Vabljeno predavanje (1.06) UDK 368 (430+436) Prof. Dr. Anton A. Bucher Die Situation des Religionsunterrichts in der Bundesrepublik Deutschland und in Österreich Wer sich in Slowenien für konfessionellen Religionsunterricht an staatlichen Schulen einsetzt, hat gute Gründe, auf die Religionspädagogik bzw. die Kirche in der Bundesrepublik und in Österreich geradezu neidisch zu sein. In beiden Ländern ist der Religionsunterricht rechtlich optimal abgesichert, in der Bundesrepublik sogar im Grundgesetz (Art. 7,3), in Österreich hingegen im Konkordat sowie im Bundesgesetz zum Religionsunterricht aus dem Jahre 1949. Hinzu kommt, dass konfessioneller Religionsunterricht - gegen den freilich auch immer wieder Kritiken gerichtet wurden und werden - sowohl bei Eltern als auch bei Schülerinnen eine hohe Akzeptanz genießt. Dies zeigten flächendeckende Untersuchungen, die der Verfasser in den letzten Jahren sowohl in Österreich1 als auch in Deutschland durchgeführt hat.2 Im Rahmen der zur Verfügung stehenden Zeit kann ich bloß einige Aspekte der breiten und facettenreichen Thematik erörtern: 1.) Die rechtliche Stellung des Religionsunterrichts in der Bundesrepublik Deutschland und in Österreich; 2.) Empirische Aspekte, insbesondere die Akzeptanz des Faches bei den Schülern und Schülerinnen; 3.) Religionsunterricht in der Sicht der ReligionslehrerInnen; 4.) Problemfelder des Religionsunterrichts, Zukunftsszenarien und 5. Zusammenfassung 1. Die Rechtliche Stellung des Religionsunterrichts 1.1 Bundesrepublik Konfessioneller Religionsunterricht ist der einzige Unterrichtsgegenstand, der im Grundgesetz (GG) der Bundesrepublik abgesichert ist. Art. 7, Abs. 3 GG lautet: A. Bucher, Religionsunterricht: Besser als sein Ruf? Empirische Einblicke in ein umstrittenes Fach, Innsbruck 1996. 2 A. Bucher, Religionsunterricht zwischen Lernfach und Lebenshilfe. Eine empirische Untersuchung zum katholischen Religionsunterricht in der Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 2001. »Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Kein Lehrer darf gegen seinen Willen verpflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen.« Da der Staat sich selbst in religiösen Dingen ein Mandat abspricht, aber als Ausfluss der Religionsfreiheit und des damit verbundenen Rechts auf religiöse Bildung den Religionsunterricht in den öffentlichen Schulen etablieren will, benötigt er die Religionsgemeinschaften als Kooperationspartner. Sie konzipieren die Inhalte des Religionsunterrichts, der nur insofern der staatlichen Schulaufsicht unterliegt, als seine Inhalte verfassungskonform sein müssen. Ansonsten ist der Religionsunterricht in die allgemeine Schulorganisation eingebunden. Die Mitwirkung der Religionsgemeinschaften erstreckt sich insbesondere auf die Erarbeitung von Lehrplänen, die Genehmigung von Lehrbüchern und Unterrichtsmaterialien und die Qualifizierung von Religionslehrern. Religionslehrerinnen und Religionslehrer benötigen die Missio canonica als kirchliche Lehrerlaubnis. Sie absolvieren in der ersten Phase der Lehrerbildung ein Hochschulstudium, das mit dem ersten Staatsexamen endet. Sie studieren mindestens ein weiteres Lehrfach und treten nach dem Referendariat und dem zweiten Staatsexamen in der Regel als Beamte in den Staatsdienst. Der Status des Religionsunterrichts als »ordentliches Lehrfach« bedeutet auch, dass wie in anderen Fächern Noten erteilt werden, die versetzungsrelevant sind. Religionsunterricht ist auch Abiturfach. Mit Bezug auf Art. 4 GG und die dort festgeschriebene negative Religionsfreiheit können Eltern ihre Kinder jederzeit vom Religionsunterricht abmelden. Mit dem 14. Lebensjahr sind Jugendliche religionsmündig und können dies von sich aus tun. Für diese Kinder und Jugendliche und für jene, die keiner Religionsgemeinschaft angehören, wird ein Ersatzunterricht angeboten, der in den meisten Bundesländern die Bezeichnung »Ethik«, in einigen auch »Praktische Philosophie«, »Philosophieren mit Kindern« o. ä. trägt. Einige ostdeutsche Bundesländer haben dem Ersatzfach den Status eines gleichwertigen Alternativfachs gegeben.3 Zwei Bundesländer rückten von dieser Regelung ab, Bremen und Brandenburg. Bremen hat bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert erwirkt, dass in staatlicher Regie ein biblischer Unterricht angeboten wird. Das Bundesland Brandenburg hingegen, in dem - wie in den an- 3 Veröffentlichungen der Kultusministerkonferenz: Zur Situation des Ethikunterrichts in der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 1998. deren neuen Bundesländern - nach der Wiedervereinigung das Grundgesetz Geltung erlangte, richtete ein Fach »Lebensgestaltung - Ethik - Religionskunde« für alle Schülerinnen ein. Dies löste einen heftigen, kulturkämpferisch anmutenden Konflikt aus.4 Die Kirchen klagten ihr Recht auf konfessionellen Religionsunterricht vor dem Bundesverfassungsgericht ein; geschlossen wurde ein Kompromiss. 