lnr Kunst, Wissenschaft und geselliges Leben. Redigirt von Leopold Kordesch. ^ 24. Freitag am AI. März Ä844. Von dieser Zeitschrift erscheinen wöchentlich zwei Nummern, jedes Mal ein halber Bogen, und »«monatlich ein in Wien von Meisterhand in Kupfer gestochenes kolorirtes Costumebild, illyrische Volkstrachten in Doppelfigur enthaltend, in Großquart. Der Preis de« Blatte« ist in Laibach ganz» jährig s, halbjährig 3 fl. Durch die t. k. Post unter Couvcrt mit portofreier Zusendung ganzjährig 8, halbjährig 4 st. C, M,, und wird halbjährig vorausbezahlt. Alle k. k. Postämter nehmen Pränumeration «n. I n Loibach pränumerirt man beim Verleger »m Raan, Nr, I9U, im eisten Stocke. Abendstille. H Frühling kehrte ein in untren Auen, In den N»ld wir ginge«, ihn zu schauen; Traulich hing das Aug' am Auge trunken. Ich in sie, und sie in mich versunken. Sanft einladend flüsterte die Quelle, Lieblich klagend schwärmte Philomcle, Und das Abendlied der Waldessänger Machte uns're Seufzer tiefer, länge». Sonne tauchte zwischen Bergen nieder. Sanfter Zephir wehte von dem Flieder; Das Entschlummern keusch uerschloss'ner Blumen Unter Küssen macht' es uns «erstummen. Zwielicht drohte langsam zu verglühen. Alles ruhte von des Tages Mühen, — Ach, in dieser heil'gcn Stille Frieden, Wie so selig dünkt' ich mich hicnieden! — Wieder ist es Lenz in uns'rcn Auen, Wieder ging ich sehnend ihn zu schauen; Sanft einladend flüsterte die Quelle, Und es schwärmte lieblich Philomcle. Sonne tauchte zwischen Bergen nieder. Sanfter Zephir weh'te von dem Flieder, Das Entschlummern keusch »erschloss'ner Blumen Wohl macht' es mein blutend Herz «erstummen. Wohl auch unter Zwielichtes Verglühen Alles ruhet von des Tages Mühen; — Aber ach! den Frieden jener Stunden Nimmer, nimmer hott' ich ihn gefunden. — Narci« Maithal. Thomas DoUiner. (Beschluß.) »olliner's Darstellungsweise in Schriften war stets einfach und sachgemäß; er ver­schmähte allen Redeprunk, sein Styl zeigte sich aber durchaus als sehr deutlich und faßlich, wie denn überhaupt sein ganzes Wesen den vollendeten Stempel der Anspruchslosigkeit, Gründlichkeit und Geradheit ansich trug. Rastlos war seine Vorliebe zu gelehrten Beschäftigungen, besonders zur Erforschung des noch Unbekannten, daher auch seine meisten Schriften originelle Gegenstände und Fra­gen betreffen, welche entweder noch gar nicht bearbeitet, oder nicht gehörig beleuchtet waren, oder in deren Ansehung er fremde Irrthümer zu widerlegen wünschte. Bei dieser zeitlebens verfolgten Richtung seines uner­müdeten, tiefen Forschergeistes läßt sich demnach leicht erklä­ren, wie Dolli n er wenig Muße und Lust erübrigen konnte, um anderen angenehmeren Künsten und Vergnügungen des Lebens Geschmack abzugewinnen. Bibliotheken, Hörsaal, ämtliche Sitzungen, sein Studierzimmer waren sein Aufent­halt; als die einzige Unterhaltungslektüre galten ihm Reise­beschreibungen in wenig bekannte Länder, und es dürften vielleicht deren wenige in Wien erschienen sein, die er nicht gelesen hätte. Der Umgang mit einigen erprobten Freun­den, und manchmal eine Fahrt auf das Land, waren sonstige Erholungen, für die er Empfänglichkeit zeigte. Er besuchte durch vierzig Jahre kein Theater, war in seinem Leben auf keinem Balle, keinem Tanzsaale gewesen; die Freuden des Tan­zes blieben ihm fremd, indem ersich mit seinem noch aus den Studienzeiten bewahrten Satze entschuldigte: „Nemo lere «lllttlt «owiu«, uisi lorte in8Äuit.