Jesús Adrián Escudero das Phänomen der „GLOKALiSiERUNG". Globalisierung und Identität in der vernetzten Gesellschaft Die Revolution der Technologien der Information und die Redefinierung des 181 Kapitalismus bilden eine neue Gesellschaft: die vernetzte Gesellschaft (net-society). Diese Gesellschaft charakterisiert sich hauptsächlich durch die zunehmende Globalisierung der ökonomischen Sphäre, eine flexible Organisation der Arbeit und eine von den Mass-Media stark abhängige Kultur. Dieses neue soziale Organisationssystem entfaltet sich planeterisch, in dem es Institutionen wechselt, Kulturen transformiert und technologische Innovationen mit sich bringt. Aber dieses System veranlasst nicht nur Reichtum und neue Erkenntnisse sondern auch Armut und eine zunehmende Differenzierung zwischen sozialen Schichten.1 Doch trotz der steigenden Verbreitung der technologischen und ökonomischen Globalisierung verbreitet sich gleichzeitig eine kraftvolle Vielfältigkeit von kollektiven Identitätsbewegungen in Namen des Multikulturalismus, des Nationalismus, des Integrismus oder des Feminismus. Anders gesagt, ethnische, linguistische, nationalistische, religöse oder sexuelle Identitätsbewegungen leisten der Globalisierung Widerstand.2 1 Siehe Joseph Stiglitz, El malestar de la globalizacion, Taurus, Madrid 2002. 2 Siehe dazu die zwei umfangreiche und stark dokumentierte Bände von Manuel Castells, The Information Age. Economy, Society and Culture (Volume 1: The Rise of the Network Society and Volume 2: The Power of Identity), Blackwell Publishers, Cambridge 1997. Und in Manuel Castells, „Globalisation and Identity A Comparative Perspective", Transfer, Journal of Contemporary Culture 1 (2006), S. 56—66 kann man eine kurze Zusammenfassung seiner Hauptargumente finden. Man versucht auf vrschiedenen Weisen die kulturelle Einzigartigkeit und die Individualität der einzelnen Personen aufzubewahren. In diesem Sinn, kennzeichnen wir das Phänomen, in dem sich die globale Dimension mit der lokalen verbindet, mit dem Begriff „Glokalisierung". Auf der einen Seite sehen wir wie sich die technologische und ökonomische Zwecksrationalität überall verbreitet. Aber auf der anderen Seite stehen wir vor verschiedenen Identitätsmanifestationen, die die geistliche Nivellierung und die soziale Homogenisierung nicht einfach akzeptieren. Dies erklärt, zum Teil, ihre Widerstandsraft wie es folgende Beispiele zeigen: die aufbewahrende Kulturpolitik Frankreichs, die Diskussionen im Rahmen der Gender Studies über eine Redefinierung der Geschlechterverhältnisse, die allmähliche Expansition des ökologischen Bewusstseins, die Verteidigung der religiösen Spezifizität im Islambereich oder die Anerkennung sprachlicher Rechte (wie in Baskenland, Katolonien oder Quebec). Internet und die durch ihre veranlasste Kommunikationsmöglichkeiten spielt in diesem Kontext natürlich eine wichtige Rolle, sowohl für die Kritik der offizielen Öffentlichkeit als auch für die Artikulation der jeweiligen politischen, religiösen, ethnischen oder ästhetischen Alternativen. 182 Anhand dieser neuen „glokalen" Wirklichkeit stellen wir verschiedene Formen der Rekonstruktion der kollektiven Identität zur philosophischen und soziologischen Diskussion dar. Im Rahmen dieser Debatte wollen wir zwei Themen im Blick nehmen. 