J0/0J, T, £<*' EIMEO. ^^fflFELLSCRAFTS-INSELN. Dic Inseln des großen Oceans im Natur und Völtcrlcbcn d a r q e st e l l t von I)i. Georg Hartwig, Vtisajscl vo» „Die Tl^'pcnw^ll", „Dc> h>,'hc Nolvcn", „D.io ^cben des iUtceres" Mit vier Abbildungen in Ititzdtuck und dlti Hnrten, Wiesbaden. C. W. Krcidcl's Verlag. 1861. Berlin. Wien. ü. Gcrold's Sohn, Vorwort. Ne Inseln des großen Oceans sind zwar im einzelnen und theilweise sehr häufig beschrieben worden, denn jede»' Weltumsegler läuft in Honolulu, Pape'i'ti oder Umata ein — doch während die Nachrichten über einzelne Pnnkle sich bis zum Ermüdenden anhäufen — bleibt der bei weitem größere Theil der so herrlichen Südseewelt dem gewöhnlichen Leser verschlossen, weil fast alle unsere Kenntnisse darüber in weniger zugänglichen, größten-theils englischen und französischen Reisewerken enthalten sind. <5s bezweckt die vorliegende Arbeit, diese Lücke auszufüllen, und das ganze tropische Gebiet des großen Oceans von der Osterinsel bis zu den Marianen und von Fidschi bis Hawaii zu einein geographischen Bilde zusammenzufassen, wie ich es bereits mit den Regionen des hohen Nordens versucht habe. Die Länder, die ich hier beschreibe, sind zwar von verschwindender Kleinheit gegen das ungeheure Weltmeer, aus welchem sie hervottauchen, doch fesseln sie unser Interesse auf die verschiedenartigste Weife. Denken wir uns ein irdisches Paradies, so wandert unsere Phantasie am liebsten nach dem Gestade einer tropischen, vom kühlenden Mecreshauche angefächelten Palmeninsel, und baut sich IV dort cm Ideal von Glück, wie es leider auf Orden sich nimmer Verwirklichen kann. Doch so Vicl ist gewiß, daß nirgends in der Welt die Natnr znm heiteren Lebensgenüsse so freundlich einladet, wie in den reizenden Bergthälern der Sandwich Gruppe oder an den lachenden Ufern von Opolou! Reichlich begabte Völker bewohnen diese Perlen des Oceans, merkwürdig dnrch die räthsclhaftc Frage ihres Ursprungs nnd die seltsame Mischung von Verfeinerung nnd Barbarei, von Gutmüthigkl'it und Arglist, welche ihr Charakter darbietet und wodurch die fremden Seefahrer oft zu den widersprechendsten Urtheilen geführt worden sind. Doch wie verschieden sind die gegenwärtigen Polynesier von ihrew Vätern, wie (5ook und Forster, Wallis nnd Bougainville sie kennen lernten! Die Berührung mit den weißen Männern hat dort Umwälzungen hervorgebracht wie sie selten in so kurzer Zeit irgendwo anders statt gefunden haben. Einfache Missionare, ohne Unterstützung von Außen habcn die alte polynesische Welt zertrümmert, — die Götzen sind gestürzt, die heidnischen Tempel geschlossen und fast überall freisinnige Verfassungen an dle Stelle der Feudalherrschaft der Häuptlinge getreten. Wie dieser Uebcrgang vom Alten zum Neuen geschehen, welche Schwierigkeiten überwunden werden mußten, welche Kämpfe es kostete," wird man in vielen Kapiteln dieses Buches ausführlich beschrieben finden. Auch die Handelsbeziehungen zwischen Gnropa und jener fernen Welt haben sich zu einer früher ungeahnten Wichtigkeit entfaltet und den großen Ocean in unsern Kreis gezogen. Häfen, die noch vor wenigen Jahren unbekannt waren, werden jeztt jährlich von unsern Schiffen besucht, und die Zeit liegt nicht mehr fern wo regelmäßige Dampfschifffahrten die entgegengesehen V Ufer des stillen Meeres verbinden werden. Endlich sehen wir auch noch die Rivalität der großen Seemächte auf dem entlegenen Gebiete Polynesiens entbrennen, nnd jede eifersüchtig die Schritte der andern bewachend, sich der Punkte bemeisteru, die ihr im nächsten Seekriege vom größten Nutzen zu sein scheinen! So ist denn offenbar Polynesien ein Welttheil, der keinem Gebildeten mehr fremd bleiben darf, nnd da ich mich überall, wie ein flüchtiger Blick auf das Inhaltsverzeichnis; schon zeigen wird, bestrebt habe dic beschriebenen Länder auf die vielseitigste Weise zu beleuchten, und stets bemüht war das Belehrende mit dem Unterhaltende« zu verbinden, so darf ich hoffen, daß auch dießmal ein zahlreicher Leserkreis mir einigen Beifall nicht versagen wird. Heidelberg, im Juni 18<>1. l1»'l,'M>Mmgm m> ^u^lischc ,,»:> ^rnü^ösischl' l'oWt slä> !^rv ^nslisslr stldst lwr. I n h a l t s v e r z c i ch n i ß. 3«ite Erstes Capitel. Der große Ocean........... l ^ Seine verschiedenen Benennungen. — Seine Grenzen. — Vnlkaniscke und niedere Inseln. — Thätige Vulkane im Schoos und an den Grenzen des großen Oceans. — Erdbeben. — Trnnslationswcllen. — Strö< mungen in» großen Ocean. — Fluthen. -- Werthvolle (Erzeugnisse des großen Oceans. — Die Waljägcr. — Fische und Mecrthiere, die dem Tchiffer am häufigsten begegnen. — Velrllcn lind lznteumuschclnhcere. — Tropikvögel. — Gnanovögcl. - Perlen. ^ Tchildpa!. - See- i Gurken. Zweites Kapitel. Der Pottfischfanc, im qroßen Ocean . . . 15—2? Ler Pottfisch. — Fettreickchum des Kopfes. — Pottsischjand. — Nah-ninss des Potifisäics. — Oeschichie der Pottsischjaqd, Gefahren derselben. Trittes Kapitel. Mac,cl lau's Weltreise......... W—3« Magellan. - Dessen Geschwader. — Schwierigkeiten, mit denen er zu kämpfen hatte, — Uebenvinteruna, an der patagonischen Küste. — Mn>-terei. — Entdeckung der Magellan Straße. — Fahrt über den großen Ocean. — Entdeckung der Desventuradas, der kadronen nnd der Philippine,!. — Schlacht von Matam. — Magellan's Tod. - Er- ^ mordonc, der spanischen Offtriere dl,rä> den Snltan von Zebu. — El (5ano sctzi die Reise fort »nd vollbringt die erste Weltumsegelung. Viertes Kllpitel. Die Entwickelung des Verkehrs auf dem gro . ßrn Ocean von Magellan's bis ci»f unsern Zeitraum . ^9 —4>i Die Nachfolger Magellan's im großen Ocean. — Mcndana. — Ur daneta. — Juan Fernandez. - Drake. — Die Flibustier im stillen Meer. — Sckoutcn nnd Le Maire. Tasman. - ssoof. — Anfänge des Handelsverkehrs auf dem großen Ocean. — ssolgcn der Gründmiq Svdnev's, — (5mf>„ß der Goldentdeckungen in ssaliforuien und Australien. ^ Der gegeuwärlige politische Zustand Polynesiens. VIII Seite FUnftes Kapitel. Die Menschenraeen des großen Oceans. — Wie und woher sind dessen Inselgruppen bevölkert worden...................^5— 57 Die schwarze und dir gelbe Naec. — Polynesier und Microncsier. — Eigenthümlichkeiten und Grenzen der polynesischcn Stämme. — Ihre Sprache. — Der Kawa. - Der Tabou. — ssigentlmmlichkeiten und Grenzen der Microncsier. — Die FidschiInseln. Woher stammen die Volker des grossen Oceans? — Sie sind weder Autockthonen „och von Amerika herbekommen, sondern vo,n Westen. ^ Ursachen, welche zu ihrer Verbreitung führten. — Westlicke Stürme. - Beispiele von Kadu — von verschiedene^ ssetteninsulancrn. Scchstts Kapitel. Juan Fernands...........^- 74 Entdeckung der Insel. — Beschreibung derselben. — Alexander Sei kirk. — Seine Abenteuer auf der Insel. — Wie es ihm später in der Heimath gefiel. - Defoe, Verfasser des Robinson. — CowVcr's Gedicht über Selkirk. — Anson im großen Ocean. — Unerhörte Drangsale seines Geschwaders ehe er Juan Fernandez erreichte. —s Rettung und Freude. — Ziegen, Hondr. — Tcelöwcn. — Fischreicbthum des Meeres. — Das Tantalusgeschick dcs Glocester. — Anson verläßt I„an Fer-nande^. — Versuche der Spanier und b'hilencr eine Tlvafrolonie ?,u gründen. — D'llrville's Besuch 1K8«. — letzte Nachrichten vom Jahre 1ß5><< Siebentel Kapitel. DicGalapagos...........74- ^9 Anblick der Inseln. — Dürre der Küsten, — Vulkane und parasitiscbe Äuöwürfskegel. ^ Oede ?avagegeuden. — Zunahme der Vegetation auf den östlichen Inseln. — (^aetuse und (5>ivhorbicn. — Der üppigere PftanMwuckö« auf den Nnlwhen. — Eidechsen. — Die große Landschildkröte. — Gigentlnimlil'I'e Vögel der Galapagos. — Ihre auffallende Zahmheit. - Ächnliches Beispiel auf den Falkland's Inseln. — Klima der Galapagos. — Ihre Gesäugte. — Frühere Bedeutung des Walfischfanges in den Buchten der Galapagos. — I'aut OMce I!a^. — X<>l'r I'ort«r. — Abenteuer des Irländrrs Fitz Patrick. — Kolonisation der Galapagos durch den General Floves. — Uuglücklickes Ende der Kolonie. — Tkogman's Besuch I^l'^. Achtes Capitel. Die Osterinsel. — Salas v Gome^ .... W - s,,>> «Entdeckung der Ostcrinscl. — Cook und Förster 1774. — Bewohner der Insel. — Merkwürdige Bildsäulen. — Chamisso auf der Oster-inscl. — Verrätherischer Menschenraub. — SelM'immfevligleit der Polynesier, - Sa!as y Gomez. Neuntes Kapitel. Die Piteaim Insel..........!»ft-N3 Die Vounly. — Meuterei Christians. — Bligh fahrt im offenen Boote nach Timor. — Haifische und Fidschi-Insulaner. — Sturm und Hun-ger. — Eine herrliche Austernsuppe. — Höchste Noth. — Das Ziel wird glücklich erreicht. Die Pandora. - Christian uud seine Gefährten auf Pitcairn. ^ Spuren einer früheren Bevölkerung. — Christian's Tod. — John Adams. — Ankunft des Tagus. ^ George IX Seite Nobbs. - Die Pitcairnier wandern nach Tahiti aus, kehren aber als reuige Schafe bald wieder zurück. — Der falsche Lord. — Nobbs' Reise nach England. — Die Verfassung von Piteairn. — Klima. — Verheerende Stürme. — Unswanderung nach dcr Norfolk's Insel. — Tl,eilU'eise Mckkclir. Zehntel Capitel. Die Missionen im großen Ocean.....118—122 Die Missionen im Allgemeinen. — Gründung dcr Londoner Missions-gesellschaft. — Das Missionsschiff „Duff". - LebcnZgcschichlc des Capitän Wilson. — Seine Leiden in der Gefangenschaft. — Das schwarze Lock,, — Die Neiscn des Duss, — Ansiedelung dcr ersten Missionare auf den Marquesas, auf Tonga und Tahiti. — Spätere UnglücksMe. — Welche Grfolge haben die protestantischen Missionen erzielt! — Die katholischen Missionen. — Wohlthaten der pvotestan^ tische Missionen. Mfteö Kapitel. Die Corallcninseln im Allgemeinen .... 122 —I^Z Anblick einer Corallenmsel. — ^agunenbildcr. — Bau eines Corallcnr stockes. — Grenzen der Steincorallen. Bildung der Ningriffc. — Ilne verschiedenen Entwickelungsstufen. — Das Tbierlcben auf den Corallenriffen. — Tridaenamuschcln. — l^orallenfische. Vinförmig-keit des Pflanzcnlcbens. — Pandanus. - Kokospalme. — Landthierc. — Der Mensch auf den Koralleninseln. Zwölftes Kapitel. Manga-Reva............1sU—I^k Anblick d>'r Neinen Gruppe. — Frühere Grausamkeit dcr Mangarcver. — Seltsame Erziehung des Königs. — Gndcckung Mangareva's durch den Duss. Blutiges Gefecht mit dem Schiffe Veochey's. — Lan-dung der französischen Missionare s183^). — Krste Käinpfe: spätere Erfolge. — Der Visckof ^on Nilopolis. — Bruder siypricn. ^- Der ehemalige Hohepriester Matoua. — Kirche und Kloster. — (5!n Paar Väter. — Annexation. Dreizehntes Kapitel. Paumotn oder dir Inselwolke.....I^'i^.if',,) l5rstc Entdeckung derselben dm'ch Schonten. — Veeebev 1>^2l>. — VoN' Island. — Unvortheilhnftes Aussehen dcr (Hingebornen. — Der Häuptling. ^ sslender Zustand der Frauen. — Bekchrungsversuche eines tahitischen Missionars. - Götzen. — Klermont. — Tonnerre. -Feindseliges Betragen dcr Insulaner gcgcn Wilkcs. — Honden-Inscl oder Henuake. — Bedrohliche Haifische. — Zahmheit dcr Vögel. — Interessantes Thierle Wallis cndcckt Tahiti (18. Juni 1707). — Vrstcs Zusammentressen mit den Tahiticrn. — Die Ziege und der entwendete Hut. -- Angriff auf die Boote. — Blutige Kampfe in der Matavai-Bucht. — Landung. — Entscheidendes Gefecht. — Friede. — Bougainville. — Natouvou. — Vook beobachtet den Durchgang der Venus ans Tahiti. — Der Hohepriester Tupia. — Qmai. — Pomar«! I. — Ankunft der Missionare. - Pomar6 II. — Dessen Bekehrung 1^12. Keln't nach Tal,iti zurück, wird aber von Neuem vertrieben. — l5i>nco „immt das XI Seite (5hristenilniM an. — Huaheine, Tahaa, Naiatea folgen dem Beispiele, -^ Die Götzendiener auf Tahiti geschlagen (11 Nov. 1«15> — Vollständige Bekehrung dcr Insel. — Ankunft neuer Missionare, 1817. ^ Druck des tahitischcn Alphabets und der Bibelübersetzung Pomar^'s. — Misslonshülfsgesellschaft gegründet. — Bau einer großartigen 5tirchc, in welcher Pomar2. ... Die Novara in Papeili l^Febr. 185>!N. Siebzehntes Kapitel. Die Marquesas . .........7^1^740 Erster Anblick. — Schönheit der Thäler. — Riesige Feigenbäume. — Aussicht von der Höhe. — Der Hafen Anna Maria. - Die Comp< troller Bucht. — D«r Tschitschagan. Busen. — Klima der Mara»? sas. — Produfte. — Die Nukcchivcr. — Unvorihcilhaste Meinung Krnsenstern über ihren moralischen Charakter. — Schönheit der Naee. — Kleidung. — Reicher Schmuck der Krieger. — (5igenthüiw licher Fächer, — Wohnungen. — Ehemalige Verfassung. Religiöse Begriffe. — Zauberkünste. — Kriege. — Kcmibaliömus. — Geringe Bevölkerung. Achtzehntes Kapitel. Die Geschichte der Marquesas, seit il,rer Entdeckung durch Mendann............ '^!ä< -W< Mcndana endcckt Faton hiva (I5>l15>'). — Gefecht mit den Wilden. — ßoot 1774. - Ingraham 1791. — Marchand 17Nt, ..... Hergest 1792. — Ankunft der Missionare 17N7. — Ihr Schicksal. — ssrook entflieht auf der „Vetsy". - Krusenstern 1ft0ä, - Kerr Porter in der Taio-'hae Bucht 181A. — Krieg mit den Happas und den Taipis. — Die Amerikaner müssen sich zurückziehen,-erneuern jedoch dcn Angriff über die Berge — dringen in das Thal — zerstören die Dörfer. — b'rook'L abermalige Bekehrungsversuche. - Dupctit Thouars und Dumont d'Urville , 1^5«. — Die Insel Maui. — Der Haleakala^ wahrscheinlich noch in den historischen Zeiten ein thätiger Vulkan. - Die Insel Onhu. — Steile Bcrgmaucrn. — ^oraUemisse. ^ Die Insel Kauai. — Das schöne Hanapepe-Thal, - Die Fälle des Hanapepe. — Herrlicher Stoff für XII Seite cinen noch ungeborenen Va'deker. — Vortrefflichv Bewässerung der Insel. — Erloschene Kraier. — Vulkanische Höhlen, - Vegetation der Hawaii Gruppe. — Drei Zonen derselben, — DieTarowurzcl. — Das Sandelholz. - Don Francisco dc Marini. — Wilde Hunde. — Verwilderte Stiere. — Elender Tod des Botanikers Doualas. — Vogel. - Fiscbe. — Muscheln. — Eingefülirte Infekten. Zwanzissstts KWtcl. Die beschichte von Hawaii......WN—3>ü Ga^tano 15'ä2. — ssook 177<^. - Eein Verweilen in der ssarakakoa Bucht. — M werden ihm göttliche (?l,ren erwiesen. ^ Feierlicher Vesnch des Königs Kalaniopuu. — Book's Ermordung 1779. — Znstand des Volkes ;u Cook's Zeiten. — Hohe Vorrechte d?r Geburt. — Düstere Religion. — Pel<5, die Fcucrgöttm und ihr Gefolge. — Heiaus oder Tempel. — Menschenopfer. — Kriegerischer Sinn, — Das Speerwerfen. — Anecdote Tameamea's. — Kostbare Federmäntel. — Freistätten oder Puhononas. — Kunstvolle Vewasse-rnngeu. — ssischweiher, - Wolnn!Ns,en. — HauZsseräth. — Virlsei^ tic,«r Gebrauch des Flaschenkürbisses. — Äonitenfang. — Tausche Handel. — Messen. — Gedrückter Zustand des Weibes. — Tod Kaln-niuvmi's 17.^0 — Tameamea König von Hawaii. — Gmpüruna, auf Hawaii. — Seltsames Natuvphänomen. - Davis und Moung. — Dreimaliger Vcsueh Vancouver's. — Dessen günstiger Einfluß auf Ta-ineainea. — Unterwerfung der Inseln Maui, Lanai lind Molokai, — Tameamea's Staatsklugheit. — Sein Versuch direkt mit Canton zu handeln. — Große Unternehmungen. — Tameamea des Großen Tod 1819. — Tameamea II. — Unterdrückte Empörung auf Hawaii. — Protestantische Missionare iftW. — Reife Tameamca's II. nach England, wo cr mit seiner Gemalilin stirbt. — Tameamra Hl. — Lan-dung einiger Jesuiten. — Gewaltsame Einführung des katholischen Kirchendicnstes. — Hawaiische Verfassung 15M. — Europäisches Mini: sterium. — Ungebundene Manieren des haweiiischen Hofes. (simiudMllnzissstes Kapitel. Hono.lulu..........3i!» ^2 Der beste Hafen in Hawaii — Aufblühen der Stadt. — Wichtigkeit des Verkehrs zwischen Bremen und Honolulu. — Beschreibung des Hafens. — Das (Hinlaufen in denselben. -~ Der Landnngsplah. ^ Der Markt. — Die Gebäude. — Das fehlende Stras,envflastcr. — Die Methodistenkirche. — Die katholische Kirche. — Kapelle der 8oa-men'« I^riont!« 8o«i<^. — Wie entstand die Gesellschaft? - Ihre Wirksamkeit. — Die Einwohner der Stadt. — Fähigkeiten und Fehler der Kanakcn. — Eigenthümliche Lquipagen. — Schöne Reiterinnen. — Umgegend. — Weg nach dem Salzsee, — Das Nuanu Thal. — Der Pali, ZwcimidzwllUMslcs Kapitel. Die Cook's Gruppe......333-:N5 <5ntdeckungsgeschichte von Rarotonga. — Hungersnoth auf Nui'utua. — Der nach Maurua verschlagene Häuptling. - Das Christenthum nach Nurutua verpflanzt — nach Nitutati, Mansscna, Ntiu:c. — Na-rotonga von Williams entdeckt. — Sll,önl'e!t der Insel, — Voll-/ Seite lommcnheit dco Vanobaucs. — Schattig« Wege. — Patriarchalische Ruhesitze. —^ Barbarei dcr Narotongancr. - Abnahnie dcr Vcvolkc^ rung. — Furchtbarer Sturm 1^31, - Ucbersehung der Bibcl in den rarotonganischen Dialekt. — Abstammung der Rarotongancr von Tahiti und Manuka. — Legende von Karika und Mangiia. — Die „Bounty" vor Narotonga. — Die Hervey Insel. — Zusammenschmelzen der Bevölkerung. — Atiu. — Aitutaki. — Die Höhle Taketakc auf Aliu. Drciundzwllnzinstcs Kapitel. Samoa......'.....3^5-^65, Schönheit res Lanves. -^ Grösss: der Samoa Gruppe. - Die crlo-scheuen Krater von Opolou. — Tcr Tafua Krater. — Der Lanuto See. — Savaii. — Landschaftlicher Charakter von Opolou. — Meer-quellen. — Höhlen. — Manono. — Apolima. — Natürliche Festuna. — Manua. - Tutuila. — Der Hafen Passorpago. — Der Hafen von Apia. — Klima der Samoagrupvc. — Charakter der Pfstetation. — Thiere. — Gezähmte Tauben. — Dic Snmocr. — Ihre Vorzüge und Fehler. — Bettelei der Häuptlinssc. — Kunstfc>'tia,keit. - Die ^lllo - t6läl> oder Vrvsannnlungshäuser. — Aristokratische ^gierungs^ form. — Der I^ulw oder die berathende 'Versammlung der Häuptlinge. — Rangordnungen. -^ Kriege. — Waffen. — Religion. — Sag« von der Schöpfung. — Begriffe von einem künftigen Dasein. — Glaube an Vorbedeutungen. — Das Lupu Spiel, — I.lUd»Iitl^>a. — '1'llliL-sllll. — lui-mui'l. — Litia. — Lafe. — Samoa von Bougainville 17W entdeckt. — La Pcyrouse 1767. — Ermordung des Capitäns De Langle in der Lni« äu Nll»lz»<:l'o. — Späte Einführung und rasche Verbreitung des Christenthums. — Jüngste Herfalle auf Samoa. VicrundzwauMstcö Kapitel. Tonga...........3l>5—3W Die Vavao Gruppe. — Die merkwürdige Hunga Höhle. — Die Ha-pai Gruppe. — Lifuka. — Dcr Vulkan von Tufoa. - Tongatabou / - oder das heilige Tonga. — Anblick dcr Insel. — Küstcnbildung. — 5 Riesiger, historisch merkwürdiger Feigenbaum. — Gua. — Del Pyl-staertfelscn. — Klima. — Verwüstung von Amargura durch ein Erdbeben. Die Tonssaner. — Ihr Pharaktrr. Rangunterschiedc. — Der Tuntonga. - Die Fanülie Fata^fai und Toubo. — Häuptlinge. — Die Mataboulcn. — Die Mouas. — Die Tuahs. Feierliches Zeremoniell beim Kava trinken. — Tonganische Schöpfungsgeschichte. ' — „Die Insel der Seligen". — Schicksal einer dorthin verschlagenen Piroge. — Die Priester. — Menschliche Opfer. — Furchtbare Selbst-quälneien bei Begräbnissen. — Abhauen der Fmgerglicder. — Das Toiv tow Fest. - Tonganische Saturnalien. — Verkehr mit den Fidschi I^s«ln. — Pirogen- und Hüttenbau. — Die Mausoleen dcr Tni-tongas. — Seltsames Urmonument. — Kriegszüge und Reisen der Tonganer. — Vogelschießen. — Rattcniagd. — Lockvögel. — Taubenfang mit Netzen. — Geschickter Äonitenfang. - Spiele. — Steintragen auf dem Mcergrunde. — ^ntdcckuna, Tonga-tabou's durch Tas-man 1634. — Cock. — Maurcllc. — Bligh. — Ermordung der XIV Seite Missionare. — Belehrung Toubo's. — DUrvillc 1^7-. 162ft. ^ Tnhofa „King Georg«". — Dessen Thattraft und Beredsamkeit. — Krieg auf Tonga. — King George, Herrscher des ganzen Archipels lt?45. — Zustände im Jahre 1l>s)3. — Zlbtretung der Souueränität an Eng-land 1ft5>5>. MufuxdzwanMtts Ällpittl. Die Fidschi Inseln ......^91-42.^ Pit, ^evu, ^ Der Newaftuß. — Das Newa Delta. — Antimon-minen. — Vamia ?evü. — Mangrovcwäldcr. — Warme Quellen. — Die schwarze Flnßbarbe. - Die Kavai Wurzel. — Die Ivia Nur-zcl. — Die Dava Pflaume. — Die Karyotapalme. — Größerer Reich-thmn der Vcgelation als auf den östlicheren Gruppen. — Die Dam mara Fichte. — Schnelligkeit des Wachstlmms. — Klima. — Die Gruppe durch Tasman entdeckt 1643. — l5ook. — Dumont d'Urville lP27. — Wittes 18H0. — Ursachen des Ueb«rgewichts von Amban. — Tanoa König von Ämbau. — Unsägliche Barbarei der Fidschianer. — Gräuel des Kannibalismus, — Unsicherheit dcs Lebens. — Einige Mordgeschichlrn. "^- Unerhörter Despotismus. — Götter. — Die Mbnres oder Tempel. — Die Mbcttis udrr Priester. — ältern mord. — Fremde Spekulanten. — Trevangscmimler. ^ Sel'ildpait. — Schälen der Schildkröten, — Vcrrätherische Uebeifällc fremder Schiffe. — Die „Aimable Josephine". -^ Der „Eir David Oa,i«by". — Kunstfleiß, — Große Dopprlpirogen. — Hänserbau, - Waffen. — Töpferei. — Figur der Fidschianer. — Merkwürdiger Kopfschmuck. Nationalstolz. — Kleidung. - Der Seo. — Der i'if». — Dci Keulcntnnz. Sprache. - Ackerbau. — Anfang des Missions-wertes 13?0. — Fortschritte bis 'zu den Jahren 1540 nnd >548 nach Wükes und Elphinstone. — Reise Macdonald's auf dem Ncwaftossc !85il>. — Thatombau. — ?lbtretung der Souveränctät an England. — Der deutsche Botaniker N,-. Seemann. — Der Missionar ^!oung auf Fidschi 1858. — Seltsame Widersprüche. SechsUXdzwanzWes Kapitel. Die Guano Inseln im Centrum des großen Qeeans................i^'H ^^0 Der Gunnohandel. -- Dir Guanoinseln des großen Oceans. — Ver-> einzeltc Plinkte im ungeheuren Mecrcsraum. — Natur. - Die ^m«ri-««n <3u»n« <üompnr<^. — Dir ?l>ünix (!«mptti Nalan. — ^ntfrcinduug von der Welt. — Seltsame Dodekarchic. — Duperrey, — Lütke. Ehemalige Liebrnswüroigfeit des Volkes. -Se-ltsamcr Häuserbau. — Webstuhl. ^ Neppiger WaldwuchK. — Einige merkwürdige Bäume. — ?äla, — Neueste Nachrichten aus Ualan. — Puinivet. — Von Lütkc entdeckt 18?ft, — Die Bewohner. — Merkwürdige Ruinen. ^ Spuren einer altspanischen Entdeckung. — Pracht der Vegetation. — Seelsorger imd Seelverderbcr. — Lu-gunor. — Nautische Kunst der <5arolincr. — Aberglaube, — Fisch-körbe. — MerkU'ürdigc Parasilenfische. — Hogolcu. ^ Vesuä) und Nachtabenteuer des frauzösisckcn Ingenieurs Iacquinot. - Schlechter Ruf der Insulaner. -- Frübcrc Gntdeckung der westlicheren Caro linen. — Ihr Verkehr mit den Marianen. — Verunglückte Bckchrungs-versuche der Spanier, — Delphinenfang auf Ulea. ^ Religion. — Feys. — Eine gehobene Coralleninsel. — Gap. — Die Pelcw Gruppe. — Wilson. — Dumont d'Urville. — Scklechter Nuf der Insulaner. — Dligong. — <5rocodil. Ginunddrrisijssstcs Kapitel. Die Marian cn . ........5W^515 Guajan. ^ Wundernde Vermehrung der ^imo»,^ trifali»^ — »nd des eingeführten Hirsches. — Ginheimischc Vögel. - Fische. — Der Ricscnroche. — Die alten Marianeseu oder Ghamorros. — Arislo^ kraten und Plebeier. - Baukunst. ^ Münzen aus Schildkrot. — Töpferkunsi. ^ Krbfolge. — Die Oulitaos. Zwewnddrcihissstcs Kapitel. Geschichte der Mariauen .... 515-527 Entdeckung durch Magellan. — San Vitoreö der Apostel der Maria-nen. — Dcr Ehincsc Ehoeo Sanglci. — Hartnäckige Empörungen XV! Seite der Variants««. — Don Jos« de Quiroga. — Unterjochung der R«. bellen auf Nota <68l>. — Letzte verzweifelte Empörung durch Quiroga unterdrückt. — Verschwörung der Stväflinfte. - Unterjochung der nördlichen Inseln. — Erstürmung von Ägonigan. — Erschreckende Abnahme der Bevölkerung. — Gin edler Gouverneur. — Schranke» lose Macht der Statthalter. - Gegenwärtiger Zustand der Marianc-sen, — Hahncnkämpfe. — Die Seelsorger. — Der Aussatz. — Der Fischschnppeniniöschlaa,. — Der Pian. — Das Sankt Lazarusseuer. TlcmnddtcißWcS Capitel. Tinian ^- -,,,.,.........52«"ü^s Alison auf Tinian. — Der rettende Hafen. — Ein irdisches Paradies, — Milchweiße Rinder. — Genüsse und Sorben. — Eroberung eines Silberschiffs. — Glückliche Heimkehr. — Die Ruinen auf Tinian. — Die Marianrn zum Dcportationsortc bestimmt. — Ansprüche der Spanier auf die Carolincn. PicruuddreiMstes Kapitel. Di« Vonin Inseln.......534—544 i'ütke auf Bonin. — Vin echter deutscher Robinson. — Romantische Einsiedelei. — Gastliche Vewirthung. Thier- und Pflanzenwelt. — Furchtbare Stürme. — Die kleine Colonie. — Gegenwart und Zukunft. Druckfehler, Seite 5>, Zeile t, entsteigenden statt entsteia,mi)ci, ."», ., 14, Malgravc statt MalaMwe. „ 40. „ 24, Balten statt Naletu.' „ 105, „ !^2, Insel, das, — statt Insel. Das. „ ^41, „ 4, Alcütrmnecv statt Alriitenmecr, „ 2W, „ 5>, Köniss lwn seiuexi Vil'l'ling »nd )tefsrn Taineamrn statt ^ö»i^ Tamcamca :c. „ 417, .. 15», bemalt statt zremalt. Erstes Kajiitrl. Der grofzc D c c a n. Seine verschiedenen Benennungen. — Seine Grenzen. — Vulkanische und niedere Inseln. — Thätige Vulkane im Schoos und an den Grenzen des großen Oceans. — Erdbeben. — Translationswellcn. — Strömungen im großen Ocean. — Fluthcn. — Wcrthoolle Erzeugnisse des großen Oceans. — Die Waljäger. — Fische und Meer-thiere, die dcm Schiffer am häufigsten begegnen. — Velellcn und Entenmuschcln-Heere. — Tropikvögel. — Guanovögcl. - Perlen. - Tchildpat. - Seegurken. A er große Ocean — nur dieser Name paßt für die unermeßliche Wasser-flache, die von Japan und Kamtschatka nach dem Fcuerlande, und von Eitcha nach Neu-Seeland sich erstreckt. Groß in der That — dcnn allc übrigen Mcerc zusammengenommen, übertreffen ihn taum an Flächenraum, und Mitternacht herrscht an seinem einen Ende, währeud das andere in dcr Mittagssonne glüht. Süd see nennt man ihn anch, weil Magellan vom Süden her in ihn eindrang, und während seiner Fahrt ihn hauptsächlich aus der südlichen Erdhälfte durchschiffte — auch das Stille Meer, weil dcr günstigste Wind fortwährend die Segel des großen Seefahrers schwellte — aber wie falsch sind beide Benennungen für einen Oceau, der zur größeren Hälfte auf der nördlichen Halbkugel liegt, und nicht minder häusig als andere Meere von entsetzlichen Stürmen aufgewühlt wird! Nach Osten sind die Grenzen des großen Oceans durch die Steilküste Amerika's genau bezeichnet: nach Westen dürften die vulcanischen Inselketten, die von Japan und ^ju-kju über Formosa, die Philippinen, Dschilolo, Neu-Guinea, Neu-Irland, die Salomon's Inseln, die Neuen Hebriden und Norfolk bis nach Neu-Secland und den Chatham-Inseln sich hinziehen, als dessen Vorlande betrachtet werden. In dem auf diese Weise begrenzten Becken des großen Oceans liegen eine Menge Inseln von fast verschwindender Kleinheit wie die Sterne am Himmelsgewölbe zerstreut. Die meisten vereinigen sich constellationsartig zu Gruppen, einige schwimmen einsam in der ungemesscnen Wasscrwüste. Ihre Anzahl geht in die vielen Hunderte, ihre bewohnbare Gesammtfläche kommt der des kleinen Königreichs Belgien nicht gleich. Doch auf diesem engen Raume hat der Schöpfer das Füllhorn seines Segens ausgeschüttet und die Natur auss Reizendste geschmückt. Hier erheben sich Berge 14,000 Fuß hoch in die Lüfte, Vulcane, Felshörner, Schluchten von alpinischcr Großartigkeit; dort niedere Inseln mit Palmenhaincn umkränzt und den Fuß mit Corallengärten umrandet. Nirgends in der Welt vereinigen sich Basalte, Wasserfalle und die herrlichsten Pflanzen zu anziehenderen Gemälden; nirgends treten Meer und Gebirge zu großartigeren Bildern zusammen; nirgends vermischen sich das Erhabene und das Liebliche auf eine schönere Weise. Leicht begreiflich, wenn man bedenkt, daß überall vulcanische Kräfte thätig gewesen sind, zu bauen und zu zerstören; daß 'überall ein wildbran-dendes Meer gegen die Küsten anwogt, den Felsen aushöhlt oder den Corallenblock aufwälzt; und überall auf den hohen Inseln die abschüssigen Bergwände den herabrauschenden Wasserstürzen eine größere Gewalt verleihen. Bedenkt man endlich, daß alle kiese Länder mit geringen Ausnahmen einem sonnigen Erdgürtel angehören, welcher ebensowohl das unterseeische Corallen-gebüsch des Weltmeers begünstigt, als die steilsten Felsmauern unter Laubmassen verbirgt, so wird man bei dem Zusammenwirken solcher Kräfte, sich nicht wundern, daß die Inseln des großen Oeeans auf kleinem Raume eine solche verschwenderische Fülle und Mannigfaltigkeit des Schönen und Merkwürdigen enthalten, und in gleich hohem Maaße das Auge des Künstlers und die Wißbegierde des Naturforschers erfreuen. Die Inseln dieses großen Weltmeeres gehören in geognostischer Hinsicht zwei verschiedenen Bildungen an. Die hohen Inseln, welche die Hauptgruppen bilden, sind vulkanischer Natur und bestehen innerhalb der angcgc benen Grenzen (denn auf Neu-Seeland kommen Granit, Schiefer und Steinkohlen vor) aus einem Knochengerüste von Basalt. Sie zeigen sich in allen möglichen Formen vom einfachen vulkanischen Kegel, zum zerspaltenen, .zerklüfteten Gebirge, reich an schönen Schluchten und zackigen Gipfeln. Auch vom verschiedensten Alter stcüen sie sich dar; 3 h'cr durch abgerundete Formen cine vcrhältnißmäßige Jugend verrathend, dort durch spitzige Grate und tief ausgehöhlte Schrunde die Abnutzung eines höheren Alters verkündend. Einst warcn sie dcr Schauplatz einer großen Menge thätiger Vulkane, deren gegenwärtig nnr noch wenige auf Hawaii, Tofoa, Amargura und ton nördlichen ^adronen brennen. An den Grenzen des großen Oceans dagegen erheben sich überall feuerspeiende Berge, von der Südspihe Amerika's bis zum Ilämän unter 60« N. B. und längs der Mutischen und turilischcn Kette, über Japan, Lju-kju, die Philippinen, Neu-Guinea und dic Neucn Hebriden bis nach Neu-Seeland. Ein bedeutender Unterschied gegen das atlantische Becken, an dessen Umkreis es vcrhältnißmäßig so wenig flammt und raucht! Ucberhanpt scheint der Flächenraum des großen Oceans die Stätte cincr bedeutenderen vulkanischen Thätigkeit zu sein. Große Strecken senken sich fortwährend tiefer in's Meer, andere entsteigen langsam dessen Fluthen. Auf der carvlinischcn Insel Puhnipet stehen frühere, dem Götzendienst geweihte Gebäude nunmehr im Wasser und alte Fußpfade werden von b'anots beschifft. Auf Honden Insel in der Paumolu-Gruppc dagegen deuten riesige Tridacna-Muscheln, die mau im Corallenriff, an der Fluthlinie eingebettet findet, während das lebende Thier nur unterhalb der Ebbe vorkommt, darauf hin. daß hier das Ufer wenigstens 20 Zoll oder 2 Fuß gestiegen ist. Auf Dahu soll die Erhebung so schnell vor sich gehen, daß das Meer binnen wenigen Jahren über eine Ruthe weit von Stellen gewichen ist, wo >nan früher mit Booten landete. In 20 Jahren, bedrohlich füv die Zukunft, 'st dcr Risskanal, der zum Hafen von Honolulu führt, um drei Fuß weniger tief geworden. Ich konnte noch manche andere Beispiele anführen, bemerke iedoch uur, das; neuere Seefahrer auf manchen Inseln Zeichen in den Felsen cingegraben haben, wonach man in Zukunft jene interessante Erscheinung mit größerer Genauigkeit wird beobachten können. Sogar das unterirdische Feuer muß sein gehcimnißreiches Wirken vor den Augen dcr wissenschaftlichen Beobachtung entschleiern. Erdstöße werden hänfig auf manchen Inselgruppen empfunden und das Beben des amerikanischen Continents pflanzt seine Wirkungen weit über das große Weltmeer fort. Die Erdstöße, die im November 1837 die kleine Stadt Valdivia im Lande der Araucancr (Süd-Amerika) zerstörten, erzeugten 4" 3 Fortvflanzungswellcn, die fünftausend Seemeilen davon auf den Sandwich-Inseln sich fühlbar machten. Am Nachmittage des 7. Novbr. zog sich das Meer mit großer Schnelligkeit aus dem Hafen von Honolulu zurück, zur Besorgnis der Fremden, die eine furchtbare Reaction erwarteten, dcn Eingeborenen aber zur Freude, die jauchzend und frohlockend den weichenden Gewässer^ folgten, die ^estrandcten Fische auflasen und die bloßgelcgten Muscheln sammelten. Das Meer fiel über 8 Fuß, so daß die Riffe trocken lagen, bald aber kam es zurück und hatte in 2t> Minuten die gewöhnliche Springssuthhöhe erreicht, woraus cs wieder 6 Fuß fiel um darauf noch einige Zoll hoher als bei der ersten Rückkehr zu steigen. Diese Schwantungen des Meeres dauerten bis zum folgenden Mittag fort. Noch bedeutender war diese Erscheinung auf dcn benachbarten Inseln Hawaii und Maui, wo sie mehreren Menschen das Leben kostete. Auf Maui zog das Meer sich 120 Fuß weit zurück und kam dann urplötzlich mit einer ungeheuren Welle wieder, welche Häuser, Baume und Canots wegfegte und zertrümmerte. Beim Dorfe Kahului folgten die jubelnden Einwohner dem Rückzüge der Gewässer, als diese plötzlich sich gegen sie wandten und wie eine hohe Mauer aufsteigend, vorwärts rollten und die Hütten zerstörten. Die amphibische Natur der Insulaner, jener unvergleichlichen Schwimmer, war ihre Rettung, dennoch hatten sie den Verlust von zweien aus ihrer Mitte zu betrauern, sowie die Verwüstung ihrer ganzen kleinen Habe. In der Byron's Vucht hatte sich eben eine große Volksmenge vereinigt, um einer religiösen Versammlung beizuwohnen. Um halb sieben Uhr Nachmittags fing das Meer an sich zurückzuziehen, so daß bald ein großer Theil des Hafens trocken lag. Die staunenden Zuschauer eilten auf dcn Strand, um das nie gesehene Schauspiel zu bewundern, als plötzlich eine Riesenwoge brüllend heran-tam und 20 Fuh über die gewöhnliche Fluthhöhe steigend das Ufer überschwemmte. In zwei Weilern allein wurden till Wohnungen zerstört, und 11 Menschen ertranken. Die Welle hatte auf ihrem Wege das Verdeck eines vor Anker liegenden englischen Schiffes überfluthet. Sowie die Bemannung vom Stoß sich erholte, setzte sie die Boote aus und es gelang ihr noch manches Leben zu retten. 