1.2 Österreich Die Beziehungen zwischen Staat und Kirche werden in Österreich durch das Konkordat geregelt, das eine lange Geschichte hinter sich hat, nachdem ein erstes bereits 1448 zwischen Friedrich IV. und Papst Nikolaus V. geschlossen wurde, das bis 1803 (große Säkularisierung) in Geltung blieb. Das jetzt geltende Konkordat geht auf das Jahr 1933 zurück und wurde 1938, als Österreich ins Deutsche Reich eingegliedert wurde, außer Kraft gesetzt. Die Regierung der 2. Republik anerkannte jedoch 1957 seine Gültigkeit neu. Der Religionsunterricht wird schon in Artikel VI angesprochen, wo es in § 1 heißt: »Der Kirche steht das Recht auf Erteilung des Religionsunterrichts und Vornahme religiöser Übungen für die katholischen Schüler an allen niederen und mittleren Lehranstalten zu ... Die Leitung und unmittelbare Beaufsichtigung des Religionsunterrichts und der religiösen Übungen kommt der Kirche zu .... Auf das Konkordat gründet sich das Bundesgesetz zum Religionsunterricht vom 13.7.1949, gemäß dem »für alle Schüler, die einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgemeinschaft angehören, ... der Religionsunterricht ihres Bekenntnisses ein Pflichtgegenstand (ist)«.5 Wie in der Bundesrepublik auch, besteht aufgrund der negativen Religionsfreiheit die Möglichkeit, sich vom Religionsunterricht abzumelden, bis zum 14. Lebensjahr schriftlich von den Eltern, sodann von den Schülerinnen selber, wobei dies nur in den ersten zehn Tages des Schuljahres möglich ist (§ 1, Abs. 2). Erteilt wird Religionsunterricht in einem Ausmaß von zwei Wochenstunden, es sei denn, es »nehmen am Religionsunterricht eines Bekenntnisses in einer Klasse weniger als die Hälfte der Schüler teil, die zugleich weniger als die Hälfte der Schüler dieser Klasse sind«; dann wird Religionsunterricht nur einstündig erteilt. Zuständig ist die Kirche auch für die Anstellung der Religionslehrerinnen, die teils an Universitäten bzw. kirchlichen Hochschulen, teils an Religionspädagogischen Akademien ausgebildet wer- 4 Vgl. den Literaturbericht (ausschließlich Monographien) von A. Bucher, LER: Ein Literaturbericht, in: Religionsunterricht an höheren Schulen 45 (2002), 255-260. Abgedruckt in H. Schwendenwein, Religion in der Schule. Rechtsgrundlagen, Graz 1980 den und eine missio benötigen, die auch entzogen werden kann (in den seltenen Fällen faktisch zumeist aufgrund Wiederverheiratung nach Scheidung, kaum je aufgrund didaktischen Unvermögens). Und nicht zuletzt erarbeiten die kirchlichen Gremien die Religionslehrpläne und approbieren die Religionsbücher, die in die Schulbuchaktion aufgenommen d.h. größten Teils vom Staat bezahlt werden. Im Unterschied zur Bundesrepublik müssen in Österreich SchülerInnen, die sich entweder vom Religionsunterricht abgemeldet haben oder, weil ohne religiöses Bekenntnis, zu einem solchen nicht verpflichtet sind, kein Alternativfach besuchen. Im Schuljahr 1997/98 starteten in der gymnasialen Oberstufe Schulversuche in »Ethikunterricht«, die (kirchen-)politisch lange und heftig umstritten waren. Sie haben sich nicht zuletzt im Hinblick auf den Religionsunterricht bewährt, sind doch an den mittlerweile mehr als 100 Schulversuchsstandorten die Abmeldungen vom Religionsunterricht um die 20 % zurückgegan-gen.6 In Österreich wird auch islamischer Religionsunterricht erteilt; prinzipiell können alle staatlich anerkannten Religionsgemeinschaften (in Österreich momentan 12) ihr Recht auf einen staatlich finanzierten Religionsunterricht geltend machen. In der Bundesrepublik hingegen wird Islamischer Religionsunterricht noch immer kontrovers diskuti-ert;7 strittig ist vor allem, welche islamische Gruppierung der repräsentative und befugte Ansprechspartner ist. 2. Empirische Einblicke in den Religionsunterricht Religionsunterricht ist in Deutschland und in Österreich nicht nur rechtlich hervorragend abgesichert, sondern erfreut sich auch bei seinen AdressatInnen einer beachtlichen Akzeptanz. Zwar besteht ihm gegenüber nach wie vor das Vorurteil, er langweile die SchülerInnen mit unverständlichen (Katechismus-)Sätzen, indoktriniere veraltete Moral und sei bei den SchülerInnen unbeliebt. Tatsächlich brachte eine der ersten Studien zur Beliebtheit von Schulfächern, 1903 von Lobsien durchgeführt, zu Tage, dass 500 SchülerInnen Leibeserziehung zu ihrem Lieblingsfach erkürten, Religionsunterricht hingegen als das unbeliebteste Fach kritisierten.8 Auch im Umfeld von 1968 (StudentInnenbewegung) galt er als Prototyp eines unbeliebten Faches.9 A. Bucher, Ethikunterricht in Österreich. Bericht der wissenschaftlichen Evaluation der Schulversuche »Ethikunterricht«, Innsbruck 2001. 7 L. Hagemann, Islamischer Religionsunterricht an deutschen Schulen?, in: Jahrbuch für Religionswissenschaft und Theologie der Religionen 1999, Heft 7/8, 272-278. Zu bisherigen Akzeptanzstudien des Religionsunterrichts: A. Bucher (Anm. 1), 18-32. Es waren insbesondere die Innovationen und Investitionen in der methodisch-didaktischen Ausbildung der ReligionslehrerInnen, die zu einer deutlichen Qualitätssteigerung des Unterrichts führten. 