— 190 — Metaphorische Kollokationen – zum Problem ihrer theoretischen Festlegung und empirischen Erforschung Ana Keglević Blažević Filozofski fakultet Sveučilišta Josipa Jurja Strossmayera Osijek, L. Jägera 9, HR 31000 Osijek, akeglevic@ffos.hr Prispevek podaja teoretični pregled podkategorije metaforičnih kolokacij in različnih pristopov njihovega empiričnega raziskovanja. Kolokacije so bile doslej preučevane z različnih zornih kotov, kljub temu pa še vedno ni enot - ne teoretske opredelitve tega leksikalnega pojava. Ne glede na različnost njegovega razumevanja opazimo, da nekatere kolokacije kažejo spremembo pomena posameznih sestavin, kar sicer ni osnovna lastnost kolokacij. Gre za podkategorijo metaforičnih kolokacij. Kolokator kot sestavina metaforične kolokacije izkazuje več kot en pomen, je večpomenski. Metaforične kolokaci - je so sicer upoštevane v različnih znanih tipologijah in klasifikacijah, vendar so bile doslej le obrobno obravnavane in so zato še neustrezno raziskane. The present paper gives a theoretical overview of the subcategory of meta - phorical collocations and their different research approaches. Collocations have been examined from different perspectives. Despite that fact, there has still not been a unanimously accepted definition of the term coined. Regard - less of the different approaches, it can be observed that some collocations show a kind of change in meaning. These are referred to as metaphorical col - locations and are understood as a subcategory. The collocate of the metaphori - cal collocation has more than one meaning, and is, therefore, polysemous. Metaphorical collocations are taken into account in different typologies and classifications, but, so far, there have only been a few studies that deal with this subcategory. These collocations thus represent a phenomenon that has not yet been researched adequately. Ključne besede: kolokacije, metaforične kolokacije, konceptualna metafora, kolokator, nemščina, hrvaščina Key words: collocations, metaphorical collocations, conceptual metaphor, collocate, German, Croatian 1.01 Izvirni znanstveni članek – 1.01 Original Scientific Article — 191 — Metaphorische Kollokationen – zum Problem ihrer theoretischen Festlegung … 1 Einführung 1 Unter dem Begriff Kollokation (lat. collocatio – Anordnung) wird im All - gemeinen eine Mehrwortverbindung verstanden, die häufig auch als typische Wortverbindung bezeichnet wird. Das Phänomen Kollokation wird aus ver - schiedenen Perspektiven der einzelnen Disziplinen und durch verschiedene Herangehensweisen untersucht. Daraus resultiert eine Definitionsvielfalt, die wiederum verschiedene Typologien und Klassifikationen hervorbringt. In der heutigen Kollokationsforschung wird allgemein zwischen einem weiteren und engeren Kollokationsbegriff unterschieden. Der weitere oder korpuslinguisti - sche Kollokationsansatz ist auf den Britischen Kontextualismus sowie dessen Vertreter Firth, Halliday und Sinclair zurückzuführen, die die Kollokation als Kookkurrenz verstehen. Ausschlaggebend für die Bestimmung der Kolloka - tion sind dabei vor allem quantitative Kriterien wie etwa Frequenz oder auch andere statistische Maße, die bei einer Korpusanalyse zur Verfügung stehen. Im Gegensatz dazu ist der engere Kollokationsbegriff in der Phraseologie anzusiedeln. Dieser Ansatz wird auch als basisbezogener Kollokationsbegriff bezeichnet und ist hauptsächlich auf den Lexikographen Hausmann und dessen Kollokationsverständnis zurückzuführen. Hausmann (1984: 401) betrachtet die Kollokation als phraseologische Wortverbindung, die sich aus einer semantisch autonomen Basis und einem von der Basis abhängigen Kollokator zusammen - setzt. 