4 Am l7. Mai 1841 fand eine ähnliche Erscheinung statt, die auch an der Küste von Kamtschatka beobachtet wurde. Die niederen Insrln, die auf Corallenrift'en sich erheben, und die zweite natürliche Abtheilung der dem Schooh des großen Oceans entsteigender Länder ausmachen, sind bekanntlich auf ganz andere Weise entstanden und aus einem ganz anderen Material geformt, als die hohen vulkanischen Basalt- und Lavainseln, da sie aus Kalkmassen bestehen, welche da? Prodult organischer Kräfte sind. Ihre interessante Vildungsgeschichte wird in einem späteren Kapitel erörtert, hier will ich nur bemerken, daß, obgleich die zu Tage lommcnden Riffe einen bedeutenderen Flächenraum einnehmen, als die vulkanischen Inseln des großen Oceans ietwa wie l 9,000 Quadrat-Srcmeilen zu iliMO) sie doch bei weitem weniger wichtig sind, da kaum der zehnte Theil jener Fläche mit irgend einer Pstanzenart bewachsen ist. Jene Gruppen der Caro linen, des Mulgrawe Archipels, der InselWolke Paumotu u. s. w., die auf der Karte des großen Oceans sich so breit machen, schrumpfen bei näherer Betrachtung zu gar unansehnlichen Ländchen zusammen. Sie theilen das Glück der sibirischen Dörfer oder Städtchen von 29 Einwohnern — genannt zu werden, weil sie an Stellen liegen, wo es sonst nichts zu nennen gibt. Die Strömungen des großen Oecans sind viel weniger bekannt, als die des atlantischen Meeres. Auch hier bewegen sich die GeWasser innerhalb der Breite der Tropenzone großtentheils in westlicher Richtung, bis die Ländermassen Asien's und Australien's ihnen neue Wege vorschreiben. Ein Theil fließt alsdann südlich zwischen Ncu-Holland und Ncu-Seeland; ein anderer ergießt sich durch die Kanäle rcs südasiatischen Inselmecres in den indischen Ocean; der Rest wendet sich an den Grenzen des chinesischen Meeres nordöstlich, bespült die Ostküste der Japanischen Insrln und breitet dann unter dem Einflüsse nordwestlicher Winde, sein warmes Wasser in dem nördlichen Theile des großen Oceans aus. Dieser sogenannte japanische Strom vertritt also hier die Stelle des Golfstroms im norratlantischen Meere und so wie dieser unseren Küsten cin milderes Hllima bringt, so verdankt auch jenem die Nordwesttüste Amerita's den Vorzug einer gemäßigteren Temperatur vor den Osttüsten desselben Continents in gleichen Breiten. Doch ist der Einfluß der japanischen Strömung bei weitem weniger mächlig, da 5 0 seine Gewässer nicht erst, wie die des Golfstroms, in einem tropischen Binnenmeere erwärmt werden und auf weiterem Wege sich bedeutender abkühlen. Aus dem südlichen Eismeer dringt in nordöstlicher Richtung eine mächtige Strömung kalten Wassers in den großen Ocean ein, und spaltet sich an der amerikanischen Küste in dei breite von Chilo^ in einen nördlichen und südlichen Arm. Der letztere fließt bis zum Frucrland die Küste entlang und um das Cap Horn in das atlantische Meer. Der nordliche Arm dagegen bewegt sich mit großer Geschwindigkeit längs den Küsten von Chili und Peru uno wallt dann, die Galapagos umfassend, mit dem Aequatorialstrom nach Westen. Durch ihn begünstigt, gehen die Schisse in 8—9 Tagen von Valparaiso nach Callao, und in 4—5 Tagen von Callao nach Guayaquil, während sie für den Rückweg oft eben so viele Wochen brauchen. Er ist es, der zum Theil die kühlere Temperatur der peruanischen Küste im Vergleich zur brasilischen bedingt, wenn wir auch in dieser Hinsicht den kalten, von den Andcshöhcn sich senkenden Luftströmen eine bedeutendere Rolle beimessen müssen; uud wenn keine lebendigen Corallen-risse die Galapagos umranden, so ist es feinem Einfluß zuzuschreiben, da er häufig die Wärme des dortigen Aeauatorialmecres bis auf einen Grad erniedrigt, der das Gcdeihen der Stcmpolypkn nicht mehr zuläßt. Dieser im Haushalte des großen Meeres so wichtige Fluß des peruanischen Oceans führt auch den Namen der Humboldt-Strömung, weil der unsterbliche Forscher durch genaue thermomctrische Messungen den Unterschied seiner Temperatur von der der angrenzenden Gewässer zuerst nachwies, und seine climatologische Wichtigkeit dadurch in's Licht stellte. So wird der Name des großen Deutschen ewig fortleben in der fortwalleuden Strömung des südlichen Weltmeeres, wie im Riesengletscher des höchsten Nordens. Die mittlere Temperatur des großen Oceans überhaupt ist noch sehr wenig bekannt, was nicht zu verwundern ist, wenn man die Unermeßlichleit des so selten von wissenschaftlichen Reisenden durchfurchten Flächeuraumes bedenkt. Als wahrscheinlich hat sich jedoch herausgestellt, daß sie in der gemäßigten uud kalten Zone unter gleicher Breite überall hinter der des atlantischen Meeres üm 2 bis 3 Grad zurücksteht. In dlm heißen Erdgürtel, besonders zwischen 10" ^^ ^. ^nd 10" S. B. zeigt sie fern von den Küsten, und wo sie nicht von Meeres-Strömen kalten Wassers durchfrischt wird, über Strecken, die taufende von Geviertmeilen einnehmen, eine bewundernswürdige Gleichheit und Beständigkeit. Dort schwankt sie das ganzc Jahr hindurch in den oberen Schichten regelmäßig nur zwischen 27'- undH9" C. und zwischen den verschiedenen Tageszeiten ist fast kein Unterschied zu bemerken. Nur ein Meer von so wunderbarer Größe konnte die Erscheinung einer solchen Gleichmäßigkeit darbieten, denn Unverandeilichkcit ist ein Charakter des Erhabenen! Die Fluthwelle, deren mächtige Schwingungen den ganzen Erdball umkreisen, wird bekanntlich zwei Mal täglich im großen Ocean geboren, da nur dieser den gehörigen Flächenraum zur vollen Anziehungskraft des Mondes uud der Sonne darbietet. Wenn in der Bristvl-Bay die Fluth ?0 Fuß hoch anschwillt, und in der Fundy-Bucht zwischen Neu-Schottland und Neu-Braunschweig nicht selten so schnell anwächst, daß sie das am Ufer weidende Vieh überrascht nnd verschlingt, so rühren diese Wirkungen zum Theil vom großen Ocean her, denn läge ein Continent wie Afrika mitten in seinem Schoohe, wodurch natürlich die Bildung der Fluthwelle gehindert worden wäre, so hätte auch oas Steigen der Gewässer in den Buchten des atlantischen Meeres nimmer so bedeutend werden können. So übt jeder Punkt des Erdballs einen Einfluß oft auf die allerentfcrntcsten Theile desselben aus, und es läßt sich keine einigermaßen bedeutende Veränderung im gegenseitigen Verhältnis von Land und Meer deuten, ohne daß überall die Climate und folglich auch das organische Leben sich veränderten. Unser kleines Dasein hängt von lausenden sich durchkreuzenden Einflüssen ab, deren Ursprung zum Theil bei unseren Gegcnfüßlern liegt, und der Mensch, der im Laufe der Zeiten, wie so manche vor ihm dagewesenen Geschöpfe, verschwinden wird, ist nur eine flüchtige Erscheinung im Leben des Planeten. Im großen Ocean selbst sind die Fluthen von geringerer tzdhe, da sie im ganzen östlichen Polynesien nur 2 bis 3, und bei Samoa und im Fidschi-Archipel nur -i und K Fuß betragen. Dennoch sind sie von großem Einfluß auf die Höhe der wachsenden Riffe nnd die Ufrrfonnen der Corallen-c-ilande. Zugleich mit der brandenden Anschwellung des Oceans üben auch die Winde eine bedeutende Wirkung auf die Gestaltung mancher Küsten aus, indem sie den Sand des Strandes zu Hügeln aufthürmen. 7 Während des größten Theiles dcs Jahres herrschen in Polynesien die Passate oder die regelmäßigen Südost- und Nordostwinde vor, ausgenommen in einer Zone, die in einer Breite von 5 bis 7 Graden an beiden Seiten des Aequators sich erstrectt und den Windstillen und den Wcchselwinden ausgefetzt ist. Während dcr Nintcrmonatc verdrängen die Westwinde den legelmäßigen Passat und wehen über den Theil des Oceans, der innerhalb 15 biß 20 Grad vom Neauator liegt und sich ostwärts bis Panmotu ausdehnt. Stürme und mitunter wirbelnde Orkane pflegen den Verlauf dieser Winde zu begleiten, die mit der Sonne nach Norden oder Süden auf- und abwandern. Weit mehr als die Naturprodutte der über seinen Schooß zerstreuten Eilande, haben die eignen Erzeugnisse des großen Oceans die fremden Seefahrer in seine weiten Einöden gelockt. Seine riesigsten Bewohner, der Potlsisch (?1,?3c!tei- maoi-oeeplialuz), der vorzüglich auf dem weiten Gebiet seiner tropischen Gewässer umherstreicht, und die zwei verschiedenartigen Glattlücken (8. m)-»tltotu«-ln!8tl-n1i5), die in seinen nordlichen und südlichen kälteren Gegenden vorkommen, üben vor allen die mächtigste Anziehungskraft aus. Hunderte von Schiffen, taufende von Jägern folgen unablässig ihrer Spur, fahren ihnen auf dem hohen Meere nach, oder erwarten den Südwal in den Felfcnbuchten Chili's und Patagoniens, wohin er jährlich zum Werfen seiner Iuugcn sich begibt. Ohne dm Waljagcr oder Walfischfänger wären gewiß noch manHc Gegenden des großen Oceans in geheimnißoollcin Dunkel gehüllt; keiner hat mehr dazu beigetragen, die Völker Polynesiens dem Einfluß, odrr vielleicht richtiger, dem Zersetzungsprozeß der europaischen Sitten und Ideen zu unterwerfen; schwerlich hätten ohne ihn die Missionare ihre Wirksamkeit bis auf jene fernen Ncgionen ansgcdchnt; und wcnn in Honolulu und ^ahaina (Sandwich-Inseln), in Apia und Pago-Pago (Samoa) in Papeiti (Tahiti) und Levuka (Fidschi) eine aufdämmernde Bildung sich zeigt; so hat er die Veranlassung dazu gegeben. Ueberall auf drn einzelnen Inselgruppen begegnen wir seinen Spuren, nehmen wir seinen Einfluß zum Gnten oder Bösen wahr. Außer denjenigen Walthieren, deren Fcttreichthum die mörderische Harpune anzieht, irren noch manche andere, größtentheils unbekannte Arten in der Wasscrwüste des großen Oceans umher. In kleinen Hccrden kommt der Buckelwal (UaillLn.-l ßiddosa) vor, den nur selten der Jäger trifft, häufiger 8 der Schwarzfisch (Dolplnnu^ me1l,8), dessen aufwärts gebogene Mundwinkel ihm ein freundliches, lächelndes Aussehen ertheilen, während er doch an Gefräßigkeit und Würgerlust keinem seiner Verwandten nachsteht; oder der mörderische Grampus (DoipkiM» 0i-ca?), über dessen Erscheinen der Jäger sich freut, weil er die Nähe des Pottwals andeuten soll. Auf drm hohen Meere kommen ähnliche Formen der befloßten Geschlechter, wie im atlantischen Oeean vor. Auch hier erheben sich in der wärmeren Zone silbergeflügelte und blaubcpanzerte fliegende Fische schimmernd in die Lüfte; auch hier werden sie im Nasser von Boniten (seomdei-l,^o?); im leichteren Elemente von Tropil- und Frcgattenvögeln verfolgt. Bemitleide sie nicht zu sehr, denn sie selber sind ja Raubfische, die mi! derselben Mordlust und unersättlichen Gefräßigkeit den Schwächeren nachsetzen ', bewundere aber, wie herrlich der Schöpfer sie für ihr eigenthümliches Doppelleben ausgerüstet hat. Ihre Schwimmblase ist so groß, daß sie bei voller Ausdchnnng fast die ganze Bauchhöhle einnimmt, und um den Fisch noch leichter zu machen, ist der Mund mit einer Haut versehen, die durch die Kiemen sich aufblasen läßt. Die großen flügelartigen Brustflossen dagegen, die beim Schwimmen belästigen konnten, falten sich im Wasser in einem äußerst kleinen Raume niedlich zusammen, so daß für alle Fälle bestens gesorgt ist. Der fliegende Fifch bietet nicht nur dem Seefahrer ein anziehendes Schanspiel, er versorgt ihn auch mit einem köstlichen Leckerbissen. Ein Licht bei dunkler Nacht in den Ketten eines Schiffes hangend, lockt sicherlich manchen an Bord. Zu den gewöhnlichen Begleitern des Seefahrers gehören die Albieorcn und Boniten. Beim ruhigen Kreuzen im großen Ocean pflegen jene, deren durchschnittliche Länge vier Fuß betragt, oft Monate lang die Furche des Fahrzeuges hcerdenweise zu begleiten, entfernen sich aber nach mehrtägigem raschen Segeln, während der kleinere Bonite sich lieber einer raschen Fahrt anschließt uud überhaupt ein minder beharrlicher Gesellschafter ist. Nicht selten wird der Schwerd,fisch (X^.i.^ i>w>i?toruk) gesehen. Dieses Seeungeheucr hat einen brauncn Rücken nnv silberweißen Bauch, der aber beim leidenschaftlichen Verfolgen einer Beute in verschiedenen Farben fchillert, unter welchen ein schönes Blau vorherrscht. So wie es eine Heerdc kleiner Fische erblickt, stößt es mit der größten Schnelligkeit darunter, und nachdem 9 10 es so viele als möglich auf seine lange Klinge gespießt hat, schüttelt'es sie ab, um sie dann wohlgemuth zu verspeisen. Bennett sah auf diese Weise einen Schwertfisch 3 Boniteu schnell und geschickt durchstechen und verzehren, und vermuthet, daß besonders, um den Angriffen dieses Wütherichs zu ent^ gehen, die geselligen Fische des hohen Meeres — Boniten, Albicoren, Do raden (Lor^i^nn, ^o«^!^) — sich den Schiffen oder großen Walen anschließen, da die Nähe eines großen Körpers hinzureichen scheint, den Schwcrdt-fisch von seinem gewöhnlichen ungestümen Angriff abzuhalten. Auch Haie mit ihren Begleitern, dem Saugfisch (kolwnoi») und dem Lootsen ((^»tei'08te>,!6) lassen sich manchmal erblicken, sonst ist es gewöhnlich einsam und leer auf hohem Meere, während ein reicheres mannichfaltigeres Wasscrleben in der Nähe der Inseln sich bewegt. Auf der Strecke zwischen Chili und Paumotu siel es Eschscholtz auf, wie äußerst wenig Thiere an der Oberstäche des Oceans zu leben schienen, denn außer fliegenden Fischen kamen ihm leine zu Gesicht, und auch diese mehrten sich in der Nähe der Osterinsel. Die durchsichtigen gallertartigen Seegeschöpfe — Quallen, Pteropoden, Salven — die auf der Wasserwüste des tropischen atlantischen Meeres vorkommen, lassen sich auch im großen Ocean in ähnlichen Formen, wenn auch in anderen Arten, erblicken. Die prachtvolle Seeblase (I'k^alii,,) erscheint hier statt rosenroth und purpurn mit einem in's Grünliche spielenden blauen Kamme. In der Gegend des Aequalors durchschiffte Kittlitz einen zahllosen Schwärm einer überall larminröthlich gefärbten Qualle mit langen Fangarmen und kleiner sehr gewölbter Kappe. Ein paar andere kleine Medusen zeichneten sich aus durch ihre zierliche Schönheit. Die kleinste mit ganz durchsichtiger Scheibe machte sich durch hochgelbe, den Rand in regelmäßigen Abständen umgebende Fühlfäden kenntlich; die andere durch eine kreuzförmige dunkelblaue Zeichnung, die aus verästelten, kleinen Strichen zusammengesetzt, sich über die ganze, sonst weißlich, durchsichtige Scheibe verbreitete. Jene seltsam gebildete Rippenqualle, die einem schwimmenden Bande ähnlich sieht — der Venusgürtel — kommt hier in einer ttciunen Art vor, etwa 19—12 Zoll lang (oder eigentlich breit, denn die Hauptlebenswerkzeuge liegen quer durch die Mitte des Bandes), mit karmoismrothcn Rändern und von äußerst lebhaften Bewegungen, die sie hauptsächlich von der größeren atlantischen Art unterscheiden. Wie sehr übrigens die niedere Thierwelt des 11 großen Oceans sich noch verschleiert, und ein wie weites Feld dem Naturforscher hier noch offen steht, geht schon daraus hervor, daß unter den 14 O.uallcnarten, die Eschscholtz auf der Fahrt von Samoa zum Aequator sammelte, sich nur eine einzige bereits bekannte vorfand. Wenn der Seefahrer manchmal auf weiten Strecken einen todten Ocean durchschifft, so überrascht ihn an andern Stellen eine Fülle des Lebens, die alle Vorstellung übertrifft. Richt selten verändert sich plötzlich die tiefe Bläue des Meeres in eine schmutzige, röthliche, gelbe oder grüne Farbe, die oft meilenweit das durchkreuzende Schiff begleitet und von unzählbaren Millionen kleiner Seegeschöpfe herrührt. Sie kommen, man weiß nicht woher, sie gehen, man weiß nicht wohin? Das nächste Schiff, welches durch dieselbe Flache seine Gleise zieht, findet sie vielleicht schon krystallrein und von keinem Leben verfärbt. So erzählt uns Kittlitz unter andern von einer merkwürdigen Erscheinung, die ihm auf dem großen Ocean begegnete. Er hatte den A9. Grad nördlicher Breite überschritten und bereits angefangen, die kühleren Lüfte der nördlichen gemäßigten Zone zu genießen, als bei frischem, wenn auch nicht eben heftigem Winde, das Meer weithin bedeckt erschien mit Myriaden fee-blasenartiger Thiere, die sämmtlich zu einer Art der Gattung Velclla gehörten. Sie war etwas größer, als die atlantische Art und mit Ausnahme des durchsichtigen oberen Theils von schön ultramarinblaurr Farbe. Zwei Tage lang wurde ein Meer durchschifft, welches, so weit ras Auge reichte, mit diesen Thieren bedeckt war — da änderte sich plötzlich die Scene. Statt jener Velellen und unmittelbar in ihren Schwärm sich eindrängend, zeigten sich nun in langen, stets parallel auf einander folgenden-Linien, schwimmende Klumpen, deren jeder die Dicke zweier zusammengeballter Fäuste haben mochte, und die aus jenen merkwürdigen Entenmuscheln oder Bernikeln (I.osM8 i'aLoloniitt-i) gebildet waren, welche nicht selten durch ihr Anheften und starkes Vermehren an den Schiffsseiten den Lauf eines Fahrzeugs wesentlich verlangsamen. Man weiß, daß diese Thiere, wie so manche andere Seegeschbpfe niederer Ordnung — die Austcr z. B. — ihren Lebenslauf frei schwimmend beginnen und daun mit ihrem fleischigen Fuße sich irgendwo anhängen und festwachsen, worauf der kopflose, größtenthcils in einer halb offenen Muschcl verborgene Körper sich in der Nachbarschaft umherbewegt, um mit seinen ?4 gegliederten Fangarmen Beute zu machen. Die schwim- 12 menden Bündel schienen dadurch entstanden zu sein, daß die Entenmuscheln sich an das knorprlichte Rückenstück einer Velella, den Ueberrest eines aufgefressenen Exemplars anhingen, welches nun der Mittelpunkt des schnell anwachsenden Haufens geworden war. Die größten, wie es schien, völlig ausgewachsenen dieser Muschelthiere hingen ganz unten, während die zum Theil sehr kleinen jüngeren in den Zwischenräumcn mehr nach oben hin Platz fanden. Alle waren um die Wette beschäftigt, diejenigen Velellen, in deren unmittelbare Nähe sie der Strom trieb, zu verzehren. — Die Angriffswerkzeuge waren gewöhnlich von diesem Ranbe blau gefärbt und die Masse der Vclellen schwand zusehends, indem sie dieser neuen Bevölkerung Platz machte. Das größere Gewicht der schwimmenden Klumpen mochte bewirten, daß der Strom sie allmälig immer weiter in den Echwarm der Velellen hinein trieb, dessen gänzliche Vertilgung auf diese Weise bevorstand. Wieder zwei bis drei Tage hindurch hatte man nun den wunderbaren Anblick dieser vielfach belebten und dennoch ganz der Gewalt des Stromes überlassenen, , schwimmenden Bündel; man mußte erstaunen über die Regelmäßigkeit, mit welcher die unabsehbaren Vinien in stets gleichen Abständen auf einander folgten. Erwägt man, daß die Strecke des Meeres, die mit beiderlei Thieren dicht übersäet war, zum mindesten die Ausdehnung von vier Breitegraden hatte, so kann man sich einigermaßen eine Vorstellung von ihrer schwindelerregenden Anzahl machen. Unmittelbar nach ihnen lamen aber Schaaren von Delphinen und Pottfischen, die augenscheinlich jenen Bündeln in eben der vertilgenden Weise nachgingen, wie sie selbst den Velellen. Wie oft mögen sich solche großartige Beispiele der zerstörenden Völkerwanderungen, welche die Thierwelt des Meeres darbietet, auf einem Ocean wiederholen, der fast den dritten Theil der ganzen Erdflache einnimmt! Vcrtilgungs-lriege. die kein menschliches Auge sieht, odcr der Waljäger, ohne sie zu beachten, durchsegelt! So wie in den Tiefen des Meeres jede Thierform auf bestimmte Zonen angewiesen ist, so wechseln auch die Gestalten der darüber hinschwebenden Vögel. Hat man, vom Enden segelnd, die Region des wandernden Albatroß verlassen, so kommen der rothschwänzige Tropikvogel (I'i^otol, ^woniouruL) und der hochfliegcnde Frcgattenpelikan oder Seehabicht zum Vorschein. Dieser liebt es über der Mastspitzc des Schiffes zu schweben und mit seinem Schnabel Stücke aus dem Wimpel zu reißen. Bei bewegtem 13 Meere genießt er reichliche Mahlzeiten, bei ruhiger See ist, aber das Fischen minder ergiebig und dann greift er die schwächeren Tölpel und Tropikvogel an, deren Taucherfertigkeit sie befähigt, zu jeder Zeit sich Nahrung aus drm Wasser zu holen. Das glänzend weiße Gefieder des prächtigen I'k.iow» piloc,>!j,«u,'u5 zeigt nur bei einzelnen wahrscheinlich jüngeren Exemplaren kleine schwarze Querflecken, bei allen aber läuft von dem starken mennigrothen Schnabel an, durch die Augcn ein schwarzer Streif; besonders bezeichnend sind die zwei langen schmalen, zinnoberroth überlaufenen mittleren Schwanzfedern. Man sollte es den verhältnißmäßig gar nicht stark erscheinenden Flügeln dieses Vogels nicht ansehen, daß der Schöpfer ihn gleichsam zum immerwährenden Fliegen bestimmt hat. Nie sah Kittlitz einen sitzen oder auch nur schwimmen und alle flogen stets so hoch über der Wasserfläche, daß sich auch gar keine Neigung zum Schwimmen bei ihnen kund gab. Räthsclhaft ist es noch immcr, wo dieser Vogel, der vorzugsweise in den von allen Küsten entferntesten Mecrcsstrccken lebt, die Nachte zubringt, ob er schwimmend schläft oder irgend einen einsamen Felsen aufsucht. Die Seevögel, die sonst kein anderes Interesse für den Schiffer hatten, als das; sie dazu beitrugen, dic Einförmigkeit einer langen Fahrt zu unterbrechen, haben seit den letzten. Jahrzehnten als G ua no-Fabrikanteu eine früher ungeahnte Wichtigkeit erlangt. Ihren Brüte- und Versamm^ lungsplatzen mitten im Schooß des großen Oceans wird emsig nachgeforscht', ehemals verachtete Felsen- und Corattenrisse sinv als Düngerniederlagen zu mehr odec weniger werthvollen Besitzungen geworden, und stellt es sich heraus, daß die Güte des dort gefundenen Guano's das Sammeln lohnt, so dürften bald neue Schätze den Einöden des großen Oceans entsteigen und noch mehr dazu beitragen, den dort rasch sich hebenden Verkehr zu beflügeln. Unter den wichtigeren Meereserzeugnissen dürfen auch die Schildkröten nicht vergessen werden, deren hornige Schalen auf so manchen Inselgruppen vom erwerblustigen Schiffer eingetauscht werden, oder deren Fleisch und Oier nach langer Entbehrung der frischen Speisen ihm doppelt wohlschmeckcn. Die Perlen des großen Oeeans haben zwar keinen so bedeutenden Ruf wie Diejenigen des indischen Meeres, doch werden auch hier Prachtexemplare gefunden, die Tausende werth sind, und die Perwnuttrr oon Paumotu und den Earolincn hat schon mehr als einen Speculanten bereichert, der mit seinem Schiffe sich unter jene gefährlichen Corallemiffe wagte. 14 Die von unsern Fischern verachteten Seegurken oder Holothurien, jene auf dem Meeresgrunde vermittelst zahlreicher Saugfüßchen langsam wie die Würmer umherkricchenden und den Seesternrn, trotz ihrer sehr unähnlichen länglichen Gestalt nah verwand ten Strahlenthicrc gehören bekanntlich zu den ausgesuchtesten Leckerbissen der Chinesen und werden schon seit den ältesten Zeiten von den Malayen des indischen Oceans für den Markt von Canton gesammelt, aufgeschlitzt, gereinigt und in Echmorlesseln gedorrt. In den Lagunen u,nd auf deu Nissen Polynesiens weit und breit finden sich große eßbare Arten — vom Fidschi Archipel bis Paumotu und von den Marianeu bis Radack. Doch die dürftigen Bewohner der Coralleneilande kennen nicht den Genuß dieser Thiere, nach welchen die chinesischen Wollüstlinge so gierig sind, und darben, oft ohne versucht zu haben, den Hunger mit diesem ekelhaften Wurm zu stillen. Erst in neueren Zeiten ist der Trepang oder das dieke äo mar (so heißen die Holothurien in der Sprache des Verkehrs) auch auf diesem Gebiet zum Gegenstande eines lebhaften Handels geworden. Englische und amenkanische Seefahrer dingen anf Paumotu wie auf den Carolinen die Insulaner, um nach jenem Sregewürm zu tauchen und bezahlen mit Eisen und andern europäischen Waaren die geleisteten Dienste. Den gesammelten Trepang verkaufen sie alsdann in Canton oder Shanghai mit ungeheurem Nutzen und verwanden ihn in Thee oder Seide für den europäischen Markt. So wird ein elender Wurm zu einem Mittel der Volkerbildung und auch deu Hotothurien ist es zu verdanken, daß die englische Sprache auf manchem abgelegenen Eilande des großen Oceans sich Bahn bricht. Rechnen wir aber alle Producte des großen Oceans zusammen — Walrath, Thran. Schildpat, Perlen, Pcrlemuschel und Trepang — und denken wir uns die vielen taufende von Menschen, die hier eine einträgliche Beschäftigung finden, so wie die nngeheuren Capitalien, welche alle diese Handelszweige mittelbar und unmittelbar in Bewegung setzen, dann kann uns ein Meer, desscu Gabeu so belebend auf unsere Seestädte und Fabriken zurückwirken, nicht mehr als cin fremdes erscheinen, und mit höherer Theilnahme verfolgen wir die Schicksale der polynesischen Volker, die ein steigender Verkehr immer tiefer und tiefer in den Strom der enropäischcn Weltbewegung mit sich fortreißt. 15 Zweites Kapitel. Dcr PoMschfunli im prosten Dcean. Der Pottfisch. — Fettreickthum dcö Kopfes. — Pottsischjagd. — Nahrung des Pott-fiscl'es. — Geschichte der PottfischjaZd. — Gefahren derselben. Aer schönhaarigc Zobel war eö, der zuerst die Kosacken in dir Wildnisse Sibiriens lockte dcr noch kostbarere Seeotter-veranlaßte die Entdeckung der Almuten und dcr Nordwestküste Amerika'S — und wie selten wären auch jetzt noch die weiten Einöden des großen Oceans von weißhäutig cn Schiffern befahren, wenn nicht der dort schwimmende Pottwal oder Cachalot die Harpune des Iagero so reichlich belohnte? Noch andere Thiere wären zu nennen, die einen bedeutenden Einfluß auf die Ausbreitung geographischer Kenntnisse und die Geschicke ganzer Volter ausgeübt haben, doch schwerlich mochte irgend eine? in Bezug auf die Wichtig-keit seiner historischen Nolle das letztgenannte mächtige Säugcthier übertreffen. Kein anderes Erzcugniß des großen Oceans bringt die Inselgruppen Polynesiens in so lebhaften Verkehr mit den großen Handclsvölkern am atlantischen Seebeckcn; dem Missionar und dem Eroberer ging der Pottwal-jäger voran, und wenn jetzt Städte aufblühen und christliche Bethäuser er-richtet werden, wo noch vor kurzem Menschenopfer vor fratzenhaften Götzenbildern bluteten, so hätten alle diese Veränderungen und Umwälzungen im Leben Oceaniens wohl nimmer ohne die Gegenwart des Cachalots im tropischen großen Weltmeer stattgefunden. Ein sowohl geschichtlich als in manchen andern Beziehungen so merkwürdiges Thier Verdi cut wohl eine längere Besprechung, und hoffentlich wird der Leser den muthigen Männern nicht ungern folgen, die das ferne Ungeheuer bis zu unsern Gegenfüßlern aufsuchen. An Korvermassc steht der Pottfisch dem grönländischen Bartrnwal nicht nach, da man ihn schon von einer Länge von 76 Fuß bei einem Umfang 16 von 38 gefunden hat; die Exemplare jedoch, die gewöhnlich unter der Harpune verbluten, erreichen selten eine größere Länge als 00 Fuß. Aber nur das Männchen wächst zu diesem Niesenmaß heran -. das Weibchen geht nicht über 30 oder höchstens 35 Fuß hinaus, so daß hier ein größeres Mißvcr-hältniß zwischen beiden Geschlechtern, als bei irgend einer andern Walsischart obwaltet. Die Form des ungeschlachten Thiers ist unsymmetrisch und kann wegen des Mangels aller anderer Hervorstehender Organe, als des Schwanzes und der Brustsinnen kaum mit etwas anderem als einem dunkeln Felsblock oder dem Stamm eines Riesrnbaumes verglichen werden. Die vorwiegende Farbe ist mattschwarz, au einigen Theilen und besonders am Bauche und am Schwänze erscheint sie jedoch weiß. Die Oberfläche des nach vorne hin senkrecht abfallenden, fast viereckigen, ungehenren Kopfes, so wie die dcs Rumpfes zieht sich eben und glatt bis etwa zum letzten Drittel des Rückens fort, wo ein pyramidalischcr Höcker, oder eine falsche Finne gänzlich aus Fett bestehend sich erhebt, welcher 7 oder 8 ähnliche, aber kleinere Knollen längs dem oberen Schwanzraude bis zum Ursprung dcr Schwanzflosse folgen. Die dicht hinter dem Kopfe stehenden Brustfinnen sind von dreieckiger Form und klein im Vergleich zur Größe des Thieres, da bei einen !>0 Fuß langen Cachalot Vcnnett sie nA 3 Fuß lang bci einer Breite von 2 Fus; antraf. Was ihnen an Größe abgeht, ersetzen sie jedoch durch ihre Ge lentigkeit. da sie sich frei nach allen Richtungen biegen und bewegen können. Um so riesiger ist dagegen die bis 19 Fuß breite Schwanzfinne, deren Bewegungen wegen der großen Biegsamkeit des Rückgrats sehr ausgedehnt sind, Während man ihre Kraft an den ungeheuren Bündeln von runden Sehnen ermessen kann, die an jeder Seite längs den Lenden fortlaufen, um sich an der Schwanzflossenbasis zu befestigen. Sei es, daß letztere in fröhlichem Uebermuth oder im heftigen Zorne geschwenkt wird, stets sind ihre Bewegungen leicht und rasch, und wenn sie die Oberfläche des Oceans peitscht, hallt cs wie lauter Donner in weiter Ferne dahin. Mit Hülfe diefes Organs bewegt sich der Pottwal auf eine ganz entgegengesetzte Weise wie der Hummer fort; denn während letzterer rückwärts schwimmt, indem er von hinten nach vorne das Wasser mit seinem rasch unter dm Leid sich zusammenkrümmenden Schwänze schlägt; zieht jener, gleich allen anderen Walthiercn, durch eine schräge Bewegung die breite Flosse 17 langsam an sich und schnellt sie dann kräftig zurück, wodurch rr mit einem wellenförmigen oder springenden Gange vorwärts getrieben wird. Bedient " sich drs Schwanzes als Waffe, so krümmet er ihn in einer dem Gegenstände, nach welchem er zielt, entgegengesetzten Richtnng, so daß der Schlag durch die Gewalt des Zurückprallens« erfolgt. Das Auge ist kaum größer als das eines Ochsen; die äußere Oeffnung des Gehörganges eine lleine Längsspalte ungefähr einen Fuß hinter jenem und etwas niedriger gelegen. Das oben und vorn auf der Schnauze mündende Luftloch ist etwa 8 bis 10 Zoll lang und wie die Ocssnuug auf dem Resonanzboden einer Violine geformt. Die Ränder sind dick, abgerundet und dicht anschließend, so daß es der Anstrengung der starken Muskeln, womit sowohl das äußere Nasenloch als der ganze Canal umschlossen find, bcrarf, um bei jedem Vinathmcu dcn vollen ^uftstrom einzulassen. Beiläufig gesagt mündet bei den Walthieren die Luftröhre nicht wie bei uns in die Mundhohle, sondern setzt sich in den Spritzcanal fort, von welchem sie eng umschlossen wird. Deßhalb können auch stimmähnliche Tone nur durch das einfache (Pottfisch) oder doppelte (Bartenwal) Lustloch ausgestoßrn werden, welches mit Klappen beschwert, offenbar sich nur wenig zur Mittheilung derselben anschickt. Scores by versichert, daß der grönländische Wal ganz stimmlos ist, und der nicht minder zuverlässige Bennett, der so häufig Pottsische im Zustande des höchsten Schmerzes und Schreckens beobachtete, hörte nie einen lauteren Ton, als den dcs gewöhnlichen Athmens. Herr Ionad ^taiuus ist also schr im Unrecbt, wcnn er bei seiner Schilderung des Malstromes die vom übermächtigen Strudel ergriffenen Walthiere, bci ihren fruchtlosen Anstrengungen sich den wirbelnden Gewässern zu entziehen, so fürchterlich brüllen und heulen läßt, „d a ß e s ganz unbcschreiblich sei." Wenn der Oberkiefer des Pottfisches zu einer ungeheuren Unform sich erhebt, so gleicht der Unterkiefer einem riesigen Vogelschnabel, der so lang und dünn unter dem Maule sitzt, wie etwa der Rüssel des Elephanten darüber. Bci geschlossenem Munde verbirgt er sich fast ganz unter dem herabhängenden Rande des Oberkiefers. Wahre und brauchbare Zähne befinden sich nur an ihm. Spitzig, nach hinten und etwas nach innen gerichtet, treten sie ungefähr zwei Zoll aus dem Zahnfleisch hervor, in welchem, so wie in 'hrcn knöchernen Kicfergchäufen sie tief eingebettet sind. Entsprechende Höhlen m den weichen Theilen, welche den Rand des Oberkiefers bedecken, nehmen Hcü'Iwig, sic Inseln fcö nicchcn Oreans. ^ 18 sie beim Schließen des Mundes auf. Ihre Anzahl ist merkwürdiger Weise verschieden, nnd scheint unabhängig von Größe, Alter und Geschlecht; so daß Bennet aus jeder Seite des Kiefers oft nur 19 oder 20, in andern Fällen aber bis zu 24 oder 26 vorfand. Bei den alten Männchen werden sie sehr groß und stark und erreichen ein Gewicht von 2 bis 4 Pfund. Der Schnabel ist also, wie man sieht, nickt übel bewaffnet. Der ungeheuere Vordcrkvpf des Pottsischcs wird wohl mit einer entsprechenden Gchirnmasse versehen sein? Mit nichten! — denn dazu läßt das dort angehäufte Fctt nur wenig Raum. Eine zusammenhängende, weiche, gelbe ölige Masse, im Waljäger-Rothwälsch Iunk genannt, die unmittelbar übcr dem Oberkiefer liegt und den vorderen und unteren Theil der Schnauze bildet, wiegt manchmal nicht weniger als fünf oder sogar sechstausend Pfund. Im vorderen und oberm Theil des Kopfes finden sick der Hauptsack (Kasc) und sein Anhängsel. Er entspricht fast der ganzen Länge des Spritzcanals und enthält in den großen Zellen seines losen Gewebes eine klare ölige Flüssigkeit, deren Masse mitunter bis an die 500 Gallonen oder etwa 2500 Flaschen beträgt. Eine so ungeheure Anhäufung leichten Fettes dient offenbar dazu, dcm Thiere eine richtige Lage beim Schwimmen zu verschaffen, das Erheben dcs Luftlochs über die Meeresoberfläche zu erleichtern und der Schwere der knöchernen Kopftheilc das Gegengewicht zu halten. Die schwarze Haut des Pottfisches besitzt starke alkalische Eigenschaften, sowohl im frischen Zustande als zu Asche verbrannt: ein Reichthum au Laugensalz, der in demselben Gewebe auch bei andern Walen sich wiederfindet. Diese Eigenthümlichkeit gereicht dem Jäger zur großen Bequemlichkeit, da sie ihm erlaubt, scin Schiff und seine Kleider leicht vom Ocl zu reinigen, mit welchem die Haut sich sofort zu einer Seife verbindet. Unter dieser oberen Hautschicht liegt bekanntlich eine 4 bis 6 Zoll dicke Fettlage, zwar bei weitem nicht so beträchtlich als beim großen Bartenwal, aber dennoch dcm Fänger nächst dcm überwiegenden Reichthum dcs Kopfes cinc höchst willkommene Beute. Wenn dcr grönländische Wal. nur in einzelnen Paaren die eisigen Meere durchstreicht, so bildet der gesellige Pottfisch oft Heerden (Schools, Schulen) von 20 bis 50 Stück aus Weibchen oder Kühen bestehend, von ihren Jungen begleitet, und unter dem Schutze eines mächtigen, vollausge- 19 wachsenen Männchens oder Bullms, der gewöhnlich zur Vertheidigung hinter der fliehenden Schule zurückbleibt. Co wiederholt sich in den Gefilden des Oceans dieselbe Erscheinung wie bei den Rudeln und Hcerdcn unserer Wälder und Tristen. ^n kleineren Gesellschaften oder Pods von 5 biß si Stuck streichen die juugen oder halbausgewachsenen Männchen umher, welche die Eifersucht der Alten von der mütterlichen Hecrde vertrieb. Endlich gibt es noch griesgrämige Einsiedler, die fern von ihres Gleichen die Einöden des Oeeans durchziehen. Zwei lder mehrere Schulen vereinigen sich zuweilen zu einem bedeutenderen Haufen, so daß Bennett öfters einige Seemeilen weit rund Um das Schiff überall eine fortlaufende Neihe von Dampf- oder Wasserstrahlen dem Meere entsteigen sah. Diese grossen Bereinigungen schwimmen zuweilen schnell nach einer bestimmten Richtung fort, häusig aber sonnen sie sich oder schlafen ruhig an der Oberfläche, gemächlich spritzend und alle Zeichen von sich gebend, daß sie sich auf ihren flüssigen Weideplätzen voll« kommen zu Hause fühlen. Wenn die Harpune ihn zuerst durchbohrt, reifst der Pottfisch das daran befestigte Boot mit einer Schnelligkeit von mehr als 15 Seemeilen in der Stunde nach sich fort, doch eine solchc Anstrengung ist nur die Folge der äußersten Aufregung, renn unter dem Einfluß eines gewohnlichen Schreckens legt er höchstens 6 oder t0 Meileu zurück. Durch Segel und Ruder fortgetriebene Boote, oder ein Schiff, welches den Vortheil cincr starken Brise genießt, ereilen ihn oft oder zwingen ihn durch ihr nahes Herankommen, sich in die Tiefen des Oceans zu flüchten. Beim schnelleren Schwimmen zertheilt er leicht und majestätisch die Wogen mit erhobenem Kopf und ruckweise auftauchendem Rücken. Zuweilen sieht man einen flüchtenden Trupp von Pottwalen wie eine Reiterschwadron in langer Linie dahin ziehen, und mit der ihnen eigenthümlichen springenden Bewegung gleichzeitig oder rhylh« Misch steigen und sinken — ein Schauspiel, welches bekanntlich der Delphin 3"r oft in unseren Meeren gewährt. Höchst ergötzlich ist der Anblick einer wuthwillig sich tummelnden Pottwalheerdc. Dann ficht man zuweilen eins ^'l größten dieser Thiere, mit der Schnellkraft eines Lachses einige Fußhoch "us dem Wasser springen und den erstaunten Seevögcln einige Augenblicke seine ganze Riesengroße vorzeigen; während andere des Kopfes Unform senkrecht erheben. oder mit hin und hergeschwungencm Schwang deß Meeres 20 Oberstäche peitschen, so daß man glauben sollte, die weißschäumende Brandung schlage gegen schwarze Klippen an. So lange der Pottwal oben schwimmt, stößt er, lautschnaubend und regelmäßig, alle 10 oder 15 Secunden eine dichte weiße Dampfsäule oder Dunstwolke, etwa wie diejenige, die einer Locomotive entweicht, aus dem Spritzloch l> oder si Fuß hoch her-vor-, doch kann er über eine Stunde unter dem Wasser bleiben. Seine Hauptnahrung besteht aus den verschiedenartigen Kopffüßlern (Cuttcl-, Tintenfischen), die in ungeheurer Anzahl den tropischen Ocean bevölkern. Wenn er von den Booten angegriffen wird, entladet er sie oft massenweise unter dem Einfluß des Schreckens, auch findet man sic nach dem Tode im Magen. Darunter trifft man bisweilen Stücke von erstaunlicher Größe und Gewicht, die doch nur Körperfragmenle irgend rincs riesigen Cuttrlfischcs sind. Alsdann erscheint es einem um so glaubwürdiger, daß es derartige Thiere gibt, die, wie Neisende im indischen Ocean behaupten, mit ihren langen Fangarmen den Fischer ans seinem Nachen reißen tonnen. Doch auch eigentliche Fische frißt der Cachalot, denn man hat ihn oft Kabeljaus und sogar kleine Haie auswerfen sehen. Wegcn der großen Hervorragung des Oberkiefers mochte der Pottfisch vielleicht genöthigt sein, sich auf die Seite oder den Rücken zu legen, wenn er irgend eine größere Beute ergreifen will — eine Vermuthung die dadurch bestärkt wird, daß wenn das Thier ein Boot mit dem Maule angreift, es sich stets umwälzt, den Unterkiefer über den Gegenstand erhebend, nach welchem es schnappen will. Wie die meisten Landsäugrthicre, die heerdenwcise beisammen leben, ist auch dcr Pottfisch von furchtsamer Natur. Ein Trupp in ihrer Nähe heruin-springcnder Delphine reicht schon hin, eine ganze Schule in die Flucht zu treiben, Daher muß auch der Jäger sich ihnen sehr behutsam nahen. Verdacht der Gefahr geben sie dadurch zu erkennen, daß sie zuweilen das Spritzen unterlassen; offenbar horchend, bewegungslos auf dem Wasser liegen oder auch wohl den Kopf senkrecht erheben, um ein weiteres Gesichtsfeld zu gewinnen. Bei der Verfolgung zeigen sich bei ihnen zwei Grade des Schreckens. Der eine treibt sie an zur rasendsten