« (cüeero pro reZe veHotaro.) An der Lektüre deutscher Dichter fand er kein Vergnügen, wie ihn denn auch seine jesuitischen Gymna­sial« Professoren nur mit lateinischen Dichtern, die er aber sogar noch im höchsten Alter gern las, bekannt gemacht hatten. Mit einem Worte: Dolliner besaß (wie sich sein trefflicher Biograph Kudler ausdrückt) andere Geistesfähig­ keiten, als Phantasie; er war vorzugsweise Verstandesmensch und als Schriftsteller schlichter Prosaiker. Dolliner's Dienstfertigkeit im Privatleben war allgemein bekannt, darum aber auch vielfach in Anspruch genommen. Gelehrte Auskünfte und kleinere Beiträge in seinem Fache gab er unzählige; Seelsorger zogen ihn viel­fältig, besonders über Eherechtsfälle theils mündlich, theils schriftlich zu Rathe: am meisten aber wurde er von Ehe­stands-Candidaten bei Ehehindernissen consultirt und -um Dispensgesuche angegangen, die größtentheils den gewünsch­ 94 ten Zweck erreichten, ihm aber auch — wie er sich selbst ausdrückte — immer mehr Kunden zuzogen, besonders, da es verlautete, daß er für seine Bemühung keine Belohnung fordere. Angehende Schriftsteller, oder Candidaten der juri­dischen Doktorswürde für ihre Dissertationen, erhielten von ihm jede mögliche Unterstützung durch mündlichen Nach oder schriftliche That. Noch herrlicher erwies sich aber Dolliner's Wohl­thätigleit . Unbemittelten Privat-Studierenden erließ er die gesetzliche Prüfungstare, gab auch manchem Candidaten der juridischen Doktorswürde die Taxe für die strengen Prü­fungen wieder zurück. Andere Studierende aus verschiedenen Fächern, besonders seine Landsleute, unterstützte er mit Wohnung, Kost und Geld während ihrer Studien, manche sogar bis zu einer Dienstversorgung. Seine Verwandten bedachte er noch bei Lebzeiten, je nach dem Grade ihrer Verwandtschaft und Bedürftigkeit, mit geringeren oder grö­ßeren Gaben. Treue Dienstboten entließ er immer mit theuern Beweisen seiner Güte. Ein von ihm seit dreißig Jahren geführtes Vormerkbuch gibt die zahlreichsten Belege für seine wohlthätigen Gesinnungen. Dolliner's Religiosität war tief begründet in seinem starken Geiste und reinen Gemüthe, in seiner ge­nauesten Bekanntschaft mit den heiligen Schriften und der göttlichen Lehre des Christenthums, und erzeugte seine un­geheuchelte Frömmigkeit und Veredlung des Herzens, die sich an ihm jederzeit darboten. Dolliner' s häusliches Leben war, seinem ganzen Wesen entsprechend, sehr einfach, von jedem entbehrlichen Aufwand entfernt, nur seinem gelehrten Berufe gewidmet. Verheirathet war er niemals, theils, weil es ihm in frühe­ren Jahren mit seinen geringen Gehalten vor Familiensor­gen bangte, hingegen in späteren Jahren bei glänzenderen Umständen zu spät schien, theils aber, weil er — wie er selbst erzählt — „immer fürchtete, durch eine Frau, die er »doch spazieren, in Gesellschaft, in's Theater und auf Bälle „hätte führen müssen, an seinem wissenschaftlichen Berufe »gehindert zu werden, oder gar, wenn er ihr nicht recht »zu Gefallen lebte, eine Xantippe an den Hals zu be­»kommen." Dolliner's Gesundheitsumstände waren zeitle­ bens nicht die besten, hinderten ihn jedoch höchst selten in der eifrigsten Erfüllung seiner Amtspflichten und in seinen Arbeiten am Schreibpulte. Nachdem er in jüngeren Jahren an Kopfschmerzen und Magenbeschwerden viel gelitten, wurde er im, später« Alter immer stärker durch Verschleimungen und Husten gequält, erhielt sich jedoch bis wenige Tage vor seinem Tode noch anhaltend außer Bette; ja wenige Stun­ den vor seinem Verscheiden unterhielt er sich noch über einen neuen Aufsatz, den er für die juridische Zeitschrift bearbeitet hatte. Den 