1995 befragte das Institut für Religionspädagogik der Universität Salzburg 2700 österreichische Kinder und Jugendliche, die teils die Hauptschule, teils das Gymnasium besuchten, zu ihrem Religionsunterricht. Dabei zeigte sich eine überraschend hohe Beliebtheit: In einer Rangfolge der zehn beliebtesten Schulfächer nahm er Rang vier ein, zwar deutlich hinter Sport, aber nahezu gleichauf wie Kunst und Wer-ken.10 Als Faktoren, die die Beliebtheit des Faches begünstigen, stellten sich heraus: Ein handlungsorientierter Unterricht, der mannigfaltige Aktivitäten der SchülerInnen ermöglicht, die religiöse Sozialisation im Elternhaus, ein gutes Schulklima. Negativ hingegen wirkt sich vor allem gestörte Disziplin aus, aber auch, wenn das Fach als Gaudistunde erlebt wird, in der man auch die Jause verzehren kann. Insgesamt wird Religionsunterricht von österreichischen SchülerInnen gut akzeptiert: gerade einmal um die 6 % haben sich abgemeldet,11 in den Volksschulen im Promillebereich, am häufigsten hingegen bei den Bundesoberstufenrealgymnasien. Diese insgesamt günstigen Ergebnisse weckten die Frage, ob es sich hierbei um ein österreichisches Privileg handelt, gehören doch in der Alpenrepublik um drei Viertel der Bevölkerung der katholischen Kirche an. Aber dass es sich diesbezüglich in der Bundesrepublik ähnlich verhält, war allein schon von daher zu vermuten, dass sich auch dort 'nur' um die fünf Prozent der katholischen SchülerInnen vom Religionsunterricht abmelden.12 Im Jahr 1999 befragte ich, beauftragt von der Zentralstelle Bildung der Deutschen Bischofskonferenz, in vier typischen Regionen der Bundesrepublik (Bayern, Rhein-Main, Hildesheim-Hannover, Sachsen) schriftlich mehr als 7000 SchülerInnen zu ihrem Religionsunterricht: Wie beliebt ist er? Welche Lerneffekte werden ihm zugeschrieben? Welche Themen kommen zur Sprache? Welche Methoden werden eingesetzt? Insgesamt zeigte sich eine beachtliche Akzeptanz, aber auch, dass das Alter für die Beurteilung dieses Faches eine entscheidende Rolle spielt. 9 N. Havers, Der Religionsunterricht - Analyse eines unbeliebten Faches, München 1972. 10 A. Bucher (Anm. 1), 40. Zu den Abmeldemotiven: G. Ritzer, Reli oder Kaffeehaus. Eine empirische Spurensuche nach Einflussfaktoren zur Beteiligung am und Abmeldung vom Religionsunterricht bei über 1500 SchülerInnen, Thaur 2003. 12 W. Verburg, Zur Situation des katholischen Religionsunterrichts in der Bundesrepublik Deutschland, in: J. D. Gauger (Hg.), Sinnvermittlung, Orientierung, Werte-Erziehung, St. Augustin 1998, 79. RU der Grundschule: sehr beliebt und sehr wichtig Beliebtheit von Schulfächern in Grundschule, Mittelwerte, N=1454, Deutsch ] 3,69 Mathematik ] 3,88 Heimat- und Sachkunde ] 4,02 Musik ] 4,05 Religion Kunst 4,12 ] 4,36 Sport ] 4,64 1 5 unbeliebt sehr beliebt Mehr als drei Viertel der Dritt- und Viertklassschülerinnen assoziieren Religionsunterricht mit einem glücklichen Gesicht; nur Kunst und Sport sind noch beliebter. Auch meint gut die Hälfte, das Fach sei »sehr wichtig für ihr Leben«. Entsprechend hoch sind die ihm bescheinigten Lerneffekte. Neun von zehn Schülerinnen sagen, sie hätten viel über Jesus gelernt, 85% über Gott. Wovon hängt die hohe Akzeptanz ab? Interessanterweise spielt die Region keine Rolle. Kinder am Chiemsee (Bayern) besuchen Religionsunterricht ebenso gern wie in der norddeutschen Tiefebene. Dies weniger dann, wenn sie diskutieren sollten, sondern vielmehr, wenn sie (Mandalas) malen können, zeichnen, singen, Feste vorbereiten; wenn ihnen biblische Geschichten erzählt werden oder sie beten können, was mehr als die Hälfte in jeder Religionsstunde erlebt. Vier von fünf Kindern sagen, ihre Lehrerinnen seien stets freundlich, obschon diese, weil auch Grundschülerinnen Disziplin stören und schwatzen (sehr oft 44%), häufig »Ruhe« schreien müssen (43%). Genuin theologische Themen werden häufiger registriert als anthropologische oder lebenskundliche. Ob in Oberbayern oder zu Füssen des Taunus: Am häufigsten kommt die Rede auf Gott (sehr oft 84%), sodann Jesus (83%); auffallend selten sind »Dritte Welt« (11%), »Probleme in der Familie« (11%) sowie »in der Schule« (14%). Religionsunterricht in der Grundschule ist somit weniger problemorientiert als vielmehr biblisch-theologisch akzentuiert. Religionslehrerinnen vorzuwerfen, sie würden die eigentliche Sache vernachlässigen, ist ungerechtfertigt; vielmehr gelingt es ihnen, auch bei 40% jener Schülerinnen, die religiös nicht oder kaum sozialisiert sind (85% kennen kein regel- mäßiges Tischgebet), Religion als etwas für ihr Leben »sehr Wichtiges« zu vermitteln. Dies insbesondere mit Methoden, die ihre Selbsttätigkeit ermöglichen, ohne die es auch religiöse Bildung nicht gibt. Die enorme Beliebtheit des Faches korreliert mit einer hohen Akzeptanz christlicher Glaubensinhalte. 