2 Die Kollokation weist somit eine binäre Struktur auf, aus der sich auch eine Art Hierarchie ergibt, da die Basis als übergeordnetes bzw. bedeutungs - tragendes und der Kollokator als bedeutungsspezifizierendes Element fungiert (Targońska 2019: 188). Der Kollokation wird aufgrund ihrer mehrgliedrigen meist binären Struktur die Eigenschaft der Polylexikalität 3 zugeschrieben. Das Ziel dieser Arbeit ist es, anhand von Beispielen aus der kroatischen und deutschen Sprache die Problematik der Subkategorie der metaphorischen Kol - lokationen zu diskutieren sowie einige Forschungsansätze vorzustellen. 1 Diese Arbeit wurde von der Kroatischen Wissenschaftsstiftung im Rahmen des Pro - jektes Metaphorische Kollokationen – syntagmatische Wortverbindungen zwischen Semantik und Pragmatik (IP - 2020-02-6 3 1 9 ) un terstützt. / This w ork has been full y supported by Croatian Science Foundation under the project Metaphorical collocations – Syntagmatic word combinations between semantics and pragmatics (IP-2020-02-6319). 2 Hausmann (1990: vi-vii) stellt aufgrund seiner Definition eine syntaktisch-morpho - logische Typologie vor. Wie bereits erwähnt, sind in der Kollokationsforschung jedoch unterschiedliche Klassifikationen zu finden, die die morpho-syntaktischen sowie semantischen Eigenschaften der Kollokationen berücksichtigen. Siehe dazu Blagus Bartolec (2014), Ďurčo (2019), Konecny (2010a), Stojić (2012) und Vajičková (2019). 3 Die Eigenschaft der Polylexikalität wird Wortverbindungen bzw. Phrasemen zugeschrie - ben, die aus mehr als einem Wort bestehen (vgl. Burger 2015: 15f.). — 192 — Slavia Centralis 1/2022 Ana Keglević Blažević 2 Das Phänomen Kollokation In der Phraseologie wird die Kollokation als Übergangsbereich zwischen freien Wortverbindungen und Idiomen betrachtet (Konecny 2010a: 154; Stojić und Košuta 2012: 371), wobei sich die Kollokation von der freien Wortverbindung, durch ihre Festigkeit unterscheidet. Burger (2015: 16ff.) versteht unter Festigkeit die Gebräuchlichkeit und beschreibt drei Ebenen der Festigkeit – die psycholin - guistische, strukturelle und pragmatische Festigkeit. Gemeint ist damit, dass man die feste Wortverbindung in genau dieser Form kennt, als Einheit abspeichert und in passenden kommunikativen Situationen verwendet. Eine freie Wort - verbindung beugt sich lediglich den morpho-syntaktischen und semantischen Regeln einer Sprache. Bei der Kollokation hingegen ist eine strukturelle Festig - keit bzw. Stabilität festzustellen, denn der Kollokator kann nur bedingt durch andere Kollokatoren ersetzt werden . Stojić und Košuta (2020: 148f.) betrachten die semantische Kohäsion bzw. Bindungskraft zwischen den Konstituenten als weiteres Unterscheidungsmerkmal. Besonders stark ist die semantische Kohä - sion etwa bei Kollokationen, deren Kollokator außerhalb der Kollokation keine eigenständige Bedeutung trägt wie etwa das Adjektiv kehlig in der Kollokation kehlige Stimme ( ebd. ). V on den Idiomen unterscheiden sich die Kollokationen durch die Idiomatizität. Eine völlig übertragene Leseart ist nur bei Idiomen fest - zustellen. Bei der Kollokation behält die Basis stets ihre Grundbedeutung bei. Der Kollokator kann durchaus eine Bedeutungsveränderung aufweisen. Eine kla - re Abgrenzung der Kollokationen von freien Wortverbindungen sowie Idiomen ist jedoch häufig schwierig, da die Übergänge fließend sind (Konecny 2010a: 154; Stojić und Košuta 2012: 372). Eine weitere Eigenschaft, die der Kollokation häufig zugeschrieben wird, ist die Idiosynkrasie. Vor allem aus der Perspektive der sprachkontrastiven Betrachtung werden Kollokationen als idiosynkratische und arbiträre Wortverbindungen beschrieben. Durch eine diachrone Betrachtung der Bedeutung des Kollokators kann jedoch eine Motiviertheit aufgedeckt und folglich der Grad der Idiosynkrasie ermittelt werden (Konecny 2010a: 167f.). Kollokationen scheinen also auf bestimmten regelgeleiteten, wenn auch aus synchroner Sicht nicht immer ersichtlichen, Sprachprozessen zu basieren. 