jahres den Erzbischof von Mainz mit einem Heere nach Apulien gesandt hatte. Ungeachtet des Drängens Philipp’s II. verschob Richard die Abfahrt, da er seine Mutter, die Königin Eleonore, erwartete, die in Begleitung seiner Braut Berengaria, der Tochter Sancho’s I. von Navarra, unter dem Schutze des Grafen von Flandern den Landweg durch Italien reiste.81 Bei der Ankunft der Fürstinnen dachte er sein Verhältniss zu der Schwester des Königs von Frankreich zu lösen. Schon waren sie in Neapel und Philipp von Flandern war bereits in Messina eingetroffen, als Richard in Folge einer Zusammenkunft mit Tancred den früher durch seinen Vater geschlossenen Heiratsvertrag mit Alice, der Schwester Philipps II., zurückgehen liess. Am 30. März trafen Eleonore und Berengaria beim Könige Richard ein. Die Königin verliess ihn schon am vierten Tage wieder und begab sich zu Lande nach der Heimat, die Braut aber und seine Schwester Johanna blieben bei ihm.82 Der 10. April war zur Abfahrt bestimmt. Er lief mit einer Flotte von 250 Schiffen aus, auf deren einem sich die Braut und die Schwester des Königs befanden. Auf der Fahrt nach dem heiligen Lande eroberte Richard die Insel Cypern und feierte dort seine Vermälung mit Berengaria. Am 5. Juni segelte er von Cypern nach Acre, wo er am 8. Sonnabend ankam. Richards stolze Ausrüstung, seine persönliche Tapferkeit uud die Eroberung von Cypern hatten ihm im voraus die Herzen fast des ganzen Heeres gewonneu. An sein Erscheinen knüpfte man noch einmal die lebhaftesten Hoffnungen. Mit Sang und Klang wurde er daher eingeholt. Abends war das Lager von Wachskerzen und Freudenfeuern erleuchtet, die auch dem Heere Saladins die Ankunft des löwenherzigen Königs verkündeten.83 ln seinem stolzen, übermüthigen Wesen wollte er niemals mit den Franzosen gemeinsam handeln. Inzwischen übte er sich in allen jenen ritterlichen Tugenden, die ihn in den Augen der Mitwelt so berühmt gemacht haben. Hätte Richard die höheren Herrschergaben besessen, so hätte er jetzt mit den Mitteln, die ihm zu Gebote standen, Grosses leisten können. Aber seine Tugenden reichten nicht aus. Er war tapfer wie ein fahrender Ritter, nicht wie ein Feldherr, und seine Freigebigkeit schadete nur, anstatt zu nützen. Begeisterung kannte er nur für ein Schlachtgetümmel, nicht für die Sache des Christenthums. Überall offenbarten sich seine Fehler. Ein ganzes Jahr wurde mit planlosen Zügen und Gefechten hingebracht, während sein Königreich von inneren Unruhen bedroht war.84 Vor Askalon war es auch, wo das an-massende und beleidigende Wesen Richards den Herzog Leopold von Oesterreich vom Heere hinweg und aus dem heiligen Lande trieb. Er verlangte von ihm, dass er an der Mauerarbeit Hand anlegen sollte. Nach einer ändern Erzählung hatte er bereits bei der Einnahme von Acre das Banner des Herzogs, dessen Souveränität er missachtete, herabreissen und in den Koth treten lassen.85 Der eigentliche schicksalsvolle Streit zwischen den beiden Fürsten aber ereignete sich erst zu Askalon. Noch einmal, am 5. August, kam es zu einem Gefechte, in dem sich der Löwenmuth des Königs von neuem bewährte. Ein unbe- «" Bened. Petr. 613 ff. Urkunde Richards, Eid bei Beschwörung des Friedens, und Schreiben Richards an den Papst Clemens III. um Bestätigung des Vertrages. Ygl. Iter Hieros. II. 21. 81 Die Königin Eleonore erscheint 1191, Jan. 20., unter den Zeugen einer von Kaiser Heinrich VI. zu Lodi ausgestellten Urkunde. Bonelli: Notizie della chiesa di Trento. T. III. P. II. p. 38. 11 Bened. Petr. 644. 8S Iter Hieros. III. 2 und die arabischen Schriftsteller bei Wilken S. 333. 84 Richards fernere Thaten in Palästina gehören der Geschichte der Kreuzzüge an und sind bei Wilken nachzulesen. Nur die einzelnen Wendepunkte sollen kurz erwähnt werden. 85 Otto von St. Blas. c. 36. Albert Stad. a. 1192. Gervas. 1581. Wilken S. 469, 470 etc. rechenbarer Schatz von Gut und Blut war auf dieser thörichten Kreuzfahrt vergeudet; der König hatte sich durch sein Ungestüm die erbittersten Feinde bereitet, und in Palästina lebte nur der Schrecken vor seiner persönlichen Tapferkeit bei den Saracenen fort. Mit seinem Namen bedrohte die Mutter das weinende Kind und der Reiter sein bäumendes Koss.88 Im October fuhr König Richard, der Schrecken der Ungläubigen, der Heimat zu. Als Richard87 von Akkon in See stach, wusste er vermuthlich selbst nicht, welchen Heimweg er nehmen sollte; den sichersten, ganz zu Wasser verschmähte er: in allen europäischen Ländern hatte er sich Widersacher und erbitterte Feinde erweckt. So tiberliess er sich denn, wie es seine Art war, dem Geschick und den Wellen und war glücklich, wenn die Reise nicht ohne Abenteuer blieb. Sechs Wochen lang warfen ihn Stürme auf dem Meere umher. Von der Küste der Berberei, wo er einmal landete, hätte er in drei Tagen Marseille erreichen können, doch getraute er sich nicht, ohne ein Heer durch seine eigenen Länder und das Gebiet des Königs von Frankreich zu ziehen. Er bestieg daher sein Schiff wieder lind fuhr ins adriatische Meer, um durch die Länder seines Neffen, Heinrichs des Löwen, nach England zu ziehen. An dem Ufer zwischen Aquileja und Venedig strandete das Schiff; der König aber und seine Begleiter entgingen der Gefahr. Herzog Leopold hatte inzwischen alle Strassen besetzen lassen und hoffte den verhassten Fürsten, von dem er so viel Schimpfliches erfahren, zu ergreifen. Drei Tage war dieser ohne Nahrung umhergeirrt, bis er endlich in der Nähe von Wien, in dem Dorfe Erdberg einkehrte. Von hier aus sandte er seinen Diener, welcher Deutsch verstand, zur Stadt, um Speisen einzukaufen; doch das fremde griechische Gold, die feinen Speisen, das auffallende Benehmen des Boten und seine öftere Wiederkehr erregten bald Verdacht. Vergebens gab er sich für den Diener eines reichen Kaufmannes aus: eines Tages, am 21. December, verriethen ihn die Handschuhe seines Herrn, die er im Gürtel trug; auf der Folter gab er die Herberge des Königs von England an. Richard wollte sich nur dem Herzoge Leopold persönlich ergeben, und als dieser sich einfand, überreichte er ihm sein Schwert und liess sich nach der Burg Dürrenstein bei Krems, am nördlichen Donauufer oberhalb Wien, abführen, wo er in der strengsten Haft gehalten wurde. Kaiser Heinrich VI. feierte eben das Weihnachtsfest zu Regensburg und Leopold versäumte nicht, ihm dort seinen Gefangenen, nach dessen Ankunft man längst verlangt hatte, vorzuführen. Da es ihm jedoch nicht schicklich schien, dass ein König in der Haft eines Herzogs verbleibe, nöthigte er diesen, ihm Richard gegen die Zusage einer hohen Summe auszuliefern, und den 23. März 1193 fand die Uebergabe zu Mainz statt. Von hier brachte man den König zuerst nach Trifels und späterhin nach Worms. Er wurde aber seinem Stande gemäss und mit Achtung behandelt. Nachts jedoch durfte keiner der Seinen bei ihm bleiben; Gewaffnete standen an seinem Bette. Dessenungeachtet verliess ihn seine gute Laune niemals; bald scherzte er mit seinen Wächtern oder spottete ihrer, bald machte er sie trunken oder entsetzte sie durch seine gewaltige Leibeskraft. Ganz Europa erfuhr die Kunde von der Gefangen-nehmung Richard’s Löwenherz mit Spannung. Seine romantische Persönlichkeit, sein Schicksal erregte überall Mitgefühl und Sage und Dichtung entstanden dem Geiste der Zeit gemäss. Die Erzählung von Blondel de Nesle aus Arras und seinem Gesänge ist nicht historisch zu begründen; sie ist französischen Ursprungs und gehört