90% halten für richtig, Gott könne Wunder wirken; noch mehr, Jesus sei von den Toten auferstanden. Diese religiöse Unbefangenheit13 - in einer als nachchristlich etikettierten Epoche eher überraschend - ist auch entwicklungspsychologisch bedingt und erinnert an das von Fowler beschriebene Stadium des mythisch-wortwörtlichen Glaubens.14 Bei diesem bleiben Kinder jedoch nicht stehen. Dies umso mehr, als sie bereits im Grundschulalter zu mehr als 70% der Meinung sind, jeder solle das glauben, was er für richtig hält. RU in der Sekundarstufe I In dieser Schulstufe (10 bis 15 Jahre) machen Heranwachsende folgenschwere Entwicklungsaufgaben durch. Diese wirken sich auf ihre Einstellung gegenüber Kirche und Religion ebenso aus wie auf den Religionsunterricht. Zwar behält er den Nimbus, ein lockeres, friedliches, gerechtes und wenig schwieriges Fach zu sein. Aber seine Beliebtheit geht, an den Haupt-, Real- und Gesamtschulen ebenso wie an den Gymnasien, mit dem Alter deutlich zurück. Während er für die 10jährigen das viertliebste Fach ist (hinter Sport, Kunst, Mathematik), rangiert er bei den 15 jährigen an drittletzter Stelle, geringfügig vor Latein und Physik. Dennoch besuchen ihn nur wenige Schülerinnen ausdrücklich nicht gern: 13 Diese wird den Kindern auch von den Lehrerinnen attestiert: R. Englert, - R. Güth (Hg.), »Kinder zum Nachdenken bringen«, Stuttgart 1999, 74. J. W. Fowler, Stufen des Glaubens. Die Psychologie der menschlichen Entwicklung und die Suche nach Sinn, Gütersloh 1991. Die dem Fach zugeschriebene Effizienz vermindert sich deutlich, vor allem in Richtung »teils/teils«. »Ich kann in meinem Leben brauchen, was ich im RU lerne«, ist für 5% »sehr richtig«, 19% »richtig«, 55% »teils/teils«. Die stärksten Effekte werden dem Unterricht hinsichtlich der Kenntnisse über andere Religionen bescheinigt: »Als die Zeugen Jehowas zu uns kamen, konnte ich auch Gegenfragen stellen. Ich war besser informiert« (weiblich, 13). Gut die Hälfte habe gelernt »selbständig über meinen Glauben nachzudenken«, der Würzburger Synode (s.u.) zufolge ein legitimes und wichtiges Ziel. 40 % bejahen, der Religionsunterricht habe ihre Allgemeinbildung erweitert, ebenso viele zumindest »teils / teils«, und nur 7 % überhaupt nicht. Auch die Gottesbeziehung wird - für immerhin 31% - durch den Religionsunterricht gefördert: »Als mein Opa starb, hatte ich das Gefühl, dass Gott bei mir ist. Dieses Wissen kommt aus dem RU« (w, 16). Jede/ r fünfte attestiert dem Fach, die Kirche nähergebracht zu haben. Die Abmeldungsbereitschaft ist niedrig; jede/r sechste dachte schon ernsthaft darüber nach, sich abzumelden. Das Binnengeschehen des RU entscheidet am stärksten über Akzeptanz und Effizienz. Disziplinstörungen, in Ausmaß und Schwere nicht zu bagatellisieren (32% sagen, der/die LehrerIn schreie stündlich »Ruhe«), sind Gift: »Meinen RU, jetzt in der siebten Klasse, finde ich total Scheiße. Weil uns die Lehrerin gar nicht im Griff hat und daher alle tun und lassen, was sie wollen, vor allem schwätzen. Die Lehrerin kommt gar nicht zu Wort und wir, oder ich, dabei nichts lerne(n).« Fatal ist auch, wenn Religionsunterricht als bloße Erholungsstunde erlebt wird, was für jede/n vierte/n stets der Fall sei; dies vermindert Akzeptanz und Effizienz drastisch und endet in aller Regel im disziplinarischen Chaos. Positive Prognosen auf die Beliebtheit des Faches ermöglicht der Faktor »Aktivität mit als lebensnah eingeschätzten Themen«: »»Es hat Spaß gemacht, über die Liebe und das Sexualleben des Menschen zu sprechen« (männlich, 14). Als lebensrelevant können aber auch dezi-diert theologische Themen gewürdigt werden: »»Mir gefällt sehr gut, dass du im RU soviel von Gott erfährst« (w, 11), sowie religiöse Vollzüge wie Meditationen: »»Manchmal meditieren wir. Unsere Lehrerin liest uns zu einer Musik eine Geschichte vor. Das finde ich super« (w, 12). Entscheidend ist jeweils, ob es gelingt, die Schülerinnen in Aktivität zu bringen, sei sie 'äußerlich' - Collagen gestalten, Projekte, miteinander diskutieren (die im RU ohnehin häufigste Tätigkeit) -, sei sie innerlich: sich von einer Geschichte betreffen lassen, an einem kognitiven Konflikt arbeiten etc. Aktivität im Religionsunterricht kor-reliert mit Wohlbefinden, wie es gut 40% stündlich erleben, 14% »nie«. Engagierte Lehrerinnen: Wie jeder Unterricht, steht und fällt auch Religionsunterricht mit den LehrerInnen. Diese werden keineswegs als indoktrinär erlebt (nur 5 % sagen, die LehrerInnen würden stets ihre Meinungen aufzwingen); mehrheitlich wird ihnen attestiert, guter Laune zu sein, den Unterricht abwechslungsreich zu gestalten und zu bekennen, was sie persönlich denken und glauben. Eher selten erzählen sie spannende Geschichten oder aus ihrem Leben, obschon SchülerInnen dies sehr zu schätzen wissen: »Der Lehrer erzählt aus seinem Leben seine Erfahrungen, und wir denken dann darüber nach, ob wir das auch so gemacht hätten« (m, 14). Die häufigsten Themen sind in der Sicht der SchülerInnen Gott (oft: 78 %), Jesus (71 %), Bibel (54 %), andere Religionen (49 %); am seltensten zur Sprache kommen Umwelt (15 %), Dritte Welt (19 %), Probleme in der Klasse (22 %). Mit steigendem Alter geht die Häufigkeit dezidiert theologischer Themen zurück, die der leben-skundlichen hingegen steigt. Keineswegs halten die SchülerInnen nur 'anthropologische' Themen wie »Liebe, Partnerschaft« für