3 Metaphorische Kollokationen – eine Subkategorie Viele Klassifizierungen, die sich mit dem semantischen Aspekt der Kolloka - tionen auseinandersetzten, weisen ein gemeinsames Kriterium auf – das Kri - terium der Bedeutungsveränderung. Diese Veränderungen bzw. semantischen Weiterentwicklungen, die sich bei einige Kollokationen feststellen lassen, sind hauptsächlich auf metaphorische aber auch auf metonymische Prozesse zurück - zuführen (Konecny 2010a: 291; Stevović 2007: 69ff.; Turk 2000: 480). In der Kollokationsforschung werden Kollokationen dieser Subkategorie als metapho - rische Kollokationen bezeichnet (Reder 2006a, 2006b; Volungevičienė 2008). — 193 — Metaphorische Kollokationen – zum Problem ihrer theoretischen Festlegung … Die Basis der metaphorischen Kollokationen behält stets ihre Grund- bzw. Ausgangsbedeutung bei. Es ist der Kollokator, der innerhalb der Kollokation von seiner Ausgangsbedeutung abweichen und eine metaphorische Bedeutung aufweisen kann. Der Kollokator ist somit polysem bzw. trägt mindestens zwei Bedeutungen – eine übertragene und eine wörtliche/konkrete Bedeutung, die je nach Kontext realisiert wird (Blagus-Bartolec 2014: 99f; Reder 2006b: 162). Unterschieden werden kann daher zwischen kollokationsinterner und kolloka - tionsexterner Bedeutung des Kollokators (Stojić 2019: 304). Dies lässt sich in der deutschen Sprache anhand der metaphorischen Kollokation Applaus ernten illustrieren . Der Kollokator ernten realisiert innerhalb der Kollokation Applaus ernten die Bedeutung ‘erhalten’. In einer freien Wortverbindung wie Kartoffeln ernten trägt dieser jedoch seine wörtliche Bedeutung ‘die reifen Feld- und Gar - tenfrüchte durch Pflücken, Mähen usw. einbringen’ 4 . Im Kroatischen lässt sich die kollokationsinterne und kollokationsexterne Bedeutung an der Kollokation gorući problem (brennendes Problem) verdeutlichen, wobei es sich nicht um ein brennendes, sondern um ein akutes Problem handelt. Jedoch sind die Poly - semie und die Metaphorik nicht immer erkennbar wie in den angeführten Bei - spielen. Abhängig davon, wie stark sich die kollokationsinterne Bedeutung des Kollokators von der Ausgangsbedeutung entfernt, stellt Konecny (2010a: 608f.) unterschiedliche Grade von Metaphorisierung bei Kollokatoren metaphorischer Kollokationen fest und definiert vier Subtypen: a) Kollokatoren, welche einen Teil ihrer Ausgangsbedeutung beibehalten, b) Kollokatoren, bei denen der Grad der Ähnlichkeit zur Ausgangsbedeutung noch relativ hoch ist, c) Kollokatoren, deren Bedeutung stark von der Ausgangsbedeutung abweicht, jedoch noch als motivierte Metapher erkennbar ist, d) Kollokatoren, deren Bedeutung sich von der Ausgangbedeutung stark ent - fernt hat und synchron kein erkennbarer Zusammenhang mehr besteht. Der Kollokationstyp der Subkategorie d) kommt dem, was in der Phraseolo - gie oft als Teil-Idiom bezeichnet wird, sehr nahe. Konecny (ebd.) gibt für das Deutsche die Beispiele blutiger Anfänger und blinder Passagier und bezeichnet diesen Subtyp der metaphorischen Kollokation als teil- bzw. semidiomatische Kollokation. Auch die kroatische Entsprechung slijepi putnik (blinder Passagier) kann dieser Subkategorie zugeordnet werden. Zur Abgrenzung von Teil-Idiomen und metaphorischen Kollokationen ist man sich in der Kollokationsforschung jedoch bisher uneinig. Konecny (2010a) betrachtet Teil-Idiome als Kollokationen, während Burger (2015: 33) diese in seiner Klassifikation von den Kollokationen abtrennt. Wie auch bei der Abgrenzung der Kollokationen von anderen Wort - verbindungen, scheint auch in diesem Fall die Grenze fließend zu