dem dreizehnten Jahrhundert an. (S. Diez, Leben und Werke der Troubadours S. 102). Die Sage lautet also: Richard war Anfangs spurlos verschwunden und niemand wusste, wo er gefangen gehalten wurde, ja ob er überhanpt noch am Leben sei. Da durchwanderte sein treuer Diener und Sangmeister, Blondel de Nesle, ganz Palästina und einen grossen Theil von Deutschland, um ihn aufzusuchen. Endlich kam er auch nach Oesterreich in die Nähe von Dürrenstein. Er hörte, dass man daselbst einen vornehmen Gefangenen bewache, und weil er es nicht für unmöglich hielt, dass derselbe sein geliebter Herr sein könne, trat er in Dienst bei dem Burgvogt, dessen Zutrauen er bald gewann. Vergeblich suchte er den Gefangenen zu sehen. Da stellte er sich eines Tages dem stark vergitterten Fenster des Thurmes gegenüber, in welchem sich der Gefangene befinden sollte, und stimmte ein proven-zalisches Lied an, welches seinem Herrn wohl bekannt war. Kaum hatte er die erste Strophe geendigt, *• Wilken S. 582. Nach Reinhold Pauli: Geschichte von England. so begann eine Stimme im Thurme die zweite Strophe; der treue Diener hatte seinen König gefunden und eilte voll Freude nach England, um die Befreiung desselben zu bewirken. Nach längerem Zögern entschloss sich Heinrich VI. als Kaiser über Richard zu Gericht zu sitzen. Vermuthlich fand dasselbe auf dem zu Speier gehaltenen Reichstage statt. Hier standen sich denn die beiden mächtigen Fürsten der Christenheit gegenüber, als Richter und Gefangener, als Kläger und Angeklagter. Wie verschiedenartig sie auch in Wesen und Geschichte sein mochten, ihre Interessen, ihre Meinungen waren mehrfach dieselben. Beide Fürsten waren Dichter, Richard hatte seinen Platz unter den Troubadours, Heinrich unter den Minnesängern. Beide scheuten sich nicht, zur Ausführung ihrer Kriegszüge auf dem schlechtesten Wege zu Gelde zu gelangen. Nur dieses bezweckte der Kaiser, als er sich den gefangenen König hatte ausliefern lassen; Englands Reicht!)um war weltberühmt. Mit dem Mantel der alten kaiserlichen Weltherrschaft gedachte er nur deshalb den Mangel an allem Recht zu bedecken, wenn er einen unabhängigen König vor sein Tribunal forderte. Alle nur erdenklichen Anklagen wurden diesem vorgehalten; er habe Tancred, den unrechtmässigen König von Sicilien, unterstützt, den Kaiser Isaak von Cypern, der mit Heinrich und dem Herzoge von Oesterreich verwandt, vertrieben und gefangen genommen; er habe den Markgrafen Conrad von Montferrat ermorden lassen, das Banner des Herzogs von Oesterreich in den Koth getreten, die deutschen Kreuzfahrer in Palästina stets verspottet und beleidigt; er habe das heilige Land an Saladin verrathen und habe sich oft gegen seinen Lehnsherrn, den König von Frankreich, vergangen. Gegen diese Anklagen nun trat Richard selbst auf; frei und offen verantwortete er sich über eine jede. Der Kaiser wurde von seiner Beredsamkeit so ergriffen, dass er den Thron verliess, um ihn zu umarmen; die ganze glänzende Versammlung war tief bewegt, der Herzog von Oesterreich soll sogar Thränen vergossen haben. Bald war von den Beschuldigungen keine Rede mehr; sie hatten nur als-Vorwand gedient, um ein hohes Lösegeld zu erpressen. Damit dieses so hoch als möglich werde, wusste Heinrich die politischen Verhältnisse geschickt zu benutzen und die Haft in die Länge zu ziehen. Endlich am 29. Juni Unterzeichneten die beiden Fürsten einen Vertrag des Inhaltes, dass Richard sich verpflichtete, 100.000 Mark Silber Kölner Währung als Lösegeld und 50.000 Mark als Beisteuer zu dem beabsichtigten Zuge des Kaisers nach Apulien bezahlen zu wollen. Bei aller Begeisterung für Richard und trotz des grossen Reichthums in England, erschien die geforderte Summe dennoch ungeheuer. Es dauerte mehrere Monate, bis das Geld zusammenkam. Von jedem Ritterlehn erhob man 20 Schillinge; die Laien mussten den vierten Theil ihrer Einkünfte hergeben, von den Geistlichen einige den vierten, andere den zehnten. Richard erlangte Februar 1194 seine Freiheit.88 Sein Empfang in England glich einem Triumphzuge.89 Während seines Kreuzzuges lief er Gefahr, sein angestammtes Königreich einzubüssen. Sein Bruder Johann, den er allzu gütig behandelt hatte, dachte auf die Thronfolge, da er die Wiederkehr seines tollkühnen Bruders nicht für wahrscheinlich hielt und derselbe keine Leibeserben hatte. Richard hatte jedoch auf alle Fälle seinen jungen Neffen Arthur als rechtmässigen Erben anerkannt, da das Haus Anjou nach den schlimmen Erfahrungen des normannischen Hauses und auch wohl nach dem Vorbilde Frankreichs eine feste Erbfolge anstrebte. Johann benutzte den Hass, den sich der Statthalter des Königs durch Uebermuth und Willkür zugezogen hatte, um, auf die Barone und die Bürger Londons gestützt, denselben zu stürzen, worauf Wilhelm von Ely in das Ausland ging. Es wurde zwar nochmals dem Könige Richard, zugleich aber seinem Bruder als Thronerben, zugeschworen, wofür Johann mit den Grossen den Bürgern von London die Freiheiten ihrer Commune sicherte.90 Schon bot auch Philipp II. August, der die Herausgabe seiner in der Normandie verwahrten Schwester Alice vergeblich gefordert hatte, mit der Hand derselben dem Prinzen Johann die Einsetzung in das Königreich wie in die französischen Lehen seines Bruders an. Das kräftige Auftreten der Königin Mutter, Eleonore, hielt das Königthum Richards noch aufrecht. Als indess die Kunde von dessen Gefangennahme in Deutschland erscholl, ging Johann auf jene ** R. Pauli 261. “ R. P. 264. ,ü R. P. 242. Anträge ein (1193);91 ja er verpflichtete sich, ohne die Erlaubuiss Philipps mit seinem Bruder keinen Frieden zu schliessen. Von fremden Söldnern umgeben, erschien er in England; doch erhielten Eleonore und der Erzbischof Walter, der auf Richards Bestallung statt Wilhelms von Ely in das Grossrichteramt getreten war, auch jetzt das Volk in der Treue zu dem rechtmässigen König. Zugleich bewogen Richards Gemalin und Schwester, die auf ihrer Rückreise aus dem Morgenlaude durch Rom kamen, den Papst, alle Friedenstörer in England mit Bann und Interdict zu bedrohen. Im Mai LI94 hielt Richard eine Versammlung seiner Barone, auf welcher Johann aller seiner Güter verlustig erklärt wurde; als sich derselbe aber dem Bruder zu Füssen warf, gewährte dieser ihm unter Vermittlung der Mutter grossmüthig Verzeihung.92 Während der folgenden Jahre führte Richard fast beständig Krieg mit Philipp II. August, nicht bloss, um sich zu rächen, sondern aus Lust am Kampfe; denn nie fühlte er sich glücklicher, als wenn er sich in ein Reitergetümmel stürzen oder eine Burg nehmen konnte. Das ruhige Leben auf der Insel war ihm langweilig, aus Jrankieich kehrte er nicht mehr zurück und während seiner ganzen Regierungszeit hat er kaum Ü Monate in seinem Königreiche zugebracht. Dem Könige Philipp August musste er indess endlich nicht nur Alice ausliefern, sondern auch die vielbestrittene Veste Gisors, den Schlüssel der Normandie, mit der Grafschaft Vexin abtreten.93 Unter den Kämpfen mit Richard hatte sich Philipp August fortwährend zu den Hohenstaufen gehalten; Richard Löwenherz wusste sich dagegen stets die Gunst des Papstes zu sichern.94 Als Heinrich VI gestorben war, setzte Richard alles daran, seinem Neffen, dem Welfen Otto (IV.) die Kaiserwürde zu verschaffen, den er von Kind auf zur Ritterlichkeit eingeübt und 1194 mit der Grafschaft Poitou belehnt hatte; •5 hier wie sonst scheuete er keinen Aufwand an Geld, um seinen Zweck zu erreichen. 