661 Izvirni znanstveni članek (1.01) Bogoslovni vestnik 74 (2014) 4, 661—670 UDK: 27-312.47 Besedilo prejeto: 10/2014; sprejeto: 11/2014 Anton Štrukelj Die marianische Bereitschaft Zusammenfassung;: Das gesamte Leben Marias und ihr ganzes Verhältnis zu Gott ist in ihrer vorbehaltlosen Bereitschaft Gottes Willen zu tun eingeschlossen. Das bedingungslose Jawort Marias ist der Ausgangspunk für das richtige Verständnis der Kirche und gleichzeitig das Urbild der Hingabe des Christen an Gott. Hans Urs von Balthasar spricht von der »marianischen Prägung der Kirche«. Maria verwirklicht die vollkommenste Idee von der Kirche: Das ideale Bild der Kirche ist schon immer real in Maria. Jeder Getaufte muss sich die Gestalt der dienenden Magd des Herrn »einprägen« lassen und demzufolge muss jede christliche Spiritualität immer auch eine zutiefst »marianische Spiritualität« sein. Schlüsselwörter. Gott, Jesus Christus, Maria, Kirche, Mutter, Jawort, Hingabe, Fruchtbarkeit, Dienst Povzetek: Marijanska pripravljenost Celotno Marijino življenje in ves njen odnos do Boga je vsebovan v njeni popolni pripravljenosti spolnjevati božjo voljo. Brezpogojna Marijina privolitev je izhodišče za razumevanje Cerkve in hkrati zgled kristjanove podaritve Bogu. Hans Urs von Balthasar govori o »marijanski izoblikovanosti« Cerkve. Marija uresničuje najpopolnejšo zamisel o Cerkvi: idealna podoba Cerkve je vedno že realna v Mariji. Vsak krščeni si mora pustiti »vtisniti« lik služeče Gospodove dekle. Potemtakem mora biti tudi vsaka krščanska duhovnost vedno pristna »marijanska duhovnost«. Ključne besede: Bog, Jezus Kristus, Marija, Cerkev, mati, privolitev, podaritev, rodovitnost, služenje Abstract The Readiness of Virgin Mary The entire life of Virgin Mary and all her relationship to God is contained in her total readiness to do the will of God. Her unconditional assent is the very point of departure for the understanding of the Church and at the same time the best example of the surrender of a Christian to God. Hans Urs von Balthasar speaks about the "Marian imprint" of the Church. The Mother of God implements the most perfect idea of the Church: the ideal image of the Church is already real in Mary, Mother of the Church. Therefore the form of the Servant of the Lord must be imprinted on every Christian. Accordingly, all Christian spirituality must always be a genuine "Marian spirituality". Key words: God, Jesus Christ, Virgin Mary, Church, mother, assent, surrender, fru-itfulness, service 662 Bogoslovni vestnik 74 (2014) • 4 Das gesamte Leben Marias und ihr ganzes Verhältnis zu Gott ist in ihrer vorbehaltlosen Bereitschaft Gottes Willen zu tun eingeschlossen. Das bedingungslose »Jawort« Marias ist der Ausgangspunk für das richtige Verständnis der Kirche. In der ursprünglichen Zustimmung und Einwilligung, die Maria bei der Verkündigung ausgesprochen hat und der sie ihr ganzes Leben treu geblieben ist, bis zu ihrem endgültigen Einverständnis unter dem Kreuz, ist schon im Voraus der innere Kern der Kirche verwirklicht. Papst Franziskus hat in seiner Homilie am 31. Mai 2013 die Grundhaltung Marias mit drei Worten beschrieben: »Drei Worte fassen die Haltung Marias zusammen: das Hören, die Entscheidung und die Handlung. Das Hören, die Entscheidung und die Handlung. Diese Worte zeigen auch für uns den Weg dessen, was der Herr von uns im Leben erwartet. Das Hören, die Entscheidung und die Handlung.