wichtig (72 %); auch Gott ist dies für 68 %. Weniger wichtig sind »Geschichte der Kirche« (32 %), »Biblische Geschichten« (39 %), »Zehn Gebote« (40 %), »Sekten / Okkultismus« (45 %). Der altersmäßige Rückgang an Akzeptanz und Effizienz des Religionsunterrichts geht mit einem vergleichbaren Schwinden subjektiver Religiosität einher. Während sich die 10- bis 11jährigen zu 57 % ausdrücklich als religiös verstehen und ebenso viele überzeugt sind, Gott könne - in welcher Weise auch immer - in die Welt eingreifen, beträgt die Quote der 'Religiösen' bei den 18jährigen noch 38 %. Nurmehr 30 % verfügen über das Bild eines aktiven Gottes; deutlich mehr sind deistisch eingestellt. Noch drastischer sinkt die Akzeptanz der Kirche: Während ihr die jüngsten zu knapp 60 % attestieren, den 'richtigen' Glauben zu verbürgen, tun dies die ältesten (18 Jahre und mehr) noch zu 5%. Akzeptanz und Effizienz des Faches hängen stark vom religiösen Hintergrund ab. SchülerInnen, zuhause überdurchschnittlich stark religiös sozialisiert (10 % der Gesamtstichprobe), attestieren dem RU zu 75 %, er sei in ihrem Leben zumindest »teils« eine Hilfe gewesen, solche mit keiner religiösen Erziehung (44 % der Stichprobe) zur Hälfte. Einerseits verstärkt Religionsunterricht ohnehin schon geformte religiöse Einstellungen, andererseits vermag er in einem beachtlichen Maß auch zu kompensieren. Für viele SchülerInnen ist er der einzige Ort, an dem sie ausdrücklich Religion und 'Gott' begegnen. In der Tat bejahten die religiös wenig Sozialisierten häufiger, ohne Religionsunterricht würde ihnen das Wissen von Gott fehlen. Ein zwölfjähriger Hauptschüler begründete die Notwendigkeit des Faches so: »Weil man dann nichts über die Religion wissen könnte. Wir würden nichts über Gott lernen, wir würden Jesus gar nicht kennen.« 3. Zielsetzungen und Befindlichkeit der Religionslehrerinnen ReligionslehrerInnen werden, in der Bundesrepublik wie in Österreich, von der Kirche beauftragt. Sehen sie ihr primäres Ziel darin, im Religionsunterricht die SchülerInnen kirchlich zu sozialisieren und Verkündigung zu leisten, wie dies in der sogenannten materialkeryg-matischen Phase der Religionspädagogik bis in die sechziger Jahre der Fall war?15 Dies ist nurmehr bedingt der Fall. Katechetischer Religionsunterricht geriet zumal im Umfeld von 68 in eine schwere Akzeptanz-und Legitimationskrise. Die SchülerInnen waren es leid, Katechismussätze zu memorieren; KirchenkritikerInnen beanstandeten als anachronistisches Privileg, dass an staatlichen und zu weltanschaulicher Neutralität verpflichteten Schulen eine Religionsgemeinschaft ihre Doktrin vermittelte. Als wegweisend erwies sich die Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik, die auch einen historischen Beschluss zum Religionsunterricht fasste.16 In diesem bekannten sich die Synodalen nicht nur zum Konvergenz- bzw. Korrelationsprinzip - Lebenserfahrungen auf Glauben zu beziehen, und umgekehrt -, sondern auch zu realistischen Zielvorgaben für den Religionsunterricht. Dieser »soll zu verantwortlichem Denken und Verhalten im Hinblick auf Religion und Glauben befähigen«;17 er kann auch dann als erfolgreich gewertet werden, wenn Schülerinnen, die sich als ungläubig betrachten, »den eigenen Standpunkt klarer zu erkennen« vermögen.18 Welche Ziele Religionslehrerinnen vor allem verfolgen, wurde in den letzten Jahren sowohl in der Bundesrepublik als auch in Österreich wiederholt erfragt. Eine besonders umfassende Studie - allerdings bei evangelischen Religionslehrerinnen in Niedersachsen - legte Feige vor.19 Die Befragten intendieren mit ihrer Arbeit insbesondere, »den Schülerinnen durch Orientierungsangebote zu persönlicher Iden- 15 Zu den konzeptionellen Entwicklungslinien der Religionsdidaktik: G. Hilger u.a., Konzeptionelle Entwicklungslinien, in: G. Hilger u.a., Religionsdidaktik. Ein Leitfaden für Studium und Beruf, München 2001, 42-66. Beschluss: Religionsunterricht. In: Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland. Offizielle Gesamtausgabe, Freiburg i.Br. 1976, 123-152. 17 Ebd. 139. 18 Ebd. 19 A. Feige u.a., Religion bei ReligionslehrerInnen. Religionspädagogische Zielvorstellungen und religiöses Selbstverständnis in empirisch-soziologischen Zugängen, Münster 2001 tität zu verhelfen«, Wertvorstellungen zu vermitteln, »ihre Gefühle sensibel wahrzunehmen«, weniger jedoch »Lehrtraditionen zu diskutieren, konfessionelle Positionen zu stützen, Bezüge zu gelebter Religion herzustellen«.20 Offensichtlich orientieren sich die Lehrpersonen primär an personalen Qualifikationen der Schülerinnen (vor allem Ichidentität), weniger jedoch an kirchlicher Sozialisierung und Tradierung theologischen Fachwissens. Verhält es sich bei katholischen Religionslehrerinnen anders? In keinster Weise! Katholische und evangelische Religionspädagogik im deutschsprachigen Raum kooperieren schon längst und blicken mittlerweile auf eine Jahrzehnte dauernde Geschichte mit sehr vielen Parallelen zurück: Gemeinsamkeit überwiegt, und nicht Differenz,21 auch bei den bedrängenden Problemen (speziell Plausibilitätsverlust der Kirchen). 