96 So wenig sich Richard I. indess um die Regierung von England kümmerte, so hatte sich doch das Staatswesen dieses Landes auf den insbesondere von Heinrich II. befestigten Grundlagen ruhig fortentwickelt, und gerade die grossen Geldbedürfnisse Richards -—- welche sein Kreuzzug, seine Lösung aus der Gefangenschaft, seine fast beständigen Fehden und die Einmischung in die Kaiserwahl herbeiführten — beförderten eine aufmerksame Verwaltung und strenge Rechtspflege, auf welcher ein grösser Theil der Einkünfte des Königthums beruhete, zumal da Richard mit den Königsgütern sehr verschwenderisch umging. Dagegen begünstigte Richard den bereits kräftig aut blühenden Handel.97 Die überseeischen Verbindungen mit den Niederlanden und vorzüglich mit Köln wurden immer fester geknüpft. Der Adel Englands, der längst eine geschlossene Gesammtheit bildete, würde wohl eben so wie die Städte, vor allen die Hauptstadt, die Erpressungen Richards nicht auf die Dauer mit Ruhe ertragen haben. Aber seine romantische Tapferkeit gewann ihm die Achtung des ganzen Zeitalters und die Liebe seines Volkes, die durch seine Gefangenschaft und selbst durch die für seine Befreiung gebrachten Opfer nur gesteigert werden konnte; zugleich hielt der thatkräftige Sinn des Königs wenigstens alle, welche ihm nicht zu Willen waren in Schranken. Abenteuerlich wie Richards I. ganzes Leben war auch sein Ende. 98 Ein Zwist mit dem Vicomte von Limoges veranlasste ihn zur Belagerung von dessen Burg Chaluz, deren Besatzung sich sogleich erbot, gegen freien Abzug die Thore zu öffnen. Richard liess erwiedern, er wolle die Feinde lebendig haben und hängen. Als er eines Tages mit dem Führer seiner Söldner, Marcade, um das Schloss ritt, traf ihn ein Ifeilschuss in die linke Schulter; bald darauf wurde die Burg gewonnen und die Vertheidiger sämmtlich R. P. 253. " R. P. 267. *’ R. P. 268. ** R. P. 272. R. P. 275. R. P. 276. 97 R. P. 283. Zeitgenossen wissen davon zu erzählen, und beinahe jeder — in den Nebenumständ»n — nach seiner eigenen Weise.“ aufgeknüpft. Nur seinen Mörder, Bertrand de Gourdon, liess der König vor sich führen. „Was habe ich Dir Leides gethan?“ redete er ihn an; als jener erwiederte, er habe durch Richard seinen Vater und zwei Brüder verloren, schenkte ihm der König das Leben, Marcade aber liess ihn ohne dessen Wissen schinden und aufhängen. Richard litt noch grosse Schmerzen, die er ruhig ertrug; in Gegenwart seiner Mutter liess er von den Anwesenden seinem Bruder Johann als Nachfolger 99 schwören, empfing die letzte Oelung und starb am 6. April 1199, 42 Jahre alt. Richard war am 8. September 1157 zu Oxford geboren.100 Er war von schlanker, gefälliger Gestalt und hellblondem Haar. Arme und Beine waren lang und die Muskeln vortrefflich ausgebildet. Er war geschaffen, um die Waffen meisterhaft zu führen und in dem Preise seiner Körperkraft und Tapferkeit die Krone aller Tugenden zu sehen. Deswegen und wegen seiner oft bewiesenen Leutseligkeit und rücksichtslosen Freigebigkeit galt er viel bei allen, die mit ihm in Berührung kamen, vor allen aber bei der englischen Nation. Mehr als ein treffendes Wort bezeugt heute noch seine Denkweise. Er liebte ritterlichen Glanz und Schmuck, besonders gern führte er den Löwen im Wappen; zwei goldene Löwen mit erhabenen Klauen zierten seine Satteldecke, als er mit dem Kaiser von Cypern verhandelte. Schon früh gaben ihm die Zeitgenossen wegen seines ganzen Wesens den Beinamen des Löwen, und bald nannte ihn die Nachwelt Richard Löwenherz. 101 Seine übrigen Eigenschaften aber erwarben ihm durchaus kein Lob. Wohl hegte man schöne Erwartungen, als er den Thron bestieg; aber seine Laster, besonders eine unge-zähmte Gewalttätigkeit und furchtbare Habgier wurden bald vielen Tausenden fühlbar. Nur Erzbischof Hubert soll die Macht gehabt haben, manchen grausamen Befehl zu mildern. Wie sein Vater bei den Augen, schwor Richard bei der Kehle Gottes.102 Richard pflegte bisweilen öffentlich Busse zu thun ; auch versprach er Besserung in seinem ehelichen Leben; doch scheint er die Königin Berengaria niemals mit Aufmerksamkeit behandelt zu haben. Selten übte er Dankbarkeit oder suchte etwas wieder gut zu machen; es muss als Ausnahme gelten, wenn er im Jahre 1195 den Kirchen die silbernen Kelche und Geräth-schaften zurückerstatten liess. Er war ein echtes Kind jener roman tisch-wilden Zeit mit allen ihren Schwächen und einigen ihrer Tugenden. Abergläubisch genug, hielt er die alten Märchen von seiner Ahnfrau, der Gräfin von Anjou, für wahr, die eine Zauberin gewesen und, wenn sie die Kirche besucht, stets während der Messe durchs Fenster davongeflogen. Seine Jugend hatte er in dem warmen Süden verlebt, dort, wo alles sang und focht, fühlte er sich zeitlebens heimisch. Der Fürst unter den Troubadours, Graf Wilhelm IX., der Grossvater seiner Mutter Eleonore, war persönlich mit Beonart de Ventadro befreundet.103 Richard selbst aber wurde von vielen jener dichtenden Ritter befehdet und besungen; auf die Nachricht von seinem Tode widmete ihm einer, Gaucelm Faidit, ein schönes Trauerlied. Seinem letzten Willen gemäss wurde sein Leib in Fontevraud zu den Füssen seines Vaters beigesetzt; seine Eingeweide sollten zu Chaluz, das Herz des Löwen aber zu Rouen bewahrt werden. 104 9® Ihm mussten die Anwesenden Treue schwören und die Auslieferung der Schlösser Zusagen. Drei Yiertheile seines Schatzes und allerlei Tand (omnia baubella sua, engl, bawbles) vermachte Richard seinem Neffen, dem Kaiser Otto. Der vierte Theil wurde den Dienstleuten und den Armen gegeben. Rog. de Nro. 7919. 100 Rad. de Die. 531. Trivet. p. 43. Der Tag seiner Geburt findet sich im Chron. Andegav. ap. Labbe Bibi. Ms. I. p. 278. Bicardus naseitur VI. Id. Septembris, das Geburtsfest der Jungfrau, woraus spätere Autoren Himmelfahrt Mariä, August 15., gemacht haben. Der Ort findet sich in einer altenglischen Uebersetzung der Ep. 66 des Peter von Blois. 101 Trivet p. 161. Hie Bicardus propter magnanimitatem cor dis, quia ardua quaeque aggredi non refugit, Corleonis appellatus est ab Anglicis et Normannis. Ygl. Bromton 1278. 102 Per gorgiam Bei! Girald. Cambr De Instr. Princ. p. 144. 108 Lieder Guillems IX., Grafen von Poitou, Herzogs von Aquitanien, herausgegeben von A. Keller, Tübingen 1848. Diez, Leben und Werke der Troubadours, S. 100. Richard liebte den Gesang und ermunterte oft die Geistlichkeit, beim Hochamte mit heller Stimme zu singen. Rad. de Cogg. col. 857. Reinhold Pauli, Geschichte von England, III. Bd. S. 290—292. Sein Nachfolger, Johann ohne Land,105 regierte von 1199 bis 1216. Johanns feindselige Stellung zu Philipp II. August dauerte fort, zumal da jener in eben so enger Verbindung wie sein Vorgänger mit dem Kaiser Otto IV. blieb., wogegen sieh der König von Frankreich fortwährend zu dem hohenstaufischen Kaiser Philipp hielt.108 Nur vorübergehend kam es zu einem Friedensvertrage, bei welchem auch Arthur den Oheim anerkennen musste. Den Unwillen des Papstes Innocenz III. hatte sich Johann durch seine langdauernde Theil-nahmlosigkeit bei dem Kampfe Otto’s IV. gegen seinen hohenstaufischen Widersacher zugezogen; als aber der engliche König endlich auf einer Reichsversammlung (Februar 1206) gegen vielfachen Widerspruch des Adels und der Geistlichkeit, die er immer mehr für die Staatsbedürfnisse heranzog, eine hohe Steuer erpresst hatte, von der er auch Otto IV. eine Unterstützung zudachte, hatten die Umstände sich so verändert, dass Innocenz sich