1) Einerseits bieten wir eine skizzhafte Analyse der Hauptch-arakteristika des Phänomens der Globalisierung und 2) andererseits schildern wir drei verschiedene Rekonstruktionsmöglichkeiten der Identität. Im ersten Fall konzentrieren wir uns auf die wichtigsten Merkmale des globalen Wirtschaftsparadigma, besonders auf dessen Konsequenzen in der Struktur des Arbeitmarktes. Im zweiten Fall werden die Bewegungen des Feminismus, des Multikulturalismus und des Ökologismus als verschiedene Identitätsbeispiele in Anspruch genommen. I. unterscheidungsmerkmale der Globalisierung In den letzten zwanzig Jahren hat sich ein neues Wirtschaftsmodell festgesetzt, dass auf spezifische technologischen Kenntnissen und auf einem internationalen Markt beruht. Die Produktion wird nicht mehr von den einzelnen Staaten kontrolliert, sondern hängt immer mehr von einem globalen Produktions- und Konsumnetz so wie von einem transnationalen Kapital- und Warenverkehr ab. Aber die Globalisierung, trotz ihrer Kritiker und Verteidiger, ist eine Tat, ein Faktum, das uns direkt und tief betrifft, das teilweise ausser unser Kontrolle liegt, das ihre innere Dynamik hat.3 Wir stehen also vor neuen Situationen, zum grossen Teil unbekant, die von uns eine Antwort verlangen. Die Globalisierung bringt mit sich neue Risikosituationen (Klimawechsel, Verwüstung, Rohstoffmangel ...), die sich planetarisch verbreiten, egal wo man lebt, egal ob man reich oder arm ist. Die Globalisierung provoziert auch eine Redefinition der Familie, der Sexualität und der interpersonalen Beziehungen. Sie hat auch einen grossen Einfluss auf die kulturellen und religiösen Traditionen, wie es der Aufstieg von ethnischen Identitäten, Fundamentalismus und Nationalismus zeigen, die sich gegen die ökonomische und kulturelle Kolonisation währen. Und zuletzt leuchtet es auch ein, dass die Globalisierung zu einer Reformulierung der Staatsnationen führt. Die Staaten gehorchen immer mehr der Logik einer transnationalen Wirtschaft. Oder, wie ese Foucault ausdrücken würden, sie stehen unter dem Druck von polimorphen, anonymen und vielfältigen übernationalen Machtstrukturen. Doch wir wollen kurz auf den Einfluss eingehen, die die Globalisierung mit Hilfe von Internet auf die neue Wirtschaft hat. Es handelt sich nämlich um die Art und die Weise wie die neue Wirtschaft mit und durch Internet ihre Aktivität organisiert. Wir stehen vor einem ganz neuen Organisationsmodell der Unternehmen. Man spricht häufig vom elektronischen Kommerz B2C (Busines to Consumer). Doch dies bestimmt nur den 20 % der Transaktionen. Der restliche 80 % der Operationen verläuft zwischen den Unternehmen selbst in der Formel B2B (Business to Business). D. h. die ganze Arbeit eines Unternehmens und die Beziehungen und Kontakte mit anderen Unternehmen realisiert sich hauptsächlich durch Internet.4 ZARA, eine grosse Kleidungsmultinationale wie Benetton Colours, Lacoste oder Gucci, ist ein prototypisches Beispiel dieser neuen Verkauf- und Produktionsorganisation. ZARA, dass über 1 Billion Euros jährlich bewegt und mehr als 2000 Geschäfte in der ganzen Welt hat, funktioniert online. Die Anzahl der verkauften Produkte wird täglich on-line zur Zentral übermittelt. Man hat also sofort eine genaue Stadistik der täglich meist verkauften Produktes und der Kauftendenzen der Kunden, so dass man sich sehr schnell auf die Konsumbedürfnisse adaptieren kann. Im Hintergrund dieses neuen Organisationsmodells liegt ein tiefer Wechsel der Unternehmungstruktur: die klassische pyramidale Struktur, die man auch mit dem Fordismus identifiziert, verliert Gewicht gegenüber den flexiblen und netzorganisierten Sturkturen, die schnell auf die ständigen Markfluktuationen reagieren können. Dieser Modelwechsel hat natürlich verschiedene Folgen, wie die Segmentierung der Arbeitskraft, der globale Wechsel der Wahren und eine fast 3 Siehe dazu das interessante Buch von Anthony Giddens, Runaway World, Profile Books, London 1999. 