Eile; der andere überwältigt und lahmt sie. Bei der dvohcnden Nähe des Feindes oder wenn einer aus ihrer Mitte 21 schon verwundet ist, sieht man sie zitternd sich zusammendrängen, oder sie machen nur verworrene und unentschlossene Versuche zum Kntfliehcn. Der erfahrene Walfänger hütet sich wohl, eine zu geringe Meinung von der Sinnenschärfe des Pottsisches zu haben. Die Kraft des Sehens wird für größer gehalten, als die des Gehörs nnd obgleich er stets bemüht ist, sich seiner Beute so still als möglich zu nähern, so verwendet doch der Jäger die größte Sorgfalt darauf, daß sein Boot nicht vor das Auge des Thieres komme nnd sucht daher beständig die gerade Linie mit der Schnauze oder dem Schwänze zu behaupten. Man hat ^en Pottsisch im Mittelmerr gefunden und einer ist sogar schon M der Themse gefangen worden; er kommt überhaupt im wärmeren Oecan vor, sein Hauvtrcvier jedoch sind die Ae0 Pfund für das Schiff und die noch übrig gebliebenen Vorräthe gerechnet werden. Es hat daher, wenn alles nach Wunsch geht, während seiner drei- bis vierjährigen Campagne, seinen Werth verdoppelt, doch gehört nur die eine Hälfte der Ladung dem ausrüstenden Kaufmann-, in die andere theilt sich je nach Rang und Fähigkeit die Mannschaft. Man begreift, daß bei einem so waghalsigen Geschäft, welches die volle Energie des Menschen in Anspruch nimmt, der mattherzige Tagelöhner nicht an seinem Platze wäre: Erfolg ist nur dort zu erwarten, wo alle Theilnehmer beim glücklichen Fange ihres angemessenen Lohnes versichert sind. Das Deck eines solchen SüdseefahrerS bietet einen ganz anderen Charakter, als das eines gewohnlichen Handelsschiffes dar. Außer der größeren Anzahl Boote, die dort Platz finden muß secinsulancrn so hoch geschätzt werden, und der gewaltigen Knochen, aus welchen die Mannschaft in ihren Mußestunden manche Gegenstände zum Nutzen und zur Zierde zu verfertigen pflegt. Ist der Cachalot sehr groß, so werden die Speckmassen des Kopfes getrennt und an Bord gezogen, da der Iu nt allein so schwer wiegt, wie der Hauptmast nur tragen oder die Mannschaft an der Winde mir heben kann. Den Hauptsack (Cafe) aber hängt man senkrecht an die Schiffsscite auf, und entleert ihn mit einem Eimer, dcn man mit einer langen Stange hineinstößt und mit einer Winde heraufzieht. Nur bei kleineren Fischen wird der ganze Kopf an Pord ge-zogen. Zur Zerstückelung eines Individuums gewöhnlicher Große bedarf es 3 bis 5 Stunden. Beim Kochen wird der Kopf als das kostbarste znerst vorgenommen, und dessen Produtt vom übrigen abgesondert, da er den meisten Wallrath enthält, aus welchem bekanntlich vortreffliche Kerzen gegossen werden. Der rohe Wallrath, wie er aus dem Sack gewonnM wird, ist eine durchsichtige, fast farblose, geruchlose Flüssigkeit, von mildem Geschmack, ungefähr wie der dcr frischen Butter. Er gerinnt nicht bei der gewöhnlichen Tropentcmpe-ratur und bildet ungefähr den sechsten Theil des ganzen gewonnenen Fettes. Das flüssige Pottfisch- oder Spermol ist das reinste aller thierischen Fette, die im Handel vorkommen, und dient besonders zum Verbrennen in Stubenlampen und zum Einschmieren der Dampfmaschinen. Außerdem liefert bekanntlich der Pottfisch das wohlriechende Ambra, welches nichts weiter als' eine krankhafte Darmabsonderung ist, aber dennoch mit Gold ausgewogen wird. Man findet es gewohnlich zufällig auf dem Meere schwimmend, denn wcgen der Schwierigkeit und der Ungewißheit des Erfolges wird selten die Cachalotleiche darnach untersucht. -7 Beim Auskochen ist die Hauptgefahr von einem starkeil Regen zu befürchten, der die siedende Masse zum Auswallen und Ucberfließen bringen konnte; so daß man oft dadurch gezwungen wird, das Feuer zu löschen und dem Kochen Einhalt zu thun. Tonst wiro Tag und Nacht gefeuert, wozu die ausgebratenen Uebcrbleibsel das trefflichste Material liefern — denn es handelt sich darum, so schnell als möglich Platz für eine neue Beute zu gewinnen und die vollen Fässer in den unteren Schiffsraum hinab zu lassen. In ungefähr drei Tagen ist auf solche Weise der größte Pottsisch beseitigt, der bis an die 90 Fässer Ocl gibt, während der gewohnliche Durchschnitt nur 20 bis 30 beträgt. Man kann sich denken, daß bei einer so gefährlichen Jagd Unglücksfälle nicht selten vorkommen, es gibt sogar unter den Pottfischen kriegerische Naturen, welche den Angriff nicht erst abwarten, sondern noch ehe die Harpune geflogen, sich wüthend auf bie verfolgenden Boote werfen. Einen solchen Brausekopf beobachtete Bennett in der Südsce. Stürmifch hcran-schwimmend, suchte der Pottsisch zuerst durch einen Stoß seiner unförmlichen Schnauze den Feind in den Grund zu bohren, doch geschickt lenkte das Steuer die Schaluppe auf die Seite und das Unthier schoß vorbei. Hierauf rasch umlenkend machte es den Persuch das Boot zwischen seinen Kinnladen zu zermalmen, flog pfeilschnell heran, warf sich auf den Rücken und schnappte danach mit weit aufgesperrtem Unterkiefer. Ein gewaltiger Lanzrnstoß in den Rachen nöthigte zwar den Unhold, den gräulichen Schlund zu schließen,, doch warf er sich gegen das Boot mit solcher Gewalt, daß cr einige Planken einstieß und es fast versenkt hätte. Glücklicher Weise kamen die anderen Boote noch zur guten Stunde herbei und erlegten den Wütherich. Er war 60 Fuß lang und reich an Ocl und Wallrath. Weit öfter aber wird das Leben der Menschen gefährdet, wenn drr Schwanz des Riesenthiers rasch durch die Luft fegt und durch einen furchtbaren Schlag das Boot zermalmt, oder auch wohl im Schwenken den aufrecht stehenden Harpunierer wie eine von der Windsbraut weggetriebene Feder fvrtschnellt. So sahen seine Gefährten den unglücklichen Ijoung, Steuermann des „Tuscan", plötzlich aus ihrer Mitte gerissen, im weiten Bogen hoch durch die Luft fliegen und etwa 50 Ellen weit vom Boote in's Wasser fallen. Dort trieb er unbeweglich noch einige Secunden — und versank dann — z„m Nimmerwiedersehen! 28 Trittes Kapitel. Magellan's Wrllrcisr. Magellan. — Dessen Geschwader, - Schwierigkeiten, mit dencn er zu kämpfen hatic. — Neberwinterlmg on der patagonischrn Küste. -^ Meuterei. — Entdeckung der Magellan Straße. — Fahrt übcv den großen Ocean. — Entdeckung der Desventuradas, der ?adroncn und dcr Philippinen. — Schlacht von Matam. — Magellan's Tod. — Ermordung der spanischen Offn'iere durck den Sultan von Zebu. — l5l Vano setzt die Reise fort und vollbringt die erstc Weltumsegelung. Wer MU von großen Männcrn und großen Thaten liest, wird gewiß mit regem Interesse den Spuren deo Mannes folgen, der zuerst den unermeßlichen stillen Ocean von Ost nach West durchfurchte und der ersten Welt-umseglung seinen Namen gab. Ferdinand von Magellan, ein Portugiese aus edlem Stamm, dessen Geburtsort und Geburtsjahr die undankbare Geschichte verschweigt, hatte fünf Jahre in Ostindien unter seinem großen Landsmann Albuquerque ge« .dient und sich rühmlich in der Schlacht von Malacca ausgezeichnet (1510). Da ihm jedoch sein Vaterland die Anerkennung versagte, die seinen hervorragenden Verdiensten gebührte, trat er in spanische Dienste, wo der weitsichtige Cardinal .Nmenes und Karl der Fünfte, ein junger, für das Groj^ artige empfänglicher Monarch, seinen kühnen Entwurf, eine neue westliche Fahrt nach den Molutten zu eröffnen, günstig aufnahmen und zu dessen Ausführung ein nach den damaligen Begriffen nicht unbedeutendes Geschwader ausrüsten ließen. Es bestand aus fünf Schiffen: der Trinidad von 180 Tonnen und 62 Mann, welche Magellan selber befehligte; dem San Antonio von 130 Tonnen und 55 Mann; der Vitoria von 90 Tonnen und 45 Mann; der Conception von 90 Tonnen und 44 Manu und endlich dem San Jag» von 80 Tonnen und ^0 Mann; jämmerliche Nußschalen, wie man sieht, sür noch ungebahnte Wege durch's weite Meer. 29 Zu den von einer solchen Unternehmung unzertrennlichen Gefahren kam noch für Magellan die besondere Schwierigkeit hinzu, daß die Befehlshaber der anderen Schisse ihn um so bitterer haßten, da er außer seinen überwiegenden Verdiensten auch noch ein Fremder und ein Portugiese war. Am 20. Sept. 1519 segelte das Geschwader aus dem Hafen von San Lucar, nachdem Magellan sich vorher mit den Befehlshabern der andern Schiffe über die nothwendigen Tag- und Nachtsignale verständigt und die Ordnung des Segelns vorgeschrieben hatte, wonach die Capitana, wie man das Hauptschiff „La Trinidad" nannte, stets den andern vorangehen sollte. Am 2. Oct. verließen sie Teneriffa und steuerten nach Südwestrn, doch sHon am folgenden Tage richtete Magellan den Cours nach Süden, zur großen Unzufriedenheit der Officirre, da dieses der getroffenen Verabredung zuwider war. Juan de Cartagena, Befehlshaber des „San Antonio", erkühnte sich sogar, ihm Vorstellungen darüber zu machen, erhielt aber zur Antwort, daß es seine Pflicht sei, der Richtung der „Capitana" zu folgen und sich aller Bemerkungen zu enthalten. Der südliche Cours brachte sie indcssen der afrikanischen Küste so nahe, daß, nachdem sie die Vinie überschritten hatten, sie 20 Tage durch Windstillen aufgehalten wurden und dann noch einen Monat mit schlechtem Wetter und ungünstigen Winden zu tampfen hatten. Ueber diesen ersten Theil der Reise werden von Pigafetta, einem italienischen Edelmann, der sich der Expedition angeschlossen hatte und dem" die Welt die erste Beschreibung derselben verdankt, gar wundersame Geschichten berichtet. So erzählt er, daß es auf Teneriffa niemals regne, aber ein großer Baum dort wachse, von dessen Blättern beständig das klarste Wasser herabtlöpfclc, welches in einem Graben am Fuße des wohlthätigen Gewächses gesammelt werdc und einzig und allein den Durst von Menschen und Thieren lösche, da es sonst auf der Infcl weder Quellen, noch Bäche gebe. Dieser Baum sei stets von dichten Nebeln umhüllt, die ohne Zweifel, Meint Pigafetta, den Blättern das herabtröpfelnde Wasser liefern. Auch will er einen merkwürdigen Seevogel gesehen haben, der keine Füße hat und daher auch kein Nest baut. Das Weibchen legt mitten im Meere ihre Eier auf den Nucken des Männchens und brütet sie dort aus! Die Natur war damalö nur wenig erforscht und der Phantasie oder ben Erfindungen der Reisenden blieb dcr weiteste Spielranm eröffnet. 30 Am l3. Dec. ankerten sie in einer brasilischen Bucht i„ 23 "30 S. B. und folgten dann der Küste nach Süden bis zum Hafen San Julia» in Patagonien s4N"30 S. P.), wo Magellan zu überwintern beschloß. Hier hatte cr schon zwei Monate verweilt, ohne irgend einen Menschen zu sehen, da kam plötzlich, wie Pigafelta erzählt, cine riesige Gestalt zum Vorschein, so groß, daß der Kopf dcr Europäer ihr kaum zum Gürtel reichte. Magellan ließ dem Wilden etwas zu essen und trinken geben und beschenkte ihn unter andern mit einem metallenen Spiegel. Als aber dcr Goliatb sein gräuliches roth- und gelbbemaltes Gesicht darin erblickte, trat er so erschrocken zurück, daß er vier Leute umwarf, die hinter ihm standen. Bald erschienen noch ähnliche Giganten, Männer und Frauen, in Huanueofellen gekleidet: aber die Patagonier Pigafrtta's, obgleich immer noch eine der größten Menschenraeen, erscheinen dem nüchternen Auge der neueren Reisenden doch von minder riesenhaftem Wüchse. Auf Magellan's Befehl winden zwei von der Horde ergriffen und mit Gewalt auf's Schiff geführt, eine barbarische Grausamkeit, ivelche damals große Serfahrer sich öfters gegen wilde Völkerschaften zu Schulden kommen ließen und die jetzt höchstens nur noch von den rohesten Walfängern verübt wird. An solchen Thatsachen erkennt man, daß dcr Geist der Humanität seit den letzten Jahrhunderten doch immer einige Fortschritte gemacht hat. und dem Menschenfreunde geben sie gegründete Hoffnungen, daß es in der * Zukunft noch besser weiden wird. Während seines Aufenthaltes im Hafen von San Julian brach die Unzufriedenheit der spanischen Ofsmere in offene Empörung aus. Der San Antonio, die Vitoria und die Konception erklärten sich für den König und Gaspar de Quesada, und nur der San Iaa.o, der von dem Ausbruch der Meuterei noch uichts erfahren hatte, antwortete auf die Anfrage, die der Oeneraleapitän an ihn ergehen ließ, daß er für den König und Magellan sei und diesem gehorchen werde. Es war um den großen Seefahrer gc^ schehcn, wenn er nicht unverzüglich durch das kühnste Einschreiten sein An-sehen wiederherstellte, er bewies aber auch in dieser Krisis seines Schicksals, daß er der rechte Mann dazu sei, allen Stürmen des Schicksals Trotz zu bieten. Sofort schickte er einen seiner treuen 52fsieiere uach der Vitoria mit cincm Brief an dcn Kapitän Mendoza und dem Befehl, diesen während des Durchlesens zu erdolchen, was auch pünktlich ausgeführt wurde, und die 31 augenblickliche Rückkehr der Schiffsmannschaft zum Gehorsam znr ssolgc hatte. Den San Antonio ließ er ohne Weiteres mit Kanonenkugeln begrüßen und entern. Gaspar de Quesada trat in voller Rüstung auf's Verdeck und rief den Seinigen zu, ihm zu folgen. Toch Keiner gehorchte; das Schiff wurde im Nu genommen und die rebellische Notte verhaftet: worauf auch die Conception zur Pflicht zurückkehrte. Gaspar de Qucsada wurde erhängt und Juan de Cartagena, Capitän der Conception, an's Land gesetzt; die übrigen begnadigte Magellan, dessen vollständiger Trinmph es ihm erlaubte, milde zu sein. Schnell wie nach einer Sonnenfinsternis hatte sich sein verdunkelter Stern zu vollem Glänze wieder erhoben. Während des Aufenthaltes in San Julian scheiterte der San Iago, der zur Untersuchung der Küsten nach Süden geschickt worden war, doch die Mannschaft wurde gerettet und auf die vier übrigen Schiffe vertheilt. Am 21. August 1520 setzte Magellan feine Reise in südlicher Richtung weiter fort und erreichte am 21. October ein Vorgebirge (52« S. B.), welches er der Heiligen Ursula zu Khren, anf deren Namenstag die Entdeckung fiel, Oado äc Ins Virgins nannte. Die zwei kleinsten Schiffe wurden vorausgeschickt und kamen nach fünf Tagen mit der Nachricht zurück, daß sie in eine Meerenge eingelaufen seien, deren Ende sie nicht erreicht hätten und in welcher, so weit sie gekommen, die Fluth stärker nach Westen abgeflossen sei als sie von Osten her eindrang. Magellan zweifelte nun nicht, daß dieser Canal nach dem jenseitigen Meere führe, da es sich aber fand, daß die ^ebensmiitel nur noch für drei Monate ausreichten, berief er erst einen Kricgsrath seiner vorzüglichsten Officierc, um unter solchen Umständen durch eigenmächtiges Handeln der Unzufriedenheit nicht neuen Stoff zu geben. Einige waren für das sofortige Umkehren nach Spanien, die meisten jedoch stimmten für die Fortsetzung der Reise, nnd Magellan erklärte mit großer Ruhe, daß wenn es auch dazu kommen sollte, daß sie die Häute essen müßten, womit die Nahen beschlagen waren, es sein fester Wille sei zu beharren und mit Gottes Hülfe dem Kaiser Wort zu halten. Alsdann gab er Befehl mit vollen Segeln in die Meerenge hinein zu fahren, und verbot bei Todesstrafe vom Umkehren oder vom Mangel an Lebensmitteln ferner zu reden. Es war der Sommer der südlichen Hemisphäre, und die Meerenge erschien so schön wie es in jenen stürmischen Regionen nur möglich ist. Hier verengte sich der Canal anf Flintenschußbreite, dort bildeten die auseinander 32 lanscndcn Ufer ausgedehnte Vucbten. An einigen Stellen waren die Gipfel der Berge mit Schnee bedeckt, aber dichte Waldung bekleidete die tieferen Abhänge. Die Feuer, welche die dürftigen Wilden an der Südseite während der Nacht anzündeten, bestimmten Magellan ihr den Namen Feuerland — 1'im-in, clel tucgo — zu geben. Die Meerenge ist bekanntlich keiil einfacher Canal, sondern verzweigt sich in verschiedenen Armen durch ein Labyrinth von Halbinseln und Inseln. An ciner solchen Gabelung wurde der San Antonio zur Untersuchung in den südlichen Durchgang geschickt, wahrend Magellan mit den übrigen Schiffen den nördlichen Arm einen Tag lang verfolgte und alsdann in einem Hafen ankerte, wo viele sardellcnartige Fische gefangen wurden. Sechs Tage vergingeil und nocb ließ sich kein San Antonio sehen. Magellan schickte ihm daher die Vitoria nach, und nachdem abermals drei Tage verflossen waren, machte auch er mit der Trinidad und der Conception sich auf den Weg um den verirrten Heiligen zu snchen, obgleich man kaum mehr zweifeln konnte, daß der San Antonio, wie es auch wirtlich sich verhielt, ausgerissen und auf und davon naeb Spanien sei. So gingen noch sechs Tage verloren, worauf wiederum nach Westen gestencrt wnrde — bis endlich am 27. November das offene Meer erschien — ein langstersehnter Anblick, bei welchem Magellan ssreudenthränrn vergoß. Seine erste Sorge war nun nach Norden zu segelu, um so schnell als möglich aus diesen falten und stürmischen Mecrcsgcgenden in einen milderen Ocean zu gelangen. Am 58. December befand sich das Geschwader in 32" 20 S. P., und da bei der Annäherung der wärmeren Zone auch der Wind günstiger wurde, richtete nun Magellan seinen Cours nach Westen Doch während er mit vollen Segeln in den unbekannten großen Ocean vordrang, hatte sein Geschwader mit der furchtbarsten Noth zu kämpfen. Der Schissszwieback war nicht mehr ein nahrhaftes Vror, sondern ein mit Würmern und Mäuse-excrementen vermischter Staub, das Wasser eine faule stinkende Jauche. Um nicht Hungers zu sterben sah man sich sogar genöthigt, die Stücke Ochscn-haut zu verzehren, welche die Eegelstangcn bekleideten. Das dent Wasser, der Sonne und den Winden ausgesetzte Leder war aber so hart geworden, daß man es erst vier oder fünf Tage in Meerwasscr aufweichen mußte, ehe es geröstet und gegessen werden tonnte. 33 Zuweilen nahm man mit Sägcspänen verlieb, und die sonst den Menschen so ekelhaften Mäuse waren jetzt so gesucht, daß man sie sogar mit einem halben Dukaten das Stück bezahlte. Man wird sich nicht wundern, daß unter solchen Umständen der mörderische Ecorbut zu wülhcn anfing, das Zahnfleisch auflockerte, so daß es sogar über die Zähne sich erhob und das Kauen unmöglich machte, mit grausamen Gliederschmerzen folterte und 1!» unglückliche Opfer hinraffte. Unter diesen befand sich einer der armen Patagonier, der andere, der sich auf dem San Antonio befand, starb ebenfalls auf der Reise nach Europa. Am >'^. Januar 15)21 wurde eine kleine unbewohnte Insel entdeckt, auf welcher nur Vögel und Bäume angetroffen wurden, und die nicht einmal einen Ankergrund darbot. Man nannte sie San Pablo und blieb zwei Tage in der Nähe, um Fische zu fangen. Am ^. Februar ward eine ganz ähnliche kleine Insel erblickt, die man nach der Menge Haifische, die in ihrer Nähe sich aufhielten, I^l-i, ä« 1u» I'lbulcm«^ nannte. Da seine erschöpften und ertränkten Seeleute auf diesen beiden Inseln, die gewissermaßen nur um sie zu verhöhnen auf ihrem langen Wege erschienen, auch nicht die geringste Erquickung vorfanden, erhielten sie von Magellan den Collcetivnamen der Oo^vontlli n,o>,,ii«, -j 34 suchten alles zu entwenden, was ihnen unter die Hände kam, und endlich wuchs ihre Menge und Zudringlichkeit so sehr, daß Magellan Befehl gab das Verdeck zu säubern, was „atiirlich nicht ohne Gewalt vor sich ging. Die erzürnten Indianer griffen nun die Schisse mit Lanzen und Steinwürfen an, und die Spanier, die eben auch nicht geduldig waren, antworteten sogleich mit Musketenschüssen und Pfeilen, wodurch einige der Wilden gctbdtet wurden. Trotzdem fuhren die Schiffer fort vor den Inseln zu kreuzen, und der Tauschhandel wurde lebhaft fortgesetzt, bis es endlich den Wilden gelang ein Boot zu stehlen, welches von dcr ssapitana nachgeschleppt wurde, und dasselbe glücklich ans Land zu bringen. Dieser Diebstahl kam ihnen jedoch theuer zu stehen, denn der erzürnte Magellan landete am folgenden Tage mit 9V Mann, steckte die Häuser der Insulaner in Brand, tödtcte mehrere derselben, und kehrte mit Lebensmitteln reichlich beladen an Bord zurück. Da die Indianer merllen wie viel Unheil ihnen das Boot gebracht hatte, ließen sie es lose auf dem Meere forttreiben, wo es die Spanier bald wieder einbrachten. Nach diesem blutigen Ereignisse beschloß Magellan die Inseln zu verlassen, denen er den Namen 6c> In» Volas latino wegen der dreieckigen Form der Segel, und I^äi-ai, c>« wegen der Diebereien ihrer Bewohner gab. Die Dankbarkeit für die verscheuchten Hungersaualen hätte wohl eine schönere Benennung für die lieblichen Inseln verlangt; auch finde ich, das; Antonio Galvano in seiner Geschichte der Entdeckungen sie als i^o« Raines und Dos I'r«» (Pferd), ln'inon (^amm) und -u-t^ (Brod) als ^ipo, -^ni« und arew wohlklingend und gefällig dem Polynesischen angereiht. Alle diese Fremdwörter werden sehr bald verstanden, da sie täglich in den Schulen erklärt werden und die schnell auffassenden wißbegierigen Eingebornen sich gegenseitig deren Bedeutung mittheilen. Alle volynesischcn Völker haben mchr oder weniger Anlage zu den Künsten der Civilisation. Schon vor Anknnft der Europäer hatten sie, wie gesagt, sich bereits regelmäßige Negierungsformcn angeeignet und gehorchten zum Theil (Hawaii, Tahiti, Tonga) schon auf dem Throne befestigten Dynastien. Sie besaßen Gesetze und Gebräuche, eine Religion mit ihrem Ritual, ihren Priestern und Opfern, theilten sich in Kasten mit gegenseitigen Privilegien und gehorchten einer Etiquette, deren Strenge und Einzelnheiten den Höflichkeitsformen der gebildetsten Völker Asiens und Europas durchaus nicht nachstanden. Zum Kriegsgebrauch waren ihnen die Bogen und Pfeile unbekannt, welche in den Händen der schwarzen Race eine so mörderische Wirkung ausüben; sie ergaben sich fast alle dem Genuß des Kawa, einer berauschen- 49 den Pfefferart (i'Ipor n^t1>)'6Noun/) und unterwarfen sich sämmtlich dem sonderbaren Aberglauben des Tabou, das wirksamste Rcgierungsmittcl, welches vielleicht jemals der Mensch erfand. Im Allgemeinen hatte der Tabou die Bedeutung deß Verbots. Er untersagte das Betreten gewisser Orte, den Genuß bestimmter Speisen, die Berührung verschiedener Gegenstände, den Gebrauch gewisser Worte, das Verrichten dieser oder jener Beschäftigung oder Handlung :c. Wer z. B. den Leichnam eines Häuptlings berührte, wurde mehrere Monate dem Tabou unterworfen und durste dann nicht mit eigenen Händen die Nahrnng zum Munde führen, sondern mußte sich von einem Andern futtern lassen. War er hungrig und Niemand da, der ihm diesen Liebesdienst erweisen konnte, so blieb ihm nichts anderes übrig, als, auf allen Vieren herumkriechend, die Victualien, die er fand, mit dem Munde aufzuheben. Der Tabou war vom verschiedenartigsten Charakter: politisch oder religiös, allgemein oder individuell, von beschränkter Dauer oder beständig. Zuweilen erließ ihn eine fürstliche Laune, zuweilen sprach ihn die Anmaßung des Priesters aus-, nun erschien er als eine Maßregel zum allgemeinen Wohl, und dann wieder als die Schutzwehr eines besorgten Eig'enthümcrs; mitunter senkte er sich über ein ganzes Volk und in andern Fällen ward nur ein Einzelner mit ihm belegt. Besonders hart und häusig traf er die Weiber, denen er manche Genüsse versagte, und welche er manchem lästigen Zwange unterwarf. (5r hatte natürlich im Wesentlichen die größte Aehulichteit mit unseren gesetzlichen und polizeilichen Verboten, denn wenn uns eiue Schildwache mit gefälltem Bajonett den Durchgang rciwehrt, so ist es im Grnnde nichts anderes, als wenn cm Polyuesier an der Schwelle des Tempels, wo die Gebeine seiner Vorfahren ruhen, uns mit drohender Miene das Wort Tabou entgegen riefe: der bedeutende Unterschied war aber, daß während so manche unter uns derartige Verbote auf'v bereitwilligste umgehen, kein Polvnesier es so leicht gewagt hätte, gegen die Vorschriften des Tabou wissentlich zu verstoßen, da er den festen unerschütterlichen Glauben hatte, daß ein solcher Frevel sofort von den Göttern mit dein fürchterlichsten Tode bestraft werden würde. Jeder Häuptling hatte das Recht, seine Untergebenen einein Tabou zu unterwerfen und mußte sich ihn auf gleiche Weife von dem Höherstehenden gefallen lassen. Hatte er aber aus Versehen einen Tabou überschritten, 50 -so konnte ihn wieder nm ein Vornehmerer freisprechen. So legte der Ta-bou eine ungeheure unerschütterliche Gewalt in die Hände der privilegirten Stände und besiegelte durch den Aberglauben die ewige Knechtschaft des Volkes. Was die Mieronesier betrifft, so unterscheiden sie sich im Aeußern von den Polynesian durch eine etwas dunkelere Hautfarbe, ein ovaleres Gesicht, kleinere Augen und eine schlankere Körperform. Der Tabou ist ihnen großtcntheils unbekannt oder hat wenigstens bedeutend von seiner Ausdehnung und Strenge verloren. Es herrscht von einem Archipel zum andern eine große Verschiedenheit der Zungen, die sich wesentlich von der den poly-ncsischen Völkern gemeinschaftlichen Grundsprache unterscheiden. Größtentheils friedlich und anmuthig genießen oder genossen sie vielmehr vor den Polynesien, den Vorzug einer milderen Religion, beten keine Bilder an und opfern unsichtbaren Göttern nur die Erstlinge der Früchte, wovon sie sich nähren. Der Gebrauch des Kawa herrscht nur auf wenigen ihrer Inseln, während das Kauen des Betels und der Areka auf mehreren der westlicheren Gruppen einheimisch geworden ist. In andern Beziehungen nähern sie sich wiederum bedeutend den Poly-nesiern und zeigen uns dasselbe Kastenwesen, dieselbe Kunst des Schiffbaues, dieselbe amphibische Natur, dieselbe Wanderlust und noch eine Menge anderer Aehnlichkeiten, welche offenbar cine sehr nahe Stammverwandtschaft bekunden. So wie es im Allgemeinen schwer halt, die verschiedenen geo- und ethnographischen Regionen scharf abzugrenzen, so finden wir auch zwischen den echt melanesischen und polynesischen Stämmen ein bedeutendes Zwischenglied — d,c Fidschi-Insulaner — eingeschoben, welche die Ausnahme bilden, wovou oben die Rede war. Ihre Farbe, ihre Gesichtsbildung sind zwar entschieden mclanesisch, doch trotz der unsäglichen Barbarei, welche sie in mehrfacher Beziehung befleckt, sind die Fidschianer den westlicheren Völkern ihres Stammes an Kunstfertigkeit und staatlicher Ausbildung, so wie durch den Besitz einer reicheren, wohlklingenderen und regelmäßigeren Sprache weit überlegen und nbeNreffen sie an Intelligenz und körperlicher Schönheit. Ihr ausgezeichneter Schiffbau nähert sie den Polynesiern, und durch den häusigen Verkehr mit Tonga haben sie sowohl manches von ihren östlicheren Nachbarn angenommen, als sie selbst wiederum auf diese einen bedeutenden Einfluß ausgeübt haben. 51 Me diese Beziehungen machten es durchaus nothwendig, eine kurze Schilderung der Fidschi-Inseln trotz des RacenunterschiedeZ auf "die deß Tonga-Archipels folgen zu lassen ^ und ich darf hoffen, daß der Leser mir um so eher Recht geben wird, als es vielleicht durch die seltsamen Widersprüche, die es darbietet, das merkwürdigste Volk ist unter allen, von Welchen im Folgenden die Rede sein wird. Nach diesen allgemeinen Betrachtungen über die Völker des großen Oceans will ich nun schließlich die höchst interessante Frage erörtern, wie es lommt, daß einsame Punkte von verschwindender Kleinheit, wenn man sie mit der ungeheuren Nasserwelt vergleicht, ans deren Schoos sie hervorragen, und oft viele Hunderte von Sermeilen vom nächsten Lande entfernt, dennoch von Menschen bewohnt werden, die durch Körperbildung, Sprache, Traditionen, Sitten, Gebrauche, Kunstfertigkeit unwidersvrechlich beweisen, daß sie einem und demselben Stamme zugehörcn, ganz offenbar Zweige und Aeste eines und desselben Baumes sind? Daß sie Autochthonen oder ursprünglich auf dem Boden entstanden wären, auf welchem man sie gegenwärtig antrifft, ist höchst unwahrscheinlich, denn wenn man auch der jetzt häufig angenommenen Ansicht beistimmen wollte, nach welcher der Mensch nicht von einem Paare hrrstammt, sondern zur Zeit, wo unser Planet znm Wohnsitz von höher begabten Wesen sich zu eignen anfing, an vielen verschiedenen Punkten der Erde in's Leben ge< rufen wurde — so läßt sich doch durchaus nicht annehmen, daß eine solche Schöpfung, die gewissermaßen als der Gipfel einer vielgliederigen organischen Entwicklung angesehen werden kann, auf so unbedeutenden Erdschollen hätte stattfinden können. Die Bildungsgeschichte der Laguneninseln, aus welcher ein allmaliges Senken deß festen Bodens über weit ausgedehnte Räume des großen Oceans sich ergibt, weist zwar auf eine sspoche zurück, wo ungebcure zusammenhängende Länderütassen die Stellen einnahmen, die jetzt nur durch einzelne BergspitM oder C or allen risse bezeichnet werden — und. man hat auch wohl die Ontstehuug der Polvnesier auf jene Zeiten zurückführen wollen', der fast gänzliche Mangel an Säugethicren, die doch gewiß in diesem Falle sich eben so gut auf den Inseln behauptet hätten, wie der Mensch, darf abel wohl als vollgültiger Beweis gelten, daß die Periode, wo jene wcitausge- 52 dehnten oceanischen Länder unter den Flnthen verschwanden, der Schöpfung des Menschen und der höheren Eäugethiere überhaupt vorherging. Daß die Polyncsier, von der Aequatorialströmung und den Passaten begünstigt, von Amerika aus sich verbreitet hätten und dem ^nife der Sonne folgend weiter und weiter fortgerückt wären, bis sie endlich das ferne Asien erreichten — ist nicht minder unwahrscheinlich. Gerade die zum Theil bedeutenden Inselgruppen — wie die Galapagos, Juan Fernandez — die der neuen Welt am nächsten liegen, wurden von den Europäern ganz menschenleer gefunden. Nirgends an der ganzen Westküste von Amerika gibt es ein Volk, welches im Pirogenban oder der Cchiff-fahrtskundc sich auch nur entfernt mit den Polyncsiern messen könnte-, und endlich findet sich die eigenthümliche Civilisation dieser Race bei weitem entwickelter in den westlicheren Gruppen, wie Tonga oder Samoa, als in den ostlicher gelegenen Marquesas, während doch das Entgegengesetzte zu erwarten wäre, wenn der Strom sich von der neuen Welt aus ergossen hätte. So bleibt für die erste Wiege der Polynesier nur noch der Westen übrig — und alles dentct darauf hin, daß man ihre Stammländer im ma-layischen InseltlN'ere zu suchen hat. Im Laufe dieses Werkes werde ich viel< fach auf asiatische Anklänge hinweisen und begnüge mich daher an dieser Stelle, außer der ähnlichen physischen Bildung nnd der Identität des Gesichtsansdrucks, nur noch das hier wie dort Herrschendr Kasteilwesen, die gleiche Behandlung der Frauen, denen eß in Polynesien, Wie in Bengalen verboten war, gewisse Speisen zu genießen oder in der Gegenwart der Männer zu speisen, die grausame Behandlung der kranken, das Opfern der Weiber beim Begräbniß ihrer Gatten anzuführen. Vcsondcrs ist auch noch hervorzuheben, daß die verschiedenen Dialecte, die von Madagascar im Westen bis zm Osterinsel im Osten sich verbreiten, einem und demselben Sprachstamm angehören. Ans allem diesem geht hervor, daß Wenn die mongolische Race einen viel größeren festen Flächenraum einnimmt, die malayische derjenige Volksstamm ist, der auf der Erdkugel sich am allerweitesten ausgedehnt hat. Das Bevölkern so vieler entlegenen Inselgruppen und Eilande konnte auch nur von einer Race ausgehen, die durch eine allgemeine instinctmä'ßige Liebe für das Wasser und das Seewesen fast den Namen cincr amphibischen verdient. Mit einer unwiderstehlichen Neignng zum Wanderleben begabt (wir 53 wissen ja untcr andern, wie bereitwillig Eingeborene von Tahiti waren, Bougainville nnd (Zook in die unbekannte Ferne zu begleiten), weniger fest an der Schrllc llebcnd, als die übrigen Menschen, ging der Pfad deß Ma-laycn über den Nucken des wogenden Meeres, und im ^aufc der Jahrhunderte wurde fast jede Insel des großen Oceans von ihm erreicht und beoölkert, die nur die geringsten Mittel zur Fristung des Lebens darbot. Die zufälligen saunen dcs Windes mögen wohl in den meisten Fallen zur allmäligen Entdeckung und (^olonisirung jener so zerstreuten Lander geführt haben, denn wir wissen ja, daß das stille Meer weit davon entfernt ist, den schönen Namen so unbedingt zu verdienen, den der dankbare Magellan ihm gab, und daß, wenu auch die regelmäßigen Oslwmde zwischen den Wendekreisen die vorherrschenden sind, sie doch auch zu gewissen Jahreszeiten sehr häufig in Weststürme umschlage», die den Seefahrer, welchen ihre Wuth auf dem hohen Meere erfaßt, oft Hunderte von Meilen weit nach Osten vor sich hertreib rn. Man hat mehrfach das Vorherrschen des Passates als einen hinrcichen-ten Grund gegen den asiatischen Ursprung der Polynesier angeführt, doch fehlt es nicht an Thatsachen, welche dieser Theorie widersprechen und den sicheren Beweis liefern, daß der Bevölkerung der Inselgruppen deß tropischen großen Oeeans von Westen her durchaus kein natürliches Hinderniß im Wege steht. Ich begnüge mich. zwei interessante Fälle anzuführen, welche diese Behauptung ganz außer Zweifel setzen werden. Kadu — Chamisso's Freund — den wir später auf Radacl werden lcnnen lernen, war auf einer Neise von Ulea nach Feys mit zweien seiner Landsleute begriffen, als Stürme das Boot von der Fahrstraße abbrachten. Die verschlagenen Serfahrer, wenn man deren unzuverlässigen Zeitrechnung Glauben brimessen will, irrten acht Monde auf offener See. Drei Monde nichte ihr kärglich gesparter Vorrath hin: fünf Monde erhielten sie sich, ohne süßes Wasser, blos von den Fischen, die sie fingen. Den Durst zu löschen, holte Kadu, in die Tiefe des Meeres tauchend, kühleres und ihrer Meinung nach auch minder salziges Wasser in einer Cocosschale herauf. Der Nordost-Passat trieb sie endlich auf die Gruppe Aur (Radael), wo sie sich im Westen von Ulca zu befinden wähnten, thatsächlich aber fast 39 Breitegrade oder ittW Seemeilen östlich davo» entfernt waren. 