13. Februar 1839, nachdem er sich vorsichts­ weise schon einige Tage früher mit den heiligen Sakramen­ ten der Sterbenden versehen ließ, endigte in seinem acht­ zigsten Jahre eine Lungenlähmung sein thätiges, verdienst­ volles Leben. Sein Leichenbegängniß, geleitet von dem ehrwür­digen Dominikaner-Convente, wurde erhebend verherrlichet durch die zahlreiche Anwesenheit hochgestellter Staatsdiener und anderer ausgezeichneten Männer, von denen sehr viele seine dankbaren Schüler oder Amtsbrüder waren. Seiner eigenen letztwilligen Anordnung gemäß wurde der Leichnam nach Maria-Enzersdorf, nächst Brunn am Gebirge, überführt und auf dem dortigen freundlichen Kirchhofe be­stattet. Größere Werke Dolliner's. ». I m historischen Fache. »Erläuterung der deutschen Reichsgeschichte« nach Pütter's Grundriß. I. Bd. 1794. II. 33°. 1801. III. Bd. 1802. »Ooäex, epi«tolkri3 ?rimi«I^i OttnLllri II . LuKomiae Hexi«« «t«. 180I. »Ausführlicher Beweis, daß der wahre Geburtsort der am 17. Februar 1448 mit dem römischen Stuhle geschlossenen Concor­date nicht Aschaffenburg, sondern Wien sei; nebst anderen, dieses wichtige Concordat beleuchtenden Umständen«. 1790. »Einige Aufschlüsse über das zweifelhafte Stammhaus, aus welchem die heil. Hemma, Schutzpatronin von Kärnten, ent­sprungen« u. s. w. (Doli in er schließt, daß sie zu dem bcürischen Geschlechte der Grafen von Bogen gehörte.) Im IV. Band des historischen Archivs von Frankfurt a. M. »Andeutungen über die Zwillingsbrllder Henricus und Johannes äe O^i-nioli»,, Mönche des Stiftes Molk und St. Afra zu Regensburg«. Im Archive des Regierungsrathes Ried­ler v. I . 1831. Nr. 31. »Die Wiener Hochschule und ihre alten Freiheitsurkunden«. In Riedler's Archiv 1831- Nr. 39 — 43. b. I m juridischen Fache. »Erklärung des allg. deutschen Lehenrechtes«. 1793. »Erklärung des deutschen Staatsrechtes«. 1793. »Das Recht geistlicher Personen, in so fern sie überhaupt nur als solche, ohne eigentliche Beziehung auf Kirchenämter und Pfründen, betrachtet werden«. 1817. »Von Errichtung und Umänderung der Veneficien, wie auch von der Einrichtung der Civil- und Militär-Seelsorge in den österr. Ländern«. 1822. »Handbuch des in Oesterreich geltenden Eherechtes«. 1813, 1818,1822,1835. I n verschiedenen Abtheilungen. (Sieh unsere Biographie.) »Erläuterung des §. 83 des bürgert. Gesetzbuches über Ehe­dispensen«. In Pratobevera's Materialien I. und II. Bd. Nr. 2.— Cbendort im III. Bd.: »UeberEhe-Convalidation, zumtz. 88 des bürgert. G.-B.« — Ebendort im V. VI. VII. Bande: »Ueber die Auflösbarkeit der Che zwischen nicht katholischen Re­ligions-Verwandten.« Ferner mehrere Inaugural-Dissertationen, Abhandlungen, Kritiken u. s. w. über andere staats- und kirchenrcchtlichen Fra­ gen. (Verzeichnet in der »österr. juridischen Zeitschrift« v. I, 183V.) o. Handschriften. »Akademische Rede, ob der Staat in der Kirche, oder die Kirche im Staate sich befinde«. »Ein kurzes Eherccht der griechischen nicht unirten Kirche.« Der Anfang zu einer historischen Untersuchung, wie es zuge­gangen, daß die Rechte der deutschen Nation aus den acceptirten Basier Dekreten in Vergessenheit gerathen sind. — Ebenso über die zu Wien 1448 geschlossenen Concordate. Endlich eine ansehnliche Sammlung von Urkunden, hand­ schriftlichen Nachrichten, Auszügen :c. zur Verfassung einer diplo­matischen Geschichte der deutschen Concordate u. s. w. Der Talisman. Eine maurische Sage. (Beschluß) Zwei Tage darauf durchritt der maurische König die Straßen von Granada auf einem prächtigen Rosse, von einem