Herausgegeben von der Kongregation: Missionäre Söhne des heiligsten Herzens Jesu. preis ganzjährig: Österreich 250 6, Deutschland 2 Mark. Italien 8 Lire, Ungarn 2‘50 pengö, Tschechoslowakei 12 čK, Jugoslawien 25 Dinar, Schweiz 2 50 Franken, übriges Ausland 2 Soldmark. Unser Heiliger Vater plus XI. hat wie schon früher papst pius X. der "Redaktion, den Abonnenten und Wohltätern den Apostolischen Segen erteilt. Für Wohltäter werden wöchentlich zwei heilige Messen gelesen. Mit Empfehlung der hochwür-digsten Oberhirten von Grixen, Grünn, ©raz, Leitwerk?, Linz, Olmüh, Marburg, Orient, Driest und Wien. Heft 6. Juni 1929. XXXII. Jahrgang. mm V- Kaffernmode. Plauderei von Hochw. P. K. Fischer, P. S. C. MM -/ „Na, na, Seppl, Grüß dich Gott! wo kommst denn eigentlich her, ich habe dich schon lange nicht mehr gesehen." — „Loisl, weißt es denn noch nicht, daß ich drüben in Afrika bin, nnd zwar drunten bei den Koffern?" — „Ach so, bei den Koffern, bei den Wilden, wie man allweil sagt, bist gewesen. Schau, da könntest mir gerade was erzählen, was ich gern wissen täte. Weißt, es wurmt mich alleweil, wenn ich unser Weibervolk so halbnackt auf der Straßen herumlaufen sehe. Ich denke dabei immer, das müssen doch bald Wilde sein, die von einer Kleidung nichts wissen. Jetzt sage gerade einmal, wie deine Kostern dort unten eigentlich gekleidet sind. Es tät mich recht freuen, wenn ich wüßte, daß die sogenannten Milden' mehr Anstand haben als unser hemiges, modernes und hochzivilisiertes Weibervolk. Fange gerade a» mit den kleinen Kindern." „Loisl, den Gefallen kann ich dir schon tun, ich erzähle dir einfach, was ich gesehen habe, und was mir die Küstern gesagt haben, soweit ich es mit meinen tauben Ohren verstanden habe. Schau, wenn die kleinen Kaffern ans die Welt kommen, da sind sie wie arme Viecherln. Die finden keine weichen Federpolster vor, in welchen sie liegen können, sie bekommen auch keine weißen Hemderln angezogen und werden auch nicht besonders schön traktiert. Am Boden liegen ein paar alte Lumpen, mit denen du dir nicht einmal die Füße abwischen tatst, da wird das arme Hascherl hineingelegt und eingewickelt. Da bleibt es ein paar Tage liegen, bis die Mutter wieder aufs Feld gehen kann. Weil die Mutter ihr Kindl so gern hat und es nicht zn Hanse lassen will,, so nimmt sie das arme Geschöpf einfach auf ihren Rücken nnd befestigt es mit einem Tuche oder mit einem Zwgmfell. So wächst das Kind auf, bis es laufen kann. Du willst aber wissen, ob sie sonst auch angekleidet sind. Ach, Kleider bekommen diese keine, brauchen auch keine, sie stecken ja so den ganzen Tag in dem Lumpenwickel drin. Aber etwas haben sie doch. Schau, wenn das Kindl zu Hause am Boden liegt nnd herzlich strampelt, da können es die vermeintlichen Wilden nicht sehen, daß es ganz nackt ist. Da macht die Mutter ein kleines Schürzchen 1 aus Perlen und hängt's dem kleinen Weltbürger um. Ein solches Schürzchen tragen sie dann fast ihr ganzes Leben hindurch, es wird immer größer und schöner, wie sie selber wachsen. Dieses Perlenschürzchen erfüllt aber ganz seinen Zweck, es bewahrt das Schamgefühl der Kinder. Du würdest staunen, wenn du solche Knirpse sehen könntest, wie brav sie sind. Du würdest gleich deine Brieftasche aufmachen und -sagen, da hast etwas, daß doch solche herzige Kinder auch christlich erzogen werden können." „Seppl, das freut mich, was da sagst. Aber wie schauen denn eigentlich diese Perlenschürzchen aus? Haben die Buben und die Madeln ganz gleiche oder wie ist es damit?" „Weißt, Seist, da kann ich dir schon dienen. Ich selbst habe mich anfangs recht geärgert über die dummen Leute, daß sie ihren Kindern solchen Tändel herumhängen statt rechte Kleider. Aber langsam ging mir ein besseres Licht auf und jetzt habe ich die Sache ganz gern. Das Perlenschürzchen ist aus lauter Perlenschnüren gemacht, welche dicht aneinander hängen. Jede Perlenschnur hat ein kleines Qnästchen, darum hat das Schürzchen ein so zottiges Ende. Dieses Schürzchen ist ungefähr 20 cm lang und wird wieder mit einer Perlenschnur von größeren Perlen um die Lenden gehalten. Ich habe gerade eine Photographie da, kannst sie anschauen. Dieses Schürzchen erreicht seinen Zweck sehr gut, es schützt das Schamgefühl der Kinder, es hält besser als der beste Kleiderstoff, es bleibt da kein Ungeziefer drin und, denke dir nur, es hat auch eine Sprache; nicht daß es reden kann, aber das Schürzchen sagt gleich, ob es ein Bub ist oder ein Mädel und zu welchem Stamm es gehört. Die Mädel haben nämlich ein Schürzchen, das nur' aus Perlen gemacht ist, die Buben aber haben gewöhnlich ein Schürzchen, verfertigt aus einem Kuhschwanz und mit einem Leder um die Hüfte gebunden. Nur wenige Perlen sind dabei verwendet. Cs ist eben ein Bub und der ist auch schon in der Wiege nicht eitel und soll schon an das denken, das einmal sein Handwerk sein wird, nämlich Kuhhirte. Wo ich mich bei den Kaffern aufhalte, da stoßen gerade zwei große Stämme zusammen. Wenn ich nach Norden schaue, so habe ich zur Rechten die Amabaca und zur Linken die Amaknza. Das sind zwei Stämme, die sich einmal tüchtig in den Haaren hatten und auch heute noch nicht miteinander besonders freundlich tun. Willst du nun wissen, zu welchem Stamm das Kind gehört, so schaust einfach auf sein Perlenschürzchen. Ist dieses aus lauter weißen Perlen gemacht, und ist es mit einer Schnur aus großen blauen Perlen am Leib befestigt, so hast btt ein Kind der Ama-kuza vor dir und die nennen dieses Schürzchen ingcashi. Hat das Schürzchen aber einen Streifen von schwarzen Perlen quer durch, und ist es am Leib befestigt mit einer Schnur von blauen und roten Perlen, dann gehört das Kind zu den Amabaca, das Schürzchen heißt dann isika,ka. Schau, ist das nicht praktisch, daß die Kaffern gleich auch eine Sprache in ihre Kleiderstücke legen?" „Ja, ja, Seppl, jetzt habe ich schon genug Vorstellung- von den kleinen Kafferknirpsen, ich werde schon trachten, daß ich bald wieder was Geld für sie zusammenbringe. Aber wie schauen denn nachher die großen Madeln und Buben aus, bis sie sich verheiraten?" „Mein lieber Loisl, etwas kann ich dir davon schon erzählen, aber alles kann ich doch nicht auftischen, das verstehst du nicht und ich auch nicht, da ist Sitte und Gebrauch. Der erste Grundsatz und der Trieb zu gefallen steckt da tief drinnen. Du wirst aber sehen, daß sie Anstand dabei bewahren in ihrer Weise. Was die Buben betrifft, das ist schnell abgemacht. Wenn der Bub so groß ist, daß er gerade dem Vieh nachlaufen kann, dann bekommt er einen schönen Schurz aus Schwanzhaaren oder auch von einem Asfenfell, der hängt vorn herunter und das Hinterteil bedeckt ein Stück Rindshaut, die die Haare noch hat. Man heißt es ibeshu. Das haben auch die Männer. Es ist eigentlich recht praktisch, bettn wenn sie sich ant Boden hinsetzen, und das ist ihr gewöhnlicher Stuhl, bann verkühlen sie sich nicht leicht, da die Haut vor der Kühle schützt. Auch tut ihnen das Wetter nicht viel an, da es bei Regen bald trocknet. Natürlich haben die größeren Burschen und die Männer jetzt fast alle europäische