54 Uebrigens ist dieses durchaus kein vereinzeltes Beispiel, denn aus einer früheren Reise hatte bereits Kadu von einein Greise auf Nap Kunde von Radack und Ralick vernommen: Seefahrer aus Eap sollen einst auf Radack und zwar auf die Gruppe Aur verschlagen worden sein und von da übn-Nugor und U!ea den Rückweg nach Eap gefunden haben. Die Namen Radacl und Nalick waren ebenfalls einem Eingeborncn aus Lamureck be-tannt, den Chamisso auf Guajan antraf. Es werden oft Boote aus Ulea und den umliegenden Inseln auf die östlichen Inselfetten verschlagen, und es lebten damals noch siNl?) auf der südlichen Gruppe Arno der Kette Radack fünf Eingeborne aus Lamureck, die ein gleiches Schicksal auf gleicher Bahn dahingcfnhrt. Auf der zur PaumotwGruppe gehörigen Pyam Martin-Insel traf Peechcy eine Gesellschaft Eingeborncr von Anaa oder Chain-Island, welche das stürmische Meer nach unerhörten Leiden dorthin verschlug. Als der noch unmündige Sohn Pomare des Zweiten dem Vater in der Regierung folgte, hatten diese Leute eine Reise nach Tahiti, welches ungefähr 8W Meilen nach Westen liegt, verabredet, um dem jnngen Herrscher einen förmlichen Huldigungsbesuch zu machen. Zu dieser Fahrt standen ihnen keine andern Fahrzeuge zu Gebote, als doppelte Canoes und sie setzten dazu drei der größten in Bereitschaft. Uns, die wir gewohnt sind die See in großen, mit Compassen und allen zur Bestimmung der geographischen Lage nöthigen Instrumenten versehenen Schiffen zu befahren, muß eiu zerbrechliches Canoe, dessen Mannschaft sich nur allein nach den Gestirnen richtet, um nach einem Lande zu fahren, dessen Lage sie nicht einmal genau tennt, als ein unbegreifliches Wagniß erscheinen; indessen waren ähnliche Seereisen nicht nur nach den westlich gelegenen bergigen, sondern auch nach gegen den Wind oder ostlich liegenden niecrigen <^o-ralleninseln durchaus nichts ungewöhnliches, und da keine üblen Vorbedeutungen gegen das Unternehmen sprachen, so rüsteten die Leute unbesorgt und wohlgemut!) ihre Canoes aus und schifften sich ein, l50 an der Zahl, Männer, Fraueil und Kinder. Am Tage der Abreise versammelten sich alle Eingeborncn an der Küste, um von den kühnen Seefahrern Abschied zu nehmen. Die Canoes, wurden genau in die Richtung gebracht, welche durch gewisse auf dem Lande angebrachte Zeichen angedeutet wurde, und dann unter den besten Wünschen der 55 versammelten Menge in die See gelassen. Ein günstiger Wind füllte die Segel und so glitten sie rasch über die Wasserfläche dahin, ohne das ihne» bevorstehende Elend zu ahnen. Unglücklicher Weise stellten sich die Weststürme, die während der Winter-monatc im südlichen stillen Weltmeer ans allen Inseln des östlichen Polyne«-sicns verspürt werden, in jenem Jahre früher als gewöhnlich ein; indessen vergingen zwei Tage unter günstigen Umständen und schon sahen sich die Reisenden nach dem Hochlande von Maitia zwischen der Ketten-Insel und' Tahiti um uud empfanden im Voraus das Vergnügen der glücklich vollendeten Reife, als plötzlich eine Windstille, der Vorläufer eines fürchterlichen Sturmes, eintrat, der, im Westen sich erhebend, die <5anoes von einander trennte und vor sich her trieb. Von zwei Booten wurde nie wieder etwas gehört, das dritte blieb mehrere Tage cin Spiel der Winde, suchte jedoch, als sich Wieder schönes Wetter einstellte, den Ort seiner Bestimmung zu erreichen, da es noch auf zwei Wochen mit Lebensrnitteln versehen war. Allein ein zweiter Sturm warf die Unglücklichen noch weiter zurück, als der erste, und hielt so lange an, daß ihre Kräfte sanken. So vergingen viele Tage und mit jeder Stunde entfernten sie sich weiter von ihrer Heimath. Die See schlug zum großen Ungemach der Mannschaft beständig in das Canoe und die Lebensmittcl waren aufgezehrt. Eine lange Windstille und, was für sie noch schlimmer war, heißes, trockenes Wetter folgten dem Sturme uud trieb sie zur Verzweiflung, Die Mannschaft verschmachtete unter dcn brennenden Sonnenstrahlen und konnte vor Müdigkeit nicht rudern, die Kinder verlangten vergebens Nahrung von ihren Mietern, jedes Mittel, den Durst zu löschen, wurde versucht. Manche tranken Ecrwasser, andere badeten darin oder gössen es sich über den Kopf, allein der Maugel an süßem Wasser ließ sich durä) nichts ersetzen; Tag für Tag flehten sie den Himmel um Regen au und streckten ihm ihre Flaschenkürbisse entgegen; die hoch über ihnen hinziehenden leichten Wolken kündigten ihnen aber nur eine unbestimmte Verlängerung ihrer Leiden an. So waren bereits sirornzehn aus ihrer Mitte unter fürchterlichen Dualen gestorben und dic Ucberlebenden hatten sich mit dein stoischen Gleichmuth der Wilden in dasselbe Schicksal ergeben. Doch endlich schickte die Vorsehung Hülfe. Der Himmel umzog sich mit dichten Wolken und ergoß sich in Regen, der mit hastiger Begierde auf- 56 gefangen wrrde und nicht nur den Tuch der Annen für den Augenblick stillte, sondern sie auch noch mit einein Wasservorrath auf längere Zeit versah. So gestärkt, wagten sie wieder zu hoffen, allein nun meldete sich ein anderer, nicht minder furchtbarer Feind — der Hunger. Ich will das schreckliche Mittel nicht nennen, wodurch sie am Leben erhalten wurden, bis es ihnen endlich gelang, einen Haifisch zu fangen, welcher von nun an die Stelle der gräulichen Kost vertrat, an die sie sich in der letzten Zeit gehalten hatten. Nun konnten sie wieder rudern und ihre Segel aufziehen und bald erblickten sie Land und auf diesem Kokospalnun mit Nüssen. Sie durchschnitten glücklich die Brandung, allein, am Ufer angelangt, konnten sie leinen der hohen Stamme erklimmen, und mußten sie daher mit der Art umhauen. Auf den Wanderungen durch die Insel entdeckten sie an mehreren in der Lagune liegenden Canocs und an den die Wälder durchschneidenden Fußpfaden, daß sie früher bewohnt gewesen, und da ihnen belaunt war, daß die meisten Eingebornen der niedrigeil Inseln Menschenfresser seien, so beschlossen sie, nicht länger an diesem gefährlichen Orte zu verweilen, als durchaus nöthig war, um wieder zu Kräften zu kommen. Sie errichteten Hütten, gruben Brunnen, bauten noch drei Canoes nnd sammelten einen beträchtlichen Vorrath von Kokosnüssen und getrockneten Fischen. Da sie eine Zeit lang nicht in ihrer Nnhe gestört wurden, so schwanden nach und nach ihre Besorgnisse und sie blieben volle l3 Monate auf der Insel, worauf sie sich wieder dem tückischen Meere anvertrauten. Sie steuerten gegen Nordwest und erblickten nach Verlauf mehrerer Tage die unbewohnte Vyam-Martins-Inscl. Als sie auf dieser zu landen snchten, bekam ihr Canoe ein Lcck, wobei zwar Keiner das Leben verlor, wodurch aber ein längerer Aufenthalt nöthig wurde, so daß sie bereits acht Monate dort zugebracht hatten, als Beechcy sie autras. Ans verschiedenen Umstanden ergab es sich, daß die Insel, auf welcher die Unglücklichen nach langen Irrfahrten zuerst landeten, Teku ooer die Var-rowinsel war. Teku ist aber von der Ketteninsel in gerader Linie 420 Seemeilen weit entfernt, und wenn man dazu die 100 Meilen, welche sie anfangs gegen Maitia hin zurückgelegt haben mochten nnd die Strecke hinzurechnet, welche sie bis nach der Varrowinsel zurücksegelten, so kann man wohl annehmen, daß sie 000 Meilen weit nach Osten verschlagen wurden. 57 So scheu wir, daß sowohl in der nördlichen, als in der südlichen Hemisphäre dcr Menscheustrom sich recht gut dem Lauf der Sonne entgegen auf dem großen Ocean von Westen nach Osten hat fortbewegen können, und daß die letzten Anklänge der asiatischen Bildung, ohne daß die Elemente jich ihrer Verbreitung unerbittlich widersetzten, im Laufe dcr Zeiten sogar bis zur Ostcrmsel fortzuschreiten vermochten. Wie häufig mögen sich nicht Scenen, wie die angeführten, auf dem weiten Ocean erneuert haben? Wie häufig mag der Sturm abenteuerliche Seefahrer, kühne Schiffer, unglückliche Flüchtlinge, welche der grausame Krieg von der väterlichen Scholle verbannte, ergriffen und sie weit weg in daß pfadlose, unbekannte Meer geschleudert haben? Manche fanden sonder Zweifel dort ihr Grab — und erlagen dem Orkan oder dem noch schrecklicheren langsamen Foltertode des Hungers — doch einige erreichten glücklich irgend ein grünes Eiland, wo sie ihr Leben fristen und die Gründer eines neuen Volkes werden konnten. So geht auch von den unzähligen Pflanzen-famen, welche die Strömungen des Oceans nach sich führen, die Mehrzahl m der Salzfluth verloren, doch manches, von einem glücklicheren Geschick geleitet, erreicht wohlbehalten und kcimkräftig die stille Lagune und trägt zum Schmuck des nackten Felsens bei, wo es endlich nach langen Irrfahrten eine neue Heimath fand. Wie höchst interessant wäre es, den Schleier zu lüften, dcr die gehcim-nißvolle Geschichte der Pflanzen, Thiere und Menschen aus den einsamen Inseln des großen Weltmeeres bedeckt, die fernen O-uellen aufzufinden, die sich hier zu einer neuen Schöpfung vereinigten. Doch keines Menschen Auge wird jemals diese Mysterien durchdringen, und nur in seinen großen allge» meinen Zügen tonnen wir das Walten des Oceans bei der Verbreitung des organischen Lebens erkennen. 58 Sechstes Kapitel. I u a n I ernandcz. Entdeckung der Insel. — Beschreibung derselben. — Alexander Tclknk. — Seine Nbcnteuer auf der Insel. — Wie es ihm später in der ,^eimatb gefiel. — Defoc, Verfasser des Nodinson. — Cooper's Gedicht über Selkirk. — Anson im gros;cn Ocean. — llncrhörtc Drangsale seines Geschwaders ehe ei Juan Fernandez erreichte. — Rettung und Freude. — Zicken, Hunde. — Seelöwcn. — Fischreichthum des Meeres. — Das Tantalusgeschick des Gloccstcr. — Anson verläßt Juan Fernandez. — Versuche dcr Spanier und Chilener eine Sttafeolonie zu gründen. — D'Urville's Besuch 1836. — Letzte Nachrichten vom Jahre 4358. 3hrer Größe oder ihrer Schönheit, der Wichtigkeit ihrer Producte oder ihrer günstigen Vage für den Handel verdanken andere Inseln ihren Ruhm: Juan Fernandez aber lebt in dem Gedächtniß der Menschen hauptsächlich — durch einen Roman! Denn hier war es, wo Alexander Selkirk, der wahre ursprüngliche Robinson, der Stammvater des Crusoe, des jüngeren, deo schweizerischen, mit einem H^ort des ganzen zahlreichen, noch immer frisch blühenden Geschlechts der Robinsone, jahrelang von atlen Menschen abgeschieden verweilte, nicht ahnend, daß aus seiner fernen Einsiedelei ein Licht der Beleh-rnng und der Freude für unzählige Kinderherzen hervorgehen würde! Schon unseres alten Jugendfreundes wegen, wird Selkirk's nähere Be-fanntschaft dir gewiß nicht unangenehm sein, doch ehe ich ihn dir vorstelle, lieber Leser, wollen wir einige Augenblicke bei dcr Beschreibung und früheren Geschichte der durch ihn so berühmten Insel verweilen. Im Jahre 15l>3 ward sie zufällig von Juan Fernandez entdeckt, dem bereits erwähnten spanischen Vootsen, der statt wie seine Vorgänger sich sclavisch an die Küste zu halten, wo sie fast immer gegen den widrigen Südwind» und stets gegen die Strömung anznkä'mpfen hatten, muthig von Callao aus in das weite Meer hinaus steuerte, und auf diese Weise den richtigen Seeweg von Peru nach Chili und dem Cap Horn zuerst auffand. Mit größtentheils steilen Küsten erhebt sich die kleine vier Stunden lange, zwei Stunden breite Insel hoch ans dem Meere. Die scharfen phan- 59 tastisch ausgezackten Bergspitzcn sind meilenweit sichtbar, und beim Herannahen entfaltet sich den Blicken eine schöne Felsen-, Wald- und Wiesennatur. Fruchtbare Thäler von silbernen Bachen durchrieselt, welche zuweilen nicht unbeträchtliche Wasserfälle bilden, ziehen sich die Berge hinan. An der Nord-seite liegt der Hafen, eine traterartig abgerundete Bucht, von einem hohen Felsenkesscl umschlossen. Widrige Winde machen ihn oft lange Zeit unzugänglich. Tie Aussicht vom Ankerplatz wird als sehr schon geschildert, da vom Strande aus das Land sich sanft etwa eine halbe deutsche Meile weit, bis zu einem im Hintergrunde fast senkrecht zu einer Höhe von l?(X) Fuß emporsteigenden Bergrücken erhebt, dessen flacher lafclartiger Scheitel mit Waldwuchs bedeckt ist. Nach dem Meere hin senken sich die Klippen, rechts und links, bis sie am Wasserrande nur noch sieben- oder achthundert Fuß hoch sind. Herrliche Gruppen von Myrtenbäumen, meistentheils frei von Unterholz, so daß der Wanderer sie leicht durchschreiten kann, verzieren den anmuthigen Naturpark des Thales. Kohlpalmen sieht man häusig, eine köstliche Gabe für den armen Seemann, der lange des erfrischenden Gemüses entbehrte, und auch Kirschbäume und Pfirsiche, die der dankbare Anson zuerst aus einem andern Welttheil hierher verpflanzte. Münze und Thymian erfüllen die Luft mit Nohlgerüchen; die Erdbeere duftet im Schatten der blumenreichen Gebüsche, und lispelnde Bache schlangeln sich überall durch den grünende» Wiesengrund, um endlich zwischen dem Steingeröll des Strandes zu verschwinden. Eine regsame kleine Thierwelt, theils ursprünglich, theils von fremden Seefahrern eingeführt, bringt Leben und Bewegung in diese schone Nildniß. Nin hübscher Colibri (0tw!^<,«!m8 stLpn^noiclou) schwebt von Busch zu Busch und Ziegen grasen auf jeder Höhe. Letzteres Thier soll ursprünglich von Juan Fernandez selbst hierhergebracht worden sein, der, wie es scheint, des Lootsenlebens müde, bald nach ihrer Entdeckung mit Frau und Kindern sich auf der Insel niederließ', nachdem aber Valdivia l5hi6 a tioiiu gegenüber erhebt sich ein fast nackter Felsen. ^I^ ^ lodok" (Ceehundsinsel). Als die Spanier das Hauptland der kleinen Gruppe entdeckten, fanden sie dasselbe gänzlich unbewohnt, und zogen auch ferner keinen Vortheil daraus. Um so nützlicher wurde die Insel ihren furchtbaren Feinden, den Flibustiern, welche sie zu einem ihrer Lieblingsrast- und Erholungsplätze machten, da sie hier nebst Holz, vortrefflichem Wasser, Ziegenfleisch und einem unendlichen Fischreichthum, auch viele Monate im Jahre einen sicheren Ankerplatz fanden. Gestärkt an Leib und Seele tonnten sie endlich von diesem so güuslig gelegenen Punkte aus die ganze Küste weit und breit bedrohen. Der Aufenthalt Alexander Selkirk's auf der Insel fällt zu Anfang des achtzehnten Jahrhunderts. Er war Dberbootsmann an Bord des „(üin^us-poi-t!^, eines kleinen Schiffes von 90 Tonnen, welches in Gesellschaft des vom berühmten Weltumsegler Dampier befehligten „St. George" im Jahre l?04 das Cap Horn umsegelte, um im stillen Ocean gegen die Spanier zu kreuzen. Im September desselben Jahres, nachdem der „^in^io-po!-^- in Folge eines Streites sich bereits vom Dampicr getrennt hatte, entzweite sich Selkirk gleichfalls mit dem Capitän Stradling (allem Anschein nach ein ächter Seebär), als sie eben vor Juan Fernandez ankerten, und da außerdem das Schiff sehr «leck und sonst in trauriger Verfassung war, entschloß er sich allein dazu bleiben. Als jcdvch das Boot wieder vom Ufer abstieß, wankte sein Entschluß und er begehrte wieder an Bord aufgenommen zu werden. Aber der Capitän versagte ihm die Bitte und ließ ihn auf der wüsten Insel mit seinen Kleidern, Bettzeug, einer Flinte, etwas Schießbcdarf, einer Art, einem Messer und einem Kessel, nebst seinen Büchern und metrischen Instrumenten zurück. Anfangs drückte die Einsamkeit schwer auf Selkirk's Herz, allmälig jedoch lernte er, durch Religion und Gewohnheit getröstet, sich in seine verlassene Lage finden, und fühlte sich endlich vollkommen glücklich und zufrieden. Durch Uebung lernte er die wilden Ziegen im Laufen einholen, und will über tausend während seines Aufenthaltes auf der Insel gefangen haben, von welchen er die Hälfte wieder laufen ließ, nachdem er sie vorher durch Aufschlitzen der Ohren gezeichnet hatte. Die erste Ziege, welche ungefähr dreißig Jahre später Anson's Leute auf der Insel singen, war auf eine solche 61 Weise geschlitzt, und da sie sehr alt war, schloß man daraus, daß sie einst unter Selkirk's Händen gewesen. Er zähmte auch kleine Zicklein und hielt sich eine Katzengarde, zum Schutz während des Schlafes gegen die Frechheit der Ratten. Als sein Zeug abgenutzt war, machte er sich Kleider aus Zic« genfellen; das Schuhmachen jedoch wollte ihm nicht gelingen. Mit dem Vau und dem Verzieren seiner Hütte, mit Jagd und Fischerei, mit andäch tigen Uebungen und dem Abrichten seiner zahmen Thiere, mit welchen er oft zu tanzen und zu singen pflegte, vertrieb er sich die Zeit, bis endlich nach 4 Jahren und 4 Monaten zwei englische Kaperschiffe, der „OlllcL", Capita« Rogers und die „Duolios^, Capitän Courtency von Bristol, vor Juan Fernandez erschienen und ihn halb unfreiwillig mitnahmen. Hin Besuch von Spaniern, vor deren Flintenschüssen er durch die Flucht sich rettete, und ein Sturz von einer Felswand, in Folge dessen er drei Tage (wie er nach der Veränderung des Mondes berechnete) besinnungslos anf der Erde lag, und dann kaum nach der Hütte kriechen konnte, wo er längere Zeit das Bett hüten mußte, waren die einzigen epochemachenden Ereignisse, welche die Einförmigkeit seines Einsiedlerlebens unterbrachen. Obgleich er alle Tage lant gelesen und gebetet, so war doch seine Sprache durch lange Entwöhnung fast unverständlich geworden. An Bord des ^Nukc" befand sich der damals 57 Jahr alte, bereits erwähnte Dampier als Lootse (man vermuthet, daß ein fehlerhaftes Betragen des genialen Mannes den Verlust seines früheren Ranges verschuldet haben möge), auf dessen Empfehlung Selkirk als Bootsmann angestellt wurde. In dieser Beschaffenheit nahm er Theil an der Einäscherung einer kleinen peruvianischcn Küstcnstadt, so wie am Kapern eines Manilla Schiffs an der kalifornischen Küste und kehrte am 1. October 1711 um das Cap der guten Hoffnung nach England zurück. Sein Verweilen auf Juan Fernandez war sein Glück gewesen, denn bald nachdem er sich von dem Oiiniuo-^oi^ getrennt halte, war das Schiff von den Spaniern genommen worden, und dessen Mannschaft mußte viele Jahre lang in einem elenden Kerker schmachten. So lenkt oft die Vorsehung unser Geschick viel besser als wir es nach freier Wahl vermocht hätten, und manche allem Anschein nach traurige Lage würde uns wie eine Wohlthat erscheinen, wenn wir sie in allen ihren Folgen durchschauen tonnten. Zu den Menschen zurückgekehrt, sehnte sich Selkirk oft in seine romantische Einsamkeit zurück. Er tonnte sich nicht mehr in das geschäftige Treiben finden, und die 02 Fesseln des geselligen Lebens drückten schwer ans sein Gemüth. Er pflegte sich stundenlang auf einen hohen Felsen zurückzuziehen, und wie in tiefen Gedanken versunken auf das Meer hinauszuschauen. Dann mochte wohl Juan Fernandez vor seiner Phantasie wieder auftauchen, und die Stimmen der Nildniß hallten aus dem fernen Ocean ihm entgegen. Da Selkirk's merkwürdige Abenteuer einiges Aufsehen erregten, schrieb er sie nieder und vertraute das Manuseript einem jungen talentvollen Schriftsteller Daniel Defor, um den rohen Stoff zu beiderseitigem Nutzen künstlerisch zu bearbeiten. Der Litterat behielt die Papiere und gab sie nach einiger Zeit dem armen Seemann kalt vornehm zurück, mit der Be-merkung, daß sich nichts daraus machen las>>. Doch bald darauf erschien „Robinson Crusoe" der einen außerordentlichen Absatz fand und Defoe viel Geld einbrachte, von welchem sich rrröthe, indem ich cZ niederschreibe) er jedoch Selkirk auch keinen einzigen Schilling mittheilte! Nach Jahren eines bewegten Lebens vertraute der alte Defoe sein Vermögen einem Sohne an, nnter der Bedingung, daß dieser ihm eine Leibrente dafür auszahlen sollte; aber der nunatürliche Bösewicht vergaß die Verpflichtung und ließ den greisen Vater darben und hungern. Bei der Erinnerung an vergangene Tage, muß dem lebensmüden Verfasser des Robinson der arme Selkirk oft vorgeschwebt haben; was hätte er nicht darum gegeben, wäre er damals gerecht und edel gewesen! Selkirk's Einsiedlerleben auf Juan Fernandez gab später auch dem Dichter Cowper den Stoff zu einigen schönen, in England allgemein bekannten Versen, in welchen die Gedanken, die eine solche Lage hervorzurufen vermag, treffend und naturwahr geschildert sind. Ein, wenn auch schwacher Uebersetzungsversuch, wird hoffentlich dem nachsichtigen Leser nicht mißfallen! Herrscber bin w' aller Dinge, Die mein Auge rings beschauet: Thiere, Vögel sind mir hörig: Keiner, der mir widerstände! Einsamkeit, wo ist das Schöne, Das der Dichter vcn dir fabelt? Lieber unter Menseben darben, Als der Wüste König fein. Ach, der Menschheit ganz entfremdet, Schlepp' ich meine »lüden Tage; Höre nie des Freundes Stimme, Schrecke vor der eigenen Klang! Thcilnahmlos und unverzaget Gebt das Thier an mir vorüber, Kennt den Menschen noch so wenig, Seine Zahmheit grauet mir. Freundschaft! Liebe! holdc Gaben Uns von Gott zum Glück brscheerct; Hätt' ick nur des Vogels Schwingen! Nck, wie eilt ich zu ench hin! Würde dann des Kummers Lasten An des Bruders Brust erleichtern, Von dem Alter Weisheit lernen, Mit der Jugend frö blick' sein. In das Jahr lIA fällt der Aufenthalt des berühmten Scehelden und Weltumseglers Anson auf Juan Fernandez. Doch ist die Geschichte, der unerhörten Drangsale, die ihn nöthigten, auf jener menschenleeren Insel eine rettende Zuflucht m suchen, zu merkwürdig, als das; ich sie nicht etwas ausführlicher mittheilen sollte. England war damals im Kriege mit Spanien, und Anson erhielt den Auftrag, in die Südsee zu dringen und der entlegenen Westküste Amerika's die Wucht des britischen Dreizacks fühlen zu lassen. Mit sechs größeren und kleineren Kriegsschiffen, die fast 2000 Mann an Bord hatten, segelte der Commodore am Morgen des 7. März 174l durch die Straße Le Maire, die, obgleich sie sieben bis acht Stunden lang ist, mit Hülfe der Fluth und eines frischen Windes in weniger als zwei Stunden durchflogen wurde. Der heiterste Himmel beschien die sonst so wilde Scene, und daß Geschwader, welches den schwierigsten Theil der ssahrt überwunden glaubte nnd wie auf den Flügeln des Glücks zum Ruhm und znr gewinnreichen Beute getragen schien, gab sich den schmeichelhaftesten Hoffnungen hin. Man hatte keine Ahnung von den schrecklichen Wolken des Mißgeschicks, die sich so bald entladen winden, daß dir Zeit so nahe sei, wo die Schiffe sich trennen würden, um nie wieder zusammen zu kommen und die Stunden der Durchfahrt dem letzten heiteren Tage angehörten, den die Meisten noch erleben sollten. Christcnandacht! wclel'e Schätze Liegen in dem Wort verborgen, Werthvoller als Golv und Silber Oder was die Welt sonst beut. Doch den Ton dci Kirchcnglocken Hörten nimmer diese Thäler; Seufzten nie beim Grabgeläute, Lachten nie am Sabbathmorgen. Winde, dic ihr mich verschlagen, Führet dieser öden Küste Irgend eine liebe Kunde Aus der fernen Hcimath zu! Denken metner nock die Freunde? Hat ihr Herz mich nicht vergessen? Weht mir diesen Trost entgegen, Sollt' ick sie aucb nick't in ehr sehen! 5D wic sobnell eilt der Gedanke Dmcb die ungemessenen Näume; Läßt des Sturmes matte Schwingen, Läßt den Pfeil des Lichts zurück. Denk ich an die fernen Lieben, Trägt im Flug er mich hinüber; Dorl' Erinnerung ruft micb grausam Zl>r Verzweiflung bald zurück. Abend ist es; Thier' und Vogel Sind zum Lager heimgekehret: Auck für mich gibt's Ruhestunden Und die Hütte winkt auch mir. Ja auch hier herrsckt Gottes Güte, Die des Unglücks Nacl't erhellet, In den bittcrn Kelck des Kummers Süßen Trost und Balsam gießt! 63 ()4 Denn von nun an entspann sich bei beständig widrigem Westwinde eine Reihe von Stürmen, welche sogar die ältesten Seeleute an Bord überraschte und zum Geständniß nöthigte, daß was sie bisher für Stürme gehalten, eigentlich nur unbedeutende Brisen waren im Vergleich zur Gewalt dieser Winde, die so kurze und zugleich so riesige Wellen aufthürmten, daß sie die breiten Wogen des hohen offenen Oceans an Furchtbarkeit übertrafen und das Schiffsvolt in ewiger Gefahr schwebte, gegen das Verdeck oder die Brustwehren geschleudert zu werden, wodurch auch viele verwundet und einige ge-todtet wurden. Ein tückisches Nachlassen des Sturmes cnnnthigte zuweilen zum Aufspannen der Topsegel, — dann wurden sie aber im Nu von den Stangen abgerissen, und um die Noth zu vervollständigen, verfinsterten oft dichte Schnee gestober die Luft. Am 23. März war Ansons Schiff, der „Centurion", durch das ewige Arbeiten im unruhigen Meere, so lose in seinem oberen Bau geworden, daß es das Wasser durch alle Fugen einließ und kaum »och einer von den Offi-cieren oder der Mannschaft in einem trockenen Vcttc liegen konnte. Cs war sogar selten, daß einer zwei Nächte hinter einander sich niederlegte, ohne durch die eindringenden Wasserflut hen vom Lager vertrieben zu werden. Am 2H. März ward einer der besten Matrosen über Bord geschwemmi und trotz des enormen Wcllenaufnchrs sah man ihn mächiig schwimmen, ohne daß die geringste Möglichkeit da war, ihm beizustehen. Sein unglückliches Loos betrübte um so mehr, da man ihn ans den Augeu verlor, während er noch mit den Wellen kämpfte und ans der Kraft, die er an den Tag legte, schließen mußte, daß cr noch lange den Schrecken seiner hoffnungslosen Lage fühlen würde. Auch diesem Unglücklichen hat Cowper ein schönes Gedicht gewidmet, aus dem ich wenigstens eine Strophe mittheilen will: No poet wept him: but the pngu Of narrative sincere That tell« bis name, his worth, bis age, Is wet with Anson's tear: And tears by bards or heroes shed, Alike immortalize the dead. Am 3. April brach ein dreitägiger Sturm aus, der an Wuth alle bisher erlebten überstirq und in welchem eins der Schisse den Hauptmast verlor. 65 Am l3. April glaubte man bereits so weit nach Westen vorgedrungen zu sein, daß man Hoffnung schöpfte, die Region der Stürme bald zu verlassen und nach wenigen Tagen die vielgepriesene Heiterkeit des stillen Oceans zu genießen. Doch wie schrecklich war die Enttäuschung, als man am folgenden Morgen das Cap ?tou crl'lickte und nun erst die Gewalt der östlichen Strömung gewahr wuide, die alle bisherigen Mühen vereitelt hatte. Statt der erhofften Befreiung von allen Drangsalen und Sorgen, sah man sich nun genöthigt, von Neuem gegen jene furchtbaren Westwinde anzu-tämpfen, und zwar mit einer entmuthigten, entkräftigten Mannschaft, deren Reihen bereits der Tod zu lichten anfing. Voll von diesen niederschlagenden Gedanken und düstern Ahnungen, steuerte man wiederum nach Südwesten, durch bittere Erfahrung belehrt, daß so sehr man auch beim westlichen Cours das Treiben der ostlichen Strömung mit in Anschlag brächte, man doch noch bei einem zweiten Versuch, ihr zu entgehen, sich noch einmal getäuscht finden dürfte. Bis zum 22. April wurde dcr südwestliche Cours beibehalten, so daß man sich nun unter dem 80. Breitcgrade und nach der Berechnung etwa 6 Grad westwärts vom Cap Non befand. Auch die Witterung schien günstiger zu werden. Doch am 24. erhob sich wiederum ein furchtbarer Sturm, und gegen Mitternacht verlor der Centurion die andern Schiffe des Geschwaders aus dem Gesicht, dic bis dahin trotz aller Gewalt des vorhergegangenen Unwetters stets in seiner Gesellschaft geblieben waren. Am 30. April schmeichelte man sich, daß die Noth nun bald ihr Ziel erreichen würde; doch statt dessen erreichte sie im Mai einen noch höheren Grad, sowohl hinsichtlich der Gewalt der Stürme, als der zunehmenden Sterblichkeit, welche das Schiff mit dem gänzlichen Untergänge bedrohte. GeZen Ende April gab es nur noch wenige an Bord, die nicht mehr oder minder am Scorbut gelitten hätten, und während jenes Monats verlor der Centurion nicht weniger als ä^ Mann-, im Mai jedoch wuchs die Anzahl der Todesfälle um das Doppelte, und da Juan Fernandez nicht vor Mitte Juni erreicht wnrde, hatte bis dahin die Krankheit fo entsetzlich überHand genommen, daß nach einem Verlust von mehr als WO Mann endlich nur noch 2ä dienstfähige Leute gemustert werden konnten. Der stille Oecan rechtfertigte nur sehr wenig seinen Namen, denn als der Centurion am 8. Mai der Insel Socorro gegenüber lag, wo das erste Hartwig, lie Inseln des gvo^cn Occ.ius. H 66 Stelldichein mit den übrigen Schiffen verabredet worden war, sah er sich nach mehrtägigem Kreuzen in seinen Erwartungen getäuscht. Dabei mußte man jeden Augenblick befürchten, an's Land getrieben zu werden, dessen Wilder Anblick wahrhaft schreckenerrcgend war, denn hoch über der öden Felscnküste sah man die schneeigen Andcskuppcn emporsteigen und steil senkte sich das Ufer in's Mecr hinab. Alle diese Gefahren, die über vierzehn Tage dauerten, wurden durch die großen Schwierigkeiten, das Schiff zu manövriren, erhöht. Während eines der häufigen Windstöße fuhr ein Fetterstrahl über das Verdeck, zersprang mit einem furchtbaren Knall und verwundete mehrere Matrosen und Officiere. Das Meteor war von einem starken Schwefelgeruch begleitet und die Flamme sonder Zweifel von derselben Natur, wie die größeren und gewaltigeren Blitze, die gleichzeitig durch Vie Lüfte suhren. Am 22. Mai schien sich die Gewalt aller vorhergegangenen Stürme zum Untergange des unglücklichen Schisses verschworen zu haben. Fast alte Segel wurden zerrissen, und gegen 8 Uhr Abends schlug eine berghohe Woge mit so furchtbarer Gewalt gegen das Schiff, daß durch den Stos; fast alles Tauwerk zerstört wurde und die Masten umzustürzen drohten. Man erwartete jeden Augenblick den Untergang und obgleich nach einigen Stunden der Wind nachließ, so rollte das Fahrzeug aus Mangel an Segeln doch hnlflos in der hohlen See umher. Man that sein Bestes, den Schaden, so weit es möglich war, wieder gut zu machen und das Segelwerk zu ordnen, da man in der größten Gefahr schwebte, an die unwirthbare Küste von Chilo^ geworfen zu werden. Glücklicher Weise drehte sich plötzlich der Wind, als die Noth am höchsten'war, so daß man mit nur einem Segel vom Lande wegsteuerte. Der Capitän führte das Steuerruder, während alle andern noch dienstfähigen Hände mit den Segeln, dem Tauwert und der Befestigung der Masten beschäftigt waren. Nach diesem entsetzlichen Sturme besserte sich jedoch das Wetter und Anson, der nun überzeugt war, daß die andern Schisse untergegangen seien, beschloß, ohne ferner auf sie zu warten, nach Juan Fernandez zu segeln, dem einzigen Puntte, wo sich eine Möglichkeit zeigte, die Kranken wieder herzustellen und das so übel zugerichtete Schiff wieder auszubessern. Befand sich dort zufällig ein spanisches Kriegsschiff, so war das Voos der Expedition entschieden, denn an eine Vertheidigung war nicht zu denken. l>7 Am ?8. Mai befand sich der Centurion ganz in der Nähe von Juan Fernandez. Doch die tückischen Mächte, die so unsägliches Elend über die Engländer gebracht, wollten auch jetzt noch nicht von ihren Verfolgungen ablassen und bewirkten eine Veränderung des Courses, Wodurch 9 Tage und 70 bis 80 Mann verloren gingen, die ohne Zweifel gerettet worden wären, wenn man die ursprüngliche Richtung nur noch einige Stunden bei-behalten hätte. Endlich am 9. Juni bei Tagesanbruch zeigten sich deutlich die Bergspitzen der heiß ersehnten Insel. Der Zustand des Centurio» war nun so kläglich geworden, daß unter den 2M und einigen Mann, die er noch immer an Bord hatte, kaum Hände genug, mit Einschluß der Tlfsiciere, Diener und Schiffsjungen, vorhanden waren, um ihn in den Rcttungshafen zu führen. Am <0. Juni befand man sich unter dem Winde der Insel und nahm mit Freuden wahr, daß die wildzerklüfteten, zackigen Felsmassen, die aus der Ferne betrachtet einen nichts weniger als einladenden Anblick gewährten, in der Nähe ganz anders aussahen, da Waldung sie fast überall bekleidete, und die schönsten Thäler, mit dem anmuthigsten Grün geschmückt und von Bächen und Wasserfällen durchrieselt, sich an die Bergabhänge lehnten. Es ist unbeschreiblich, mit welcher erwartungsvollen Freude man das anmuthige Landschaftsbild betrachtete und wie sehnsüchtig die Blicke an einer Caseade von der durchsichtigsten Klarheit hingen, die von einem fast hundert Fuß hohen Felsen in der Nähe des Schiffes in's Meer stützte. Trotz allen Eifers, womit man beschäftigt war, die Kranken, deren Anzahl sich wenigstens auf 1W belief, sobald als möglich aus ihrer ekelhaften Lage zu befreien, denn man lann sich denken, in welchem unsäglichen Schmutze sie lagen, war es doch nicht möglich, sie vor dem Ul. an's Land zu schassen, da erst die Zelte zu ihrer Aufnahme aufgeschlagen werden mußten. Die Meisten trug man in ihren Hängematten an's Ufer, eine sehr ermüdende Arbeit, an welcher der Commodore selbst Theil nahm. Fast drei Wochen vergingen nach dem Landen, ehe die Sterblichkeit bedeutend nachließ-, mehrere starben schon in den Booten, so wie sie an die frische Luft kamen, und Während der ersten zehn oder zwölf Tage wurden selten weniger als sechß täglich begraben. Die am schwersten Erkrankten erholten sich nur sehr langsam, doch diejenigen, die beim Landen noch hatten kriechen können, fühlten sich bald gekräftigt. 5» 68 Es war aber auch, als ob die Natur die reizende ^nsel zu einem tzcilort für scorbutische Kranke bestimmt hätte, denn Wassertressc und Porcellan, der vortrefflichste wilde Sauerampfer und eine unendliche Menge von Rüben und Radiesen entwuchsen dem leichten Boden und gediehen, vom zuträglichsten Clima begünstigt. Die Waldung, welche fast überall die Berge bedeckte, war frei von allem Unterholz und der hügelige Boden gewährte nach allen Seiten Anblicke voll romantischer Schönheit. Es gab Punkte, wo der Schatten und Wohlgeruch der zusammenhängenden Wälder, die Größe der überhängenden Felsmassen und die Durchsichtigkeit der Wasserfalle zu landschaftlichen Bildern sich vereinigten, deren Anmuth schwerlich übertroffen werden konnte. Die Stelle, die Commodore Anson zur Auflichtung seines Zeltes wählte, war ein kleiner Grasplatz auf einer sanften Anhöhe, uugefähr eine halbe englische Meile vom Meer. Nach vorn eröffnete sich durch das Gehölz eine breite Lichtung, die, allmälig nach dem Ufer sich senkend, eine freie Aussicht auf die Bucht und daS vor Anier liegende Schiff gestattete. Nach hinten war der Grasplatz durch einen hohen Myrthcnwald amphiHeatralisch umschlossen, über welchem hohe Bngkuppen zum Vorschein kamen, und die Großartigkeit der Landschaft vermehrten. Zwei Bäche, von den Bäumen, welche den Grasplatz einrahmten, beschattet, flössen rechts und lints vom Zelte und vollendeten die liebliche Symmetrie der idyllischen Scene. Die zahlreichen Ziegen, die Scltirt auf der Insel fand, hatten durch die von den Spaniern eingeführten Hunde bedeutend gelitten und nur uoch wenige lebten auf den unzugänglichsten Felsen, wo sie in getrennten Heerden von 20 oder 30 Stück, die sich niemals unter einander vermischten, eben so viele verschiedene Besten bewohnten und äußerst schwer zu todten waren. Dagegen hatten sich die Hunde außerordentlich vermehrt, so daß einzelne Personen öfters von ihnen angefallen wurden. Die Seltenheit der Ziegen ließ vermuthen, daß sie von jungen Robben lebten. Diese letzteren bildeten ebenfalls eine Lieblingsspeise der Engländer, die sie unter dem Namen Lamm verzehrten, so wie sie sich die Seelöwen unter dem Namen Rindfleisch wohl-schmccken ließen. Letztere waren mitunter 20 Fuß lang und von einem Umfange von 15 Fuß. Nach Durchschneidung der zolldicken Haut kam eine wenigstens fußdicke Fettschicht, ehe man zum Fleisch oder den Knochen ge-langte. Die Blutmenge dieser Thiere war erstaunlich, denn wenn man sie 69 auch an zwölf verschiedenen Stellen verwundete, sprang aus jeder Dessnung ein rother Strahl hervor. Um die Menge des Blutes zu messen, wurde ein Seelöwe erschossen und alsdann erst das Blut herausgelassen, welches zwei Fässer füllte. Das Haar war kurz und braun, aber der Schwanz und die Finnen fast schwarz. Die Männchen hatten cine große Schnauze, die fünf bis sechs Zoll herabhing. Während des Sommers halten sich diese Thiere auf dem hohen Meere auf, im Winter auf dem Laude, wo sie vom Grase und vom Grünen leben, welches am Ufer der Süßwasscrbäche wächst. Während des Schlafes stellen sie Wachen aus, die aus großer Ferne Lärm geben können, da sie eine sehr starte Stimme haben. Die Männchen liefern sich oft furchtbare Schlachten, und eines Tages war man sehr erstaunt, zwei Thiere zu sehen, die ganz anders aussahen wie gewöhnlich, doch beim Nähertreten fand man, daß es zwei Scclöwen waren, dir sich mit den Zähnen so' gestoßen hatten, daß sie über und über mit Blut bedeckt waren. Das Herz und die Zunge schmeckten vorzüglich a^tt und waren denselben Theilen vom Ochsen weit vorzuziehen. Mau konnte die Seelowrn leicht todten, da ihre Bewegungen auf dem Lande sehr schwerfällig waren. Außerdem lieferte das Meer die vortrefflichsten Fische, besonders eine schwarzgefärbte Art, die vor allen geschätzt, den Namen Schornsteinfeger erhielt. Seekrebse gab es von einer Größe und Feinheit des Geschmacks wie vielleicht nirgends in der Welt. Sie wogen bis zu acht oder neun Pfund, und waven so zahlreich, daß die Bootshaken sie öfk-rs durchstachen, als die Schaluppen landeten oder vom Ufer abstießen. Man hatte sich noch nicht lange aller dieser herrlichen Gaben erfreut, die nach so vielen Leiden und Entbehrungen ganz unaussprechliche Genüsse gewährten, als am 21. Juni ein fernes Schiff gesehen wurde, welches aber bald wieder im Nebel verschwand und erst am 26. gegen Mittag von Neuem sich näherte. Mau fürchtete, es möchte ein spanischer Kreuzer fein, aber die Besorgniß wurde bald zur Freude, als mau in jenem verdächtigen Fahrzeuge den Glocester, einen der für verloren gehaltenen Gefährten des Centurion erkannte. Ein mit süßem Wasser, Gemüsen und Fischen beladenes Boot wurde sogleich zur Hülfe gesandt und nie tam eine solche gelegener, denn vielleicht noch nie hatte eine Schiffsbemannuug mehr zu leiden gehabt. Zwei Drittel derselben waren bereits über Bord geworfen und wäre die Hülfe 7» nicht noch rechtzeitig gekommen, so würde der Durst auch die übrigen hin-weggerafft haben. Der ungünstige Wind erlaubte dem Schiffe nicht, die Rhede zu erreichen, so daß am folgenden Tage der Commodore ein zweites Boot mit Lebensmitteln hmaussandte, dessen Bemannung sammt der des eisten der Capitän Mitchell sich genöthigt sah, an Bord zu behalten, da ohne diese Verstärkung er nicht mehr im Stande war, das Schiff zu regieren. Fast vierzehn Tage lang — die Hölle an Bord, das Paradies vor Augen — blieb der Olocester vor der Insel, von welcher der feindliche Wind ihn abwehrte. Da entfernte er sich am !). ^nili nnd erst am 16. sah man ihn wieder, sich vergebens bemühend, die Ostspitze der Insel zu umsegeln, denn der Wind blies ihn noch immer vom Lande weg, so daß er sich demselben nur auf einige Meilen nähern tonnte. Auf seine Nothsignale wurde nun das große Schiffsboot mit Proviant hinausgeschickt und zwar mit dem ausdrücklichen Befehl, sogleich zurückzukehren, welches aber wegen der stürmischen Witterung erst am dritten Tage gelang. Das Boot brachte K Kranke mit, von welchen zwei noch ans der Ueberfahrt starben, nnd verkündete, daß ohne die geleistete Hülfe leiner an Bord am Veben geblieben wäre. Leider gab es kein Mittel, das Schiff seiner qualvollen ^age zu entziehen, die noch an demselben Tage sich verzweiflungsvoller als jemals gestaltete, denn noch einmal verlor man es aus dem Gesicht nnd glaubte, daß es ihm nimmer gelingen würde, zn ankern, welches jedoch endlich am ^. Juli glücklich zu Stande kam, 33 Tage, nachdem es die Insel zuerst gesehen. Der so hart geprüfte Glocester hatte nicht weniger als Dreiviertel seiner Mannschaft verloren, doch von den Ueberlebenden starben gegen alle Erwartung nur noch sehr wenige, wahrscheinlich weil nur die stärksten Naturen, die den lebenskräftigen Keim der Besserung in sich trugen, jenem Uebermaß von Drangsalen hatten widerstehen können. Unterdessen war die Zeit gehörig benutzt worden, um den Centurion zu reinigen, die Wasscrfässer zu fällen und alles so schnell als möglich in Stand zu setzen, da man nicht ohne Furcht vor den spanischen Kreuzern war. Ein Ofen zum Brodbackcn ward eingerichtet, nnd sowie im Juli ein Theil der Mannschaft wieder zu Kräften kam, muhten die Stärksten Bäume fällen und spalten. Die Schmiede wurde an's Land geschickt nnd ein großes Zelt für die Segelmachcr errichtet. 