« (Francesco 2013, 70) 1. Das Licht des Jawortes Es ist sehr schön, was Adrienne von Speyr auf der ersten Seite ihres Meisterwerkes, ihres Marienbuches »Magd des Herrn« sagt: »Wie eine Garbe in der Mitte zusammengerafft wird und sich an ihren Enden entfaltet, so wird das Leben Marias in ihrem Jawort zusammengefaßt; von ihm aus erhält es seinen Sinn und seine Gestalt und entfaltet sich nach rückwärts und nach vorwärts. Das einmalig Zusammenfassende ist zugleich das, was sie jeden Augenblick ihres Daseins begleitet, was jede Wendung ihres Lebens bedeutet, jeder Lage ihren besonderen Sinn verleiht und ihr selber immer neu in allen Situationen die Gnade des Verstehens schenkt. Jedem Atemzug, jeder Bewegung, jedem Gebet der Mutter des Herrn gibt ihr Jawort den Vollsinn. Denn dies ist die Natur eines Jaworts: es bindet den, der es ausspricht, und läßt ihm dabei doch volle Freiheit in der Gestaltung. Er füllt sein Jawort mit seiner Persönlichkeit, er gibt ihm deren Gewicht und einmalige Färbung, aber er wird auch selber durch sein Jawort geformt, befreit, verwirklicht. Alle Freiheit entfaltet sich durch Hingabe und durch Verzicht auf Ungebundenheit. Und von dieser Freiheit in der Bindung geht jede Art der Fruchtbarkeit aus.« (Speyr 1988, 7) Das Leben Marias ist darum am fruchtbarsten, weil es vollkommen Gott zur Verfügung gestellt ist. Ihr Leben ist das höchste Vorbild der Handlung des Menschen vor Gott, deswegen ist es sehr hilfreich und nützlich, etwas ausführlicher von Maria und ihrer Rolle in der Kirche zu erzählen. Hans Urs von Balthasar sagt: »Das Marienleben muss als Prototyp dessen gelten, was die Ars Dei aus einem menschlichen Stoff zu gestalten vermag, der sich ihm nicht widersetzt. Es ist weibliches Leben, das ohnehin mehr als männliches Gestaltung vom Mann, vom Bräutigam, von Christus und von Gott her erwartet. Es ist jungfräuliches Leben, das kein Gestaltungsgesetz kennen will außer Gott und der Frucht, die Gott ihm zu tragen, zu gebären, zu nähren und aufzuziehen gibt. Es ist mütterliches und bräutliches Leben zugleich, dessen Hingabekraft vom Physischen bis zum höchsten Anton Štrukelj - Die marianische Bereitschaft 663 Geistigen reicht. In alledem ist es schlicht verfügenlassendes Leben. Aus ihm hat Christus die Gestalt gemeißelt, die er brauchte: schonungslos sich bedienend und bis zum letzten und unbegreiflichsten verwendend und verschwendend, und dann doch in höchster Rücksichtnahme ehrend, verherrlichend. Die Situationen dieses Lebens sind unnachahmlich, unvergesslich, sowohl einmalig wie allgültig und allbedeutsam.« (Balthasar 1988, 542) 2. Das Jawort Marias - Urbild der Hingabe des Christen an Gott Die wesentliche Haltung Marias besteht im Hören des Wortes und in ihrem Gehorsam Gott gegenüber. Die grundlegende Eigenschaft Marias ist ohne weiteres ihr Gehorsam und ihre Offenheit für die Annahme des Wortes Gottes. Ihr allereinster Leib war der wirkliche Tempel und der erste Tabernakel in der Welt. Maria hörte das Wort Gottes mit ihrem ganzen Dasein. Sie gab Gott ihr ganzheitliches Jawort: »Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe nach deinem Wort.« (Lk 1,38) So wurde Maria zum Urbild der Kirche. (Balthasar 2003, 22; Štrukelj 2002, 54-70) Das Hören und die Betrachtung des Wortes Gottes bleibt wesentlich im Christentum. Das gilt an erster Stelle von Maria: »Sie bewahrte all diese Worte und betrachtete sie in ihrem Herzen.