Philipp von Schwaben zuneigte (Frühling 1207); eben damals begann er auch ernstlich gegen den König von England einzuschreiten. Später wirkten auch die auswärtigen Angelegenheiten dazu mit, die Lage Johanns dem Papste gegenüber zu verschlimmern. Otto IV. war bald nach Ermordung seines Gegners mit Innocenz III. zerfallen und auch über ihn wurde im Jahre 1211 der Bann verhängt; das Gleiche widerfuhr in derselben Zeit dem Grafen Raimund V. von Toulouse. Philipp II. von Frankreich aber war allen diesen Widersachern gegenüber zum Vorkämpfer des Papstes berufen. Da Johann sich trotz der fortdauernden Verhandlungen immer noch nicht fügte, so sprach Innocenz III. endlich 1212 die Absetzung über ihn aus. Dem französischen Könige wurde die Nachfolge auf den englischen Thron in Aussicht gestellt, die englischen Barone von aller Treue gegen ihren König entbunden.107 Doch ahnte der Papst, dass Johanns Uebermuth alsbald in Verzagtheit Umschlägen werde, und deshalb sandte er seinen Legaten Pandulf nach England. Bereits hatte Philipp II. gegen England einen „heiligen Krieg“ gerüstet und die englischen Barone ihm ihren Beistand zugesagt; auch König Johann wusste — durch Zwangsmassregeln gegen Adel und Volk — ein Heer von 60.000 Mann bei Dover zusammenzubringen. Da erschien Pandulf in seinem Lager und stellte dem Könige in eindringlicher Rede vor: „Schon habe der König von Frankreich den Auftrag, ihn, den Rebellen wider den heiligen Vater, vom Throne zu stossen; fast die gesammte hohe Geistlichkeit Englands befinde sich im Heere seines Feindes und auch die Barone seines Reichs hätten diesem Treue und Unterwerfung gelobt. Johann möge in sich gehen!“ Der Tyrann erzitterte und alle seine Hartnäckigkeit war mit einem male gebrochen.108 Da Johann nach seiner Aussöhnung mit dem Papste bei dem Grafen von Flandern gegen Philipp August Unterstützung fand, sah sich dieser einstweilen ausser Stande, gegen England zu ziehen; ja der englische König dachte so bald als möglich' einen Angriff auf Poitou zu machen. Da Innocenz III. im Kampfe Johanns mit den Baronen und Prälaten auf der Seite des Königs stand, so trat Johann wieder dreister auf; ja um den König von Frankreich von allen Seiten zu bedrängen, ging er mit den gebannten Gegnern desselben ein grosses Bündniss ein und zog mit einem zahlreichen Heere und einem bedeutenden Schatze nach Poitou, konnte aber, weil auch die dortigen Barone sich widerspänstig zeigten, sich nicht nach den Niederlanden wagen, wo inzwischen Otto IV. mit einem Heere erschien, das er mit englischem Gelde geworben hatte.109 Der Papst suchte vergeblich zu vermitteln; 27. August 1214 kam es zu der grossen Schlacht bei Bovines,110 in welcher Philipp August den Sieg erfocht. Auf die erste Nachricht von derselben soll Johann ausgerufen haben: „Seitdem ich mich mit Gott ausgesöhnt und meine Reiche der römischen Kirche unterworfen habe, will mir nichts mehr '05 j)er Beiname (Lackland) soll ihm schon von seinem Vater ertheilt sein, vielleicht weil ihm als dem jüngsten Sohne wenig Aussicht blieb, einen Antheil an den Lehen zu erhalten, die den älteren Brüdern zugetheilt waren; Pauli III. 293 citirt nur: Patris ab ore tui Sine- Terra namen habebas und erklärt dieses später selbst als einen „Scherz“ 477. 100 Pauli 299. 301. III. Pauli 365. ,u! Pauli 373. ,0* R. P. 396. "• E.P. Ausführlich die Darstellung, S. 397-407. glücken!“ Er musste sich zu einem Frieden verstehen, nach welchem er von neuem auf alles Land bis an die Loire verzichtete und selbst viele Burgen in Poitou und Guienne in den Händen Philipps zu lassen genöthigt war.111 Nirgends aber empfand Johann mehr den Rückschlag der Niederlage bei Bovines, als in England selbst; kaum war er dorthin zurückgekehrt, als die unzufriedenen Grossen eine Zusammenkunft hielten und einen Eid leisteten : „Wenn König Johann die Anerkennung der von Heinrich I. beschworenen Gesetze und Freiheiten, die durch den Namen des guten Königs Eduard geheiligt seien, versage, so wollten sie ihm die Treue aufkündigen und ihn so lange bekriegen, bis er alle ihre Forderungen genehmige.“ Am 16. Juli 1216 starb Innocenz III. und hiemit begann das Unglück in vollem Masse auf Johann hereinzubrechen. Laut frohlockten die Barone und die ganze Insel überliess sich der Hoffnung: ein neuer Papst werde auch ein anderes Regiment führen.112 Der König raffte sich zu einer letzten verzweifelten Bewegung auf; als er aber von neuem durch das Land zog, trat der Tod dazwischen. Während er zur Zeit der Ebbe einen trockenen Meeresarm durchschritt, brach unvermuthet die Fluth herein und riss einen grossen Theil seines Heeres und Gepäckes hinweg. Johann rettete sich zwar; aber schon länger erkrankt, fiel er aus Verdruss über jenen Unfall in ein heftiges Fieber, und als er sich dabei masslos wie immer im Genüsse von Pfirsichen und jungem Cider übernahm, starb er nach wenigen Tagen (19. October 1216), 49 Jahre alt.113 Noch hatte er dem Papste, als seinem Lehensherrn, das Reich und seinen Erstgeborenen Heinrich, der erst im 9. Jahre stand, empfohlen. Unter dem Schutze der fremden Söldner wurde sein Leichnam bestattet.114 Feigheit, Misstrauen, Grausamkeit, Treulosigkeit und barsche, kurze Sprache, charakteristische Eigenschaften des Tyrannen, erscheinen häufig in seinem Benehmen. Der Yerrath gegen den Bruder, die gewaltsame Besitzergreifung der Krone, der geheimnissvolle Mord Arthurs, die in feiger Absicht geschehene Unterwerfung des Königreichs unter einen fremden geistlichen Fürsten und wiederholter Wortbruch, zumal gegen seine eigenen Unterthanen, haben diesen Fürsten, so sehr man auch sein Unglück und die in demselben bewiesene hartnäckige Ausdauer in Betracht ziehen muss, auf ewige Zeiten gebrandmarkt. Der einst ihm im Scherz ertheilte Name des Ohne-Land erhielt eine furchtbar ernste Bedeutung. Die Zeit, die er auf dem Throne sass, war eine Zeit beständiger Missregierung und führte zur Revolution.115 Heinrich III. 1216 bis 1272. Um Ludwig VIII. von Frankreich die Bundesgenossenschaft des hohenstaufisehen Kaisers Friedrichs II. zu entziehen, knüpfte Heinrich III. Unterhandlungen über eine Verschwägerung mit diesem an, die jedoch einstweilen nicht zum Ziele führten. Bald machte der Tod Ludwigs VIII. den Besorgnissen von Frankreich ein Ende (1226) und selbst Poitou kehrte zum Gehorsam zurück.116 Im Jahre 1235 brachte Heinrich III. auch ein Ehebündniss mit den Hohenstaufen zu Stande, indem seine zweite Schwester Isabelle mit Kaiser Friedrich II. vermält wurde, welcher seitdem seinen jüngern Schwager Richard von Cornwallis wegen seines tüchtigen Wesens zu sich heranzog.117 Nach dem Frieden von 1243, durch welchen ganz Poitou in den Händen der Franzosen blieb, folgten unerquickliche, thatenlose Jahre, wobei auch der grosse Zwist zwischen Innocenz IV. und Friedrich II., insbesondere seit der Absetzung des Kaisers durch die Kirchen Versammlung zu Lyon 1244 eingriff. Bei Ausführung der auftauchenden Kreuzzugspläne blieb Heinrich III. so theilnahmslos, wie bei dem fortgesetzten Kampfe seines kaiserlichen Schwagers mit dem Papste.118 ‘"R. P. 409. 1,1 R. P. 467. "s R. P. 471. R. P. 47-2. 115 R. P. III. 488—8r>6. "• R. P. 561. 