Joachim KEMPER* * Generaldirektion der staatlichen Archive Bayerns, München joachim.kemper@gda.bayern.de Archivische Schadensprävention und Notfallpläne in Bayern KEMPER, Joachim, Measures of Damage Prevention for Archives and Emergency Plans in Bavaria. Atlanti, Vol. 18, Trieste 2008, pp. 129-139. Original in German, abstract in English, Italian and Slovenian, summary in English Setting out from the Bavarian state archives this paper deals with a selection of aspects on preservation of records. Records preservation is one of the most important professional tasks, usually also decreed by law. According to the Bavarian archives law the Bavarian archives administration, too, is responsible for preservation and safeguarding of records. Within the field of prevention the paper focuses on competent housing of archives, especially with a short history of construction of buildings in Bavaria, basic requirements for new buildings and a few examples of new archive buildings in Bavaria. Furthermore the present state of disaster prevention by emergency provisions and emergency plans in Bavaria and all of Germany are displayed and the author glances at the general development. 1. Hartmut Weber, Bestandserhaltunng als Fach- und Führungsaufgabe, In: Bestandserhaltung in Archiven und Bibliotheken, hg. v. Hartmut Weber, Stuttgart 1992 (Werkhefte der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg A 2), S. 135-155; Bestandserhaltung. Herausforderung und Chancen, hg. v. Hartmut Weber, Stuttgart 1997 (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 47); Hartmut Weber, Bestandserhaltung, In: Handbuch für Wirtschaftsarchivare. Theorie und Praxis, hg. v. Evelyn Kroker, Renate Köhne-Lindenlaub u. Wilfried Reininghaus, München 1998, S. 175-215; Verwahren, Sichern, Erhalten. Handreichungen zur Bestandserhaltung in Archiven, hg. v. Mario Glauert u. Sabine Ruhnau, Potsdam 2005 (Veröffentlichungen der brandenburgischen Landesfach-stelle für Archive und öffentliche Bibliotheken 1). 2. Bayerisches Archivgesetz (BayArchivG) vom 22.12. 1989 (BayRS 2241-1-K), Art. 9. 3. Vgl. z.B. die auf der Seite des Landesarchivs Nordrhein-Westfalen unter "Archivfachliches/ Bestandserhaltung" veröffentlichten zusammenfassenden Informationen. Einleitung Die Bestandserhaltung ist eine der wesentlichen archivischen Fach- und Führungsaufgaben. Sie umfasst alle Maßnahmen, die dazu dienen, Kulturgut im Allgemeinen, namentlich Archiv- und Bibliotheksgut, vor Beschädigung und Vernichtung zu bewahren1. Es handelt sich nicht nur um eine historisch-kulturelle Aufgabe, sondern in der Regel um einen gesetzlichen Auftrag an die Archive. Im Bayerischen Archivgesetz wird beispielsweise ausgeführt: „Die staatlichen Archive haben die ordnungs- und sachgemäße dauernde Aufbewahrung und Benützbarkeit des Archivguts und seinen Schutz vor unbefugter Benützung oder Vernichtung durch geeignete technische, personelle und organisatorische Maßnahmen sicherzustellen ..."2 Demnach ist die Archivverwaltung für Erhaltung und Schutz des ihr anvertrauten Archivguts selbst verantwortlich. Die Bestandserhaltung stellt sich in der Praxis als ein Bündel von Maßnahmen dar. Neben der Instandsetzung (Konservierung und Restaurierung) und den verschiedenen Maßnahmen der Reprographie (archivische Fotografie und Digitalisierung) kommt der Prävention von Schäden eine entscheidende Bedeutung zu: Verwendung von alterungsbeständigem Pa- die sachgerechte Einrichtung von Archiven Verpackung von Archivalien regelmäßige Bestandspflege Bekämpfung von Schimmel ichtiges Ausheben, Transportieren usw. von Sorgfalt bei der Benützung von Archivalien Schutzmaßnahmen bei Ausstellungen Notfallvorsorge und Notfallpläne Wie andere Archivverwaltungen auch3, haben die bayerischen staatlichen Archive ein eigenes Bestandserhaltungskonzept entwickelt, in dem einerseits die Bestandserhaltungsorganisation, andererseits insbesondere die Aufgaben der praktisch für ganz Bayern zuständigen Restaurierungswerkstatt im Bayerischen Hauptstaatsarchiv beschrieben werden. Zu den Tätigkeitsfeldern der Werkstatt gehören Prävention durch pier Prävention durch und Magazinen Prävention durch Prävention durch Prävention durch Pävention durch r Archivalien Prävention durch Prävention durch Prävention durch neben dem Bereich der Restaurierung/Konservierung auch die oft zeitintensive Mitarbeit im Ausstellungswesen sowie beispielsweise Tätigkeiten im Bereich von Fortbildung und Lehre. Das Konzept schildert den Ist-Zustand und legt kurz- und langfristige Ziele der Bestandserhaltung schriftlich nieder4. Der folgende Beitrag wird zwei wesentliche Bereiche der Schadensprävention in den Blick nehmen, indem zunächst die Unterbringung von Archiven anhand neuerer Beispiele aus Bayern erörtert wird. Danach werden, damit eng zusammenhängend, konkrete Aspekte der Notfallvorsorge und Pläne zur Notfallbewältigung angesprochen. Schadensprävention durch sachgerechte Unterbringung von Archiven a) Geschichte und Rahmenbedingungen Bevor auf die Magazinkonzepte in mehreren neueren bayerischen Archiven eingegangen wird (Staatsarchiv Augsburg, Staatsarchiv Landshut, Stadtarchiv Bamberg, Diözesanarchiv Würzburg), sollen im Folgenden ein knapper Überblick zur bayerischen Archivbaugeschichte sowie