tTTtTTTTTTTTTTtTTTtTTtTTTTTT I! I’ I- -II I I I I I I I I I I I I 1 1 1 I I I I I J I Mill r"TTsssssf[s tern her Deutscher ßlaubensbote. « « herausgegeben von der Gesellschaft der „Söhne des hist. Wrens 3t$tr. « « Erscheint monatlich 32 Seiten stark. — Preis ganzjährig 3 K = 3 Mk. — 4 Frcs. Kr. 8. August 1902. Y. Iaßrg. Inhalt: Seite Kratze (Sffcfitcn-posierte zugunsten unseres Mistiaiislianfes............................225 Misstonsfalirtcn auf dem meitzen Hif. Von P. Bauhölzer, S. &.!).§• ■ ■ • 227 Aus dem Wissionslcven: Aus b. Vikariat Neu-Ponnnern. — Aus Deutsch-Ostafrika. 232 Wistian und Kultur.............................235 Are Hfauvensvoten des deutschen Dallies: Zdctrus Kanistus, Apostel der Deutschen 240 (Santa cf Azlsar.............................. 244 KtraßenLilü aus Kairo..........................247 Seite Wcrschicdenes. Wertvolle Ermutigung. — Päpstliche Auszeichnung. — Illustration zu Mission und Kultur. — Altagyptisches Märchen. — Die kleine Maria Magdalena. — Enträtselung deutscher Hieroglyphen................................250 Jas Keheimnis des Kasr Ijenun. Reise- erzählung für die Jugend............253 AöLildungen: Sais (Vorläufer). — Afrikanische Geschwister. — Deutsche Geschwister. — Zuckerrohr und Orangen« Verkäufer. — Moschee Gama-el-Azhar in Kairo. te-te-te- r |te- te- 'Br 'Br fe- gf te- te- Br te- te- te- te- te- te- & Missionshaus sli ü hl an sl bei Brixen (Eiroi). ^orrefpottöeng der Gxpeöiliorr. Eingegangene Geldsendungen. (Vom 30. Juni bis 25. Juli 1902.) Unsern geehrten Abonnenten zur gefl. Kenntnisnahme, daß wir der Einfachheit halber milde Gaben rc. für unser Missionshaus nur mehr an dieser Stelle quittieren werden. Jür das Missionshaus: Durch Professor Meusburger, Brixen, £ gat des -j- Pfarrers von Äsers . . Max von Braunschweig, Innsbruck Aus Tirol......................... - - Jos. Waibl, Pfarrer, Jnzing . . . Karl Graff, Koperator, Rabcnsteiu Aus dem Lungau........................ Maria Lasser, Hallein................. Fr. Schitttko, Schlackenwerth . . . Th. Sendker, Freckenhorst .... Erzpriester Fuchs, Kreuzdorf . . . C. Bruder, f. f. Bezirkshauptmann, Reutte Jakob König, Trier................ Joh. Godec, Pfarrer, Lipoglav . . Pfarrramt Unterlangendorf, Mähren Ungenannt, Wien .................. Aus der Pfarre St. Rochus im 3. Bezirk, ^ Wien............................ Steinacher, Pfarrer, Zams . . . I. Zemann, Liesing................ Allen unseren Wohlthätern sagen wir ein Kronen 400.— 400.— 146.05 20.— 10.— 245.— 1,— 96.40 5.86 11.73 4,— 14.07 2,— 2,— 10.— F. Scheuring, Gädheim . . . Johanna Kauczor, Klein-Strelitz Aus dem Lungau, Salzburg Aus Kraiu . ................. Baronin Buol, Kältern . . . R. Heide, Spiritual, Kaaden . Jür heilige Messen Meusburger, Professor, Brixen . . Kath. Staub, Lehrerin, Ahrweiler . Theodor Sendker, Freckenhorst . . Erzpriester Fuchs, Kreuzdorf. . . Joh. Godec, Pfarrer, Lipoglav . . Msgr. Van Gils, Stadtpfarrer, Köln Lindental ................... Jakob König, Trier .... Baronin Marie Nagel, Vornholz Kronen 5.84 19.75 267.99 330.88 70.— 5,— 12.— 7.04 5.87 31.67 2,— 198.56 9.36 38.61 30.— Rosalie Sommeregger, Brixlegg, Tirol, sandte 2.— Bücher. — Bertha Kofler, Wilten-Jnnsbruck, sandte 10.— Bücher, herzliches „Vergelts Gott" und Bitten um weitere Unterstützung dieses Missionshauses. Um ßoil erbittet aas Gefertigte von seinen Trenn* den und Gönnern entbehrliche Bücher, « wenn auch älteren Datums, besonders « ascetischen und theologischen Inhaltes. Itlissionsbans filiibland bei Brixen. Sr Aeltere Jahrgänge 2S des Öen Neger" stuft noch erhältlich und ^toar: Zweiter Jahrgang ( 899), das zweite für sich abgeschlossene Halbjahr ä 1 K,, dritter Jahrgang (1900) ä 2 K, vierter Jahrgang (1901) ä 2 50 K. Alle Jahrgänge zusammen bezogen kosten nur 5 Kronen = 5 Mark. Diejenigen unserer verehrten Leser und Wohltäter, welche von den vergriffenen Nummern 1 bis 5 inet, bes 2. Jahrganges, sowie von Nummer 2 des 5. Jahrganges des „Stern der Neger" überzählige Exemplare besitzen, erlauben wir uns herzlichst zu bitten, uns dieselben um Gotteslohn und der guten Sache lvegen gütigst zukommen lasten zu wollen, da wir an deren Desttz ein lebhaftes Intereste haben und selbe mit dem größten Danke entgegennehmen. Mriefkasien. P. 3. HliiltCb in H. Wir Bitten Ew. Hochiv. die Schule von A. baldigst zu photographieren und die Bilder anher zu senden. Dabresbericbt der $t. Petrus €lam-$oda1Ität für die afrikanischen Missionen für das Jahr 1901. 40 Seiten Großoktav. Mit drei Illustrationen. Genannter Bericht enthält kurz die Chronik der St. Petrus Claver-Sodalität in ihrer Zentrale und ihren Filialen, resp. Stationen während des Jahres 1901; daran schließt sich ein übersichtlicher Tätigkeitsbericht, der dem Leser einen klaren Einblick in die verschiedenen Zweige ihres Wirkens gewährt, wozu auch die im Berichtsjahre aus der Missionsdruckerei der Sodalität hervorgegangenen Arbeiten gehören. Zum Schlüsse geben die „Kurzen Notizen" auch solchen Lesern, welche die Sodalität noch nicht kennen, Aufschluß über deren Zweck und Organisation. Drei Illustrationen: Das Porträt Sr. Em. des seither verstorbenen Protektors der Sodalität, Kardinal Ciaska, sodann eine Szene aus dem anno 1901 in Wien und im Frühjahr 1902 in München aufgeführten afrikanischen Volksdrama „Zaida, das N e g e r m äd ch e n" von Alexander Halka und die Ansicht einer Missionsstation in Westafrika beleben das hübsch ausgestattete Schriftchen. Dieser Jahresbericht ist zu beziehen von der St. Petrus Claver-Sodalität Salzburg, Dreifaltigkeitsgasse 12. — Wien, I., Bäckerstr. 20. — Triest, via Sanitä 9 und deren Filialen und Ausgabestellen: Innsbruck, Universitätsstr. 3. — Kr a -kau, Starowislna 3. — Prag, IV. 33. — Bozen, Obstmark 16. — Breslau, Hirschstr. 33. München, Türkenstr. 15/11. — Solothurn, Börsenplatz 76. — Luzern, Papeterie, Zürichstr. 53. Alle externen Mitglieder und Förderer der Sodalität erhalten denselben auf Verlangen gratis zugeschickt. Für Nichtmitglieder Preis 40 Heller (35 Pfennig—45 Cent.) Bei Frankozusendung 45 Heller (40 Pfg.—50 Cent.) B. K. IN tU. Die Bücher sind bereits vor geraumer Zeit gekommen. Besten Dank! Echo aus Afrika, illustrierte, katholische Monatsschrift. Diese von der St. Petrus Claver Sodalität herausgegebene Missionszeitschrift strebt durch Veröffentlichung der an sie gerichteten, größtenteils Original-Missionärbriese aus Afrika an, das allgemeine Interesse für die afrikanische Missionstätigkeit zu beleben. Zu diesem Zwecke fügt sie auch kleinere Missionsnachrichten, afrikanische Erzählungen und diesbezügliche Illustrationen bei. Bis jetzt erscheint das „Echo" bereits in deutscher, französischer, italienischer polnischer und böhmischer Sprache und nach und nach wird es in möglichst vielen Sprachen herausgegeben werden. Preis jährlich für Oesterreich ohne Post 1 Krone, mit Post 1.20 Kr. — für Deutschland ohne Post 1 Mark, mit Post 1.20 Mark. — für die Schweiz und die Länder des Weltpostvereins ohne Post 1.20 Fr., mit Post 1.50 Fr. Inhalt der 7. (Juli-) Nummer 1902: Missionsberichte : Söhne vom hlst. Herzen. (Letzter Brief des Msgr. Roveggio). — Trappisten. (Bericht des hochw. P. I. Biegner). — St. Benediktus-Gesellschaft (Bericht der ehrw. Schw. $. König. Schluß.) — Lyoner Missionsgesellschaft. (P. Hummel.) — Eine ganze Nation auf einmal wahnsinnig. (Von P. Hornig S. J.) — Beschreibung und Geschichte eines uralten Herdes der unerhörtesten Sklaverei. (Von P. Schmidt, C. S. Sp.) — Kleinere Missionsnachrichten. — Chronik der St. Petrus Claver-Sodalität. Illustrationen: Eisenbahnbrücke über den Nil bei Atbera in Nubien. — Bau der Kirche in der Missionsstation der St. Benediktus-Gesellschaft in Tosamaganga. — Wie die Kaffern Haus bauen. Kleine HfriMibliotbeK. Unterhaltendes und Belehrendes zur Tördcrung der Liebe zu unseren ärmsten schwarzen Brüdern und Schwestern. Diese beliebte Volks- und Jugendzeitschrift bringt Unterhaltendes und Belehrendes aus beut afrik. Missionsleben in Erzählungen, Reisebeschreibungen, Gedichten re. Sie ist ihrem Zwecke gemäß reich illustriert und ihrer gefälligen, äußern Ausstattung wegen eignet sie sich auch ganz besonders zu Geschenken und Prämien für die Jugend, sowohl einzelne als nach Jahrgängen; elegant gebunden (rot Kaliko mit Goldschnitt 1.20 Kr. (1 Mk. — i 25 Fr.) ohne Goldschnitt 1 Kr. (85 Pfg. — 1 Fr). Die „Kleine Afrika-Bibliothek" ebenfalls von der St. Petrus Claver-Sodalität herausgegeben, erscheint ant 15. jedes 2. Monates int Umfange von je 32 Kleinoktavseiten in deutscher und italienischer Sprache. Preis jährlich für Oesterreich ohne Post 60 Heller, mit Post 80 Heller, für Deutschland ohne Post 50 Pfg, mit Post 70 Pfg, für die Schweiz und die Länder des Weltpostvereins ohne Post 80 Kent, mit Post 1 Fr. Einzelne Hefte ä 10 £>. — 10 Pfg — 10 Cent. Inhalt der 4. (Juli-) Nummer: Martenverehrung in Uganda. (Fortsetzung.) — Der gute Hirt. (Bon Dr. Moni). — Bekehrung des ersten Christen von Jbusa. (Bon P. Hummel. Mit Illustration) — Der Negertanz. (Bon P. Daubenberger, C. 8. Sp. Mit Illustration. Schluß.) — Ueberfall eines Löwen. (Bon Schw. $. König, 0. 8. B. — Allerlei aus dem Missionsleben. (Bon Bruder Kribs 0. M. J.) — Wo ist meine Heimat? (Gedicht). — Preis-Rätsel. — Scherzfragen. Bestelladressen für beide Zeitschriften: Salzburg, Dreifaltigkeitsg. 12. — Wien, I., Bäckerstr. 20. — Triest, via Sanitä 9. — R o nt, via Giov. Lanza 129. - Innsbruck, Universitätsstraße 3. — Krakau, Starowislna 3. — Breslau, Hirschstr. 33. — München, Türkenstr. 15/11. — Paris, 31, rue de Fleurus. — Prag, IV. 33. — Bozen, Obstmarkt 16. — Solothurn, Börsenplatz 76. — Luzern, Papeterie, Zürichstr. 53. 3n unserem Verlage ist erschienen und von uns, sowie durch alle iöuchhandiungen zu beziefleu: Königin von Österreich, Stiftern des Königlichen Stiftes zu Rail in Tirol. Ein Lebensbild aus dem 16. Jahrhundert, dargestellt von Cui)ro. Kapp, fl). Geistb Kat. Mit fürstbischösiicher Approbation. 2. Auflage mit 3 Bildnissen. 8°. 260 Seiten, broschiert. Preis 2 Kronen. im Ausland 2 Mb. —2.50 Fr. Der Selig fprechungs-P ro\zjf dieser ausgezeichneten Fürstin ans dem Hause Habsburg flat nun begonnen und soll ans ausdrücklichen Wunsch Sr. Helligkeit Papst Leo XIII. in kürzester Frist durchführt werden. Königin Magdalena in ihrer letzten Leben-'zeit. Diese Lebensbeschreibung ist, rote mir glauben, nicht blost p einer erbaulichen Lektüre für Geistliche und Ordenspersonen geeignet, sondern mag auch gewH dap dienen, in weiteren Kreisen, pnächst in unserem Vaterlande, die Gefühle der Ehrfurcht und iDartli-barkelt gegen das Hans Oesterreich, dem diese Fürstin, welche für Tirol soviel Gutes getan hat, entsprossen ist, p beleben und p nähren. Wir empfehlen dieselbe deshalb pr weitesten Verbreitung. Gegen Einsendung obigen Betrages franko per Postan Weisung senden wir franko nach allen Poststationen. fl. Siegers W W W W ^ V Vuchhanölung in Vrixen, Süütirol. Deutscher ßlaubensbote. Ar. 8. August 1902. y. Jahrg. Grosse Effekten-Lotterie zugunsten unseres Missionshauses. Mtjlir sahen uns schon zu verschiedenenmalen veranlaßt, unsere Leser und alle Jene, welche der tiy§ dornenreichen Mission von Zentralafrika ein Interesse entgegenbringen, auch in diesen Blättern auf die großen Schwierigkeiten aufmerksam zu machen, mit welchen wir zu kämpfen haben und welche einer gedeihlichen Durchführung unserer hohen Aufgabe ernstlich im Wege stehen. Wir können nur mit den innigsten Gefühlen der Dankbarkeit an das uns bewiesene Wohlwollen denken, bestrebt, soweit unsere Kräfte reichen, alle die Hoffnungen, welche man auf uns setzt, vollauf zu erfüllen. Wenn wir heute abermals mit einer Bitte an unsere Leser treten, so möchte uns beinahe ein gewisses Zagen beschleichen, wissen wir doch wohl, wie gerade in unseren Tagen der Wohltätigkeitssinn hochherziger Missionsfreunde von allen Seiten in Anspruch genommen wird. Allein, wir wissen ebensogut, daß diese großen Förderer der christlichen Mission eben auch jene edlen Seelen sind, deren Liebe zu Gott und Anhänglichkeit an seine hl. Kirche immer etwas zu geben weiß. Dieser Umstand ist es aber auch, der uns umsomehr verpflichten muß, diese Opferwilligkeit so wenig als nur möglich für uns in Anspruch zu nehmen. Infolgedessen haben wir uns entschlossen, eine Lotterie zu veranstalten, um dadurch sowohl in den Besitz der nötigen Mittel zu gelangen, als auch unseren Wohltätern die Aussicht zu eröffnen, selbst einen namhaften Gewinn dabei zu machen. 226 Große Effekten-Lotteri e zugunsten'unseres Missionshauses. Auf unsere in diesem Sinne an das k. k. Ministerium gerichtete Bitte erfloß nun unter dem 24. Mai l. I. ein Ministerial-Erlaß, nach welchem es uns erlaubt isst im Jahre 1903 eine große GffeRten-Eotterle abzuhalten. Wir hoffen dadurch noch des weitern zwei schwerwiegende Hindernisse aus dem Wege zu räumen. Einmal steht unser Missionshaus schon seit vier Jahren halb ausgebaut da und harrt immer auf die Vollendung und trägt überdies noch eine wahre Riesenlast von Bauschulden auf dem Rücken. Sodann wird gerade mit dem nächsten Jahre die Kongregation zum erstenmal eine größere Anzahl Missionäre ans das afrikanische Wirkungsfeld entsenden können und daher auch für einen zahlreicheren Nachwuchs als in früheren Jahren zu sorgen haben, zumal gerade der Mangel ausgiebiger Kräfte auf unserem weiten und schwierigen Missionsgebiete sich empfindlich geltend macht. Wer sich also an der erwähnten Lotterie beteiligst gibt gewissermaßen ein dreifaches Almosen. Soll aber dieses Unternehmen auch wirklich einen nennenswerten Reinertrag abwerfen, so ist vor allem notwendig, daß man uns soviel als möglich die Ausgaben verringern hilft. Und das tut ein Jeder, welcher uns Effekten als Lotterie-gewinnste zusendet oder wenigstens so sicher verbürgt, daß wir sie zur erforderlichen Zeit unbeanstandet erhalten können. Brauchbar für uns ist aber alles, was entweder einen K'unst- oder Gebrauchswert hat, mithin alles, was überhaupt im Leben seine Verwendung findet, sei es zum Essen oder Trinken, zum Bekleiden oder Schmücken, zur Arbeit oder Erholung, zur notwendigen A u s st a t t u n g oder reinen Verzierung, sei es ein Gegenstand des einfachen bürgerlichen Hauses oder des gräflichen Palastes. Von verschiedenen hohen und höchsten Kreisen sind uns schon sichere Gaben in Aussicht gestellt. Möge dieses schöne Beispiel auch in der großen Menge des Volkes eine begeisterte Nachahmung finden! Wir rechnen umsomehr darauf, da die Lotterie neben dem religiösen Zwecke, den sie erfüllt, auch ein patriotisches Werk ist. DennOesterreichs Söhne sind es, welchen sie zunächst zugute kommt, ein österreichisches Missionshaus ist es, zu dem sie Bausteine liefert. Die Mission, welcher diese Lotterie dient, steht unter dem allerhöchsten Schutze von Oesterreichs erhabenem Monarchen. Wir werden das Nähere über dieses Unternehmen möglichst bald hier folgen lassen. Möge derweilen die große Sache selbst sich die Gunst und Zuneigung, Liebe und tatkräftige Unterstützung bei dem Einzelnen wie dem ganzen Volke erwerben! Das walte Gott! Mjfionsfahrten auf öem weißen Uil. Von P. Wilh. Banholzer, „Sohn des hlst. Herzens". ^§>ie ersten Hefte dieses Jahres brachten den ge-^ ehrten Lesern des „Stern der Neger" Reise-skizzen aus der Hand des Laienbruders Klemens Schwer. Die Skizzen waren gezeichnet bei Gelegenheit der ersten Erforschungsreise an Bord unseres Dampfbootes „Redemptor" und reichten bis Hellet Nuer auf dem 7. Grad nördlicher Breite. Unsere diesjährige Reise auf dem weißen Nil ging bis nach Fort Berkeley, dem letzten zu Schiff erreichbaren Punkt, etwa drei Stunden unterhalb der Katarakte von Bedden. Ueber das Neue dieser Fahrt möchte ich diesmal einiges schreiben. Der Vollständigkeit und Uebersicht halber bringe ich auch eine Beschreibung der Userlande von C h a r t u m bis F a scho d a, die in den Skizzen nicht enthalten ist. Sie lag nicht in der Absicht des Schreibers, ist aber nicht ohne Interesse für den Leser. Jene Uferstriche find von den Derwischen schrecklich heimgesucht worden. Haus, Hof, Feld und Vieh, alles liegt darnieder. An einzelnen Orten sind die Menschen beinahe an den Fingern abzuzählen. Die erste Reise brachte als Resultat die Gründung der Station Lull im Gebiete der Schillukneger. Zweck dieser Expedition war, einen Ueberblick zu gewinnen über unser Wissionsgebiet den Nil entlang und die Provinz L a t u k a von Gondokoro aus zu besuchen, da sie von den Reisenden als die gesündeste aller Nilländer geschildert ist. Durch eine Ansiedelung daselbst wäre zu gleicher Zeit ein Anschluß gegeben an die nicht weit südlich davon gelegenen fruchtbaren Missionsgebiete der Weißen Väter und den Patres von Mill-Hill. Leider konnten wir nicht bis Latuka gelangen, da uns ein Besuch jener Gegend vom Kommandanten von Gondokoro für den Augenblick dringend abgeraten wurde. Die Regierung von Uganda, zu dem Latuka gehört, war selbst noch nicht imstande, dort einen Posten zu gründen, Unruhen halber, die leicht in einen Krieg ausarten könnten. Bei unserem Aufenthalt auf Fort Berkeley haben wir die Bevölkerung, den Feldbau und das Klima kennen gelernt und gesehen, daß wegen der äußersten Armut des Landes an die Gründung einer Station hier noch, nicht gedacht werden kann. Als die Erstangckommenen werden wir wohl auch das erste Recht haben, uns in Latuka niederzulassen, sobald die Ruhe einigermaßen hergestellt sein wird. Bei der bevorstehenden sehr zahlreichen Nachkommenschaft von Gehilfen aus den Missionshäusern in Europa ist ein Ueberblick über die Nilgegenden sehr von Nutzen, ja geradezu notwendig, um den Angekommenen ohne Zeitverlust möglichst gesunde und sichere Arbeitsfelder anweisen zu können. Unsere Reise war also auch diesmal nicht umsonst. Reise von Omderman nach Fort Berkely u nd zurück. 