« (Lk 2,19.51) Die Vorbilder des Hörens des Wortes sind die Jungfrau Maria und Maria aus Bethanien, bei denen die hörende Bereitschaft für das Wort Gottes als wesentlich uneingeschränkte Bereitschaft für »das eine Notwendige« ist. (Balthasar 1993, 80; Speyr 1978, 77-92) Sie beide sind nichts anderes als das »Gefäß« für das Wort; sie entleeren sich, sie haben den Raum frei, um Gott und seine Botschaft froh aufzunehmen (Balthasar 1993, 76). Wer frei ist für Gott, kann die Seligpreisung der Armen im Geiste an sich wenden, denn »nur für den Armen ist die Botschaft eine frohe« (76-80). Das Wort Gottes braucht ein »aufgeräumtes« Herz, das für Wort unendlich viel Zeit und Raum hat. Diese Grundhaltung bezeichnet Balthasar oft als den »Akt der Kontemplation«. Dieser Akt der Kontemplation bedeutet »Haltung einer durchgehend offenstehenden Seele, die im Hören des Wortes dauert« (79f). Die Kontemplation ist »die existentielle Dimension des Glaubens selbst« (80). Das ist »der Glaube der einfachen Leute« oder »der Glaube der Einfältigen« (Balthasar 1999, 780; 2009, 12f; 1971, 380). Das Wort Gottes muss mit glaubendem und offenem Herzen lauschend aufgenommen sein. »Hier braucht Gott, um sein Wort Fleisch werden zu lassen, von vornherein das alles erlaubende Jawort.« (Balthasar 1997,148; Strle 1991, 433-461) Maria lauschte auf das Wort Gottes sozusagen mit Leib und Seele, denn das göttliche Wort hat sie ganz erfüllt. Indem Maria ihr Jawort spricht, nimmt das ewige Wort Wohnung in ihrem Schoss: »Das Wort ist Fleisch geworden.« So wird 664 Bogoslovni vestnik 74 (2014) • 4 Maria zur lebendigen Wohnstätte des ewigen Wortes: »Sie horcht aus Leibeskräften auf das immer größer, immer göttlicher und scheinbar fremder tönende Wort, dessen Dimensionen sie beinah zerreißen und dem sie doch in voraus und von vornherein für alles ihr Jawort geschenkt hat.« (Balthasar 2003, 24) Bei der Zustimmung Marias ist es am schönsten sichtbar, wie ungeahnt weite Dimensionen die christliche Hingabe des Menschen an Gott haben mag. Das Jawort führt immer weiter, als man sich vorstellen kann: »Es führt weiter, als du denkst.« (Balthasar 1993, 72-76) Wer zu Gott unbedingt Ja sagt, hat keine Ahnung, wieweit ihn dieses Jawort führen wird; sicher weiter als er vermuten und abschätzen kann, sicher in eine Teilnahme an Misserfolg und Verspottung, an Kreuz und Gottverlassenheit, aber bis wohin und in welcher Form? Gleichzeitig ist dieses Jawort die einzige, unabdingbare Voraussetzung alles christlichen Verstehens, aller Theologie und kirchlichen Weisheit; neben dem Ja wächst kein Verständnis für jenen Herrn, in dem »sämtliche Verheißungen Gottes ihr Ja gefunden haben« (2 Kor 1,20); die christliche Wahrheit ist insofern esoterisch, als sie nur von innen, im glaubenden, handelnden Mitvollzug, nicht von außen, aus einem Logensitz im Theater, erkannt werden kann. Auch nicht aufgrund einer partiellen Identifikation (mit den Vorbehalten, die sich einschließt), sondern just aus einer totalen, universalen und so katholischen Identifikation mit den Wegen Gottes im Fleische. (Balthasar 1997, 150) Daraus wird es ersichtlich, dass der marianische und katholische Grundakt jenseits des Begreifbaren liegt. Ein unbedingtes und vorwegnehmendes Jawort Gottes schließt es eigentlich schon ein: wenn der Mensch sich Gott übergibt, kümmert er sich nicht mehr um sich selbst, er denkt nicht daran, was die Zukunft ihm bringen wird, denn er hat schon alles Gott überlassen. Er hat alle Sorgen auf ihn geworfen, der für ihn sorgt. Eine solche Hingabe befreit den Menschen. Der Mensch wird frei, wenn er Gott erlaubt, mit ihm zu verfügen. Weiter ist das Jawort Gottes als »der marianische oder katholische Grundakt in seiner Ursprünglichkeit jenseits von Kontemplation und Aktion. Das >Ja<, das die Kirche und alle christliche Existenz in ihr grundlegt, ist sowohl Gebet zu Gott wie Mitvollzug des Einsatzes Gottes für den Menschen. Gebet in der Kirche müsste dahin streben, Ausformung dieses Ja zu sein: als Anbetung, als Dank, als Bitte, die sich innerhalb des Gnadenwillens Gottes bewegt und ihn konkretisiert, und gleichzeitig als mitgehendes Einverständnis mit allem, was Gott in der Welt tut, Bereitschaft, in seinem Werk verwendet und verbraucht zu werden.