Rahmenbedingungen und Anforderungen für Baumaßnahmen angeführt werden5. In Deutschland sind vor allem ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts viele Archivzweckbauten zu verzeichnen. Hierbei kam zunächst dem Königreich Preußen eine Vorbildfunktion zu (Düsseldorf, Breslau, Wiesbaden usw.). In Bayern setzen die Neubauten (als Zweckgebäude) etwas später ein, zunächst um 1880 mit dem Staatsarchiv Nürnberg. Es folgen ein Gebäude für das Staatsarchiv München (1892), für das Staatsarchiv Speyer (1901/1902, für die damals bayerische Rheinpfalz) und für das Staatsarchiv Bamberg (1902/1905)6. Gleichzeitig sind auch in anderen Mitgliedsstaaten des deutschen Reiches und selbstverständlich in Österreich-Ungarn (Archivzweckbau für das Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien, 1899-1902) Bautätigkeiten im Archivbereich zu vermerken, etwa im Großherzogtum Baden das Generallandesarchiv Karlsruhe oder in Elsaß-Lothringen (Straßburg, Metz)7. Diese Archivbauten haben bei ihren Magazinen in der Regel typische Merkmale wie: hohe Magazinräume, offene Böden im Magazin, hohe Magazinfenster (für natürliche Belichtung bzw. zur Vermeidung von feuergefährlichem künstlichem Licht). Bei diesen Archivzweckbauten konzentrierte man sich in der Regel auf eine sinnvolle Anordnung der archivischen Funktionsbereiche, während die Frage des Raumklimas zunächst kaum von Belang war (beziehungsweise sein konnte). Eine Zäsur für den Archivbau ist das Ende des Zweiten Weltkriegs, kam es doch nach 1945 infolge der Kriegszerstörungen zum Wiederaufbau zahlreicher Archive und zu vielen Neubauten. In Bayern sind im Fall der Staatsarchive folgende (Neu-) Bauten hervorzuheben: KEMPER, Joachim, Misufe di pfeven-zione dei danni per gli afchivi e piani di emefgenza in Baviefa. Atlanti, vol. 18, Trieste 2008, pp. 129-139. Partendo dall'Archivio statale bavarese il pre-sente contributo si occupa di alcuni aspetti della conservazione dei documenti. La conser-vazione del materiale documentale e uno dei piu importanti compitiprofessionali, di solito regolamentato da leggi apposite. In ottempe-ranza alla legislazione bavarese sugli archivi, anche l'amministrazione archivistica bavare-se e responsabile per la conservazione e la sal-vaguardia dei documenti. All'interno dell'ar-gomento della prevenzione, il contributo mette a fuoco la tenuta degli archivi, in par-ticolare con una breve storia della costruzione in Baviera di edifici adibiti ad archivio. Inol-tre si espone lapresente situazione riguardo la prevenzione di calamita tramite procedure d'emergenza epiani d'emergenza in Baviera e nel resto della Germania, oltre ad uno sguar- KEMPER, Joachim, Merila za preprečitev škod v arhivih in načrti o možnih nevarnostih na Bavarskem. Atlanti, Zv. 18, Trst 2007, str. 129-139. Referat obravnava vrsto in vidike varovanja dokumentarnega in arhivskega gradiva na podlagi razmer v bavarskem državnem arhivu. Varovanje dokumentacije spada med najbolj pomembne strokovne in poklicne na- Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Staatsarchiv München (bis 1944 im Gebäude der Bayerischen Staatsbibliothek, danach bis 1977 in einem der sogenannten Münchner „Führerbau- 4. Martina Haggenmüller - Michael Stephan, Bestandserhaltung in den staatlichen Archiven Bayerns, Stand 30. Mai 2008, 8 S. (Ms.). 5. Vgl. auch: Joachim Kemper, Die Situation der Magazine bei den staatlichen Archiven Bayerns. Mit einem Ausblick auf den kommunalen und kirchlichen Bereich, In: Tehnicni in vsebinski problemi klasicnega in elektronskega arhiviranja, Maribor 2008, S. 241-248. 6. Die für alle Staatsarchive erstellten "Kurzführer der Staatlichen Archive Bayerns" thematisieren auch jeweils knapp die entsprechenden Magazingebäude und bieten in der Regel weiterführende Literatur. Zum ehemals bayerischen Staatsarchiv Speyer: Das Landesarchiv Speyer. Festschrift zur Übergabe des Neubaues, hg. v. Karl-Heinz Debus, Koblenz 1987 (Veröffentlichungen der Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz 40). 7. Zum für die damalige Zeit sehr modernen Archivzweckbau in Karlsruhe vgl. Konrad Krimm, Archivbau und Residenzarchitektur. Der Neubau des Generallandesarchivs Karlsruhe von 1905, In: Aus der Arbeit des Archivars. Festschrift für Eberhard Gönner, hg. v. Gregor Richter. Stuttgart 1986, S. 211-235 (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 44). loge, kijih nalaga tudi zakonodaja. Iz pregleda bavarske arhivske zakonodaje in navodil arhivske uprave je razvidno, kako se skrbi za zaščito in varovanje dokumentov. Iz prispevka je razvidno, koliko skrbi se posveča pravilnemu skladiščenju dokumentacije, kar jepo-sebej razvidno iz kratkega zgodovinskega pregleda konstrukcij, kako so zgrajene bavarske zgradbe, nadalje iz prikaza temeljnih zasnov novih zgradb, navedeni so pa tudi primeru novih arhivskih zgradba na Bavarskem, prav tako pa so tudi navedeni ukrepi o b primerih naravnih nesreč in katastrof in tudi planiranje zavarovanja pred njimi, tako na Bavarskem kot v vsej Nemčiji. SUMMARY Construction of repositories and housing of archives make up an important aspect of damage prevention. For evident reasons in Germany and Bavaria the construction of new archives reached a climax after the 2nd World War, and within the Bavarian state