Kleider, insbesondere wenn sie in die Öffentlichkeit gehen. Wie das Kleidungsstück j „Aber, Seppl, haben die Kerls nichts zu tun, daß sie so herumlottern können den ganzen Tag?" „Zn tun hätten sie genug, aber es ist eben wieder ihre Sitte und Brauch, daß die Burschen recht wenig arbeiten und recht viel faulenzen. Ein kaffrisches Mädel schilderte mir einmal die Arbeit der Burschen so: ,Jn der Frühe stehen sie auf, wenn 's Essen bereit ist; gehen Wie die schwarzen Mütter ihre Kinder tragen. ausschaut und von wo es herkommt, darnach fragen sie nicht. Da kannst du alte Soldatenmäntel sehen, alte Reithosen, abgetragene Kellnerfracks usw. Ein Fetzen deckt den andern und du meinst, du hättest es mit lauter Lumpenhändlern zu tun. Wenn die Burschen auf Braut-schau gehen, da schmücken sie sich auf wie die reinsten Hanswürste. Federn ant Kopfe, reichlich mit Perlschnüren behängen, die buntesten Tüch-lein an allen Ecken und Enden des Körpers. So springen und tänzeln sie bann von Gehöft zu Gehöft und schlagen dabei kräftig auf ihre Zither. Wenn bit diese Kerls daherspringen siehst, da denkst unwillkürlich, der Leibhaftige steckt in ihnen." bann auf den Berg und spielen Zither und schauen auf die Mädel den ganzen Tag/ Das ist die rechte Schilderung der Burschenarbeit und ihre Faulheit zeitigt auch ihre Früchte, bettn Raufen, Schlagen und sich gegenseitig Umbringen, das kommt bei ihnen oft vor." „Aber desto fleißiger werden dann die Mädel sein, tticht wahr?" — „Ja, recht hast, Loisl, die kaffrischen Mädel, die haben oder müssen den Kopf am rechten Fleck haben. Sie müssen alles tun, was überhaupt zu tun ist. Sie müssen das Korn auf einem Stein mahlen, sie müssen Wasser holen, sie müssen Holz holen oder was sonst fähig ist zu brennen, sie müssen kochen, sie müssen fleißig am Feld arbeiten, gerade eben alles. Nur zum Vieh dürfen sie nicht und natürlich auch nicht melken, das ist die Arbeit der Buben, denn die Mädel würden Unglück aufs Vieh bringen. Weil die Mädel so fleißig fein müssen, lernen sie auch gern in der Schule und ihre Väter haben sie gern und sie bekommen auch soviel, daß sie sich recht bekleiden können. Wird das Mädel größer, so bekommt sie ein Stück Tuch, mit dem sie ihren Körper einwickeln kann. Das heißt ishali. Dieses ishali ist bei den jungen Mädchen ganz einfach und hat höchstens einen Perlensaum. Bei allen ist dieses Tuch ganz gleich, es ist nach ihrer Sitte so. Keine macht eine Ausnahme. Ist das Mädchen in die reifen Jahre gekommen, was mit einer kleinen Feierlichkeit begangen wird, dann bekommt es noch mehr solcher Tücher, welche sie nach ihrem Geschmack reichlich mit Perlen bestickt. Sie legt auch Perlenschmuck an um den Hals, um die Arme und Beine und auch auf den Kopf. Ihre Haare läßt sie jetzt wachsen und flechtet sie in schöne Zöpfe. Das sind die heiratsfähigen Jungfern. Wird eine solche von einem Burschen erobert und gibt sie ihre Zustimmung, dann wird sie Braut (umakoti). Von da ab bedeckt sie sich peinlichst, so daß die andern gleich wissen, die ist schon vergeben und man läßt sie schön in Ruhe. Bis zur Heirat ist es allerdings oft noch eine lange Zeit, denn ihr Vater gibt sie nicht eher heraus, bis der Bräutigam die 8 bis 15 Ochsen, ukulobola genannt, gezahlt hat. So sind die Mädel der sogenannten Wilden recht ordentlich gekleidet und man sieht selten ein schlecht gekleidetes. Ihre Fetzen sind nicht besonders anziehend, wohl aber recht übelriechend. Das kommt davon, weil sie ihre Tücher in Fett oder Öl tauchen, um sie haltbarer und wetterfest zu machen." „Das müssen aber schöne Figuren sein in diesen Fettsäcken, meinst nicht auch so, Seppl? Aber trotzdem gefällt es mir so, jetzt weiß ich doch, daß die verschrieenen Wilden besser ihre menschliche Ehre bewahren als unsere hoch- zivilisierten Modepuppen, die rein schon alles entblößen wollen." „Freilich ist es so, Loisl, das fühlen die Schwarzen auch. Da bin ich einmal auf der Straße in Khartum im Sudan gegangen. Da passierte es, daß so eine modern gekleidete Dame über die Straße eilen wollte, um eine Freundin zu grüßen. Als ihr zufällig etwas zur Erde fiel und sie sich bücken mußte, es aufzuheben, sielen ihre kurzen Kleider in so starker Weise auf, daß einige schwarze Weiber, die gerade daherkamen, sich darüber lustig machten und mit Fingern auf sie zeigten. Ich schämte mich vor den Schwarzen und verzog mich eiligst. Loisl, du wirst aber vor den Koffern noch mehr Respekt bekommen, wenn ich dir noch erzähle, wie sich die Weiberleute bekleiden. Wenn die Heirat fertig ist, da bekommt die Frau einen langen Lederrock, aus Ziegenfell gegerbt, den sie immer tragen muß. Ein eigenes Schulterkleid bekommt sie auch, und alles zusammen wird mit einem Gürtel zusammengehalten. Um den Kopf bekommt sie einen Ring, über welchen die Haarflechten überhängen. Die Haare sind jetzt stark mit Fett und roter Erde eingeschiniert, so daß alle dieselbe rote Farbe haben. Ihren Kopf muß sie bedecken mit einem Tuch oder mit einem weichen gegerbten Felle. Die Ama-kuza haben gewöhnlich ein schwarzes Tuch, die Amabaca aber das Fell. Da siehst, lieber Loisl, wie anständig sich die kaffrischen Weiber kleiden müssen. Ihre ganze Mode ist nach Sitte und Gebrauch und da geben sie nicht nach. Alle Achtnna vor solcher Mode, die das natürliche Schamgefühl bewahrt, die nicht jedes Jahr ändert und die auch zeigt, welchem Stande man angehört. Was Festhalten an Sitte und Mode anbelangt, daran hängen auch unsere Christen. Sie sind nicht mehr heidnisch gekleidet, haben aber dafür diese Mode eingeführt: die Mädel tragen als besseres Kleid einen schwarzen Rock, der bis etwas unter die Knie reicht, eine helle Bluse, oben gut geschlossen und mit Ärmeln. Auf dem Kopf haben sie eine selbst gestrickte Mütze oder ein schwarzes Kopftuch in einer festgesetzten Art, es aufzubinden. Die Frauen tragen lange Röcke und immer ein schwarzes Kopftuch, das aber anders aufgebunden wird als das der Mädel. So, Loisl, jetzt habe ich dir einstweilen genug erzählt. Jetzt muß ich aber wieder gehen, morgen früh muß ich wieder ber meinen Kaffern sein, und ich bin froh, wenn ich wieder dort bin. Also behüt dich Gott!" „Halt, langsam, einen Augenblick; weil du . . . Also in der Nähe von Centocow feierte man eine heidnische Hochzeit. Es ist ja wahr, daß grundsätzlich ein Mädchen bei den Heiden dort unten über ihre eigene Zukunft nicht entscheiden kann. Sie ist nur ein Stück nützliches Familien gut, das der Vater zu einem hübschen Preis losschlagen kann. Unter gewöhnlichen Leuten ist so eine Braut schon 10 Stück Vieh wert, bei reichen Leuten noch mehr. Von Häuptlingen, die den Großen spielen wollen, erzählt man sich, daß sie einfach ihrem Schwiegervater als Kaufpreis eine Rinderherde zutreiben lassen. Früher, als diese Stämme noch nicht unter der Knute ausländischer Regierungen waren, soll es bei Hochzeitsfeierlichkeiten ganz toll zugegangen sein. Prozessionsweise durchzogen die Hochzeitszüge das Land. Tempi passati. Freilich dürfen Sie jetzt nicht meinen, daß überhaupt kein Mädchen etwas zu sagen hat, wenn sie verschachert werden