« (149) Bei der Verkündigung hat Gott Maria in einer trinitarischen Form angesprochen (Lk 1,26-36). In der Betrachtung dieser Szene schreibt Balthasar: »Entscheidend ist, dass die drei Reden des Engels, deren erste den Vater, deren zweite den Sohn, deren dritte den Heiligen Geist offenbart, je abgelöst wird von drei Reaktionen Marias, deren jede nicht leere Spekulation über Gott ist, sondern Nachdenken über die bestmögliche Antwort und Verantwortung gegenüber dem zugesprochenen Wort ... Nicht anders die Kirche im ganzen, deren Urbild Maria hier darstellt. Sie spekuliert nicht, sondern betet an und gehorcht, sie öffnet ihren Schoß dem Geist und gebiert bis ans Ende der Welt den Sohn, seine Glieder, seine Brüder. Sie Anton Štrukelj - Die marianische Bereitschaft 665 ist das Weib, das durch sein Dasein das göttliche Mysterium der drei Antlitze sich zu erhellen und zu verdeutlichen zwingt. Der Gehorsam der Christen ist, auch und gerade in der Betrachtung, das Medium, worin Gott sich als dreieiniger offenbart.« (Balthasar 2003, 171f) Der sich selbst offenbarende Gott erwartet immer von dem, dem die Offenbarung zuteilgeworden ist oder den das Wort gemeint hat, eine wirksame Antwort. Das sieht man unmissverständlich am Schweigegebot des Herrn an die drei auserwählten Jünger, die zusammen mit ihm vom Berg Tabor zurückkehren (Mk 9,9: das Verbot; Lk 9,36: die Ausführung). Dazu sagt Balthasar: »Das kontemplative trinitarische Geheimnis, das die Kirche geschaut hat und in ihrem Herzen hegt, wird nicht zerredet, sondern bringt seine wahre Frucht als Nachfolge Christi ins Leiden.« Und Maria hat diese Frucht gebracht, denn sie stand unter dem Kreuz ihres Sohnes und wurde damit zur Mutter aller Christen. Unter dem Kreuz erweist es sich endgültig, wie weit das Jawort Marias sie selber geführt hat. Hier betrachten wir die Mutter des Gekreuzigten. »Sie tut nichts und sagt nichts, ist nur da. Und der sterbende Sohn verfügt über sie. So gründlich, dass er ihr einen andern Sohn unterschiebt, sie diesem als Mutter übergibt. Sie wird nicht gefragt; es wird mit ihrem Einverstandensein gerechnet.« (Balthasar 2003, 173f) So ist Maria von der Verkündigung bis zur Kreuzigung übereinstimmend mit allem, was Gott von ihr will. Ihr Jawort kennt keine Einschränkung. So handelt die Frau, die zur Mutter des menschgewordenen Gottes auserwählt ist. Maria ist Mutter Christi und der Kirche, Mutter des Hauptes und der Glieder. 3. Maria - Mutter Christi und der Kirche Die allumfassende Mutterschaft Marias stellt die innere Verbindung zwischen ihr und der Kirche in ein neues Licht: Maria und Kirche spiegeln ineinander wider. Die klassische Patristik sieht in Maria primär die reale Mutter, Theotokos, als solches Urbild der heiligen, geistig gebärenden Kirche. Sie ist eine »personifizierte Darstellung der Kirche«. Scheeben charakterisiert die Verbindung zwischen Maria und Kirche als Perichorese (gegenseitiges Durchdringen), die so innig ist, »dass jede von beiden vollkommen nur in und mit der andern erkannt werden kann« (Balthasar 1998, 281). Hier handelt es sich um den Parallelismus zwischen Maria und Kirche, weil Maria die Mutter des Herrn und der Kirche ist. »Es kann nicht anders sein: was archetypisch sich in Maria der armen Jungfrau begab, die durch ihren Glaubensgehorsam zur Mutter Christi wurde, das ist ihr als dem Grund und Schoß der Ecclesia eingestiftet, von deren Lebensgesetz her alles Christenleben Gestalt erhält ... Irdischer Schoß für eine unendliche Liebe und damit für eine unabsehbare göttlich-weltliche, geistig-fleischliche Fruchtbarkeit: das ist die Kirche.