archives, too, new buildings were realized as well as many alterations and enlargements. Even recently a substantial number of new buildings and of adaptations of existing edifices can be noted, as is the case at the Augsburg state archives and the just recently erected diocese archives in Wuerzburg and Bamberg, or of the city archives of Bamberg. Regarding air conditioning and heating, in most cases the natural method according to the "Cologne model" prevailed, but the models of a natural 8. Rainer Hambrecht, Das Staatsarchiv Coburg in neuen Räumen, In: Bewahren und Umgestalten. Walter Jaroschka zum 60. Geburtstag, München 1992, S. 74-84 (Mitteilungen für die Archivpflege in Bayern, Sonderheft 9). ten"): Wiederaufbau des ehemaligen bayerischen Kriegsministeriums und Ergänzung um einen neuen Magazin- und Verwaltungsbau (1964-1978; Magazin mit ca. 50 km Stellfläche, Belüftungs- und Klimaanlage, Alarmanlage). Daneben existieren Außendepots, vor kurzem wurde in Unterschleißheim bei München für mehrere Jahre ein Depotgebäude angemietet (Stellfläche: 14.000 Regalmeter); auf dem Gelände der Abteilung „Kriegsarchiv" des Bayerischen Hauptstaatsarchivs soll in absehbarer Zeit ein neues Magazin errichtet werden. • Staatsarchiv Amberg (Archivgebäude 1910 errichtet): Sanierung und Erweiterung in den 80er Jahren, mit neuem Magazinbau. • Staatsarchiv Bamberg : Neuer Magazinbau mit 6 Geschossen (1959-1961). • Staatsarchiv Landshut und Staatsarchiv Augsburg (ausführlicher dazu unten). Insbesondere in den siebziger Jahren wurden mehrere ehemalige Festungsgebäude zu Außenstellen von Staatsarchiven umgebaut: Der Nordtrakt der Festung Marienberg (oberhalb von Würzburg) wurde zu einer Außenstelle des Würzburger Staatsarchivs umfunktioniert; die Renaissance-Festung Lichtenau wurde zu einem Außendepot des Staatsarchivs Nürnberg; mit der Willibaldsburg bei Eichstätt erhielt das Staatsarchiv München 1978 eine Außenstelle. Schließlich wurde in der „Klosterkaserne" im oberpfälzischen Sulzbach-Rosenberg ein Außendepot des Staatsarchivs Amberg eingerichtet. Das bis dahin auf Schloß Ehrenburg in Coburg untergebrachte Staatsarchiv Coburg konnte 1990 in ein im Innern völlig umgebautes Zeughaus des 17. Jahrhunderts umziehen8. Nicht weiter eingegangen werden kann auf die vielen kleineren und größeren Baumaßnahmen an bestehenden Archivgebäuden in den letzten Jahrzehnten, wodurch an manchen alten Magazinen die gravierendsten Nachteile beseitigt werden konnten. Ein typisches Beispiel ist die Abteilung „Kriegsarchiv" des Bayerischen Hauptstaatsarchivs; dessen Magazingebäude geht auf ein Depot der bayerischen Armee um 1900 zurück. Zu Beginn der 80er Jahre fanden größere Umbauarbeiten statt (Entkernung, Ersetzung der Holzregale durch moderne Regalanlagen), doch sind die Magazinklimawerte immer noch ein Problem (große Unterschiede zwischen Sommer und Winter). Der Zusammenarbeit und dem gegenseitigen Erfahrungsaustausch zwischen den Archiven kommt eine große Bedeutung zu (Publikationen, Kongresse, Ausschüsse etc.). Die Interessen der Archivare bei Baumaßnahmen sollten gegenüber den anderen Verantwortlichen (Architekten, Bauverwaltung, Verantwortliche für Finanzierung, Politik etc.) deutlich zur Sprache kommen, die wichtigen Entscheidungen sollten möglichst im Einvernehmen getroffen werden - und grundlegende archivfachliche Forderungen berücksichtigen. Hierzu gehört insbesondere, aufgrund von Statistiken und Jahresberichten ein „Raumprogramm" zu erstellen, das auch die zukünftige Personalplanung und Aufgabenentwicklung umfasst und Erweiterungsmöglichkeiten beinhaltet. Ein moderner Archivbau sollte selbstverständlich funktional sein. Diese Funktionalität betrifft vor allem das Haus selbst: Der öf- fentliche und der nichtöffentliche Bereich sollten klar getrennt sein. Die Funktionsbereiche Anlieferung, Aufbewahrung (Magazin), Verwaltung, Öffentlichkeit (Lesesaal, Repertorienzimmer, Empfang) und Technik sollten unter Berücksichtigung der Funktionsabläufe bestmöglich zugeordnet sein. Eine „Ein-Haus-Lösung" ist zweifellos am zweckmäßigsten und effektivsten (Zusammenfassung der Funktionsbereiche, aller Bestände und des Personals bei möglichst kurzen Wegen), scheitert aber oft an der Realität. Der Bestandserhaltung, dem Schutz und der Sicherheit der Archivalien, kommt eine grundlegende Bedeutung zu, die über allen anderen Forderungen (Ökonomie, Ästhetik etc.) stehen sollte. Insbesondere in den Magazinräumen sind die heute allgemein anerkannten Forderungen von großer Bedeutung (Berücksichtigung von äußeren Einflussfaktoren, Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Licht etc.). Intern sind massive Decken, breite Gänge und Treppenhäuser sowie vor allem geräumige Aufzüge wünschenswert9. Der Versuch, gute Klima- und Lagerungsbedingungen innerhalb des Magazins zu schaffen, hat in Deutschland und Bayern in den letzten Jahrzehnten zu durchaus unterschiedlichen Lösungsversuchen geführt10. Ganz generell hat die natürliche Klimatisierung gegenüber der künstlichen Klimatisierung die Oberhand gewonnen11. Waren die großen neueren Archivbauten seit den 60er Jahren von vollklimatisierten Magazinen geprägt (Staatsarchiv Münster, Hauptstaatsarchiv Düsseldorf, Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden), so