4 Siehe dazu Manuel Castells, „E-business and the New Economy", in ders., The Internet Galaxy: Reflections on Internet, Business and Society, Oxford University Press, Oxford, 2001, S. 77ss. 183 184 anonyme Konzentration von Kapital. Die Reichweite dieses Paradigmawechsels lässt sich anhand der Gegenüberstellung von dem klassischen und dem gegenwärtigen Arbeitsmodell darstellen. Wie Richard Sennett zeigt, beruht das klassische Modell auf der Routine während sich das gegenwärtige Modell nach Flexibilität orientiert.5 Was unterscheidet nun diese zwei Modelle? Welche soziale Typologie enthält jeder dieser Modelle? 1. Hinter dem klassichen Arbeitsmodell finden wir normalerweise ein stabiles und arbeitständiges Ehepaar, wo der Mann das Geld gewinnt und die Frau für die Hausarbeit und die Pflege der Familie verantwortlich ist. In diesem Sinn bewegt sich das Leben des Ehepaars in Rahmen einer linearen und homogenen Zeitauffassung, wo die Möglichkeiten ihrer Existenz relativ klar definiert sind (wie, zum Beispiel, der Kauf einer neuen Wohnung, das Anschaffen eines neuen Autos, die Plannung der Ferien, die Sparsamkeit in Hinblick auf die Pension, die Studiumfinanzierung ihrer Kinder, usw.). Wir stehen vor einer Arbeitseinteilung, die prinzipiell auf die Routine beruht. Die tägliche Wiederholung derselben Arbeitstätigkeit und die strikte Arbeitsteilung ermöglicht, wie schon Diderot sah, eine höhere Produktion, dank der steigenden Spezialisierung der Arbeiter. Denken wir kurz an der Herstellung einer Kutsche in einer französischen Manufaktur des 18. Jahrhunderts oder an den heutigen Arbeitsketten der Sportwahren- und Autoproduktion. 2. Im Fall des aktuellen Arbeitsmodell haben wir es mit dem folgenden sozialen Prototyp zu tun, nämlich die Töchter und Söhne des klassischen Ehepaars, die meistens durch Hochschul- bzw. Universitätsstudium die jeweilige Position verbessert haben (z. B. Ärzt/in, Ingenieure, Informatiker/innen, Rechstanwalt/ innen____). Doch sie stehen vor einer hohen Arbeitsinstabilität, die emotionale Konsequenzen mit sich bringt: von Identitäts- und Ehekrisen, Misstrauen zu den Anderen bis soziale Einsamkeit und gemeinschaftliche Entwurzelung. Die Arbeit und der Arbeitsmarkt stützen sich auf der Flexibilität. Die Arbeitskraft ist also kontingent und wechselnd, man hat schnelle Gewinnerwartungen im Horizont (wie zum Beispiel die Börsespekulation), d. h. die grosse pyramidal strukturierte Firmen (wie Ford oder IBM) lassen den netzorganisierten Unternehmungen den Vorrang. In diesem neuen Kontext gewinnt die Information eine Hauptrolle als Motor der Entwicklung. Die für die technologische Entwicklung benötigte Information ist jetzt die wichtigste Ware, nicht so sehr die Arbeitskraft. Zum Beispiel, 80% der Herstellungskosten eines Computers werden in Software angelegt ge- 5 Siehe Richard Sennett, The Corrosion of Caracter. The Personal Consequences of Work in the New Capitalism, Norton & Company, New York, 1998. gen den restlichen 20 % in Hardware. Ähnliche Beispiele finden wir in der Herstellung von Telephone, Fernseher, Stereoanlagen, Elektrogeräte, Autos, usw. Die rasend und atemberaubende Entwicklung der Technologien modifiziert ständig die Produkte, die massiv von den Konsumenten gekauft werden. Das zwingt den Firmen zu einer konstanten Anpassung und Erneurung. In anderen Worten, die Firmen müssen sehr flexibel sein, falls sie nicht von der Konkurrenz verschlingen werden wollen. Doch was veranlasst die Einführung dieses Flexibilitätskriterium? Ein dezentralisiertes und netzorganisiertes Unternehmen passt sich besser und schneller als ein hierarchisches an den konstanten Wechseln des Marktes. Denken wir, zum Beispiel, an der einfachen Reprogrammierung der Industriemaschinen, an den vielfältigen Kommunikations-möglichkeiten, die einen unmittelbaren Zugang zur Information und eine flexible und personalisierte