zahlreichen, glänzenden Gefolge begleitet. Boabdil war sehr schön. Die blendend weiße Kapuze seines breiten Kaftans erhob wunderbar den Glanz seiner schwarzen Haare und Augen und die interssante Blässe seines Teints. Seine kräftigen, ausdrucksvollen Züge, die breite und edle Stir« gaben seiner Gestalt ein echt königliches Ansehen. Er ritt 95 auf einem stattlichen Rosse von echt arabischer Race; dessen zarte, rabenschwarze Haut glänzte wie Sammt und Seide; die lange, wallende Mähne, die schwellenden Muskeln sei­ner erhabenen, kühnen Brust, sein schlanker Hals, das Ebenmaß aller seiner Glieder machten das Thier vollkom­men würdig, in gerader Linie von der heiligen Stute des Propheten abzustammen. Sultan Inizio (so hieß das Roß Boabdil's) streck« plötzlich seine Ohren lauschend vor, fing heftig an zu schnau­ben und weigerte sich mit dem entschiedensten Abscheu, weiter zu gehen. Boabdi l wollte das Thier mit Gewalt dazu nöthigen; doch Inizio bäumte sich, und blieb endlich, an allen Gliedern zitternd, stehen. Beim Anblick zweier Männer, welche sich durch die Menge vorgedrängt hatten bis in die Nähe des Königs, wurde Jedermann die Ursache des hartnäckigen Widerstrebens Inizio's vollkommen klar. Die Genannten waren nämlich zwei Greise von dem seltsamsten, befremdendsten Aussehen. Alles in ihrem An­züge, jeder ihrer Züge erregte Staunen und Bewunderung. Von ihrem unbedeckten, glänzenden Häuptern wallte langes, silberweißes Haar herab bis auf ihre Barte, die gleichfalls schimmernd weiß waren und bis auf die Kniee niederwallten. Sie trugen als Oberkleid eine Art seltsamen Talars. Nach den Runzeln, welche ihr Gesicht durchfurchten, zu urtheilen, wie nach ihrer ganz vom Alter gebeugten Gestalt, hätte man Jeden wenigstens hundert Jahre alt halten können. Boab­dil fühlte sich bei ihrem Anblicke von seltsamer Furcht bewegt. „Was wünscht Ihr? " — fragte er mit einem milden Ausdruck, den man nicht von ihm zu hören gewohnt war, wenn Jemand ihn auf seinem Wege aufzuhalten wagte. „Gnädiger Herr, wir bringen Euch ein Geschenk.« „Was für eins?" „ Ein Geschenk, welches das Glück Eures Reiches schaf­fen wird, indem es die Tugend darin zu schönerem Flore bringt. Dank unserer edlen Gabe, wird in Zukunft kein Unschuldiger mehr' ungerecht verurtheilt werden und kein Schuldiger der gerechten Strafe entgehen. Ein Talisman, nach dem wir seit langen Jahren geforscht, den wir endlich ausfindig gemacht, verwirklicht den schönsten Traum, wel­chen ein Freund der Gerechtigkeit und Tugend je hegen konnte." „Und der Talisman wäre?« „I n Eurem Pallaste sollt Ih r es erfahren!" Boabdi l beeilte sich, die Feier zu beendigen und forschte, sobald er in die Alhambra zurückgekehrt war, die Alten von Neuem aus. „Der Talisman, von welchem wir Euch gesprochen," entgegneten die Greise — „ist ein magisches Gewebe, be­stehend aus Fäden von Gold, Silber, Seide und Lein­wand, die wir unter zauberischen Worten und Ceremonien zusammenwirken. Es hat die sonderbare Eigenschaft, Jed­wedem unsichtbar zu sein, wer immer nur in seinem Leben ein des Todes würdiges Verbrechen begangen. Nur die welche sich leine strafbare That vorzuwerfen haben, erblicken das wunderbare Gewebe in seiner ganzen Schönheit. Laßt uns Alles geben, was wir, als zur Bereitung desselben nöthig, verlangen, und in drei Tagen werden wir mit un­serer Arbeit fertig sein." Boabdil befahl, den Alten Alles zur Verfügung zu stellen, was sie immer verlangten, und sie machten sich dar­auf in einem Saale im Erdgeschosse des Pallastes frisch an's Werk. Schon den