soll. Auch hier gibt es einen Unterschied zwischen der graue» Theorie und der goldenen Praxis. An und für sich hätten ja auch unsere Jndenmädchen beim Heiratshandel nichts zu sagen, aber oft bekommt halt doch die Rebekka „ihren" Isaak. So auch bei den Heiden in Südafrika. Die mir gar so einen Respekt vor deinen Kaffern gemacht hast, da werde ich schon schauen, daß meine Mädel zu Hause auch etwas tun für dich. Die sollen immer etwas ihrem Modeteufel entziehen und dir für deine Kaffern schicken, vielleicht hört dann auch bald ihre Modeduselei auf. Und daß ich es gesagt habe, für meine herzigen Kaffernkindeln, da werde ich schon selber sorgen, daß du nicht leer ausgehst. Also glückliche Reise im Zeppl Nr. X, der dich so schnell vom Kaffernland ins Heimatland und wieder zurückbefördern kann. Ja, Schneid mußt j haben, sonst könntest es nicht ermachen." Hochzeitsgebräuche sind je nach der Gegend verschieden, genau wie in Europa. Ich will Ihnen daher wortgetreu übersetzen, was mir der schwarze Anskunftgeber erzählte. Ein Mädchen schenkt ihre Liebe keinem Burschen, der jünger ist als sie. Sie hat einen nur gern, wenn er so alt ist wie sie oder älter. Sie kann aber nicht ohne weiteres heiraten, zumal wenn der Bursche arm ist. Manchmal müssen die beiden ein Jahr und noch länger warten. Der Bursche muß gewöhnlich 4 Stück Vieh anzahlen, falls er nicht den ganzen Kaufpreis für die Braut aufbringen kann. Er geht dann zu dem Mädchen und sagt: „Du, ich möchte dich in meinem Haus haben. Meine Mutter ist alt und braucht eine Hilfe." Wenn das Mädchen damit zufrieden ist, so bestimmt der Bräutigam den Tag der Hochzeit. Am Vortage des Festes gehen einige Freunde der Braut, Männer aus ihrer Verwandtschaft, in das Haus des Bräutigams und tun, als wären sie nur zufällig gekommen, unterlassen es aber nicht, dem jungen Mann alle möglichen Schmeicheleien zu sagen. Jedermann weiß, daß das alles nur Komödie ist, aber die Menschen spielen manchmal gern Hanswurst. Sie gehen Cr ----------- —= ................... Aus einem Briefe an den pater "Redakteur. (Schluß.) _ - " ________- —:: ..............." # Kaffermnode. (Zum Artikel Seite 81. Phot, von Hochw. P. Fischer, F. S. G.) Links oben: Christliches Kaffernmädchen mit der gestrickten Kopfmütze. Rechts oben: Christliche Kasfern-frctu mit der Kopfbedeckung, wie sie alle verheirateten christlichen Frauen tragen. In der Mitte: Das Perlcn-schürzchen der Mädchen aus dem Stamme der Ainakuza, ingcashi genannt. Links unten: Heidnische Zulu-frau mit Kopftuch. Rechts unten: Heidnische Zulufrau. Über der Stirn trägt sie den Kopfring, über den die Haare, in zahlreiche dünne Zöpfe geflochten, herabhängen. Stern der Neger 87 Heft 6 kehren aber bald wieder zurück mit dem Brautführer. Dieser wundert sich höchlichst, wie er hört, daß man an dem Bräutigam etwas Gutes, Schönes und Starkes finden kann. Er sagt auch diesem in Gegenwart aller ins Gesicht, daß er es unbegreiflich finde, tote ein solcher säbelbeiniger, sichelgewachsener, leerer Schmalzhafen auf den Einfall komme, das schönste Mädchen im Lande heiraten zu wollen. Noch nie wäre es vorgekommen, daß man für einige ausgehungerte Ochsen eine solche Fee hätte erwerben können, für die ein Prinz eine ganze Herde schicken würde. Wenn der Lügenbeutel keine Kraftausdrücke mehr findet, löst sich' alles in gegenseitigem Wohlgefallen auf. Inzwischen bleibt die Braut zu Hause und richtet ihre Sachen her, wie Kleider, Schürze, Perlenschnüre. Aber ihre Eltern dürfen nicht wissen, daß sie noch am selben Abend aus dem Hause geht. Darum verbirgt sie diese Dinge vor ihnen. Auch sagt sie zu zwei kleinen Mädchen, sie sollten auf sie warten. Wenn es dunkel wird, verlassen alle drei das Haus, um zum Heim des Bräutigams zu gehen. Dieser hat schon einige Freunde eingeladen, zu ihm zu kommen und zu tanzen. Die Eltern des Burschen wissen natürlich alles, aber die Eltern der Braut tun, als ob sie gar nichts wüßten. Bevor die Braut in den Kraal ihres Schwiegervaters tritt, muß sie mit Ausnahme der Schürze alle Kleider ablegen, welche die beiden Begleiterinnen in Verwahrsam nehmen. Obwohl der Mann über alles unterrichtet ist, fragt er sie, wer sie sei, woher. sie komme, wer ihr Vater wäre, ob sie auch einen Kraal hätten und dergleichen mehr. Die Schwiegermutter hat nichts zu sagen. Sie richtet die Speisen für das Fest her. Nach dem Kreuzverhör darf das Mädchen in das Haus eintreten. Alles Komödie. Nach und nach kommen die Verwandten des Bräutigams und es geht hoch her, aber die eigentliche Hochzeil ist das noch nicht. Diese wird erst später im Kraal der Braut gefeiert. Diese Nacht schläft die Braut in einer Hütte mit ihren zwei kleinen Be- gleiterinnen. Am nächsten Tag geht sie mit andern Mädchen zum Fluß und bleibt dort den ganzen Tag. Das Essen wird ihr ans Wasser gebracht. Jetzt wechselt die Szene des Theaters. Der umhlaleli, ein Freund des Bräutigams, geht zum Vater des Mädchens und teilt ihm mit, daß seine Tochter sich im Kraal so und so als Braut befände. Darüber gerät der Hintergangene Papa natürlich in Harnisch. So eine Gemeinheit. Aber der unihlaleli versichert ihm: „Nichts zu machen." — „Was nichts zu machen? Glaubst du, ich hätte den Fratz bis jetzt umsonst gefüttert? Wenn sie fortbleiben will, kann sie es ruhig tun, aber ich muß so und soviel Stück Vieh und Geld dafür bekommen." Schließlich wird man handelseins. Der umhlaleli zahlt als Angeld etwa 60 Mark und kehrt zum Vater des Bräutigams zurück, dem er die näheren Bedingungen des Kuh- und Brauthandels auseinandersetzt. Am Abend kommt die Braut vom Fluß zurück und der Schwiegervater schlachtet eine Ziege für ihre Begleiterinnen. Jetzt darf sie auch ihre Kleider wieder anziehen. Die zwei kleinen Mädchen, die mit ihr kamen, bleiben ungefähr zwei Wochen noch bei ihr. Dann kehren sie zu ihren Eltern zurück. Die Braut bleibt aber bei ihrer Schwiegermutter für einige Monate. Sie mahlt Korn, holt Wasser oder Holz, glättet den Lehmboden der Hütte und verrichtet sonst die gewöhnlichen Hausarbeiten. Zwei Dinge bleiben ihr indes untersagt. Sie darf weder kochen noch die Hütte des Schwiegervaters betreten. In der Zwischenzeit zahlt der Bräutigam einen Teil seiner Brautschuld ab. Nun wird es aber auch allmählich Zeit, daß die Braut sich ihren eigenen Eltern vorstellt. Da die Leute des Bräutigams sie begleiten und ein kleines Fest damit verbunden ist, müssen die Eltern vorher benachrichtigt werden. Der Vater bestimmt den Tag. Die Gesellschaft kommt diesmal bei Tag zusammen, geht aber erst spät in der Nacht auseinander. Viel Fleisch und noch mehr Bier; Gesang und Tanz und Höllenspektakel. Bei dieser Gelegenheit helfen beide Familien zusammen. Am nächsten Morgen gehen des Bräutigams Leute nach Hause, aber die Braut bleibt bei ihren Eltern zurück. Sie benützt diese Zeit für zwei Dinge. Einmal richtet sie die Sachen her, die sie für ihr eigenes Heim braucht, sodann geht sie bei Verwandten und Bekannten herum und bettelt um Geschenke. Jeder muß ihr etwas geben, sei es nun Geld oder irgendein nützliches Haushaltungsgerät. Diese Geschenke