1,7 R. P. 619. R. P. 681. Im Jahre 1254 liess Heinrich III. sich von Innocenz IV. in neue Händel hineinziehen, indem er bei dem Tode des Kaisers Conrad IV. 1254 die Krone von Sicilien für seinen 10jährigen Sohn Edmund annahm; nach dem Tode Wilhelms von Holland aber bewirkte der Erzbischof von Köln, Conrad von Hochstaden, die Wahl Richards von Cornwallis zum Kaiser (1256), welcher vor allem durch seinen Reichthum, doch auch durch seine Tliaten in Frankreich und Palästina einen Namen erworben hatte.119 Mancherlei auswärtige Angelegenheiten beschäftigten die letzten Jahre Heinrichs TU., ohne dass dadurch bedeutende Veränderungen herbeigeführt wurden. Edmunds Ansprüche auf die sicilische Krone hatte der Papst Urban IV. freilich schon 1263 durch eine Bulle in freundlicher Weise für erledigt erklärt, als er seine Blicke auf Carl von Anjou warf, der das ihm übertragene Königreich kräftiger in Schutz zu nehmen vermochte. Die Beziehungen zu Frankreich blieben durch die Weisheit und Gerechtigkeit Ludwigs IX. bis zu dessen Lebensende friedlich. Als aber dieser König seinen letzten Kreuzzug rüstete, lag demselben viel daran, dass auch der englische Kronprinz, der bereits das Kreuz genommen hatte, ihn begleite. Nach einigen Zögerungen kam dieser nach Sardinien; hier aber überraschte ihn die Kunde, dass Ludwig vor Tunis gestorben sei.120 Dennoch schiffte sich der ritterliche Prinz Eduard nach Acco ein (1271), um durch die Vertheidigung dieser Stadt seinem Stamme Ruhm zu erwerben; erst nach dem Tode seines Vaters kehrte er nach England zurück. Heinrich III. verbrachte die letzte Zeit seines Lebens in Schwäche und Krankheit; am 16. November 1272 starb er, 65 Jahre alt.121 König Heinrich war gutmüthig und friedfertig; es fehlte ihm nicht au körperlicher Kraft, aber geistige Schwäche und unbesonnene Raschheit liessen ihn keinen Vortheil daraus ziehen. Die Geschichte seiner langen Regierung deckt zur Genüge seine Fehler auf und wird von ihnen bedingt. Er ist niemals im Stande gewesen, unabhängig für sich selbst zu handeln. Unter seinen Tugenden leuchtete die Frömmigkeit am hellsten, je mehr er sich für die Dinge der Welt unfähig bewies. Schon die Zeitgenossen haben ihn mit Ludwig dem Heiligen verglichen. Aber Ludwig war ein thätig frommer Mann und wurde dadurch ein grösser, heiliger König; Heinrich lebte und webte in dem Cultus seines Glaubens und wurde sich niemals bewusst, dass er darüber seine Aufgabe auf Erden versäumte.122 Von den französischen Königen, die an dem Kampfe zwischen den Welfen und Hohenstaufen Theil genommen hatten, haben wir bereits Ludwig VII. kennen gelernt, es bleiben somit noch Philipp II. August, Ludwig VIII. und IX. übrig. Reicher an bedeutenden, auch auf die Folgezeit tiefer einwirkenden Ereignissen, als die Zeit aller früheren capetingischen Könige Frankreichs, ist die Zeit Philipp’s II. (1180—1223), welchem schon von einem gleichzeitigen Biographen der Beiname Augustus,123 in der Bedeutung eines Mehrers des Reiches, gegeben wurde. Philipp verkannte es ebensowenig wie seine nächsten Vorgänger auf dem Throne,' dass nur durch die Beschränkung der englischen Macht in Franki-eich das Ansehen des Königthums fester begründet und erweitert werden könne, und gleich seinem Vater suchte er zunächst die Zwietracht im englischen Königshause zu seinem Vortheile zu benutzen. Philipp wusste schon seit Anfang seiner Regierung eine höhere Stellung des Königsthums den Vasallen gegenüber zugleich auf die neuen Rechtsansichten zu gründen, die sich seit Ludwig VI. geltend zu machen begonnen hatten. So führte er (seit 1185) den von seinem Grossvater aufgestellten Grundsatz durch, „dass der König Niemandes Vasall sein könne,“ 124 und forderte auch von den unmittelbaren Kron-vasallen die strenge sogenannte ligische Huldigung,125 in welcher ausser dem allgemeinen Eide der Treue die Verpflichtung, dem Lehensherrn „wider Alle und Jeden treu und gewärtig zu sein“, enthalten war. "• R. P. 707. ,J0 R. P. 832. 1.1 R. P. 840. 1.1 R. Pauli Gesch. Eng). III. Bd. und Pütz Mittelalter. 123 Der Beiname „Auguste“, welchen Philipp II. erst nach seinem Tode erhielt, war Uebersetzung von „Er- oberer, le conquerant“, in ähnlichem Sinne (abgeleitet von augere) wie „Augustus“, — Mehrer des Reichs bei den deutschen Kaisern üblich war. M6z6ray 249. 1,4 Schmidt 552. Philipp II. sagt in einer Urkunde: Cum utique nemini facere debeamus hominium vel possimus. Mezeray 189. Anm. über die fiefs-liges. Planck IV 2 S. 36 über den Unterschied zwischen dem homa-gium simplex und ligium. Wie Philipp II. jede Gelegenheit benutzte, um den mächtigen Grossen die Macht des Königthums fühlbar zu machen, so mischte er sich wiederholt in die Händel, die unter den Söhnen Heinrichs II. von England über die französischen Lehen entstanden, und trat insbesondere den Anmassungen Richards I. entgegen, welcher Aquitanien (Guienne) als Herzogthum besass. Hier vermittelten päpstliche Legaten in Verbindung mit den Grossen des Landes einen Waffenstillstand (1187), als die Eroberung Jerusalems durch den grossen Saladin den dritten Kreuzzug als unerlässliche Pflicht erscheinen liess. Um die Mittel zu demselben herbeizuschaffen, liess Philipp auf einer Versammlung der geistlichen und weltlichen Grossen zu Paris den „Saladinszehnten“ 126 bewilligen. Dennoch erneuerte er zunächst den Krieg mit Heinrich II., bis derselbe sich dazu verstand, die früher aufgekündigte Huldigung für die französischen Lehen von neuem zu leisten und mehrere andere Forderungen seines Lehnsherrn zuzugestehen. Nochmals wurde die Kreuzfahrt durch den Tod von Philipps Gemalin verzögert. Die Händel, welche während des Zuges Philipp II. und Kichard I. entzweieten, sind bekannt; ausser der Eifersucht auf diesen war es wohl vorzüglich der Tod des Grafen von Flandern im Lager von Ptolema'is, was Philipps Rückkehr beschleunigte.127 Im December 1191 hielt er seinen Einzug in Paris; in Folge von Erbansprüchen erlangte er im folgenden Jahre durch Vergleich einen Theil der Grafschaft Flandern. Alsbald liess er sich mit Richards Bruder Johann (ohne Land) in Umtriebe gegen denselben ein, und nachdem ihm Kaiser Heinrich VI. die Gefangenschaft Richards 1. gemeldet hatte, übergab er die englisch - französischen Lehen (unter Abtretung einiger streitigen Landstriche) an Johann gegen die übliche Huldigung.128 Richard Löwenherz wusste nach seiner Rückkehr den unruhigen Bruder rasch zur Unterwerfung zu bringen; dem Könige von Frankreich leistete er nochmals die Huldigung; doch erneuerte sich bald der Kampf, in welchem sich selbst die mächtigen Grafen von Toulouse wie andere französische Grossen mit dem englischen Könige verbanden, bis dieser nach eben geschlossenem Waffenstillstände seinen Tod fand (1199).129 Auch die Einsprache des Papstes hatte Philipp II. nicht verhindert, die Rechte des Oberlehnsherrn gegen den König von England geltend zu machen, und er erklärte auf die Aufforderung Innocenz III. zum Frieden: „er sei nicht verpflichtet, in Lehenssachen dem Gebote des apostolischen Stuhles Folge zu leisten.“ Während der Albigenserkriege war Philipp II. auch durch die Verhältnisse zu England und zu Kaiser Otto IV. hinreichend in Anspruch genommen. Als über König Johann in Folge seines Zwistes mit dem Papste wegen Besetzung des Erzbisthums Canterbury die Absetzung ausgesprochen war, liess Innocenz III. die Aufforderung an Philipp ergehen, „diesen Spruch zu vollstrecken und das Königreich England für sich und seine Erben in Besitz zu nehmen.