andern Tag trieb den König die Neugierde, sie zu besuchen. „Der König kann nicht eintreten vor dem dritten Tage!" — riefen ihm die Greise abwehrend entgegen. Die letzten hatten von dem Talisman noch mit Nie­mand gesprochen, als mit Boabdil , und doch kannte schon, ehe zwei Tage vergingen, Jedermann in der Stadt die wunderbare Eigenschaft des Gewerbes, das im Werke war. Als endlich der dritte Tag kam, so erschien Boabdi l von Neuem; er wurde diesmal nicht abgewiesen. Mitten im Saale stand ein Werkstuhl, fast denen ähnlich, deren man sich heutzutage zum Tapetenwirken bedient. Die Au­gen des Königs richteten sich mit lebhafter Neugierde auf den Webestuhl, gewahrten aber nichts auf demselben. Die beiden Greise saßen daran, in ihre seltsame Talare geklei­det, in der Hand lange Nadeln haltend, mit welchen sie da geschäftig hin- und herfuhren, wo Boabdil nichts, als einen leeren Raum sah. „Nun , gnädigster Herr?" — fragte einer der Alten, indem er einen triumphirenden Blick von dem Webstuhl auf den staunenden König wandte. Boabdi l fühlte, daß er seine Blindheit nicht verrathen dürfe, und nickte daher bei­fällig mit dem Kopfe, um seine scheinbare Verwunderung auszudrücken. „Sehet Ihr, " — fuhr der Alte fort, indem er sich seiner Nadel geschickt zum Zeigen bediente — „ sehet Ihr auf dem blauen Grunde hier den Mond und die Haupt­gestirne des Firmaments nach ihrer astronomischen und kab­balistischen Ordnung eingewebt, und hier und da die wun­derbare Hand angebracht, welche den Schlüssel des Thor­gewölbes ,der Alhambra trägt?*) Als der König alle diese Herrlichkeiten nach einander aufzählen hörte, blieb er stumm vor Erstaunen. „ So viel in Bezug auf die Außenseite unseres Wer­kes; wenn Eure Hoheit dessen innere Kraft kennen gelernt haben, werdet Ih r noch vielmehr staunen." „Sehr wunderbar, allerdings!" — entgegnete der König, und entfernte sich so schnell wie möglich, da er fühlte, daß er nicht länger seine Verlegenheit verbergen könne, I n seiner Wohnung angekommen, fing er an, ernstlich bei sich über das, was er erfahren, nachzudenken. Was für ein des Todes würdiges Verbrechen hätte er denn wohl begangen, daß ihm das wunderbare Gewebe unsichtbar sein mußte? Sein Gewissen erinnerte ihn an folgendes Ereigniß seines früheren Lebens: Vor einigen Jahren fand er sich auf der Jagd auf einmal allein und von seinem Gefolge getrennt. Die Sonne brannte glühend heiß; er fühlte den heftigsten Durst und 1 Es ist über dem Schlüssel des genannte« Thorgew'olbes eine H»nd au« Stein gehauen, und es herrscht noch jetzt unter dem dort wohnenden Volte der Glaube, das, wenn diese magische Hand sich herabsenktc, der ganze PaUast mit fürchterlichem Getöse einstürie» werde. V« näherte sich einem einfachen Hause, das von einem kleinen Gartenraume umringt war. I n diesem Räume prangten herrliche Orangen- und Granatbäume mit ihren einladen­den, erquickenden Früchten. Boabdi l trat über die Schwelle des Hauses, im einfachen Iagdkleide, das in dem Träger keineswegs den Herrscher vermuthen ließ. Der Ei­gentümer des Hauses, ein roher, ungebildeter Mann, weigerte sich, dem Fürsten einige von den Früchten zu ver­kaufen, nach welchen ihn so sehr gelüstete. Boabdil , von Natur heftig und jähzornig, ward durch diese Weigerung auf's Höchste gereizt, schlug den Eigenthümer und nahm sich die Früchte mit Gewalt. »Wäre aber dies wohl ein des Todes würdiges Ver­gehen?" — fragte sich der König. »Du hast es für ein solches erklärt,« — lautete die Erwiederung seines Gewissens — »es sind erst einige Tage, daß