sein. Semantische Prozesse wie etwa die Metaphorisierung tragen, wie Turk (2000: 480) betont, zur Stabilität von Wortverbindungen bei. Diese Stabilität ist 4 Definition auf https://www.duden.de/rechtschreibung/ernten, abgerufen am 20.10.2021 — 194 — Slavia Centralis 1/2022 Ana Keglević Blažević bei Kollokationen wie auch der Grad der Metaphorisierung unterschiedlich stark ausgeprägt (Stojić und Košuta 2020: 146). Bei der metaphorischen Kollokation tiefe Freundschaft kann der Kollokator etwa durch die Kollokatoren enge, di- cke oder innige ersetzt werden. Auch im Kroatischen lässt sich der Kollokator duboko in der Kollokation duboko prijateljstvo (tiefe Freudschaft) durch die Kollokatoren črvsto, prisno oder blisko a usta usc h en. Di e S tab ili tä t ist so mi t geringer als bei Kollokationen, bei denen eine solche Substitution der Kollo - katoren nicht möglich ist. Metaphorische Kollokationen wie tiefe Freundschaft und duboko prijateljstvo sind sprachlich für den Muttersprachler häufig unauf- fällig, da diese völlig lexikalisiert sind und als metaphorische Verbindungen nicht wahrgenommen werden. Die sprachkontrastive Betrachtung deckt einige weitere Besonderheiten der metaphorischen Kollokationen auf. Der Kollokation Applaus ernten kann in der kroatischen Sprache etwa das Äquivalent bzw. die nichtmetaphorische Wortverbindung dobiti pljesak (in der wortwörtlichen Übersetzung Applaus bekommen) zugeordnet werden. Sichtbar wird, dass die Metaphorik in unterschiedlichen Sprachen unterschiedlich realisiert bzw. ver - sprachlicht werden kann und somit häufig sprachspezifisch ist. Konecny (2010b: 1217) begründet dies durch die unterschiedliche zugrundeliegende Konzeptuali - sierung, „d.h. unterschiedliche kognitive Zugriffe auf dieselbe Realität, die für Divergenzen verantwortlich sind“. Einer metaphorischen Kollokation kann in einer anderen Sprache außer einer nichtmetaphorischen Kollokation durchaus auch eine metaphorische Kollokation mit unterschiedlicher aber auch gleicher Metaphorik gegenüberstehen. 5 So kann der metaphorischen Kollokation eine Freundschaft pflegen die volläquivalente kroatische Kollokation njegovati prijateljstvo zugeordnet werden. Es scheint durchaus auch sprachübergreifende Metaphorisierungsprozesse zu geben. Dies bleibt in Hinsicht auf die sprachkon - trastive Betrachtung deutscher und kroatischer metaphorischer Kollokationen sowie metaphorischer Kollokationen weiterer Sprachen, näher zu erforschen. 6 3.1 Zur Motivation der Bedeutungsübertragung Mithilfe des Beispiels Applaus ernten lässt sich verdeutlichen, wie die Metapho - rik bzw. die Bedeutungsübertragung zu Stande kommt. Ob man nun Applaus oder bestimmte Feld- oder Gartenfrüchte erntet, man wird in beiden Fällen für seine Mühen und harte Arbeit belohnt. Wie am Beispiel erkennbar, entsteht die 5 Zur kontrastiven Analyse einiger metaphorischer Phraseme in der deutschen, sloweni - schen und ungarischen Sprache siehe Fabčič (2014). Zur sprachkontrastiven Analyse von deutschen und slowenischen Kollokationen siehe Jesenšek (2021: 195ff.). Zur kon - trastiven Analyse deutscher und kroatischer Kollokationen siehe Stojić/Štiglić (2011: 263ff.). 6 In den kontrastiven Kollokationsmodelle von Ďurčo (2019: 110ff., siehe auch Ďurčo/ Meterc 2013); Stojić/Štiglić (2011: 268f.), Stojić (2012: 125f.) und Reder (2006a: 93ff.) werden metaphorische Kollokationen berücksichtigt bzw. erfasst und analysiert. — 195 — Metaphorische Kollokationen – zum Problem ihrer theoretischen Festlegung … Metaphorik aufgrund einer „Ähnlichkeitsbeziehung zwischen der konkreten und der übertragenen Leseart des Kollokators“ (Reder 2006b: 162). Konecny (2010a: 294) spricht von Similaritätsrelation und erklärt diese folgendermaßen: Die Similarität zwischen dem Bildspender- und dem Bildempfängerbereich einer Me- tapher ergibt sich dadurch, dass ein Inhaltsmerkmal des Ausgangs- und ein Inhalts- merkmal des Zielkonzepts als miteinander ident angesehen werden. Konecnys Erklärung stützt sich auf die Theorie der konzeptuellen Metapher. 