29. November 1901: Abfahrt von Omderman. Im schönsten Sudanwetter, auf von starkem Nordwind bewegten iffiogen; ein paar Tage vor der Ankunft"des Khedive, in- Chartum, der diesmal den Reigen-der Touristen eröffnete, verließ der „Redemptor" das sandige Ufer von Omderman, „seligen" Chalifas und Mahdis berüchtigte Residenz, beglückwünscht von unsern Gläubigen — die Jugend voran; begleitet von unzähligen Gebetsversprechungen seitens der Wohltäter und Freunde der Mission und ausgerüstet mit allem Notwendigen und Nützlichen, das soviele edle Geber zu beschaffen uns in den Stand setzten. Zum Zeitvertreib, um unseren Bummeldampfer, der nebenbeigesagt durchschnittlich vier Meilen in der Stunde zuwege bringt gegen den Strom, in einen Schnelldampfer zu verwandeln und um den Lesern des „Stern der Neger" etwas vom geheimnisvollen weißen Nil erzählen zu können, habe ich, gleich nachdem Omderman außer Sicht war, ein wenig Papier hergerichtet. Ich übergab demselben, was mir so einfiel, während ich auf das weiß-gelbliche Wasser und nach den vogelgesäumtcn Ufern hinblickte und zurückdachte an das schöne Arbeitsfeld Omderman und die liebe Heimat, die ich beide dem Herrn zur Ehre und ein paar armen Tropfen zum Wohle gern verlassen habe. Es hat mir eben der Herr die „rechte Gunst erwiesen" und mich deshalb in die weite Welt gesandt. Ich bin nicht auf eigene Faust und Rechnung übers Meer gegangen wie etwa ein deutscher Handwerksbursch — diese gehen nämlich am weitesten — sondern berufen und getragen von der göttlichen Vorsehung. Ich freue mich dessen von ganzem Herzen und lasse mich wohlgemut nilaufwärts führen. „Wer einmal eine Reise tut, der kann etwas erzählen," heißt es. Aber ich sage, wer einmal eine Reise tut nach Chartum—Faschoda, der kann wohl nicht viel erzählen, wohl aber viel schimpfen und bereuen, sein Geld nicht zu etwas besserem verwendet zu haben. Er müßte denn nur ein Jäger oder Fischer sein und vor Sonne und Sümpfen und Dornen nicht schrecken. Zu jagen gibt es nämlich auf und an dem weißen Nil gerade genug. Zu sehet: ist verflucht wenig und wenig von dem vorhanden, was der verzärtelte Ettropäer erwartet. Die Uferlandschaften gleich hinter Chartum sind unaussprechlich langweilig. Sie sind flach und nieder. Der Anbau ist sehr spärlich. Außer Sorphum und Bohnen ist nichts angepflanzt. Bäume trifft matt sehr selten. Hie und da sieht tnan eine Schaf- oder Ziegenherde weiden. Obwohl es Zeit zum Säen ist, erblickt man doch nur wenige Leute bei der Arbeit. Der einzige Schmuck dieser eintönigen Ufer sind zahllose Langbeine und Langschnäbler: Witwenenten, Sporen und Nilgänse arbeiten hüben uitd drüben im Schlamm, Löffler und Ibisse fischen an einsamen Stellen. Im Flusse und andern tiefen Stellen am Ufer schwimmen majestätisch kleine Gruppen von Pelikanen; Strandläufer und Bachstelzen trippeln eilig hart am Ufer. Kraniche und Störche suchen auf den Feldern eifrig Nahrung: die gefiederte Welt hat an diesen Ufern ihre Promenade und ihren Sammelplatz. Die Jäger, die sich hier einen guten Bissen verschaffen wollen, haben harte Arbeit, da das Wasser auf der Westseite, wo die meisten Vögel sind, sehr nieder ist und nicht einmal ein leichtes Boot landen kann. Die Jäger müssen daher oft durchs Wasser hin- und hergetragen werden, um auch nur in die Schußweite zu kommen. Gete na — auf dem 15. Grad nördlicher Breite — ein großes Dorf, das erste nördlich von Chartum, stört die bisherige Szenerie wenig. Ein kleiner Markt belebt die Mitte des Ortes. Die Post hält es der Mühe wert, hier einmal im Monat zu halten. Wir kaufen ein paar Hühner, ein Schaf und Butter um billigen Preis. — Die Leute hier sind Damagla und Giaulin. Wir durchfahren einen weiteren Breitegrad und finden dieselbe Eintönigkeit. Nur im Hinterland auftretende Suntbäume sind eine Neuigkeit. Jn Due m — gerade auf dem 14. Breitegrad — haben wir nichts zu tun. Wir beschauen es im Vorbeifahren. Unser Reis (erster Schiffsmann) macht den Bädeker. Suem ist eilt großer, befestigter Ort mit Garnison. Als Ausgangspunkt der Karawanen nach dem Kor-dofan, die dorthin den europäischen Handel vermitteln, ist es einer der wichtigsten Verkehrspunkte auf dem weißen Nil. Die Produkte des Kordofan, rote Gummi, Straußfedern und Felle, werden hier auf den Markt gebracht. Zweimal in der Woche geht die Post von Chartum nach Duem. Die große Ansiedlung bringt eine reichere Kultivation mit sich. Das Klima beginnt hier aber schlechter zu werden, weil hier der' trockene Wüstensand aufhört und Schlamm und feste Erde an seine Stelle treten. Die meisten Hütten sind im Kegelstil erbaut und haben Mauern aus Rohziegeln mit Strohdächern. Hinter Duem beginnen die Nilpferde, oder besser, die Nilpferde haben sich schon bis Duem zurückgezogen; jedenfalls wegen des geräuschvollen Verkehrs zwischen Duem und Chartum. Die Gegend wird nun etwas lebhafter, zwei Jnselchen tauchen im Strome auf. Dichte Sunt-wälder bedecken das Westufer. Auch die den weißen Nil berüchtigt machenden Sümpfe bieten zur Zeit des Hochwassers einige Abwechslung. Nach siebenstündiger Fahrt kommt wieder einmal eine menschliche Ansiedlung auf dem Ostufcr. Es ist K a u a, ein großes Dorf mit unverhältnismäßig großem Markt und kleiner Garnison. Auf dem ausgedehnten Markt war keine grüne Zwiebel oder ein Rettich aufzutreiben. Die Umgegend ist trostlos öde. Eine Karawanenstraße führt von hier nach Senaar am blauen Nil. Kaua gehört noch zur Mnderie (Distrikt) Chartum, das Land südlich gehört zur Muderie Faschoda. Am Ufer ist von Privatleuten Holz zum Verkauf ausgelegt für die Nildampfer, die bekanntlich mit Holz feuern. Wir nahmen davon gegen 12 Kubikmeter. Von da an begegnet man häufig schwimmenden Jnselchen mit hohen Gräsern. Es sind kleine Muster des bekannten Sutt — eines Applanerates von Pflanzen und Erde — der den Nil in seinem Schlamme aufzuhalten imstande ist. Gegen Abend gaben wir Schützenfeuer auf eine Reihe Enten, die sorglos auf die Spitze des Dampfers steuerten. Leider blieben bloß zwei tot auf dem Platz, während 5 — 6 angeschossen davonkamen. Wir übernachteten heute am Ufer der ereignisreichen Insel Aba, einer 28 Meilen langen, mit Suntbäumen dichtbcwaldeten Insel. Hier war die Manresa des Mahdi. Im Schatten einiger auserwählter, mächtiger Bäume will er seine Eingebungen und seine Erscheinungen gehabt haben. Die Pläne für die Eroberung der verdorbenen Türkenwelt stammen von da. Von hier aus leitete der neue Prophet die Bearbeitung des Kordofans. Hierher lieferten die Spione und Verräter aus dem ganzen Sudan ihre Berichte. Der Mahdi verließ die Insel, nachdem er genügend Anhänger hatte und wandte sich nach dem Gebet Gadia, von wo dann der Eroberungszug gegen die wichtigsten Plätze im Kordofan anhub. Der Mahdi soll es anfangs wirklich ernst genommen haben mit der Wiederherstellung der alten, strengen Religion des Koran und streng gelebt haben. Der Rus seiner Heiligkeit drang überall hin und Wall- fahrer kamen von allen Seiten. Selbst die Regierungsdampfer hielten vor Aba, um vom „Heiligen" den Segen zu erhalten. Nun ist sein Haus zerstört und sein Reich verfallen, sein Leib im Nil der Verwesung preisgegeben. Alles Zeichen seiner göttlichen Sendung! — Der Besuch der „heiligen" Stätte aus Aba ist nun verboten. Was ist Christus und seine Kirche gegen diesen Propheten und sein Reich? Mit der Betrachtung Sais (Uorläufcr). dieses Punktes schaute ich am Morgen aus die schöne Insel, von der wir noch einen guten Teil abzufahren hatten. Gos Abu Zu in a, aus dem Ostufer, der Spitze der Insel Abba gegenüber, ist ein kleiner Handelsplatz und hat das Vorrecht von Senaar aus per Draht unterrichtet zu werden von dem was in der Welt vorgeht und Reuter offenbart. Wir sind froh, die Welt im Rücken zu haben und lassen es unbehelligt beiseite. Charakteristisch ist Gos Abu Zuma dadurch, daß hier Enten und Gänse, die besten Bissen der Jäger, aufhören, — wenigstens in den Monaten November, Dezember und Januar und die Settvegetation beginnt. Abu Suf (vossia procera), ein schilfähnliches Gras, vermischt mit Au,bätsch (hermiriera elaphroxylon) und Papyrus, kleiden von nun an beide Uferrande auf viele Meilen hin. Die festen Ufer verschwinden und das Lunden ist bis Faschoda sehr schwierig. Diese ebengenannten Suttelemente kommen aus dem Baher es Gazal und Daher es Gebel angeschwommen und setzen sich an den Ufern an, dank einer günstigen Strömung oder Windrichtung. Einmal feste Wurzeln gefaßt am Lande, wachsen sie 230 Aus bent Missionsleben. weit (5—10 Meter) in den Nil hinein. Auf dem Wasser frei schwimmend, halten sie andere daherschwimmende Snttpflanzen ans und verwickeln sich mit ihnen. In dem Wirrwar von Wurzeln setzt sich nun bald auch Erde an, wodurch das ganze eine kompakte Masse wird und wie ein Stück Ufer aussieht. Auch festsitzende Grabinselchen treten auf. Es ist ihnen bei der schmächtigen Strömung und dem niederen Wasserstand gelungen, auf betn Grunde Wurzel zu fassen. Zu ihnen gesellen sich wieder neue anschwimmende Suttmassen, die schnell am neuen Heim sich anwurzeln. — Diese Ansammlungen können eine Ausdehnung annehmen, daß sie für die Schiffahrt ein Hindernis werden, umsomehr ist dies der Fall, wenn auch die von den Ufern vorgreifenden Suttfelder zur Verengung des Flusses mitwirken. Aus den Suttansammlungen sticht angenehm der Ambatsch hervor, ein leichtes Gewächs, leichter als Kork, das von ferne wie schöngewachsenes Haselnußgesträuch aussieht. Sein Holz wird bis zu 10—15 Zentimeter dick und der Leichte wegen von den Eingeborenen zu Flößen und Boten verwendet, die den Vorteil haben, daß sie ohne Mühe von ihren Besitzern vom Fluß nach Hause transportiert werden können. Der einst so berühmte Papyrus tritt vorerst selten auf. Der Abu-Suf wiegt vor zum Vorteile der Nilpferde, die nachts davon sich sättigen, ohne weit laufen zu müssen. Die Uferszenerie, die wir eben gesehen, dauert ununterbrochen fort bis zum See No. Die Vögel scheinen keinen Gefallen daran zu finden. Nur wenige, wie der Schreiadler, der Ibis, der Plotus und andere lassen sich sehen. In den Sümpfen im Lande drin und an den sandigen Stellen am Ufer sieht man Enten und Garnu. (Fortsetzung folgt.) —"*■ Aus km Missionsleben. Apostolisches Uikariat Neu Pommern. (Missionen vom hlst. Herzen Jesu.) Wiederum lag der „Gabriel" mit Proviant und Kohlen für zwei Wochen ausgerüstet im schützenden Hafen, um eine längere Reise nach Neu-Mecklenburg anzutreten. Der sonst so stille Hafen vor Herbertshöh bot heute ein prächtiges 93itb; neben den beiden deutschen Kriegsschiffen „Möwe" und Falke" hob sich der mächtige, von vier Riesenschlöten flankierte russische Kreuzer „Kromoboin" aus den Wellen. — Die Anwesenheit von Kriegsschiffen belebt nicht nur den Hafen, sie bringt auch Leben ans Land. Wer könnte es auch den armen Marinesoldaten, welche oft monatelang zwischen den zwei Wänden eines Schiffes eingepfercht sind, verdenken, wenn sie lustig, wenn auch etwas schwankenden Schrittes Gottes schöne Erde betreten können. Deutsche und Russen machen heute Brüderschaft in Herbertshöh und die letztern wandern in ganzen Scharen zur katholischen Mission, wohin sie das Tummeln und Treiben unserer schwarzen Schuljugend zieht. Da ihnen hier alles neu und ungewohnt, aber doch interessant vorkommt, so wollen sie sich nichts entgehen lassen, durchwandern mit steigendem Interesse die Wohn-räume, Schulzimmer, Krankensäle, Spielhof der Knaben und der diensttuende Bruder K. läßt zum Schluß seine ganze schwarze barfüßige Schar vor den staunenden Russen im Parademarsch defilieren, wobei Konservenbüchsen und eine Ziehharmonika die Regimentsmusik und Stöcke jeden Kalibers die Gewehre ersetzen müssen. Aber die Russen machen sich nicht viel aus der Musik, haben sie ja selbst keine Fanfare an Bord. Alsdann entspinnt sich zwischen den kleinen Missionszöglingen und den bärtigen Matrosen eine ungemein lebhafte Unterhaltung, welche von den ersteren auf Kanakisch, von den letzteren auf Russisch geführt wird, was jedoch zu keinerlei Mißton Anlaß gibt und als endlich die Stunde zum Abendbrot kommt, erhalten auch die Russen ihre Ration, bestehend aus Taros, Brotfrucht und Papaia, zugeschoben. Die Teilnahme vonseiten der kleinen Schwarzen tat den Russen so wohl, daß sie den Kleinen ganze Handvoll Münzen in die Hand drückten, wobei natürlich diese ganz verblüfft über einen so unverhofften Reichtum dastanden. Andere Soldaten statteten unterdessen der Kirche einen Besuch ab, zogen aus ihrer Tasche ein Gebetbuch und blieben stundenlang auf den Knieen. Wie beschämend ist dieses Beispiel der Russen für so viele unserer katholischen Marinesoldaten, die, wie es scheint, an manchen Sonntagen keine Zeit für ihren Gottesdienst übrig haben, während die Kirche so nah und der Schall der Glocke zu ihnen hinüberdringt. Oder ziehen es diese von falscher Menschenfurcht Geblendeten vielleicht vor, der von einem Kapitän gehaltenen Predigt zu lauschen, die zwar, (wie gewisse Leute behaupten) allgemein gehalten, aber doch Noch lange kein katholischer Gottesdienst ist, wozu auch unsere Marinesoldaten verpflichtet sind, sobald ihnen hiezu Gelegenheit geboten wird. Noch vor Anbruch des Tages hatten wir, an dem russischen Kriegsschiff vorbeisteuernd, Vuno Pope verlassen und die Richtung nach Kamalu eingeschlagen. In Kamalu hatte sich seit meiner letzten Reise manches vetändert; der alte Häuptling Haduk, welcher mich im vergangenen Jahre bei meiner Durchquerung Neu-Meckleuburgs bis Karu begleitet hatte, war an der roten Ruhr gestorben und ihm war eine verhältnismäßig große Anzahl seiner Leute ins Jenseits gefolgt. Bei einem Rundgang durchs Dorf konnte ich auf den Gesichtern von Männern und Frauen die Spur der Krankheit lesen. Der hohe Wald, welcher sich hinter den Gehöften gegen die Höhenzüge hin ausbreitet, war durch den anhaltenden Regen der letzten Tage in einen Sumpf verwandelt worden. Auch die kleine Bucht, in welcher wir ankerten, war durch die Verheerungen des Nordwest schwer heimgesucht worden. Riesige Mangroven waren mit ihren Wurzeln ausgerissen oder doch so zugerichtet, daß sie, jeglichen Blättcr-schmuckes beraubt, ein elendes Dasein fristeten. Nach der Erzählung der Eingeborenen seien die haushohen Wellen über das Riff hinweg tief in den Urwald gedrungen. Sie selbst haben ihre Heimat verlassen und seien zu den ihnen befreundeten Labur-leuten geflohen. Am Gottesdienste, der am folgenden Morgen in der ärmlichen Kirche abgehalten wurde, nahmen an die hundert Männer und Frauen Anteil, welche sehr gut die katholischen Gebete verrichteten. Leider wird Kamulu wohl schwer eine Haupt-station werden, erstens wegen der geringen Zahl der Eingeborenen, daun wegen seiner ungesunden Lage. Die beiden Dörfer Chochola und Kono, von denen das erste südlich, das zweite nordwestlich von Kamalu liegt, scheinen viel bessere Aussicht auf eine künftige Missionsstation zu haben. Chochola ist durch den hinter Kamalu sich erhebenden Höhenzug von Nordwest geschützt und gut bevölkert. Es ist die Heimat des bekannten Lorenz Lama, welcher im vergangenen Jahre den hochwürdigsten Bischof Coupps nach Europa begleitet hat. Dieser intelligenteund lebhafte Knabe wird dem Missionär in seiner Heimat eine wertvolle Stütze sein. Desgleichen befinden sich in der Waisenanstalt in Buna Pope mehrere begabte Knaben aus Kono, einem stark bevölkerten Uferstrich. Die Eingeborenen von Kono, welche sich durch ihre glänzend schwarze Hautfarbe und das schöne Ebenmaß ihrer Glieder vor allen Bewohnern der westlichen Küste auszeichnen (die Adlernase verleiht ihnen ein etwas jüdisches Aussehen) sind ein ungemein kühner nnd unternehmender Stamm. Kein Riff schützt ihre Gestade vor dem Anprall des Nordwest, keine Bucht bietet ihren zerbrechlichen Kanoes Zuflucht bei herannahendem Sturm. Der Korallenwall, der sich längs der Küste hinzieht, fällt fast