“ Nachdem jedoch die französischen Barone ihrem Könige eben ein zahlreiches Heer nach Boulogne zur Ueberfahrt nach England entgegengeführt hatten, erschien der Legat Pandulf mit dem Bedeuten, der König von England habe sich den Befehlen des Papstes gefügt und Philipp solle deshalb sein Unternehmen nicht weiter verfolgen. Mit heftigem Unwillen erwiderte der König, „dass er nur auf Geheiss des Papstes so grosse Kosten aufgewandt habe,“ sah sich indessen durch das Einverständniss Johanns mit dem Grafen von Flandern veranlasst, zunächst diesen reichen und mächtigen Vasallen anzugreifen. Johann landete zwar jetzt im Westen Frankreichs, während sein Neffe und Bundesgenosse, Kaiser Otto IV., dem Grafen von Flandern zu Hilfe zog; aber indem Johann unentschlossen vor dem französischen Prinzen Ludwig zurückwich, siegte Philipp II. über den deutschen Kaiser in der verhängnissvollen Schlacht bei Bovines 1214.130 Der Sieg bei Bovines war zugleich „ein entscheidender Sieg des Königthums über das Lehenswesen“ ; er sicherte Philipp erst den Besitz der dem englischen Könige entrissenen Lehen, wie seine Herrschaft über den Grafen von Flandern; er gab endlich dem Nationalgefühle der Franzosen einen mächtigen 1,6 Mezeray 218. Schmidt 408 fg. 1J’ Schmidt 413. Mezeray 222 nennt nur „une longue maladie“ als Ursache der Heimkehr. 128 Schmidt 414 fg. — Hinsichtlich des dem englischen Könige von Acco geleisteten Eides bemerkt M6z6ray 224: Philippe oubliant ou expliquant ä sa mode la parole, quil lui avoit donnee etc.— Ein sehr günstiges Urtheil über Philipps Charakter fällt Ranke I. 36: „Sein ganzes Wesen athmet Besonnenheit und Energie.“ 13 * Schmidt 416. 180 Schmidt 438. Aufschwung. Philipp II. durfte in der nächsten Zeit selbst daran denken, die Herrschaft Frankreichs über England auszudehnen! Denn als die englischen Barone, durch den Widerruf des eben ihrem Könige abgezwungenen „grossen Freiheitsbriefes“ verletzt, den französichen Thronerben, dessen Gemalin eine Enkelin Heinrichs II. von Anjou war, zu ihrem König ausriefen, nahm dieser die ihm angebotene Krone an, und auch als der Papst hiergegen Einsprache erhob, erklärte Ludwig dem abmahnenden Vater, 131 „er wolle lieber eine zeitlang im Banne sein, als das den englischen Baronen gegebene Wort verletzen. Schon hatte er nach rascher Besitznahme Londons den Königseid geleistet und die Huldigung der englischen Grossen, wie bald auch des Königs von Schottland empfangen, als Johann plötzlich starb (1216). Nun wandte sich das englische Nationalgefühl, welches Ludwig durch Begünstigung seiner französischen Begleiter verletzt hatte, dem schuldlosen Thronerben, Heinrich III., zu; die französische Flotte wurde von der überlegenen englischen geschlagen und Ludwig musste zufrieden sein, dass ihm in einem Vertrage Rückkehr nach Frankreich und bald darauf Lösung vom Banne gewährt wurde.132 Auch im südlichen Frankreich erlitt Ludwig neue Unfälle, als nach dem Tode des Grafen Simon von Montfort der Graf von Toulouse noch einmal seine Länder zurückerorbert hatte, die er ungehindert auf seinen Sohn Raimund VII. vererbte (1222). So sollte Philipp II. die glänzenden Hoffnungen, mit denen ihm in der letzten Zeit das Schicksal geschmeichelt hatte, nicht mehr verwirklicht sehen. Schon länger kränkelte der König; im September 1222 machte er sein Testament, im Juli des folgenden Jahres starb er. Selbst der Gedanke, welchen die reiche Poesie seiner Zeit genährt hatte, ihm sei beschieden, gleich Karl dem Grossen das ganze Frankreich vom Nordmeere bis zu den Pyrenäen zu beherrschen, blieb unausgeführt. Doch durfte er bei seinem Tode sich sagen, dass er den Grund zur festen Königsmacht in Frankreich, ja zu einem französischen Nationalstaate sicher genug gelegt habe. Das Erbreicli war hinreichend befestiget, und so war Philipp II. der erste Capetinger, der eine Krönung seines Sohnes bei seinen Lebzeiten nicht mehr nöthig halten durfte.133 Ein Stiftsherr zu Tours charakterisirt Philipp II. in seiner Chronik 134 folgendermassen: Philipp hatte ein schönes, würdevolles Aeussere, der Ausdruck seines Gesichtes war heiter, die Farbe desselben röthlich, sein Kopf kahl; dem Essen und Trinken war er ergeben und zu Ausschweifungen geneigt; freigebig gegen Freunde, war er gegen Feinde habsüchtig; er war sehr erfahren in Känken, klug und umsichtig; an dem einmal Gesagten hielt er fest; er war ein rascher und sehr gerechter Richter; im Kriege war er sehr glücklich, aber für sein Leben besorgt; leicht wurde er aufgereizt, aber auch leicht besänftigt; die widerspenstigen Grossen seines Reiches unterdrückte er und er nährte Zwiespalt unter ihnen, jedoch hasste er Niemanden übermässig und liess Niemanden im Gefängnisse tödten; Geringere wählte er zu seinen Rathgebern; er war ein Bezwinger der Uebermiithigen, ein rechtgläubiger Vertheidiger der Kirche, ein Ernährer der Armen.135 Ludwig VIII. (1223—1226) empfing am 8. August 1223 nebst seiner Gemalin Blanka die Krone zu Rheims von der Hand des Erzbischofs dieser Stadt; mit grösser Freude und manchen Festlichkeiten wurde er bei seinem Einzuge in Paris empfangen; die Bürger breiteten allen Reichtbum aus, welchen der Fleiss und die Sorge ihrer Vorfahren gesammelt hatte, mit seidenen und goldstrahlenden Teppichen waren Märkte und Strassen geschmückt, die Aermeren wurden von den Reichen gespeist, Chöre von Jünglingen und Jungfrauen begrüssten den König, die Bürger brachten ihm kostbare, kunstreich gearbeitete Geschenke dar, und er bezeichnete den Anfang seiner Regierung mit Handlungen der Milde, indem er Leibeigenen die Freiheit gab und Schuldige (nur solche nicht, welche als Verräther gegen ihr Vaterland die Waffen geführt hatten) von der verdienten Strafe freisprach.136 Ludwig war nach Zeugniss desselben Zeitgenossen,137 131 Philipp II. erscheint auch hier, wie bei dem Albigenserkriege, mehr zulassend als selbstthätig und wie immer überlegt und besonnen. 133 Schmidt 449. 133 Assmann, Dr. W., Geschichte des Mittelalters. *"* Ghron. Auron, auctore anonymo, S. Martini Turon. Canon. Bqt. XVIII, 304. 135 Schmidt, Dr. Ernst Alex., Geschichte von Frankreich, S. 477 und 478. l3‘ Gesta Ludov. VIII. francorum regis, auctore Nicolao de Braia, heroico carmine. Bqt. XVII, 313—315. 13’ Chron. turon. I. c. 317. aus dessen Chronik die Charakteristik seines Vaters entlehnt wurde, ein Mann von mittlerer Grösse und würdevollem Aeussern; die Farbe des Gesichtes war bleich, der Ausdruck desselben ernst; nicht leicht wurde er aufgereizt, aber auch nicht leicht besänftiget; er war weder dem Essen und Trinken, noch ausschweifender Lebensweise ergeben, sondern ihm genügte seine Frau; in seiner Rede zeigte er sich mild und wahrhaft, als Richter gerecht, allein gegen die Ritter nannte man ihn geizig; er war ein rechtgläubiger Christ und sehr gebildet. Als seinem Vater sehr unähnlich bezeichnet ihn ein anderer Zeitgenosse;188 allein wenn er auch nicht eine gleiche Klugheit und Kraft wie dieser besass, wenn er auch zum Theil durch eigene Schuld die Engländer, welche ihn zum Könige erhoben hatten, sich wieder entfremdet hatte und nicht im Stande gewesen war, die englische Krone zu behaupten, und wenn er auch bei seinen Zügen gegen die Albigenser fast willenlos den Forderungen der Kirche sich gefügt und seine Macht nicht zu benutzen gewusst hatte, so fehlte es ihm doch nicht an Kriegslust und Thätigkeit und er theilte das Streben seines Vaters, durch Erweiterung der unmittelbaren Besitzungen der Krone die Macht derselben zu erhöhen. 