7 Auch nach Reder (2006a: 102; 2006b: 173) und Scherfer (2001: 16) liefert diese Theorie nachvollziehbare Erklärungen für die Motivation der Bedeutungsver - änderung bei Kollokatoren metaphorischer Kollokationen. Scherfer (2001: 19) betont daher, dass Kollokationen nicht völlig idiosynkratischer Natur sind, da sie bestimmten Regularitäten folgen bzw. auf konzeptuellen Metaphern (von Scherfer als Denkmetaphern bezeichnet) basieren. 8 Bei der konzeptuellen Me - tapher handelt es sich „um eine unauffällige, routinierte, den Sprechern nicht mehr bewusste Metaphorik des Alltags, die unsere gesamte Sprache durchzieht“ (Baldauf 1997: 15). Laut der konzeptuellen Metapherntheorie strukturieren Metaphern unser Denken und Handeln, was sich letztendlich in der Sprache widerspiegelt. In unserer Sprache sind demnach nicht nur Einwortmetaphern, sondern auch feste Wortverbindungen das Ergebnis von metaphorischer Be - deutungsübertragung, die auf bestimmte konzeptuelle Metaphern zurückzu - führen sind. Die Grundthese der Theorie ist, dass Abstraktes mit Hilfe von Konkretem konzeptualisiert bzw. strukturiert wird. Dies erläutern Lakoff und Johnson (2018: 13) folgendermaßen: „Das Wesen der Metapher besteht darin, dass wir durch sie eine Sache oder einen Vorgang in Begriffen einer anderen Sache bzw. eines anderen Vorgangs verstehen und erfahren können“. Für uns abstrakte Konzepte, wie etwa Liebe oder Leben, aber auch ganz all - tägliche Konzepte wie z. B. Zeit, Menge oder Veränderung, werden so durch konzeptuelle Metaphern strukturiert und zugänglich gemacht (Lakoff 1993: 212). Dies erfolgt durch die Übertragung eines konkreten Ausgangsbereichs (source domain) auf einen abstrakten Zielbereich ( target domain). Auf diese Weise wird z. B. das Konzept LEBEN mithilfe der Konzepte bzw. Bildspender - bereiche GEFÄSS, GEBÄUDE, FLAMME/FEUER und FLÜSSIGKEIT strukturiert. Den Metaphern LEBEN IST EIN GEFÄSS, LEBEN IST EIN GEBÄUDE, LEBEN 7 Als Begründer der Theorie der konzeptuellen Metapher gelten Lakoff und Johnson mit ihrem Werk Leben in Metaphern (2018; mit Originaltitel Metaphors We Live By 1980). An dieser Stelle wird nicht weiter auf die Kritik an dieser Theorie, sowie den einzelnen Modifikationen dieser Theorie eingegangen. Siehe dazu Baldauf (1997) sowie Kövecses (2020). Für diese Arbeit wird lediglich auf einige Grundbegriffe dieser Theorie zurück - gegriffen. 8 Scherfer (2001: 19) leitet anhand dieser Annahme Kollokationsregeln für das Franzö - sische ab, die seiner Meinung nach auch den Kollokationserwerb im Fremdsprachen - unterricht erleichtern können. Zur Kritik an Scherfers Thesen siehe Bahns (1997: 175ff.) und Konecny (2010a: 175f.). — 196 — Slavia Centralis 1/2022 Ana Keglević Blažević IST FLAMME/FEUER und LEBEN IST FLÜSSIGKEIT k ö nn en dah er f o l g en de deutsche metaphorische Kollokationen zugeordnet werden: ein erfülltes Leben, sich ein Leben aufbauen, sein/ihr Leben einrichten, jmds Leben ist erloschen, jmdm/etwas Leben einflößen/etwas mit Leben füllen. Auch im Kroatischen lassen sich für diese konzeptuellen Metaphern einige Beispiele finden: ispunjen život, graditi život, život se gasi, život teče. Ob sich jedoch alle metaphorischen Kollokationen auf bestimmte konzeptuelle Metaphern zurückführen lassen, bleibt noch zu untersuchen. 