jäh in die Tiefe, so daß auch die größten Schiffe dort keinen Ankergrund finden. Im Norden des Dorfes steigt dieser Wall allmählich aus den Wellen und bildet eine riesige Mauer, in welche die schäumenden Wolken tiefe Höhlen gegraben. Nur bei ruhigem Wetter ist es möglich, ohne Gefahr an das Ufer heranzufahren. Trotzdem wimmelt die See in der Umgegend von Kono in jeder^Jahres-zeit von Kanoes der Eingeborenen und man ist erstaunt, bei stürmischem Wetter, wo sogar nur ein guter Segler mühelos vorauskommt, viele Seemeilen vom Laude die kleinen Kanoes der Konoleute schwimmen zu sehen. Das Geschäft, dem sie soweit vom Lande entfernt obliegen, fordert eben eine unglaubliche Kühnheit. Denn es heißt nichts Geringeres, als den in diesen Gewässern häufig vorkommenden Haifisch zu fangen. Man muß geradezu lächeln, wenn man in Büchern, die über die Südsee handeln, Stellen, wie folgende findet: „Haifische kommen ebenfalls vorn doch sieht man sie selten und niemals hört man, daß durch sie ein Unglück angerichtet wird. Entweder sind sie weniger gefräßig oder gehören einer andern Gattung an als die in den Gegenden, wo sie dem Menschen Gefahr bringen." Graf Pfeil — Studien und Beobachtungen aus der Südsee. S. 229.) Die Haifische, die sich an den Küsten von Neu-Pommern und Neu-Mecklenburg herumtummeln, gehören allerdings einer kleineren Gattung art1), haben aber keineswegs die ihrer Familie eigenartige Raubgier verleugnet. Es vergeht kein Jahr, ivo diese gefräßigen Tiere nicht Menschenopfer fordern und erst vor zwei Wochen ivurdcn zwei badende Knaben in der Nähe von Buna-Pope von zwei Haifischen angegriffen. Der eine verschwand in dem Rachen des einen Ungeheuers, ivährend der andere so gräßlich zugerichtet wurde, daß jedermann an seinem Auf- i) Wahrscheinlich galeus canis Bonap. Gemeiner Hundshai. kommen zweifelte. Kurze Zeit nach dieser Begebenheit wurde einer der beiden Haifische gefangen von den Matrosen des russischen Kreuzers „Kromoboin" und in seinen Eingeweiden sand sich das Skelett des verschwundenen Knaben. Die Haifische kommen in großer Anzahl in der Blanche-Bai vor und an der Küste von Mecklenburg; insbesondere von Kamula bis zur Sandwich-Insel betreiben die Eingeborenen den Haifischfang im Großen. Wieviel Menschenleben aber auch dieses gefährliche Unternehmen gefordert haben mag, davon haben wir durch die Erzählung der Eingeborenen nur eine schwache Ahnung. In Kamalu, Kono, Kamaluba, Kalaqunan und Mesi fanden wir die originelle Schlinge vor, mit welcher die kühnen Küstenbewohncr den Hai fangen. Bei schönem, ruhigem Wetter, wenn die Sonne ihre brennenden Strahlen auf die spiegelglatte See wirft, ziehen die Haifischfänger auf ihren zerbrechlichen Fahrzeugen hinaus. Das Kanoe ist nichts anderes, als ein ausgehöhlter Baumstamm von einem Fuß Durchmesser und 2—4 Meter lang, an dessen linker Seite ein Ausleger angebracht ist, d. h. eine Art Leiter aus leichtem Holz von der Länge und Höhe des Kanoes, welche durch wagerechte Stützen mit demselben in Verbindung stehend, sowohl als Balancierstange als auch als Wellenbrecher dient. In den kleinsten Kanoes ist nur Raum für einen Mann, in den größten können vier Ruderer Platz finden. Eigentümlich ist nun, daß der Haifischfang nut mit den kleinsten Kanoes und von einem einzigen Mann ausgeführt wird. Im Kanoe befindet sich außer dem Ruder ein kurzer Knittel aus hartem Holz, mit welchem der Hai betäubt wird; sodann ein kreisförmiges Instrument, an welchem eine große Anzahl durchlöcherter Kokosschalen gereiht sind. Dasselbe wird wie eine Schelle hin- und herbewegt und gibt einen schnarrenden Ton von sich. Ein langer schmaler Stock, an dessen Ende ein kleines Fischlein befestigt ist, dient als Lockmittel. Die Schlinge besteht aus einem Stück Holz, dessen Gestalt der Schraube eines kleinen Dampfers nicht unähnlich ist. Zwischen den beiden Flügeln befindet sich der Griff und neben demselben sind zwei Löcher eingebohrt, an welchen eine Schlinge aus starkem Baumbast angebracht ist. Ist der Fischer an der Stelle angekommen, wo er den Hai vermutet, so hört er zu rudern auf und setzt seine Raspel in Bewegung, indem er dieselbe zwischen den beiden Wänden des Kanoes hält, welch letztere den Schall so verstärken, daß man eine niederrasselnde Ankerkette zu hören vermeint. Der Hai, welcher wohl die Nähe eines großen Schiffes vermutet, erscheint nun an der Oberfläche. In diesem Augenblicke läßt der Insasse des Kanoes dem gierigen Räuber das kleine Fischlein entgegenglitzern. Sobald jener die Beute gewahr wird, stürzt er mit rasender Geschwindigkeit auf dasselbe. Mit derselben Geschwindigkeit ergreift nun der kaltblütige Fischer seine Schlinge, deren hölzernen Teil er mit der Linken, das obere Ende der Schlinge er mit der Rechten hält. Der Hai, der in seiner Raubgier nur Augen für seine Beute hat, merkt nichts von der Gefahr und im Augenblick, wo er sich im Besitze des Fischleins wähnt, hat ihm die Schlinge, den Hals zugeschnürt. Nun beginnt für den Fischer das Gefährlichste des Unternehmens. Das Ungeheuer sucht sich ans alle mögliche Weise von den Fesseln zu befreien und schnappt unaufhörlich nach seinem Gegner. Allein mit jeder Bewegung nach oben stößt es mit dem Kopf an den schützenden Holzgriff, gegen welchen es, je straffer die Schlinge, desto fester gezogen wird. Gebärdet es sich zu toll, so wird es durch wiederholte Schläge auf den Kopf betäubt. Doch soll es nicht selten geschehen, daß wütende Tiere durch eine unerwartete Seitenbewegung die Hand seines Peinigers erfaßt, dieselbe abbeißt und mit Hand und Schlinge entflieht. In Kamalabu bekamen wir einen Mann ohne rechte Hand zw sehen; der Hai war ihm bei einem ähnlichen Abenteuer mit Hand und Schlinge entflohen. Noch ernster wird die Gefahr für den Insassen eines Kanoes, wenn der in Wut geratene Hai mit seinem Schwänze die Wände des schwachen Fahrzeuges peitscht. Wenige solcher Hiebe würden genügen, die dünnen Wände zu zertrümmern. In solchen Augenblicken sagt der schlaue Kanake dem Hai mitsamt der Schlinge lieber Lebewohl. Oft wird auch das Kanoe zertrümmert und dann bleibt dem armen Schiffbrüchigen nichts übrig, als unter steter Gefahr, von anderen angegriffen zu werden, schwimmend das Ufer oder ein anderes Kanoe zu erreichen. Wenn man bedenkt, daß das alles das Werk weniger Augenblicke ist, daß, während der Insasse des Kahnes einen Kampf auf Leben und Tod mit dem gefangenen Tiere führt, daS Kanoe, von starken Tieren fortgeschleppt, blitzschnell dahineilt, dann kann man nicht umhin, der Kühnheit und Geistesgegenwart dieser Wilden Bewunderung zu zollen. Am Ufer wird unterdessen die Erlegung des Haies mit Freudengeschrei begrüßt und allen Bewohnern durch Blasen der Tritonsmuschel verkündet. Alles eilt dem Helden des Tages entgegen und hilft den Haifisch ans Land zu schleppen. Als wir in Mssi ankamen, vernahmen wir die dumpfen Töne der Tritonsmuschel und auf Befragen erhielten wir die Antwort, daß eben ein Haifisch erlegt worden fei. Wir begaben uns in das Gehöfte des Helden, wo wir das fast zwei Meter lange weibliche Exemplar vorfanden. Die großen Flossen auf dem Rücken hatte man ausgeschnitten; desgleichen war der Bauch aufgeschlitzt und die Eingeweide herausgenommen worden. Der Kopf war, im Vergleich zum übrigen Körper, mächtig zu nennen. Beim Anblick des furchtbaren Gebisses konnten wir keinen Augenblick JifrikanUcbe ticscbwUtei1, zweifeln, daß wir eines jener gefährlichen Raubtiere vor uns hatten, die gelegentlich auch Jagd auf Menschen machen. Der Rücken des Tieres war braun, der Bauch blendend weiß. -I- -I- Jius Ruanda (Deutschostafrika) berichtet P. Smoor über Land und Leute lvie folgt! Ruanda wird den meisten Lesern wohl noch un-bekannt sein, denn bis vor kurzer Zeit war es noch jedem auswärtigen Einflüsse fremd geblieben. Stau- 234 Aus dem Mssivnsleben Ici), Emin Pascha und sonstige srühere Forschungs-reiscnde Zentralafrikas haben nie den Boden dieses Landes betreten. Sogar den Negern und den Arabern der nachbarlichen Gegenden blieb das Land geschlossen, denn unter allen umwohnenden Völkern galt bciS Sprichwort: Man kann wohl in Ruanda hineingelangen, aber nicht mehr heraus. Allenthalben wußten die Umwohner zu erzählen: „In Ruanda herrscht ein fürchterlicher König, der launenhaft verfügt über Leben und Tod seiner Untertanen und der diese unbeschränkte Herrschergewalt dazu gebraucht oder vielmehr mißbraucht, alle vor sich im Staube kriechen zu lassen. In Ruanda gibt es Berge, die mit wüstem Gebrüll Feuer und Rauch ausspucken." Und so gab es noch mehr Märchen. Nun wir aber trotz aller Furchteinjagung bis hierher vorgedrungen sind, wissen wir, daß alle diese Gerüchte stark übertrieben sind. Dennoch muß ich gestehen: Ruanda ist kein Land wie die meisten anderen Länder in Mittelafrika. Der König hier-selbst ist, im Gegensatz zu so vielen unbedeutenden kleinen Fürsten in Afrika wirklich ein großer Potentat mit schrankenloser Macht über alles, was sich in seinem Lande vorfindet. Gewöhnlichen Sterblichen steht er nicht Rede, sie bekommen ihn nicht einmal zu Gesicht und nur die Reichsgroßen haben Zugang zu ihrem Herrn und Gebieter. Was die grollenden Berge betrifft, man findet wirklich im Norden des Landes Vulkane, aber die sind selbstverständlich nicht gefährlicher als die feuerspeienden Berge in anderen Teilen der Welt. Graf v. Götzen, heutiger Gouverneur von Deutsch-Ostafrika, war der erste Europäer, der sich in das unbekannte Ruanda hineinwagte. Im Januar 1894 verließ er die Ostküstc Afrikas und kam im Dezember desselben Jahres an die Mündung des Kongoflusses. Er hatte das äquatoriale Afrika in seiner ganzen Breite durchquert und somit auch Ruanda durchkreuzt. Msgr. Hirth faßte im Jahre 1899 den Entschluß, in diesem unbekannten Ruanda eine Mission zu gründen. Im Novembermonat reiste er aus Bu-kumbi ab; er gelangte durch Urundi nach der Tänganika-Küste und erreichte nach unsäglichen Schwierigkeiten endlich im Februar 1900 die Gegend, wo wir jetzt unsere Mission haben. Der König oder vielmehr derjenige, der sich für den König ausgab, empfing ihn sehr gut. Aber den wirklichen König bekam er nicht zu sehen. Man wies unserem Bischof Jsavi als einen für unseren Zweck sehr geeigneten Ort an und mit Recht, denn ist auch das ganze Land stark bevölkert, von Jsavi kann gesagt werden, daß nur wenige Gegenden in Europa eine stärkere Bevölkerung tragen als dieser Landstrich. Ruanda grenzt im Norden an Mpororo, im Westen an den Kivusee und den belgischen Kongo, südlich an Urundi und östlich an Karagwe; es bildet also die äußerste Nordwestspitze Deutschostafrikas. Ruanda ist zudem ein Gebirgsland, wie vielleicht kein zweites in der Welt. Wenn man bei heiterem Himmel auf einem der höheren Berggipfel steht, hat man ungemein prächtige Fernsicht. Zu allen Seiten erblickt man dann Bergspitzen mit dunkelgrünen Bananenpflanzungen gekrönt. Eine Ebene, die eine Stunde lang ist, hat man Mühe, hier int Lande zu finden. Jeder Berg ist ein Dorf und diese Dörfer oder Berge sind voneinander getrennt durch ein Tal oder eine tiefe Bergschlucht. Pumpen oder Regenbehälter sind hier natürlich unbekannte Sachen. Die Wasserbehälter dieser Gegenden sind erwähnte tiefe Schluchten, wo das Wasser aus den Bergivänden herausträufelt und sich in den untersten Tiefen ansammelt. Wassertragen ist hier, im Gegensatze zu den Bräuchen in anderen Negerländern, die Arbeit der Männer und dies ist auch ganz richtig, denn einer schwachen Frau mürbe es recht schwer fallen, einen schweren Krug auf dem Kopf über diese schroffen- schmalen Bergsteine hinaufzuklettern. Bäume werden hier fast garnicht vorgefunden, außer den sogenannten Jmana, d. h. Gruppen „heiliger" Bäume, Orte, wo die heidnischen Bewohner dann und wann eine Art von Opfern darbringen, mit die Manen ihrer daselbst begraben liegenden Ahnen zu ehren. Mitunter sind diese Haine die Aufenthaltsorte der früheren Könige, die als wahre Hirtenfürsten mit ihren großen Viehherden von einem Ort zum andern ziehen, je nachdem ihre Rinder dies erforderlich machen. Die Wohnungen der Herdenbesitzer sind hier im Lande stets umgeben von einem Pflanzenzaun und bei königlichen Wohnsitzen dazu noch mit Bäumen. Daher geschieht es nicht selten, daß, wenn der „Palast" auch schon längst zusammengestürzt und sogar ganz verschwunden ist, daß die allmählich sich ausdehnende Baumgruppe noch immerhin die Stelle einer ehemaligen Residenz andeutet. Solche Haine und alles, was in deren nächster Umgebung wächst, werden als Heiligtümer geehrt. Wehe dem, der sich getrauen sollte, seine frevlcrische Hand danach auszustrecken! Doch muß die Versuchung, es dennoch zu wagen, wohl recht groß sein, da ja, wie schon erwähnt, ein großer Holzmangcl herrscht, denn die Bananenbäume sind zu kostbare Obstbäume, als daß man die Stämme zu Brenn- oder Bauholz hergäbe. Wir selber sind verpflichtet unser Brennholz zu kaufen und die Eingeborenen bedienen sich der Bananenblätter, Gräser, Mtamahalme u. dgl. für ihre Küchcnfeucr. Versteht sich, daß man von solchen leichten Brennmaterialien eine ganze Masse nötig hat, die braunen Bohnen, welche die Haupt-schüssel der hiesigen Neger bilden, zu einem eßbaren Gerichte zu bereiten. Gras gibt es hier allenthalben desto mehr, ist doch das ganze Land sozusagen eine große Bergwiese, stellenweise im Wechsel mit den Bananenpflanzungen und Feldern der Bewohner. In diesen Wiesen weiden Tausende von Kühen und Ziegen. Vor einigen zehn Jahren, als die Rinderpest noch nicht in Ruanda gewütet hatte, soll der Viehbestand Hierselbst groß gewesen sein. Heutzutage besitzen nur noch die Reichen große Viehherden. Die Kühe haben hier famose Hörner, die bisweilen über einen Meter hinaus lang sind. Zusammen mit dem Elfenbein machen diese Herden den Reichtum des Landes aus. Die Bevölkerung unterscheidet sich in Ruanda in zwei scharf getrennte Kasten. Die Batussi bilden die herrschende Kaste und die Bahutu das gemeine Volk. Letztere sind unstreitig viel zahlreicher im Lande vertreten als die Batussi, allein sie haben, gar nichts zu beanspruchen. Ihre Pflicht ist es, den Batussi Steuern zu zahlen und das tun sie meistens dadurch, daß sie ihren Herren Frohndienste leisten. Dennoch sind die Bahutu die ursprünglichen Bewohner des Landes, wohingegen die andern nur Eindringlinge sind, die alle Herrschaft an sich gerissen haben. Die Bahutu (oder Wahutu) sind die wahren Vertreter der Negerrnsse und tragen alle den Negern eigenen Merkmale. Im Vorübergehen schalte ich hier ein, daß ich nur selten Neger gesehen habe, wie man solche in Europa darzustellen pflegt, nämlich Leutchen mit einer platten Doggennase und kochlöffel-ähnliche Lippen, denn durchschnittlich schauen die Schwarzen viel stattlicher aus. Die Batussi verraten den semitischen Ursprung. Jnbetreff der Hautfarbe gleichen sie den übrigen Negern oder haben vielleicht nicht eine so tiefschwarze Farbe, aber ihre Lippen kann man bestimmt dünn heißen und dazu tragen sie eine stark ausgeprägte Judennase zur Schau. Wahrscheinlich entstammen sie dem Norden der Somaliküste. Nun aber haben sie alle Gewalt in den Händen: vom Könige herab bis zu dem geringsten Häuptling, alle sind nahezu ohne Ausnahme Batussi. Alle Neger haben eine Art Religion. Weder ich noch jemand könnte genau sagen, was die Leute alles glauben und tun: ich möchte glauben, daß sie es selber nicht gut wissen. Als eine Kuriosität sei hier erwähnt, daß sie auch einen gewissen Sonntag oder Ruhetag halten. Bei ihnen ist dies jeder fünfte Tag, das macht also im Jahre gut 70 Ruhetage aus. Weil das Land fruchtbar ist und ihre Bedürfnisse gering zu nennen sind, macht bei ihnen ein Ruhetag mehr oder weniger nichts aus. Wie gesagt, nähren sie sich fast nur mit Bohnen und Patatcn und solche wachsen ohne viel Pflege. Die Bananen liefern ihnen eine Bierart, das sogenannte Bananenbier; ein Ziegenfell ist ihr Kleid, eine Strohhütte ihre Wohnung. Und wenn sie dazu nun noch Bohnen oder Pataten haben, so brauchen sie weiter nichts. Weshalb sollten sie sich denn abquälen, umsomehr, da die Neger sich nicht darauf verlegen, sich ein unbekümmertes, sorgenfreies Alter zu sichern. Sie denken: „Kümmern wir uns nicht um ungelegte Eier!" Mission unö Kultur. ^as überhaupt die katholische Kirche für das Studium der Sprachen getan, läßt sich kaum sagen. Am Anfang des Mittelalters dichteten die Klosterschüler lateinisch, griechisch, spanisch, hebräisch. Die Bemühungen Karls des Großen und seiner gelehrten Aebte und Bischöfe um das Studium der klassischen Sprachen sind bekannt.