139 Bei dem Kampfe Ludwigs VII. gegen England hatte der Papst nicht unterlassen, ihn ernst zu mahnen; zu wiederholten maleu schrieb er ihm, er möge sich nicht überheben und an das Beispiel Kaisers Otto IV. denken; der Cardinal Romanus werde den Frieden hersteilen.140 Allerdings stellte der König während des Winters die Feindseligkeiten ein, aber suchte von einer anderen Seite seinen Gegnern gefährlich zu werden. Um Bündniss und Verwandtschaft mit den Hohenstaufen anzuknüpfen, hatte er am 18. November zu Vaucouleur mit Heinrich, dem jungen Könige von Deutschland, den sein Vater, während er selbst in Italien beschäftigt war, im Reiche zurückgelassen, eine Zusammenkunft. Es wurde dort freilich nichts Festes verabredet; doch Unterzeichnete auch der Kaiser gleichzeitig ein gegen England gerichtetes Freundschaftsbündniss mit Ludwig. 141 Das konnte weder dem Papst noch England gefallen. Honorius hatte bereits die englischen Gesandten empfangen, als der Bischof von Portus als Legat aus Deutschland die Nachricht von jener Zusammenkunft mitbrachte und es bekannt wurde, dass Ludwig unmittelbar mit Friedrich II. unterhandle. Dringend baten sie ihren König, recht auf seiner Hut zu sein.142 Diese Nachricht weckte in England das Bedürfniss, jenes Bündniss zu verhüten und wo möglich den Kaiser Friedrich selbst zu gewinnen. Seitdem mit dem Sturze Otto’s die Macht des Welfenhauses gebrochen worden, war man mit den Hohenstaufen, die bisher selten die Freunde der Plantagenets gewesen, in Beziehungen getreten. Bald erscheinen Gesandte des Kaisers sowie anderer Reichsfürsten in England: im Jahre 1221 der Propst Conrad von Speier und Philipp, ein Botschafter des Herzogs von Sachsen;143 auch der Herzog von Oesterreich hat in London zu verhandeln. 144 Im nächsten Jahre finden wir einen Bruder Walter mit den Geschäften des Kaisers betraut; Conrad von Wilve, der Johanniter Gerhard, Heinrich von Sudendorp, aus einer in Köln und, wie es scheint, auch in England ansässigen Familie, besorgen die Aufträge des Erzbischofs Engelbert von Köln. Zu Ende 1223 befindet sich Leonhard von Herstmar, der tapfere Genosse Otto’s IV., in Diensten des hohenstaufischen Kaisers in England. 145 Es wird nicht gesagt, was die Zwecke aller dieser Botschaften gewesen, sie deuten aber den regen Verkehr an. Weiteres in Pauli Geschichte von England, III. Bd. Philipp II. August hatte den Besitzungen der Krone eine solche Ausdehnung gegeben, dass jetzt keiner der grossen Vasallen dem Könige noch an Macht gleich stand, er hatte sie zuerst dem König-thume untergeordnet und sie genöthigt, die Ueberlegenheit desselben anzuerkennen; allein schon in der letzten Zeit der Regierung seines Sohnes hatte es sich gezeigt, dass nur seine Persönlichkeit die kräftigste 138 Matth. Par. 219. 1,8 Schmidt, Gesch. Frankr. I. Bd. 479. **° Ep. IX. 1. III. Non. Aug. (1224) 169. Febr. (1225). 111 Böhmer, Regenta Imperii 1198—1254 p. 127. “2 Gesandtschaftsbericht bei Rymer 175. *** Kot. Claus. 471. Oct. 1. Rymer 166. Heinrich an den Herzog von Sachsen. “* Rot. Claus. 482b- Dec. 2. Rymer 166. Heinrich an den Herzog von Oesterreich. 145 Rot. Claus. 577. Dec. 5. Stütze dieser Ueberlegenheit gewesen war, dass die Grossen des Reiches es noch nicht vergessen hatten, dass sie noch vor kurzem mehr neben dem Könige gestanden hatten, als demselben untergeordnet gewesen waren, und als jetzt das Reich nach Ludwigs des VIII. Tode in der Hand einer Frau, der Witwe des Königs, Blanka, und eines Kindes, Ludwig IX., welcher erst am 25. April 1215 geboren war, blieb, so suchten sie alsbald das frühere Verhältniss zurückzuführen. 146 Blanka, die nicht frei von Herrschsucht war, behauptete auch, nachdem der König zur Mündigkeit gelangt und auf ihre Veranstaltung mit Margarethe von Provence verheiratet war, entscheidenden Einfluss auf die Regierung.147 Sie hatte Ludwig streng und gewissenhaft durch Geistliche erziehen lassen, und es gelang ihr, die Religion zur alleinigen Richtschnur seiner Grundsätze wie seiner Reichsverwaltung in den innern und äussern Verhältnissen zu erheben.148 Sie äusserte oft, „lieber wolle sie ihn todt sehen als von einer Todsünde befleckt,“ 149 flösste ihm aber auch im Geiste der Zeit ihre eigene bigotte und unduldsame Richtung ein.150 Kasteiungen und Fasten übertrieb er bis zum Nachtheile seiner Gesundheit und enthielt sich an jedem Freitage selbst des Lachens so viel als möglich; seine Ehrfurcht gegen die Mönche, insbesondere die Dominicaner und Franciscaner, ging so weit, dass er einst sagte, „wenn er sich in zwei Hälften theilen könnte, würde er jedem dieser Orden eine derselben geben.“ Die Juden hasste er dagegen so, dass er sie nicht sehen mochte, und zu Ketzerverfolgungen bot er stets bereitwillig die Hand. Doch vermochte seine schwärmerische Richtung auf die Dauer weder seine Einsicht zu trüben, noch seine Thatkraft zu lähmen, und der kirchliche Geist des Mittelalters zeigt sich bei keinem Fürsten in einem edleren Lichte. Trotz seiner Hochachtung vor dem geistlichen Stande übertrug er die Kirchenämter nur würdigen und verdienten Männern und gab nie im Widerspruch mit seiner Ueberzeu-gung den Forderungen der Bischöfe und selbst des Papstes nach.151 Gerechtigkeit zu handhaben, galt ihm für die vornehmste und zwar für die von der Religion gebotene Pflicht des Fürsten. 152 Dieser Forderung aber entsprach er sowohl bei der Sicherung der innern Ordnung seines Reiches, die nach allem, was seit Ludwigs VI. Zeit für dieselbe geschehen war, jetzt in eine festere Gestalt gebracht werden konnte, als in den Verhältnissen zu den Nachbarländern, mit und in denen er vor allem den Frieden zu begründen und herzustellen bemüht war. Vergeblich suchte Ludwig IX. die Absetzung des Kaisers Friedrich II., die auf der Kirchenversammlung zu Lyon ausgesprochen war, rückgängig zu machen, und er beklagte die Hartnäckigkeit, mit welcher Innocenz IV. seine Vermittlungsvorschläge abgewiesen hatte.153 Nicht minder hatte er das Anerbieten des Papstes, einem seiner Söhne das Königreich Sicilien zu verleihen, zurückgewiesen, und als sein Bruder Karl von Anjou sich verleiten liess (1265), dort dem hohenstaufischen Geschlechte gegenüberzutreten, leistete er demselben durchaus keinen Vorschub.154 Ludwig IX. ist als der vornehmste Begründer eines geordneten Rechtszustandes überhaupt berühmt. Während in allen ändern Ländern die Fehde entbrannte, waltete in Frankreich der Friede; Frankreich nahm zu an Menschenzahl und fortgehender Cultur. In die Streitigkeiten der Päpste mit den Hohenstaufen vermied er sich einzumischen, aber für Constantinopel und das heilige Land sich anzustreugen, war er immer bereit. Wie oft und reichlich hat er die Unternehmungen der Kreuzfahrer unterstützt. Er selbst nahm zweimal das Kreuz und fand vor Tunis den Tod im Jahre 1270. 155 146 Schmidt, Gesch. Frankr. Mezeray 306: (le roi) laissa toujours la principale autorite ä sa mere. Schmidt 505. Mezeray 305. “• Millot I. 345. 150 Schmidt 506 ff. nach Joinville: Vita et conversatio Ludovici. 151 Schmidt 508. Ranke, S. 41. Matth. Par. 468. 154 Assmann, Geschichte des Mittelalters. 