1995 befragte ich in der Erzdiözese Salzburg 400 Religionslehrerinnen aller Schularten nach ihrer Befindlichkeit, ihren beruflichen Problemen und Belastungen, aber auch nach ihren Zielen. Sie favorisierten vor allem personale Kompetenzen der Schülerinnen: am stärksten, »dass sie ein Gespür für den Mitmenschen entwickeln« (von 95 % »sehr« angestrebt), gefolgt von »dass sie in ihrem Leben einen tragfähigen Sinn« finden (94 %), am wenigsten jedoch, »dass sie später der Kirche treu bleiben, konkret: den Kirchenbeitrag entrichten« (5 %), und ebenfalls wenig, dass sie die Kirche besuchen (16 %) bzw. in der Pfarre Heimat finden (32 %).22 Im Winter 2002/2003 wurde eine ähnliche Befragung bei 757 Unterrichtenden in den Diözesen Salzburg und Linz wiederholt. Folgende Grafik zeigt die fünf Zielformulierungen, die am meisten Zuspruch erhielten bzw. die fünf mit der niedrigsten Akzeptanz: 20 20 Ebd. 226. 21 ~ A. Bucher, Gemeinsamkeit, nicht Differenz. RKatholische' Anmerkungen und Ergänzungen zur evangelischen Religionslehrerinnenstudie von Feige u.a.. Erscheint in: B. Dressler - A. Feige (Hg.). 22 A. Bucher (Anm. 1), 129-132. Bevor solche Ergebnisse bewertet werden, ist zu differenzieren, speziell nach Schularten. LehrerInnen an Volksschulen zielen zu immerhin 43 % »intensiv / stark« an, dass die SchülerInnen sich am Leben der Pfarre beteiligen, solche an Gymnasien, deren SchülerInnen sich aus verschiedenen Pfarreien rekrutieren, verständlicherweise seltener (5 %). Dass ReligionslehrerInnen mehrheitlich »auf der Basis christlich-biblischer Wertvorstellungen eine Entwicklung der SchülerInnen hin zu personal-autonomer Entfaltung« erreichen wollen,23 weniger jedoch Katechese im traditionellen Sinn, kann man unterschiedlich werten. Repräsentanten der Kirche können zur Kritik verleitet werden, die ReligionslehrerInnen würden ihre eigentliche Aufgabe - die Weitergabe des kirchlichen Glaubens, bestenfalls systematisch und vollständig (Catechesi Tradendae) - nicht mehr erfüllen. Allerdings hatte kein Geringerer als Kardinal Schönborn eingeräumt, es sei wichtig, von den ReligionslehrerInnen »nicht Unmögliches zu erwarten: In sehr vielen Schulen wird der Religionsunterricht keine 'Katechese' als 'Einführung in die Fülle christlichen Lebens' sein können.«24 Jedenfalls wird man ReligionslehrerInnen in Deutschland und in Österreich nicht nachsagen können, sie würden bloß stimmungsabhängige Lebenskunde oder unverbindliche Religionskunde betreiben; vielmehr liegt ihnen daran, dass sich der biblisch-christliche Glaube als fö-derlich für die Persönlichkeitsentwicklung, Lebensbewältigung und Bildung der ihnen anvertrauten Kinder auswirkt. ReligionslehrerInnen in der Bundesrepublik wie in Österreich werden oft bedauert. Ihre Aufgabe sei mit den zusehends mehr nicht 23 23 Feige (Anm. 19), 448. mehr kirchlich sozialisierten Kindern schwieriger geworden; auch die zahlreichen Affären innerhalb der Kirche, ihr angeschlagenes Image etc. würden sie zusätzlich belasten. Dennoch ist die Berufszufriedenheit der ReligionslehrerInnen erstaunlich hoch, in der Bundesrepub-lik25 ebenso wie in Österreich: Nicht alles, was ReligionslehrerInnen als Belastung angeben, reduziert ihre Berufszufriedenheit auch wirklich. So empfinden immerhin 60 % der österreichischen ReligionslehrerInnen das Image der Kirche als zumindest »etwas« belastend; aber statistische Analysen (Korrelationen) zeigen, dass die Berufszufriedenheit nicht umso geringer wird, je belastender die Amtskirche eingeschätzt wird. Wirkliche Zufriedenheitssenker sind vielmehr Disziplinstörungen sowie fehlende Anerkennung für die tagtäglich geleistete religionspädagogische Arbeit. Daraus ergibt sich die pastorale Konsequenz, dass die amtliche Kirche ReligionslehrerInnen nicht verdächtigt, im Glauben zu lax und in ihrer Arbeit zu wenig engagiert zu sein, sondern ihnen vielmehr - wie Bischof Weber aus Graz einmal formulierte - »glasklares Vertrauen« entgegenbringt.26 4. Problemfelder des Religionsunterrichts, Zukunftsszenarien Obschon die rechtliche Absicherung von Religionsunterricht sowohl in Österreich als in der Bundesrepublik nicht besser sein könnte, ist Religionsunterricht mit einer Reihe von Problemen konfrontiert: 1.) Religionsunterricht, wie ihn sich manche Verantwortliche der Kirche wünschen - als Einübung in den christlichen Glauben und Be- 25 R. Englert - R. Güth, »Kinder zum Nachdenken bringen«. Eine empirische Untersuchung zu Situation und Profil des katholischen Religionsunterrichts an Grundschulen, Stuttgart 1999, 49. Zit. aus A. Bucher (Anm. 1) 17. heimatung in der Kirche - wird angesichts der fortschreitenden Dein-stitutionalisierung von Religiosität, speziell aufgrund der Erosion der kirchlichen Milieus (noch) schwieriger werden.27 2.) Für den Religionsunterricht stellt sich die Frage, ob er der Ort werden soll, an dem Kinder religiöse Glaubenserfahrungen machen können, die aber didaktisch und methodisch nicht 'gemacht' werden können. 