« (Balthasar 2010, 15) Die Mutterschaft Marias bezieht sich also sowohl auf die Kirche wie auf den menschgewordenen Sohn Gottes. Mit Recht betont Balthasar: »Die Urzelle der 666 Bogoslovni vestnik 74 (2014) • 4 Kirche Christi ist doch wohl die Zelle der Jungfrau von Nazareth, und während ihres Gesprächs mit dem Engel Gabriel nimmt diese Kirche erstmals Gestalt an: sie ist der Ort, wo der Sohn des Vaters sich auf Erden niederlassen kann, wo er >von den Seinen aufgenommen< wird, wo er sich nähren, wachsen, zur Welt kommen kann. Die Kirchenväter haben in Maria das Urbild der Kirche gesehen, meistens in einem Vergleich - wie Maria den Sohn Gottes leiblich zur Welt bringt, so bringt die Kirche im Taufbrunnen den mystischen Christus geistlich zur Welt -, der aber doch mehr ist als ein Vergleich, weil Maria ihren Sohn früher im Geist als im Schoß empfing<, ihr Glaube und ihre Bereitschaft das Prinzip war, das von Seiten der Welt die Menschwerdung möglich machte.« (Balthasar 1974, 254f) Maria ist leibliche Mutter des Herrn und geistige Mutter seines mystischen Leibes, der Kirche. Maria koexistiert mit der Kirche, sofern Maria die Kirche der Heiligen ist, »die Braut ohne Makel und Runzel«. Das ist die volle Realität schon seit der Menschwerdung selbst. Die Folge dieser Wahrheit ist von großer Bedeutung für unser Thema und für die ganze Auffassung von der Kirche: die Kirche existiert schon von der Menschwerdung Christi an, obwohl sie als institutionelle erst mit der Berufung der Jünger gestiftet ist. Aber die ideale und reale Kirche ist schon mit dem Jawort der Mutter da. So vollkommen wird sie in keinem anderen mehr dargestellt werden. Christus will immerwährend in seiner Kirche neu empfangen und geboren werden, in ihr leben und wirken. Er will sich für sie erneut hingeben, und diese Ganzhingabe verwirklicht er tatsächlich in der Eucharistie. Die Kirche aber muss ihrerseits bereit sein, diese unendliche Liebe in sich aufzunehmen. Die Abbildung des Herrn in uns verlangt nach einem geschmeidigen Verhalten, das aufnahmebereit ist. Mit einem Wort, der Christ muss »fügsam im Geist sein« (334; Strle 1988). Die Kirche und die Christen in ihr müssen marianisch geprägt sein. Das geschieht in der Nachahmung Marias, die für die Einprägung der göttlichen Gestalt vorbehaltlos offen war. Maria wurde zum Raum für die Inkarnation des Wortes: sie gewährt, dass in ihr das Wirken Gottes sich vollzieht, ohne dieses Wirken als etwas Fremdes zu verspüren. Sie bewahrt und betrachtet die Gestalt. Am Ende schaut sie nicht mehr die Gestalt, sondern die Gnade selbst blickt auf sie nieder. Das Geschehenlassen ist für den Christen nicht Aktion und deswegen keine Leistung und Werk, sondern kontemplativer Gehorsam, der ins Leiden hinübergeht. Balthasar unterstreicht häufig die Bedeutung der marianischen Dimension der Kirche. Wo diese Dimensionen aufgelöst sind, dort entstehen die geistigen Verwüstungen, die »Welt ist dort bildlos und wert-los geworden, ist ein Haufen von nichts-mehraussagenden >Fakten<, in denen eine ebenso bild- und gestaltlose nackte Existenz friert und sich ängstet. Philosophie und Theologie des Bildes stehen und fallen zusammen, und wo das Bild der Frau aus der theologischen Wirklichkeit schwindet, da nimmt eine mann-männliche bildlose Begrifflichkeit und Gedankentechnik überhand; der Glaube aber sieht sich aus der Welt verdrängt ins Paradoxe und Absurde.