sind aber nicht für sie persönlich, sondern am Tage der eigentlichen Hochzeit muß sie wieder alles an Verwandte des Bräutigams weitergeben. Ist ihr Vater mit dem zufrieden, was der Bräutigam bereits angezahlt hat, so kann die Hochzeit gefeiert werden. Wenn nicht, so gibt er die Tochter einfach nicht mehr heraus, was natürlich zu Zank und Hader führen muß. Manchmal findet man einen Ausweg darin, daß der junge Mann im voraus eine zukünftige Tochter als Pfand einsetzt. Er sagt also etwa: „Mein lieber Schwiegerpapa, ich bin ein armer Teufel und kann dir nicht alle übereingekommenen Stück Vieh abzahlen; wenigstens jetzt nicht. Aber wenn unter meinen Kindern ein Mädchen sein wird, und wenn sie einst verheiratet wird, und wenn ich dann Kühe und Ochsen für meine Tochter bekomme, dann zahle ich redlich alles zurück." Da einerseits die Wahrscheinlichkeit groß ist, daß unter den Sprößlingen wohl eine „sie" sein wird und anderseits auch das Herz eines schwarzen Schwiegervaters rot ist, so geht der Handel meist glatt ab. Helle Frauenstimmen schrillen durch die Luft. Der Hochzeitsmorgen ist angebrochen. „Die Freunde des Bräutigams" und anderes Volk kommen, im Festzug die Braut abzuholen. Die Freundinnen der Braut schließen sich an. Die Braut macht noch Toilette. Wenn sie auch keinen Punktroller und keine Puderquaste hat, Weibsbild bleibt Weibsbild und wird niemals fertig. Endlich kommt sie heraus, begrüßt mit einem lauten Freudengeheul. In der bereits hochstehenden Sonne glänzt sie wie ein Spiegel, vollauf behängt mit glitzerndem Tamtam und Perlen. Als Kleidungsstück trägt sie nur den Perlenschurz um die Lenden. Alles soll sehen, wie herrlich sie ist. Sie verschwindet inmitten des Festzuges, der nun jubelnd dahinwogt. Begegnet man auf dem Weg einer ansehnlichen Person, so stiebt die ganze Prozession auseinander, damit man die geschmückte Braut bewundern kann. Im Haus des Bräutigams spielt sich jedoch bald eine etwas prosaische Szene ab. Da der Hochzeit des Heiden jede höhere Weihe fehlt, mutet uns das Auftreten des Polizeidieners etwas unfestlich an. Doch heute müssen auch die Ehen der Schwarzen registriert werden. „Und das Auge des Gesetzes wacht." Vor der Polizei wird also erklärt, erstens, daß die neugebackenen Eheleute einander nicht davonlaufen wollen, sodann, wieviel Stück Vieh der Vater der Braut bereits erhalten hat und noch erhalten wird. Freilich interessiert sich die Polizei darum nicht aus Liebe zum Vater der Braut. Indes durch die Feststellung werden Streitereien verhütet und der Vater Staat kann die Rechnung aus seinem Steuerzettel erhöhen. Doch bekommt der Wächter des Staates den Unwillen über die Fürsorge seines Auftraggebers nicht zu fühlen. Er darf einen guten Schluck vom Hochzeitsbier verkosten. Ist er aber fort, dann geht die Hochzeit, das heißt „die hohe Zeit", erst an. Solange es tagt und die Gäste nicht betrunken sind, mag man das noch als Fest bezeichnen, falls man unter Gejohl und Brüllen Gesang und unter tollem Herumspringen Tanz versteht. An diesem Tag ist es auch der Braut erlaubt zu tanzen, nicht aber dem Bräutigam. Sie hat ein Messer in der Hand, als ob sie jeden niederstechen wollte, der ihr zu nahe käme. Es ist der letzte Tag ihrer Freiheit. Sie darf auf ihren Bräutigam schimpfen, soviel sie vermag. Wenn es auch nur aus Scherz geschieht, so ist es für sie doch die Mahnung: Von morgen an bist du die Sklavin des Mannes, und wenn du jemals im Ernst wiederholst, was du jetzt aus Scherz oder, falls die Heirat eine gezwungene war, auch absichtlich tust, so sind Skiavenstrafen dein Los. Am nächsten Tag verabreicht die junge Frau den Verwandten ihres Mannes die gesammelten auch noch der Frau ein Geschenk machen, damit sie wieder heimgeht zu ihrem Manne. Nach der Hochzeit darf die junge Frau auch die Hütte ihres Schwiegervaters betreten, was ihr bis dahin streng untersagt war. Wenn sie weiß, daß sie bald Mutter wird, so kehrt sie zu ihren Eltern zurück. Wiederum hat sie eine Reihe Dinge zu meiden, worunter die hauptsächlichsten die sind, daß sie weder Fleisch vom (Phot, von Hoch». P. Fischer, F. S. C.) Köstlich ist's anzusehen, wenn einige Weiber beisammensitzen und am Schnupfen sich gütlich tun. Die eine putzt mit einem Löffelchcn aus Horn, eigens für diesen Zweck verfertigt, ihre Nase. Eine andere schabt den Tabak in ihrer Hand mit dem gleichen Instrument zusammen, um eine ausgiebige Portion schnupfen zu können, und die dritte führt mit den: Löffelchen den Tabak ihrer Nase zu: eine alltägliche Szene. Geschenke, worauf diese heimgehen. Sie bittet dieselben auch, sie heimwärts begleiten zu dürfen, was natürlich bereitwilligst gewährt wird. Aber nun setzt eine neue Hatz ein. Die angebotene Begleitung ist nur Vorwand. Die junge Frau sucht eine Gelegenheit, den Verwandten zu entschlüpfen und zu ihren Eltern zu flüchten. Die Verwandten des Mannes wissen das wohl und passen fein auf. Ist die junge Frau flink, so gibt es eine wilde Jagd. Denn wenn die Verwandten sie nicht einholen, so werden sie nicht nur vom ganzen Dorf ausgelacht, sondern müssen Huhn noch vom Schwein essen darf, bis sie ihrem Mann fünf Kinder geschenkt hat. Und der Mann? Nach der Ansicht der Heiden ist er der Herr der Schöpfung. Für ihn gibt es kein Verbot. Er kann tun, was er will. Und doch habe ich eine solche schwarze Herrlichkeit schon jammern hören, beinahe mit den Worten des alten Heiden Hippokrates: „Ein verheirateter Mann hat wenigstens zwei glückliche Tage im Leben; den ersten, wenn man ihm seine Frau als Braut zuführt, und den zweiten, wenn man sie als Leiche hinausträgt." 90 Stern der Neger Heft 6 i Der TiäuptlmgsfoI)n von Sandah. Der Roman eines Schwarzen von P. Johannes Emon ts, 8. C. J. (Fortsetzung.) i 9. Kapitel. Der Gefangene des Idon Serki. Debu lag unterdessen gebunden an Händen und Füßen in einer elenden Hütte. Seine Lage war verzweifelt, und doch verzweifelte er nicht. Sein Mut war ungebrochen. Seine Entschlossenheit schien unter dem Druck der Not zu wachsen. Er schwor bei sich, nicht lange der Sklave der Haussah zu bleiben. Er untersuchte seine Fesseln. Sie waren auf dem Rücken zusammengeknotet. Wie er auch zerrte und mit allen Kräften sie zu zersprengen versuchte, es gelang ihm nicht, die starken Lederriemen zu lösen oder zu zerreißen. Wie ein wildes Tier in die Stangen seines Käfigs beißt, so riß Debu an den starken Ledersesseln. Umsonst, sie waren zu fest. Ermattet und niedergeschlagen stand er von seinen vergeblichen Bemühungen ab. Alombi hatte sich still und unbemerkt aus dem Verstecke Dschembanas fortgeschlichen und war in die Hütte geeilt, welche ihm zur Unterkunft diente. Nachdem er sich auf seine Schlafmatte gelegt hatte, überdachte er, ohne es recht zu wollen, sein Leben. Und wieder stieg da die alte Wut in ihm auf über das schmähliche Verhalten der Haussahhändler. „Mag's kommen, wie es will! Nicht länger mehr will ich Sklave sein. Ich will die Freiheit genießen, selbst wenn ich fern der Heimat leben müßte. Mit dem einen Bandariburschen wäre mir die Flucht in dieser Nacht wohl geglückt, aber ob ich sie beide retten