111 Pütz, Geschichte des Mittelalters. KRAINBURG, am 15. Juni 1868. Johann Dominkusch. Schul-Nachrichten. I. Stand des Lehrkörpers und Vertheilung* der Lehrfächer am Schlüsse des Schuljahres 1868. Krob Laurenz, Director, lehrte Latein in der II. und III., Griechisch in der IV. Classe; 18 Stunden wöchentlich. Dominkusch Johann, Professor, Vorstand der IV. Classe, lehrte Geographie und Geschichte in I., II., III. und IV., Deutsche Sprache in der IV. und Mathematik in der I. Classe; 18 Stunden wöchentlich. Wurner Michael, Professor, Custos des physikalischen Cabinetes und der naturhistorischen Sammlungen, Vorstand der II. Classe, lehrte Mathematik in der II., III. und IV., Physik in der III. und IV., Naturgeschichte in der I., II. und III. Classe; 18 Stunden wöchentlich. Hrovath Blasius, wirklicher Gymnasiallehrer, Vorstand der III. Classe, lehrte Latein in der IV., Griechisch in der III., Deutsch in der II. und III. und Slovenisch in der IV. Classe; 19 Stunden wöchentlich; Žolgar Michael, wirklicher Gymnasiallehrer, Vorstand der I. Classe, lehrte Latein in der I., Deutsch in der I. und Slovenisch in der I., II. und III. Classe; 17 Stunden wöchentlich. Zupan Thomas, supplirender Religionslehrer und Exhortator, lehrte Religion in allen vier Classen; 8 Stunden wöchentlich. Freie Lelirgegenstände. Kalligraphie, 3 Stunden wöchentlich. Die deutsche Current- und Lateinschrift, Küster Michael, Hauptschullehrer. Gesang, wöchentlich 2 Stunden, Elemente des Gesanges. Kenntniss der Noten und des Tactes. Absingen der einzelnen Noten und Tonsätze. Gesangsübungen, mit ganz besonderer Berücksichtigung der Kirchenlieder, Cebin Peter, Hauptschullehrer. II. Tabellarische Uebersicht der Schülerzahl. Classe Zalil der einge-tretenen Schüler Verblieben, am Schlüsse d.es Jahres Von diesen waren: öffentliche Privatisten öffentliche Privatisten Katholiken Slovenen Deutsche IV. 14 — 12 12 m. 16 — 16 — 15 1 n. 31 — 24 — 24 — i. 28 26 — «3 26 — Zusammen . . 89 — 78 77 1 III. Unterrichtsgeld. Im I. Semester betrug das von 44 Schülern entrichtete Schulgeld 277 fl. 20 kr. ö. W. „ II. „ „ „ ,, 30 „ ,, „ 189 fl. ö. W. IV. Stipendien. An Stipendien bezogen 5 Stiftlinge den Gesammtbetrag von 283 fl. 54 kr. ö. W. V. Lehrmittel. A. Bibliothek. Die Gymnasialbibliothek erhielt im Schuljahre 1868 durch Schenkungen : Von der hohen k. k. Landesregierung 3 Werke in 3 Bänden. Ton dem quiescirten hochw. Herrn Pfarrer Leben 10 Werke in 43 Bänden. Von dem Herrn Professor Bradaška in Agram das von ihm verfasste Buch: Spravnjivajuči zemljopis. Vom Herrn Professor Žolgar hier 11 Bände Classiker-ausgaben. Vom Herrn Tempsky, Verleger in Prag, 1 Werk. Vom Herrn Teubner, Verleger in Leipzig, 1 Werk. Vom Herrn Winniker, Verleger in Brünn, 9 Werke in 9 Bänden. B. Physikalisches Cabinet. Für dieses wurde angekauft: Ein Apparat für Photographie, bestehend aus Camera, Statif, Copirrahmen, Cuvette mit Taucher und drei Wannen aus Kautschuk. C. Naturhistorisches Cabinet. Dasselbe erhielt durch Ankauf folgenden Zuwachs: 1. Abgüsse vom Schädel des Gorilla und des Gürtelthiers. 2. Skelette von Maulwurf, Katze, Karpfen. 3. Eine ausgestopfte Kohrdommel. 4. Eine Sammlung von 68 Conchylienspecies. Als Geschenk kamen demselben zu: 1. Vom Herrn Joh. Faidiga, k. k. Linienschiffs-Caplan: eine fossile Cidaris aus Aegypten, Schnecken aus Palästina. 2. Vom Herrn J. Krupi čka, k. k. Geometer: zwei Stück Alpen - Salamander und eine Cen-turie Moose. 3. Vom Herrn Josef Steinmetz, k. k. Bezirksarzt: Skelett von Parus major. 4. Vom Herrn J. Vaupotič, stud. med.: ein ausgestopfter Maulwurf, Präparat eines Singmuskelapparats. 5. Vom Schüler der Prima Deisinger: Eisvogel, Strandläufer und Repphuhn, ausgestopft. 6 „ „ „ „ Florian: ein Hirschgeweih, Entwicklungsstufen der Raupe des Maulbeerspinners. 7. „ „ „ „ Franz: eine Schnauzenschnecke. 8. ,, „ „ „ Jelen ec: ein Stück Zinnober von Knapuže. 9. „ „ „ „ K o k a i 1 j: eine Meerspinne. 10. „ ., „ Secunda Žero vnik: eine Sandviper und eine Jachschlange. Ueberdies haben sich für die Vermehrung der Sammlung nachstehende Schüler verdient gemacht: Aljančič, Je raj, Jesenko, Debelak, Jäkelj, Mayr, Petaver. VI. Chronik des Gymnasiums. Zufolge h. Land.-Reg.-Erl. v.‘20. Sept. 1867 Nr. 7474 ist der Gymnasiallehrer Joh. Pajk an das Gymnasium zu Marburg befördert worden und hat den 22. Sept. d. J. diese Lehranstalt verlassen. Da für die hiedurch erledigte Stelle kein geeigneter Supplent gewonnen werden konnte, so haben die übrigen Herren Professoren die der sechsten, fehlenden Lehrkraft zufallenden Unterrichtsstunden bereitwilligst übernommen und bis zum Ende des I. Semesters 1868 besorgt. Mit dem h. Land.-Reg.-Erl. v. 31. Jänner 1868 Nr. 816 ist der Gymnasial-Supplent zu Cilli, Michael Žolgar, zum wirklichen Gymnasiallehrer in Krainburg ernannt worden und trat am 28. Febr. sein neues Lehramt hier an. An die Stelle des früheren Katecheten Anton Brodnik, welcher in der Seelsorge anderweitige Verwendung gefunden und diese Anstalt am 23. April 1868 verlassen hatte, ist laut h. Präsid.-Erl. v. 23. April 1868 Nr. 737/P. der Religions-Supplent des Laibacher Gymnasiums Thomas Zupan zum supplirenden Religionslehrer und Exhortator an dem Gymnasium zu Krainburg ernannt worden und hat demzufolge am 24. April seinen neuen Dienstposten angetreten. In den Monaten December und Juni hat Seine Hochwürden der Herr Probst und k. k. Schul-rath Tlieol. Dr. Anton Jarz seine diesjährige Inspection an diesem Gymnasium abgehalten. VII. Location der Schüler. '-tßrence .Johann aus Lees. Küster Johann aus St. Georgen. Trilar Franz aus St. Martin bei Krainburg. Veja Max aus Krainburg. Lunder Johann aus Gross -Laschitsch. Zupanec Franz aus Krainburg. #Erzen Valentin aus Selzach. Dolžan Josef aus Heil. Kreuz bei Neumarktl. Jenko Johann aus Zirklach. IV. Classe. Čop Josef aus Veldes. Kuralt Johann aus Safniz. Peternelj Matthäus aus Wocheiner-Vellach. Rajgelj Franz aus St. Martin bei Krainburg. Lebar Alois aus St. Martin bei Krainburg. Kavčič Paul aus Reteče. III. Classe. Smolej Paul aus Heil. Kreuz bei Assling. Pfeifer Georg aus St. Martin bei Krainburg. Razingar Anton aus Heil. Kreuz bei Assling. * bedeutet die Preisträger. Volk Franz aus Assling. Mežan Anton aus Veldes. Sušnik Johann aus Lack. Lokar Franz aus Krainburg. Battistig Anton aus Triest. *Hudovernik Johann aus liadmannsdorf. Bacnik Johann aus Flödnig. Eozman Florian aus Flödnig. Kramer Ernst aus Lack. Kos Franz aus Selzach. Jakelj Johann R. aus Kronau. Trobec Matthäus aus St. Oswald. Logar Andreas aus Goriče. Hlafka Franz R. aus Radmannsdorf. Fock Ignaz aus Krainburg. Hribar Ludwig aus Laibach. Ribnikar Franz aus Neumarktl. *Koblar Anton aus Eisnern. *Bernard Anton aus Asp. Zupanec Bartholomäus aus Radmannsdorf. Zalokar Josef aus Obergörjacli. Richteršič Johann aus Selzach. Jeraj Johann aus Maučič. Kuralt Paul aus Safniz. Jesenko Ignaz aus Pölland. Florian Carl aus Krainburg. Pogačar Josef aus Wocheiner-Vellach. Potočnik Andreas aus Eisnern. Alijančič Bartholomäus II. aus Neumarktl. "Visnar Karl aus Aich. Drachsler Jakob aus St. Martin bei Krainburg. Kopač Johann aus Krainburg. Verhunec Johann aus Selzach. Konec Anton aus Krainburg. Kurnik Anton aus St. Georgen. II. Classe. Šolar Anton aus Kropp. Božnar Anton aus Pölland. Skraba Franz aus Brezovica. Mayr Peter aus Krainburg. Žerovnik Johann li. aus Krainburg. Debelak Josef R. aus Dobrava. Zupančič Thomas aus Dobrava. Šumi Vincenz aus Krainburg. Ritter v. Födransberg Friedrich aus Oberlaibach. Jan Vincenz aus Görjach. Žolgar Franz aus St. Peter in Steiermark. Petaver Josef aus Lustthal. I. Classe. Jelenec Georg aus Kropp. Globočnik Albert R. aus Kropp. Šarabon Vincenz R. aus Neumarktl.' / Kalan Franz aus Maučič. Šetina Victor aus Laibach. Brolich Mathias aus St. Georgen. Kmet Andreas aus Naklas. Kokalj Johann aus Goriče. Deisinger Franz aus Lack. Franz Josef aus Kronau. Partelj Johann aus Huje. Zwirn Urban aus Gorenje. Poklukar Vincenz aus Veldes. Laurenz Krob, k. k. Gymnasial - Director.