71 Im September fand es sich, daß der Centurion seit Anfang der Reise 2^2 Mann verloren und nur noch 214 an Bord hatte. Noch bedeutender waren die Verluste deö Glocestcr, der merkwürdiger Weise ebenfalls 292 Mann eingebüßt, aber nur 82 behalten hatte. Mit einer so start zusammengeschmolzenen Mannschaft ließ sich natürlich nichts bedeutendes mehr unternehmen und man mußte sogar befürchten, dem spanischen Admiral Pizarro zu begegnen, der, wie man wußte, den Auftrag hatte, Anson's Pläne in der Südsee zu durchkreuzen. Von einem kleinen spanischen Schiffe, welches am 7. Sept. vor Juan Fernandez sich sehen ließ und gekapert wurde, erfuhr man jedoch, daß der Admiral durch dieselben Stürme, die dem Geschwader so viel Unheil gebracht, nach dem Nio de la Plata zurückgetrieben worden sei und man also von dieser Seite nichts mehr zu befürchten habe. Die Kranken waren nun vollständig wieder hergestellt und mit neuen Hoffnungen und neuem Muth verließen sie, dankbaren Herzens, am IN. Sept. den gastlichen Hafen, wo sie vom äußersten Elende zum freudigen Gefühl der Kraft, gewissermaßen vom Tode zum Leben wieder erweckt worden waren. Wir werden Anson auf Tinian wiederfinden und nach feinen Drangsalen und Leiden auch von seinen Triumphen und seinem Glück erzählen. Im Jahre 1749 versuchten die Spanier, eine kleine Verbrechercolonic auf Juan Fernandez zu gründen, die aber bald darauf durch dasselbe Erdbeben zerstört wurde, welches im Mai 1751 die Stadt Conception in Chili verwüstete. Das empörte Meer rollte seine Wogen über das Thal, so daß der arme Gouverneur mit seiner Familie und noch 35 andere Personen ertranken. Ueberhaupt ist Juan Fernandez den Erdbeben sehr ausgesetzt, und zittert häufig mit, wenn der Continent sich schüttelt. Beim Erdbeben, welches im September 1835 durch ganz Südamerika gefühlt wurde, zogen sich die Gewässer von Cumberland-Bay zurück, kehrten aber bald darauf wildbrausend wieder und erhoben sich fünfzehn Fuß höher, als die gewöhnliche Springflut!). Dampf- und Feuersäulen entstiegen dem Ocean, eine Seemeile vom Ufer, spieen Wasser und Asche nach allen Richtungen aus, und später war auf der früheren Untiefe kein Grund mehr zu finden. Diese Naturereignisse, nebst häufigen Meutereien, der zu großen Nähe des Vaterlandes, welche das Entkommen der Sträflinge erleichterte, nnd Wie man sagt, der unglaublichen Vermehrung der Ratten, die aller Vorsicht und Verfolgung ungeachtet die Mundvorräthe zerstörten, vereitelten gleichfalls den im Jahre 18! 6 von der chilenischen Regierung gemachten Versuck, cin kleines Botanv-Vay auf Juan Fernandez zu gründen, so dasi seit 18Z5 die Insel Wiederum gänzlich der Natur oder zufälligen Besuchern überlassen bleibt. Robbenschläger hielten sich hier früher häufig auf; jetzt erscheint nur von Zeit zu Zeit ein Walfischfangcr oder ein von der Neugierde hergeleitetes Kriegsschiff, um sich mit frischem Wasser zu versehen, denn die ehemals so häufigen Seelöwen sind vertrieben oder finden sich nur noch einzeln in den entlegenen Hohlen des Felsengestades. Im Mai 1838 versuchte D'Urvilk', in der Cumberland-Bay zu ankern, da der Wind aber fortwährend ungünstig blieb, begnügte er sich endlich, ein Boot auszusetzen, welches nur einige Stunden am Lande verweilte. Die mit Gesträuch überwachsenen Crdwälle und verfallenen Mauern eines kleinen Forts nebst einigen verrosteten Kanonen zeugten noch von der chilenischen Besatzung. Etwas rechts, am Abhänge eines kleinen Hügels waren einige geräumige Höhlen in das weichere Gcstcin gehauen. Von dort aus tonnte man die ganze Bucht üderschaueu, und theils der Aussicht wegen, theils um ihre Ncugierde zu befriedigen, erstiegen die Franzosen die Höhe. Als sie sich einer der Höhlen näherten, stürzten fünf oder fcchs große Hunde lautbettend heraus, wurden aber sogleich von einem Manne gefolgt, der mit einem Worte sie zum Schweigen brachte und den Fremden mit freundlichem Grüfte entgegentrat. Es war ein Greis, aber trotz seines Alters stark und kräftig; seine langen weißen Haare fielen über den nackten, sonnengebräunten Hals-, sein Gesicht athmete Nuhc und Ofsmhcit; er erinnerte an Cooper's alten Led er st rum pf. Ein Hemd und eine leinene Hose waren seine einzige Kleidung ; mit Herzlichkeit lnd cr die Fremden ein, in seine Grotte zu treten. .Es war diese eine der malerischsten Wohnungen, die man sich deuten kann; geräumig, hoch, mit rundem Gewölbe. Der Boden war von ausgezeichneter Rrinlichteit. Rechts hingen Ziegenfelle und geräucherte Fische an der Wand nnd hinter zwci Tonnen befand sich das bescheidene Lager des Einsiedlers; daneben eine alte Flinte mit langem Lauf, darüber eine Jagdtasche aus Robbcnfell und ein großes Ochscnhorn. Vinls sah man zuerst den aus einigen Steinen bestehenden Herd, vor welchem ein großer Jagdhund sich ausstreckte, der Liebling des Hausherrn. Ftwas entfernt vom Herde lagen auf einem Haufen die Ruder, die Mastcu und die Segel seines Bootes und noch weiter Seehundsfclle symmetrisch aufgestapelt. Der Hinter- 72 73 gründ der Höhle war nacktes Gestein, mit Ausnahme einiger Büschel hellgrünen Laubes, welche das durch die Spalten der Felswand sickernde Wasser ernährte. Ein sanftes, durch die offene Thüre hereinfallendes Licht beleuchtete diese eigenthümliche Einsiedelei. Der Inhaber schien glücklich-, seine Wünsche und Bedürfnisse waren bescheiden und leicht zu befriedigen. Seine Wohnung war geräumig und bequem. Das Meer lieferte ihm Fische in Ucberftuß und mit Hülfe seiner Hunde tonnte er ohne Schwierigkeit die Ziegen auf den Hohen erreichen. Mit den erbeuteten Thierfellen endlich verschaffte er sich durch Tausch alle sonstigen Bedürfnisse von den Schiffen, die von Zeit zu Zeit die Insel besuchten. Dieser Greis antwortete mit Einfachheit nnd Gutmüthigkeit auf allc Fragen, während er seinerseits die größtc Glrichgültigteit über die Verhältnisse seiner Besucher an dcn Tag legte. Er hielt es nicht der Mühe werth, sich zu erkundigen, ob sie Engländer oder Franzosen seien, ob sie eine Entdeckungsreise oder auf Pottsische Jagd machten. Man sah, daß die Insel seine Welt und alles darüber hinausliegende ihm völlig gleichgültig war. Die Franzosen nahmen Abschied vom guten Alten und beeilten sich, das Ufer wieder zu erreichen, denn schon winkte die Flagge der „Astrolabe" zur Rückkehr. Es dunkelte bereits, als sie in's Boot stiegen, und die entfernten Schiffe sahen nur noch wie schwarze Punkte aus. Mehr als sechs Seemeilen mußten rudernd zurückgelegt werden. Am folgenden Morgen erschienen die bläulichen Bergspitzen von Juan Fernandez nur noch gleich fernen unsicheren Wolken am Saume des Horizonts. So endete dieser knrze Besuch — ein Bild des Lebens, welches von Anfang bis zu Ende nichts ist, wie ein Finden und Verlieren, ein Begegnen und Scheiden. Im Jahr ^1845 verweilte der englische Marinelieutenant Walpole einige Tage auf der Insel. Er traf dort einen amerikanischen Matrosen, der sich einiges Geld verdiente, indem er an die Walfischfahrrr Brennholz und Ziegenfleisch verkaufte und ihr Führer auf Iagdexcnrsionen war. Außerdem bewohnten noch einige chilenische Familien ein paar elende Hütten. Diese Ansiedler besaßen viele Hühner und Enten, nebst einigen zahmen Ziegen und lebten hauptsächlich von Fischen. Anf seine Frage, wcßhalb sieben Boden nicht anbaueten, erhielt er zur Antwort, daß die Ratten allen Samen auffressen würden, und fand auch in der That bei etwas näherer Bekanntschaft, 74 daß die guten Leute es mit einer unüberwindlichen Ratte der allcrschlimm-sten Sorte zu thun hatten — der Faulheit. Nach den letzten Nachrichten vom Jahre 1858 lebten damals 111 Menschen auf Juan Fernandez, welches noch immer als chilenisches Besitzthum betrachtet wird. Siebentes Kapitel. Die Galapagos. Anblick der Inseln. — Dürre der Küsten. — Vulcane lmd parasitische Auswurfs-kegcl. — Oede Lavagegenden. — Zunahme der Vegetation auf den östlichen Inseln. — Caetuse und Guphorliien. — Der üppigere PflanzenMichs auf den Anhöhen. — E<« dcckscn. — Die große Landschildkröte. — Eigenthümliche Vögel der Galapagos. — Ihre auffallende Zahmheit. — Nchnlichcs Beispiel auf dcn Falkland's Inseln. — Klima der Galapagos. — Ihre Geschichte. — Flühcrc Bedeutung dcs Walfischfangcs in den Buchten der Galapagos. — ?c>rt OMco üa^. — Ker I'oi'tLi-. — Abenteuer bes-Ivländers M Patrick. — Colonisation der Galapagos durch den General Flores. — Unglückliches Gnde der Kolonie. — Skogman's Vcsuch 4852. Aeine Palmen umglünen das Ufer der Galapagos, wie man es wohl auf Inseln erwarten sollte, die unter dem senkrechten Strahle des Aequators liegen; weder Banane, noch Brodfruchtbaum ernähtt hier eine zahlreiche Bevölkerung-, wild und abschreckend, nackt und düster ist die Küste. Zwar wechseln jährlich zwei Regenperioden mit zwci trockenen Jahreszeiten ab, nud jedesmal, daß die Sonne übcr drm Acquator steht, bringt sie stürmisches Wetter und häufige atmosphärische Niederschlage mit sich; aber das poröse Gestein verschluckt alsbald die befruchtende Feuchtigkeit und man tennt auf dieser ganzen bedeutenden Inselgruppe nur einen einzigen Bach, der mit seinem dürftigen Tribut das Meer erreicht, nur zwei kleine Wasserfälle, die an der Süd ostspitze der Chatham-Insel über den Felsenrand der Küste hinabstürzen. NamRttlich sind es die niederen Gegenden, die an beständiger Dürre leiden, und mit Ausnahme der peruanischen Sandküste vdrr der afrikanischen Sahara, möchte schwerlich ein Tropenland von der Ausdehnung der Gala- 75 pagos zu finden sein, welches einen so trostlosen, verödeten Charakter darböte und wo Flora noch mit so wenigem Erfolge gegen den übermächtigen Vulkan ankämpfte. Denn die Abhänge des Gebirges, welches sich überall mit abgerundetem Nucken in sanften Linien erhebt, sind mit Lavastromen bedeckt, die größtentheils noch durch die Dürftigkeit der Vegetation oder deren vollständigen Mangel ihr jugendliches Alter zur Schau tragen, und auf den westlichen Inseln Narborough und Albemarle, wo noch immer das unterirdische Feuer zum häufigen Ausbruch tommt, wälzen sich die glühenden Wogen der Lavaflüsse über das schon ältere vulkanische Gestein hinab, die Keime des vegetabilischen Lebens erstickend, die vielleicht in den Ritzen und Spalten der bereits verwitternden Schlacken sich entfalten mochten. Die höheren Inseln, welche bis zu ">, ^ und sogar 5<)00 Fuß sich erheben, tragen gewohnlich einen oder mehrere tzauvttrater auf ihren Central-gipfeln, während ihre Flanken mit zahllosen kleinen parasitischen AuZwurfs-kegeln übersäet sind. Auf der Chatam-Insel zählte Darwin von einer kleinen Anhöhe sechzig dieser abgestumpften Kegel, alle von einem mehr oder weniger vollständigen Crater gekrönt. Die meisten bestanden nur aus einem Ring von rothgebrannten Schlacken und erhvbcn sich nur fünfzig bis hundert Fuß über die umgebende Lavafläche. Sie erinnerten durch ihre regelmäßige Form an die betriebsamen Gegenden, die mit Hohöfen und Eisenhütten bedeckt sind, doch die Todtenstille der Wildniß führte die wandernde Phantasie von jenen lebensfrischen Bildern bald wieder zur öden Wirklichkeit zurück. Das verschiedene Alter der Laoaflüsse läßt sich am verhältnißmäßig größeren oder geringeren Fortschritt oder am gänzlichen Mangel der Vegetation deutlich erkennen und nichts kann an Rauhigkeit die Oberfläche der neueren Ströme übertreffen. Man denke sich ein plötzlich im stürmischen Aufruhr versteinertes Meer, und doch würde kein Meer solche unregelmäßige Ugdulationen oder so tiefe Wellenklüfte darbieten. Es wäre interessant zu wissen, wie viel Zeit eine runzelige Lavaftächc unter verschiedenen Breitegraden bedarf, um sich durch Verwitterung in ein fruchtbares Feld zu verwandeln. In Island muß eine unberechenbare Reihe von Jahren dazu gehören, da unter dem viel milderen Himmelsstriche des Aetna Lavaströmc, die schon vor der Eroberung des Marcellus sich ergossen, noch immer nur mit einer dürftigen Pflanzendecke ihr schwarzes Ge- stein verhüllen, und auch in der Tropcnzone, wo natürlich der Verwandlungsproceß am raschesten sich entwickelt, geht eine lange — lange Zeit darüber hm. Doch muß seit einigen Jahrhunderten die Vegetation anf den Galapagos etwas zugenommen haben, da sonst ein so genauer Beobachter wie Dampier (1684) nicht behauptet hätte, daß auch die östlichen Inseln außer einigen Cactusen weder Baum, Strauch, noch Gras hervorbringen, eine Beschreibung, die gegenwärtig nur auf den westlichen Theil der Gruppe bezogen werden kann, wo noch immer häusige vulkanische Ausbrüche statt finden und Schutt auf Schutt Haufen. Auf vielen der Galapagos sieht man beim >?eransegeln die Vegetation fast gänzlich aufhören, ehe sie den Meeresrand erreicht, und auf den meisten ist das Ufer noch völlig pflanzenleer. Auf einigen zeigen nur die Gipfel oder Theile der Gipfel Spuren der Vegetation, und auf den wenigsten senkt sich das Pflanzenreich bis zum Drittel oder zur Hälfte der Abhänge oder sogar bis zum Strande herab. Man lann mmehmen, daß letztere diejenigen sind, 5>e das höchste Alter besitzen oder wo die vulkanische Kraft zuerst erlosch. Die Eigenthümlichkeit der Gewächse trägt ebenfalls das ihrige dazu bei der Landschaft der niederen Gegenden einen öden, pflanzenleeren Charakter zu geben, da die hervorragendsten derselben riesengroße Caeluse mit breiten zusammengedrückten Gliedern und wohl eine Vicrtelelle langen Stacheln (Opmitia ^alli^goi^i«) oder Wolfsmilcharten sind, die in einiger Entfernung ganz blattlos erscheinen, so daß erst bei näherer Betrachtung Darwin gewahr wurde, daß die meisten dieser dürren wie abgestorbenen Gewächse nicht nur braune Blättchen trugen, sondern sogar eben in voller Blüthe standen. An der Küste der Chatham Insel gab sich derselbe Naturforscher die größte Mühe Pflanzen zu sammelu, doch gelang es ihm nur zehn Arten aufzutreiben, und zwar so kleine elend aussehende Gewächse, daß sie weit eher die Erzeugnisse einer arctischen Flora als eines tropischen Landes zu sein schienen. Die Opuntie und eine Akacic sind die einzigen Pflanzen dieser Gegenden, welche einigen Schatten werfen. Weiter hinauf in Höhen, die etwa tausend ^uß überragen, und namentlich an den südöstlichen Abhängen, die den größten Theil des Jahres von feuchtem Passate augeweht werden, erzeugt die dunstvcrdichtendc, ncbelbildende Kraft des Gebirges, überall wo die schon aufgeschlossene Lava es gestattet, 7 Blätter verschiedener Bäume, besonders einer Akazienart. Sie kriechen die niedrigen verkrüppelten Stämme hinan, und oft sieht man mehrere zugleich einen Ast gemächlich abweiden, auf welchem sie mehrere Fuß über dein Boden sitzen. Ihr Fleisch, wenn eZ gekocht ist, hat eine weiße Farbe und soll wohlschmeckend sein, die Bemerkung Humboldt's bestätigend, daß im tropischen Südamerika alle Eidechsen, welche die trockenen Gegenden bewohnen, als Leckerbissen gelten können. Das wichtigste Thier drr Galapagos oder vielmehr das einzige Produkt derselben, welches jetzt noch die Aufmerksamkeit des Schiffers auf sich zieht, seitdem der Walfisch durch unablässige Verfolgungen ans den Buchten des Archipels vertrieben worden ist, gehört ebenfalls zu den Reptilien. Es ist dieses die riesige Landschildkröte (^»wäo mäi^l), welcher die Gruppe ihren spanischen Namen — Galapagos — (Schildlröteninseln) verdankt. Sie ist wahrscheinlich im ganzen Archipel zu Hause, wo sie zwar die hohen feuchten Gegenden vorzieht, aber auch die niedrigen, ttockenen Küstenstriche bewohnt. Sie war früher so häusig, daß nach dem Weltumsegler Dampier, dem wir die ersten zuverlässigen Notizen über die Inseln verdanken, eine ganze Flotte sich ausschließlich mit ihnen hätte verproviantircn können. Einzelne Schiffe sollen bis zu 700 dieser Thiere mitgenommen haben, und noch in den dreißiger Iahrrn wurden von der Mannschaft einer Fregatte an einem Tage 200 Stück an die Küste geschleppt. Ihre Anzahl hat sich aber bedeutend verringert, seitdem ihr Fett, welcheß an Wohlgeschmack das Schweineschmalz übertrifft, die Aufmerksamkeit der Spekulanten auf sich zog, und zu einem bedeutenderen Handelsartikel mit dem benachbarten amerikanischen Kontinent wurde; auch die verwilderten Hunde bedrohen sie auf mehreren Inseln mit dem völligen Untergang. Individuen von emcr Größe, daß sechs oder acht Mann nöthig wären sie von der Erde zu heben, mochten jetzt kaum noch anzutreffen fein. Die Schildkröten, welche die wasscrlosen Inseln oder die niedrigen, trockenen Küstengegenden bewohnen, leben vorzüglich vom saftigen Cactusmark, während diejenigen, welche die höheren feuchten Distrikte zu ihren Wohnsitzen gewählt haben, verschiedene Blätter, die sauren und herben Beeren des (^ua/a--vna und eine blaßgrünc fadenartige Flechte genießen, die bartartig von den Baumzweigen herabhängt. 81 Die Schildkröten lieben das Wasser sehr, trintcn es in großen Zügen und wälzen sich gern im Schlamm herum. Es ist daher um so auffallender, wie weit sie sich manchmal von diesem Labsal entfernen, doch mag die Liebe zum Cactusmark und vorzüglich das Prütegeschaft, welches die Hitze des trockenen Strandes bedarf, zur Erklärung des Geheimnisses dienen. Von den Wassertümpeln des Binnenlandes strahlen daher nach allen Seiten die breiten, wohl ausgetretenen Pfade der Schildkröten nach der Küste hin und ohne diese würde man wohl schwerlich durch das dornige Gesträuch und die wildaufgcworfenen V^aven den Weg zu den fruchtbaren Höhen gefunden haben. So haben die Schildkröten auf den Galapagos die Sorge des Chaussccbaues übernommen, der auf Kamtschatla den Baren und auf den javanischen Anhöhen dem Rhinoeeros zur Last fällt. In der Nähe der Brunnen gewährt es ein uuterhaltendes Schauspiel, die schwerfälligen Ungeheuer zu betrachten, wie die einen, so eilig wie sie nur können, mit ausgestrecktem Halse heranwatscheln, während die anderen bedächtig fortkriechen, nachdem sie das Wasser reichlich genossen. Sowie die Schildkröte den Brunnen erreicht, taucht sie sogleich den Kopf bis über die Augen in's Wasser und verschluckt es mit gierigen Zügen -^ ungefähr zehn in der Minute, Jedes Thier soll drn bis vier Tage in der Nähe des Wassers zubringen und dann zu den niedrigen Gegenden zurückkehren; doch linbekannt ist es, wie häusig sich diese Besuche wiederholen, die wahrscheinlich nach der Natur des Futters sich richten. So viel ist gewiß, daß die Schildkröten auch auf den wasserlosen Inseln leben, wo es höchstens ein Paarmal im Jahre regnet. Es scheint eine ausgemachte Thatsache, daß die Blase des Frosches dem Thier als nothwendiger Wasserbehälter dient, und dieses wird auch bei der Schildkröte der Fall sein. Eine Zeitlang nach ihrer Brunncnreise ist die Urinblase des Thieres mit einer klaren, kaum merklich bitteren Flüssigkeit angefüllt, die allmälig abnimmt und unreiner wird. Dieser Umstand soll öfters von.durstigen Seefahrern benutzt worden sein, welche die erste Schildkröte, der sie begegneten, tödteten und mit dem Inhalt des sonderbaren Wasserschlauchs ihre trockenen Kehlen benetzten. Hartwig, d!c Inseln lco großen Occan?. ß 82 Wenn die Schildkröten auf der Reise begriffen sind, fo wandern sie Tag und Nacht und erreichen ihr Ziel viel schneller, als man erwarten sollte. Ein großes Thier, welches von Darwin beobachtet wurde, legte 60 Ellen in 40 Minuten zurück, und rückte also nach diesem Maßstabe täglich etwa um eine deutsche Meile vor. Auf lockerem Boden legt das Weibchen seine Eier in ein Loch, über welches es den Sand zusammenscharrt; auf Felsengrund begnügt es sich, dieselben in die erste beste Höhlung fallen zu lassen, ihr künftiges Schicksal der Sonne überlassend. Das Ei ist weiß und rund und mißt ? bis 8 Zoll im Umkreis. So wie die jungen Thiere aus der Hülle hervorkriechen, werden sie in großer Menge vou einem gefräßigen Vussaar weggefangen — unr der Mensch sorgt schon dafür, daß die Ausgewachsenen nicht gar zu alt werden. Man glaubt, daß diese Thiere durchaus taub sind; so viel ist gewiß, daß sie einen nicht gewahr werden, wenn man auch ganz dicht hinter ihnen hergeht. Darwin ergötzte sich oft daran, die ungeheueren, langsam fortschreitenden Reptilien einzuholen, die, so wie er an ihnen vorbeiging, augenblicklich ihren Kopf und ihre Beine zurückzogen und mit lautem Zischen und schwerem Geräusch auf dic Erde sielen, als ob der Blitz sie gerührt hätte. Er stieg oft auf ihren Rücken, und dann nach ein paar derben Schlägen auf den Hintertheil ihres Panzers, pflegten sie sich aufzuraffen und weiter zu gehen — doch fand der Naturforscher es sehr schwer, sein Gleichgewicht auf diesem sonderbaren Lastthier zu behaupten. Die Riesenschildkröte der Galapagos (lostuclo inälca) wird gegenwärtig in vielen andern Ländern angetroffen, doch mögen alle ursprünglich von iener Inselgruppe herrühren. Wcnn man weiß, wie häusig die Galavagos in früheren Zeiten von den Flibustiern besucht wurden, welche stets cine Menge lebender Schildkröten mit an Poro nahmen, ist es sehr wahrscheinlich, daß auf diese Weise die nützlichen Reptilien weit und breit durch die Tropenzone zerstreut wurden. Merkwürdig ist es, wie auf den Galapagos die fehlenden wiederkäuen« den Säugethiere durch Reptilien — Schildkröten und Eidechsen — ersetzt werden, so daß man sich hier in eine frühere Epoche des Planetenlebens zurückversetzt glaubt, wo noch die Saurier die Herrschaft auf Erden führten. In ornithologischer Hinsicht bieten die Inseln nicht minder seltsame Eigenthümlichkeiten dar. Darwin fand 26 verschiedene Arten von Land- 83 vögeln, die gröfttentheils sonst nirgends in der Welt vorkommen, und noch merkwürdiger ist es bei dem wandernden Charakter dieser Gattung, daß die einzige Move, die bei den Inseln angetroffen wird, ihnen ebenfalls ausschließlich angehört. Das Gefieder aller dieser Vögel ist gewöhnlich seht schmucklos und unschön, wie die Flora des Landes. Nicht nur der ganze Archipel, sogar jede Insel hat ihre eigenthümlichen Specie?. So lebt eine Art von Spottvogel (Oi-sili«!,« trita8o> Tahitirrn und einem zehnmonatlichen Kinde landeten sie im Jahre 17!W auf Pitcairn, welches zwar damals völlig menschenleer, aber in früherer unbekannter Zeit bewohnt gewesen war, denn sie fanden Aei'te und Götzenbilder und in die Erde vergrabene Schädel, als geheimnißvolle Denkmäler einer verschwundenen Bevölkerung. Anfangs behauptete Vhnstian noch das Ansehen eines Befehlshabers, und unterhielt einige Ordnung unter seinem wilden unbändigen Gefolge. Doch pflegte er manche Stunden auf einer hohen Felsspitze zuzubringen, die er sein „Lug in's Meer" nannte. Von dorther schweiften seine unruhigen Blicke weit über die verödeten Fluren des Oceans, wo jeden Augenblick am fernen Horizont die 105 Rache der beleidigten Gesetze hervortauchen tonnte. D wie trübe waren die Gedanken, welche seine schuldige Seele bewegten! was hätte er nicht darum gegeben die vollbrachte Missethat aus der Vergangenheit zu löschen! Bald nach der Landung wurde die Bounty verbrannt, um ja nicht durch ihre hohen Masten den Aufenthalt der Meuterer zu verrathen, und so verurtheil-ten sie sich selber zu einer ewigen Gefangenschaft aus jenem verlorenen Felsen, 10,000 Meilen weit von ihrer Heimath, ihren Familien und ihren Freunden. Mit reinem Gewissen und einträchtigem Sinn hätten sie dort noch glücklich leben können, aber durch ihre eigene Verworfenheit ward ihnen die liebliche Insel zur Hölle. Streitigkeiten brachen aus und hatten den Mord zur Folge. Noch ehe ein Jahr verging, wurden Christian und noch vier Engländer von den Tahitiern überfallen und erschlagen, die bald darauf auf ähnliche Weise umkamen. Einer der überlebenden Meuterer von einem bösen Dämon ver-führt, erfand die unselige Kunst ein berauschendes Getränk aus einer Wurzel zu gewinnen, und stürzte sich in einem Anfall von Säuferwahnsinn in's Meer; ein anderer wuroe von Adams und Joung, den einzigen die später eines natürlichen Todes starben, zu ihrer Selbstvertheidigung erschossen. So zeigte es sich auch hier, daß das Böse sich stets selbst bestraft, wenn auch die menschliche Gerechtigkeit es ungeahndet läßt, daß die Schuld nie und nimmer gesegnete Früchte trägt. Im Jahr 1800 war der damals 36 jährige Johann Adams nur noch der einzige Mann auf der Insel. Das unbestrittene Oberhaupt des kleinen aus einigen Frauen und zwanzig Kindern seiner verstorbenen Kameraden bestehenden Staates. Die bitteren Erfahrungen feines Lebens hatten indessen eine merkwürdige Veränderung in ihm hervorgerufen, er war nachdenklich und fromm geworden, las fleißig in der Bibel und bemühte sich die wachsende Generation nach den Grundsätzen des Christenthums zu erziehen. So war der rohe Seemann, der in der Jugend an so gewaltsamen Scenen Theil genommen, zum Patriarchen und Vater einer friedlichen Gemeinde geworden, die unter seiner Leitung in Ordnung, Arbeitsamkeit und Eintracht aufblühte. Indessen fingen die Walfänger an den großen Ocean immer mehr und mehr zu besuchen — und früher oder später mußte wohl das Geheimniß des Pitcairn Felsens bekannt werden. Doch dauerte es bis zum Jahre 1808, ehe die vereinsamte Insel zum eisten Mal von einem amerikanischen Schisie, dem „Topas" besucht wurde, dessen Caviä'n landete und in riner der ver- 106 lassenen Hütten (denn die kleine Kolonie hatte sich auf Adams Befehl bei Annäherung der Fremden versteckt) zu feinem großen Erstaunen mehrere Reliquien der Bounty — einen Chronometer uud einen Seekompah — vorfand, welche er der englischen Admiralität zuschickte. Diese schien anfangs keine Notiz davon zu nehmen, doch sechs Jahre später sah Adams zu seiner großen Bestürzung zwei Fregatten, den „Briton" und den „TaguZ" der Insel sich nähern, und hatte bald alle Ursache zu fürchten, daß die Stunde der verspäteten Strafe mm endlich für ihn gekommen sei, denn mehrere Boote mit Offmeren und Bewaffneten stießen von den Schiffen ab und ruderten gerade auf den Landungsplatz zu. In sein Schicksal sich ergebend, trat er den Ankommenden entgegen, erfuhr jedoch zu seiner unaussprechlichen Frende, daß man durchaus keine böse Absichten gegen ihn hege und seine längst verjährte Schuld vergeben und vergessen sei. Als er sich auf diese Weise von seiner fünfundzwanzigjährigen Sorge befreit sah, war es ihm als ob man ihm einen Mühlstein vom Halse genommen hätte. Er starb lft29 nach einem Elfjährigen Aufenthalt auf Pit-cairn, von der ganzen Gemeinde, die ihm so viel veidantte, ticf betrauert. Vor seinem Tode versammelte er seine Kinder, wie er sämmtliche Insulaner nannte, um sein Sterbelager, und nachdem er sie dringend ermähnt hatte ihre religiösen und sittlichen Pflichten nimmer zu vergessen, rirth er ihnen eine» aus ihrer Mitte zum Oberhaupte zu erwählen. Glücklicher Weise, wie von der Vorsehung gesandt, war etwa vier Monate vor Adams Tode ein merkwürdiger Mann auf der Insel gelandet, der alle Eigenschaften besaß, um dessen würdiger Nachfolger im Zutrauen, in der Liebe und der moralischen Leitung der kleinen Brüdergemeinde zu sein. George Henn Nobbs 1799 in Irland geboren, hatte seit seinem eilften Jahre in der englischen Marine, und später unter Lord Cochrane auf der chilenischen Flotte gedient, wo er zum Lieutenant befördert wurde. Nachdem er viele Glückswechsel erlebt und oft den Tod vor Augen gesehen, kehrte er 1822 auf einem Schisse, welches Pitcairn besucht hatte, nach England zurück. Der Cavitä'n machte ihm eine so anziehende Beschreibung vom glücklichen Frieden der kleinen Gemeinde, daß der von den Stürmen des Lebens so lang umhergeworfene Seemann eine unwiderstehliche Sehnsucht nach jener seligen Ruhe empfand, und den Entschluß faßte, sich so bald wie möglich auf Pit. cairn niederzulassen. In Callao, wohin er sich mit diefei Absicht begab, be- 107 wog er den Eigenthümer ciner ^haluppe, ihn nach der Insel zu begleiten, die vom-gebrechlichen Fahrzeuge nach einer 42tägigen Reise, am 15. November 1828 erreicht wurde. Vom alten Adams freundlich empfangen und als Schullchrer angestellt, erwarb sich Nobbs in kurzer Zeit die allgemeine Achtung und Liebe, und fuhr nach dem Tode des Patriarchen fort als Lehrer, Arzt und Seelsorger die Geschicke der lleinen auf 68 Köpfe herangewachsenen Gemeinde zu leiten. Doch es scheint der Mensch für eine ununterbrochene glückliche Ruhe nicht geboren zu sein, denn auch Pitcairn sollte bald auf längere Zeit seinm Frieden gestört sehen. Vor seinem Hinscheiben hatte Adams dir Besorgniß ausgedrückt, daß der Wasservorrath der Insel für eine wachsende Bevölkerung nicht ausreichen möchte, und so erschien 1631 dieKriegs-chaluppc „der Komet" vor Pitcairn, mn die Einwohner auf ihren Nunfch nach Tahiti überzusiedeln.- Die ganze Bevölkerung von 87 Seelen schiffte sich ein, kam aber zu ciner sehr unglücklichen Zeit in der neuen Hcimath an, da das Land eben am Vorabende eines Bürgerkrieges stand. Die furchtbare Sittenlosigkeit des Volkes erfüllte sie mit Abscheu; und Krankheiten brachen unter ihnen aus, woran 17 starben. Entmuthigung und Heimweh bemächtigten sich aller Gemüther und ihr sehnlichster Wunsch war nach dem geliebten Piteairn zurückzukehren. Einer unter den englischen Ansiedlern auf Tahiti veranstaltete eine Collecte und der Verkauf der kupfernen Nägel und Bolzen die noch von der Bounty herrührten, brachten die nöthige Snmme zusammen, für welche ein amerilanifches Schiff sie nach der verlassenen Heimath führte. Doch die bösen Folgen dieser unheilvollen Auswanderung ließen sich nicht so bald wieder verwischen, und als zwei Jahre später Bennett die Insel besuchte, fand er noch bei vielen einen unruhigen unzufriedenen Geist und eine Zügellosigkeit der Sprache, die ihnen gewiß früher fremd gewesen waren. Um diese Zeit brachte auch ein englischer Abenteurer, Namens Hill die Keime der Zwietracht nach Pitcairn. Er gab sich ohne weiteres den Titel eines Lords und königlich großbritanischen Statthalters, zog die Stärksten und Ehrgeizigsten auf seine Seite und zerstörte gar bald die ehemalige brüderliche Gleichheit. Zwar hatte der ehrliche Nvbbs ihn sogleich durchschaut, war aber außer Stande dem schlauen Intriganten die Spitze zu bieten und sah sich endlich genöthigt, die Insel zu verlassen. Nun hatte der Schurke freies Feld und erzählte den leichtgläubigen Insulanern bodenlose Lügen über seine hohe Stellung in England, wie er der nächste Verwandte und intimster 108 Freund des Herzogs von Bedford sei, mit dessen Gemahlin, wie er sagte, er fast täglich auszuführen pflegte. Doch während die Pitcairnier mit offenem Munde den Prahlereien des Gauners zuhörten, führte der Zufall den Capitän Lord Eduard Rusell, einen Sohn des Herzogs, nach der Insel. Dieser hatte große Lust den entlarvten Betrüger sogleich mit nach England zu nehmen, da es ihm aber an der gesetzlichen Vollmacht fehlte, wurde erst im folgenden Jahre der falsche Lord seines usurpirten Amtes entsetzt. Nun luden auch die reuigen Pitcairniei ihren alten Freund Nobbs wieder zu sich, der einstweilen nach Mangareva gezogen war, und freudig zu seinen verirrten Schafen zurückkehrte, die ihm von nun an keinen weiteren Grund zur Klage gaben. Er betrachtete sie als ihm von der Vorsehung anvertraute Kinder, und leistete was nur von einem durchaus wohlwollenden, kenntnißreichen und erfahrenen Manne erwartet werden konnte. Die Einwohner von Pitcairn waren sehr arm und Nobbs wußte es recht wohl, als er sich unter ihnen niederließ. Im Jahre 1844 schrieb er einem Geistlichen in Valparaiso: „Die Kleidungsstücke die ich aus England mitbrachte, sind Wie Sie leicht denken können, so ziemlich aufgetragen. Früher zog ich Sonntags einen schwarzen Rock an, doch seit drei Jahren sehe ich mich genöthigt, ihn durch eine selbst verfertigte Nankinjacke zu ersetzen. Nur für Heirathen und Begräbnisse bleibt jenes Staalstleid bestimmt, so fadenscheinig es auch ist. Höre ich also von einem jungen Manne: „Meister nächsten Sonntag mußt du deinen schwarzen Rock anziehen!" so weiß ich, was diese Worte bedeuten. Dem guten Nobbs war zum Lohn für seine Dienste ein Grundstück angewiesen worden, dessen er recht sehr bedürfte, da seine Frau, eine Enkelin des unglücklichen Christian, ihn mit eilf Kindern segnete. Im Jahr l 852 machte er eine Reise nach England, um dort die geistliche Ordination vom Bischof von London zu empfangen, eine durch seine langbewährte Tugend wohlverdiente Ehre. Nach auf Pitcairn muhte ihm ohne Zweifel das Treiben der Weltstadt recht babylonisch vorkommen, doch vermochte nichts sein Staunen zu erregen, so daß er wie das verkörperte horazische »il aüniliÄl-i aussah! In den Gesellschaften, zu welchen er als Löwe des Tages häufig eingeladen wurde, machte er den Eindruck eines höchst bescheidenen, ernsthaften Mannes, dessen einfaches, mitunter etwas originelles Benehmen, in vollkommenem Einklang zur eigenthümlichen Lebensweise stand, die er so lange geführt hatte, und nach welcher er sich augenscheinlich zurücksehnte. 