« (Balthasar 1988, 407) Die Mutterschaft Marias ist, wie gesagt, leiblich und geistlich. Doch bleibt ihre geistliche Mutterschaft die Bedingung und Ermöglichung ihrer leiblichen Mutterschaft. (Balthasar 1981, 163) Die Gläubigen, ihre Kinder, müssen Maria vor allem Anton Štrukelj - Die marianische Bereitschaft 667 in ihrer unbegrenzter Bereitschaft für den Willen Gottes nachahmen. Auf das Wort Gottes lauschen und es erfüllen, ist die eigentliche Aufgabe aller Christen, in welchem Stand sie auch leben. Balthasar stellt fest, dass die alten Theologen über Maria immer in Zusammenhang und unmittelbar im Hinblick auf Christus nachgedacht haben (Balthasar 1998, 276f). Das bleibt unabdingbar. Es ist typisch, dass Balthasar von der »marianischen Prägung der Kirche« redet. Maria ist nicht nur Modell und Typos der Kirche, sondern ihr Urbild, das heißt, die vollkommen und unüberbietbar verwirklichte Idee der Kirche. Die Kirchenväter bleiben auch in dieser Hinsicht wegweisend (279-281) Für die Christen bleibt Maria die zweite Eva, die mit ihrem Gehorsam gutmacht, was die erste mit ihrem Ungehorsam verdorben hat (Irenäus). Maria ist wahre Gehilfin beim Werk Christi und gleichzeitig das Gefäß der Kirche (Ambrosius). Die Kirchenväter betonen mit Vorliebe, dass Maria dies alles deswegen ist, weil sie Jungfrau und Mutter zugleich ist. Die Wahrheit von der Mutterschaft der Kirche war in den ersten christlichen Jahrhunderten selbstverständlich: »Die Kirche ist unsere Mutter. Diese Mütterlichkeit wird an der Tatsache und der Art, wie Maria die Mutter Jesu war, anschaulich und ablesbar.« (Balthasar 1997, 112; 129) Maria ermöglicht und umfasst alles Wesentliche in der Kirche; ihre Mutterschaft umfängt auch das kirchliche Amt. Maria überragt weit alle Handlungen der Einzelnen in der Kirche, auch Taten der Heiligen. Ihre mütterliche Rolle und ihr Platz in der gesamten Erlösungsgeschichte bleibt einmalig, uneinholbar. (Strle 1998, 7-59) 4. Rolle Marias in der Kirche Die Bedeutung der Marienlehre ist für das Leben der Kirche entscheidend wichtig. Jeder Christ kann und muss sich Maria ganz eigens zum Vorbild nehmen. Das ist in den Augen Balthasars so wichtig, dass er geradezu vom »marianischen Prinzip« redet (Balthasar 2008, 65-67; 1997, 123). Er stellt darüberhinaus fest, dass die Anwesenheit Marias heutzutage in der Kirche verschwunden zu sein scheint oder ihr Geist des Magdseins nicht mehr zu vernehmen ist. Es ist verheerend, wenn die Theologie das typisch Marianische und Frauliche in der Kirche vernachlässigt. (Balthasar 1989b, 71) Balthasar verteidigt die wichtige Bedeutung des Marianischen in der Kirche. Er sagt: »Das Marianische waltet in der Kirche verborgen, wie die Frau im Hauswesen waltet. Aber die Frau ist kein abstraktes Prinzip, sondern konkrete Person, und von ihr als Person strahlt die frauliche Atmosphäre aus ... Nur ist wesentlich, dass es der echte Geist Marias ist, der zum Leuchten kommt: der Geist der Magdlich-keit, des Dienstes, der Unscheinbarkeit, der Geist der Weitergabe, des Für-ande-re-Seins. Niemand begehrt weniger nach persönlichen >Privilegien< als die Mutter Christi; sie freut sich an diesen nur, sofern sie all ihren Kindern in der Kirche zugutekommen.