kann? — Wie! —- Ja, daß ich das vergessen konnte! Jetzt weiß ich auch, wo ich den Freund des Bandarimannes finde. Stand nicht heute der Jdon Serki so lange bei Kankassa, der mir gestern die Peitschenhiebe geben ließ? Und nahe dabei standen die Lasten des Jdon Serki und, irre ich nicht, so war der Bandari-mann dabei. — Ja, jetzt weiß ich es sicher, es ist kein Zweifel mehr. Debu ist von Kankassa an den Vertreter des Serki verschachert worden. Elender Jdon Serki! Hinterlistiger Menschenräuber! Schon um mich an dir zu rächen, du Unmensch, muß ich Debu befreien!" Alombi kochte vor Wut und Zorn. Den grausamen Jdon Serki haßte er deshalb so maßlos, weil dieser ihn einmal hatte durchpeitschen lassen, als er ihn bei einer plötzlichen Begegnung nicht höflich genug gegrüßt hatte Die ganze Nacht hatte Alombi damals wimmernd und weinend in der Hütte eines Gehöftes gelegen, das in Abonadi im übelsten Rufe steht und das „Gehöft der Tränen" heißt. Alombi sprang von seinem Lager auf, ballte die Fäuste und zischte: „Ha! Jdon Serki! — so wahr du ein Schuft bist, so wahr ist es, daß ich den armen Debu deinen Händen entreiße." — Mitternacht. Debu liegt halb wach, halb träumend in seiner kleinen Hütte, im „Gehöft der Tränen". Plötzlich vernimmt er ein leises Geräusch. Doch nein, er muß sich getäuscht haben, denn cs ist wieder ganz ruhig und nichts regt sich. Und doch, es ist kein Zweifel. Schon wieder hörte er es. Ein Knistern! Es war, als käme es von der Mauer her. — Bald darauf vernahm er einen dumpfen Ton, als wenn jemand von einer Mauer auf den Boden springt, und dann war es wieder für einige Zeit so ruhig und still, als wäre kein Lebewesen im Gehöft. Debu lauschte gespannt und hielt den Atem an. Das aufmerksam gespannte Ohr des Gefangenen vernahm trotz der scheinbaren Ruhe ein leises Knirschen, ein Geräusch, als wenn jemand sich bemüht, unhörbar heranzuschleichen. Es kam immer näher. Nun mußte das seltsame, schleichende Wesen nahe bei seiner Hütte sein. Sein Herz klopfte hörbar. „Ha, wenn es Dschembana wäre —!" Aber nein, das war ja unmöglich. Auch ihn würde man ebenso eingesperrt haben. „Debu, ein Freund ist hier! Debu, bist du da?" Ja, er hat es deutlich gehört. Der Bann ist gebrochen. Debu fühlt, wie ber Schlag seines Herzens schneller geht. Im Übermaß der freudigen Überraschung ist er kaum imstande zu antworten. „Tebu, bist du da?" hört er zum dritten Mal. — „Ja, ich bin hier, bin gefesselt!" antwortet er jetzt leise, aber doch lauter, als er beabsichtigte. Die Tür wird geöffnet. Der unbekannte Freund steht schon neben dem Gefangenen, tastet sich an die Hände und Füße heran. Ein Griff in den Gürtel. Der Dolch zerschneidet die festen Lederriemen. Debu ist frei. „Kannst du aufstehen, Debu?" — „Es wird mir schwer, die Glieder sind ganz steif, aber es wird schon gehen. Doch sage mir, wer bist du?" — „Es muß dir genügen, daß ich dein Freund bin. Ich j bringe dich zu Dschembana. Doch höre, wie du \ dich zu verhalten hast." Der Freund gab dem Befreiten genaue Weisung über sein Verhalten, und wenige Minuten später war der gefährliche Rückzug aus dem „Gehöft der Tränen und des Schreckens" bewerkstelligt. Dschembana saß mittlerweile in banger Erwartung in seiner baufälligen Hütte. Noch waren keine zwei Stunden seit dem Abschied seines neuen Freundes Alombi verflossen und dennoch dachte er schon daran, das armselige Versteck in dem kleinen Schutthaufen wieder aufzusuchen. Ein Geräusch erschreckte ihn. Alombi kehrt doch diese Nacht nicht mehr zurück, also müssen es Häscher des Serki sein. Schon will er sich ängstlich verstecken. Er glaubt bereits, allzu lange gezögert zu haben, ins Versteck zurückzukriechen. Doch nein. Er hat sich getäuscht. Er hört seinen Namen nennen: „Dschembana, ich bin's, Alombi. Hab' keine Angst!" — „Wie, du, Alombi?" — „Ja, ich bin schneller zurückgekehrt, als ich dachte." — „Ich hätte diese Nacht nicht mehr an deine Rückkehr geglaubt und wollte mich gerade in mein Versteck begeben, denn der Morgen wird bald anbrechen." ■— „Noch lange nicht! Es ist kaum Mitternacht." — „Weshalb kommst du jetzt schon? Hast du etwas vonDebu gehört?" — „Ja, deshalb komme ich zurück." — „So erzähle, was bit weißt." — „Debu wird dir selber erzählen." — „Wie! Er wird mir selber erzählen? Wo ist er denn?" — „Ich habe ihn mitgebracht, er steht vor der Tür." — „Guter Alombi! — Ah, Debu, du, mein Freund, bist hier. Welche Freude!" — „Ja, Dschembana, ich bin hier, dieser Mann hat mich befreit. Ich sollte der Sklave des Jdon Serki sein." Die beiden Freunde erzählten nun kurz ihre gegenseitigen Erlebnisse der drei letzten Tage. Ihre Freude war überaus groß. Alombi machte ihrem Erzählen plötzlich ein Ende, indem er sprach: „Jetzt tut Eile not. Spart eure Freude auf für den Augenblick, da ihr gerettet seid! Schnell, stärkt euch! Hier sind für jeden einige Kola. Der Saft regt die Lebensgeister an. Es ist höchste Zeit, an die Flucht zu denken." Die beiden aßen flüchtig von den mitgebrachten Planten und Bananen, kauten eine Kolanuß und steckten die übrigen ein für die Flucht. Alombi fuhr fort: „Vor Anbruch des Tages bleibt uns eine gefährliche und schwierige Aufgabe. Wir müssen aus Abonadi zu entkommen suchen. Ich kenne eine schadhafte Stelle der j Mauer. Leider liegt sie nahe dem nördlichen ; Tore. Dahin will ich euch führen. Wir steigen hinüber und sind in der felsigen Steinwüste. Bis zum Anbruch des Tages müssen wir suchen, durch diese zu entkommen. Doch jetzt ist es genug der Unterhaltung. Schnell! Folget mir vorsichtig und leise, sonst sind wir alle verloren." Nun begann die eigentliche Flucht. Alombi machte den Führer. Er kannte jeden Pfad und mied sorgfältig die breiten Straßen. Ohne angehalten zu werden und ohne einem Menschen zu begegnen, erreichten sie die hohe Lehmmauer. Der Führer flüsterte ihnen leise zu, wie er sich den Auf- und Abstieg dachte. Er stieg zuerst auf die Schultern Dschembanas und kletterte auf die zerbröckelte .Mauer. Dann zog er Debu, der sich ebenfalls auf die Schultern Dschembanas gestellt hatte, nach oben und auch das gelang. Debu stand bald auf der andern Seite, aber in demselben Augenblick, da Alombi sich tief hinabneigte, um Dschembana nachzuziehen, gab das alte Gemäuer nach und rollte mit Gepolter in die Tiefe. Von Alombi war nichts mehr zu sehen. Er war mit dem Geröll zur andern Seite abgestürzt, ohne Dschembana für den Auf- und Abstieg helfen zu können. Das Geräusch war gehört worden. Stimmen wurden laut. Fünf, sechs wachhabende Haussah stürzten herbei und umringten Dschembana, der vergeblich versuchte, über die merklich erweiterte Bresche zu klettern. Verzweifelt setzte er sich zur Wehr, so daß gleich der erste der Angreifer, vom Fausthieb auf den Kopf getroffen, leblos zusammenbrach, aber dann wurde er selbst von den anderen überwältigt und gebunden. Die Haussah schrien und tobten aus Leibeskräften, und so strömten immer mehr Leute herbei. Alle umstanden den Gefangenen, verhöhnten und mißhandelten ihn. Jeder ließ seinem Zorn freien Lauf, bis endlich der Vorsteher der Wache sich dazwischenstellte und dem