3.) Hinzu kommt, dass keineswegs mehr alle Studierende, die ein Lehramt in Religion anstreben, traditionell kirchlich sozialisiert wurden: religiöses Elternhaus, Freizeit in kirchlicher Kinder- und Jugendarbeit; vielmehr hat eine Befragung von mehr als 700 angehenden ReligionslehrerInnen gezeigt, dass in Nord- und in Ostdeutschland 50 % der Studierenden religiös nur noch ganz spärlich sozialisiert wurden (operationalisiert über Gebet, Kirchgang etc.), wenn überhaupt.28 4.) Obschon ReligionslehrerInnen eine überdurchschnittlich hohe Berufszufriedenheit signalisieren, bestehen in der Unterrichtsversorgung Engpässe, so an Wiener Pflichtschulen, insbesondere aber an berufsbildenden Schulen in der Bundesrepublik, an denen mitunter bis zur Hälfte der Klassen nicht in Religion unterrichtet werden. Offensichtlich ist das Image von Religionsunterricht nur für wenige junge Menschen so attraktiv, dass sie darin eine Berufsmotivation erblicken. 5.) Die Diskussion um LER in Brandenburg hat den konfessionellen Religionsunterricht in der Bundesrepublik verstärkt unter Legitimationsdruck gesetzt. Als am tragfähigsten erweist sich die momentan ohnehin aktuelle bildungstheoretische Begründung des Religionsunterrichts,29 gemäß der Religiosität ein unverzichtbarer Teil von (Al-lgemein-)Bildung ist. 6.) Dass zur Bildung auch die religiöse Dimension gehört, ist weitgehend konsensfähig, selbst in den neuen Bundesländern nach vierzig Jahren staatlich verordnetem Atheismus; aber das Beispiel Brandenburg (LER) hat gezeigt, dass auch der Staat beanspruchen kann, die ethisch-religiöse Bildung zu konzipieren und durchzuführen. 7.) Vor allem in der Bundesrepublik stellt sich das Problem des ökumenischen Religionsunterrichts, speziell in der Diaspora, aber auch dort, wo evangelische und katholische ChristInnen paritätisch sind. 27 M. Ebertz, Erosion der Gnadenanstalt. Zum Wandel der Sozialgestalt von Kirche, Frankfurt 1998. A. Bucher - S. Arzt, Vom Katecheten zur Religionspädagogin. Eine empirische Untersuchung über die Studienmotive, die religiöse Sozialisation und die Studienerwartungen von jungen TheologInnen, in: Religionspädagogische Beiträge 42/1999, 19-48. Literaturbericht von P. Biehl, Die Wiederentdeckung der Bildung in der gegenwärtigen Religionspädagogik - ein Literaturbericht, in: P. Biehl - K. E. Nipkow (Hg.), Bildung und Bildungspolitik in theologischer Perspektive, Münster 2003, 111-152. Schulversuche haben gezeigt, dass konfessionell-kooperativer Religionsunterricht - d.h. evangelische und katholische ReligionslehrerInnen unterrichten abwechslungsweise oder gemeinsam - die konfessionelle Identität gerade nicht verwässert, sondern eher konturiert.30 8.) Einen wachsenden Stellenwert hat das interreligiöse Lernen, insbesondere aufgrund der wachsenden Mobilität und der beachtlichen Anteile von SchülerInnen aus anderen Religionen. Selbst konfessionell gebundene Religionspädagogen haben schon vorgeschlagen, zumindest im Gymnasium einen Religionsunterricht für alle zu kon-zipieren.31 9.) Wie es mit dem Religionsunterricht mittel- und langfristig weitergeht, ist schwer zu prognostizieren. Sollte der zumindest in Österreich festgestellte, kontinuierliche Schwund an KatholikInnen in gleicher Stärke weitergehen, wird deren Quote um das Jahr 2030 unter 50 % liegen. Ob sich dann das Konkordat und das Bundesgesetz zum Religionsunterricht in der bisherigen Weise halten lassen, wird sich zeigen. 5. Zusammenfassung Religionsunterricht ist sowohl an deutschen als auch österreichischen Schulen rechtlich optimal abgesichert, in der Bundesrepublik sogar im Grundgesetz. Er ist Pflichtgegenstand, wird inhaltlich von den Kirchen verantwortet und vom Staat finanziert. Es gibt momentan keine nennenswerte politische Gruppierung, die seine rechtliche Situation antastet. Religionsunterricht genießt bei den SchülerInnen eine hohe Akzeptanz. Für GrundschülerInnen zählt er zum Lieblingsfach; mit steigendem Alter geht seine Beliebtheit aber deutlich zurück. In beiden Ländern melden sich nur relativ wenige SchülerInnen ab, im Schnitt um die fünf Prozent, die in der Bundesrepublik Ethikunterricht besuchen müssen, in Österreich hingegen Freistunden haben (ausgenommen an den mittlerweile gut 100 Ethikschulversuchstandorten). Die SchülerInnen attestieren dem Religionsunterricht vor allem, dass er zu ihrer Allgemeinbildung beiträgt, Kenntnisse über andere Religionen vermittelt, zu einem eigenständigen Urteil in Fragen des Glaubens führt - aber weniger hin zur Beheimatung in der Kirche. Für zuse- 30 F. Schweitzer - A. Biesinger, Gemeinsamkeiten stärken - Unterschieden gerecht werden. Erfahrungen und Perspektiven zum konfessionell-kooperativen Religionsnterricht, Freiburg i.Br. - Gütersloh 2002. G. Bitter, Religionsunterricht als Aufklärung und Diakonie: Überlegungen zum Religionsunterricht an Gymnasien morgen, in: R. Göllner - B. Trocholepczy (Hg.): Religion in der Schule?, Freiburg i.Br. 1995, 187-204. hends mehr Schülerinnen ist Religionsunterricht der Ort der Erstbegegnung mit biblisch-christlicher Tradition; es geling ihm, bei gut einem Drittel der