ist heute der Einsatz von Klimatechnik eher die Ausnahme beziehungsweise ein Behelfsmittel für besondere Raumsituationen (bei extremen äußeren Temperatursituationen; im obersten Magazingeschoß; „Klimagänge" etc.)12. Ganz generell kommt dem zuerst beim Historischen Archiv der Stadt Köln verwirklichten „Kölner Modell" eine Vorbildfunktion zu13. Ein passendes Klima wird durch geeignete bauliche Maßnahmen und durch kontrolliertes Lüften erreicht, beim „Kölner Modell" durch ein vor Hitze und Kälte gleichermaßen schützendes Ziegelmauerwerk, dem außen eine Natursteinfassade vorgehängt ist; innen sind die Wände mit einem Kalkmörtelputz versehen, der Feuchtigkeit bindet. Der Regulierung von Temperatur und Feuchtigkeit dienen kleine Fenster sowie oftmals auch eine Heizungsanlage. Das „Kölner Modell" ist bei zahlreichen Neubauten rezipiert worden, wobei hinsichtlich des Wandaufbaus (Dämmung; Dampfsperre; Verzicht auf Fenster) auch andere, oft nicht unproblematische Wege beschritten wurden: aufgrund der fast völligen Isolierung der Magazinräume vom Außenklima entwickelte sich beim Bundesarchiv in Koblenz ein „Kellerklima" mit erheblichem Schimmelbefall. Dem „Kölner Modell" folgen in Bayern das Staatsarchiv Augsburg und das Stadtarchiv in München, in Österreich etwa das Kärntner und das Tiroler Landesarchiv'4. Anhand des „Kölner Modells" entwickelt wurde ein Konzept, das in Deutschland im Landesarchiv Schleswig, im Staatsarchiv Hamburg und im Staatsarchiv Oldenburg verwirklicht wurde'5. Es basiert auf einer passiven natürlichen Klimatisierung, man versucht, ohne Fenster und mit geringer Durchlüftung ein stabiles Klima zu erreichen. Die Stabilität des Raumklimas ist hier besonders abhängig von dem Aufbau der Außenwände: in Hamburg ist die Magazinwand passive or natural method by only heating the outer walls of repositories also draw attention. Even though many papers exist on some aspects an extensive summary of the topic of archival building including the present state of things and modern standards so far is lacking in Germany. The second part of the paper attempts to portray prevention of damage to archives by emergency provisions and emergency plans. In view of warfare (e.g. in former Yugoslavia), considerable damage by floods and fire (e.g. Eastern Germany 2002/2004) and catastrophic incidents (September 11 2001) the discussion on disaster prevention for archives and libraries was revived. Just as other archives and archive administrations the Bavarian state archives have designed an outline for emergencies and presented it online. The individual Bavarian state archives have worked out emergency plans of their own, and have entered their data into a federal register on management of catastrophes. 9. Hermann Rumschöttel, 25 Jahre Archivbau in Bayern 1961-1985. Zweckbauten und Adaptierung historischer Baudenkmäler, In: «Scri-nium» 33 (1985), S. 80-99; Ders., Archivbau heute - Erfahrungen, Tendenzen, Perspektiven, In: «Scrinium» 46 (1992), S. 252-267; Ders., Funktionalität als Kennzeichen des modernen Archivbaus - Überlegungen zum geplanten Neubau für das Staatsarchiv Landshut, In: «Atlanti» 5 (1995), S. 76-83. 10. Vgl. zusammenfassend und mit weiterführender Literatur: Maria Rita Sagstetter, ^^i-matisierungskonzepte in jüngeren Archivgebäuden in Deutschland, In: «Archivalische Zeitschrift» 86 (2004), S. 323-356. 11. Die Auswirkungen der globalen Erwärmung auf das "natürlich" erzeugte Magazinklima sollten allerdings u.U. einmal vergleichend in einer Langzeitstudie untersucht werden. 12. Vgl. aber z.B. das Klimatisierungsmodell des Steiermärkischen Landesarchivs in Graz (knapp erläutert bei Helmut Kretschmer, Archivbauten in Österreich, Wien 2004 [Veröffentlichungen des w: Au 13 du Ar Kl Stadt stellungskatal Wolfgang Han. d Landesarch ge Heft 69], S. S B: Reih 15-17) Stein, Fragen der Anwen "Pointer Modells im Archivbau, In: «Der hivar» 45 (1992), Sp. 409-424; Sagstetter, matisierungskonzepte (wie Anm. 10). 14. Manfred P. Heimers, Ein neues Kapitel. Der Magazinneubau des Stadtarchivs München, In: «Der Archivar» 43 (1990), Sp. 241-250; Kretschmer, Archivbauten in Österreich (wie Anm. 12), S. 8-10 u. 17f. 15. Hans-Dieter Loose, Der Neubau des Staatsarchivs Hamburg, In: «Archivalische Zeitschrift» 83 (2000), S. 39-71; Sagstetter, Klimatisierungskonzepte (wie Anm. 10). 16. Sagstetter, Klimatisierungskonzepte (wie Anm. 10). 17. Bettina Wischhöfer, Natürliche Klimatisierung in Archivmagazinen - 10 Jahre Kasseler Modell, Kassel 2007 (Schriften & Medien des Landeskirchlichen Archivs Kassel 23); Ulrich Helbach, Erweiterter Archivbau des Historischen Archivs des Erzbistums Köln, In: «Der Archivar» 61 (2008), S. 155f. 18. Reinhard H. Seitz, Der Neubau des Staatsarchivs Augsburg, In: «Der Archivar» 44 (1991), Sp. 247-262. Vgl. Abbildungen 1 u. 2 (Staatsarchiv Augsburg: Verwaltungstrakt u. Magazintrakt). 