Wüten der Leute Einhalt gebot. Dschembana war also wirklicher Gefangener des Serki. Von der Flucht Debus und Alombis schienen die Leute nichts bemerkt zu haben. Das freute ihn nicht wenig, denn so konnte er hoffen, daß vielleicht einmal von seiten der beiden Geretteten auch ihm Hilfe und Rettung zuteil würde. Auf recht unsanfte Weise schleppte man ihn nun zum Gehöfte des Serki, Der noch in tiefem Schlafe lag. Die Wächter gingen daher in die leerstehende Hütte eines kleinen Nebeugehöfts. Bald brannte ein lustiges Feuer, um das sie sich lagerten, während sie den Gefangenen in einer Ecke der Hütte auf den Boden warfen. Der Serki schien kein Frühaufsteher zu sein. Die Sonne stand schon hoch am Himmel, ehe er sich den Gefangenen vorführen ließ. Der Serki saß auf einem mit Polstern und schönen Matten belegten und be-hangenen Stuhl. Eine weite, schöne Tobe mit Gehöft des Serki einschleicht, der verläßt es als Sklave. Wer als Sklave einen Fluchtversuch macht, der wird fürs erste vom ,Spender der Süßigkeiten' sanft mit der Peitsche gestreichelt. Wer zum zweiten und dritten Male sich mit Fluchtgedanken trägt, der empfängt doppelte und dreifache Züchtigung. Wer dann noch nicht Unsere jüngsten Werbeapostel. Hans Joachim und Kurt Deuschle aus Ershausen (Eichsfeld, Deutschland). In wenigen Wochen haben die beiden Kleinen 30 neue Leser für den „Stern" gewonnen. Sie arbeiten unverdrossen weiter. Gott segne sie! breiten, grünen Randstickereien hüllte seine große Gestalt ein. Ein grünseidenes Lithamtuch umgab Stirne und Kopf, so daß nur Augen, Nase und Mund zu sehen waren. Die lernten Gespräche verstummten, als der Serki mit der Hand ein Zeichen gegeben hatte und dann den Gefangenen anredete: „Du bist's, der gestern aus meinem Gehöft entfloh?" — „Ja, der bin ich!" — „Weißt du nicht, daß die Flucht eines Sklaven bestraft wird?" — „Ich bin kein Sklave, ich bin ein freier Bandarimann." — „Das bist du gewesen. Die Freiheit hast du verwirkt. Wer sich in diebischer Absicht in das von seiner Fluchtkrankheit geheilt ist, dem schreiben wir mit glühendem Eisen die Medizin auf den Rücken. Hast du verstanden, du Hund eines Kafirs?" — „Ja." — „Wohin wolltest du fliehen?" — „Dahin, wo ich die Freiheit zu finden hoffte." — „Wo hast du dich gestern versteckt?" — „Da, wo du mich nicht gefunden hast." — „Du Hund hast eine freche Zunge, es kommt die Zeit, da du höflicher sein wirst. Ich habe ein gutes Mittel, die Unhöflichen zu erziehen." Kaniabi ließ die Peitsche auf den Rücken des armen Dschembana niedersausen und das Volk spendete lauten Beifall. „Wirst du noch einmal fliehen?" — „Ja, sobald es mir möglich sein wird." — „Es ist genug der frechen Reden. Schnell, Kaniabi, gib dem Sklaven die Medizin, die ihn mit lauter Liebe zum Dienste eines Bawa, eines Sklaven, erfüllt." Drei, vier, fünf Männer ergriffen den Dschembana, legten ihn auf einen länglichen Holzblock, banden Hände und Füße mit Lederriemen daran so fest, daß der Arme sich nicht mehr rühren konnte. Der Serki begann zu zählen: eins — zwei — drei — vier — ! Kaniabi, der Peitschenmann, ein ungeschlachter Mensch, hob und senkte wie im Takte seine Peitsche, die aus der Rückenhaut des Flußpferdes geschnitten war. Dschembana schrie nicht. Erst beim fünfzehnten Schlag stöhnte er. Das konnte er im Übermaße des Schmerzes nicht verhindern. Der Schmerz war ungeheuer. Jeder Schlag sauste an einer andern Stelle nieder und so überzog sich der ganze Rücken mit dicken Striemen. Die Zuschauer sagten kein Wort, mit grausamer Lust weideten sie sich an diesem armen Kafir. Der Serki hatte soeben „achtzehn" gezählt, als der Jdon Serki in größter Aufregung auf dem Platz erschien und auf den Serki zueilte. „Was gibt's? Was führt dich so früh zu mir?" fragte dieser den Aufgeregten. — „Mein Sklave ist entflohen. Er ist nicht mehr da." — „Wie? War er denn nicht gefesselt?" — „Doch; seine Fesseln waren so gut ineinander verknotet, daß er sich unmöglich selber hätte befreien können. Es muß ihm jemand zur Flucht verholfen haben." — „Weshalb vermutest du das?" — „Die durchgeschnittenen Fesseln liegen in der Hütte. Der Gefangene besaß aber selber kein Messer; und überdies hätte er seine Hände nicht gebrauchen können." — „Wer aber soll ihm zur Flucht verholfen haben?" — „Ich weiß es nicht, vermute aber, daß dieser zweite Bandarimanu, von dem ich höre, daß er ergriffen wurde, Kenntnis von der Flucht und dem an der Flucht beteiligten Helfer besitzt." — „So wollen wir ihn verhören. — Du stinkender Hund! Du räudiges Schaf! Weißt du, daß dein Stammesgenosse, der Sklave des Jdon Serki, geflohen ist?" — „Er war ebensowenig ein Sklave, wie ich es bin", knirschte Dschembana in ohnmächtiger Wut. — „Gib ihm die Peitsche, Kaniabi, damit er höflicher antworten lernt", sagte der Serki. Der Befehl wurde gewissenhaft ausgeführt. Schallende Peitschenschläge kreuz und quer über den Rücken, über die bloßen Arme und Beine entlockten dem armen Dschembana schmerzliches Stöhnen. „Willst du nun antworten, du Hund?" — „Ja." — „Weißt du von der Flucht?" — „Ja." — „Wann ist er entflohen?" — „Diese Nacht." — „Weißt du, wer ihm zur Flucht verholfen hat?" — „Ja." — „Wer war es?" — „Das sage ich nicht." — „Dann wird die Peitsche dir den Mund öffnen." — „Dann kennst du mich schlecht. Zum Trotz sage ich es nicht." — „Willst du antworten?" — „Nein! Peitsche mich zutode, aber sagen werde ich es nicht!" Der Serki sprang auf. Diese dreiste Antwort machte ihn derart' wütend, daß er sich nicht länger beherrschen konnte. Er ergriff selber die Peitsche und schrie: „Willst du antworten, du häßlicher Schakal?" — „Nein." Rechts und links, kreuz und quer schlug der Rasende auf das arme Opfer ein. Wohl ein Dutzend Schläge gab er ihm über den Kopf, dann zerschlug er die nackten Arme, den Rücken und die Beine so schnell und in solch rasender Geschwindigkeit, daß man die sausenden Hiebe nicht zählen konnte. Er schäumte förmlich vor Wut und Zorn. Stöhnend, winselnd, wie ein Wurm sich schmerzlich windend, hatte Dschembana die qualvolle Marter über sich ergehen lassen. Er war wie tot und gab keinen Laut mehr von sich, als der Wüterich endlich aufhörte. „Schafft den Hund aus meinen Augen. Für heute hat er genug. Hier in Abonadi wird er noch Höflichkeit lernen!" 