Einteilung der Arbeitszeit (Büroarbeit, Fernarbeit, Teilarbeit) erlauben. Gerade die steigernde Einführung der flexiblen Arbeitszeit hat die Eintritt der Frauen in den Arbeitsmarkt stark stimuliert, vor allem im Bereich von: Manufaktur (Fleisch-, Fisch- oder Obstkonserve, Arbeitsketten in der Montage von elektronischen und mechanischen Teilen in der Automobil- oder Informatikindustrie, usw.) und Dienstzweig (Verwaltungs-, Verkauf-, Hausdienst, usw.). Natürlich existiert noch eine Diskrimination der Frauen bezüglich des Gehalts, der Arbeitschancen, der Promotion und der beruflichen Anerkennung. In diesem Kontext kann man die verschiedene feministische Bewegungen einordnen. Die neuen Technologien bieten nun unvorstellbare Identitäts- und Rechtszurückforderungen für die Frauen. II. Die Frauen und die neue Gesellschaft der Information 185 Die allmähliche Enführung der Frauen im Arbeitsmarkt hat eine progressive Entkräftung des patriarchalen Modells mit sich gebracht. Während den letzten Dekaden stehen wir vor Stadistiken, die die männliche Herrschaft in Frage stellen. Die Scheidungsziffern, die Single-Wohnungen, das Zusammenleben jenseits des traditionellen Familienparadigmas und die Aufenthaltsverlängerung bei den Eltern sind weitere Faktoren dieser Krise, in der folgende Prozesse streng verbunden sind: Der Eingang der Frauen im Arbeitsmarkt, die Krise des traditionellen Familienparadigmas und die Verbreitung der feministischen Bewegungen. 1. Der Eingang der Frauen im Arbeitsmarkt. Die Transformation der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes, so wie die generalisierende Verbreitung der Erziehungsmöglichkeiten der Frauen, bietet ihnen - trotz der ökonomischen Ungleichhei- 186 ten und beruflichen Diskrimination - einen massiven Arbeitszugang, in einer wirtschaftlichen Wirklichkeit, die die Kommunikationsfähigkeiten und die bessere Adapation der Frauen am flexiblen Markt sehr hoch schätzen. Das Einkommen der Frauen ist in der heutigen Lage sehr wichtig, wenn nicht unvermeidlich für die ökonomische Haushaltung. Das verstärkt ihre Verhandlungsmacht gegenüber den Männern, d. h. die Frauen gewinnen einen grösseren Freiheits- und Entscheidungsraum. 2. Krise despatriarchalen Familienmodells. In den neunziger Jahren gibt es mehrere stadistischen Daten dieser Krise, wie eine beachtenswerte Zunahme der Scheidungsrate: 30 % in Deutschland, 38 % in Kanada, 49 % in Dänemark und 54 % in den Vereinigten Staaten. Die Rekombination von Familien, wo geschiedene Männer mit Frauen und deren Kinder zusammeneleben, ist auch im Steigen begriffen. Man kann auch die Bildung von Single-Wohnung in den Grosstädten als Indiz dieser Krise des klassischen Familienmodells in verschiedenen Zonen nachverfolgen: in Nordamerika rund 25-30 % von Single-Wohnungen, 25 % in Skandinavien, 12-15 % in Mitteleuropa und 10 % in Südeuropa. Hier spürt man einen drastischen Rückgang der verheirateten Ehepaare mit Kindern. In den Vereinigten Staaten, zum Beispiel, registrierte man in 1960 44 % dieser Ehepaare; in 1990 nur noch 26 %. In 1960 nur ein 4 % der Männer und ein 8 % der Frauen lebten allein; in 1990 schon ein 26 % der Männer und ein 15 % der Frauen. Dazu hat sich das Zusammenleben ohne zu heiraten auch sehr verbreitet. Die Ehepaarbildung verzögert sich auch (entweder wegen Studiummotiven oder Arbeitslosigkeit). Diese kurz skizzierten statistischen Tendenzen zielen auf die Entkräftung des klassischen Familienmodells. 