D u wegen eines viel geringeren Vergehens einen Scla­ven zum Tode verurtheilt hast." »Ich kann es nicht läugnen!" — entgegnete Boab­dil und ließ sogleich zwei Befehle ergehen. Der erste be­stimmte die Suspension des Todesurtheils; der zweite, daß man ihm sogleich den Obersten seiner Wache schicke. »Geh'," — wandte er sich an den letzten — »und nimm das wunderschone Gewebe, welches so eben in dem Saale im Erdgeschoß fertig geworden, in genauen Augen­schein, und komme dann wieder hierher, mir Deine Mei­nung über dasselbe zu sagen." Der Oberste der Leibwache sah, gleich dem Könige, nichts; aber er hatte schon von der wunderbaren Eigenschaft des Gewebes sprechen hören, und ließ, aus Furcht eines Verbrechens beschuldigt zu werden, dessen er sich doch nicht im Mindesten bewußt war, die Augen des Glaubens die des Schauens ergänzen, und trat zu dem König mit allen Zeichen der höchsten Verwunderung. Er machte nach der Schilderung der Greise die glänzendste Beschreibung von dem Gewebe, indem er alle einzelnen Schönheiten desselben dem Könige zergliederte. »Höchst wunderbar!" — rief Boabdil . Während des ganzen Tages wimmelte es von Hofieu­ten in dem Saal des Erdgeschosses. Alle ergossen sich in das ungemessenste Lob über die Schönheit des Gewebes, das — Keiner gesehen. »So bin ich also von Allen, die mich umgeben, der einzig Schuldige!" Die beiden Alten ließen sich nach diesem Vorfall nicht mehr sehen, und wie man auch nach ihnen suchte, sie waren und blieben verschwunden. Die Lehre, die der König von ihnen erhalten, war übrigens gut gewesen, denn er begna­ digte nicht nur den Sclaven, den er verurtheilt, sondern schenkte ihm auch die Freiheit für die Bastonade, die er bereits empfangen hatte. cherlich» und Unehrlichmachen. Wie schwankend und unhaltbar unsere Ansich­ten und Urtheile, ferner wie wankend und launenhaft die Richtcrsprüche über Größe und Nichtigkeit, über Verehrungswürdigkeit und Verächtlichkcit sind, mag uns der sichtliche Verfall des Glaubens an wahre Größe und Erhaben« heit, das Vorziehen der untergeordneten Produkte »or den «irklich hochsscycn­den, die unwillkürliche Poilheilichkeit bei Kunstwerken, beweisen. Wie un° richtig schreit die Welt oft die sogenannten Räusperet großer Geister für un­sterblich aus, und drückt das emsige Wirken und Streben eines jungen Ta­lentes hinab, hängt oft mit Eifer »n den irrigen Meinungen eines Ruhmge­krönten «.denn auch große Gcisicr können irren), und nimmt sie in blinder An­hänglichkeit als göttliche Wahrheiten hin, während sie die klaren Sätze eine« neuouftauchcnde« Geistes bekrittelt und ohne gründliche Beurtheilung als un­statthaft anerkennt. Wie oberflächlich ist nicht die Beurtheilung der Werke der Dichtkunst, wie schwer geht das Volk in ihre Tiefen ein und erklärt sie als Meisterwerke; mit wie viel Vergnügen und wie häufig sprechen nicht die Leute von de» Schauspielerei, wie werden die Schauspieler gehoben und ge­nannt, während die Dichter unbelebt und unoerchrt vertrauern müssen—und was ist ein Dichter, was ein Schauspieler! Alle Welt spricht von dem großen Löwe, der unerreichbaren Rettich, dem unsterblichen Rott; wie Wenige nennen Grillparzer, den unsterblichen Grillparzer, Spindler, den großen Spindler, Lenau, den unerreichbaren Lenau; diese Herren werden bekrittelt und bemäkelt, während die ander« ungeschmälert triumphiren. O arge Zeit, daß die Werke desto mehr getadelt werden, je mehr sie Anspruch auf Unsterblichkeit machen, und desto höher gehoben werden, je weniger sie an und für sich sind! Was die Sinne