3.2 Einige Forschungsansätze zur metaphorischen Kollokation In der Kollokationsforschung sind metaphorische Kollokationen selten Untersu - chungsgegenstand. Reder (2006a; 2006b) betrachtet diese sprachkontrastiv und bestätigt, dass metaphorische Kollokationen als sprachspezifische Phänomene beschrieben werden können. Der Schwerpunkt ihrer Forschung liegt jedoch auf einer Fehleranalyse und dem Transferverhalten ungarischer DaF-Lerner. Aus der Perspektive der Kollokationsdidaktik und des Kollokationserwerbs hebt Reder (2006b: 158) hervor, dass metaphorische Kollokationen und vor allem Kollokationen, die unterschiedliche Metaphorik in Ziel- und Ausgangsprache aufweisen, eine häufige Fehlerquelle darstellen und Lernschwierigkeiten be - reiten. Eine weitere Forschung zu metaphorischen Kollokationen wird von Majoros (2013; 2016) vorgestellt. Dieser verwendet bei seiner Analyse der Metaphorik eine Kombination aus quantitativer Korpusanalyse und manueller Untersu - chung. Diese Methode bezeichnet er als „Trichter-Methode“ und modifiziert diese, indem er in einer seiner späteren Arbeiten auch die Kookkurrenzanalyse miteinbezieht, da „[…] in der statistischen Kookkurrenzanalyse ein großes Potenzial stecken mag, was die korpusbasierte systematische Aufdeckung der Metaphorik eines bestimmten Gegenstandsbereichs betrifft“ (Majoros 2016: 124). Das Ziel seines Verfahrens ist es, metaphorische Ausdrücke, meist Mehrwortverbindungen, aufzudecken, die die Realisierung einer bestimmten (konzeptuellen) Metapher aufweisen. Majoros (2013; 2016) untersucht meta - phorische Ausdrücke, die den Konzepten ZELLE und GESELLSCHAFT als Zielbereiche ( target domain TD) zugeordnet werden können und versucht, verschiedene Ausgangsbereiche ( source domain SD) ausfindig zu machen. Auch Majoros stützt sich somit auf die konzeptuelle Metapherntheorie. Ko - okkurrenzen bezeichnet er synonym als Kollokationen und geht, im Gegensatz zur Forschung von Reder (2006a; 2006b), von einem korpuslinguistischen Kol - lokationsansatz und weiteren Kollokationsbegriff aus. Kollokationen werden daher als Wortverbindungen betrachtet, deren Bestandteile häufig gemeinsam im Korpus auftreten. Die konkrete Anwendung seiner Methode führt Majoros (2016: 128ff.) anhand der Analyse des Begriffs Gesellschaft vor und illustriert die einzelnen Schritte der erweiterten Trichter-Methode folgendermaßen: — 197 — Metaphorische Kollokationen – zum Problem ihrer theoretischen Festlegung … Häu- fig- keits- da- ten Schritt 1. – Einengung des Korpus auf thematisch relevante Texte. Schritt 2. – Statistische Kookkurrenzanalyse zu den Treffern. Schritt 3. – Manuelle Suche nach Kollokationen, die figurativ zu sein scheinen. (Teil)Korpus Liste der Kookkurrenzen Exportierte Kontextabschnitte SD-Items Schritt 5. – Überprüfung der exportierten Kontextabschnitte bzw. die Suche nach weiteren Metaphemkandidaten. – Identifizierung der in ihnen auffindbaren metaphorischen Ausdrücke. Schritt 7. – Interpretation der Daten Schritt 4. – Formulierung der zweiten, komplexeren Suchanfrage mit Einbeziehung der gefundenen potenziellen SD-Items. – Exportierung der Kontextabschnitte, die metaphorische Kollokationen enthalten. Schritt 6. – Einbau der SD-Items in neuere Suchanfragen, um die bedingten Häufigkeitsdaten feststellen zu können – Evtl. neue statistische Kookkurrenzanalyse – Quantifizierung Abbildung 1.: erweiterte Trichter-Methode (Majoras 2016: 127) Das Korpus wird mithilfe der Kookkurrenzanalyse, der manuellen Suche sowie den weiteren komplexeren Suchanfragen immer weiter eingeengt, um die gesuchten metaphorischen Kollokationen herauszufiltern. Für die Inter - pretation der Belege ist, wie Majoros (2013: 69) betont, vor allem der Kontext ausschlaggebend. Für die Extraktion und Ermittlung von metaphorischen Kollokationen, aber auch Kollokationen jeglicher anderen Arten, lassen sich Korpora in Form von statistischen Kookkurrenz- sowie Kollokationsanalysen, wie auch Majoros mit seinen Forschungen bewiesen hat, erfolgreich einsetzen. 