religiös nicht mehr erzogenen Kinder seine Inhalte als auch für sie lebensrelevant zu vermitteln. Religionslehrerinnen in beiden Ländern sind mit ihrem Beruf mehrheitlich zufrieden. Sie intendieren durch den Unterricht weniger traditionelle Katechese, als vielmehr, Schülerinnen in ihrer Entwicklung zu begleiten und die biblisch-christliche Tradition als mögliche Lebenshilfe und Vertiefung zu vermitteln. Mittel- und langfristige Prognosen zur Zukunft des Religionsunterrichts sind schwierig und fehlerbehaftet. Sofern sich der Plausibilitäts-verlust der Kirche(n) fortsetzt, wird die Position von konfessionellem Religionsunterricht schwieriger und leichter kritisierbar. Jedenfalls besteht ein hoher pädagogischer und bildungspolitischer Konsens darüber, dass zu einer guten Schule gehört, Religion ausdrücklich zur Sprache zu bringen. Povzetek: Anton A. Bucher, Die Situation des Religionsunterrichts in der Bundesrepublik Deutschland und in Österreich Verski pouk je v nemških in avstrijskih šolah optimalno pravno zavarovan, v Nemčiji celo ustavno zaščiten. Je obvezni predmet, za katerega je vsebinsko odgovorna Cerkev, država ga financira. Trenutno ni nobene pomembnejše politične skupine, ki bi njegov pravni položaj postavljala pod vprašaj. Pri učencih/kah uživa visoko stopnjo sprejetosti. V osnovnih šolah spada med priljubljene predmete. Z večjo starostjo učencev/učenk se tudi njegova priljubljenost pomembno zmanjšuje. V obeh državah se odjavi od predmeta malo učencev, povprečno 5%. Ti morajo v Nemčiji obiskovati pouk etike, v Avstriji imajo zaenkrat prosto uro, razen na okrog 100 šolah, ki so pričele uvajati pouk etike. Učenci in učenke so mnenja, da verski pouk prispeva k njihovi splošni razgledanosti, posreduje spoznanja drugih religij in pomaga k samostojnemu oblikovanju stališč v vprašanjih vere. Manj prispeva k vključevanju v Cerkvi. Za pomembno število učencev/enk je verski pouk priložnost za prvo srečanje z biblično krščansko tradicijo. Pri dobri tretjini učencev/enk, ki niso bili versko vzgojeni, postanejo verske vsebine pomemben dejavnik njihovega življenja. Veroučitelji v obeh državah so s svojim poklicem v večini zadovoljni. Pri učenju ne sledijo katehetskim ciljem, ampak učence in učenke veliko bolj spremljajo v njihovem osebnem razvoju in jim biblično krščansko tradicijo posredujejo kot možno življenjsko pomoč in poglobitev. Srednjeročne in daljnoročne prognoze o usodi verskega pouka so tvegane in težke. Če bo Cerkev izgubljala na svoji verodostojnosti, bo tudi lažje kritizirati in težje zagovarjati verski pouk. Vsekakor pa obstaja visoko pedagoško in vzgojnopolitično soglasje, da obravnavanje verskih vprašanj spada k dobri šoli. Ključne besede: verski pouk, pouk etike, obvezni predmet, biblično-krščanska tradicija, priljubljenost, življenjska pomoč. Summary: Anton A. Bucher, The Situation of Religious Instruction in Germany and Austria Religious instruction in German and Austrian schools is legally protected in an optimum manner, in Germany it is even protected by the constitution. It is a compulsory subject, the Church is responsible for its contents and the state finances it. At the moment there is no important political group to question its legal position. With the pupils it enjoys a high degree of acceptance. In elementary schools it is among the popular subjects. As the pupils get older, its popularity decreases, yet a very small number of pupils, about 5 %, apply for a removal from the subject, In Germany they must attend ethic instruction, in Austria they have a free lesson with the exception of about 100 schools that have started to introduce ethic instruction. The pupils are of the opinion that religious instruction broadens their horizons, conveys the knowledge of other religions and helps them to form independent standpoints about religion. However, it contributes less to the integration into the Church. For an important number of pupils, religious instruction is the first opportunity to get in touch with the biblical-Christian tradition. For about one third of the pupils without religious upbringing religion becomes an important factor in their life. In both countries teachers of religious instruction are mostly satisfied with their profession. At teaching they do not have catechetic goals, but mostly accompany their pupils in their personal development and convey to them the biblical-Christian tradition as a possible help with the problems of life and as a manner of deepening their understanding of life. Middle-range and long-term prognoses about the fate of religious instruction are risky and difficult. If the Church should be losing its credibility in the future, it will also be easier to criticize and more difficult to defend religious instruction. Nevertheless, there exists a high consent in pedagogy and educational policy that the treatment of religious issues is part of a good school. Key words: religious instruction, ethic instruction, compulsory subject, biblical-Christian tradition, popularity, help with the problems of life.