>) Das Konzil von Vienne (1311) verordnete, daß an den Universitäten zu Rom, Paris, Oxford, Bologna, Salamanca je •') Vgl. der hl. Wiho: „St. d. N." Nr. 4, S.1I3, 115. I zwei Professoren der hebräischen, chal-d ä i s ch e n, arabischen und g r i e ch i s ch e n Sprache angestellt werden sollten. Wir blicken mit gerechtem Stolz auf die Errungenschaften der vergleichenden Sprachwissenschaft. Wir halten sie als das beste Kind des 19. Jahrhunderts. Aber wir täuschen uns. Lange bevor W. v. Humboldt mit seinem Sprachensystem an die Oeffentlichkeit trat, hatten katholische Missionäre sich mit gleichen Ideen getragen. Die Aufstellung der malayischen und polynesischen Sprachfamilie war 236 Mission und Kultur. schon längst gemacht. Das Vaterunser diente fast immer zur Vergleichung der einzelnen Idiome. Die Kirche war schon durch ihre Lehrmethode gezwungen, diesem-, Punkte ihre Aufmerksamkeit zuzuwenden. „Da das Christentum", sagt Benfey, „im Anfang seiner Geschichte nur durch die Macht des Wortes, insbesondere der heiligen Schriften sich zu verbreiten vermochte, mußte es sie in die Sprache aller Völker übersetzen, zu denen es drang. Dadurch erhielten diese in ihrer Sprache Bücher, welche bei der Einheit der christlichen Gemeinden den Gebildeten wie den Ungebildeten unter ihren Mitgliedern gleich heilig waren und daher auch jene zu dem Gebrauch der Volkssprachen zurückführten. Wie alle Menschen auf das Christentum gleiche Berechtigung empfingen, so auch alle Sprachen und damit war der Bann gebrochen, welcher der weitern (von Plato, Aristoteles und den Alexandrinern) angebahnten Entwickelung der Sprachwissenschaft so verderblich zu werden drohte." Was die Kirche für die Geschichtswissenschaft und deren Dienerinnen geleistet, spricht für sich selbst. Jeder aufrichtige Forscher zollt ihr auf diesem Gebiet das verdiente Lob. Ihren Einfluß bei Abfassung und Ausübung menschlicher R e ch t s s a tz u n g e n werden wir noch unten antreffen. Ihr Wirken auch zur Beseitigung der leiblichen Krankheiten möge nur angedeutet sein durch den Hinweis, daß die größten Mediziner aller Zeiten gläubige Katholiken gewesen sind. Was insbesondere die Priesterärzte von Salerno gewirkt, steht über jeder hämischen Verunglimpfung. Italien, das katholische Italien des Mittelalters, war bekanntlich die Lehrmeisterin in der Arzneikunde für alle andern Völker. Die Mönche haben Spitäler errichtet und die Heilbäder der leidenden Menschheit geöffnet. Erinnert sei bloß an Baden-Baden'), Marienbad, Pfäfers, Pyrmont, Rippoldsau, Peterstal, Griesbach. Nur auf ein Feld müssen wir noch etwas ausführlicher hinweisen, weil man die Kirche hier vielfach mit dem Hemmschuh zu vergleichen beliebt. Manche glauben gar im Ernste, es sei ein innerer, notwendiger Widerspruch vorhanden zwischen den Anschauungen unserer hl. Kirche und den Forderungen der sogenannten „exakten" Wissenschaften. Ein inniges Glaubensleben ist nach ihrer Meinung vollkommen unvereinbar mit den „voraussetzungslosen" Forschungen des Naturwissenschaftlers und es scheint fast, als ob sie absichtlich mit ihrer Glaubenslosigkeit ') Baden-Baden wurde in der Völkerwanderung vernichtet, aber von den Benediktinern zu Weisenfels wieder aufgebaut. sich brüsten, um als größere Gelehrte zu erscheinen Daß solche Leute sich um die Vergangenheit nicht kümmern, ist klar. Aber daß sie — ganz abgesehen von ihrer Unkenntnis dcS katholischen Glaubens — auch keine Augen für das religiöse Leben der Gegenwart haben, ist nicht minder augenscheinlich. Schon der Blick in eine Symbolik oder Heiligenlegende könnte sie eines bessern belehren. Jedenfalls müßte die Kirche eine andere Scheu vor der Natur haben, wäre sie solcher Art, wie man vorgibt. Aber es muß doch auffallen, daß niemand so ausgiebig die Natur als Symbol für höhere Wahrheiten verwendet, wie unsere heilige Kirche es tut. Es muß auffallen, in welch innigem Verhältnis gerade die Blüten des Katholizismus, unsere Heiligen, zu der Natur stehen. Es muß auffallen, wenn man anders Augen zu sehen und Ohren zu hören hat, wie oft der Stifter dieser vielgeschmähten Kirche in dem großen Buche der Natur gelesen. Seine Reden geben davon Zeugnis. Er betrachtet die Anemonen, die Lilien und die Goldwurzbüschel (Matth. 6, 28), Luk. 12, 27), sowie den Feigenbaum, der im Frühling seine ersten Früchte bringt (Hohel. 2, 13). Er beobachtet, wie das Getreide gelb wird (Joh. 4, 35), wie die Reben vom Weinstock abgeschnitten werden, damit dieser fruchtbarer sei (Joh. 15, 2), wie die verlorenen Schäflein herumirren (Luk. 15, 44; Joh. 10, 1) und die Herden zum Schafstalle zurückgeführt werden. Er sieht den argwöhnischen Schakal nach seiner Höhle laufen (Matth. 8, 20; Luk. 9, 58) und die Adler und Geier sich sammeln, um ihre Beute zu verzehren (Matth. 24, 28; Luk. 17, 37). Er gewahrt, wie die Sonne des Morgens und des Abends den Himmel rötet, als Zeichen von Sturm oder von heiterem Wetter (Matth. 16, 3) und wie die ausgetretenen Sturzbäche das auf schlechtem Fundamente ruhende Haus fortreißen (Matth. 7, 47; Luk. 6, 49). Und wenn er sich wieder einmal so recht erholen will, dann flüchtet er ebenfalls in die einsame Natur, empor auf die lichten Höhen der Berge, wo er mit den wilden Tieren und den Vögeln des Himmels zusammenlebt. Tausende seiner getreuen Nachahmer folgten seinem Beispiele. „Die Väter der Wüste im Niltal, am Sinai und im Hauran, die Waldbrüder im gallischen und germanischen Abendlande trieb ein leidenschaftlich starker Zug zur Natur, dem menschlichen Verkehr zu entrinnen. Unter den Motiven, womit die Lobredner des monastischen Lebens, wie Basilius, Hieronymus, Gregor dasselbe zu empfehlen, oder seine Schutzredner, wie Athanasius, Chrysostomus, Eucharius dasselbe zu verteidigen suchen, spielt die Schönheit und Lieblichkeit der ein- s a m e n Z u f l u ch t s st ä t t e n, wo fern vom Gewühl der verderbten Welt das Lob des Herrn gesungen wird, eine keineswegs geringe Rolle. Es ist nicht bloß der Reichtum biblischer Erinnerungen, den die Stätten des Heiligen Landes darbieten, sondern auch seine stille landschaftliche Schönheit, was Hieronymus als Mittel zur Weckung von Sehnsucht nach den Einsiedeleien desselben zu verwenden weiß . . . Ambrosius redet von den mit Einsiedelhütten besäten Inseln des Mittelmeeres als von einer Perlenschnur, die Gott über das Meer dahingeworfen; der auf ihnen ertönende Hymnen-Gesang mische sich mit dem sanft murmelnden Geräusche der diese glücklichen Gestade bespielenden Wellen." (Zöckler.) Es ist aber ein ganz gewaltiger Unterschied zwischen der Naturanschauung des Altertums und der des Christen. Wo wir immer eine prachtvolle Schilderung der schönen Natur antreffen, zeigt sie sich im Heidentum entweder als Reizmittel der Sinnlichkeit oder als künstliches Prunkstück der Deutsche Geschwister. dichterischen Phantasie. Die gesunde, gemütvolle Auffassung fehlt ihr aber. Das Christentum trägt dagegen das unverkennbare Gepräge an sich, das Göttliche greifbar, sichtbar zu besitzen. Daher auf der einen Seite bei denen, welche vor der Welt fliehen, jenes Auge und jene wunderbare Empfindung für die Schönheiten der Natur, wie wir sie bei der Wahl der Lokalitäten zu Einsiedeleien und Klöstern bewundern, wie sie uns in dem „Sonnengesang" des hl. Franziskus oder in des Dionysius von Rykel Schrift „Ueber die Anmut der Welt und die Schönheit Gottes" und den Betrachtungen eines Heinrich Seusc entgegentritt. Daher anderseits die m y st i s ch -symbolische Behandlung der Natur z. B. int „Dialogus der Kreaturen" und die Unmöglichkeit, bei der Erforschung der Natur auf die Anwendung theologischer Prinzipien und aristotelischen Auktoritnts-glaubens zu verzichten. Man glatibe nun aber ja nicht, daß es damals überhaupt kein wissenschaftliches, „freies" Forschen gegeben habe. „Es wurde damals mit gleichem Scharfsinn beobachtet und verglichen wie jetzt, nur tvaren die Mittel, den Irrtum von der Wahrheit durch sinnliche Beweise zu trennen, nicht in der Uebung oder nicht ausführbar." (Peschel.) Albert der Große betont ausdrücklich, daß auf diesem Gebiete nur das Experiment entscheiden dürfe. (Opp. V. p. 430.) Gerade dieser Mann ist es, der uns so recht zeigen kann, wie eng echter Glaube und wahres Wissen, innige Religiosität und große Naturkenntnis miteinander verkettet sind. Wir dürfen geradezu behaupten, wäre Albertus nicht ein so überzeugungstreuer und eifriger Katholik gewesen, er hätte sich niemals den Namen des Großen verdient. „Es ist ein merkwürdiger Anblick", sagt Dr. Erd-mann, „wenn inan als Schüler zu Füßen des Erz Heiden Aristoteles den großen Kirchenlehrer sitzen sieht, der (als wäre Aristoteles noch nicht unchristlich genug), ihn sich von Antichristen kommentieren, von Juden interpretieren läßt und dann mit gleicher Ehrfurcht Bibelsprüche, Lehren des Aristoteles, Aussprüche der Kirchenväter, des Avicenna und des jüdischen Arztes David anführt, um die Wahrheit der katholischen Lehre 5 it beweisen. Merkwürdig, aber nicht unbegreiflich; denn es handelt sich eben darum, den ganzen Kreis derJdeen nichtchristlicher1) Weltweisheit in die Dienstbarkeit des christlichen Geistes zu bringen." (Ueber die Stellung deutscher Philosophen zum Leben. Berlin 1850.) „Wir erkennen an ihm einen Mann, der durch Fleiß und Selbständigkeit der Forschung für seine Zeit in der Geschichte der Naturwissenschaften einen ausgezeichneten Rang behauptet." (Heinrich Ritter.) „Albert der Große zog es durchaus nicht in Zweifel, daß die Oberfläche der Erde bis zum 50. Grad nördlicher Breite bewohnt sei, während noch 100 Jahre früher Endrisi wie Aristoteles den gesamten bewohnten Teil der Erde in die nördliche gemäßigte Zone verlegte." . . . . „In der natura locorum (physische Erdbeschreibung) spricht er über Klima, Sonneneinfallswinkel und Wärme ganz überraschend." (A.v.Humboldt.) Er selbst weist auf seine eigenen Forschungen hin, sowohl stillschweigend, wenn er den Aristoteles widerlegt und dies tut er an hundertmal, als auch mit klaren Worten, wie: „I ch habe s e lb st fleißig beobachtet." (De animalibus p. 137 über Meteor. p. 34, 36, 51, 128. De coel. III 120) und vielmals. Es ist uns hier allerdings nicht verstattet, die zahlreichen Belege aus Alberts Schriften anzuführen, doch das Erwähnte kann genügen, um zu zeigen, das; man eben in den katholischen Zeiten des Mittelalters auch geforscht und zwar ernst geforscht hat. Daß übrigens Albert zu seiner Zeit ') Sollte eigentlich heißen statt „nichtchristlich" — mit der bloßen Vernunft erkennbar, denn eine „nichtchristliche Weltweisheit" gibt es überhaupt nicht. Vgl. oben. nicht der einzige war, der die Naturwissenschaft pflegte, geht schon daraus hervor, daß er in seiner Einleitung zur Physik ausdrücklich darauf hiniveist, es sei bei dieser Bearbeitung der Naturwissenschaft seine Absicht gewesen, nach Vermögen den Brüdern des Dominikanerordens gu willfahren, d i e i h n s e i t mehreren Jahren bäten, ihnen ein solches Buch über die Naturdinge zu verfassen, worin sie eine v o l l k o m m e n e N a t u r >v i s s e n s ch a f t besäßen. Auch weist er vielfach auf die Beobachtungen seiner Freunde hin, die er „wahrhafte Beobachter" nennt, z. B. über Meteor, p. 128. Ebenso erhellt es daraus, wenn er bei den Experimenten über die Absorption des Sonnenlichtes die Bemerkung fallen läß: „Die Alten und viele Neuen kennen die Eigenschaft der Spiegel nicht" (üb. Meteor, p. 135). Das gleiche muß man annehmen, weil er von Apparaten zmn Experimentieren als von allgemein bekannten Dingen spricht (z. B. von dem Erdbebenbläser lib. Meteor p. 98 f.). Schon daraus dürfte es also klar werden, wie so ganz unberechtigt der Vorwurf gegen die großen Männer jener Zeiten ist, als hätten sie in heiliger Einfalt nur den Aristoteles ausgeschrieben. Aber geradeso folgt daraus, daß es ganz falsch ist und nur auf Unkenntnis beruht, wenn der Protestant Bakon von Verulam als der Vater der Erfahrungswissenschaft hingestellt wird. Wer das behaupten kann, hat von den großen Zeitgenossen Alberts, dem Italiener Ristoro, von dem scharfsinnigen Vinzenz von Beauvais, betn mathematisch-strengen Roger 33 a co1) und all den spätern großen katholischen Naturwissenschaftlern Toskanelli, Paccioli, Leonardo da Vinci, Parazelsus und vielen andern überhaupt noch nichts gehört, geschweige denn gelesen. Es ist nicht unsere Aufgabe, die ganze Bedeutung der katholischen mittelalterlichen Gelehrtenwelt für die sogenannten „exakten" Wissenschaften darzulegen. Es genügt uns, daß sie sich überhaupt ernstlich mit solchen Dingen befaßt hat. Darum sei auch nur im Vorbeigehen auf die großen Verdienste hingewiesen, die sich die Kirche auch auf dem Gebiete der Geographie erworben hat. Schon der hl. Boni-fazius erhielt vom Papste den Auftrag, Volk und Land seiner Missionen zu beschreiben. (Bibi. max. ') Roger Baco kennt vielleicht schon unsere Dampfschiffe und Motorwagen: „Es können Schiffe gemacht werden, welche rudern ohne Menschen, sodaß sie wie die größten Fluß- und Seeschiffe dahinsegcln, während ein einziger Mensch sie lenkt, wie wenn sic voll Matrosen wären. Aehnlich spricht er vom Motorwagen. (De secretis operibus artis et naturae cap. 4.) P. P. XIII, 233). Weltkarten waren im aufblühenden Mittelalter keine Seltenheit. Die Missionäre, welche in der Mitte des 13. Jahrhunderts die Mongolei durchquerten und einige Jahre nachher China bereisten, lieferten die ersten verbürgten Nachrichten über das entlegene Morgenland. Vielleicht wurde damals das Studium der Geographie gründlicher betrieben als heutzutage, natürlich soweit es die Mittel möglich machten. Albert der Große tadelt strenge „diejenigen, welche Naturwissenschaft lehren und nichts von der Verschiedenheit der Orte sagen." Er meint, „sie suchen sich nur ob ihrer Unwissenheit zu trösten, indem sie sagen, das brauche man nicht. Man muß bei den Naturdingen die Untersuchung immer bis zu den letzten .Einzelheiten fortführen und ebenso in der Geographie." (Einleitung in de natura locorum.) Wenn wir uns also das Wenige, was wir über die Tätigkeit der Kirche auf diesem Felde gesagt haben, vergegenwärtigen, so dürfen wir zum wenigsten behaupten, daß schon ein innerer Zug unseres Glaubens zur Naturbctrachtung hintreibt, daß innerhalb der Kirche jederzeit die Naturwissenschaft ihre Pflege gefunden und daß schon die großen katholischen GcisteSmänner Albert und Roger, also drei und ein halbes Jahrhundert vor Bacon von Verulam die beiden Fundamentalsätze der modernen Naturwissenschaft aufgestellt haben. Beide betonen eine „ver- nünftige Voraussetzungslosigkeit." Beide fordern das Experiment, nur drücken sic ihre erste Forderung etwas christlicher aus. „Wir haben in der Natur nicht zu erforschen," sagt Albertus, „wie Gott der Schöpfer nach seinem freien Willen die Geschöpfe zu Wundern gebraucht, um seine Allmacht zu zeigen, sondern vielmehr, was in den Naturdingen u a ch den natürlichen Ursachen auf natürliche Weise geschehen könne, (lib. de coelo et mundo p. 75). „W a s ich hier mitteile," erklärt er im sechsten Buche seiner Botanik, „habe ich teils selbst erfahren, teils von solchen Schriftstellern entlehnt, von welchen ich die Ueberzeugung hege, daß sic nur das vorbringen, was sie dur ch eig e n e Ersa hru n g gefunden haben. Denn in solchen Dingen gibt allein die Erfahrung Gewißheit." (Opp. V p. 430.) Wir dürfen aber getrost noch mehr behaupten. Unsere heutige Naturwissenschaft ist ganz das Kind des Christentums, nur daß sie undankbarerweise ihre Mutter beinahe nicht mehr anerkennen will. In der Tat hat aber die Logik der Tatsachen auch hier die großen Geister gezwungen, dieses Verhältnis anzuerkennen. „Die neuere Wi ssen sch a ft," sagt Du Bois-Reymond, „wie parodox dies auch klingen in a g, verdankt ihren Ursprung dem Christentum." So wären wir denn wieder angekommen, von wo wir bei dem flüchtigen Ringlauf durch die Wissenschaften ausgegangen sind. Dort') hat uns der Humanist dasselbe gesagt, was hier der Realist ein-gcsteht: Das Christentum i st die Mutter der Wissenschaft. Aber welches Christentum? Wenn man die religiöse Ueberzeugung der akatholischen Gelehrten prüft, kann die Antwort nicht mehr zweifelhaft sein. Es ist leider nur zu wahr, was einst der große Möhler gesagt hatte: „Solange die protestantische Gemeinde noch lutherisch war, hatte sic keine Philosophie und als sie eine Philosophie hatte, war sie nicht mehr lutherisch. So flieht ihr Glauben die Philosophie und ihre Philosophie den Glauben." Nun versteht man auch, wie David Friedrich Strauß, der bekannte ungläubige protestantischeTheo-logieprofcssor behaupten konnte, „ans dem wissenschaftlichen Boden steht heutzutage der orthodox protestantische Theologe dem rechtgläubigen katholischen ungleich näher als dem Rationalismus oder gar dem spekulativen Theologen seiner eigenen Konfession." Mit Recht hat daher de Maistre bemerkt: „Keine Religion, eine ausgenommen, kann die Probe der Wissenschaft aushalten. Die Wissenschaft ist eine Art Säure, welche alle Metalle auflöst, ausgenommen das Gold." An einer andern Stelle sagt derselbe Denker: „Das Szepter der Wissenschaft gehörtEnropa nur deshalb, iveil es christlich ist." DaS ist also das Verhältnis der Religion zur Wissenschaft. Keine richtige Wissenschaft ohne wahre Religion. Keine wahre Religion ohne richtige Wissenschaft. Aber dies letztere nicht deshalb, weil an und für sich die w a h r e Religion ohne die Wissenschaft im allgemeinen nicht bestehen könnte, sondern weil sie die Mutter der Wissenschaft sein muß. Beide stehen also nicht gleichwertig einander gegenüber. Die Religion ist das erste und notwendige. Darum hat der schon oft erwähnte De Maistre vollauf Recht, wenn er ausruft: „Lehren Sie junge Leute Physik und Chemie, ehe Sie dieselben in Religion und Moral befestigt haben: senden Sie einem rohen Volke Aka- *) Vgl. oben Guizot S. 200. d e m i k e r , ehe S i e ihm Missionäre gesandt haben — und Sie werden den Erfolg sehen." Darin ist aber auch zugleich das Verhältnis von jeder Mission zur Kultur gekennzeichnet. Erkennen wir es daher freudig und mit berechtigtem Stolze an: unsere Wissenschaft ist, soweit sie den Namen wirklich verdient, im Grunde katholisch. Mit Fug und Recht durfte daher der Protestant Herder*) sich dahin aussprechen, daß der Papst besonders in Hinsicht der Wissenschaft mit voller Wahrheit allen zurufen kann: „Ohne mich wäret ihr nicht, was ihr geworden seid." (Fortsetzung folgt.) *) Vgl. dazu „Stern der Neger" Nr. 4, S. 115, 116. Die Glaubensboien öe§ deutschen Volkes. "gfefrits Kcrnijius, ApofteL öer Aeuifchen.