79 cm dick; sie besteht (von innen nach außen) aus Glasbetonstein (17,5 cm), aus einer mit Blähtonkügelchen gefüllten Luftschicht (8 cm), aus Stahlbeton (25 cm) und einer Schicht aus Dämmwolle (20 cm). Außen sind mit etwas Abstand Glasplatten vorgehängt. Damit dieses Modell funktioniert, sind mehrere Voraussetzungen erforderlich (ähnlich bei „Kölner Modell"): Mit der Archivalieneinlagerung sollte erst begonnen werden, wenn die Räume ausgetrocknet sind. Die Archivalien dürfen möglichst erst eingelagert werden, wenn sie das im Magazin herrschende Klima nicht negativ beeinflussen. Um Störungen des Magazinklimas zu minimieren, sind Klimaschleusen hilfreich. Ein weiteres Konzept zur natürlichen Klimatisierung soll ebenfalls kurz angesprochen werden. Es handelt sich um die Temperierung des Gebäudes mittels Beheizung der Wände - also die Temperierung der Gebäudehülle16. Es ist ein Verfahren, das in Bayern von der Landesstelle für nichtstaatliche Museen entwickelt worden ist und mittlerweile auch in Archiven Eingang gefunden hat, beispielsweise im Landeskirchlichen Archiv in Kassel (danach auch als „Kasseler Modell" bezeichnet), im baden-württembergischen Staatsarchiv Wertheim oder in Teilbereichen der bayerischen Staatsarchive Bamberg und Landshut. Auch der neue Magazinbau des Historischen Arch ivs des Erzbistums Köln lehnt sich in technisch erweiterter Form an dieses Konzept an17. Die Kosten sind in der Regel gering, was auch für die Anlage von unterirdischen Räumen für Magazinzwecke gilt. Die einfachste Form der Gebäudetemperierung mittels Sockelheizrohren, die an der Innenseite der Magazinwände verlegt werden, ist beispielsweise im Depot des Staatsarchivs Landshut in Betrieb: 1997/1998 wurde ein ehemaliges Militärexerzierhaus (von 1892) zu einem Archivdepot umfunktioniert, indem eine gasbetriebene Wandsockelheizung eingebaut wurde. Für die Luftzirkulation sorgt ein Wandlüfter, der bei erhöhten Feuchtewerten eingeschaltet wird. b) Neuere Archivbauten in Bayern (Beispiele) Das Vorgängerarchiv des Staatsarchivs Augsburg befand sich von 1830 bis 1990 im Schloß von Neuburg an der Donau. Das dortige Staatsarchiv war unzureichend ausgestattet und verfügte nur über schlechte Lagerungsbedingungen. Neuburg lag am Rande des Regierungsbezirks Schwaben; seit 1972 gehört es nicht mehr zu Schwaben, sondern zu Oberbayern. Das seit den 1970er Jahren geplante (neue) Staatsarchiv wurde 1990 eingeweiht. Es befindet sich im nächsten Umfeld der Augsburger Universität und besitzt eine gute Verkehrsanbindung18. Der Archivbau besteht aus zwei parallel zueinander gesetzten Baukörpern (zweistöckiges Verwaltungsgebäude, vierstöckiges Magazingebäude), wobei das Magazin dem „Kölner Modell" nachempfunden ist (Ziegelwände mit schmalen Fenstern; außen vorgehängt sind Muschelkalkplatten; das Raumklima wird manuell durch Lüftung beziehungsweise leichtes Zuheizen im Winter gesteuert). Eine gute Brandsicherheit wird gewährleistet, weil die beiden Gebäude nur wenig miteinander verbunden sind; das Magazin selbst ist in zwölf Einzelmagazine gegliedert (mit Rauchmelder, Entrauchung-sanlage und konventioneller Löschung). Die weiteren öffentlichen und nichtöffentlichen Räume des Neubaus sind relativ klar und großzügig gegliedert. Der Lesesaal umfasst l40m2, 25 Arbeitsplätze und 6 Arbeitskabinen. Das Staatsarchiv Augsburg kann als Archiv gelten, das weitgehend nach funktionalen Kriterien errichtet worden ist; in die moderne Umgebung der Universität passt sich das Staatsarchiv gut ein. Gegenwärtig ist ein Erweiterungsmagazin auf dem Gelände neben dem Staatsarchiv in Planung. Für den seit langem vorgesehenen Neubau des Staatsarchivs Landshut sind im Haushalt des bayerischen Wissenschaftsministeriums erstmals seit längerem wieder Mittel eingestellt. Dies lässt hoffen, dass die seit den späten 1980er Jahren vorliegenden konkreten und aufgrund der erschöpften Kapazitäten des Staatsarchivs Landshut notwendigen Baupläne in Zukunft realisiert werden können. Für das Archiv ist im nächsten Umfeld der Landshuter Altstadt ein großes Grundstück vorhanden (mit über 4400 m2). Das Magazin soll eine Stellfläche von 36 km haben. 1993 hatte bereits ein Architektenwettbewerb stattgefunden, der geplante Baubeginn im Jahr 1997 war dann allerdings zugunsten eines Provisoriums auf unbestimmte Zeit verschoben worden. Als gelungenes Beispiel eines adaptierten neueren Archivbaus kann das Stadtarchiv in Bamberg (Oberfranken) gelten19. Das Archiv wurde 1991 in der für Archivzwecke umgebauten ehemaligen Chirurgischen Klinik (erbaut um 1900) der Stadt untergebracht. Der Umbau richtete sich einerseits nach archivbaulichen Anforderungen, andererseits waren Auflagen des Denkmalschutzes zu beachten; das ursprüngliche Erscheinungsbild und die historische Substanz blieben weitgehend erhalten, lediglich der alte „Bettentrakt" wurde entkernt und zum Magazingebäude umgebaut (künstliche Klimatisierung; Lagerkapazitäten bis ca. 2030). Im zweiten Hauptgebäude der Klinik wurden die Benützer- und Verwaltungsräume untergebracht. Das adaptierte Gebäude des Stadtarchivs verfügt sicherlich nicht nur über Stärken: zweifellos ist die Lage an einem Flussufer (Regnitz) etwas problematisch; die Klimaanlage ist mit hohen Kosten verbunden und unter Umständen störanfäl ig, auch die Vorgaben der Denkmalschutzbehörde (Beibehaltung der großen Fenster der alten Klinik) sind nicht immer von Vorteil gewesen. Dennoch ist zu konstatieren, dass die Aufteilung und großzügige Unterbringung der Räume und Bereiche (Magazin, Verwaltung, Öffentlichkeit) mehr als zufriedenstellend gelun labor und Buchbinderwer nordnung von Bamberg e gen ist; die