10. Kapitel. Zum großen Waffer. Dschembana war wie leblos in das Gehöft eines Mannes gebracht worden, der ganz in der Nähe des Serki-Gehöftes wohnte. Auf dem Boden der bienenkorbartigen Hütte wurde eine Matte ausgebreitet und darauf legte man den armen Zerschlagenen. „Lebt er noch?" fragte Dekini, der Gehöftbesitzer, die Haussahleute, die den Mißhandelten gebracht hatten. — „Es ist fraglich. Jedenfalls wird er bald sterben, wenn er noch lebt." Dekini fühlte nach dem Puls und dem Herzen des Zerschlagenen und machte eine bedenkliche Miene. „Noch lebt er; aber ob er am Leben bleibt .. .? Ich fürchte auch, daß er stirbt." Der Mann, der wohl der Arzt des Serki sein mußte, kramte nun eilig in seinen kleinen Töpfchen und zugebundenen Mattenstückchen herum und bereitete schnell eine Medizin, die er mit Hilfe der Leute dem Kranken einflößte. Dann nahm er aus einem andern Gefäße steifes Palmöl, tat ein Dutzend Tropfen eines bestimmten Pflanzensaftes dazu und vermischte das Ganze mit einer pulverartigen Asche, die er aus den Blüten gewisser Pflanzen gewonnen hatte. Diese Medizin hielt er so lange über das Feuerchen, bis das steife Palmöl sich erhitzte und flüssig wurde; dann bestrich er damit den gräßlich zerschlagenen Rücken, die Arme und Beine des Kranken. Mehrere Tage schwebte der Kranke zwischen Tod und Leben, und als er.endlich die Augen aufschlug, war es ,ihm, als erwache er aus einem tiefen Traum. Müde und matt versuchte er den Kopf zu wenden und denjenigen anzuschauen, der soeben wieder Medizin aus den verwundeten Rücken tat. Der fremde Mann, der sich mit ihm beschäftigte, hatte sein Erwachen bemerkt, trat schnell mit einem kleinen Gefäß zu ihm und sagte: „Hier, nimm dies und trinke davon, es wird dir gut tun." — „Wer bist du?" — „Ich bin der Medizinmann, der große Arzt von Abonadi, dessen Medizin dich am Leben erhalten hat." Die Stimme des Mannes war milde und gut. Dschem-bana schaute ihn lange an und fragte dann zweifelnd: „Weshalb hast du mich nicht sterben lassen? Es wäre besser für mich. Wozu soll ich denn leben?" — „Nein, du darfst nicht sterben. Leben ist besser als sterben. Die größte Gefahr ist vorüber. Aber nun sei ruhig, sprich nicht! Nimm dies und trink!" Dschembana gehorchte wie ein willenloses Kind dem Befehl des Mannes und verfiel bald wieder in einen langen und tiefen Schlaf. Von Tag zu Tag ging es ihm besser. Die Wunden heilten rascher, als man es für möglich gehalten, die Lebensgeister kehrten wieder zurück und nach Verlauf von zwei Wochen war er soweit hergestellt, daß er sich für kurze Zeit erheben konnte. Dennoch dauerte es noch mehr als zwei Monate, bevor er wieder völlig gekräftigt und gestärkt in früherer Rüstigkeit umhergehen konnte. Dann kam der Tag, der ihn ins Joch des Trägerdienstes einspannte. Man brachte ihm ein Haussahkleid und führte ihn zum Serki. „Du bist wieder gesund und kräftig. Von heute ab wirst du mein Träger sein. Deine erste Reise wird zum großen Wasser gehen, wohin du ja wolltest. Denke nicht an die Flucht! Man wird dich gut beaufsichtigen. Jeder Fluchtversuch schadet nur dir selber. Die Strafe wird jedesmal verdoppelt und die Freiheit, die man dir lassen wird, wird dir immer mehr entzogen. Werde ein Hauffah, und du wirst wie ein Haussah behandelt. So, nun geh und denke an das, was ich dir gesagt habe!" Die Lasten lagen bereit. Die Träger standen daneben, und in ihrer Nähe stand Kankassa in stolzer Haltung. Er, der hinterlistige Mann, war also der Führer. Auf seinen Befehl setzte sich die Karawane gegen Süden in Marsch. Mit Dschembana waren noch acht andere Neger verschiedener Eingeborenenstämme zum Trägerdienste aufgeboten worden. Sie waren ebenfalls mit List oder Gewalt zu Sklaven gemacht worden. Sie alle mußten die niedrigsten Arbeiten leisten,erhielten die schwersten Lasten zugewiesen. Jeder Hausfah glaubte, sie ganz nach Belieben als Knecht und Sklaven gebrauchen zu können. Gab's Gesang und Tanz, dann mußten sie arbeiten. Zum Träumen hatte Dschembana nicht viel Zeit. War die Karawane unterwegs, dann machte ihm die schwere Last derart zu schaffen, daß der Kopf schmerzte und er kaum einen klaren Gedanken fassen konnte. Und doch trug er sich Tag und Nacht mit seltsamen Gedanken. Das Leben war ihm zur Qual geworden. Er, der freie Bandari-mann, der Sohn des großen Bandarihäupt-lings, konnte und wollte das harte Sklavenjoch nicht länger tragen. Frei wollte er sein. Die Haussah aber wußten aus langer Erfahrung, daß die Sklaven jede günstige Gelegenheit zur Flucht ergriffen. Oft gaben sie ihnen sogar eine derartige Gelegenheit, um die Ärmsten auf die Probe zu stellen. Regelmäßig wurden die Flüchtlinge natürlich wieder ergriffen und ihre Gefangenschaft wurde verschärft. Dazu war die Strafe sehr hart. Das waren traurige Zeiten für Dschembana. Er verwünschte sich selbst. Er verwünschte sein Lebensschicksal. Er verwünschte die Geister und dachte daran, sich selber das Leben zu nehmen. Und doch, wenn seine Trauer den tiefsten Stand erreicht hatte und er meinte, verzweifeln zu müssen, dann war es jedesmal der Gedanke an Alombi, der ihm neue Hoffnung und Trost bot: Hatte Alombi nicht gesagt, daß erden Weg zum großen Wasser kenne, und daß er bei seiner Rettung die beiden Bandarileute nicht vergessen werde? Derartige lichte Gedanken der Hoffnung lagen beständig im Kamps mit dunklen Mächten der Verzweiflung. Wie würde es Debu und dem treuen Alombi möglich sein, sich seiner anzunehmen. Mußten sie nicht selber vor den Hausfah auf der Hut sein? Waren sie überhaupt gerettet und in Freiheit? Es fiel ihm auf, daß der Serki nichts von der Ergreifung des Alombi gesagt hatte. Aber wird Alombi ihm helfen können? Wenn er gerettet ist — wird er da nicht bloß an sich selbst denken und die beiden Fremden vergessen? „Nein, es gibt keine Hoffnung. Es ist unnütz, an Retter zu denken! Und doch," sagte er sich dann wieder, „und doch — und doch — !" Tausendmal wiederholte er dieselben Gründe für und gegen eine Rettungsmöglichkeit. Dreimal versuchte er die Flucht und dreimal wurde er wieder ergriffen. Der Verfolger-waren zu viele, und der Arm der Hausfah reichte gar weit. Man brachte ihn zur Karawane zurück. Was er dann alles erduldete, wie man ihn mißhandelte, ärgerte, quälte und ihm das Leben verekelte, spottet jeder Beschreibung. Mit Hunger und Durst, mit Schlägen und immer schwereren Lasten suchte man ihm die Fluchtgedanken zu vertreiben. Dschembana gab nach und nach alle Hoffnung auf. Stumm tote ein Lasttier schleppte er sich dahin. Er lernte es, alles über sich ergehen zu lassen, ohne mit der Wimper zu zucken. Endlich, nach vier langen und unbeschreiblich mühsamen Wochen, langte man am Ziele der Reise, der Küste von Togo, an. Von ferne schon erblickte man von einer leichten Anhöhe das weite Meer und hörte das Rauschen der Brandung. Dschembana sah auch einzelne weiße Punkte, die wohl die Schiffe der Weißen sein mußten. Dann ging's wieder in dichten Palmenwald hinein, bis die Karawane in Lome Einzug hielt. An den vielen Steinbauten, Magazinen, an den Geschäften, Häusern der Weißen und anderen Sehenswürdigkeiten vorbei ging es zu den Niederlassungen der Hanffah. Wenn die Händler in den ersten Tagen in die Stadt gingen, blieben die Sklaven unter Bewachung zurück. Dann saßen die Armen einsam in ihrer Hütte und lauschten auf das ferne Wogen des Meeres, das sie alle einmal so gern aus der Nähe gesehen hätten. Kehrten die Händler vom Markte oder aus der Stadt heim, dann brachten sie ganze Berge schöner Waren mit, die aus dem Lande der Weißen gekommen waren. Debu und Alombi waren glücklicher gewesen. Unbemerkt waren sie aus Abonadi entkomme». Die Flucht Debus entdeckte man erst am andern Morgen, und das Entweichen Alombis wurde erst nach etlichen Tagen bekannt. Von einer Verfolgung nahm man Abstand, da sie zwecklos schien, vor allem aber, weil man hoffte, der Flüchtlinge durch die weit verzweigten Auf- fangposten trotzdem noch