9 Unbedingt notwendig ist dennoch eine manuelle Selektion und Auswertung der Ergebnisse dieser Kollokationsanalysen seitens des Sprachwissenschaftlers, wobei sich dieser der Grenzen sowie Nachteile einer statistischen Analyse bewusst sein muss. 10 Schlussfolgerung Das Begriff Kollokation ist in der Linguistik als durchaus umstrittenes Phä - nomen zu beschreiben. Eine einheitliche Definition sowie Klassifikation gibt es in der Kollokationsforschung bisher nicht. Ob nun vom weiteren oder en - geren Kollokationsbegriff ausgegangen wird, zu beobachten ist, dass einige Kollokationen eine Art Bedeutungsveränderung aufweisen. Diese werden als 9 Auch Jesenšek (2008: 145) schlägt zur Ermittlung und Überprüfung von Kollokationen korpusbasierte und korpusgesteuerte Methoden der Datenerhebung vor. 10 Zur Problematik bei der Erhebung von korpusempirischen Sprachdaten siehe Ďurčo (2019) sowie Steyer (2013). — 198 — Slavia Centralis 1/2022 Ana Keglević Blažević metaphorische Kollokationen bezeichnet und als Subkategorie aufgefasst. Cha - rakteristisch für diese Kollokationen ist der Kollokator, der eine übertragene Leseart aufweist. Dieser trägt eine kollokationsinterne und kollokationsexterne Bedeutung und ist somit polysem. Die betreffende Metaphorik, auf die die metaphorische Kollokation zurückzuführen ist, ist lexikalisiert und wird vom Sprecher nicht als übertragene Bedeutung wahrgenommen. Die sprachkontras - tive Betrachtung zeigt des Weiteren auf, dass es sich bei der metaphorischen Kollokation häufig um eine sprachspezifische Wortverbindung handelt, da die Metaphorik unterschiedlich versprachlicht wird. Zur Begründung der Motiva - tion der Bedeutungsveränderung wird von vielen Autoren auf die konzeptuelle Metapherntheorie zurückgegriffen. Diese scheint durchaus plausible Erklä - rungen für die semantischen Weiterentwicklungen zu liefern, die häufig aus synchroner Sicht nicht mehr nachvollziehbar sind. Metaphorische Kollokationen werden in unterschiedlichen Typologien und Klassifikationen zwar berück - sichtigt, jedoch gibt es bisher nur einige wenige Untersuchungen, die sich mit dieser Subkategorie auseinandersetzen. Diese Kollokationen stellen somit ein noch unzureichend erforschtes Phänomen dar und die nähere Betrachtung und Erforschung der metaphorischen Kollokationen aus verschiedenen Perspektiven ist somit ein Desiderat. LITERATUR Jens BAHNS, 1997: Kollokationen und Wortschatzarbeit im Englischunterricht. Tübin- gen: Gunter Narr Verlag. Christa BALDAUF, 1997: Metapher und Kognition. Grundlagen einer neuen Theorie der Alltagsmetapher. Frankfurt am Main: Peter Lang. 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Njihova značilnost je sestavina (kolokator) s prenesenim pome - nom. Ta je večpomenski; izkazuje notranji in zunanji kolokacijski pomen. Metaforika, na kateri temelji vsakokratna metaforična kolokacija, je leksikalizirana in je govorec ne dojema v smislu figurativnega pomena. Jezikovno kontrastivne analize kažejo tudi, da je metaforična kolokacija pogosto idiosinkratična, torej enojezikovno omejena, saj je vsakokratna metaforika v različnih jezikih izražena različno. V želji, da bi utemeljili mo - tivacijo za spremembo pomena kolokatorja, se raziskovalci pogosto naslanjajo na teorijo konceptualne metafore. Zdi se, da so s tem omogočene zanesljive razlage za pomenske spremembe, ki s sinhronega vidika pogosto niso več opazne, razumljive in razložljive. Čeprav so metaforične kolokacije upoštevane v različnih tipologijah in klasifikacijah, obstaja le nekaj študij, ki se z njimi poglobljeno ukvarjajo. Tako te predstavljajo pojav, ki še ni dovolj raziskan, zato je zelo zaželeno njihovo nadaljnje poglobljeno preučevanje in raziskovanje z različnih zornih kotov.