Ausstattung mit eigenem Foto-kstatt ist für ein Stadtarchiv in der Größebenfalls als gut zu bezeichnen. Das Magazin verfügt über hohe Sicherheitsstandards und große zukünftige Lagerkapazitäten. Nicht zuletzt ist zu berücksichtigen, dass ein umgenutztes (adaptiertes) und zentral gelegenes Gebäude wie das Stadtarchiv in Bamberg auch die Identifikation der Bürger mit dem Archiv erleichtert. Schließlich soll noch ein kirchlicher Archivbau angesprochen werden, das neue Gebäude für Archiv und Bibliothek des Bistums Würzburg20. Das bis dahin auf zehn Standorte beziehungsweise Magazine verteilte Diözesanarchiv konnte 2004 in einen zentral bei der bischöflichen Verwaltung gelegenen Neubau umziehen. Das Gebäude ist geteilt zwischen dem Archiv (2/3, linker Gebäudeteil) und der Bibliothek (1/3, rechter Gebäudeteil). Im Erdgeschoß befindet sich der Lesesaal des Archivs (ca. 34 Arbeitsplätze, 15 Lesegeräte), darüber in drei Stockwerken das Magazin, im fünften Stockwerk sind die 19. Das Stadtarchiv Bamberg im ehemaligen „Chirurgischen Krankenhaus". Zur Indienstnah-me des neuen Dienstgebäudes am 8. November 1991, Bamberg 1991. Vgl. Abbildung 3. 20. Johannes Merz, Archiv und Bibliothek unter einem Dach - Vorteile und Probleme des Würzburger Modells, In: «Kirchliches Buch- und Bibliothekswesen» 2005/2006, S. 123-132. Vgl. Abbildung 4. Verwaltungsräume untergebracht. Das Magazin verfügt über eine Fläche von 16.000 Regalmetern; das Klimatisierungskonzept folgt dem „Kölner Modell". Die Klimawerte für den Winter sind nach den ersten Erfahrungen gut, lediglich im Sommer gab es Probleme mit zu hohen Temperaturen. An dieser Stelle sei festgehalten, dass für den deutschen Archivbau zweifellos eine grundlegende Zusammenstellung, die auch die geschichtliche Entwicklung und den aktuellen Ist-Stand samt moderner Standards enthält, wünschenswert wäre. An einschlägigen Berichten und Beiträgen mangelt es nicht; die jüngst von Anton Gössi herausgegebene schweizerische Publikation ist richtungsweisend21. Notfallvorsorge und Notfallbewältigung 21. Archivbauten in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein 1899-2009, zusammengestellt und hg. v. Anton Gössi, Baden 2007. Aktuell war auch der 68. Südwestdeutsche Archivtag in Ulm („Archive im [räumlichen] Kontext — Archivbauten und ihr Umfeld, 20.21. Juni 2008) dem Thema Archivbau gewidmet; eine zeitnahe Publikation der Vorträge ist geplant. 22. Rahmenplan für Notfallmaßnahmen in den Staatlichen Archiven Bayerns (Notfallrahmenplan), erstellt von der Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns, Stand Januar 2001, Pt. „Grundbegriffe" (Onlineressource unter www.gda.bayern.de/notf02htm). Künftig zitiert als „Notfallrahmenplan Bayern". a) Allgemeines, Definition Als Notfall wird im folgenden eine unvorhergesehene Kombination von Umständen definiert, deren Ergebnis Schaden verursacht und sofortiges Handeln verlangt, während eine Katastrophe als Ereignis zu beschreiben ist, das Schäden größeren Ausmaßes nach sich zieht und mit den eigenen Ressourcen (z.B. des Archivs) nicht bewältigt werden kann. Notfall- und Katastrophenschutzplanung sind eng miteinander verbunden, da sich aus einem Notfallereignis bei unzureichender Notfallplanung rasch eine Katastrophe ergeben kann. Innerhalb des Beitrags werden beide Ebenen unter dem Begriff Notfallplanung zusammengefasst22. Vor 1989 waren in der Bundesrepublik Deutschland und der damaligen DDR die Planungen für den Katastrophenfall vor allem auf kriegerische Ereignisse hin gerichtet. Der Zivilschutz war namentlich in der DDR bis auf die lokale Ebene durchgeplant und organisiert. Angesichts der Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges begann man 1961 in der Bundesrepublik Deutschland mit der Sicherungsverfilmung von Archivalien: die Archivalien des Bundes und der Länder wurden (und werden) zu Sicherungszwecken mikroverfilmt. Die Verfilmung ist eine Bundesaufgabe im Rahmen des Zivilschutzes. Sie wird durch den Bund selbst und auftragsweise von den Ländern ausgeführt (in Bayern im Bayerischen Hauptstaatsarchiv). Die Filme werden anschließend im Zentralen Bergungsort der Bundesrepublik im Oberrieder Stollen bei Freiburg/Breisgau eingelagert. Derzeit befinden sich im Oberrieder Stollen über 28 Millionen Meter Mikrofilme; die aus der DDR übernommenen ca. 8 Millionen Meter Mikrofilme wurden zur Langzeitarchivierung umkopiert (Stand: Dezember 2007). Angesichts der erheblichen kriegerischen Ereignisse, etwa in den jugoslawischen Nachfolgestaaten, sowie aufgrund katastrophaler Großereignisse (11. September 2001) zeigte sich relativ bald, dass der nach 1989 erfolgte Abbau von Zivilschutz und Katastrophenvorsorge nicht in dieser Form weitergehen konnte. Die flächendeckenden, auch Archive und Registraturen schwer tangierenden Hochwasserschäden der „Jahrhundertflut" im Osten Deutschlands im Jahr 2002 haben die archivische Diskussion der Notfallvorsorge neu belebt - dies gilt gleichermaßen (und besonders für die Öffentlichkeit!) bezüglich des Brandes der Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar im Jahr 200423. Nach dem Beispiel des Westfälischen Archivamtes in Münster (Notfallplan von 1994) haben mittlerweile mehrere deutsche Archive beziehungsweise Archivverwaltungen