*) ^>ic große „Los von Rom"-Bewegnng des 16. Jahrhunderts war bereits im vollsten Gange. Der kecke Augustiner von Wittenberg stand an der Spitze dieser unheilvollen Revolution. Der beklagenswerte Mensch ahnte nicht, daß er eigentlich „der vorgeschobene Mann" jener Partei war, die sich den bedeutungsvollen Namen „Humanismus" beilegte. Es war am 8. Mai 1521, als der neue Kaiser mit seinen Reichsfürsten das bekannte „Wormser Edikt" erließ, welches wider den abgefallenen Mönch die Acht und A b e r a ch t enthielt und Martin Luther als einen Jrrlehrer und Störer des öffentlichen Friedens kennzeichnete. Allein der Brand hatte schon eine zu große Ausdehnung angenommen, um noch in seinen Anfängen erstickt werden zu können. Die Revolution wälzte ihre Wogen im Sturmlauf über die deutschen Gaue und schien das ganze Reich zu verschlingen. Aber der Herr, welcher *) Mit Benützung der schönen Lebensbeschreibung des P. Otto Psüls S. J. den Winden und Wellen gebeut, kennt die Grenzen der Elemente und den Zeitpunkt der eintretenden Ruhe. An dem gleichen 8. Mai 1521 wurde dein Bürgermeister Jakob Kanis der freien Reichsstadt Npmwegen ein Sohn geboren. Das an sich unscheinbare Ereignis war von der göttlichen Vorsehung als eine Segensquelle bestimmt, deren Wasser die rasenden Flammen der kirchlichen und sozialen Empörung soweit als möglich löschen sollte. Der geweckte, anmutige Knabe erhielt von dem Vater eine sehr sorgfältige Erziehung. Zugleich trat früh seine ausgesprochene Neigung zu geistlichen Dingen an den Tag. Oft fand man den Kleinen in einer Ecke des Hauses auf den Knieen liegen und beten. Heiligenbilder machten ihm eine große Freude. Gern ging er zur heiligen Messe und verrichtete dabei mit Vorliebe die Dienste eines Ministranten. Gar häufig spielte er unter seinen Kameraden den „Herrn Pfarrer", sang die lateinischen Gesänge wie der Priester und hielt kleine Predigten. Der fromme Knabe — er hatte in der heiligen Taufe den Namen Petrus erhalten — mar jedoch nicht frei von Fehlern. Seine Lebhaftigkeit artete manchmal in wildes Ungestüm aus. Dann zeigte sich wieder ein gewisser hartnäckiger Eigensinn, der bei Zurechtweisungen und Ermahnungen nicht selten in Empfindlichkeit und Trotz überging. Dabei beherrschte ihn überall ein allzugroßer Hang zu Spiel und Tändeleien. Um ihn an ein ernstes Studium zu gewöhnen, brachte ihn der Vater in einer Privatlehranstalt zu Nymwegen unter. Allein hier herrschte kein guter Geist, was der Vater allerdings nicht wußte und Peter sah sich großen Gefahren ausgesetzt. Aber sein heiliger Schutzengel wachte über ihn. Freilich blieb er von leichter Sünde nicht frei. Die meisten seiner Mitgenossen stammten aus Familien, die weit weniger bemittelt waren als der reiche Bürgermeister von Nymwegen. Außerdem übertraf der junge Kanis seine Kameraden an geistiger Begabung. „So schwoll ihm der Kamm. Er begann über seine Umgebung sich zu erheben, das große Wort zu führen und über vieles keck abzusprechen, was er noch gar nicht verstand." Da gab Gott dem Vater einen guten Gedanken, der mit einemmale alle diese Hindernisse der Charakterbildung des Sohnes entfernte. Mit Ende des Jahres 1535 wurde nämlich der 14jührige Peter an die Hochschule von Köln gesendet, um dort die wissenschaftliche Laufbahn fortzusetzen. Am 18. Januar 1536 wurde er matrikuliert. Köln sollte — eine geringe Unterbrechung abgerechnet — für 10 Jahre seine Heimat werden. Köln war an und für sich nicht der beste Aufenthaltsort für den jungen Studenten, zumal auch die neue Irrlehre in der „heiligen Stadt" frech das Haupt erhob. Doch dem Vater war es genug, seinen Sohn in echt katholischen Händen zu wissen. Damals hatte ein angesehener Domherr und Universitätslehrer eine Burse errichtet, in welcher der junge Kanis Aufnahme fand. Es sollte sein Glück sein. Denn er machte hier die Bekanntschaft eines heiligmäßigen Priesters namens Nikolaus van Esche, dem der Unterricht und die Ueberwachung der Studenten anvertraut war. Ihm überließ sich Petrus vollständig zur geistlichen Leitung. Van Esche übte auf den angehenden Studenten den heilsamsten Eindruck aus. Frei von aller Selbstsucht, zeigte er besonders durch den eigenen Lebenswandel, was der Mensch über seine Leidenschaften vermag. Eine heilige Ruhe strahlte auf seiner Stirne und eine aufopfernde Nächstenliebe sprach sich in jedem seiner Worte aus. Petrus Kanis wollte sich seines Lehrers nicht un- würdig zeigen, aber noch manchmal ließ er sich von der widerstrebenden und lockenden Natur gängeln. „Er liebte die Geselligkeit, liebte Scherz und Vergnügen und gönnte sich gern einen fröhlichen Trunk im Kreise seiner Bekannten." Aber der wachsame Freund und Berater vergaß nicht, den Jüngling tagtäglich an seine hohe Bestimmung zu erinnern. Nicht mit ermüdenden und verletzenden Strafpredigten, sondern durch geschickt eingeflochtene kurze Mahnungen wie: „Nur Gott dienen ist Heil, alles andere Trug", oder „Christus verstehen ist genug, wenn man auch sonst nichts weiß", oder „Christus dienen ist herrschen." Diese frommen Bestrebungen mußten um so eher zum Ziel führen, da auch das übrige Leben des Jünglings nach einem festen Plane geordnet war. Jeden Morgen wurde ein Kapitel aus dem heiligen Evangelium gelesen und erklärt. Dabei legte der seeleneifrige Priester bei seinem jugendlichen Schüler besonders darauf ein Gewicht, daß er sich einen inhaltsreichen Spruch aus der Lesung im Gedächtnis behielt und untertags öfters darüber nachdachte. Da es van Esche überdies verstand, aus frommen Erbauungsschriften Anziehendes zu erzählen und vorzulesen, so fachte er auch in dem jungen Petrus ein heiliges Verlangen nach der Lesung solcher Bücher an. Dieser versenkte sich denn auch bald in das Leben der Heiligen Gottes und mit besonderer Vorliebe in die gottinnigen Betrachtungen der mittelalterlichen deutschen Mystiker. Infolge davon entbrannte in seinem Herzen ein förmliches Feuer reiner 'Gottesminne, welches die früheren Versuchungen immer mehr in den Hintergrund drängte. Das lustige, ausgelasseue Studentenleben gewährte ihm keinen Reiz mehr. Dagegen fühlte er sich in der Nähe erleuchteter Geistesmänner und gottesfürchtiger Personen immer heimischer. In seinem Herzen erwachte das Verlangen nach dem Studium der Theologie. Das Verhältnis zwischen ihm und seinem heiligmäßigen Lehrer gestaltete sich von Tag zu Tag herzlicher. „Niemand war mir teuerer als er; niemand stand meinem Herzen näher," erzählte Kanis noch an seinem Lebensabend, „ich gehorchte auf seine Worte wie ein guter Sohn auf seinen Vater. Es war mir nicht genug, in der heiligen Beichte mein ganzes Herz vor ihm auszuschütten, wie ich es häufig tat; jeden Abend, bevor ich schlafen ging, bekannte ich ihm mit voller Offenheit alle Fehler, Torheiten und Sünden, die ich auf dem Gewissen hatte, um ihm über meine Verirrungen und mein ganzes Tagewerk Rechenschaft abzulegen und, wenn er es so verlangte, auch eine Buße dafür auf mich 242 Die Glaubensboten des deutschen Volkes. zu nehmen." — Aber auch der Lehrer mar gegen den guten Jüngling voll zärtlicher Sorgfalt und Liebe. „Er betete viel für ihn, munterte ihn auf, warnte ihn vor Gefahren; bald lobte er ihn, bald zeigte er sich seinetwegen betrübt." Und war Kanis in den Ferien, so schickte ihm der gute Lehrer zuweilen ein „frommes Brieflein", uni ihn in seinem eifrigen Streben zu erhalten. Einmal jedoch hatte es dem Studenten zu Hause gar zu gut gefallen: die Zeit der Rückreise kam, sie verstrich, Petrus aber blieb noch immer aus. Allein der wachsame Führer kannte seinen Peter und dessen Schwachen zu gut, um den Grund des Ausbleibens nicht sogleich zu erraten. Er machte sich auf den Weg und eines schönen Tages erschien er zur größten Ueberraschung Peters plötzlich im Hause des Bürgermeisters zu Nymwegcn, um das verlorene Schäflein in eigener Person zur Pflicht zurückzuführen. Jetzt begann das Streben nach Wissenschaft und Heiligkeit von neuem, nur mit noch größerem Eifer. Es war dies eine wichtige Zeit. Einerseits trat ihm die große Frage der Standeswahl immer näher, andererseits waren diese Tage eine überaus fruchtbare Vorbereitung auf seinen späteren Ordens- und Missionsberuf. Denn unter den Hauptlehren des frommen Lehrers standen Selbstüberwindung, Anspruchslosigkeit und Liebe zur Entsagung obenan, Tugenden, die dem Missionär unumgänglich not-wendig sind und besonders auch in jener Zeit notwendig waren, wo man alles Gute verfolgte und alles Heilige in den Kot zog. — Petrus warf sich denn auch mit großem Eifer auf die Uebung dieser Tugenden. Besonders waren es die Freigebigkeit und Selbstentsagung, worin er sich schon damals hervortat. Während der Fastnachtstage saß er einst mit fröhlichen Genossen beim Abendessen. Da trat ihm plötzlich die ausgelassene Genußsucht, der sich Viele in diesen Tagen hinzugeben pflegen, vor die Seele. Kanis schob sein Glas beiseite und beschloß, an diesem Abend keinen Tropfen Wein mehr zu trinken, um so dem Herrn eine kleine Genugtuung zu leisten. Daß dieser Fall nicht allein dasteht, ist wohl klar. Um sich in diesem Eifer zu erhalten, um nicht wie leider so manche, nach gutem Anfange wieder allmählich nachzulassen oder gar alles aufzugeben, hielt er sich oft das kurze, kernige Wort „Halte fest" vor Augen. Auch sein großer Seeleneifer begann sich in diesen Tagen immer mehr und mehr zu entwickeln. Es war ein junger Mann aus Lübeck nach Köln gekommen. Dieser war bereits von der neuen Lehre angesteckt, fand aber durch Gottes Fügung im selben Hause des Domherrn Aufnahme. Gleich begannen van Esche und Kanis in heiligem Wetteifer den jungen Mann an sich zu ziehen und von seinen falschen Grundsätzen zu heilen. Bald war derselbe gewonnen. Er wurde jetzt der vertrauteste Freund Peters und ist niemand anderer als der durch seine Schriften rühmlichst bekannte P. Laurentius Surius, ein frommer und gelehrter Karthäusermönch. Mit diesem neuen Freunde kam Kanis auch wiederholt in die Karthause von Köln, wo sie immer mit Liebe und Freundschaft aufgenommen wurden. Alles, was sie da sahen, besonders die ernste Sammlung und Andacht der Mönche machten auf sie einen tiefen Eindruck. Es zog sie förmlich zur Karthause hin, ja es kam ihnen gar der Gedanke, hier einzutreten, hier in dieser lieblichen Einsamkeit sich Gott zu weihen. Aber nur dem Freunde war das Glück beschicden, für Kanis hatte die Vorsehung bereits andere Wege gezeichnet. Auf sein anhaltendes, inbrünstiges Gebet um Erleuchtung für diesen wichtigen Schritt hatte ihm Gott zu erkennen gegeben, daß er für die Karthause nicht berufen sei. Zum wenigsten lenkte er es so, daß es nicht zum Eintritt kam. Dazu kamen noch zwei merkwürdige Begebenheiten. In Brabant hatte ihm eine fromme Dienerin Gottes mit der Zuversicht einer Prophetin versichert, er sei berufen, durch sein Wirken und seine Schriften der Kirche große Dienste zu leisten. Noch Merkwürdigeres war ihm in Arnheim begegnet. Dort lebte eine tugendrciche Witwe, der das Volk besondere Erleuchtungen zuschrieb. Diese sagte, es werde in der Kirche ein neuer Priesterorden entstehen. Durch diesen werde Gott schlichte aber rechte Arbeiter in seinen Weinberg senden; diesen werde auch Petrus sich anschließen. Um diese Zeit, am 25. Mai 1540, erlangte Kanis die Magisterwürde der freien Künste und so mußte er sich für ein bestimmtes Berufsfach entscheiden. Sein Vater wünschte, er solle das Recht studieren. Petrus ging darauf ein. Jahrs zuvor hatte er schon in Löwen kanonisches Recht gehört und so begann er jetzt in Köln mit dem Studium der „Institutionen." Auf den zweiten Wunsch des Vaters, daß er sich vermähle, sagte Kanis entschieden nein. Es war das eine schwere Sache, aber Gott stand ihm zur Seite. Um all dem widerstehen zu können, legte Petrus im Geheimen das Gelübde ewiger Jungfräulichkeit ab. „Was 11.000 Jungfrauen vermochten, meinte er, warum sollen das Männer nicht können?" Noch im hohen Alter dachte er mit Freuden daran zurück. „Ich habe dieses Gelübde niemals bereut," sprach er. „O wüßten doch keusche Jünglinge," so fuhr der Greis fort, „rote reich sie sind! Mit welch wachsamer Sorge würden sie den goldenen Schatz der Keuschheit in seiner Unversehrtheit mit sich tragen und behüten. Wie entschlossen würden sie im Kampfe um denselben ausharren; wie strenge würden sie den innern Feind, der im eigenen Fleische droht, bewachen und unterdrücken!" Jetzt gab Kants die Jurisprudenz auf und griff nach dem Studium der Theologie. Dabei wurde er mit einem spanischen Priester namens Alvaro Alfonso bekannt. Dieser erzählte ihm oft von einem gewissen Petrus Faber, der seit einiger Zeit in Mainz eine segensreiche Tätigkeit entfaltete. Es war dies der erste deutsche Priester aus der neuentstandenen Gesellschaft Jesu. Als Kants dies alles hörte, dachte er unwillkürlich an die Worte jener alten Witwe. So reiste er nach Mainz, Der selige Faber durchschaute die edle Seele dieses Mannes gleich; er gab ihm die „Geistlichen Übungen" in ihrer vollen Strenge und Dauer von 30 Tagen, nahm ihn in die Gesellschaft auf und schickte ihn wieder nach Köln zurück. Niemand merkte dort dem neuen Novizen etwas an. Er führte die Studien regelmäßig weiter, übte aber nebenbei mit einigen andern mit großem Eifer die Verrichtungen eines Novizen. Besonders eifrig suchten sie die Kranken heim; selbst im eigenen Zimmer beherbergten sie Arme. Unterdessen kam auch Faber nach Köln. Es war dies recht gut, denn in manchen Punkten tat es not, dem Üebereifer der Novizen Zügel anzulegen. Auch bedurften sie gar sehr des Rates und der Stütze, denn düstere Wolken drohten der so unschuldigen Vereinigung dieser Studenten. Dazu wurde im gefährlichsten Augenblicke ihnen Fabcr, den Kanisius fortan wie einen Vater liebte, entrissen und so waren sie auf sich selbst angewiesen. Auf das Betreiben der Neuerer wurden sie jetzt aufgefordert, die Stadt zu verlassen. Ja, es kam soweit, daß die Häscher sie ergriffen, um sie ins Gefängnis abzuführen, was jedoch die Dazwischenkunft eines angesehenen. Freundes verhinderte. Unterdessen trat ein Behördenwechsel ein und der Sturm ging glücklich vorüber. Auch der entgegengesetzte Versuch, Kants für die Universität zu gewinnen, scheiterte an dessen Standhaftigkeit. Zu den Kämpfen dieser Zeit kam noch der Tod des geliebten Vaters in Nymwegen. Auf die Nachricht von dessen Erkrankung war Kants sofort nach Hause geeilt. Aber im Augenblicke, da er eintrat, verschied der gute Vater. Petrus hielt ihn immer in dankbarem Andenken. Am 20. Dezember 1544 wurde Kants zum Diakon, 1546 zum Priester geweiht. Schon früher hatte er die Priester im Predigtamte unterstützt. Seine Predigten fanden großen Anklang. Jetzt übernahm er cs regelmäßig in einer benachbarten Priestergemeinde. Da war es auch, wo er den Häretikern zum erstenmal entgegentrat. In der folgenden Zeit gab er die Werke des hl. Mrillus von Alexandrien und des hl. Leo des Großen zur Verteidigung der großen Kirchenlehrer heraus. Bald aber wurden ihm seine Seelsorgsnrbeiten vom Generalobern untersagt. Er sollte sich mehr aufs Studium verlegen. Kanisius, folgsam wie ein Kind, gehorchte sogleich. Aber auch die Studien mußte er wieder unterbrechen. P. Bobadilla rief ihn zum Reichstag nach Worms, wo er unter anderem den großen Kardinal Otto Truchseß von Augsburg kennen lernte. Dann mußte er mit Kaiser Karl V. wegen des unglücklichen Erzbischofs von Köln verhandeln. Dieser war den Jrrlehrern in die Hände gefallen