habhaft zu werden. Die beiden Flüchtlinge wurden trotzdem nicht ergriffen. Alombi kannte die Wege und Stege, die Dörfer und Rastplätze an der Karawanenstraße. Nur einige Tage folgten sie ihr, dann erreichten sie einen schmalen, fast ungangbaren Pfad, der von der Karawanenstraße abzweigte und etwa einen halben Tag weit stark landeinwärts bog. Diesem Pfade folgten sie und erreichten in acht Tagen die Küste von Togo. Alombi und Debu waren nun glücklich in Lome, der Hafenstadt, wo die Schiffe aus Europa ankamen und abgingen. Ein reges Verkehrs- und Handelsleben herrschte in der Stadt, und die beiden Flüchtlinge fanden bald eine passende Unterkunft in einer gerade leerstehenden Hütte. Alombi hatte seine Hauffahtracht abgelegt und beide trugen, um desto sicherer zu sein, die Kleidung der Küstenbewohner. Schon bald fanden sie zur Befriedigung ihres Lebensunterhaltes und zur Begleichung ihrer Wohnnngsmiete paffende Beschäftigung, einmal als Boten, dann als Lastenträger oder als Hafen- und Entladungsarbeiter. Dabei versäumten sie nicht, die ankommenden und abreisenden Karawanen nach dem zurückgebliebenen Freund Dschembana abzusuchen. Es vergingen viele Wochen, ja mehrere Monate, und noch immer hatten sie den Gesuchten nicht gefunden. Alombi hatte die Hoffnung, ihn wiederzusehen, schon längst ausgegeben, aber Debu meinte, er müsse eines Tages den Freund wiedersehen. „Was nützt mir die Freiheit ohne den lieben und guten Freund!" sagte er sich manchmal. In solchen Stimmungen hatte Debu schon einige Tage zugebracht, und er fand das Leben unausstehlich. Alombi hatte in der letzten Zeit kirn Ausladen der Schiffe und Schleppen der Lasten so viel Geld verdient, daß sie für einige Zeit der Nahrungssorgen ledig waren. Um Debu zu zerstreuen, machte er mit ihm Spaziergänge zum Hafen und durch die Stadt. Dabei kamen sie auch in die Nähe des großen Haussahdorfes mit seinen verschiedenen Gehöften. Sie beobachteten, daß man soeben Vorkehrungen traf für eine neue Karawane. Ein besser gekleideter Haussah, der nach den Erfahrungen Alombis der Verwalter des Gehöftes war, schaute zu, wie einige Männer die Hütten und Wege reinigten und trockenes Holz zum Feuern herbeischleppten. „Weißt du, Debu, was diese Arbeiten bedeuten?" fragte Alombi. — „Man trifft Vorbereitungen für den Empfang einer neuen Karawane." — „Und zwar, wenn ich richtig vermute, für eine Karawane aus Abonadi. Ich bin fast immer in diesem Gehöft eingesperrt gewesen, wenn wir hier an der Küste ankamen. Hier kehren fast alle Karawanen ans Abonadi ein." — „Alombi, wenn deine Vermutung wahr wäre, fo würde ich wieder froh und hätte wieder Hoffnung. So wollen wir uns näher an den Weg heranmachen und schauen, ob wir vielleicht heute Dschembana unter den Trägern sehen." Sie versteckten sich am Wege und mochten eine halbe Stunde gewartet haben, als einige Hausfahboten eilends herankamen. Alombi kannte beide. Es waren Leute ans Abonadi. Voll Freude teilte er das dem mit Spannung und sehnsuchtsvoller Erwartung ausschauenden Debu mit. Es verging wieder eine geraume Zeit, aber die beiden Freunde hielten aus. Endlich sahen sie die Spitze der Karawane. Die Hälfte des Zuges mochte schon vorbei sein, und noch sah keiner den Gesuchten. Da —- endlich — ungefähr am Schluß wankte ein Mann daher mit einer offensichtlich besonders schweren Last. „Alombi, da ist er!" sagte erregt Debu. „Siehst du dort hinten den Mann mit der Last, die wohl doppelt so groß ist als die anderen? Gleich hinter ihm geht ein schlanker Haussah und dahinter folgt ein Aufseher mit dem Gewehr." Debu, ganz aufgeregt vor innerer Freude, daß sein Freund endlich so nahe ist, möchte am liebsten aus seinem Versteck hervorbrechen und den Freund umarmen, möchte ihn mitten aus den Haussah herausholen und dem Führer das Dolchmesser in das Herz stoßen. Schon greift seine Hand in den Gürtel, als wollte er sofort dem Gedanken Ausführung verleihen. Doch er weiß, was er seinem Freund schuldig ist: Ruhe, Besonnenheit, Überlegung. Es ist ganz aussichtslos, jetzt etwas zu unternehmen. Ihm genügt es, daß Dschembana angekommen ist. Er tut den Schwur, daß er den Freund retten wird, selbst wenn es sein Leben kosten sollte. „Was nun, Alombi?" ■— „Wir wissen genug, nun bleibt uns nichts übrig, als in unsere Wohnung zurückzugehen und uns vor den Haussah in acht zu nehmen. Wenn sie uns erwischen, werden wir auf ihrer Rückreise ebenfalls eine Last tragen!" Debu wußte, daß der Mann recht hatte. Sie waren aber noch keine Stunde in ihrer kleinen Hütte, da wollte Debu wieder fort. Alombi hielt ihn zurück und sagte: „So sei doch klug, Debu! Allein darfst du unter keinen Umständen fort, sonst vereitelst du die Rettung deines Freundes. Kein Hanssah darf dich und mich sehen, nicht, weil es für uns gefährlich wäre, sondern für deinen Freund." Es hielt schwer, ihn zu überreden, aber endlich fügte er sich. Dann wurden allerhand Pläne ausgedacht, die sie aber alle wieder verwarfen. Debu hatte vor, sich als Haussah zu verkleiden und in dieser Verkleidung in das Gehöft einzudringen. Hunderte von Plänen erdachte er und verwarf sie wieder, noch bevor er sie zu Ende gedacht. Er sah selber ihre Nutzlosigkeit ein, und wenn er einmal einen guten Plan gefunden zu haben glaubte, zerstörte ihn Alombi mit einigen klugen Gegeneinwänden. Sie einigten sich endlich auf zwei Pläne, aus denen sie dann den besten auszuwählen gedachten. Der erste ging dahin, den Schutz und die Hilfe der Weißen anzurufen, die den Sklavenhandel verboten hatten. Das war der Plan Alombis. Der zweite Plan war Debus Eigentum. Er wollte nachts in das Gehöft der Haussah eindringen, sich an die Hütte der Gefangenen heranschleichen, den Wächter unschädlich machen und dann Dschembana und die anderen Gefangenen befreien. Alombi hatte ihm das Gehöft beschreiben müssen, den Zaun, die Anlage, die einzelnen Hütten, die Hütten der Gefangenen, kurz alles, was irgendwie für den Plan wissenswert war. Aus folgenden Gründen einigten sie sich endlich für den Plan Debus: Sie kannten zunächst die Weißen nicht genug, um von ihnen die nötigen Maßregeln zu erwarten. Sie wußten nicht, an wen sie sich wenden sollten, und scheuten überhaupt den Verkehr mit den Weißen. Dann glaubten sie auch, daß die reichen Haussah mit ihrem Geld und durch ihre List und Heimtücke es verstehen würden, ihren Behauptungen zum Recht zu verhelfen. Was den Plan Debus erschwerte, war zunächst die Doppelwache am großen Eingangstor, die niemand einließ, der nicht Haussah war, und dann die besondere Wache der Gefangenen. Die drei ersten Nächte ließen sie vorübergehen, sei es, daß der Mond ihnen zu hell schien oder daß allzuviel Leben im Gehöft war. Endlich in der vierten Nacht hofften sie ihr Unternehmen ausführen zu können. Debu war entschlossen zu handeln und ließ sich durch Alombi nicht mehr zurückhalten. (Fortsetzung folgt.) Eigentümer, Herausgeber und Verleger: Kongregation der Missionäre Söhne des heiligsten Herzens Jesu. Verantwortlicher Schriftleiter: P. Al. Wilsling, Missionshaus Graz, Paulustorgasse 10. — Universitäts-Buchdruckeret „Styria" in Graz.