109 Von den Ersten und Ausgezeichnetsten des Landes wurde ihm die schmeichelhafteste und herzlichste Aufnahme zu Theil, denn die Beschreibungen der Südseefahrer hatten schon längst die öffentliche Aufmerksamfeit auf Pitcairn gelenkt, und ein Jeder interesjirte sich für die kleine auf so merkwürdige Weise entstandene und angewachsene Colonie. Cine kollecte wurde veranstaltet, deren ziemlich bedeutender Ertrag die Pitcairnicr mit einer Menge nützlicher Gegenstände versorgte, und Herrn Nobbs selbst wurde von der Missionsgesellschaft ein Iahrgehalt von 50 Pfund angewiesen. Zwei Tage vor seiner Abreise führte ihn die königliche Flacht „Fairy" nach Osborne, wo er von der Königin und dem Prinzen Albert auf's freundlichste empfangen wurde. Als dieser ihn fragte: „was er noch für seine kleine Gemeinde thun könne", antwortete Nobbs, der wie es scheint nicht ohne Anlage zum Hofmann war, daß man schon hinreichend für alle Bedürfnisse derselben gesorgt habe, daß aber das Geschenk der Porträts der königlichen Familie ihr die größte Freude machen würde, eine Bitte, die der Prinz lächelnd gewährte. Unter vielen Umarmungen und lautem Weinen hatten die Insulaner von ihrem trefflichen Lehrer Abschied genommen, und nicht minder rührend war das Wiedersehen im folgenden Jahre (1853), als er von seiner 18000 Meilen langen Reise zu seiner friedlichen Gemeinde zurückkehrte. Diese belief sich damals auf 170 Seelen oder 22 Familien, unter welche der ganze urbare Boden der Insel vertheilt war. Die Regierung bestand aus einem Oberrichter, den jährlich am 1. Januar das allgemeine Stimmrecht zu jener höchsten Würde erhob, und aus zwei Räthen, die gleichfalls an jenem Tage, dci eine vom Oberlichter, der andere vom Volke gewählt wurden. Uebrigens waren die guten Pitcairnier so wenig ehrgeizig, daß sie sich nicht selten dieser Auszeichnung durch das Opfer eines fetten Schweines zu entziehen suchten. Grenzstreitigkeiten, wie sie auch unter den friedfertigsten Nachbarn vorzukommen pflegen, wurden gewöhnlich sehr bald vom Magistrat geschlichtet, da es glücklicher Weise auf der Insel leine Advokaten zum Schüren der Zwietracht gab-, war die Sache verwickelterer Natur, so wurde ein Schwurgericht von sieben Personen zur Entscheidung berufen iwd überstieg der Rechtsfall auch den Scharfsinn dieser sieben Weisen, so wartete man die Ankunft eines englischen Kriegsschiffes ab, dessen Cavitän als Obcrappellationsrath das endgültige Urtheil fällte. Uebrigens brachten 110 solche Streitigkeiten durchaus kein böses Blut zu Wege, denn es war Grundsatz auf Pitcairn, die Sonne nicht über seinen Zorn untergehen zu lassen. Die Gesetze waren sehr einfach, wie es sich bei so einfachen Verhält« niffen erwarten ließ. Was die Grrnzscheidm der verschiedenen Besitzungen betraf, so wurden sie vom Oberlichter unter Begleitung aller Fannlienhäupter am Tage seiner Wahl untersucht, und die beschädigten oder umgeworfenen Orcnzpfähle sofort durch neue ersetzt, wodurch manchen Streitigkeiten vorgebaut wurde. Die Einfuhr aller geistigen Getränke war streng verboten, außer zum arzneilichen Gebrauche' auch war es keinem Frauenzimmer erlaubt, ohne besondere Aufsicht an Bord eines fremden Schisses zu gehen. Für Schulgeld wurde monatlich ein Schilling, oder ein qleicher Werth an Lebensmitteln und Arbeit bezahlt', doch unterrichtete Herr Nobbs alle feine Pathenlindcr, wozu ein guter Theil der heranwachsenden Jugend gehörte, unentgeltlich. Was die Katzen betraf, so würden die unserigen, wenn sie wüßten, wie hoch man ihres Gleichen auf Piteairn schätzte, ohne Zweifel massenhaft dorthin ausgewandert sein, denn wer eine Katze tödtete, außer etwa wenn er sie beim Würgen eines Huhnes antraf, mußte als Sühne dreihundert Rattenschwänze liefern, eine eigenthümliche Strafe, welche zugleich auch erklärt, weßhalb Hinzen's Dienste dort in so hohem Ansehen standen. Alles Geflügel wurde an den Beinen gezeichnet und traf der Eigenthümer eines Feldes ein verwüstendes Huhn unter seinen Ignamen oder Bataten an, so durfte er es nicht nur todten und verzehren, sondern er konnte außerdem noch den frühere» Besitzer zum Schadenersatz auffordern. Wenn ein losgebrochenes Schwein Schaden stiftete, so kam die Sache erst vor den Magistrat und wenn dieser nicht zu beiderseitiger Zufriedenheit entschied, vor das Schwurgericht. Die Ansiedlung lag an der bereits erwähnten amphitheatralischen Ausbuchtung an der Nordseite der Insel. Die einfachen Hütten, mit den Plättern des Pandanus überdacht, lagen zerstreut auf dem grünen AbHange und halb im dichten Gebüsch versteckt. Niedliche Fußpfade führten von einer zur andern und verloren sich manchmal in ernste Haine von majestätischen Ba nianrn. ssocosnüsse, Pisang und Brodfrüchte gaben nur eine dürftige Erntc; die hauptsächlichste Nahrung bestand aus Ignamen, Bataten und den Wur^ zeln des Bergtaro '(^,v„ni eostÄwm). Fleisch wurde kaum einmal in der Ill Woche gegessen, da eine der angewachsenen Bevölkerung entsprechende Anzahl von Schweinen und Ziegen auf dem Eilande nicht zu finden war, und es für das größere Hausvieh an gehöriger Weide fehlte. Auch die Fische waren ziemlich selten an der Küste und ihr Fang nicht ohne Gefahr. Die Speisen wurden auf polynesische Weise unter heißen Steinen gebacken, Wozu die getrockneten Hülsen der Coeosnüsse das Hauptbrennmaterial lieferten. Im Neußern hatten die Piteairnier große Achnlichkeit mit den englischen Landleuten, nur daß ihre etwas dunklere Farbe auf die Beimischung tahitischen Blutes deutete. Ihre gewohnliche Tracht war kaum mehr als ein Gürtel, da ihre dürftige Garderobe sich nur durch zufällige Einfuhren ergänzte. Die Weider trugen gewöhnlich ein langes Kleid aus der Rinde des Papicrmaulbeerbaumes, und verzierten häusig ihre Haare mit Kränzen von wohlriechenden weißen und brennend scharlachenen Blumen, ein Schmuck, der den hübschen Gesichtern wohl anstand. In jedem Hause sing der Morgen mit einem Gebet und dem Lesen zweier Kapitel aus der Bibel an. Nach einem leichten Frühstück Wurde sogleich die Tagesarbcit begonnen, denn auf der ganzen Insel gab es keinen einzigen Müßiggänger. Die Kinder gingen zur Schule, die Männer fischten, besorgten das Feld oder verfertigten Hüte aus Palmcnblättern oder Körbchen und Dosen zum Verkauf an fremde Schiffer', die Weiber waren mit der Haushaltung beschäftigt, wozu namentlich auch das Verfertigen und Ausbessern der Kleidungsstücke gehörte. Nach dem gemeinschaftlichen Abendgebet ging man frühzeitig zur Ruhe und schlief unbesorgt, ohne Schloß und Riegel. Alle Pitcairnier tonnten lesen und beschäftigten damit gern ihre Muße; doch moralische oder religiöse Bücher bildeten ihre einzige Lecture, und wurden ihnen häufig von der Londoner Gesellschaft zur Beförderung christlicher Kenntnisse zugeschickt. Sie gehörten sämmtlich zur anglicanischen Kirche. Der Gottesdienst wurde im Schulhause, einem 5li Fuß langen und 20 Fuß breiten, steinernen Gebäude,, gefeiert. Die Seiten waren längst vorüber, wo nur höchst selten Pitcairn von Fahrzeugen besucht wurde, da jährlich an 50 Schisse, fast alle amerikanische Nalfischfängrr, die Insel, wenn auch nur flüchtig berührten. Die Ankunft eines fremden Segels war jedesmal ein Fest für das vereinsamte Völkchen. Schiffbrüchige wurden gastlich gepflegt, aber nicht länger geduldet, als bis das nächste Fahrzeug sie an Bord nehmen konnte. Ohne 112 diese Maßregel würde schwerlich der Lebenswandel der Insulaner so rein und christlich-moralisch geblieben sein, wie er unter andern vom Caplan des Admirals Moresby geschildert wird, der während der zehnmonatlichen Abwesenheit des guten Nobbs das geistliche Amt auf Pitcairn verwaltete. Nach ihm gab es auf der ganzen Erde keine gottesfürchtigere Gemeinde; während der ganzen Zeit, die er unter ihnen verweilte, fand auch nicht der geringste Unfriede, geschweige ein Verbrechen statt. Der Gesundheitszustand auf Pitcairn war nicht so günstig, als man nach der einfachen Lebensweise der Bewohner erwarten sollte: Schwindsucht, asthmatische Beschwerden und Fieber kamen häusig vor. Das Klima war herrlich, doch entluden sich zuweileu Stürme von verheerender Gewalt über die Insel. Ein solcher, der am 15. April 1845 ausbrach, spülte mit seinen wolkenbrüchigen Regengüssen das fruchtbare Erdreich von den Felsen herab; entwurzelte 300 CoeoBbäume und stürzte sie in's wildbrandendc Meer. Mehrere Fischerboote wurden zertrümmert und sämmtliche Bananen, worunter 2000 in vollem Ertrage, rein von der Erde weggefegt. Vier lange Hungers-monate folgten auf diesen verhangnißvollen Orkan, dem die frommen Insulaner sich demuthsvoll als einer göttlichen Strafe unterwarfen. Die eben geschilderten Zeiten sind nicht mehr, denn große Veränderungen haben in den letzten Jahren auf Pitcairn stattgefunden. Das liebliche Eiland wurde allmälig zu klein für eine Bevölkerung, die bereits im Jahre 1854 auf 200 Köpfe herangewachsen war, und es ließ sich voraussehen, daß die Zeit nicht mehr fern sein könne, wo entweder alle sich entschließen mühten, eine neue Heimath aufzusuchen, ode,r wenigstens einige von ihnen genöthigt fein würden in die Fremde auszuwandern. Das Erstere wurde vorgezogen, und dankbar nahmen die Pitcairnier das Anerbieten der englischen Regierung an, ihnen die schöne romantische Norfolk's-Insel, die, so lange man noch Verbrecher nach Neu-Süd-Wales deportirte, der Verbanmmgsort des dortigen Abschaums, also gewissermaßen eine verschärfte Hölle war, und uuu verlassen dastand, als neues Vaterland einzuräumen. Im Jahre 1858 fand die Uebersiedelung statt, aber Niedergeschlagenheit und Heimweh stellten sich wie früher auf Tahiti ein, und nach den letzten 113 Nachrichten ist bereits ein Theil der Ausgewanderten nach Pitcai'rn zurückgekehrt, während die Uebrigen mit Sehnsucht den Augenblick erwarten, wo sie ihnen werden nachfolgen tonnen. Zchlitcs Capitel. Dic Misllonrn im grchcn Dcean. Die Missionen im Allgemeinen. — Gründung der Londoner Missionsgesellschaft. Das Missionsschiss „Duff". - Lebenögeschichte des Kapitän Wilson. — Seine Leiden in der Gcfanqenscl'aft. — Das sckwarze Loch. — Tie Reisen des Duff. — Ansiedelung der ersten Missionare auf den Marquesas, anf Tonya und Tahiti. — Spätere Unglücksfälle. — Welche Erfolge haben die protestantischen Missionen erzielt! — Die latholischen Missionen. — Wohlthaten der protestantischen Missionen. Die Betehrung der Völkerschaften des großen Oceans zum Christenthum ist ohne Zweifel eins der merkwürdigsten Capitel in der ganzen Kirchengeschichte. Taf; in Britannien, der fernen Ncbelinscl der Nordsee, welcher die Welt die ersten gründlichen Kenntnisse über Polynesien vcrdantt, die Idee den Glauben des Erlösers bis an jene? Ende der Erde zu tragen, so energisch aufgefaßt und ausgeführt wurde — erinnert an die mächtigen religiösen Impulse, welche das romantische Mittelalter bewegten, und daß den Fahrten des Walfängers und des Kaufmanns so früh schon die Missionare folgten, deutet darauf hm, daß die Vorsehung die Südseeinsulaner nicht hülflos den verderblichen Einflüssen der rohesten europäischen Menschenrassen überlassen wollte, sondern zugleich auch Sorge trug, daß sie als Gegengift mit dem sittenvercdelnden Geiste einer vollkommeneren Religionslehre bekannt gemacht würden. Durch keine weltliche Macht unterstützt, ohne Zwangsmittel irgend einer Art, mit keinen Waffen versehen, als denen eines redlichen Eifers und der Ehrfurcht, welche die Würde einer höheren Vildung dem Wilden einstoßt, traten die Vertündiger der neuen Lehre unter Menschen auf, die durch Spracbe, Sitten, Begriffe, Lebensweise und Charakter ihnen völlig fremd waren und Hartwig, dl<> ^nscln lee gn'imi <7cc>n>». A 114 zwar mit kein« geringeren Absicht, als eine gänzliche Umwälzung des Bestehenden hervorzubringen und die Ideen eines fernen Welttheils in die vereinsamten Inseln des stillen Meereß zu verpflanzen. Es war leine leichte Aufgabe, welche jene Männer übernommen hatten, und es bedürfte langer Kämpfe, theils gegen die Gleichgültigkeit der Menge, theils gegen die Privatinteressen der Häuptlinge, deren Ansehen großtentheiis auf der väterlichen Oötterlehre beruhte, ehe sie zum Ziel gelangten: oft waren sie auf dem Punkt, das Feld zu verlassen, auf welchem sie so lange vergebens gearbeitet, und ihr Unternehmen als völlig hoffnungslos aufzugeben — aber die unbesiegliche Ausdauer der angelsächsischen Nace hielt herzhaft Stand gegen alle Widerwärtigkeiten und Hindernisse, erhob sich stärker nach jeder Niederlage und führte zum endlichen Siege. Bei der Geschichte der einzelnen Inselgruppen werde ich noch häufig Gelegenheit haben, die Leistungen der evangelischen Glaubenslehrcr zu erwähnen, denn diese Männer sind es ja, welche die Hauptrolle in den neueren Annalen Polynesiens spielen: vorläufig will ich nur einen Blick auf die Missionen im Allgemeinen werfen und mit wenigen Worten an die Wohlthaten erinnern, welche sowvhl die Eingeborenen, als die fremden Schiffer ibrer Wirksamkeit verdanken. Die londoner Missionsgesellschaft, von welcher die Bewegung ausging, die ritten so mächtigen Ninfluß auf das Schicksal der allerentferntesten Voller des Erdballs ausüben sollte, wurde im September des Jahres 1795 gestiftet. Bei der öffentlichen Gründungsfeier hielt D>. Haweis, früherer Caplan der frommen Gräsin von Huntingdon, einer Dame, deren Anhänger noch immer eine besondere religiose Secte bilden, eine Rede, worin der Beweis geführt wurde, daß unter allen heidnischeu Vändern die Südseeinseln dem Bctehrungswerke die wenigsten Schwierigkeiten entgegensetzen, würden. Die Idee hatte bereits der verstorbenen Gräfin vorgeschwebt, die stets mit großem Interesse die Beschreibungen der Seefahrer vom paradiesischen Klima und der zauberhaften Schönheit jener Smaragde des großen Oceans gelesen hatte und ocren eifrigster Wunsch, den sie sogar auf dem Sterbebette ihrem Kaplan noch an's Herz legte, es war, den sanflmüthigen, kindergleichen und intelligenten Insulanern die Wohlthaten des Christenthums angedeihcn zu lassen. Die Rede von !>>-. Haweis machte einen so tiefen Eindruck auf die Versammlung, daft der einstimmige Beschluß gefaßt wurde, sofort die Ms- l!5 sionsthätigt'eit i,n stillen Ocean z» erosinen, lind daß in turzer Zeit über 19,00^ Pfund Sterling zur Förderung dieses menschenfreundlichen Zweckes unterschrieben wurden. So waren denn die nöthigen Mittel vorhanden, das Wert in einem größeren Maßstabe zu beginnen, und schon im August des folgenden Iabres sehru wir den „Duff" unter Anführung des Kapitän Wilson, mit W Missionaren an Bord, den Hafen von Portsmouth verlassen. Unter letzteren befanden sich nur !! ordinirte (Geistliche, die übrigen gehörten dem Handwerkerstände zu. Die Feinde der Missionare haben ihnen oft selbstsüchtige Absichten vorgeworfen, doch möchte es schwer werden, in diesem ssalle der« gleicken unlautere Beweggründe auffinden zu tonnen. Der große üeean wurde damals uoch nicht wie jetzt von Hunderten von Schiffen besucht und es war auch damals keine Aussicht vorhanden, daß er jemals seiner Vereinsamung entrissen weiden würde: noch leiu geordneter Handelsverkehr verband dessen Küsten und Inseln mit dem fernen Europa; die Dampfkraft hatte noch nicht die Räume des Erdballs zusammengedrängt — eine ewige Verbannung vom Vaterlande, ein Entsagen und Losreißen von allen süßen, liebgewordcnen Gewohnheiten und Bauden der Heimath, um sicb in eine völlig fremde Welt zn begeben: war das selbst-gewählte Loos jener Männer — und der Entschluß dazu tounte nur in Seelen auftauchen, die bereit waren, große Opfev für einen großen Zweck zu machen. Die Südseeinseln, arm an Allem, was nicht zn den unmittelbaren Bedürfnissen des Menschen gehört, boten der Habsucht so gut wie gar nichts dar, und ohne allen Zweifel konnten die Missionare, Männer in der Blüthe ihrer Jahre und Kraft und, wie dir Wahl schon beweist, vom unbescholtensten Rufe, wenn es ihnen nur um weltliche Vortheile zu thun war, sogar in dem verhältnißmäßig niedrigen Stande, dem sie meistentheils angehörten, Weit größere Erfolge in ihrem reichen Vaterlande, als im dürftigen Poly-nesien erwarten. Nm das Unternehmen zum glücklichen Ziele zu führen, bedürfte es natürlich nicht nur eine? sehr erfahrenen und wcltllugcn Seefahrers, sondern besonders auch eines solchen, der mit kaum geringerem Eifer, als die Missis narc srll'st den frommen Zweck zu fördern bestrebte, und dirser fand sich im Capitän Wilson, ein Mann, den eine Kette der merlwürdigstcn Abenteuer 8* IM für diese Angabe erzogen zu hab.'N schien. Nachdem er in Indien der englischen Armee große Dienste geleistet, hatte Wilson das Unglück, in französische Gefangenschaft zu gerathen, aus welcher er durch die Flucht sich rettete, obgleich die Kcrkermauern nicht weniger als 40 Fuß hoch waren. Der mächtige <3oleroon, ein Fluß, in welchem es von Krokodilen wimmelt, versperrte ihm den Weg; doch, unkundig der Gefahr, stürzte er sich in das Wasser und schwamm ans jenseitige Ufer. Uebcrzeugt, daß nun seine Freiheit gesichert sei, bestieg er eine Anhöhe, um das benachbarte Land zu überschauen, als zu seiner unaussprechlichen Bestürzung er von einigen Reisigen Hyder Ali's, des berühmten Sultans von Mysore, bemerkt wnrde, die sofort auf ihn zusprengten, ihn erfaßten nackt auszogen, die Hände auf dem Nucken zusammenbanden nnd ihn vor sich her nach dem Hauptquartiere trieben. Als er von einem der Officiere Hyder Ali's ausgefragt wurde, erzählte er offenherzig, wie er aus dem Gefängniß von Cuddalore entkommen sei. Der Offieier beschuldigte ihn sogleich der ^üge und fügte hinzu, daß noch lein Sterblicher über den ^oleroon geschwommen sei, in welchen man leinen Finger tauchen könne, ohne daß ein Krokodil darnach schnappe. Als er sich jedoch von der Wahrheit der Erzählung überzeugte, blickten alle Wilson mit Verwunderung an, und der Officier rief aus: „Wahrlich dieser Mann wird von Oott beschützt." Run wurde er an einen gemeinen Soldaten gekettet und mußte auf diese Weise nackt, barfuß und verwundet mehrere hundert Stunden zurücklegen. Endlich mit 32 pfundigem Eisen belastet, warf man ihn in ein scheußliches Gefängniß, das schwarze Loch genannt, wo Hunger und Durst ihn quälten, und ein Unglücksgefährte nach dem andern als Leiche ihm vom Arme abgekettet wurde. Es war fast ein Wunder, daß Wilson zwei und zwanzig Monate lang ein so aufgehäuftes Elend ertrug, ohne davon e»1:rückt zu werden. Doch endlich wurde der Feind besiegt und es öffneten sich die Thore des „schwarzen Loches," um mit noch ein und dreißig Lcidensgenoffen den abgemergclten, ausgehungerten, nackten, mit Geschwüren bedeckten Wilson der Freiheit zurückzugeben. Spater in Beneoolen starben alle Europäer an Bord des Schiffes, welches er befehligte, und nur er von allen blieb verschont, ohne daß irgend ein Gefühl der Dankbarkeit gegen Gott in seinem Busen sich geregt hätte. 1!7 Durch dm Handel bereichert, entschloß er sich nach England zurückzukehren, nm dort in gemächlicher Muhe sein bisher so bewegtes Leben zu beschließen. Auf der Heimreise befand sich ein Geistlicher an Bord, der sich häufig mit ihm über Religion unterhielt, aber so wenig Eindrücke auf den abgehärteten Atheisten machte, daß- er zuletzt erklärte, es würde ein leichteres sein, einen Haifisch zum Christenthum zu belehren, als den Capitän Wilson. Dennoch wurde letzterer später durch eine Reihe höchst interessanter Schick-salsfätle dazu bewogen, seinen ungläubigen Grundsätzen zu entsagen, und sich mit vollem Herzen dem Evangelium anzuschließen. Mitten im Genuß aller Bequemlichkeiten, die ein bedeutendes Vermögen ihm verschaffen konnte, fiel ihm eine Nummer des ^vnü^Iicl,! Ulig^ins^ in dir Hände, welche einige Bemerkungen über die beabsichtigte Südseemission enthielt, und sogleich beschloß er, seine Dienste zur Forderung des Zweckes anzubieten, bereit, allen Genüssen seiner sorgenlosen Lage zu entsagen, noch einmal den Gefahren des stürmischen Oceans zu trotzen. Unter diesem trefflichen Anführer machte der Duss eine glückliche Reise und brachte nach England die willkommene Nachricht zurück, daß die Missionare auf den Marquesas, auf Tahiti und Tonga angesiedelt seien, und ihr Empfang von Seiten der Gingebornen zu den günstigsten Erwartungen berechtige. Noch einmal wurde das Schiff mit eincr Verstärkung von dreißig neuen Missionaren abgesandt — doch e? stand eine Zeit der schweren Prüfung bevor. Der bisher so begünstigte Duff wurde von einem französischen Kaper genommen, trotz seiner menschenfreundlichen Absichten, für eine gute Prife erklärt, und erst nach langen Entbehrungen und Leiden gelang es den gefangenen Missionaren nach England zurückzukehren. Was ihre bereits im stillen Ocean angesiedelten Prüder betrifft, so mußte die Mission auf den Marquesas bald wieder aufgegeben werden; auf Tonga wurden einige der Glaubenslchrer erschlagen und auch hier sah m'Än sich genöthigt, nach einer Reihe von unglücklichen Ereignissen das sseld zu räumen-, von Tahiti endlich waren die meisten Missionare, um ihr Leben zu retten, nach Neu-Süd-Wales geflohen, — so daß schon nach wenigen Jahren das günstig begonnene Unternehmen dem vollständigen Scheitern nahe war. Nur einige wenige blieben beharrlich auf dem ihnen angewiesenen Posten und andere kehrten nach kurzer Abwesenheit wieder zurück. Doch 118 Jahre lang blieben alle Mühen vergebens, der unermüdliche Gifer, die unaufhörlichen Reisen, die herzlichen Ermahnungen jener ergebenen Männer vermochten nicht die geringste Theilnahme bei den Tahitiern zu erwecken; keiner ließ sich betehren, und der grausame Kriegsgott herrschte noch immer mit aller Gewalt über die Seelen. Durch diesen gänzlichen Maugel au Erfolg entmuthigt, waren die Diree-toren der Miffionsgesellschaft schon auf dem Punkt, das trostlose Unternehme» aufzugeben, als eudlich die überraschendsten Nachrichten von dcr völligen Niederlage des Heidenthums aus Tahiti eintrafen, und zugleich auch als Trophäen des Sieges die verstoßenen Götzen, welchen noch vor Kurzem das Volk seine Huldiguugeu dargebracht hatte. Von jenem Wendepunkte an schritt das Christenthum bald schneller, bald langsamer von Insel zu Insel und von Gruppe zu Gruppe sort, uud aus der Mitte der bekehrten Tahiticr selbst ging eine Anzahl Religionslehrer hervor, deren Dienste wcsentlich zu>n Erfolge beitrugen. Außer der ursprünglichen I^ixion Kli^im!!^ 8o«!^v sehen wir später die Methodisten oder Wesleyaner sich um die Belehrung der Tonga und Fidschi-Inseln bemühen; so wie die Amerikanische Missions Gesellschaft Hawaii zum ^elde ihrer Thätigkeit wählt. Als Vrgebniß dieses eifrigen vielseitigen Strebeus sindm wir gegenwärtig, daß die Gesellschaft« und Sandwichs-Inseln, die Hervey-Gruppe und Tonga, Samoa und zum Theil auch Fidschi, Paumotu und noch manche andere zerstreuten Insel», mit einem Worte fast alle Zweige des polynesischen Volksstammes das Ovangelinm angenommen haben, und die Missionsgesellschaftell, durch oie gewonnenen Crfolge crmuthigt, sich bereits bemühen, die westlichen von schwarzen Völkerschaften bewohnten Ovuppeu der Neuen Hebriden und der Salomons-Infeln zu belehren, wo eine ungleich größere Barbarei ihnen noch bei weitem größere Schwierigkeiten in den Wcg legt. Was die katholischen Missionen betrifft, so finden wir die Marianen bereits vor (5nde des siebzehnten Jahrhunderts bekehrt, doch auf spanische Weise nicht ohne Mitwirkung von Soldaten und Geschütz. Mit der völligen Entkräftung (5,astiliene! hörten natürlich auch alle ferneren Versuche auf, das Christenthum auf den Carolinen und den übrigen von spanischen Seefahrern im großen Qccan euldeckten Inseln zu verbreiten. 119 Olst in den dreißiger Jahren des gegenwärtigen Iahrhnndctts sehen wir das katholische Frankreich das so lange unterbrochene Belrhrungswert wicrer aufnehmen und einen glücklichen Anfang mit der unbedeutenden Man-gareva-Gruppe machen. Die Religion stand hier übrigens im Dienst der Politik, denn es handelte sich darum, dem englischen Einfluß Opposition zu machen, Banner gegen Banner aufzurichten, und unter dem Vorwande die romischen Glaubenslehrer zu schützen sich vorläufig einiger günstig gelegener Stationen zu bemächtigen. Man ist zwar häufig geneigt, die Wohlthaten der protestantischen Missionen nicht sehr hoch anzuschlagen, wer aber, auch ohne dem christlichen Puritanismus zu huldigen, die oceanischen Zustände unparteiisch prüft, wird nicht umhin lönuen, ein günstigeres Urtheil über das Wirlen jener Männer zu fällen und nur.wünschen, daß es ihnen mit den schwarzen Barbaren der Neuen Hebriden nnd der Salomons-Inseln eben so gut, wie mit den vergleichsweise weil gebildeteren kupferfarbigen Polynesien! gelingen möge. Daß sie eine Religion gestürzt haben, welche den Kindesmord erlaubte, menschliche Opfer erheischte, dem Laster keine Zügel setzte und mit seltenen Ausnahmen durchaus nichts für die Ermuthigung der Tugend that, sondern vielmehr alles aufbot, den Keim des Guten im Menschen zu ersticken, war schon an und für flch eine unberechenbare Wohlthat. Zugleich sind sie überall bemüht gewesen, die Grundlagen rcr bürgerlichen Freiheit zu legen, die früher schrankenlose Willtühr der Häuptlinge durch Gesetze zu mäßigen, welche dem Geringsten aus dem Volle Eichelheil für Person und Eigenthum gewähren, und die liberalen Institutionen der angelsächsischen Race unter die Polynesier zu verpflanzen. Wem anders alo ren Missionaren haben die Hawaiier es zu verdanken, daß ihr altcs Königs haus trotz unzähliger Gefahren von innen und von außen sich noch immer behauptet, und im Lande, wo <5ook ermordet wurde, bei weitem freisinnigere Regierungsgrundsätze obwalten, als sogar in einem großen Theil von Europa. Außerdem haben die Missionare eine Menge nützlicher Gewächse und Thiere eingeführt, und die Insulaner mit mancherlei technischen Künsten bereichert. Das Kalkbrennen, der Häuser- und Schiffbau, das Drechseln unt Mobelmachen, die Fabrikation des Zuäers und des Tabals, die Buch- I'2<» dmeterkunst sinc unter andern dcn Polynesiern von jenen treuen Freunden gelehrt word en. Bei so vielen überwiegenden Wohlthaten und werthvollen Gaben dürfte es wohl zu verzeihen sein, wenn diese Männer eine überstrenge Sittenzucht eingeführt haben, die dem heiteren, leichtsinnigen, lebensfrohen Charakter der Südsceinsulaner vielleicht weniger entspricht als der sinnlichere Dienst und die nachsichtigere Moral der katholischen Kirche; wenn sie den lebhaften Kindern der Freude, Tanz, Musik und sogar das Tragen von Blumenkränzen im Haare verbieten und die Heilighaltung des Sabbaths durch Strafen einschärfen, die man sogar in ihrem eigenen Mterlande nicht kennt. Andere hätten es vielleicht besser gemacht, doch ist es sehr zu befürchten, daß wenn dir Polynesier erst auf den Besuch der aufgeklärten Philanthropen hätten warten müssen, die in ihren Schriften über die Missionare herfallen, sie noch heutigen Tages ihre Kinder morden und ihre erschlagenen feinde verspeisen winden. Danken wir also den Missionaren für das, was sie geleistet, und werfen wir ihnen nicht vor, daß sie vielleicht mehr hätten leisten tonnen! Wenn trotz ihrer Bemühungen. Trunk und UnsiMichkeit noch an vielen Punkten Polynesiens herrschen, wenn die ursprüngliche Trägheit noch immer nicht besiegt ist und der Südseeinsulaner gleichgültig zusieht, wie der Fremde sich bereichert, ohne dadurch zu größerer Thätigkeit angespornt zu werden; wenn sogar in Folge der von den Europäern eingeführten Krankheiten, der Schießgewehre und geistigen Getränke die Bevölkerung auf den meisten Gruppen bedeutend abgenommen hat, und es überhaupt noch zweifelhaft ist, ob die ursprüngliche Raee sich auf die Dauer wird erhalten tonnen — so läßt sich nur sagen, daß die Missionare überall nach Kräften gegen alle diese Uebel angekämpft habe», und sich namentlich dadurch die Feindschaft des weißen Gesindels — verlaufene Matrosen, Sträflinge, gewinnsüchtige Specu^ lanten — zugezogen haben, welches in allen Häfen der Südsee sich eingenistet hat, und natürlich den bittersten Haß gegen Männer hegt, deren ganze Wirksamkeit seinem Treiben und Trachten so entschieden widerspricht. Es ist einleuchtend, daß alle jene Uebel in einem noch weit Verderb--licheren Maße um sich gegriffen haben würden, wenn nicht die Missionare sie überall so beharrlich bekämpft hätten, und daß es eben so ungerecht wärc, ihnen Vorwürfe darüber zu machen, daß das beabsichtigte Gute nicht über- 121 all «reicht worden ist, alö einen kräftigen Schwimmer zu tadeln, der mit angestrengten Kräften sich vergebens abmüht, ein Ufer zu erreichen, von welchem eine übermächtige Strömung ihn entfernt. Höchst wichtig sind die Dienste welche die Missionare der Schifffahrt im großen Ocean geleistet haben. Wo früher Verrath und Mord auf den Seemann lauerten, wo er im Fall eines Schiffbruchs nur das traurigste Voos zu erwarten hatte, falls er nicht noch mächtig genug an Mannschaft und an Waffen war, um den raubsüchtigen Barbaren zu imponiren — da fand er später, nachdem das Christenthum seine Herrschaft ausgebreitet hatte, Beistand in der Noth und Hülfe im Unglück, denn so zahlreich die Bei^ spiele auch sind wo Schisse von den noch heidnischen Polynesian angefallen wurden, so läßt sich lein einziges anführen, daß ein solches Verbrechen an irgend einem Orte vorgefallen wäre, wo die Missionare bereits einigen Vin-fluß erworben hatten. Ohne die Missionare wären die polynesischen Sprachen fast spurlos ver- ^' schwunden, denn wer anders als sie hat sich bemüht dieselben gründlich zu erlernen und außer der Bibel auch noch andere nützliche Werke in jene Dia-lccte zu übersetzen und durch den Druck zu vervielfältigen. So sind manche historische Dokumente, manche Sprachformen noch glücklich der Vergessenheit entrissen worden, die dem Geschichtsforscher oder dem vergleichenden Philo logen von großem Interesse sein können, und sonst ohne allen Zweifel verloren gegangen wären. Auch der Naturforscher schuldet jenen Männern einigen Dank, denn sie bahnten ihm den Weg in das früher verschlossene Innere mancher barbarischen Inseln, und erst nachdem sie den Menschen gebändigt hatten, durfte er es wagen den Spuren der Thiere zu folgen und die noch unbekannten Pflanzen zu sammeln. Daß sämmtliche Missionare stets mit lauteren Absichten verfnhrcn, daß es nicht auch unter ihnen Menschen gab, die unter einem heuchlerischen Gewände selbstsüchtige Zwecke verfolgten, wird Niemand behaupten wollen, doch so viel steht für den unparteiischen Richter fest, daß die Wirksamkeit der Missionare nnd der Geist, der sie beseelte, segensreich und edel war. Wenn die Geschichte unter den Missionaren einige Menschen anzuweisen vermag, deren unwürdiges Betragen dem Charakter von Glaudendlehlvrn nur wenig entsprach, fo gab und" gibt es unter ihnen Männer, die England mit Stolz zu seinen Söhnen rechnet und nicht minder hochachtet als die kühnen 122 Seefahrer, welche den Ruhm der britischen Flagge über alle Meere von Pol zu Pol getragen haben. Eilftcs Kapitel. Die Corallemuscin im Allgemeinen. Anblick einer Corallcninsel. — iiaguncnbildcr. "" Bau eines Corallcnstockes. — Grenzen dcr Steincorallen. Nildunq der Ningriffe. ^ Ihre verschiedenen Entwickelungsstufen. — Das Thicileben auf den Korallenriffen. — Tridlicnamuscheln. — blorallrnfische. — Einförmigkeit des Pflanzcnlcbcns. — Pandanus. — Kofospalnie. — ?andthiere. — Der Mensch auf den ^oralieninseln. Seltsam überlaschend ist der erste Anblick einer (Krallen-Insel! Sonst sind es die blauen Gipfel der Gebirge, die zuerst am fernen Horizont dem heran? segelnden Schiffer erscheinen, und es währt lange, ehe das allmahlig wach->> sende ^and zu deutlicheren Umrissen sich gestaltet-, diese niederen Eilande dagegen, die nur wenige Fuß über den Meeresspiegel sich erheben, kündigen sich plötzlich aus geringer Ferne durch deutlich kennbare Baumwipfel an, die, so wie das Schiff mit der schwellenden Woge steigt, aus dem Ocean auftauchen, und mit der sinkenden Welle wieder verschwinden. Es ist, als ob ein Wald im Meere wurzelte, und man fragt sich, ob die unsichere Erscheinung nicht eher ein Wahnbild der Luftspiegelung, als eine Wirklichkeit war. Doch bald zeigt sich der aufspritzende Schaum der gegen das Grnndriss anschlagenden Brandung, und endlich lommt auch dicht über dem Wasserspiegel der schmale Streifen weißgclblichen Corallensandcs zum Vorschein, auf welchem jener grüne Waldsanm sich erhebt. Trägt die Insel eine nur spärliche und niedrige Vegetation, so erblickt man auch wohl vom Mastkorbe aus das stille Wasser des eingeschlossenen Lagunenbeckens, dessen Nuhe seltsam absticht gegen das Wogcngetümmel am äußeren Rande des Riffes. Ist es dem Fahrzeug gelungen, durch eine Oessnung oder Lücke des einschließenden Corallenringes in die Lagune einzudringen, so eröffnet sich rinx nicht minder eigenthümliche Seene, deren Schönheit jedoch vorzüglich auf dem Glanz der Farben beruht. 