und wollte gewaltsam die neue Lehre in die Diözese einführen. Er war es auch, der darauf gedrungen hatte, daß die Novizen vertrieben werden sollten. Es kam aber umgekehrt. Ein drittesmal mußte Kants in gleicher Angelegenheit zum Erzbischof nach Lüttich. Auch diesmal löste er alles zur größten Zufriedenheit. Kaum zurückgekehrt, mußte er nach Ulm zum Kaiser, von wo er als Theologe des Kardinals Truchseß zum Konzil von Trient geschickt wurde. Er reiste anfangs Marz 1547 über Padua nach Bologna, wohin das Konzil verlegt worden war. Er arbeitete da mit viel Eifer und Geschick und trat auch wiederholt als Redner auf. Während einer Unterbrechung folgte er dem berühmten P. Laincz nach Florenz, von wo ihn der heilige Jgnazius nach Rom berief. Kanisius zählte jetzt 27 Jahre; 4 Jahre waren bereits verflossen, seitdem er sich der Gesellschaft Jesu angeschlossen hatte. In Arbeiten aller Art hatte er sich bewährt, war mit den einflußreichsten Männern in Deutschland bekannt geworden und dennoch ließ ihn Jgnazius erst nach drei Wochen zum gemeinschaftlichen Leben zu. Willig ließ Kanisius alles mit sich geschehen. Mit Anfang März 1545 war die letzte Probezeit aus und Kanisius sollte wieder zur Arbeit ausgesendet werden. Wäre es auf ihn allein angekommen, er .wäre gleich nach Deutschland geeilt, dessen Rettung seit Jahren „daS Anliegen seiner Seele" war. . Vor allem zog es ihn nach dem lieben Köln. Seine Zeit war jedoch noch nicht gekommen. Der Gencralobere bestimmte ihn nämlich für Sizilien und legte ihm eine diesbezügliche Frage vor. Kanisius reichte ihm sogleich schriftlich das Gelübde ein, überall wolle er hingehen, wo es der Obere wünsche und nie wolle er um das Antt fragen, das ihm auferlegt werde. Auch als Koch, als Gärtner oder Türhüter würde er bereitwillig überall hingehen. Wie ernst er es mit dem Gelübde nahm, zeigt sein späteres Leben. Nach einer ermutigenden Audienz beim Papst Paul III. schiffte er sich ein. In Messina angelangt, gab er sich mit ganzem Herzen den neuen Arbeiten hin. Er lebte ganz für seine Rhetorikschule, für die Stadt- und Hochschule von Messina, ja für ganz Sizilien. Auf eine Rückkehr nach Deutschland wagte er gar nicht zu hoffen. Seine Liebe für dasselbe war aber in der Ferne eher noch gewachsen. Die Rettung Deutschlands, das war sein Sehnen, sein Gebet bei Gott. Schrieb er einen Brief an den Generalobern, so konnte er es nie unterlassen, für das arme Deutschland Fürsprache einzulegen, so daß ihm derselbe einst die kleine Rüge oder vielmehr das Lob zugehen ließ, daß er „seines Deutschland" noch immer soviel gedenke. (Fortsetzung folgt.) 1 Gama el-Uzhar. SVm Jahre 969 der christlichen Zeitrechnung er-5x9 oberte Djohar, der Feldherr des fatimidischen Sultans Muizz, die Stadt Fostal, das heutige Alt-Kairo. Unweit der besiegten Stadt legte er nun eine neue Residenz an, welche den Namen Masr el-KahiraH erhielt. Kairo wurde zur Hauptstadt des fatimidischen Reiches erhoben und erwarb sich rasch eine hervorragende Stellung. Schon unter des Muizz' Sohn und Nachfolger Azir Billah wurde die Gama e l -Azhar?), eine noch von Djohar gebaute Moschee, zur Universität erhoben. In dem Zeitraum von beinahe 1000 Jahren hat dieses, man kann säst sagen, wichtigste Gebäude des Muharnmedauismus durch Um- und Anbau allerdings vielfache Änderungen erlitten. Aber trotzdem läßt sich die Urform des 10. Jahrhunderts noch gut unterscheiden. Da diese ursprüngliche Anlage die Grundform der Moscheeubauteu überhaupt ist, so müssen wir uns zuerst einige Kenntnisse über die leitenden Gedanken bei der Herstellung einer Gama im allgemeinen verschaffen. Hjer ist nun vor allem auf zweierlei hinzuweisen. Einmal besitzt der Muhaminedanisinus kein oder nur ein sehr unvollkommenes Kunstvermögen. Seine einseitig auf die Spitze getriebene Gottesidee, unselbständig und wunderlich, hat im Verein mit einer regel- und zügellosen .Phantasie jede gesunde Aus- 0 Masr ist der alte Name für Aegypten; Kahira heißt s iegr e ich. 2) Gama — Moschee; Azhar — blühend. bildung eines Kunststiles verhindert. Sodann ist der Tempel des Islam kein „Gotteshaus", sondern ein „Bethaus" in der weitesten Bedeutung des Wortes. Einen eigentlichen Kultus kennt die Religion des Propheten nicht. Das eine Ziel, das dem islamitischen Meister vor Augen schwebt, besteht in der Herstellung eines vom Lärm des Tages abgeschlossenen Raumes. Daher sind die ältesten Moscheen, wenig mehr als ein von Säulen umgebener offener Hof. Erst eine spätere Zeit umgab denselben mit geschlossenen Gebäuden. Hauptbedingung aller Moscheen aber ist, daß die Hauptmauer im Innern, der man sich beim Gebete zuwendet, die Richtung nach Mekka habe. Das Heiligtum einer solchen Gama, das heißt der hauptsächlichste Gebetsraum, führt den Namen Maksura oder Liwan. In den älteren Moscheen wird er durch mehrfache Süulenstellungen gekennzeichnet und meist durch ein Gitter von den übrigen Hallen geschieden. Die Mauer des Liwan enthält zugleich in einer Nische die sogenannte Kibla oder Mikrab (Gebetsnische). Rechts von derselben, meist in einer von 4 Säulen getragenen Kuppel, steht der Mimbar (Kanzel), von welcher der Imam zu den Gläubigen redet. In der Nähe von Kibla und Mimbar erhebt sich der Kurst, eine Art Pult, von betn aus Freitags vor dem Gebet der Koran verlesen wird. Der Kibla in einiger Entfernung gegenüber ist die sogenannte Dikke. Es ist dies eine hölzerne oder steinerne, auf Säulen ruhende Tribüne. Manchmal hat sie auch die Form eines Balkons, angelehnt an die der Kibla entgegengesetzte Wand. Auf der Dikke nehmen die Moballigh, die Gehilfen des Imam, Platz und wiederholen den Fernerstehenden die Worte des Koran. Der Fußboden des Liwan ist mit Matten und Teppichen bedeckt. Vor dem Heiligtum liegt der offene Hof, Sahn-el-gama genannt. In seiner Mitte befindet sich der absolut nothwendige Hanefiye, ein Brunnen mit laufendem Wasser für die religiösen Waschungen. Ein Brunnen mit stehendem Wasser, die Medae, liegt meist seitwärts vom Sahn - el - gama, in der Mitte eines kleinen Nebenhofes. An den Wänden dieses Nebenhofes sind die in keiner Moschee fehlenden Kunf (Abtritte) angebracht. Die Zweizahl der Brunnen hat ihren Grund darin, das; die orthodoxen Sekten des Islam verschiedene Gebräuche bei den Waschungen haben. Die Anzahl der Türme (Minarete) ist ganz dem Belieben des Erbauers anheimgestellt. Was die Bauart selbst anbelangt, so ist vorher schon angedeutet worden, das; ihr jeder ausgeprägte Charakter fehlt. Selbst die bestenNach-ahmungen leiden an diesem Fehler. Dazu kommt noch, das; die zu den Moscheenbauten notwendigen Säulen aus aller Welt Enden zusammengeschleppt wurden und zwar ohne Rücksicht auf Symmetrie und den verschiedenen Stil der Kapitülc. Waren die Säulen an sich zu kurz, so erhielten sie einfach einen rohen Aufsatz oder es wurde ihnen unten ein Sockel unterschoben, bis sie eben die Höhe der Deckbalken oder Bogen erreichten. Was trotzdem bei den arabisch-ägyptischen Bauten als eigentümlich erscheint, ist neben der Schlankheit der Formen die besondere. Ausbildung der Flächenüberkleidung neben den ge- gliederten Profilen und Gesimsen, sowie das teppich-und geflechtartige der Ornamentik. Im Außenbau der Moscheen überwiegen die langen, glatten Wandflächen, in welchen sehr hohe und schmale Nischen für die Fenster und Tore angebracht sind. Den Portalen, deren Nischen meist die ganze Höhe der Fassade haben, sowie 'den Toren wird eine besondere Sorgfalt zugewendet. Die Fenster sind häufig einfache Rechtecke, in deren Rahmen aber gelegentlich sehr mannigfaltige und selbst fantastische Arkaturen Verwendung finden. Bogenfenster erscheinen gern zu zweien oder mehreren verbunden und von einer Rosette gekrönt. Hie und da sind die Fenster mit einem sehr zierlichen Gitterwerk verschlossen. Das Gesims des Gebäudes ladet sehr wenig aus und steht in der Regel in entschiedenem Mißverhältnis zur Höhe der Mauern. Im Innern der Moschee interessiert besonders der zu reichster Verwendung gelangte Arkadenbau. Dom gewöhnlichen Rundbogen begegnet man selten, desto häufiger dem Spitzbogen, manchmal mit leichter Hinneigung zu jener Hufeisenform, die bekanntlich in der maurischen Architektur die vorzüglichste Ausbildung erfahren hat. Gewölbe sind ebenfalls selten anzutreffen. Auf den Arkaden ruht die flache, häufig k a s s e -tierte Decke. Den Uebcrgang zu dieser von den glatten Mauerflächen vermittelt ein Schriftfries, bei welchem sich die der Arabeske nahekommenden Züge der kufischcn Schrift (altarabisch) besonders wirkungsvoll erweisen. Oft bildet auch ein Stalaktitengesims den Uebcrgang. Letzteres tritt besonders da auf, wo es sich, wie beim Kuppelbau, um den Uebcrgang vom Quadrat zum Kreis handelt und ist von der Moschee Kama cl-JIzbar in Kairo. arabischen Architektur zu mannigfaltigster Ansbildung gebracht. Bei der Auszierung, die sich in der Nach-ahmung des Gewebeartigen gefällt, spielen neben dem eben erwähnten Schriftfries vor allem geometrische Figuren und das Blätterwerk die Hauptrolle. Gern erscheinen sie vielfarbig; doch ist die Anwendung der Farbe maßvoll. Die Malerei hat sich als selbständige Kunst so wenig entwickelt wie die Bildhauerei. Beide sind nur Handlanger der Baukunst und beschränken sich dieselben auf die Ornamentik der Wandflächen. Einen Grund für diese Nichtausbildung kann man vielleicht darin suchen, daß beiden Künsten die Darstellung der menschlichen Gestalt durch den Koran untersagt ist. Alle diese Punkte, welche wir von der Moschee im allgemeinen angeführt haben, gelten auch im wesentlichen von der Gama el-Azhar, die wir noch etwas näher ins Auge fassen wollen. Diese Moschee ist zugleich Zentrum und Brennpunkt des religiösen und des gesamten wissenschaftlichen Lebens des Muhammedanismus, da hier die Studenten aus der ganzen islamitischen Welt zusammenkommen. Daher ist hier für den Fremden auch eine besondere Zurückhaltung gefordert. Da die Moschee zum Teil von Häusern umgeben ist, kann man von außen nur die Minarete etwas genauer sehen?) Diese Minarete sind sehr verschieden gebaut. Alle jedoch verringern sich von Stockwerk zu Stockwerk. Dabei gehen einige vom Quadrat der Grundfläche ins Vieleck* 2 3 4) oder in den Zylinders über. Andere wieder spalten sich in zwei kleinere Minarete und kehren dabei vom Vieleck zum Viereck zurück?) Die Minarete haben mehrfache Gallerten, von welchen die Mucddin den Gläubigen die Stunde des Gebets verkünden. Die Bedachung der Minarete ist ebenfalls sehr verschieden. Häufig eine Kuppel, nach deren verschiedenen Umfängen, auch kugelförmig und so der spitzen Mütze der Derwische gar nicht unähnlich. Im klebrigen zeigt sich in diesen Minareten das Können der Baumeister von der vorteilhaftesten Seite. Einige derselben sind wahre Pracht-stücke. Auch die Kuppeln, rein halbkreisförmig oder stark überhöht, einfach glatt oder gerippt verdienen Beachtung. Die Gama el-Azhar besitzt im ganzen sechs Eingänge. Wir treten durch den westlichen ein und gelangen zunächst in ein großes Vestibül. Es ist dieses eigentlich eine große Barbierstube, denn hier !) Siehe unser Bild Seite 245. 2) Siehe unser Bild, die drei Minarete links. 3) Siehe unser Bild, das letzte Glied der beiden Minarete rechts. 4) Siehe unser Bild, das erste Minaret links. lassen sich die Studenten den Kopf rasieren. Zu beiden Seiten schließen sich an das Vestibül kleine Moscheen an. Die rechter Hand heißt Masgid Schech Tabarset, die linke Mcsgid Ebthahawije. Allein diese ist eingestürzt, weil die Muhammedaner keine Freunde vom Erhalten sind. Hinter deni Vestibül befindet sich der große Hof mit mehreren Brunnen für die Waschungen. Dieser Hof wird auf drei Seiten von Säulengängen umschlossen, welche durch hölzerne Wände und Gitter in verschiedene Hallen (Riwak) abgeteilt sind. Darinnen stehen Schränke, um die Kolleghefte der Studenten zu bewahren. Zugleich dienen sie auch als Hörsäle, wo die Professoren, Ulema oder Schech genannt, ihre Weisheit auskramen. Die Säulen-stellungen in diesen Riwak tragen über dem Kapitäl einen sehr breiten Würfel und statt der Bogenwölbungen sieht man die Mauer ureigentümlich mit geraden Linien durchschnitten. Auf der vierten, östlichen Seite des Hofes befindet sich das Heiligtum der Moschee. Es bildet zugleich den Hauptlehrsaal und ist neunschiffig, gestützt auf 380 Säulen von Marmor, Porphyr oder Granit, die aus verschiedenen antiken Gebäuden wahllos zusammengeschleppt sind und einen unharmonischen Eindruck machen. Die einzelnen Säulen sind durch hohe Spitzbogen mit einander verbunden. Balkendurchzüge laufen von Bogen zu Bogen, von Schiff zu Schiff und eine ebene Holzdecke bedacht das Ganze. Von der Mitte hängen 1200 Lampen hernieder. Die Moschee bleibt die ganze Nacht offen, infolgedessen herrscht hier eine Art ewige Anbetung. Nur die eigentliche Gebetstelle, die Maksura, wird abends geschlossen. Dieser Hauptraum der Moschee hat 4 Kiblen nebeneinander in der Ostwand, denn es teilen sich in Bethaus und Lehrhaus die 4 Sekten des Muhammedanismus, beziehungsweise die 4 Sekten, in welche die eine große Sekte der Suniten auseinanderfällt : die der Malikiten, der Schafiiten, der Hana-fiten und die der besonders fanatischen Hanbaliten und keine will, daß sich ihr Gebet mit dem der andern vermische. Die Art und Weise der Erteilung des Unterrichts ist wesentlich verschieden von der europäischen. Von einem Katheder ist nichts zu sehen. Höchstens verfügt der eine oder andere von den berühmtesten über eine Art Kanzel. Die andern Professoren sitzen mit dem Rücken an eine Säule gelehnt auf dem Boden; ihre Schüler um sie herum in dichtgedrängtem Kreis. Neben der Auslegung der Glaubens- und Sittenlehre, der bürgerlichen und Strafgesetze, die sich auf den Koran und die Ueberlieferungen des Propheten stützt, blüht hier das Studium der Grammatik und I Syntax, Poesie, Rhetorik, Algebra und Kalenderberechnung. Die Studenten (Mugawirin) nähren sich von Handschrist, nämlich von Bücherabschreiben und Unterricht in Privathäusern. Sie rezitieren in den Familien den Koran und rücken dann zu den Aemtern eines Kadi, Mufti, Imam in den Moscheen oder zu Schullehrern in der Heimat vor. Manche werden auch Kaufleute. Einzelne endlich studieren weiter und werden selbst Professoren. Die Anzahl der Studierenden ist für unsere Begriffe eine riesenhafte. Manchmal beläuft sie sich auf 10.000. Von einer eigentlichen einheitlichen Wissenschaft ist aber keine Rede. Man lernt und studiert eifrig, aber nicht um Geist und Wahrheit, sondern um hochtönende Worte und seit Jahrhunderten sortgelehrte Sätze auswendig zu können. Die Sammlungen gehen in ununterbrochener Kette der Ueberlicferer bis auf die Zeitgenossen Muhammeds zurück. Das tote Wesen des Islam drückt auch der Wissenschaft seinen Stempel auf. Daher die tiefe Unwissenheit über alle ausländischen Zustände, über Geschichte, Geographie und Naturwissenschaften. Auch auf dem Gebiete der Dichtung wird meist nur altes | abgelagert, doch mitunter glücklich improvisiert. Wie an den Universitäten des Mittelalters die verschiedenen Nationen und Bursen nebeneinander bestanden, so herrscht auch an der Gaina el-Azhar I unter den Studierenden eine merkwürdige Sonderung nach Völkern, Ländern, Städten und Provinzen. Sie zählt im Ganzen 25 Kollegien, indem die Eingeborenen jeden Landes sich an besonderen Säulen im Umlauf der Säulenhallen (die obengenannten Riwak) um eine eigene Bibliothek versammeln und, wie es heißt, 26 Wohltätigkeitsstiftungen für ebcn-soviele Landsmannschaften bestehen. Vor allem zählt Bagdad und Damaskus jedes ihre eigene Burse. Ebenso die fünf Provinzen: Garbieh, das-ägyptische Algarbien oder Abendland, das westliche Delta, Ba-hire: das Flußland zwischen dem Rosette- und Damiette-Arm, Scharkije das Ostland, Fayum, dann Said oder ganz Oberägypten und die arabische Provinz Hedschas, endlich Barabra oder Nubien, Habesch, Ostindien, Persien und die Kurden; Riwak el-Turc ist für die Türken, el Gawa oder Jawa für Indien und Adramaut oder Südarabien, el Takruri für die Neger von Zentralafrika, el Mogarive für die Marokkaner, el Gabari für Ostafrika, el Bagdadi csch-Schawam für die Syrer, hauptsächlich für die Küstenstädte. Diese Einrichtung ist umso interessanter, weil auch im Tempel auf Moria das Beth Midrasch für verschiedene Landsmannschaften, die der Libertiner, Cyrenenser, Alexandriner, deren von Cilizicn und Asien eingerichtet war, die hier zu den Füßen der Lehrer die Unterweisung im Gesetz und in der Ueberlieferung empfingen. Liraßknbilö aus Kairo. ^?a, Effendi, gleich dort, uni die rechte Ecke." „Hamdullilllh!" — „Gott fei Dank!" Ich warf dem schwarzbraunen Auskunftsbureau einige Para als Bakfchisch (Trinkgeld) zu und steuerte mit langen Schritten auf die bezeichnete Ecke zu. Mit Vollwind segelte ich herum und richtig! — aber Blitz, Bomben, Granatenelemcnt! — ich