« (Balthasar 2008, 71) 668 Bogoslovni vestnik 74 (2014) • 4 In der marianischen Gesinnung der niedrigen Magd des Herrn, in ihrem Geist der echten dienenden Christenliebe findet man den Schlüssel zum richtigen Verständnis aller christlichen Stände. Der Geist Marias sollte sowohl die christlichen Familien wie die gottgeweihten Gemeinschaften durchdringen und ausprägen. Maria soll von innen her das christliche Leben formen und ihm die Richtung geben. Die echt marianische Gesinnung brauchen vor allem die Verantwortlichen für die breitere christliche Gemeinschaft: »Ohne Mariologie droht das Christentum unter der Hand unmenschlich zu werden. Die Kirche wird funktionalistisch, seellenlos, ein hektischer Betrieb ohne Ruhepunkt, in lauter Verplanung hinein verfremdet. Und weil in dieser mann-männlichen Welt nur immer neue Ideologien einander ablösen, wird alles polemisch, kritisch, bitter, humorlos und schließlich langweilig, und die Menschen laufen in Massen aus einer solchen Kirche davon.« (72) Wird das marianische Prinzip, das die Dimensionen des Erlösungsgeheimnisses umfasst, außer Betracht gelassen, dann verliert christliches Leben die Wärme, Familiarität und Anziehungskraft. Wo aber die Anwesenheit Marias spürbar ist, dort fühlt man sich daheim (71f). Die Stellung der Mutter Gottes in der Kirche ist so zentral, weil Gott selbst ihr diesen Platz gewiesen hat. In Maria, Mutter und Jungfrau, wird ein Doppeltes sichtbar: dass hier das Urbild der christusförmigen Kirche vorliegt, und dass das christophore Wesen und Leben die christliche Heiligkeit ist. »Sofern die Kirche marianisch ist, ist sie eine reine Gestalt und ohne weiteres lesbar und verständlich; sofern der Mensch marianisch (oder, was dasselbe ist, christophor) würde, wäre an ihm das Christliche überhaupt ebenso einfach lesbar und verständlich.« (Balthasar 1988, 541) Daraus wird ersichtlich, wie große Bedeutung der marianischen Rolle in der Kirche zugeordnet ist (Balthasar 2000, 61-92). Es ist klar, dass nur eine marianisch ausgeprägte Kirche auch christusförmig ist. Wichtig ist die Haltung der zustimmenden Magd des Herrn »worin der Mensch Gott sein lässt, was er sein will, und sich von ihm schenken und einformen lässt, was und soviel er will« (Balthasar 1984, 148). In Maria erstrahlt die einmalige Identität zwischen der formenden Liebe Gottes und dem Gehorsam des Menschen, der sich formen lässt (Balthasar 1971, 168). Maria als Mutter hat in der Kirche den Vorrang des Allumfassenden. »Aber sie umgreift es im Zurücktreten, Gewährenlassen, Raumgeben; sie bestimmt nichts, sie ordnet nichts an, sie ist Magd und möchte, dass auch die andern ihre Haltung verstünden: >Tut alles, was immer er euch sagen mag< (Joh 2,5).« (Balthasar 1989a, 240) Maria ist am wirksamsten durch ihr Zurücktreten und Raumgewähren anwesend. Deswegen wirft die Marienverehrung keinen Schatten auf ihren Sohn. Im Gegenteil: »Was der Mutter gegeben wird, geht über auf den Sohn.« (Balthasar 1998, 285) Der Herr selber hat Maria ihren Platz in der Kirche bestimmt. »Am Kreuz hat der Sohn seine Mutter in die Kirche der Apostel hinein verfügt, dort ist fortan ihr Platz. Verborgen durchwaltet ihre jungfräuliche Mütterlichkeit den ganzen Raum, verleiht ihm das Lichte, Wärmende, Bergende. Ihr Mantel macht die Kirche zum Schutzmantel. Es bedarf keiner besonderen Gebärde ihrerseits, damit wir auf den Anton Štrukelj - Die marianische Bereitschaft 669 Sohn und nicht auf sie schauen. Ihre Magdlichkeit offenbart ihn. So kann sie auch den Aposteln und ihren Nachfolgern zeigen, wie man zugleich ganz wirksame Gegenwart und ganz ausgelöschter Dienst sein kann. Denn die Kirche war in ihr schon da, ehe die Männer ins Amt eingesetzt wurden.