123 Bei einer größeren Tiefe, von 20 bis 35 Faden, hat das Binnenwasser schon ganz die Dunkelblaue des unergründlichen Oceans, dort aber, wo eh auf seichterem, weißsandigem Grunde ruht, erscheint es unter dem Strahl der senkrechten Sonne im allerlebhaftesten Grün. Wo das niedrige Riff kaum über den Wasserspiegel sich erhebt, bietet die von außen dagegen ankämpfende Brandung ein eben so abwechselndes als erhabenes Schauspiel. Bald brechen sich die tiefblauen Wellen deß Oceans mit entsetzlichem Getöße an den anfragenden Felsblöcken von schwarzem und groteskem Ansehen unter hochauf^ spritzenden Massen von weißem Schaum', bald rollen sie wie ungeheure Gießbäche über die Platte deß Riffes dahin. Das Gefühl der Sicherheit im Busen der ruhigen Lagune erhöht nicht wenig den Reiz dieser tmnultua-rischcn Scene. An andern Stellen, wo das Riff sich bereits zu einer vollkommenen Insel gestaltet hat, wird das liebliche Lagunenbild durch hohe Palmen eingefaßt, deren zierliche Wedel, vom Passate bewegt, malerisch abstechen gegen das azurne Himmelsgewölbe. Wo man nur Hinsicht, erscheint alles mit heiteren, hellen, lebhaften Farben, durchaus verschieden von den matten einförmigen Tinten unserer nördlichen Gestade. Dieser eben so schöne als merkwürdige Anblick gewinnt ein um so höheres Interesse, wenn man die mannigfachen organischen und physischen Kräfte bedenkt, welchen die Korallen-Insel ihre Entstehung verdankt', wenn man es weiß, daß der Boden, auf dem jene Palmen wurzeln, oder gegen welchen jene Brandung tobt, einzig und allein von Steincorallen hcrührt, winzigen, fast auf der untersten Stufe des animalischen Lebens stehenden Thierchen, deren Bildung ich nothwendig einige Worte widmen muß, ramit ihre Bauten besser verstanden werden. Der Blindsack ihres Körpers öffnet sich nach oben in einem weiten Mund mit einem Kranz von Fangfäden umgeben, welche sie wilttührlicb ausbreiten und zurückziehen können, und die dem Schlundc die Nahrung zuführen. Unfähig den Ort zu wechseln, sind sie außer Stande, durch Kampf, durch Korperkraft oder ^ist irgend eine Bcutc zu fangeil, und so wie dir hülflosen Jungen der höheren Thiere von ihren Eltern gefüttert werden, so zehren die Polypen ihr ganzes Leben von dem, was das Meer, ihre gülige Mutter, ihnen zuführt. Es ist leicht begreiflich, daß Thiere, die zu ihrer 134 Existenz eines so geringen Aufwandes von Intelligenz bedürfen, der höheren Sinne entbehren können. Die Polypen hören nnd sehen nicht, nnd wozu sollten sie es auch? Bei ihrem festgewurzelten Leben konnte weder Ohr noeb Auge ihnen behülflich sein, um den Angriffen ihrer Feinde zu entgehen, eben so wenig wie diese Organe dazu nöthig waren, ihnen das Ergreifen einer Beute zu erleichtern, die ohne daß sie sich umzusehen oder zu horchen brauchen, ihnen von selbst zuschwimmt. Der vornehmlich in ihren Greifapparatcn sich concentrirende GefühlZsinn genügt offenbar allen Ansprüchen ihres beschränkten Lebens. Wie die Pfanzcn, denen sie durch die Niedrigkeit ihrer Bildung so nahe stehen, vervielfältigen sic sich durch Knospen und bilden auf diese Weise eng verbundene Gesellschaften oder socialistische Republiken. Jedes Individuum hat seinen besonderen Mund und Fangapparat, seinen eigenen Magen, jedes sondert innerhalb seines Gewebes die kalkige Masse ab, wodurch es mit dcm Stock verwächst- aber weiter erstreckt sich seine Eigenthümichkcit nicht, denn durch Kanäle und Säfte ist es gleichfalls mit seinem Rachbar verbunden, so daß die Säfte, die der einzelne Polyp bereitet, der ganzen Verbrüderung zu Gute kommen. In einem solchen Corallenstock halten Tod nnd Leben gleichen Schritt', die sterbende, sich mit dem Alter immer mehr verlalkende Schicht dient einer neuen Generation zur Grundlage, nnd so wächst und wuchert der Bau an der Oberfläche fort und fort, so lange er in der Außenwelt noch die notl,-wcndigen Bedingungen seines Daseins findet. Das Knochengerüste der höheren Thiere verschwindet nach wenigen Jahren von der Erde, und läßt außer in seltenen Versteinerungen kein dauerndes Denkmal zurück: aber das festgewurzelte Skelett der Polypen trägt zur Bildung einer ewigen Fclsmasse bei. Wundern wir uns also nicht, daß Thiere, deren Wachsthum an und für sich unbeschränkt ist, und deren Produkte mit einer solchen Nnveränderlichleit begabt sind, im Laus der Zeiten Bauten aufführen, deren riesige Größe alles Ge-bilde von Menschenhand weit hinter sich zurückläßt. Da die Steincorallen pflanzenähnlich wachsen, nehmen sie auch alle möglichen vcgctablischen Formen an. Es gibt unter ihnen Flechten und Moose, Sträucher und Bäume, zierliche Vasen und symmetrische Domkuppeln, deren Durchmesser nicht selten 10 und sogar 20 Fuß erreicht. Ihr Vorkommen beschränkt sich auf die tropischen und subtropischen Meere, denn die Temperatur des Wassers, woriu sie gedeihen, darf nimnn'r unter 135 -l- 13" li, sinken. Am östlichen Ufer des grohen Oceans sind ihre Grenzen zwischen 2l" und 4" nbrdl. Br. eingeengt', am Westlichen Ufer dagegen erweitern sich dieselben bis !N" nördlicher und W" südlicher Breite. Ein ahnliches Verhältnis; zwischen den ^st- und Westküsten findet auch im atlan« tischen Meere statt, und erklärt sich durch die Wirkung des westwärts stießenden warmen Acquatoualstroms, der an den amerikanischen und asiatischen Ostküsten sich bricht, während die Westküsten dieser Contincnte von kälteren, dem Corallenleben feindlichen Strömungen bespült werden. Innerhalb dieser Grenzen nun kommen die Bildungen der Corallenthiere unter drei verschiedenen geologischen Formen vor. Die Riffe nämlich hängen entweder unmittelbar mit dem Ufer eines Continents oder einer Insel zusammen; oder sie bilden einen Damm in größerer oder geringerer Entfernung vcm ^ande; oder sie umgeben ringförmig einen Centralsee, ein? Lagune. Obgleich die verschiedenartigen Riffe oft Hundeitc von englischen Meile in die tätige oder im Umlreis sich erstrecken, sinc sie stcts mir von geringer Breite, so daß jede Laguneninsel wie ein schmaler Reif ans dem Meere sich erhebt, und zwar gewöhnlich so steil und abschüssig, daß schon in geringer Entfernung das Senkblei keinen Grund mehr findet. Eine so seltsame Bildung mnßtc nothwendig die Aufmerksamkeit der Naturforscher auf sich ziehen und deren Scharfsinn zu ihrer Erklärung auffordern. Anfangs glaubte man, daß die Gteincorallen aus den tiefsten Tiefen dcs Oceans ihre senkrechten Mauer,, aufführte», doch diese Meinung ließ sich nicht inehr haltcn, sowie cs bci näherer Untersuchung fich ergab, daß die Tiefe, bis zu welcher die riffbildenden Corallenthierchcn (Asträen, Poriten, Pocilliporcn, Mäandrinm n. s. w.) leben können, höchstens 20 bis 30 Klaf-ttr bclragt. Hierauf stellten O.uoy und Gaimard die Behauptung auf, daß die Co-rallenriffe auf den Rändern unterseeischer Krater eine verhältnißmäßig dünne Rinde bildeten, und meinten auf diese Weise sowohl die merkwürdige Ringform der Laguncnriffc, als deren steilen Absturz in den Meeresgrund vollkommen zu erklären. Doch auch diese Theorie hielt dir Feuerprobe einer näheren Untersuchung nicht aus, denn wo auf Erden fände sich ein Krater, dessen Durchmesser nur im entfernteste» die Größe mancher Ringriffe erreichte, die oft Vagunen von 20, Iil) oder 40 O-uadr.Umeilen einschließen. 126 Endlich fand Darwin den Schlüssel zu den geologischen Räthseln, welche die Riffbildungen darboten, indem er sie von dem noch immer fortdauernden Oscillationsznstande dcr Erdrinde ableitete, die bekanntlich durchaus nicht jene feste Unbeweglichtcit besitzt, die man ihr früher zuschrieb, sondern an einigen Stellen sich langsam hebt und a» andern sich ebenso langsam senkt. Man denfe sich also einen von Corallenriffen umrandeten hohen Inselberg, dessen Grundfesten langsam zu weichen anfangen, und dehne diesen Vorgang über eine ungemessene Reihe von Jahrhunderten aus. Währenr der Fels sich senkt, streben die ihn, umsäumenden (5orallenthierchen jenem Proceß entgegen, indem sie fortwährend in die Höhe bauen, so daß das Riff sich an der Meeresoberfläche behauptet. Aber die nach dcr Seeseitc liegen-den CoraUen finden dort eine bessere Nahrung, einen zuträglicheren Stand' punkl für ihre (vnlwicllung als die dem Lande zugekehrten, und so bildet sich mit dcr Zeit, zwischen dcr hohen vulkanischen ^entralinsel und drm Riff, ein breiter Kanal, in welchem das Wasser oft so tief gefunden wild, daß große Schiffe in dicsrm eingeschlossenen Becken bequem wie in nnem Hafen ankern könne». Endlich kommt eine Periode, wo bei immer fortschreitendem Sinken die Centralinscl gänzlich unter den Wellen verschwindet, und nur noch das Ringriff übrig bleibt. So wird dcr storallenkranz, der sich anfangs verschönernd und beschützend um dcn ssuß der hohen Berginsel schlang, später zu ihrem Denkmal und gibt allein noch stunde von ihrem früheren Dasein. Seine Umrisse bezeichnen, die Form der Küste, die er einst umrandete. Jeder Atoll (Lagunenriff) ist der Grabstein eines versunkenen Landes. So wie die (^orallrnthicre nur bis zu einer geringen Tiefe leben, so vertragen sie auch nicht das Aussetzen an die Sonnenstrahlen in der Luft. uud bauen rahrr nicht über den Stand der tiefsten Ebbe hinaus. Die hoher liegenden Bänke und Trümmerdämme der Niffe sind daher Produkte ciner andern >trafl — der Brandung, — die sonst zerstörend, sich hier als Baumcistrnn erweist, indem sie Fragmente und Blöcke von der Außenseite des Riffes abreiset und mit riesiger Gewalt weit über dessen Ober« fläche, nach dem Lagunenrande hinrollt. Coralle«, Muscheln und Seeigel gehäuse verwandeln sich unter ihrer zermalmenden, zerreibenden Kraft in Kalk-gries, welcher die Zwischenläume dcr größcrn unregelmäßig aufgeführten Plbcte ausfüllt und das Gestein zusammcnlittrt, und so steigt dcr Boeen 12? höher und Hohn, bis sogar die Springflut!) nicht mehr darüber hinbraust, und ein fester, trockener Grund sick bildet, auf dem endlich das Psianzen-leben erwacht. Nur äußerst selten wird jedoch ein Riff in seiner ganzen Ausdehnung so vollständig ausgebildet, meistentheils ist es nur auf der dem Winde zugewendeten Seite seines Umkreises erhöht, wo also auch das Meer am stärksten brandet, »nd ragt da bei der Ebbe gleich einer breiten Kunststraße aus dem Nasser hervor. Ans dieser Seite, und besonders an den ausspringenden Winfeln, sammeln sich die mehrsten Inseln auf dem Rücken des Dammes an. Unter dem Winde dagegen taucht derselbe meist unter das Wasser. O,r ist da strllenweis unterbrochen, und seine Lücken bieten oft selbst größeren Schiffen ssal/rwege dar, durch welche sie mit dem Strome in das innere Becken einfahren tonnen. Uebrigens stehen die Risse auf den verschiedenartigsten Stufen der Entwicklung, und während manche nur nackte Klippen darstellen, reiht sich auf anderen ein grünes Insclchen an das andere, so daß die Lagune wie von einer Schnur von Smaragden eingeschlossen erscheint. Stets jetoch ist die Oberstäche des bewohnbaren Landes nur äußerst gering im Vergleich zur Ausdehnung des ganzen Atolls. Nairsa in der Paumotu-Gruppe z. V., welches bei einer Länge von 50 englischen Meilen und einer Breite von 19, eine 1000 englische Quadratmeile» große Lagune umwallt, hat cmr mit Vegetation bedeckte Fläche von nur
  • !tavatt beträgt der grünende Boden kaum den hundertsten Theil des ganzen Raumes. Sämmtliche Atolls der Carolinen, die auf der Karte des großen Oeeand sich so breit machen, würden zu einem fast unsichtbaren Punkte zusammenschrumpfen, wenn man ihr bewachsenes Areal auf einer Stelle con-m Gestein vergraben, so daß sie kaum noch ihre schweren Schalen aufsperren und ihren prächtig gefärbten Mantel zur Schau stellen kann. Wie die kleinen Bohlmuscheln odcr Pholadcn unserer Meere, besitzen die tropischen Tridacnen die Fähigkeit, den Kalkstein aufzulösen und sich ein Lager in Felsen auszuhöhlen. Wenn sie sich nicht auf diese Weife eingrüben, müßten sie unfehlbar zerstört werden, dcnn auch der stärkste Byssus, der zum Beispiel unsere kleine Mießmuschcl im Getümmel der Ftuthtvellen sicher vor Anker hält, wäre nur ein sehr unvollkommener Schutz gegen den Wogendrang für ein Schalthier, welches eine Querlänge von fünf Fuß und em Gewicht von fünf Centnern erreicht. Am herrlichsten zeigen sich die Coratlen auf den Felsen, die in den La» gunen oder ^agunenkanä'len bis auf einige Fäden von der Oberfläche emportauchen, und gewähren dem darüber hinfahrenden Schiffer ein unendlich reizendes Schauspiel. Das Ultramarin des tieferen Wassers verwandelt sich plötzlich in zarte gelbe oder apfelgrüne Tinten, ganz verschieden von der gewöhnlichen trüben Färbung der seichteren Gründe, und so wie auf einer beblumten Aue Schmetterlinge und Vögel in den heitern rüsten umhergau-teln, so wird hier über den Dvmen der Asträen und rer zierlich ästigen Madrcporcn das krystallklare Wasser von mannigfach gestalteten kleinen Fischen durchkreuzt, deren schimmernde? metallglänzrndcZ Schuppenkleid und zierliche Zeichnungen anch die blühendste Phaniasie schwerlich übertreffen könnte. Diese glänzende Fischwelt der Batisten und Glyvhysodonten zeichnet sich auch noch durch die große Mannigfaltigkeit ihrer Arten aus. Fast jeder Atoll hat seine eigenthümlichen Species, und wie viele jener prangenden Gestalten mögen dem Naturforscher noch völlig unbekannt sein! „Den Mnonich den solche isolirte ^orallenfelsen hervorbringen", sagtKitt-litz, „wird noch dadurch erhöht, daß sie beim Hinüberfahren so schnell verschwinden, so rasch der geheimnißvollen Halbdurchsichtigkeit des tieferen Gewässers weichen. So bleibt der Phantasie ein unbegrenzter Spielraum, und umso abschreckendere, düstere Bilder dieselbe geneigt ist sich in der räthselhaften Tiefe vorzustellen, desto freundlicher wird sic durch die Pracht jener plötzlich erscheinenden 130 Glanzscenen überrascht. Es ist wie ein entzückender Traum von höchster Lebendigkeit, der aus der unbestimmten Dunkelheit deß Schlummers hervortritt". Wenn auf diese Weise das unterseeische Leben durch eine unendlich Mannig-faltigkeit der Gestalten sich auszeichnet, und von riner Gruppe zur andern in wechselnder Schönheit erscheint, so ist dagegen die auf den Coralleninseln sich ansiedelnde Vegetation auf um wenige Arten beschränkt, und wiederholt sich einförmig auf den enferntesten Atollen. Trotz der großen Ausdehnung der Paumotu-Gruppe findet der Bota-niter dort nur 28 oder 29 einheimische Pflanzenspecies, während sogar die winterliche Melville-Insel im amerikanischen Eismeer 64 Phanerogamen aufzuweisen hat, und Chamisso sammelte auf dem schon mehr begünstigten Ra-dack-Archipel doch uur 52 wildwachsende Pflauzenarten, von denen 1Ü auch auf der 4^» Breitegradc entfernt liegenden Insel Romanzoss vorkounncn. Die Wellen und die Strömungen des Meeres führen die Samen herbei, die auf drin neugebildeten, dem Schooß der See entsteigenden Boden entsprießen, und verschönern das ^and, welches die Brandung aufthürmte. Das Ganze ist ein Produtt des Oceans, ein natürlicher Tempel des Neptun. Auf dem Trümmerdamm wachsen zunächst nach außen die schirmenden Gesträuche der ^oi^vol«, Kiwi^it und der I'm,»-no>'«_»,ti.l ««»i«^, deren gedrängt verschlungenes Gezweige dem Winde eine abschüssige Fläche darbietet, unter tereu Schutz sich der Wald oder das Gesträuch des Innern erhebt. Durch den üppigen Wuchs dieser Pflanzen und die Saftigkeit ihrer großen hellgrünen Blätter, wird auch die schleunige Bildung einer Dammerde befördert, auf der bald andere größere, anspruchsvollere Gewächse gedeihen tonnen, und so sehen wir, daß hier M überall die Natur ihre Zwecke auf dem passendsten Wege zu erreichen weiß. Auf den vollkommener bewaldeten Inseln zeichnen sich unter den größeren Gewächsen der gemeine Pandanus der Südseeinseln aus, der wild sowohl auf dem dürrsten Sande wächst, wo erst die Vegetation anhebt und den dürftigen Grund durch die vielen abgeworfenen Blätter bereichert, als auch in den feuchten Niederungen wuchert', die prachtoollr, hier meist als großer Strauch wachsende Ulll-rintztoni«, spooio«», die lVlm-iucki, dt,> Iloll-l oder der indische Maulbeerdaum und der ttilii^us tiliaoen» mit seinen dunkel-rothen Blüthen. 131 Wie ein König ragt über allen Häuptern des Haines die herrliche'^o-cosvalme, theils gesellig, theils einzelnstchend hervor, der hundertfältig nütz-lichc Baum, auf welchem, wie anf dem Kameel der Wüste oder dem Robben des Eismeeres das Dasein ganzer Volker beruht. Die jüngeren Palmen, deren Kronen nur wenige Fusi über den Erdboden sich erheben, bilden mit ihren langen gebogenen Wedeln die schattigsteil Lauben und nur wer es erprobt hat, weiß, wie kostlich cs ist, dort zn sitzen und den kühlen Labetrunk der Nüsse zu genießen, völlig geschützt gegen die glühenden Sonnenstrahlen, die vom weißen Kaltstrande des Riffs zurückprallen. Die Landthiere sind noch einförmiger, auf noch wenigere Arten beschränkt, als die Vegetation. Auf manchen ssilanden fehlen alle Säugethiere, sogar die allgegenwärtige Ratze, welche dem Menschen aus seinen Wanderungen über den ganzen Erdball gefolgt ist. Meine Eidechsen, ursprünglich mit dem Treibholz herübergekommen, welches der ausgetretene Fluß dem fernen heimathlichen Urwalde entriß, bewegen sich schlangelnd zwischen dem Steingerölle, oder rasseln im abgefallenen Laube, und sind oft die einzigen vierfüßigen Gäste der Insel. Verschiedenartige Strandläufer, Schnepfen und Rallen kommen häufig vor, und einer Unzahl pelagischer Vogel bietet das niedrige Land einen höchst willkommenen Brüteplatz, mitten in der ungeheuren Wasserwüste dar. Der hochfliegende Fregattenvogel ruht oon seinen weiten Luftreisen in den Kronen der Palmen, und Serschwalben nisten in unendlichen Schaanu in den hohen windgeschlagenen Wipfeln. Abev auch in ihrer vollkommensten Ausbildung ist die Coralleninsel immer noch ein elender Wohnsitz für den Menschcn, und ihr poetischer Reiz, wenn seine geistige Armuth dafür emvfänM) wäre, nur ein dürftiger Ersatz für die nahrhafteren Früchte der mit einem einträglicheren Voden begabten vulcauischen Länder. <>oeoS- und Pandanusnüsse sind gewöhnlich die einzigen Produkte des Pflanzenreichs, die zu seiner Nahrung beitragen, und Fische und Krabben von den Nissen seine einzige thierische Kost. Sogar diese dürfligen Speisen werden ihm nur kärglich zugemessen, und oft gebietet chm die Selbsterhaltung zum grausamen Kindermorde zu schreiteil, um der Uebervölkrrung der paar Schollen Erbe vorzubeugen, welche seine ganze tleine Welt ausmachen. Und doch gibt es mehr Annehmlichkeiten, als man erwarten sollte — auf einem ^ande von so äußerst beschränktem Umfange ^ ohne Flüsse, ohne 9* 132 Hügel, mitten im salzigen Orean, dessen höchster Puntt taum zehn Fuß über die sstuth sich erhebt, und welches sich nirgends ein paar Hundert Schritte weit vom Ocean entfernt. Obgleich nur eine äußerst dünne Dammerde den Boden überzieht, und die Oberfiäche häufig mit Corallenblbcken bedeckt ist, so ° wölbt sich doch ein dichtes Laubdach über die niedrige Hütte des Insulaners und gewährt ihm Schutz gegen die Gluthen der tropischen Sonne. Dcr Coeosbaum atlein befriedigt fast alle seine geringeil Bedürfnisse, und wo dieser ihm fehlt, gewährt ihm der Pandanus den süßlichen Saft seiner faserigen Steinfrüchte. Die zahlreichen klcinen Nifffischc lassen sich leicht fangen, und in den tieferen Gewässern werden die größeren Arten mit hölzernen oder aus Muschelschalen verfertigten Haken geangelt. Außer diesen Nahrungsmitteln, welche die Natur freiwillig dem Menschen darbietet, werden auf mehreren niedrigen Inseln verschiedene ^ultur^ gewächse gezogen, — die Tarrwurzel, die Banane, die Ignamc nnd sogar der Brodfruchtbaum, das vegetabilische Wunder Polynesiens. So findet sich auf manchem kleinen Coralleneilande eine dichte Bevölkerung, und Tapoutcuea (Kingsmill Gruppe) z. B. ernährt nicht weniger als W.000 Menschen, auf einem Arcal. dchen bewohnbare Oberfläche kaum eine Piertelquadratmeile beträgt. Obgleich das Land so niedrig und flach ist, so liefert es doch gewöhnlich Wasser in hinreichender Menge. Man grabt fünf bis zehn Fuß tiefe Brunnen in den Corallensand und erhält dadurch einen fortwährenden Vorrath süßen Nassers. Diese Brunnen sind oft sorgfältig eingehegt und rings herum erheben sich die dürftigen Hütten. Die einzige Quelle des Wassers sind die Regen, welche durch den losen Sandboden sickern, uud auf dem harten Corallcnfelse» sich saMneln, der die Grundlage der Insel bildet. Da der Boden weiß ist, und folglich die Sonnenwärme zurückstrahlt, wird er nur langsam erhitzt, so daß das einmal eingesogene Wasser nur wenig duich Verdunstung verliert. Außer den Samen, welche ursprünglich seine dürftige Heimath befruchteten, führt der gütige Ocean auf geheimnißvollen Wegen manch anderes lostbare Geschenk dem Coralleninsulaner zu, und versorgt ihn nicht nur mit Treibholz zum Pirogenbau, sondern, auch mit dem zu dessen Bearbeitung nothwendigen Material. Als eine besondere Gunst des Meeres werden von ihm die harten, zum Schleifen brauchbaren Steine angesehen, die er aus den Wurzeln d«r ausgeworfenen Bäume aussucht, so wie die Trümmer 133 europäischer Schisse mit eingeschlagenen Nägeln, wodurch er seinen Bedarf an Eisen gewinnt. Steine und Eisen gehören den Häuptlingen, denen sie gegen eine Belohnung und unter Strafe abgeliefert werden müssen. So gilt hier der Auswurf des Meeres, woran wir auf unserm Strande verachtend vorbeigehen, als ein beneidenswerthcr Schatz, während die hohen Palmen und metallglanzcndcn Prachtfische, deren Anblick uns zur höchsten Bewunderung hinreißen würde, jenen armseligen Insulanern durch die Ge-wohnbeit zu gleichgültigen Gegenständen geworden sind. "Dem fremden Schiffer bieten die Laguneninseln manche Portheile dar. Zur Zeit des herrschenden Passates findet er häusig unter ihrem Schutze einen sicheren Ankerplatz und wenn sie auch sonst arm an Produkten sind und in allen anderen Beziehungen weit hinter den hohen vulkanischen Inseln zurück.-stehen, so gewähren sie ihm doch häufig eine reiche Ernte von Perlenmuschcln und Trepang. Auf einigen der Caroline«, deren Bewohner weitere Seereisen unternehmen, findet sich natürlich ein etwas erweiterter Idecnkreis, sonst drückt sich überall in der Armuth der Sprache die Dürftigkeit des auf einen so kleinen Raum und auf so wenige unabänderliche Gegenstände beschränkten Lebens aus. Wahrlich auf der ganzen Erde möchte kaum noch ein Flecken zu finden sein, der noch ungeeigneter wäre zur moralischen und geistigen Ausbildung seiner Bewohner, als eine solche Corallemnsel, trotz aller Schönheit von Hain und See. Wenn man die hohen Palmenkronen im Hauche des Passates auf und nieder wallen sieht und die ewige Bläue und Frühlingßmilde des Himmels betrachtet, sollte man kaum glauben, daß auch hier mitunter die Natur mit zerstörender Hand den Bau urplötzlich vernichtet, den sie so langsam ausgebildet und vollendet. Bei Sturmsiuthen fegt zuweilen die verwüstende Welle über die Insel her, ihren Schmuck jämmerlich verwirrend; ja es sind sogar Fälle bekannt, wo ein gewaltiger Orkan alles Lebende fortriß und das bereits grünende Eiland zum früheren Zustande des nackten Riffes zurückführte. Kein Denkmal zeugt davon, daß hier einst Menschen sselebt, wo jetzt nur der Seevogel rastet; daß ein anmuthiges Wäldchen sich an der Stelle erhob, wo die Brandung nur noch kahles Gestein bespült. 134 Zwölftes Kapittl. Mnnft a - Rru a. Anblick der kleinen Gruppe. — Früberc l^ransamtcit der Manqarevcr. — Seltsame Erziehung des Köniqö, — Gndeckimy Manqarcva'ö durch den Duff. — Blutiges Kc-fecht mit dcm Schiffe Ve^l'ly's. — Landnnc; der französischen Missionare (^34). — Erste Kämpfe: spatere Eifolqc. ^ Der Visckof von Nilopcliö. — Brudcr Cypiicn. -Der ehemalige Hohepriester Matoua. — Kirche und Kloster. — (5in Pnar fromme Väter. — Annexation. Aie vulkanischen Eilande, woraus dir kleine Mangarcva-Gruppe besteht, erhebe» sich aus dem Schooß einer weiten Lagune, die von einem vierziq Seemeilen im Umkreis messenden (5orallcnriss umschlossen wird. An seiner östlichen Seite trägt dieser Gürtel eine grüne Pflanzendecke, aus welcher vereinzelte Palmen hervorragen, nach Westen, wie wir es so häufig bci ähnlichen Bildungen in der Südsce finden, senkt er sich an manchen Stellen unter die Oberfläche des WassM und czestatttt an einigen Punkten sogar grolMeu Schiffen die Einfahrt in die Lagune. Nur vier der auf solche Weise eingefaßten eilf Filaude — Manga-reva, Taravai, Ata-Marou und Äeeno — sind bewohnt oder be^ wohnbar und sogar auf diesen beschränken schroffe Felsmassen und sonnenverbrannte Abhänge die Grenzen des Anbaus, so daß die Bevölkerung aus nur etwa 2000 Seelen besteht, und nach D'Urvillc's Urtheil auch bei der sorgfältigsten Benutzung deß Podenß sich höchstens verdreifachen könnte. Am Fuße der Hügel trifft man die gewöhnliche tropische Flora der vulkanischen Südseeinseln — Bananen, b'oeos, Pcmdanus, Aleuriten, Parringtonlen — in üppigem Gedeihen, die Anhöhen dagegen sind größtcntheils mit scharfkantigen, zu den Gattungen Saccharum und Arundo gehörigen Gräsern bedeckt und von kahlem, ziemlich unfreundlichem Aussehen. Obgleich der Wasservorrath den Bedürfnissen der Einwohner genügt, so können doch die einlaufenden Schiffe sich nur mühsam damit versehen-mit der Erschöpfung der Perlensischerei, die wegen der rücksichtslosen Hab- 135 gier, womit man sie betreibt, nicht lange ausbleiben kann, wird also auch ras Hauptband sich losen, welches die Inseln mit der Fremde verknüpft. Die frühere Religion der Mangarevier glich der der Tahitier. Dei Tabou herrschte auch hier mit seiner vollen Ctrenge und den Gottern wur-oen Menschenopfer geweiht, dic m.in mit cannibalischer Freude verzehrte, Gewöhnlich wurden nur die im Kriege getddteten oder gefangenen Feinde zu oiesem Zwecke benutzt', zuweilen aber auch Kinder und namentlich schutzlose Waisen. Wenn daher diese unglücklichen Geschöpf einen Backofen graben sahen, der ihnen verdächtig vorkam, so flohen sie eilig auf die Berge und versteckten sich im dichten Grase, bis die Beendigung des Festes sie von de, augenblicklichen Todesfurcht erlöste. Glücklicher Weise für die Armen gab es aus den Inseln außer dem Menschen sonst kein grausames, blutdürstiges Thier. Zu Zeiten, wo Hungersnoth herrschte, sollen sogar Eltern ihre Kinder >lir abscheulichen Nahrung unter einander vertauscht haben. Nenn zwei Stämme sich bekriegt hatten, wurden die Uebcrreste der geschlagenen Partei auf elenden Flößen den Launen der Strömungen und der Winde überlassen. Die meisten fanden natürlich im Meere ihr Grab; einigc jedoch wurden durch ein günstigeres Geschick nach einem näheren oder fer-neren 5/anoe verschlagen, und vielleicht verdankt sogar die Dstermscl ihre Bevölkerung einer solchen unfreiwilligen Auswanderung. So viel ist gewiß, daß vor nicht gar langer Zeit Temoe (Creßcent-Insel) auf diese Weise seim ersten Menschen aus Mangareva erhielt. Ein Konig führte die Oberherrschaft über das lilivuiischc Reich. Sowie der Thronfolger dic mütterliche Pflege entbehren tonnte, wurde er auf" den 900 Fuß hohen Duff-Berg, den Mont-Blanc von Mangareva gebrach! uno lebte dort bis zum zwölften Jahre in fast völliger Abgeschiedenheit von den Menschen. Nur wenige Diener umgaben ihn; nur selten durften dir Priester und hohen Häuptlinge zu ihm pilgern: für das Volk waren seinc Person, sein Haus, der Berg sogar ein unnahbares Heiligthum. H>on dem Augenblicke seiner Geburt an ging auch die Königswürdc auf ihn über und rcr Vater regierte nur noch als Regent. Sein Herabsteigen in die Cbene wurde festlich gefeiert, doch erst mit dem achtzehnten Jahre hörte das Verbot oder der Tabou auf, der ihn bis dahin dem menschlichen Umgang entzogen hatte. Uebrigens ging es diesem kleinen Monarchen, wie früher dem 136 Kaiser im heiligen römischen Reiche, da die Hauptvasallen seine Würde mehr der Form als der Wirtlichkeit nach anerkannten, sonst aber in ihren Bezirken schalteten und walteten, wie es ihnen beliebte. Die Mangareva-Gmppe wurde 1797 vom frommen, den Lesern bereits bekannten Capitän Wilson entdeckt. Er nannte sie die Gambier-Inseln und der Duff-Berg erinnert noch heute an den Namen seines Schiffes. Doch unterließ er die Landung und erst dreißig Jahre später scheint Bcechey der erste Europäer gewesen zu sein, der auf der kleinen Gruppe landete, Der Verkehr mit den Eingeborenen war anfangs freundlich, bald jedoch brachen Mißhclligteiten aus, und der Engländer sah sich endlich genöthigt, einen verwegenen Angriff mit Flinten- und Kanonenschüssen zurückzuschlagen. Mehrere Wilde wurden in diesem Gefecht getödtet, welches einen so tiefen Ein-druck auf das Gemüth der Eingeborenen machte, daß sie später ihre Zeitrechnung danach bestimmten. Am 7. April ittcN landeten zwei katholische Missionare auf Ao-Kena, und als D'Urville im August 1838 die Inseln besuchte, war bereits die ^anze Bevölkerung bis auf einen störngen Alten bekehrt und getauft. Es versteht sich übrigens von selbst, daß diese Ncophytcn durchaus noch ,Plchts vom eigentlichen Wesen des Christenthums begriffen; mit den äußeren formen waren sie jcdoch schon vollkommen vertraut, horten andächtig dic Messt' und machten dei jeder passenden oder unpassenden Gelegenheit das Zeichen des Kreuzes. Besonders schmeichelhaft für die französischen Seefahrer war es, den Namen ihrer großen Nation hier so verehrt zu finden; und die montou^ (don^oul'), inuiitol>-5 (>,«üsal,) und oomä vous ^ortä vmi«, ^iN'lilU!»''5 (lV^n^n»), womit sie überall freundlich begrüßt wurden, galten ihnen als ein erfreu^ liches Zeichen, daß die Civilisation unter diesen, der Menschenfresserei kaum noch entwachsenen Wilden bereits anfange, einige zarte Sprossen zu entwickeln. Die Missionare hatten übrigens ihre Erfolge nicht ohne Kampf errungen. Als sie zuerst ans der Hauptmscl landen wollten, empfing man sie mit Stein-Würfen und verfolgte sie wie wilde Thiere bis in die hohen Gräser des Gebirges, welche man noch obendrein ansteckte, um sie durch Flamme und Rauch aus ihrem Versteck zu vertreiben. Doch der Qualm begünstigte vielmehr ihre Flucht und als die Wilden, der Verfolgung müde, sich entfernt 137 hatten, stiegen die frommen Väter wieder zum Ufer herab und entkamen glücklich nach No-Kena, welches bereits betehrt war. Im Jahr 1836 wurde die Mission durch die Ankunft des Bischofs von Nilopolis, Stephan Nochouse, und der Brüder Cyprien und Chausson verstärkt. Cyprien, der etwas Medicin studirt hatte, machte einige glückliche Euren und bahnte als Arzt der neuen Glaubenslehre den Weg. Während einer Seuche ließ er die Kranken in den Tempel bringen, und auf seine Erklärung, daß sie unter dem bösen Einfluß der Götzen unmöglich genesen könnten, wurden die jüngst noch hochverehrten Fratzenbilder aus ihrem früheren Heiligthum herausgeworfen.. Ein unterirdisches Getöse, wie es auf diesen vulkanischen Inseln zu-weilen stattfindet und welches sonst jedesmal von den Priestern als Siegeszeichen eines Gottes über den andern gedeutet wurde, kam während dieses Ereignisses sehr gelegen, um die Niederlage der alten Götzen zn vervollständigen. Mancher noch wankende Heide wurde dadurch zur Annahme der Taufe bewogen; und die Macht des Beispiels, mit dem Reiz der Neuheit verbunden, riß endlich auch die Widerspenstigsten mit sich fort. Wo Beechey noch vor 10 Jahren ein verrätherisches Diebsgesindcl getroffen hatte, fand D'Urvillc ein freundliches Völkchen, welches fogar verlorene Gegenstände dem Eigenthümer ehrlich zurückerstattete. Die Frauen, die übrigens schon früher durch ein zurückhaltendes Wesen sich vor den meisten Polyncsicrinnrn ausgezeichnet hatten, trugen statt des früheren Gürtels ein langes, hemdartiges, kattunenes Kleid und die Männer setzten ihren Stolz in eine europäische Garderobe, die freilich nach dem blauen, knopf-loscn, am Ellbogen durchlöcherten Nock und der nur bis zu den Waden reichenden Hose dcZ Königs zu schließen, einer scharfen Kritit noch nicht völlig gewachsen war. Ein alter Strohhut, eine bunte Weste und ein kurzer kattunener Pan« talon bildeten den Anzug des ehemaligen Hohepriesters Matoua, dessen nackte Arme und Veine mit schwarzen Tätuirungen und Flechten bedeckt waren. Der Sturz seiner Götter schien übrigens den Kirchenfürstcn nicht abgemagert zu haben, denn die Elephantenbeine, worauf der 0 Fuß hohe Polos; sich stützte, vermochten kaum das ungeheuere Gewicht seines aufgedunsenen Körpers zu tragen. 138 Bereits waren mehren' nützliche Pflanzen und Thiere von den Missionaren eingeführt worden. Die früher unbekannten Tarowurzeln und Bataten gesellten sich nun zu den (ioeos und Bananen. Die Ziegen fingen schon an, den Anpflanzungen zu schaden; die Schweinezucht machte gedeihliche Fortschritte und zur Vertilgung der Ratzen, des einzigen ursprünglichen Säugethieres, hatte man die Katze zur Hülfe gerufen. Die einheimische Panmwotlcnart war durch eine bessere ersetzt worden, die Frauen hatten etwas spinnen gelernt und man war damit beschäftigt, einen Wrbestuhl einzurichten. Eine Landesverfassung und ein Gesetzcodez existirten zwar noch nichl, aber eine Nationalflagge flatterte bereits im Winde zur nicht geringen Freude des Kvnigs Gregorio Mapouteoa. Ein Engländer, der fünf Jahre später die Inseln besuchte llloviiiF» n> li,o I'.^ltto) fand bereits den Einfluß der katholischen Missionare so groß, daß man ihn sehen musste, um daran zu glauben. Auf jeder Insel waren schon Kirchen erbaut-. und das Gotteshaus auf Mangareva würde feinem eivilisirtcn Lande Unehre gemacht haben. Das steinerne, in der Mitte dom-formige Dach wurde von zwei Reihen massiver steinernen Säulen getragen, der Fußboden war mit weißen und schwarzen Steinplatten belegt und ei» lebensgroßes Crucifir, das Geschenk der frommen Königin Amelie, prangte auf dem Hochalter. Zur Kirche hatte sich auch schon bereits ein Kloster gesellt, in welchem es den Priestern gelungen war, 90 Neophytinnen einzuschließen. Das Gebäude stand auf einem nackten Vorsprung des Dufsberges und war so gelegen, daß lein Unbefugter sich heranschleichen konnte, ohne von den Missionaren, den sorgsamen Hütern der Unschuld, bemerkt zu werden. Unserem Berichterstatter kamen nur zwei der geistlichen Herren zu Gesicht — lebensfrische Vollmondgesichter, wie der hochsclige Abt von St. Gallen. Es bedarf wohl kaum der Erwähnung, daß Mangareva schon längs! an Frankreich annexirt ist, und der arme Gregorio, wenn er noch lebt, sich mit dem ähnlichen Schicksal der Königin Pomare trösten tann. 139 Dreizehntes Kapitel. Pimmotn oder dir Inftlwolllr. ^rste Entdeckung derselben durch Scheuten. — Vecrliey 162li. — Vow Island. — Unvortheilhaftes Aussehen der Gmgcbornen. — Der Häuptling. — Elender Zustand rer Frauen. — VekehruuaMrisuchr eincs tahitisehen Missionars. — Götzen. — Clcr mont. — Tonnerre. — Feindseliges Betragen der Insulaner gegen Wilkcs. — Honden-Insel oder Henuake. — Bedrohliche Haifische. — Zahmheit der Vögel. — Interessantes Thicrleben. ^ Weituhi und Otuho. — Der kranke Häuptling. — Nasenrciben. — Dürftigkeit der Insulaner: — Naraka. - Civilisationsanfanye. — Nnaa oder Chain Island, die wichtigste Insel der Gruppe. — Eroberungen der Kctleninsulancr. — Pcrlenfischerei. -- Die Taucher. — Maitia, oine gehobene b'oralleninsel. — Vev gleichung mit Helgoland. ^ Neuest« Nachrichten. — Taar.N'a. ^aumotu „dic Inselwolkc" — kcinen besseren Namen hätte die blühende Phan tasie der Tahitier dem Gewirr von O'orallenriffen und Atollen geben tonnen, welches zahlreich und dichtgedrängt, wie die Sterne einer Konstellation, die blauen Gefilde des großen Oceans im Osten der Gesellschaftsgruppe in einer Länge von fünfzehn Brritegraden übersäet. Als man noch glaubte, daß die Korallen ans dem tiefnnterstcn Grunde deö Meeres ihre wunderbaren Bauten aufführten, konnten diese Inseln vielleicht für die Kerne oder Keime eines künftigen Welttheils gelten, aber eine bessere Einsicht hat gelehrt, daß sie eigentlich nur die Grabmäler eines ver^ sunkencn Landes sind, die Zeugen einer jener großartigen Veränderungen, welche die noch immer nicht zur völligen Ruhe gelangte Erdrinde durch ihre Hebungen und Senkungen auf der Oberfläche unseres Planeten hervorbringt. Schonten, der muthige holländische Seemann, der mit Le Maire im Jahre llilli zuerst das Fcurrland umsegelte, und durch die Straße, welche noch immer des letzteren Namen führt, in den stillen Ocean drang, war auch der erste, der einen Theil von Paumotu entdeckte. Gs waren die im Norden gelegenen Inseln Ouira, Tiotea, Manhii, die er unter dem Namen des „gefährlichen Archipels" zusammenfaßte, sowohl der tückischen Korallenriffe wegen, als der nicht minder Verrätherischen Bewohner, die seine Matrosen mit Speeren und Keulen angriffen. 