3. Feministische Bewegungen. Die Zerstreung der feministischen Bewegungen ab den sechziger Jahren erzeugte ein neues Sozialbewußtsein und öffnete die Türen zur einer Redefinition der Geschlechtsverhältnisse. In diesem Sinn kann man den Feminismus als einen Kompromiss verstehen, der sowohl mit der männlichen Herrschaft beenden will als auch die Identität und Rechte der Frauen redefinieren möchte (wie, zum Beispiel, Arbeits-, Scheidungs-, Abtreibungsrechte oder sexuelle Freiheit). Das sind weitere Elemente, die die ofiziell vorgeschriebene Heterosexualität, die sexuelle Unterdrückung und die asymetrische Beziehungen der Geschlechtern in Frage stellen. Diese Krise der männlichen Legitimität erweckt auch die Redefinition der Persönlichkeitstrukturen. Eine neue soziale Atmosphäre, in der Ehe, Familie und Sexualität getrennt auftauchen können, erleichtert die Erscheinung flexibler Persönlichkeiten in einer postpatriarchalen Welt. III. Ökologische Bewegung In den letzten zwanzig Jahren ist das ökologische Bewußtsein stark gestiegen. Politische Parteien und internationale Firmen, Fernseh- und Erziehungsprogramme, Gemeinschafts- und Bürgerbewegungen kümmern sich in verschiedener Art und Weise um ökologische Themen. Trotz allem, die meisten Problemen unserer Umwelt bleiben ohne eine Lösung, da man die Produktion- und Konsumtendenzen des Kapitalismus nicht so einfach aufheben kann. Ausserdem darf man die Kakophonie der ökologischen Stimmen nicht vergessen. Man spricht von Umweltbewußtsein, Ökologismus, Ökofeminismus, Greenpeace, Die Grünen, die Gegenkultur, wobei jeder einen bestimmten Gegner im Kopf hat (wie Tech-nokratie, Patriarchat, politischer Establishment, technologisch unkontrollierter Fortschritt) und auch andere Ziele such: Ökoutopie, Aufbewahrung der Natur, Verbesserung der Lebensqualität oder eine haltbare Produktion. Die erste Frage, die sofort auftritt, ist: Wie transformiert sich der Ökologismus anfang der siebziger Jahren in einer Massenbewegung, die sich weltweit verbreitet? Zuerst ist es klar, dass man die ökologische Bewegungen mit Technik und Wissenschaft in Verbindung setzen muss. Die Verbindung mit Wissenschaft und Technik ist stark, aber auch ambivalent. Zum einen vertsteht man Ökologismus als eine Gegenbewegung und Kritik der durch die Wissenschaft veranlasste Zerstörung der Umwelt und des menschlichen Lebens (wie, zum Beispiel, im Fall des Umweltschmutzes, der sozial-ökonomischen Ungleichheiten, der Polarisierung des Reichtums oder der militärischen Herrschaft). Zum anderen aber benutzen die ökologische Bewegungen technische Instrumente und wissenschaftliche Theorien, um diese oben genannten Phänomene zu studieren und Alternativen zu konstruieren. Ökologismus, also, wurzelt in einem wissenschaftlichen Boden und ernährt sich von der Technik. Doch sein politisches Ziel ist natürlich nicht die absolute Herrschaft und Kontrolle der Natur und des Menschen, sondern die Humanisierung der Welt und ein harmonisches Zusammenleben der Menschen mit der Natur. 187 Und zuletzt sollte man seine Beziehung zur Kommunikationssphäre nicht vergessen. Ein grosser Teil der erfolgreichen Verbreitung der öklogischen Bewegung ist streng mit der inteligenten Benutzung der Medien verbunden. Die pazifistische Presse- und Fernsehkampagnen erwecken in den Leuten humanistische Werte, die mit Hilfe von Internet planetarisch verbreitet werden können. So kommt es langsam zu einem transnationalen ökologischen Bewusstsein, das sich allmählich in den öffentlichen Institutionen eingenistet hat. Von hier aus ensteht zum ersten Mal die Möglichkeit mit den Staaten und den multinationalen Unternehmen Umweltmaßnahmen in Gang zu setzen. 