hatte im Eifer vergessen, daß ich mich in dem abwechslungs-reichen Land der Pharaonen befand. In demselben Augenblicke nämlich — als ich so „schneidig" umbog, wollte auch ein etwas umfangreicher Türke auf seinem schmächtigen, aber gerade jetzt ungestüm daher- galoppierenden Grauschimmel dasselbe Experiment in entgegengesetzter Richtung niachen. Der verflixte Esel — ich meine selbstverständlich das Tier — rempelte mich dabei so unverfroren an, daß ich den Boden unter den Füßen verlor. Aber ebenso rasch blieb auch er wie festgewurzelt stehen, schaute sein auf der Straße herumkollerndes Opfer mit einer wahren Siegermiene an und posaunte dreimal ganz stolz auf mich hin: I—a! I—a! I—a! Ja, ja, ja, dachte ich mir, das nächstcmal werde ich vorsichtiger sein und nicht dem ersten besten Esel meine ( Bekanntschaft antragen. Doch das war alles nur das Werk eines Augenblicks. Im nächsten Moment stand ich schon wieder auf den Füßen und „verzog mich geräuschlos beizeiten." Denn eben ging das Donnerwetter erst recht los. Als nämlich der Esel mir so unzart seine Visitenkarte abgegeben hatte und so rack stehen blieb, um meine umgefallenen Akzidenzien mit etwas gesenktem Haupte des Genaueren zu besichtigen, hatte er auch seinen Reiter in das verhängnisvolle Komplott hereingezogen. Ganz nach dem physikalischen Gesetze der Trägheit erhielt dieser einen solchen Stotz nach vorn, daß er in einem eleganten Bogen über den Kopf des Esels hinwegflog und mir Gesellschaft leistete. Ich hörte ihn noch in schlechtem Arabisch rufen: „Allah ischark'lik!" (Gott verbrenne dich!) Dann aber folgte eine ganze Litanei von echt orientalischen Verwünschungen und Kraftsprüchen. Wahrhaftig, der Kerl fluchte wie ein Türke, während der Eselsjunge ihn zu begütigen suchte mit seinem tausendmaligen „malesch" — „macht nichts." Wen der Türke mit seinen „frommen Wünschen" beglücken wollte, mich oder den Esel, konnte ich nicht entscheiden. War mir auch ganz „ einerlei, denn ich befand mich jetzt endlich am Ziel. Schon eine ganze Stunde war ich immer um die „nächste Ecke" geschickt worden, bis ich endlich nach manchen Abenteuern vor dem ersehnten Kaufhause stand. Natürlich war dieses „Kaufhaus" wieder echt orientalisch. In und um die Nische eines „blinden" Tores hatte sich die ganze Familie des Zuckerrohr- und Orangcn-verkäufers niedergelassen. Der Kaufherr erzählte seiner andern Hälfte gerade den tragikomischen Streich, welchen sein Freund Ali einem böswilligen Nachbar gespielt. Nur der zweitälteste Sohn schien für diese Erzählung Ohren zu haben. Die zwei Knaben dagegen, welche emsig bei der Arbeit waren, um das süße Mark aus dem Zuckerrohrstengel zu ziehen, musterten neugierig die vorübergehende Menge und schauten mich ganz schüchtern oder vielmehr teilnahmslos an, als ich auf die bunte Gruppe zuschritt. Bald verrichtete ich das gleiche Geschäft wie sie. Ich blieb ruhig bei ihnen stehen ■— denn das gilt hierzulande nicht für unanständig — und machte dabei meine Beobachtungen. Das Mädchen, welches hinter der Mutter Platz genommen hatte, war die Hauptperson des Verkaufspersonals. Während ihr Bruder nur von Zeit zu Zeit mit seinem ya rezzak! ya keimn! ya fettah! ya alim! — D Allernährer, o Allgütiger! o Erschließer! o Allwissender!" das Zuckerrohr an den Mann zu bringen suchte, rief die braune Hamameh, denn so hieß die junge Aegypterin, mit ihrer silberhellen Stimme einem jeden zu: asal, ya burtukan, asal — „Honig, o Orangen, Honig," damit wollte sie sagen, ihre Orangen seien so süß wie Honig. Die Mutter konnte wegen ihrer afrikanischen Gesichtsausstattung naturgemäß nicht so „marktweibmäßig" eingreifen. Zuerst glaubte ich, der Sohn, welcher sich so behaglich auf dem Boden eingerichtet hatte, würde schlafen und gar nicht auf die Anekdoten und Schwänke des ältesten Bruders hören, der ein gutes Stück von einem Marabut (Märchenerzähler) an sich trug. Aber ich täuschte mich, denn als dieser die bekannte Geschichte von dem Dichter „Abu Dulama" und dem Chalifen As-Saffach beendet hatte, gab der scheinbare Schläfer, ohne auch nur im Geringsten sich sonst zu verändern, sofort folgendes Geschichtchen zum besten: „Es war einmal zur Zeit Harun ar-Raschids ein Mann, welcher sich für einen Propheten ausgab. Dies wurde dem Chalifen hinterbracht. Alsbald mußte der angebliche Prophet erscheinen und ar-Raschid fragte ihn: „Sag, Mensch, ist das wahr, was ich von dir höre?" — „Ja," erwiderte der Mann, „ich bin ein Prophet!" Darauf sprach ar-Raschid zu ihm: „Wohlan denn, beweise die Glaubwürdigkeit deiner Behauptung." Der Prophet antwortete dem Chalifen: „Verlange, o Fürst aller Gläubigen, was immer du willst!" Da sagte ar-Raschid: „Ich befehle dir, auf der Stelle diesen jungen, bartlosen Sklaven, welche hier herumstehen, lange weiße Bärte wachsen zu lassen." Jetzt schaute der Prophet eine Weile ganz betroffen zu Boden. Dann erhob er wieder das Haupt und sprach: „Wie wäre cs mir doch erlaubt, diese jungen, bartlosen Gesichter mit alten Bürte» zu versehen und diese schönen Gestalten zu verändern?! Ich will aber die Bärtigen zu Bartlosen machen in einem Augenblick." Da lachte Harnn ar-Raschid über ihn, verzieh ihm und befahl, ihm einen großen Bakschisch zu geben." Inzwischen war ich mit meinem ersten Stück Zuckerrohr zu Ende und konnte so auch der kulturellen Seite ein gewisses Verständnis entgegenbringen. Was ich über Anbau und Verarbeitung des Zuckerrohres dabei erfuhr, läßt sich kurz zusammenfassen. Das Zuckerrohr (Saccharum officinale) gehört zu der Gruppe der echten oder süßen Gräser (gra-mineae). Es ist vielleicht die wichtigste Pflanze aus dieser Familie und wird seit undenklichen Zeiten kultiviert. Gegenwärtig wird es nirgends mehr wild gefunden, wohl aber zuweilen verwildert, wie auf einigen Inseln des großen Ozeans. Es blüht nicht allzuhäufig, obschon die frühere Meinung, daß es nur sehr selten seine riesig großen, endständigen Rispen entwickele, irrtümlich ist. Diese Ansicht ist wahrscheinlich dadurch entstanden, daß man es aus technischen Gründen vor der Blüte abschneidet. Richtig ist aber, daß es nur sehr selten Früchte bringt. Diese sind vielmehr wie die Keimung erst in jüngster Zeit beobachtet worden. Man vermehrt das Zuckerrohr, um die besten Arten sicher zu erhalten, durch Stecklinge, wozu man die untersten, Glieder des bis fünf Meter hohen und bis sechs Zentimeter dicken, dichten, nicht hohlen, sehr saftreichen Halmes benützt. Die großen Blätter, welche denen des Maises gleichen, haben häufig einen roten Mittelnerv, wie auch das Rohr nicht immer grün, sondern an vielen Abarten gelb, rot, violett oder fast schwarz und oft in zwei Farben längsgestreift ist. Die Zahl der gezogenen Arten beträgt mehr als 500, die verschieden reich an Zuckersaft sind. Die zwischen Stahlwalzen zerquetschten und ausgepreßten Halme geben ihren süßen Saft in Tröge ab, aus denen er in Pfannen gebracht und mit etwas Kalk gemischt versotten wird. Dabei kristallisiert ein Teil des Zuckers mit gelber Farbe aus, der andere Teil bleibt flüssig (Melasse oder S i) -r u p) und nimmt niemals feste Form an. Dieser wird entweder gleich genossen oder vergoren und liefert den Rum. Die einst in allen wärmeren Ländern bis nach Südspanien verbreitete Zuckerrohr-Kultur hat in den letzten Zeiten durch Krankheiten des Rohres viel gelitten. Einzelne Insekten, wie der Zuckerwickler und die Zuckerschildlaus, haben sich als außerordentliche Schädlinge erwiesen. Besonders empfindlich wirkte jedo ch eine Krankheit ein, die in Jafa unter dem Na men S e r e h berüchtigt ist. Ihre Ursache ist he ute noch nicht ermittelt. Sie äußert sich darin, gukerrolu- und Orangen-Uerkäufer in Kairo. daß das Rohr keine großen Halme treibt, sondern niedrig bleibt, zahllose Seitenäste erzeugt und verkümmert. Mehr aber als über alle diese Krankheiten und Feinde des Zuckerrohrhandels war mein biederer ägyptischer Kaufmann auf die Zuckerrübe erbost, welche den Znckerhandel immer mehr zurückdrängt. Nach dieser Belehrung vonsciten des Vaters hielt die braune Hama-meh den Zeitpunkt für gekommen, wo sie mir auch ihre Früchte erfolgreich anbieten konnte. „Asal, ja, burtukan, asal," sagte sie flehend. Was wollte ich machen? Ich kaufte mir also einige von den „honigsüßen Orangen" und probierte sie gleich auf ihren „Honiggehalt". Zudem erzählte der älteste gerade wieder eines seiner Geschichtchen. Wahrscheinlich wollte er den Bruder übertrumpfen, als er begann: „Es stellte sich einmal ein Mensch als Prophet. Da forderte man ihm in Gegenwart al-Mamuns eine Wundertat ab. Der Prophet sagte: „Es geschehe, wie ihr wollt. Ich werde euch einen Kiesel ins Wasser werfen und er wird zergehen." Al Mamun erwiderte: „Gut, wir sind es zufrieden." Da zog der Mann einen Kiesel, den er in der Tasche bei sich trug, heraus und warf ihn tn§ Wasser und er zerging. Aber al Mamun ließ das nicht gelten und sagte: „Das ist eine List. Wir wollen dir jedoch einen Kiesel von denen geben, die hier herumliegen. Diesen magst du zergehen lassen. Doch der Prophet blickte al Mamun ernst an und sprach dann: „Du bist nicht erlauchter als Pharao und ich bin nicht weiser als Moses. Aber es hat Pharao zu Mofes nicht gesagt: „Ich bin 250 Verschiedenes. nicht zufrieden mit bem, was bit mit deinem Stabe tuest und will dir daher einen von den meinigen geben. Diesen magst du zur Schlange machen!" Da lachte al-Mamun und gab ihm ein Geschenk. Der Erzähler hatte diesmal die Aufmerksamkeit der ganzen Familie für sich. Alle lachten mit al-Mamnn über die Bibelfestigkcit des Propheten. Auch ich stimmte eilt, aber nicht allzusehr. Denn im gleichen Augenblicke rannte ein ) Man beachte vor allem die kulturellen Momente. G Jm Original stehen bestimmte Namen von Pflanzen und Früchten. Fische und Vögel. Es fehlte an nichts. Da aß ich mich satt und was ich mir zuviel genommen hatte, legte ich mir auf den Boden. Dann machte ich eine Grube, zündete ein Feuer an und opferte den Göttern ein Brandopfer. Plötzlich vernahm ich ein Donnergeräusch, das ich für das einer Woge hielt, die Bäume zitterten und die Erde erbebte. Ich erhob mein Antlitz und sah, daß es eine Schlange war, die herankam: sie war dreißig Ellen lang und ihr Bart war länger als zwei Ellen. Ihre Glieder waren mit Gold eingelegt und ihre Farbe glich echtem Lapislazuli. Sie wälzte sich vorwärts, sie öffnete den Mund, ich warf mich vor ihr nieder und sie sprach: „Wer hat dich hergebracht? wer hat dich hergebracht, Kleiner, wer hat dich hergebracht? Wenn du mir nicht gleich sagst, wer dich hergebracht hat, so werde ich dir zeigen, wer du bist!" .... Dann nahm sie mich in den Mund, schleppte mich auf ihr Lager, ohne mir Böses zu thun: ich blieb heil und es geschah mir nichts. Dann tat sie den Mund auf gegen mich, ich warf mich vor ihr nieder und sie sprach: „Wer hat dich hergebracht? wer hat dich hergebracht, Kleiner ! wer hat dich aus diese Insel gebracht, die im Meere liegt und deren Ufer von den Fluten umgeben sind?" Da antwortete ich ihr, indem ich mich mit gesenkten Armen vor ihr verneigte: „Ich hatte mich nach den Bergwerken eingeschifft auf Befehl des Pharao auf einem Schiffe, das 150 Ellen lang und 40 Ellen breit war und das mit 150 der besten ägyptischen Matrosen bemannt war, die Himmel und Erde kannten und deren Herz klüger war als das der Löwen. Sie übertrafen einander an Klugheit des Herzens und Kraft der Arme und ich war ihnen ebenbürtig. Sie hatten gesagt, der Wind werde nicht schlecht werden oder er werde sich ganz legen, aber als wir auf dem Meere waren, kam ein Windstoß. Und kaum näherten wir uns dem Lande, so erhob sich der Wind und die Wellen wurden acht Ellen hoch. Nur ich erfaßte ein Stück Holz, alle anderen, die im Schiffe waren, gingen ohne Ausnahme zugrunde in diesen drei Tagen. Hier bin ich nun bei dir, denn eine Welle hat mich auf diese Insel geworfen." Da sagte sie zu mir: „Fürchte dich nicht, fürchte dich nicht, Kleiner, nnd mache kein bekümmertes Gesicht. Denn wenn du zu mir gelangt bist, so ist es Gott, der dich am Leben erhalten hat. Er hat dich auf diese Geisterinsel gebracht, wo es an nichts fehlt und die voll ist von allen guten Dingen. Siehe, du wirst einen Monat nach dem andern hier bleiben, bis du vier Monate auf dieser Insel verbracht haben wirst. Dann wird ein Schiff mit Matrosen kommen aus deinem Lande und du wirst mit ihnen in dein Land zurückkehren können. In deiner Heimat wirst du sterben. Die Unterhaltung ist eine Freude, sie hilft über traurige Lagen hinweg. Ich will dir also erzählen, was auf dieser Insel ist. Ich lebe hier mit meinen Brüdern und mit meinen Kindern, von ihnen umgeben; wir sind sünfundsiebzig Schlangen mit den Kindern und Hausgenossen und noch ein Mädchen . . 4) Bist du stark und hast du ein geduldiges Herz, so wirst du deine Kinder an dein Herz drücken und deine Frau umarmen; du wirst dein Haus wiedersehen, das von allen Dingen das beste ist und wirst in dein Land zurückkehren und bei deinen Freunden leben." Da verneigte ich mich und warf mich aus den Boden vor ihr und sprach: „Das gebe ich dir zur Antwort: Ich werde dem Pharao von dir er- zählen, ich werde ihm schildern, wie groß du bist und werde dir bringen lassen die heiligen Dete Ab, Heken und Juden und Kassia und Weihrauch, wie man ihn im Tempel verwendet und mit dem man alle Götter ehrt. Dann werde ich ihm erzählen, was ich erlebt habe und man wird dir Dank sagen vor dem ganzen Lande. Ich werde dir Esel zum Dpfer schlachten, ich werde dir Gänse rupfen und werde dir Schiffe bringen lassen mit allen Schätzen Aegyptens, wie man es einem Gotte tun muß, der menschenfreundlich ist in einem fernen Lande, das die Leute nicht kennen." Da lachte sie über meine Rede wegen dessen, was sie bei sich dachte und sagte: „An Myrrhen bist du aber nicht reich, denn das alles ist ja nur gewöhnlicher Weihrauch. Aber ich, der Fürst des Landes Punt, ich besitze die Myrrhen. Nur das Del Heken, das du mir bringen lassen willst, ist auf dieser Insel selten. Aber (bemühe dich nicht, es mir zu schicken, denn) sobald du von hier fortgegangen sein wirst, wirst du diese Insel nie wieder sehen: sie wird in Wasser verwandelt werden." Und siehe, als das Schiff kam, wie sie es vorausgesagt hatte, da stieg ich auf einen hohen Baum, um zu sehen, wer darin wäre. Dann ging ich es ihr sagen, aber sie wußte es schon. Da sagte sie zu mir: „Kehre glücklich heim, Kleiner; mögest du deine Kinder wiedersehen und einen guten Namen in deiner Stadt hinterlassen; das wünsche ich dir." Da verneigte ich mich vor ihr mit gesenkten Armen und sie gab mir Geschenke an Myrrhen, an den Delen Heken und Juden, an Kassia, an den Hölzern Teschepes und Schaas, an Panterfellen (?), *) Der Schluß dieser Erzählung ist unverständlich. an Mererytholz, an vielem gewöhnlichem Weihrauch, an Elefantenzähnen, an Windhunden, an den Guf-Affen und Kiu-Affen und allerhand kostbaren Dingen. Das ließ ich alles auf das angekommene Schiff schaffen und ich dankte ihr, indem ich mich vor ihr niederwarf. Da sagte sie zu mir: „Siehe, nach zwei Monaten wirst bu' in dein Land kommen und wirst deine Kinder an dein Herz drücken und wirst (einst) unversehrt in deinem Grabe ruhen." Dann stieg ich herab auf den Strand zu dem Schiffe und rief die Matrosen. Und auf dem Strande dankte ich dem Herrn dieser Insel und allen, die auf ihr wohnten. Als wir bei der Heimkehr nach zwei Monaten zur Residenz des Pharao gelangten, wie jener es gesagt hatte, begaben wir uns zum Palast. Ich trat ein beim Pharao und überreichte ihm die Geschenke, die ich von dieser Insel in die Heimat gebracht hatte. Da dankte er mir vor dem ganzen Lande. Die kleine „Itlaria Iflagdalena“. Zum erstenmal hatten die zu Pfingsten getauften sechs Kinder die heilige Beicht abgelegt. Weil sie ihre Sache gut gemacht, bekamen sie vom „weißen Vater" ein schönes Bildchen. Neugierig, wie das weibliche Wesen ist, fragte ein anderes sechsjähriges Mädchen, von welchem großen Geiste sie dieses Bild erhalten. „Das haben wir von unserem weißen Vater zum Andenken an die heilige Beicht bekommen," war die frohe Antwort. — Ja, was ist denn das, die heilige Beicht?" — „Da sagt man seine Sünden, bereut e' sie von Herzen und der liebe Gott vergibt sie durch des Priesters Wort." Darüber erstaunt, wurde die Kleine ganz still und kam am Abend so bescheiden .und demütig zum weißen Vater geschlichen und fing in unbefangener Weise an: „Vater, ich habe gelogen, ich war faul," und alle ihre großen und kleinen Unarten hörte der große Vater bewundernd an, bis zum Schluß die Kleine vor Tränen fast stecken blieb und kaum noch herausbrachte: „O Licht meiner Augen, erfreue doch mein sehnendes Herz auch mit einem solch schönen Bildchen, ich will auch brav bleiben." Gerührt ob solchen Vertrauens und der Gnade nachhelfend, erhielt die kleine Singeno (Nadel) ein Bildchen, womit sie sich eilig und freudig entfernte. „O selig, o selig, ein Kind noch zu sein!" Enträtselung deutscher Hieroglyphen. Wenn in Deutsch-Ostafrika ein Eingeborener verklagt wird, so geschieht seine Ladung mittels eines schwarz-weißroten Zettels, worauf der Name des Klienten, sowie der Vorladungstermin verzeichnet steht. Ein Scham-bara, natürlich des Lesens unkundig, erklärte sich die Vorladung wie folgt: Er öffnet den Zettel, betrachtet ihn scharf und — o Schrecken! Die deutschen Landesfarben schwarz-weiß-rot, kalkuliert er: der Weiße ruft mich Schwarzen, damit er mein Blut nehme und meine Knochen gerade so biegsam mache, wie diesen Zettel. Und, als sei es ein giftiges Reptil, schleudert er das verhängnisvolle Papier von sich und nimmt Reißaus. Niemand hat ihn seither wieder gesehen. OB?