reizt, ist beglückt, was nur dem tieferen Sinn entspricht, geht unter: ein Scholz lebt gut, gemächlich, ja wenn er nicht einen ungeregelten Lebenslauf führte, reich; einGrabbc. eines der größ­ten deutscnen Genie's, geht im Elende unbemerkt unter; — ist das Gerechtig­keit? ist das der Lohn der Größe? — Es bleibt darum nur ein Trost, daß die Nachwelt das Schlechte verwerfen und vergessen, und das Gute, Erhabene schätzen und in das Buch der Unsterblichkeit einzeichnen wird. Mein, mit diesem Trosse sich zu begnügen, dazu gehört eine starke, philosophicgepanzcrtc Seele. — Einen wahrhaft Großen muß es tief lränkcn, die Nihilität glücklich zu sehen, während er selbst unglücklich ist. Woran liegt aber die Schuld — an der ersscnErziehung; die Kinder weiden mehr ansinnlicheZcrstrcuungen und Vergnügungen gewöhnt, statt daß sie mit Strenge zur Ausbildung ihrer edle­ren Anlagen, zur Erkenntnis des Wahren, Guten und Edlen angehalten wer­den. Erziehung ist der Grundstein des künftigen Handlungsgebäudes der Menschen, der Grundstein zum Glücke der Nationen, das erste Rad alles künftigen, edleren Treibens. Möchten doch Eltern und Lehrer das bedenken! — Was das Selbstcntehren und Lächcrlichmachcn betrifft, so ist es der Grund des Verfalls der Tagcslitcratur, der Grund, warum die einst so geachteten, ehrenwerthen Institute der Tagsblatter allen Glauben verlieren und ein Jour­nalist schon wie ein ehrloser, bezahlbarer Schreiber betrachtet wird. Zu dem heiligen Amte der Kritik sollen ehrbare, verständige Männer zugelassen wer­den, die im Bewußtsein ihrer Pflicht, ihre Worte vertreten können; aber der Fluch der Zeit ist, daß alle Buben und verdorbenen Leute zugelassen werden, die, weil sie nichts Anderes können, sich zum Literaten befähigt glauben, die, wenn ihr Bischen Gedanken erschöpft ist, sich selbst und ihre ehrbaren Colle­ge« entehren und lächerlich machen, und das schon so geschmälerte Institut der Journalistik noch mehr schwächen. O schöner Beruf, schönes Amt! sich selbst herabzusetzen, wenn nur der Name gedruckt ist, und die Menge lachen kann; würdige Beurtheiler der Werke würdiger Männer! Soll man sich d» nicht schämen, in der Reihe solcher Leute zu stehen, und zugleich mit ihnen die Verachtung jedes Gebildeten tragen zu müssen? denn Niemand kann sich die Ehrbaren heroorsuchen; muß es nicht Jede«, der etwas Ehre besitzt, verzwei­felt machen, seine Meinungen und Gedanken, das einzig unschätzbare Freie in der Welt, gedungen und bezahlt von Andern zu sehen? Man fragt, wie dem abzuhelfen sei? — Hinaus mit diesen erbärmlichen Individuen, mit die­sen eines ehrlichen Friedhofes nicht Würdigen, mit diesen Skorpionen der Ehre! Sind sie fort, werden die Edleren, die sich bisher nicht in den Koth wagtcn, heraustreten, und die Ehre der Tagesliteratur wird gerettet sein — es war ja meistens so, — Zu diesen Bemerkungen gab mir die Bemerkung eines Herrn M. in einem geachteten Wiener Blatte: »die Rezensionen sind jetzt um 5 fi. zu haben« Anlaß, die mich im Innersten empörte.') C. H, Auflösung des Sinnräthsels in I?ro/'23. Neige, Äs«KK«. Natürliche Bemerkungen. «) Wir glauben diesem trefflichen und zeitgemäßen Aufsatze, den wir aus der sehr geschätzten und vicluerbreitcten, in Pesth erscheinenden Zu de» größten Ucbelständen unserer Zeit gehört gewiß der Mangel an Modezeitschrift: »Der Spiegel« entnehmen, auch in unserm Blatte Eharaktersertigkeit, die Kraftlosigkeit der Grundsätze und das sich selbst La» Raum gönnen zu müssen. Die Redaktion. Laibach. Druck und Verlag des Josef Blasnik.