« (Balthasar 2008, 72) Maria verwirklicht die vollkommenste Idee von der Kirche. Das ideale Bild der Kirche ist schon immer real in Maria. Sie ist in ihrem Gehorsam Gott gegenüber keine private Person, sondern Urbild der gesamten Kirche (personam Ecclesiae gerens). Die Kirche ist da schon vor jedem einzelnen Christen und ist viel mehr als alle Glieder zusammen. Das Wesen der »Catholica« besteht in diesem »voraus« und »mehr«. Die genannten Eigenschaften der Kirche sind konkretisiert in der Person der gehorsamen Magd des Herrn. Somit ist jede Einwilligung der einzelnen Gläubigen schon im allumfassenden Jawort der Mutter eingeschlossen. Nur innerhalb dieses tragenden Raumes wird die allgemeine Berufung aller zur Heiligkeit möglich. (Balthasar 2003, 73-86) Jeder Getaufte muss sich die Gestalt der dienenden Magd des Herrn »einprägen« lassen (Balthasar 1989c, 78), und demzufolge muss jede christliche Spiritualität immer auch eine zutiefst »marianische Spiritualität« sein (Balthasar 1990, 227). Die »urbildliche Identität« zwischen Maria und Kirche muss neu entdeckt und gelebt werden (Štrukelj 2002, 71-89). 5. Schluß Im Bereich des menschlichen Lebens gibt es eine wichtige Kategorie des »Loslassens«. Der Mensch muss sich selbst hingeben, auf die eigene Wichtigkeit verzichten, um etwas Dauerhaftes zu gestalten. Die Philosophie nennt dieses Prinzip »die Gelassenheit«1. Hans Urs von Balthasar sagt dazu: »Jeder, der im Leben etwas Endgültiges will, sei es eine Liebe oder eine Leistung, muss sich hingeben. Er muss, was er erkaufen will, mit sich selber bezahlen. Auch und gerade wenn er sich so machtvoll wie möglich ausdrücken will, er muss sich selber um seines Ausdruckes willen lassen. ... Das Lassen-Können ist das Prinzip aller Leistung und alles liebenden Besitzes. Das Werk soll sein, mag ich daran zugrunde gehen! Du sollst sein, auch wenn es mir das Leben kostet! Grosse Kunst wurde nicht anders erkauft.... Wir möchten behaupten, dass diese schönste und fruchtbarste menschliche Haltung schliesslich doch gemeint war in dem, was das deutsche mystische Mittelalter mit dem Wort Gelassenheit anpries und als die wichtigste Kunst im Leben bezeichnete.« (Balthasar, 1997b, 22; 25) Im Sinne der Mutterschaft Marias »gälte es dann, die Gestalt der Kirche im ganzen und gerade auch das Amtliche an ihr so umzuprägen, dass sie als ganze Mütterlichkeit ausstrahlt (was gewiss nicht Laxheit besagt), jene Weiblichkeit, die Robert Petkovsek unterstreicht, dass Martin Heidegger die Idee der Gelassenheit zur Hauptstrategie seines Seinsdenkens gemacht hat. Er hat sie von Meister Eckhart übernommen, der damit »Marias humilitas« philosophisch-mystisch thematisiert hat. Weiterhin muss die »humilitas« am Horizont vom Ereignis des Kreuzes gedacht werden (Petkovsek 2004, 430; 2014, 343). 1 670 Bogoslovni vestnik 74 (2014) • 4 sich nicht selber ins Licht setzt, sondern durch ihr dienendes und echt häusliches Walten dem Herrn in den Herzen, in der menschlichen Gesellschaft als ganzer eine Stelle bereitet, wo er sein Haupt hinlegen kann. An einem solchen erneuerten Bild der Kirche sind alle Gläubigen mitzuarbeiten verpflichtet. Bloße Forderung marianischer Frömmigkeit und Andachten genügt hierzu nicht. Das marianische Wesen, das objektiv immer schon die Kirche in ihren besten Gliedern durchprägt, muss auch von der >Kirche der Sünder<, die wir bilden, als das Urbild des Dienstes an Christus und an seinem Weltwerk nach Möglichkeit ausgeprägt werden, in der Hoffnung, dass der Geist, der die Jungfrau überschattet hat, auch unserer Schwachheit aufhilft.« (Balthasar 1997, 129f; 1989a, 153-187; 1998, 291f.) Referenzen Balthasar, Hans Urs von. 1971. Sponsa Verbi. 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