— Ifa Das Geheimnis von Raft Djenun. Ein Reiseerlebnis aus der Sahara. Der lieben Jugend erzählt. ie Sonne hatte noch ein gutes Viertel ihres Tagebogens zurückzulegen, als der Anführer unserer Kafla am Brunnen Tahola Halt machte und ein regelrechtes Lager schlagen ließ. Natürlich war ich nicht sonderlich erbaut davon, daß man schon so früh des Nachmittags das Nachtquartier bezog. Allein ich konnte auch nichts dagegen einwenden, denn in der Wüste kommt es eben weniger auf die Zeit als auf den Ort an. Die Brunnen bilden hier die großen Hotels, in welchen jeder Reisende notgedrungen einkehrt. Zudem drängten sich mir noch verschiedene Gründe auf, diese Verzögerung meines Marsches minder empfindsam hinzunehmen. Wir waren seit dem Fetjer ununterbrochen auf dem Kameele und hatten einen keineswegs angenehmen Weg hinter uns. Wäre unser schech el Djemahli (Anführer) beim Brunnen im Tale Telia nicht von einer Schlange gebissen worden, so hätten wir nach seinem Rate den kürzeren Weg gewählt, der über die Berg- 254 Tas Geheimnis von Kasr DjenUU. fette des Akafus führt und deshalb etwas beschwerlicher ist. So aber mußten wir die Bequemere Straße benützen, welche in weitem Bogen nordwärts die Berge umgeht. Bald ging es über kiesigen und sandigen Boden dahin, daun traten die Berge wieder so nahe heran, daß wir uns in wild gerissenen Schluchten befanden, über welche große Felsblöcke auf den ganz geschwärzten Seiten hereinragten. Auch mußten wir, um den zahlreich vorspringenden Felsenbänken auszuweichen, manchen Umweg machen, bis uns endlich der glühende Flugsand auf der einförmigen Ebene Tenessof einen ungestörten Vormarsch gestattete. Man konnte nach einem solchen Ritte also schon etwas wie Müdigkeit verspüren und die Ruhe anstandslos vertragen. Ich hatte mir jedoch heute noch eine weitere Aufgabe gestellt. Wir befanden uns in der Nähe des berühmten Berges Kasr Djenun (Geisterschloß), wie ihn die Tuareg nennen. Dieser Kasr Djenun hat eine auffallende Bildung. Die hufeisenartig geformte Bergwand steigt kühn aus dem breiten Tale empor und gleicht in ihrer riesenhaften Gestaltung einem künstlich errichteten Gebäude von kolossalen Mauern und Türmen. Jedenfalls bot mir eine geologische Untersuchung viel des Neuen und Schönen. Aber weit mehr lockte es mich, diesem so gefürchteten Geisterschloß einen Besuch abzustatten, war ich doch fest überzeugt, irgend eine heidnische Kultusstätte der Vorzeit auf ihm zu finden. Bevor ich aber meine Entdeckungsreise antreten konnte, mußte ich auch der Natur den pflichtschuldigen Tribut zollen. Ich legte mich hinter einem Talha-baume nieder und phantasierte von den Wunderdingen, die sich mir darbieten sollten. Zum Glücke bin ich nicht allwissend und konnte also auch nicht voraussehen, daß die ganze Sache in Wirklichkeit anders verlaufen würde, als ich. sie erträumt. Es war bereits die Zeit des Assr (2 Stunden vor Sonnenuntergang), als ich mich in den Sattel schwang, um für den heutigen Tag wenigstens eine allgemeine Kenntnis über den Kasr Djenun zu gewinnen. Eines fiel mir auf. Keiner von den zehn Tuareg unserer Karawane bot sich mir als Begleiter an, während sie doch sonst auch den kleinsten Umstand benutzten, um einen Bakschisch herauszupressen. Nur mein wackerer Diener Abbas oder, wie er sich in echt orientalischem Aufschnitt feI6ft' zu nennen pflegte: «El-Abbas el-kawih ebn Abdulahi eben Omajjad ben Mersuk el Karim, der den nis’r (Adler) im Fluge schießt und vor assad (Löwe), dem Ausruhr - Erregenden nicht zittert," bestieg, wenn auch etwas zögernd, sein Kameel. Daß mein unzertrennlicher Begleiter Jegor Dolgaruki ohne weiteres den Ausflug mitmachen wollte, verstand sich eigentlich von selbst. Wir hatten miteinander das russische Reich von Moskau an bis tief in die Mongolei hinein durchquert und vielfach einer dem andern das Leben gerettet. Als ich mich später entschloß, nach dieser chalodnaja pajesdka (kalte Reise) auch einmal die heiße Sandwüste Afrikas zu besuchen, war er ebenfalls mit Leib und Seele dabei. So kam es allmählich, daß fast keiner mehr ohne den andern sein konnte. Aber diesmal war es mir aus wichtigen Gründen nicht angenehm, daß er sich mir anschließen wollte. Wer den gewaltigen und betrügerischen Charakter der Tuareg kennt und noch dazu in Betracht zieht, daß sie trotz aller Schwüre und Beteuerungen einem „Giaur" gegenüber sich nicht verpflichtet fühlen Wort zu halten, wird begreifen, wie gefährlich es ist, sie allein im Lager schalten und walten zu lassen. Ueberdies befanden wir uns auf dem Boden der als Erzräuber gefürchteten Asgar und mußten auf einen Ueberfall, der sehr leicht möglich war, gefaßt sein. Blieb jedoch Jegor zurück, so konnte ich außer aller Sorge sein, da er bei irgend einem unliebsamen Vorfall gewiß nicht anders gehandelt hätte als ich. Aber ich durfte auf diesen Umstand nicht öffentlich hinweisen, um nicht von vornherein das ganze Spiel mit den Tuareg zu verderben. So sehr man nämlich in der Wüste im Herzen einem jeden Araber oder Beduinen mißtrauen muß, so wenig darf man es äußerlich merken lassen. Ueberdies würde eine ähnliche Aeußerung im vorliegenden Falle mir nur den Anschein der Furchtsamkeit gegeben und die Raub- und Rauflust der Tuareg herausgefordert haben. Ich benützte daher den glücklichen Umstand, daß sie kein Russisch verstanden und wie so ganz unbewußt summte ich, ohne aber Jegor mit dem geringsten Blicke zu streifen, aus dem Propheten von Lermontof die Worte vor mich hin: Wotschach ljudej tschitaju ja Sstranizue slobue i paroka. (In den Augen der Menschen lese ich Blätter des Hasses und Lasters.) Dann drehte ich mein Hedjin (Reitkameel) gerade auf die Mitte des Kasr Djenun und ritt mit einem kurzen fi aman illah hinweg. Mein langnamiger Abbas tat ebenso. Allein bald gewahrte ich, daß er ganz gegen seine Gewohnheit hinter mir zurückblieb. Ich schaute um und sah ihn auf dem Sattel kuieen und beten. Gewiß könnte sich mancher Euro- päer an dem Gebetseifer der Moslemin ein erbauendes Beispiel nehmen, aber diesmal mußte ich doch lächeln. Da gegenwärtig keine Gebetszeit von dem Propheten vorgeschrieben war, so konnte Abbas jetzt nur die Fatcha Beten; es ist dies die erste Sure des Koran, welche jeder gute Moslemin vor Beginn einer ernsten und gefahrvollen Handlung spricht, um einen guten Erfolg zu erlangen. Demnach hatte mein tapferer Abbas, der sich schon so oft gerühmt, vor Assad, dem Aufruhr-Erregenden, nicht zu zittern, vor den Geistern des Kasr jedenfalls einen gehörigen Respekt. Bald war er jedoch wieder an meiner Seite. Der Weg d. h. der Ritt ging zunächst über mäßige Sandhügel, dann über eine nackte, mit schwarzen Kieselsteinen übersäte Ebene. Als wir den Rinnsal, der sich schlangenartig durch die Sandhügel wand und mit hohem Grase reichlich bewachsen war, durchritten hatten, ließen wir die Tiere aus dem Trab in einen Galopp übergehen. Die „Mohors" (eine Antilopenart), welche mit den Jungen auf dem Rande der Grasflächc spielten, schauten uns ganz verwundert nach. Allerdings gewährt ein Galopp zu Kameel auch einen sonderbaren Anblick — und vielleicht ein noch sonderbareres Vergnügen für den Reiter. Wer es gewohnt ist, hat dabei ungefähr so ein Gefühl wie ein „Bravourrciter". Freilich sieht es bei der Erlernung dieses Kunststückes etwas anders aus. Die Wehen der „Seekrankheit", die sich im Anfange des Kameel-reitens überhaupt einstellen, melden sich in aller ltn= geniertheit wieder an. Zwar sucht es der „Kunst-jüuger zu Kameel" mit aller Sorgfalt zu verheimlichen. Allein, mit des Geschickes finstern Mächten ist kein ew'ger Bund zu flechten. Die großen Schweißtropfen auf der Stirne, die unwillkürlichen Muskelverzerrungen und die blassen, wirren Gesichtszüge rufen einem unwillkürlich Daudets Tartarin von Taraskon ins Gedächtnis. Der Magen des Kameel-reiters bekennt sich in ganz unverschämter Weise zu den Grundsätzen der Revolution. Er behält die Oberhand und gießt seinen ganzen Groll über Reiter und Kameel aus. Ich kann auf Grund eigener Erfahrung die Stimmung dieses Zustandes nicht deutlicher ausdrücken, als wenn ich sage, daß ich nach dem ersten längeren Galopp zu Kameel beinahe dasselbe unbeschreiblich wehleidige Gefühl hatte wie damals, als ich zum erstenmal verbotenerweise hinter die gefüllte Tabakspfeife meines Vaters geraten war. Doch diese Zeiten waren längst vorüber. Wir änderten unsere Richtung unb hielten auf den rechten Flügel des hufeisenförmigen Berges zu, den wir auch in einer halben Stunde erreichten. Die Sonne war schon daran, der müden Erde gute Nacht I zu sagen und überflutete zum Abschiede die ganze Bergkette nocheinmal mit einem vollen Strom ihres Lichtes. Der höchste, jäh aufsteigende Kamm mit all seinen Burgen und Türmen erglänzte in Hellem, flimmerndem Weiß. Die Horizontalschichten, regelmäßige Mergelbänke der sanften, aber wild zerrissenen unteren Abdachung, waren wie mit einem hochroten Schleier umflort, während der Kalkfelsen des Bergfußes mit einem weichen Violett überzogen schien. Die großen Felsblöcke, welche die Zeit oben von den Kuppen gelöst und heruntergeschleudert hatte, hielten gleich regellosen Heerhaufen den Abhang besetzt und warfen in eindrucksvollem Schweigen ihre Schatten auf den farbigen Untergrund. Ich überließ mein Tier der Obhut des treuen Abbas und versuchte den Aufstieg. „Sihdi, tu' es heute nicht mehr," ermahnte er mich, „es ist zu spät!" „Ich will nur die erste größere Stufe erklimmen, um einigermaßen eine Umschau halten zu können." „Bleib, Sihdi! Ich weiß, daß du tapfer bist und dich vor niemand fürchtest. Aber gegen die Djenun (Geister) kann niemand kämpfen. Wenn Dir die Sonne auch noch den Weg beleuchtet, die Djenuns werden dich blenden, stürzen dich herab und verwandeln dich in einen Felsblock!" Das sagte er mir in allem Ernste, war er doch fest überzeugt, daß die Zinne des Berges von Legionen böser Djenuns bewohnt sei. Aber seine abergläubische Furcht, sowie seine treue Anhänglichkeit an mich hatten ihm dabei eine so drollige Miene aufgesetzt, daß ich hell auflachen mußte. Als er sah, daß ich seinen bösen Geistern zum Trotz emporkletterte, zog er sich etwas ärgerlich zurück und betete die Worte der 114. Sure: a' u su billahi — ich nehme meine Zuflucht zu Gott. Ich sollte diese „Orientierungsreise" nicht zu bereuen haben. Denn als ich auf der ersten Terrasse stand, sah ich mich zu meiner großen Ileberraschung durch eine steil abfallende breite Schlucht vom Hauptstocke des Berges getrennt. Da sich andererseits die Bergwände wiederum fast senkrecht aus dem Abgrunde erhoben, so war die Besteigung des „Geisterschlosses" an dieser Stelle eine wahre Unmöglichkeit. Es blieb demnach nichts anderes übrig, als einfach einen anderen Aufstieg ausfindig zu machen. Ich eilte daher auf der Mergelschichte, die wie ein Riesenwall dem Kasr Djenun vorgelagert war, in der Richtung nach Westen und bemerkte denn auch bald, daß die Schlucht an Tiefe verlor, der Baumwuchs geringer wurde und die Spalte in der Entfernung einer Viertelstunde überhaupt aufhörte. Schon wollte ich wieder umkehren und in die Ebene hinabsteigen, als sich mir ein ungeahntes Schauspiel darbot — eine wundervolle Fata Morgana! Aber nicht drunten in der Wüste, sondern droben am Abendhimmel; nicht aufrecht, sondern verkehrt in der Luft schweben, wie von unsichtbaren Geisterhänden getragen. Ich hatte so etwas noch nie gehört, nie gelesen, nie gesehen. Ich dachte unwillkürlich an die Geister von Kasr Djenun. Aber an Hexen und Gespenster glaubte ich ja nicht mehr seit dem Tage, an welchem ich zum erstenmal in den Höschen steckte. Und doch kam mir jetzt das Geisterschloß so ganz eigentümlich vor. Palmen sollten die Djenuns da oben angepflanzt haben. Die Fata Morgana glich augenfällig dem Berge, vor dem ich stand und zeigte tatsächlich große Palmbäume auf. Aber es war rein unmöglich. Der wirkliche Berg mußte oben eine glatte Fläche besitzen, die kein Leben auf sich duldet. Ich behielt das Bild unverwandten Blickes im Auge. Da trat eine Veränderung ein. Die Formen, welche anfänglich so klar und deutlich waren wie in der Natur, verzogen und verzerrten sich ins Riesenhafte. Aber man konnte noch ganz gut die einzelnen Teile unterscheiden. Meine Aufmerksamkeit wurde noch gesteigert, als jetzt im Hintergrund der Luftspiegelung ein ganzer Trupp Kameelreiter erschien. Natürlich zeigten auch sie sich im umgekehrten Zustand. Die Füße der Tiere waren aufwärts gerichtet, die Köpfe der Reiter hingen nach unten. Ich zählte 5 Mann und ebensoviele Kameele, unter welchen besonders das erste sowohl durch seine Größe, als auch durch seine schwarz-weiße Färbung hervorstach. Auch sein Reiter unterschied sich durch die Kleidung von den übrigen, da diese ganz tuaregisch, er jedoch fast arabisch gekleidet war. Ich sah nur noch, wie sie abstiegen, denn das Bild war jetzt schon ganz verwischt. Mit den widersprechendsten Gedanken beschäftigt, machte ich mich auf den Rückweg. Abbas wusch sich gerade mit Sand') und betete sein „Abendgebet". Wir stiegen sofort aus und ritten auf demselben Wege, der uns hierhergeführt hatte, wieder zurück. Als wir bei unserem Lagerplatze ankamen, stand der Mond schon hoch am Himmel. Die Nacht war so hell, daß ich ohne große Anstrengung die Ziffern des Sekundenzeigers meiner Uhr lesen konnte. Unsere Leute waren noch sämtlich wach und hatten nicht ohne große Besorgnis unsere Rückkehr erwartet. Umso größer war jetzt die Verwunderung, daß uns die Geister von Kasr Djenun nicht getötet und in ') In Ermangelung des Wassers reinigen sich die Moslemin mit Sand. Steine verwandelt hatten, umso zahlreicher aber auch die Fragen nach den Geheimnissen, die wir gesehen. Jegor wußte zwar ganz genau, daß mir ein be-denkenerreger Umstand aufgefallen war, aber er frug mit keiner Silbe darnach. Ich war auch gar nicht dazu aufgelegt, viele Worte zu machen. Nachdem ich etwas Nahrung zu mir genommen hatte, wickelte ich mich in die Decke, um zu schlafen. Dagegen wußte Abbas, der doch jedenfalls gar nichts gesehen hatte, von allerlei Abenteuern zu erzählen. Er wollte u. a. auch mit einem Löwen zusammengetroffen sein und esch-schaitan er-radschim (den verfluchten Satan) auf der Zinne des Kasr Djenun erblickt haben. Aber das wurde doch nicht so leichthin geglaubt und der Schech el Djemali (Anführer) gab es ihm sogleich auch zu verstehen, indem er die Worte des Koran rezitierte: „Der Gläubige rettet sich nicht vor der Strafe Gottes, bis er vier Dinge unterläßt, nämlich: Das Lügen, den Hochmut, den Geiz und schlimme Gedanken." Da aber Abbas immer noch fortfuhr zu prahlen, sagte er ganz nachdrucksvoll den Spruch des Propheten: „Wehe demjenigen, welcher lügenhafte Reden führt, um mittels derselben die Seilte zum Lachen zu reizen!" Das war nun allerdings zweideutig, aber für den Erzähler nicht miß-zuverstehen. „Was?" brauste er auf, „Mensch, glaubst du, daß ich lüge oder ich hätte gar Furcht vor einem Löwen oder Djin (Geist)? Hast du meinen Namen noch nicht gehört, der in der ganzen Welt und 100 Tagreisen darüber hinaus bekannt ist? Ich bin el Abbas el Kawih ebn Adulahi ebn Omajja ben Mersuk el Karim, der den nisr im Fluge schießt und vor assad, dem Aufruhr-Erregenden nicht zittert." Mit dieser Donnerrede hatte er sich in der Tat Geltung, Glauben und Eindruck verschafft. Der Schech el Djemahli wagte kein Wort mehr dagegen einzuwenden. Aber der tapfere Abbas verspürte auch weiter keine Lust, seine Abenteuer vor diesen ungläubigen Ohren zu schildern. Wenigstens stellte er sich so. „Ihr seid gar nicht wert, meine Heldentaten zu hören, die ich als der Beschützer des großen Effendi aus belad el Frendjeh (Europa) vollbracht habe!" Ohne sich um die verblüfften Tuareg weiter zu kümmern, schritt er stolz hinweg und wickelte sich in seine Nachtdecke. Bald darauf war es überhaupt still geworden. Alle hatten sich in ihre Decken gehüllt und schliefen. Nur zwei wachten noch: Jegor und ich. (Fortsetzung folgt.) Für die Schriftleitung: P. Xaver Geyer F. 8. C. — Druck von A. Weger's fb. Hosbuchdruckerei, Brixen.