Notfallpläne vorgelegt (z.B. Baden-Württemberg 1997; Bayern 2001), die auf der inhaltlichen Ebene nicht sehr weit auseinander liegen24. Hinzuweisen ist dabei auch auf die Empfehlungen der deutschen Archivreferentenkonferenz und auf die Informationen und kommentierenden Linkzusammenstellungen des „Forums Bestandserhaltung"25. Notfallplanung wird auch auf dem deutschen Archivtag in Erfurt (September 2008) ein wichtiges Thema sein26. b) Notfallplanung Typischerweise wird man zunächst die Gefährdungsmöglichkeiten für ein Archiv untersuchen müssen (Gefährdungsanalyse), um durch vorbeugende Maßnahmen die Gefährdung zumindest verringern zu können. Die Gefährdungsanalyse sollte einer Gruppe von Archivmitarbeitern übertragen werden (vor allem: Sicherheitsbeauftragte, Haustechniker, Magazinverwaltung, Bestandserhaltung/Restaurierung), zu denen externe Fachleute hinzukommen sollten (z.B. Feuerwehr)27. Der bayerische Notfallrahmenplan, dem nachfolgend unsere Aufmerksamkeit gelten soll, schlägt den Austausch der Planungsgruppe mit den Archivmitarbeitern in allen Funktionsbereichen vor, um möglichst viele Informationen zu problematischen Bereichen zu erhalten; hinzu kommen Mitarbeiterschulungen zur Vorbereitung auf den „Ernstfall". Aus der Planungsgruppe ist ein Notfallbeauftragter samt Stellvertreter zu benennen, die gemeinsam mit dem Sicherheitsbeauftragten über vorbeugende Schutzmaßnahmen (Notfallvorsorge) zu wachen haben; sie sollen auch in Notfällen Lagebeurteilungen vornehmen und koordinierende Funktionen au-sfüllen28. Die Gefährdungen, denen Archive ausgesetzt sind, lassen sich einerseits in Typen von Gefahren und andererseits in Gefährdungsgrade einteilen. Gefahrentypen sind z.B. Feuer, Wassereinbruch, Diebstahl oder Vandalismus; Gefährdungsgrade reichen von geringfügigen Schäden bis hin zu Katastrophen oder flächendeckenden Ereignissen (Flugzeugabstürze usw.). Die Analyse der Gefährdungen soll die Schwachstellen des jeweiligen Archivs aufzeigen, Gefahrenquellen ausschalten oder zumindest minimieren und vorbeugende Maßnahmen erleichtern29. Die Überprüfung der Gefährdungen betrifft selbstverständlich die Lage des Archivgebäudes: Eventuelle Nähe zu gefährdeten Zielen (Bahnhöfen, Flughäfen, Botschaften), Rolle äußerer Einwirkungen (Hochwasser, Industrie), Möglichkeit von Einbruch und Vandalismus (z.B. bei isolierter Lage). Hinzu kommt eine Analyse der Gebäudebeschaffenheit: z.B. Zweckbau, Neubau, adaptierter Altbau usw.; Installationen; Feuer- und Einbruchsicherheit. Der bayerische Notfallrahmenplan schlägt in relativ detaillierter Form technische und organisatorische Maßnahmen in den Bereichen „Sicherheit vor unerlaubtem Zugang" (Einbruch/ Diebstahl, Vandalismus usw.), „Brandschutz" und „Wasserschutz" vor, die in diesem Zusammenhang nicht genauer referiert werden müssen3 Die konkreten Vorbereitungen zur Bewältigung eines Notfalls sehen die Erstellung von mehreren Plänen vor. Diese Pläne (Ablaufplan/Notfallplan, Alarmplan, Feuerwehrplan, Bergungsplan/Rettun- 23. In Sachsen waren 2002 insgesamt 17 Archive mit 1,5 Kilometern Akten Opfer der Flut geworden; die betreffende Aktenmenge bei den Registraturen liegt noch um ein Vielfaches höher, vgl. Barbara Keimer, Rückblick - Das Hochwasser und die Folgen, In: Verwahren, Sichern, Erhalten (wie Anm. 1), S. 207-225; Rickmer Kießling, Notfallvorsorge in Archiven, In: ebd., S. 227-247. Zum Brand der Herzogin Anna-Amalia- Bibliothek vgl. www.forum-bestandse-rhaltung.de (Bericht von Karin Slenczka, insbesondere auch zur öffentlichen Reaktion). 24. Rickmer Kießling, Notfallmaßnahmen im Archiv, In: «Archivpflege in Westfalen und Lippe» 40 (1994), S. 25-30; Ders., NotJ^allmaßnah-men im Archiv — ein ungeliebtes Muß, In: Aufgaben kommunaler Archive — Anspruch und Wirklichkeit, Münster 1997 (Texte und Untersuchungen zur Archivpflege 9), S. 65-76; Udo Herkert, Feuer, Wasser, Archivare. Notfallvorsorge in den Staatsarchiven Baden-Württembergs, In: Bestandserhaltung. Herausforderung und Chancen (wie Anm. 1), S. 291-335; der bayerische Notfallrahmenplan (wie Anm. 22) wurde 2001 online veröff^entlicht. Vgl. insgesamt die Linkliste „Aktionspläne individueller Institutionen" unter www.forum-bestandserhaltung. de, die den Zugriff auf Pläne von Archiven und Bibliotheken bietet. 25. www.forum-bestandserhaltung.de; die Empfehlungen der Archivreferentenkonferenz (erarbeitet vom Ausschuß „Bestandserhaltung - Erhaltung am Original und Notfallvorsorge", ehemals „Restaurierungsausschuß") liegen in aktualisierter Version (Stand: August 2007) auf www.landesarchiv-bw.de vor. 26. Die vierte Sektionssitzung ist dem Thema der Notfallbewältigung gewidmet, vgl. www. archivtag.de (Programm). 27. Eine Planungsgruppe ist natürlich nur in größeren Archiven denkbar und sinnvoll. Ansonsten ist die Übernahme und Konkretisierung von Muster-Notfallplänen ein gangbarer Weg. Vgl. Kießling, Notfallvorsorge in Archiven (wie Anm. 23), S. 229-231; Birgit Geller, Notfallvorsorge im Archiv. Von der Risikoanalyse zum Notfallplan, In: «Archivnachrichten Niedersachsen» 7 (2003), S. 54-65. 28. Notfallrahmenplan Bayern (Pt. 1). 29. Eine Prüfliste für Abwehrmaßnahmen auch bei Kießling, Notfallvorsorge in Archiven (wie Anm. 23), S. 231-233. 30. Notfallrahmenplan Bayern (Pt. 2). 