188 IV. Multikulturalismus: ethnische Minderheiten im Netzbereich Die Entwicklung der Kommunikationstechnologien durch die kapilare Verbreitung von Internet öffnet auch neue Perspektiven für die Forschung im Bereich der Sozialwissenschften. Man ist der Meinung, dass die einfache Zugangsmöglichkeiten an Internet und die Vielfalt von Information, die durch dieses Kommunikationskanal zur Verfügung steht, die Teilnahme derjenigen Personen und Gemeinschaften gewährleistet, die wegen kulturellen, religiösen und sozialen Gründen von der „wirklichen" Gesellschaft in die Enge getrieben werden. Doch in welchem Mass bildet Internet einen neuen Ausdrucksbereich für diese Kollektive? Wandelt sich Internet etwa in einen virtuellen Stellvertreter der wirklichen Welt? Nein, das Virtuale soll das Wirkliche auf keinen Fall ersetzen, sondern nur ergänzen. Internet ist vielmehr ein Instrument, um uns besser selbstvorzustellen und uns so auch besser verstehen zu können. Die Verwechslung dieser beiden Bereiche - Internet/reale Wirklichkeit- könnte zur Bildung einer idealisierten Agora führen, die im virtuellen Kontext den Teilnehmern die Türen nur scheinbar öffnet, doch kaum eine effektive Wirkung auf die soziale Wirklichkeit hat. Die erste Aufgabe bringt zu einer Reformulierung des soziologischen und anthropologischen Begriffes „Wirklichkeit". Die Mannigfaltigkeit der kulturellen Referenten, die in den europäischen Gesellschaften existiert, stellt das Prinzip einer neutralen Wirkichkeit in Frage. Eine multikulturelle Gesellschaft, wie die unsere, fordert gerade eine Redefinition dieser Wirklichkeit, die sich huaptsächlich in zwei Richtungen orientiert: Zuerst in Richtung einer Verbreitung, die die Einbeziehung verschiedener sozialen Gruppen, die bis zur Zeit ausgeschlossen worden sind, ermöglicht; dann in Richtung einer Modifikation ihres Inhalts, so dass die Verschiedenartigkeit der neuen Mitgliedern letzlich auch anerkannt wird. Internet, d. h. die vernetzte Gesellschaft, ist in der Lage diese Debatte zu veranlassen. Die Teilnahme und Integration verschiedener Gruppen verändert die institutionalisierte Verhältnisse zwischen Minder- und Mehrheiten. Wer könnte in einem idealen, nicht verkörperten Bereich wie Internet noch als Minderheit betrachtet werden? Transportieren wir vielleicht nicht diese Etikette der Minderheit von der „wirklichen" Gesellschaft und wenden sie im virtuellen Bereich an bestimmte Kollektive an? Diese Fragen sind von Gastarbeitergemeinschaften und ethnischen Minderheiten gestellt worden. Internet wandelt sich in einem neuen Bereich um, der die Grenzen von der Ein- und Ausschliessung, der Zugehörigkeit und Anders-heit, des „wir" und des „sie" reformuliert. Schlussbemerkend noch einmal auf die active Rolle, die Internet in verschiedenen Lebensbereichen spielt, aufmerksam machen. Internet soll nicht nur auf ihre merkantilistische und Unterhaltungsdimension reduziert werden, sondern man sollte auch ihre kulturelle, bildungshafte und emanzipatorische Dimension im Blick halten. Natürlich bleiben noch Probleme offen, wie die Geographie von Internet und das schwierige Thema des digitalen Bruches (digital divide). Doch hier wollten wir hauptsächlich auf die fruchtvolle Dialektik von global und lokal hindeuten. Die Globalisierung bewegt sich nicht nur auf der finanziellen und ökonomischen Ebene der großen wirtschaftlichen Systemen, sondern es enthält in sich eine enthropische Kraft. In anderen Worten, die Globalisierung drückt auch nach innen, so dass sie z. B. die Verbreitung von kulturellen, ethnischen, politischen, ökologischen und religiösen Identitäten ermöglicht. Also, wie wir am Anfang unseres Vortrags behaupteten, leben wir in einer „glokalen" Wirklichkeit. Obwohl wir alle in einer wirtschaftlich-technologisch globalen Real-itä wohnen, konstruieren wir unsere Identität hauptsächlich im Rahmen lokaler Gemeinschaften, die schwerwiegend unsere geschichtliche, sprachliche, geographische und kulturelle Zugehörigkeit determinieren. 189