31. Kießling, Notfallvorsorge in Archiven (wie Anm. 23), S. 233. 32. Eine solche Telefonliste sollte auch die Nummern der zuständigen staatlichen Stellen (Hochbauamt) und die Nummern von Versorgungsunternehmen und technischen Diensten beinhalten (Transport, Kühlhäuser, Materialbeschaffung usw.). Die ständige Aktualisierung der Telefonliste sollte selbstverständlich sein. Vgl. Notfallrahmenplan Bayern (Pt. 3.1 und Anlage 1); Herkert, Feuer, Wasser, Archivare (wie Anm. 24), S. 329-334; Kießling, NotJ^all-vorsorge in Archiven (wie Anm. 23), S. 235238. 33. Notfallrahmenplan Bayern (Pt. 3.2 und Anlage 2); Herkert, Feuer, Wasser, Archivare (wie Anm. 24), S. 328; Kießling, NotJallvorsorge in Archiven (wie Anm. 23), S. 243. 34. Kießling, Notfallvorsorge in Archiven (wie Anm. 23), S. 234 u. 244-247 (Beispiele). 35. Notfallrahmenplan Bayern (Pt. 3.3). 36. Kießling, Notfallvorsorge in Archiven (wie Anm. 23), S. 234f. 37. Notfallrahmenplan Bayern (Pt. 3.4 und Anlage 3), vgl. aber besonders Herkert, Feuer, Wasser, Archivare (wie Anm. 24), S. 319-327. 38. Notfallrahmenplan Bayern (Pt. 3.5 und Anlage 4). Vgl. desweiteren Herkert, Feuer, Wasser, Archivare (wie Anm. 24), S. 316-318 sowie Kießling, Notfallvorsorge in Archiven (wie Anm. 23), S. 239-241 mit dem Vorschlag eines regionalen „Leitarchivs", das über Notfallboxen für mehrere Archive verfügt. 39. Notfallrahmenplan Bayern (Pt. 4). Vgl. detailliert z.B. Herkert, Feuer, Wasser, Archivare (wie Anm. 24), S. 319-327 (konservatorische Sofortmaßnahmen usw.). gsplan) werden für die einzelnen Archive oder Archivverwaltungen natürlich variieren31. Der Ablaufplan für Notfallmaßnahmen listet in chronologischer Abfolge die in Notfällen durchzuführenden Arbeitsschritte auf; er wird ergänzt durch eine Telefonliste mit den Rufnummern der Notfallgruppe des Archivs (diese sollte u.a. mit Haustechnikern und Bestandserhaltungsmitarbeitern besetzt sein)32. Der raschen Benachrichtigung zuständiger Stellen und der archivischen Notfallgruppe dient ein Alarmplan, der grundsätzlich in allen Bereichen und Arbeitszimmern des Archivs greifbar sein sollte. Der bayerische Muster-Alarmplan lehnt sich eng an das baden-württembergische Modell an33. Der Einsatz der Feuerwehr wird gesteuert und erleichtert durch einen Feuerwehrplan, der bei den Wehren sowie in der Brandmeldezentrale des Archivs vorgehalten werden sollte34. Das bayerische Modell sieht einen Bergungsplan vor, der - sofern durchführbar- die Evakuierung gefährdeten Archivgutes steuern soll und abzuleiten ist aus einem Magazinplan und einer Liste der möglichst zuerst zu bergenden Archivalien (Prioritätenliste)35. Die Praktikabili-tät eines solchen Bergungsplanes wird in der Literatur allerdings diskutiert36. Die bayerischen Ausführungen zur Bergung von Archivalien umfassen auch Sofortmaßnahmen zur Rettung wassergeschädigter Stücke (Anleitung für die Verpackung wassergeschädigter Archivalien, die für Schockgefrierung oder Gefriertrocknung vorgesehen sind)37 und eine Beschreibung der Notfallboxen. Es handelt sich dabei um Aluminiumkisten mit Grundausstattung für Notfälle (Schutzausrüstung, Hilfsmittel und Materialien für die Durchführung konservatorischer Maßnahmen vor Ort); sie sollen an gut zugänglichen Orten außerhalb der gefährdeten Räume aufbewahrt werden. Beachtenswert ist das Vorgehen des Westfälischen Archivamts, das für seinen regionalen Zuständigkeitsbereich Notfallboxen für den „Ernstfall" bereithält38. Der bayerische Notfallrahmenplan schließt mit Hinweisen zu Nachsorgemaßnahmen, beispielsweise baulicher oder konservatorischer Art, auf die an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden soll39. Auf Basis des von der Generaldirektion der staatlichen Archive Bayerns vorgelegten Notfallrahmenplans wurden in Bayern von den einzelnen Staatsarchiven (Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Staatsarchive Amberg, Augsburg, Bamberg, Coburg, Landshut, München, Nürnberg und Würzburg) individuelle Pläne erstellt. Den Vorgaben entsprechend wurden teils ausführliche Bergungspläne für Archivgut entworfen. In jedem Archiv existiert eine Notfallgruppe, die im Bedarfsfall durch Mitarbeiter der Restaurierungswerkstatt des Bayerischen Hauptstaatsarchivs unterstützt wird; Notfallboxen sind überall vorhanden. Die bayerischen Archive beteiligen sich selbstverständlich auch an der vom Bundesarchiv bereitgestellten Online-Anwendung „NORA" (Notfall-Register Archive): Zur Verbesserung des Katastrophenmanagements konnte das Bundesarchiv beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe erreichen, dass die Archive mit ihren Grunddaten in die Datenbank „deNIS II"aufgenommen werden. Diese öffentlich nicht zugängliche Datenbank stellt den Einsatzkräften bei großflächigen Gefahrenlagen die Informationen (Sach- und Geoinformationen) zur Verfügung, die bei der Steuerung und Durchführung von Einsätzen zur Vermei- dung und Begrenzung von Schäden notwendig sind. Die Aktualisierung der Daten erfolgt in regelmäßigen Abständen durch die jeweiligen Archive selbst, wobei die Meldungen und entsprechenden Notfallpläne auch bei der Generaldirektion der staatlichen Archive elt vorliegen. Staatsarchiv Augsburg Verwaltungstrakt Staatsarchiv Augsburg Magazintrakt Stadtarchiv Bamberg Dioezesanarchiv Wuerzburg