140 In jenen Zeiten durchkreuzten noch nickt wie im gegenwärtigen Jahrhundert Hunderte von Walsischfängern nach allen Richtungen die Einöden des großen Weltmeeres; noch kein europäischer Schiffer fuhr von Insel zu Insel, um Sandelholz oder Perlmutter, Schildpatt oder Trepang zu sammeln; die bekannten Handelsstraßen lagen zu entfernt von jenem niedrigen Inselgewirr, als daß der Zufall fo leicht zu ferneren Entdeckungen hätte führen können, und so verging über ein Jahrhundert, ohne daß irgend ein Seefahrer dem Pfade Schoutcn's gefolgt wäre. Erst 1772 erscheint auf jenem entlegenen Gebiete Roggewein, dem abermals nach einem halben Jahrhundert Byron, Wallis, Carteret, Bougainville und Cook rasch aufeinander folgen. Letzterer namentlich segelte auf seinen ewig denkwürdigen Reisen nicht weniger als drei Mal (1769, 1773, 177H) durch den Archipel, uud fügte den Entdeckungen seiner Vorgänger eme Menge neuer Inseln hinzu. Endlich haben in unserm Jahrhundert Kotzebue, Belling-hausen, Krusenstern, Beechey, Wilkes und einige andere minder bekannte Seefahrer die Hydrographie der Gruppe vervollständigt, so daß schwerlich noch irgend einer ihrer Atolle hinter dem Schleier der Dunkelheit sich verbirgt. Bei der U»Wichtigkeit dieser schmalen Eilande und der Gleichförmigkeit ihrer Natur wiirde der Leser mir nur wenig Dank wissen, wenn ich ihn streng geographisch von einem Atoll zum andern führte-, interessanter und folglich auch belehrender wird es jedenfalls sein, wenn wir mit zuverlässigen Beobachtern, wie Vecchey und Wittes, auf einigen Punkten des Inselgewirrs landen und aus ihren Schilderungen die Menschen kennen lernen, die aus dem engen Rücken der Corallcnriffe ihr einförmiges, abgeschiedenes Dasein führen. Als Bcechcy im Februar tft2l> die Paumotu-Gruppe durchschiffte, sah er sich veranlaßt, in die Lagune von Hau oder Vow Island einzulaufen, einer Insel, die ungefähr im Centrum jener weitläufigen Riffbildungen liegt. Sie wurde von Bougainville im Jahre 17sitt entdeckt und im folgendeil Jahre von Capitän Cook besucht, der ihr, weil sie in der Gestalt Aehnlich^ feit mit einem Bogen hat, ihren jetzigen Namen beilegte. Sie ist 34 Meilen lang und 10 breit, auf der Wetterseite gut, auf der entgegengesetzten aber sehr dürftig bewaldet und theilweise so niedrig, daß die Wellen der See in die Lagune hinüberschlagen, welche natürlich bei weitem den größten Theil 141 des eingeschlossenen Raumes einnimmt, da das eigentliche Land, wie bei den <5orallrninseln überhaupt nur einen schmalen Streifen bildet. Die Insulaner fielen Beechey als cin höchst häßlicher und träger Menschenschlag auf; ihre Rase breit und platt, ihre Augen matt und eingefallen, ihre Lippen dick, ihr Mund in den Winkeln heruntergezogen, ihr Gesicht stark gerunzelt, und ihr langes, struppiges Haar durch Schmutz und Ungeziefer zusammengebacken-, ihr Wuchs war mehr als mittelgroß, aber meist krumm, die Extremitäten stark von Knochen, aber die Muskeln schlaff. So häßlich aber die Männer auch waren, so sah doch das andere Geschlecht noch scheußlicher aus; die Männer lagen sämmtlich im Palmenschatten, indem sie einander am Halse mit den Armen umschlungen hielten, während die Frauen, alt und jung, im harten Dienste ihrer Männer oder vielmehr Herren im heißen Sonnenschein arbeiteten. Tie ganz nackten Kinder saßen auf Matten, und wälzten sich schreiend um sie her, um die Myriaden von Hausfliegen zu vertreiben, vor denen man ihre wahre Körperfarbe kaum er-tennen konnte. Unter solchen Umgebungen wurde Beechey dem Häuptling vorgestellt, welcher sich vrn seinen Unterthanen nur durch größere Statur und Starte unterschied und die Aufrechthaltung der Gewalt wohl lediglich diesen Eigenschaften verdankte. Er empfing den englischen Befehlshaber freundlich uno gestattete ihm gern, seinen Bedarf an Brennholz zu fällen, insofern er nur leine Dbstbänme vernichtete. In Erwiderung einiger ihm gemachter Geschenke zog er aus seinem Canoe einige Perlenangeln und Schildkrötenschalen, und bat Beechey diese Gegenstände anzunehmen, allein dieser glaubte bei seiner großen Armuth sich dies nicht erlauben zu dürfen, obgleich er nicht recht begriff, wozu ihm der zuletzt erwähnte Artikel nützen konnte. Beim Geschäfte des Holzfällens suchte man die Cingebornen durch Tabak, Hemden :c. zur Mitwirkung zu bewegen, allein so hoch auch der gebotene Vohn war, so konnte doch nur der Häuptling aus seiner Lethargie geweckt weiden, und auch er ließ die Axt sinken, ehe er den ersten Baum gefällt hatte. Zugleich wurden einige Matrosen abgeschickt, um Brunnen zu graben, die einen so reichlichen Ertrag lieferten, daß man binnen weniger als drei Tagen 3(1 Tonnen süßes Wasser beisammen hatte. Es ist für Seefahrer wichtig zu erfahren, daß man durch Graben von Brunnen auf den Corallen-inseln ziemlich gutes Wasser erhalten kann. Man hat dabei nur darauf zu sehen, daß man die Brunnen an den höchsten Orten der Insel möglich weit von der See nnd wohl am besten in der Nähe von Cocospalmen anlegt. Während seines viertägigen Anfenthaltes auf der Insel batte Peechev viel Gelegenheit, mit den Gngebornen zu verkehren und mit Hülfe eines Dollmetschers manches Interessante über sie in Erfahrung zu bringen. Der Menschenfresserei hatten sie erst seit kurzem entsagt' der Häuptling gestand, daß er mehrmals M'nschenfleisch genossen und als er die Trefflichkeit des Gerichts, zumal wen» das Fleisch von einer Frau stamme, wohlgefällig lobte, nahm sein viehisches Gesicht plötzlich einen furchtbaren Ausdruck von Belebtheit an. Zu dergleichen Schmansereien, sagte er, seien bloß in der Schlacht erlegte Feinde, eines gewaltsamen Todes Gestorbene und hingerichtete Mörder verwendet worden. Mörder habe man, ihr Verbrechen möge nun zu rechtfertigen gewesen sein, oder nicht, umgebracht und sammt deu uon ihnen Gemordeten verzehrt. Diese Wilden gaben noch immer rohen Speisen den Vorzug nnd standen daher dem Kannibalismus noch sehr nahe. Als einst ein Canoe voll Fische in der Nähe des Dorfes landete, verschlangen sie sofort die ganze Ladung und ließen bloß die Gräthen und die Flossen übrig. Die Frauen, welche die Fische an's Land bringen sollten, hielten einen Fisch im Munde, während sie die andern portionenweise auf kleine Haufen legten, doch selbst bei diesem scheußlichen Mahl erwiesen sie einiges Menschengefühl, indem sic dem Fisch immer zuerst den Kopf zerbissen, nnd dadurch seinem Leiden schnell ein Ende machten. Anch waren sie gegen Reinlichkeit nicht ganz gleichgültig, denn man bemerkte, daß sie nach diesem ekelhaften Mahle sich den Mund sorgfältig ausspülten. Der Häuptling.hatte drei Frauen und die Vielweiberei durfte so weil getrieben werden, als es in eines Jeden Belieben stand; auch tonnte ein Jeder seine Frau fortschicken und sich eine andere nehmen, vorausgesetzt, daß diese frei war. Bei der Verheirathung fand keine Feierlichkeit statt. Der Mann brauchte bloß zu einer Person des andern Geschlechts zu sagen „Du sollst meine Frau sein," so ward sie es. Die in diesen Ehen erzeugten Kinder schienen die einzigen Gegenstände zu sein, denen das männliche Geschlecht Zuneigung erwies. Den Frauen wenigstens ward leine zu Theil. Die Lage dieser unglücklichen Geschöpfe war höchst beklagenswert!) und in keinem Theile der Welt werden sie wohl l43 gefühlloser behandelt: während die Männer sich im Baumschatten der tiefsten Trägheit überließen und zu ihrer Erhaltung nichts thaten, als daß ste die ihncn vorgesetzte Speise aßen, muhten die Frauen auf den spitzen Eoral-lenriffen Muscheln odcr in den Wäldern Pandanusnüsse suchen. Sie gingen bei Tagesanbruch an ihr Geschäft, und wcnn sie von ihren Morgenarbeiten ermüdet heimkehrten, durften sie sich nicht etwa ein wem^ ausruhen, sondern sie mußten das für ihre hungrigen Herren Gesammelte nun mühselig zubereiten. Sobald den Männern die Nüsse vorgesetzt waren, genossen sie c>ie in don äußeren Holzfasern der Frucht enthaltene fleischige Substanz, nnd warfen den Rest ihren Frauen vor, die das übrige Fleisch verzehrten und nun die Nuß vollends aufmachten, um die 4-5 kleinen Kerne von der Größe einer Mandel herauszuholen. Hierzu wurde die Nus; mit der Eeitc auf einen glatten Stein gelegt und mit einem schweren borallenblock zerbrochen, die Kerne aber wurden für die Männer bei Seite gelegt. Da sehr viele dergleichen Nüsse dazu gehörten um diese gefräßigen Menschen zu sättigen, so hatten die Frauen eigentlich den ganzen Tag weiter nichts zu thun, als Muscheln, Seeigel und Pandanusnüsse zu sammeln und die letzten zu l nacken. Die Oberherrschaft des stärkeren Geschlechts wurde auf's strengste ge< handhabt und nirgends zeigte sich die Tyrannei des Mannes auf eine verächtlichere Weise. Einst aß eine unglückliche Frau beim Zerklopfen jener von ihr weither geholten Nüsse, da sie sich unbeobachtet glaubte, 2—3 von den Kernen; dieses entging aber nicht der Wachsamkeit ihres brutalen Mannes, ver sogleich aufstand und sie mit drei heftigen Faustschlägen auf die unmenschlichste Weise zu Boden schmetterte. Auf diese Weise von ihren Männern tyrannisirt, vernachlässigt und erniedrigt, bleibt ihnen die Liebe fremd, und man darf sich nicht wundern, wenn ihnen alle jene Eigenschaften abgehen, welche in civilisirten Ländern die Frauen so anziehend machen. Als Peechev in die Lagune einlief, fand er dort ein englisches Perlen-fischerschiss mit einer Anzahl Taucher von Anaa oder der Ketteninsel, der wichtigsten der ganzen „Paumotu" Gruppe, welche damals schon zum Christenthum bekehrt war. Unter den Tauchern war ein tahitischer Missionar, ein Mann von sehr gutem Betragen, welcher sich alle mögliche Mühe gab, die Bow-Insulaner zum Christenthum zu bekehren, und obwohl ihn diese heimlich verspotteten, doch nicht nachließ, und zuletzt den größten Theil dazu bewog, 144 die Gebräuche des christlichen Gottesdienstes anzunehmen. - Es war ein interessanter Anblick wie ein Haufen Wilder, sich seines Aberglaubens ent-schlagend, still und ehrfurchtsvoll auf dem sandigen Ufer niederlnicte, und Morgens und Abends zum Allmächtigen betete. Obgleich sich bezweifeln ließ, daß sie es aufrichtig meinten, so dürfte dadurch doch auf diese Prose» lyten ein Eindruck gemacht worden scin, der für drren Moralität dauernd gute Folgen versprach. Vor der Ankunft des Missionars halte jeder seinen besonderen Götzen, der gewöhnlich in einem Stück Holz bestand, in Welches ein Büschel Mcnschcnhaare eingefügt war. Für den wirtsamsten Götzcn hielt man aber das Schenkclbein eines Feindes oder eines kurz vorher verstorbenen Verwandten. In der Höhlung dieses Knochens wurde eine Locke von dem Haar derselben Person gesteckt, und der Götze dann an einen Baum gehängt. An dieses Symbol richteten sie ihre Gebete, so lange sie Zutrauen zu demselben hatten, allein wie das chinesische Mädchen, welches als ihr Liebhaber ungetreu wurde, den messingenen Götzen umstürzte und peitschte, so erkennen auch diese Leute ihren Gott nur so lange an, als sie mit »hm zufrieden sind, und ersetzen ihn nach Belieben durch einen andern. Es gab indeß Zeiten, wo sie dessen Zorn fürchteten und ihn durch Cocosnüsse zu begütigen suchten; doch hörte Becchcy nicht, daß sie ihm Menschenopfer dargebracht hätten. Sie schienen an die pythagoräische Lehre von der Seelen^ Wanderung zu glauben und hielten das erste Schiff, welches sie sahen, für den Geist eines ihrer unlängst verstorbenen Verwandten. Da man annahm, daß die Seele den Begräbnißort eine Zeitlang besuche, so wurden ihr Anfangs Lebensmittel und Wasser hingestellt und man glaubte, daß die Unterlassung dieser Pflicht üble Folgen nach sich ziehe.. Die Zahl der Bewohner belief sich im Ganzen genommen, auf etwa 100 Seelen. Die Industrie diefer Leute beschränkte sich auf daV allernothwendigste, Matten, Körbe, Fischereigeräthe. Als Beechey den Häuptling fragte, wie er den Tag zubringe, sagte ihm dieser, er stehe fiüh oder spät auf, rufe dann seine Gottheit an, gehe hierauf zuweilen auf den Fifch- oder Schildkrötenfang, bleibe aber gewöhnlich im Schatten der Cocospalmen, und lege sich nach dem Abendessen schlafen. Dreizehn Jahre nach Beecheys Fahrt durch die Inselwolke sah Wilkes am 13. August 1839 die Cocospalmen von Clermont-Tonncrre abwechselnd init dem Schwellen der Wogen am dunkelblauen Horizont auftauchen und 145 verschwinden. Ein größerer Contrast wav taum denkbar, als zwischen dem jüngst verlassenen südamrrikanischen Gestade mit den ewig weiden Schnee« gipfeln der mächtigen Cordilleren im Hintergründe, und diesem so niedrigen Eilande, welches man eher für ein täuschendes Spiel dcr Kimmung, als eine Wirklichkeit hätte halten sollen. Man war offenbar an den Grenzen einer neuen Welt angelangt, und mit gespanntem Interesse sah man die auf-nnd uirdcrtauchendcn Palmen endlich fast auf dem Meere wurzeln, dann ocn weißen Coralienstrand sichtbar werden, und zuletzt noch die schäumende Brandung gegen das Schiff anschlagen, während vom Mastlorbe aus der Blick über die ruhige, ungetrübte kreisförmig eingeschlossene Vagune schweifte. Es dauerte lange, ehe Spuren von Einwohnern sich zeigten, doäi endlich tauchten zwei Gestalten zwischen dem zerstreuten niedrigen Gebüsch hervor und zogen sogleich die Aufmerksamkeit der Fernrohre auf sich. Sie machten keine Bewegung und schienen die fremden Schiffe nicht zu beachten. Vielleicht war es den hellen Tinten, welche sie umgaben — dem tiefblauen Ocean, dem blässeren Himmel, dcr schneeweißen Brandung, dem saftigen Grün — zuzuschreiben, daß ihre fast nackten Gestalten eine entschieden rothe Färbung, zu haben schienen. Am folgenden Morgen gesellte sich der Naturforscher Pickering zu cincr kleinen Gesellschaft, die eifrigst daS Ufer suchte, trotz der doppelten Gefahr der Brandung und dcr Menschen. So wie die Boote sich näherten, kamen die glänzenden Farben der unterseeischen Schöpfung zum Vorschein, ein ganz anderer Anblick wie dcr, den unsere trüben Küstenmrere darbieten. Doch trotz der unendlichen Verschiedenheit dcr Gegenstände waren es ausschließlich Bilder des animalischen Bebens, die mit jedem Nuderschlage in wechselnder Schönheit erschienen. Man landete, schritt über den schmalen, höchstens zwanzig Fuß hohen Rand bis zum Ufer der Lagune mid kehrte nach einem zweistündigen Besuch, während dessen man keinen Eingebornen zu sehen belam, zu den Booten zurück. Auch das eigentliche Mineralreich fehlte, und die ganze ungeheure Masse von thierischen Ueberrcsten. von unergründlichen Gewässern umringt, berechtigte vollkommen dic Corallcninseln zu den Wundern dcr Schöpfung zu zählen. Am dritten Tage wurde ein abermaliger Landungsversnch gemacht, in ^er Hoffnung, einigen Verkehr mit den Eingebornen anzuknüpfen, drch als das Boot sich näherte erschienen siebzehn Krieger am Strande, die mit 140 bedrohlichen Mienen ihre Lanzen und Heulen schwangen und den Fremden Zeichen machten, sie möchten sich entfernen. Nun lieh Wilkes eine weiße Flagge aufziehen, und sah beim Heranrudern, daß noch andere Insulaner hinter den Gebüschen versteckt waren. Der tahitische Dollmetscher redete sie freundlich an, doch erhielt er leine andere Antwort, als daß mehrere zu gleicher Zeit mehr offenherzig als höflich schrieen: „Kehrt nach eurem eigenen Lande zurück! dieses gehört uns! wir wollen nichts mit euch zu thun haben." Um zu landen war es nothwendig, eine kleine Strecke zu schwimmen, da das Boot wegen der Brandung und der scharfen Corallm nicht bis ans Ufer gelangen konnte, so daß man einen Angriff zu befürchten hatte, ehe es möglich gewesen wäre ein freundlicheres Verhältniß anMnüpfe». Wilkes warf daher mit freundlicher Miene den Wilden Geschenke zu — welche sie sehr begierig aufrafften — doch nichtsdestoweniger fortfuhren daö Landen zu verweigern. Endlich schwammen einige der Officicrc dnrch die Brandung, doch drei der ßingrbornen sprangen mit ihren Lanzen so drohend herbei, das: sie sich eiligst zurückzogen, wodurch das Selbstvertrauen und die Wuth der Wilden s» erhöht wurden, daß sie sogar anfingen Steine ins Boot zu werfen, wodurch mehrere von der Mannschaft verwundet wurden. Obgleich Wilkeö durchaus keine Lust hatte diesen verwegenen Angriff strenge zu bestrafen, s^ wollte er die Insulaner doch nicht beim Wahne lassen, daß sie einen Sieg davongetragen hätten, und befahl daher, einige blindgeladene Gewehre ab^ zufeuern, die jedoch keinen andern Eindruck auf die Wilden machten, als das; sie ein höhnisches Geschrei erhoben, und die „Feiglinge" zu landen herausforderten, wenn sie es wagten. Nun wurde mit Senfkörnern auf ihre Beine geschossen, worauf unter eifrigem Reiben der beschädigten Theile der wilde Schwärm davonlief. (5s war eine schöne athletische Raee von dunkelbrauner Farbe und mit langen, schwarzen, gerade herabhängenden Haaren, welche die Häuptlinge nach hinten in einem Knoten zusammenbanden. Bis auf einen schmalen Gürtel, der jedoch dem Anstande genügte, waren sie vollständig nackt. Ihr unfreundliches Begegnen erklärte sich später, da man erfuhr, daß vorbeiscgelnde Perlenfischer aus reinem Muthwillen auf sie geschossen hatten, ein Beispiel unter vielen von den Grausamkeiten, die fern vom wachsamen Auge des Gesetzes der rohe Weiße gegen seine wilden Brüder sich erlaubt. Auf Honden-stiland oder Henuake, der nächsten Insel, welche Wilketz berührte, verkündigten Myriaden von Tecvögeln und die fehlenden l5oeos- 147 palm^, so wie beim Landen die Abwesenheit der Haus ege, daß hier der Mensch noch keine Hütte gebaut. Beim Landen zeigte sich aber eine neu<' Gefahr in den Haifischen, die hier zahlreicher als irgend sonstwo gesehen wurden. Sie folgten den Booten in langen Zügen und es sah bedrohlich aus, wenn das schwellende Meer die Raubfische mitunter höher als den Rand der Schaluppe hob. Die Spuren ihrer Zähne waren an den verstümmelten Schildkröten sichtbar, die sich auf den Strand vor ihnen geflüchtet hatten. Die Vögel zeigten dieselbe Zahmheit, wie auf den Galapagos, da man sie von ihren Nestern stoßen mußte, nm die Eier zu bekommen. Außer unzählichen Tölpeln, Meerschwalben und Tropikvögeln machte sich besonders der Fregattenvogel bemerkbar, der viele Baume l':mdil!ni,^ Von-, Kaavill, i'^ulli.^ — mit seinen aus einigen Reisern erbauten Nestern bedeckte. Wenn die alten Vögel wegflogen, blähten sie ihre rothen Kehlsäcke zur Größe eines Kindertopfes auf, so daß es aussah, als ob ihnen eine große Blutblase am Halse hinge. Das Geschrei und Gekrächz aller dieser Vögel war fast betäubend. Gs gewährte einen komischen Anblick, Krabben mit Fidrchsen zwischen den Scheeren fortlaufen zu sehen, und wie dann beide zugleich von einem Vogel gepackt und weggetragen wurden. Schaaren von Einsiedlerkrebsen wanderten mit ihren erborgten oder gestohlenen Schnrckengehäusen am Strande umher. Die vielfarbigen Fische, die großen Aalr, die furchtbaren gefräßigen Haie, die Spinnen, deren Netze sich überall auf dem Boden ausbreiteten, die Mollusken und Crustacern verbanden fich zu einem merkwürdigen, eben so neuen, als interessanten Raturbilde, welches nicht so leicht dem Gedächtniß wieder entschwand. Nach mehrtägigem Segeln nach Westen kamen Weitnhi und O tuho, Byron's Disappointment'Infeln in Sicht. Eine Menge Canoes näherten sich den Schiffen unter Singen, Lachen und vielen seltsamen Geberden, doch wollte feiner an Bord kommen, oder außer einigen alten Matten irgend etwas vertauschen. Die Boote waren ganz klein, nur 12 ober ^! ssuß lang, mit einem Ausleger und einem hervortretenden Ochnabel hinten und voru zum Festhalten beim Einsteigen. Jedes Boot enthielt gewöhnlich nur zwei Cingeborne und war so leicbt, daß es von zwei Menschen bequem getragen werden konnte. 10* l48 Diese Insulaner hatten ein eigenthümliches Anssehen, starke, borstige Bärte und Schnurbärle und eine verschiedene Physiognomie von der, die bei den andern Eingeborenen der Gruppe bemerft wurde. Ihre Wildheit und der elende Anblick ihrer vernachlässigten Personen erregten Zweifel, ob sie wirklich noch zu den Menschen geholten. Auch sie widersetzten sich Anfangs der Landung, doch als die Boote längs der Nordwestküste Weituhi's hinfuhren, erschienen sie am Ufer mit grünen Zweigcu und führten einen Tanz auf, wobei sie ihre Keulen über die Kopfe schwangen. 'Der Häuptling erhob sich von seinem Vager im Schatten eines Pandanus, seine Beine waren von ter Elephantiasis weis; angeschwollen und zwar so bedeutend und regelmäßig, daß man Anfangs glaubte, daß er weite Matrosenhosen trüge. Sein Haar war schneeweiß, so daß er für den Patriarchen seines kleinen Kolkes gelten konnte. Als man ihm zu verstehen gab, daß ein Geschenk für ihn da sei, zeigte sich eine merkliche Peränderung in seiner Physiognomie und er näherte sich sogleich watend und schwimmend dem Boote-, doch zeigte er sich sehr unruhig, bis er mit Wittes den freundlichen Gruß dee Nasenrcibens gewechselt hatte, eine Ceremonie, die mit einer so schmutzigen und ekelhaft tranken Person für jenen nichts weniger als angenehm war. Für die erhaltenen Geschenke gab er sogleich seinen kurzen Mantel — eine schlechte Matte — her und machte während der ganzen Dauer der Zusammenkunft ein merkwürdiges Geräusch, etwa wie das Purren einer Katze. Beim Herumzappeln in der See, wobei der lange, weiße Bart in der Strömung wallte, hätte man ihn für den personificirten griechischen Neptun halten tonnen. Trotz einiger Widerrede des Alten fand die Landung dennoch statt. Die furchtsamen Insulaner ließen sich nur schwer beruhigen und zeigten den unverkennbaren Wunsch, daß der Besuch möglichst abgekürzt würde. Sie hatten offenbar schon früher mit Schiffen verkehrt, doch schwerlich mochte irgend ein Fremder schon auf ihrer Insel gelandet sein. Einige Cocos-palmen, Brodfruchtbäume und Pandangc standen unter den Pisonien, Tourne-fortien und sonstigem Gesträuch der dürftigen Insel, die weit weniger als die fischreichen Riffe zur Ernährung ihrer 80 bis W Bewohner beitragen mochte. Die Hütten waren elende Locher, ungefähr <» bis 8 Fuß lang, 4 Fuß hoch und 5 Fuß breit, kaum Schatten gegen die Sonne gewährend und gänzlich unvermögend, den Regen abzuhalten. Sie bestanden nnr aus 149 Stäben oder Aesten, deren beide Enden in die Erde gesteckt waren und die auf diese Weise entstehende Wölbung war nachlässig mit Cocosblättern, Matten und Gras belegt. Die Oeräthschaften waren klein und schienen dem Zweck nur schlecht zn entsprechen. Kein Tapatuch wurde gesehen, das Völkchen stand augenscheinlich auf einer der niedrigsten Stufen der polynesi-schen Cultur nnd doch schien es zugleich, als ob die früher bekannten Künste mir aus Mangel an Material auf diesem so dürftigen Boden eingeschlummert wären. Sogar wo die wilden Coralleninsulaner, wie auf Weituhi, nur von geringer Anzahl sind, können sie sich doch den Schiffbrüchigen furchtbar erweisen, da sie Gestade besitzen, gegen welche eine mächtige Brandung antobt. Die Flnth der Civilisation mag sie vielleicht mit der Zeit noch erreichen, doch scheint wenig Gefahr für sie zu sein, daß eine andere Nacc sie ihrer einsamen Nisse beraube, deren Besitz ihnen durch ihre Armuth verbürgt Wird. Auf Raraka im westlichen Theile der Gruppen, Welches einige Tage später besucht wurde, zeigte sich die angenehme Erscheinung der tahitischen Flagge, und an der Einfahrt der Lagune stand eine Anzahl Eingeborener, theilweise auf europäische Weise gekleidet, zum freundlichen Empfange bereit. Nichts konnte auffallender sein, als der Unterschied zwischen diesen schon etwas civilisirtcn Menschen und den eben verlassenen Barbaren; es war wie der Uebrrgang von Dunkelheit zum Licht — und bald zeigte es sich, daß diese günstige Veränderung dem Einfluß der Missionare zuzuschreiben sei. Da barbarische Mißtrauen war gewichen und der schiffbrüchige Seefahrer konnte hier in Zukunft auf eine menschliche Behandlnng rechnen. Zutraulich näherten sich die Weiber und Kinder, Die Hütten, obaleich nicht viel besser, als die früher gesehenen, waren reinlich und Anpflanzungen junger Cocosnuft-bäume deuteten auf eine weise Sorge für die Zukunft. Die meisten dieser Insulaner hatten jedoch nicht ihren beständigen Wohnsitz anf Raraka, sondern waren mit Doppelpirogen, um Perlenmuscheln zu fischen, von Anaa oder Chain-Island herübergekommen, welche zwar eine der kleinsten Inseln der Gruppe ist, aber bei weitem die bevölkertste, da ihre damals auf 5000 Seelen geschätzte Einwohnerzahl so groß war, wie die des ganzen übrigen Paumotu, sogar mit Einschluß der vulkanischen Manga-revagruppe. 150 Die ganze Insel ist ein dichter Cocospalmenhain, der durch beständige neue Anpflanzungen sorgsam unterhalten wird, und dessen Früchte nebst den Fischen der Lagune die Hauptnahrung der Bevölkerung ausmachen. Seiu Uebergcwicht in der kleinen Welt von Pamnotn hatte jedoch Anaa weniger einer besonderen Begünstigung der Natur, als dem kriegerischen Geiste seiner Bewohner zu verdanken, der in diesem kleinen, abgelegenen Winkel der Erde ähnliche Umwälzungen hervorbrachte, wie etwa die Herrsch« und ErobcnmgB-lust der Römer oder Hunnen auf der großen Schaubühne der Welt. Durch ihn beseelt, waren die Anacr mit ihren Dopvelpirogcn von Insel zu Insel gesegelt und hatten den ganzen westlichen Theil der Gruppe, bis nach Hau oder Bow-Island hin ihrer Macht unterworfen. Sie begnügten sich jedoch nicht allein mit deren Unteriochnng, sondern zerstörten überall, wo sie hinkamen, die nährenden Cocosbäume und führten den größten Theil der Bevölkerung als Sklaven mit sich sort. So erklärt es sich, daß Inseln, die einige Seefahrer früher bewohnt fanden, von andern später nnr als Vrüte-vlähc der Servögel gesehen wurden, und daß auf so vielen die Zierde der Palmen fehlte. Zur Zeit Pomare des Ersten steigerte sich sogar die Erobrrungslust der Anaer zum großartigen Entwürfe, Tahiti zu erobern', und es gelang ihnen, sich der Halbinsel Tairabou zu bemächtigen. Doch ließen sie sich durch ein bedeutendes Geschenk von Schweinen und Tapatuch zum Rückzüge bewegen und sie fuhren fort, wie früher die nominelle Oberherrschaft Tahiti's anzuerkennen. Ihr kriegerisches Ruhm stand so fest, daß Pomare der Zweite sich cine Art Leibgarde aus ihnen bildete, die nicht wenig zur Befestigung seines Ansehens beitrug. Früher waren die Anaer der Menschenfrcsserci ergeben, die vielleicht noch immer nicht gänzlich auf dem ostlicheren Theile der Gruppe verschwunden ist, doch seit 1815, wo die ersten tahitischcn Missionare sich anf Nnaa niederließen, fand allmälig eine günstige Veränderung in ihrem Charakter statt. Mit dem Christenthum trat größere Friedfertigkeit ein und es wurde den Gefangenen erlaubt, auf ihre Inseln zurückzukehren, eine Gunst, die indessen nur von wenigen benutzt wurde, da die meisten sich bereits auf Nnaa verheirathet hatten und nun nicht mehr ihrc neue Hcimath verlassen wollten. Die dürftige Natur der „Inselwolte" bietet dem Handel nur wenige Anziehungspunkte dar — das Hauptprodukt ist die Pcrlmutterschale, die 151 mit Hülfe von Tauchein aus Anaa anf den verschiedenen Inseln der Gruppe gefischt wird. Die dazn ausgerüsteten kleinen Schisse gehören fremden, auf Tahiti ansässigen Kauflenten, die gewöhnlich mit einem eingeborenen Dolmetscher einen Aecord abschließen, wonach dieser für eine gewisse Summe sich verpflichtet, die nothwendige Anzahl Taucher — gewohnlich 80 bis 40 — herbeizuschaffen. Außer der freien Kost, die in gesäuerter Vrodfrucht, etwas Schweinefleisch und Cocosnüssen besteht — werden die Taucher mit einem kargen Monatslohn von einigen Ellen Kattun besoldet, der mit der schweren Arbeit in keinem Verhältniß steht. Die Perlmuscheln sind an die tleinen Corallrnbänke befestigt, die wie unterseeische Hügelchen ans dem Grunde der Lagnnen hervorwachsen, und hängen sich mit ihrem starken Barte an die steinernen Aestc der Polypen, so daß es einiger Kraft bedarf, sie davon loszureißen. Das Boot wird an einem hervorragenden Stcinklumpen festgebunden und nun untersuchen die Tancher nach allen Richtungen die Vant, bis die Seltenheit der Muscheln oder ihre eigene Erschöpfung sie an den Ortswechsel oder an das Ausruhen mahnt. Es gewährt einen interessanten Anblick, diese amphibischen Menschen tauchen zu sehen; fast ohne eine andere Bewegung zu machen, schießen sie wie Pfeile anf den Grund, suchen unter jedem hervorragenden Corallenstock, UNI? sind sie an einer Stelle fertig, so genügt ihnen eine einfache Arm-Bewegung, um sich horizontal durch das Wasser nach einer andern fortzutreiben. Die längste Zeit, die sie unter der Seeobersiäche zubringen können, beträgt etwas über eine Minute. Beim Tauchen in tieferem Wafser klagen sie nicht selten über Ohrenweh. Auf diese Weise wird täglich ungefähr eine Tonne Muscheln gesammelt und nach einigen Monaten verläßt das Schiff das „gefährliche Meer", nachdem es erst noch die Taucher nach Anaa zurückgeführt hat. Die gewonnenen Perlen sind gewöhnlich nur Saatperlcn, welche unzen weise in Valparaiso für 10, bis 12 Dollars verkauft werden, doch wem das Glück wohl will, kann auch hier durch einen seltenen Fund sich um mehrere tausend Thaler bereicher». - Die Perlmutterschalen werden bekanntlich auf vielfache Weife zu eingelegten Arbeiten, Dosen, Mefferheften, Spielwerken, Zierrathen n., benuHt, 152 ihr gegenwärtiger Preis in Hamburg ist, je naä> der Qualität, von 1'/« bis 1? Schilling Banco das Pfnnd. Die Perlenfischer reden v.-n ein« goldeuenZeit, wo inan schone Perlen für einen Fischhaken oder für ein schlechtes Messer von den Paumotuanern erhandeln tonnte, und klagen, das; die Taucher ihre Forderungen jährlich erhöhen, doch sieht man nicht, daß Letztere reicher werden, oder das, Erstere Lust bezeigen, sich vom Geschäft zurückzuziehen. Vom Jahre 1832 bis 1836 wurden etwa 900 Tonnen Perlmuscheln von den Panmolll-Inseln nach Tahiti gebracht, um von dort aus nach Europa verschifft zu werden. Den Werth schätzte man auf 50.000 Dollars oder 55 Dollars die T^nne — allerdings ein hübscher Ertrag für die schlechten Vaumwollenzcnge, um welche noch dazu nnter verschiedenen Vorwänden die armen Taucher nicht selten betrogen wnrden. Da die Könige von Tahiti eine Art Oberhoheit über die Panmotu-Gruppe ausübten, ist es nicht zu verwundern, daß der franzosische Schutz, nach dem er jene Hauptinsel unter seinen schirmenden Fittig genommen, auch noch seine Wohlthaten über die niedrigen Coralleneilandc ausgedehnt hat und auf Anaa einen Gcndarmericvosten unterhält. Zu den protestantischen Glaubenslehrern hat sich auch seit der Einnistung der Franzosen auf Tahiti eine katholische Mission in Anaa zugesellt — die Nachrichten, die aus jenem abgelegenen ssrdenwintei zu un>> herübcrschallcn, sind jedoch zu sparsam und selten, als daß ich im Stande wäre anzngebcn, ob die Anaer der Confession, von deren Verkündcrn sie zuerst der Barbarei entrissen wurden, getreu geblieben oder zur Fahne des Papstthums übergegangen sind. Em englischer Perlenfischer ibaum. — Die Südseckastanie. - Der Kukui. — Der Tamanu. — Der Hutu. — Fischfang. — Einheimische Säugethiere. — Das Huhn. — Der Evinipapagci. — Die Kurukurutaube. — Secvögcl wegen ihren Federn verfolgt, -- Fische. — Der Teufelsrochen. — Kriegslisten einer Seckrabbe. -^ Merkwürdige Seeigel und Muscheln, — Insektenplagen. Awci ungleich große, fast kreisrunde Halbinseln durch eine lange schmale Landenge verbunden, mit einem Flächenraum von etwa >'<> geographischen Quadratmeilcn, bilden das weltbcnchmte Tahiti. Mit Ausnahme des schmalen ebenen Küstensaums besteht das ganze ^and aus tiefausgehdhlten Thälern und hohen Bergtanten. In der nördlichen Halbinsel, welche zugleich die bedeutendste ist, steigen die Schluchten ringsherum zu den schroffen Central-gipfeln des 7543 Fuß hohen Aorai und des noch riesigeren Orohena hinan, und zerllüften die jähen Seiten des Gebirges. Furchtbare Abgründe bilden die Wände der Felseng rathe, welche jene Thäler oder Schluchten von einander trennen und deren oberer Rand s» spitzig verläuft, daß er den, ssuß des Menschen oft unzugänglich wird. Die auf diese Weise durch steile Mauern eingeschlossenen Schluchten sind gewöhnlich so enge, daß sie dem Bächlein laum Raum gewähren, welches auf ihrem steinigen Grunde hinabrauscht. Nach dem Meercsufer hin haben die Thalwändc eine Höhe von 500 bis 1000 Fuß, doch weiter hin» auf steigen sie immer yöhei und schroffer empor, bis endlich zwei bis drei- 156 tausend Fuß tick- Klüfte gegen die Mauer des Centralgipfcls auslaufen. Der Versuch die Berge thalaufwärts zu besteigen, ist daher vollständig erfolglos. Denn wenn m:ch unüberwindliche Felsblöcke im Bette der Waldbäche dem Wanderer den Durchgang nicht verwehren, so sieht er sich plötzlich durch eine querliegende Bergwand vom erwünschten Ziele abgeschnitten. ftinige der Thäler schliefen auf ihrem Grunde einen Streifen ebenen kulturfähigcn Bodens ein, durch welchen ein Flüßchen sich nach dem Meere hinschlä'ngelt. Doch auch diese haben dieselben abschüssigen Wände wie die engeren Bergschluchten, höher hinauf nehmen sie den weiter oben beschriebenen Charakter an, und das München wird zum wilden Waldbache, der die ganze Tiefe der Felsenscklncht ausfüllt. Unter dem kalten Himmel des Nordens würde ein Grundbau wie dieser in seiner zerklüfteten, nackten Starrheit ein düsteres Bild der trostlosen Verödung darbieten. Doch um einen richtigeren Begriff von Tahiti zu erhalten, darf man nicht vergessen, daß die Abhänge fast überall mit üppigem Laub bekleidet sind, denn es gibt auf der ganzen ^nsc! kaum eine Thalwand, welche nickt mit Farnkräutern und Gesträuch sich verzierte oder mit rankenden Gewächsen überzogen wäre, und wo ein Baum nur wurzeln kann und hinreichende Feuchtigkeit findet, erhebt sich dichter Wald. Die Berg-gehänge bis zu einer Hohe von 1000 oder 1500 Fusi über der Mceresfiächc sind jedoch grasbewachsen, und haben namentlich in der trockenen Jahreszeit ein dürres verbranntes Aussehen. Erst höher hinauf begünstigt die feuchtere Atmosphäre den Baumwuchs, der den flachen Ufersaum so lieblich auszeichnet, wäbrend die dazwischen liegende weniger reichlich bewässerte Zone durch verhältnismäßige Unfruchtbarkeit absticht. Nach dieser allgemeinen Uebersicht der tahitischen Thal- und Gebirgs-bildungen, wollen wir sie nun in ihrer romantischen Schönheit kennen lernen, indem wir Naturforschern wie Darwin und Dana auf ihren Ausflügen in's Innere folgen. Ersterer von zwei tahitischen Führern begleitet stieg das Thal von ^>l'--nii'li hinauf, durch welches das Flüßchen herabfließt, welches an der berühmten Venusspitze in's Meer ausmündet. Auf seine Bemerkung, daß sie sich mit Kleidung und Lebensrnitteln für die kleine Ncise versehen sollten, antworteten die Tabitier, daß ihre Haut sie genugsam schütze und es in den Bergen niemals an Nahrung fehle. Ani>i»gs führte der Weg durch das 157 Gehölz, welches beide User des Flüßchens einfaßt, und die hohen Central-Hörner, welche von Zeit zu Zeit über den Wald hervorblickten, gewährten cine höchst malerische Ansicht. Bald vcrengte sich da3 Thal, dessen Wände höher und abschüssiger wurden. Nach eincm Gange von 3 bis 4 Stunden überstieg die Breite der Schlucht kaum noch das Bette des Baches. An jeder Seile waren die Mauern fast senkrecht, doch Dant der reichen Natur des verwitterten vulkanischen Gesteins, war ein jeder Vorsprung mit Bäumen und einer üppigen Vegetation bewachsen. Diese steilen Wände warcn jedenfalls mehrere tausend Fuß hoch, und das Ganze bildet eine Bergschlucht, prachtvoller und großartiger als Alles was Darwin auf seiner Weltreise bis dahin gesehen. Ehe die Mittagssonne senkrecht über der Schlucht stand, war die Luft kühl und feucht, nun aber wurde sie drückend heiß. Unter dem Schalten eines Fclsenvorsprunges wurde das Mittagessen genossen. Die Führer hatten bereits einen Teller voll kleiner Fische und Süßwasserkrebse gefangen. Sie trugen ein kleines Netz an einem Reife befestigt, und wo das Wasser tief war, und in kleinen Strudeln wirbelte, tauchten sie wie Secottern unter, folgten den Fischen mit dem Auge in die Höhlungen und Ritzen des Gesteins, und zogen sie denn mit der Hand hervor. Das amphibische Wesen dieser Menschen erinnerte an die Schwimmfertigkeit der Robben und Walrosse einer andern Zone. Etwas höher hinauf theilte sich das Flüßchcu in drei Arme. Dir beiden nördlichen waren unzugänglich wcgen einer Reihe von Wasserfallen, die vom schroffen Gipfel des höchsten Berges herabstürzten; der dritte war allem Anschein nach nicht minder unwegsam, doch gelang es ihn auf einem höchst merkwürdigen Wege zu verfolgen. Die Seiten des Thales waren hier fast senkrecht, doch an manchen Stellen sprangen schmale Kanten hervor, dicht bewachsen mit Bananen, lilienartigen Pflanzeil und anderen üppigen E» zeugnifsen der Tropennatur. Die Tahitier halten bciiu Klettcrn auf diesen Vorsprüngen, um Früchte zu suchen, einen Neg entdeckt, auf welchem die ganze Bergwand erklommen werden konnte. Das Aufsteigen war indessen sehr gefährlich, denn man mußte mit Hülfe von mitgebrachten Stricken den nackten Felsen entlang oon ciner Kante zur andern klettern, so daß cs Dar^ Win unbegreiflich war, wie irgend jemand hatte entdecken können, daß diese abschreckende Stelle die einzige sei, welche die Besteigung der Bergwand zulieh. So kam man endlich zu einer kleinen Fläche, über welcher ein schöner 15tt Wasserfall einige hundert Fuh tief herabstürzte, wählend unterhallb desselben eine andere hohe Cascade sich in den Hauptfluß ergoß. Von diesem kühlen und schattigen Nuhcpunkte wnrde ein Umweg gemacht nm den Wassevfall zu vermeiden. Wie früher wurden kleine hervorspringende Kanten dazu benutzt, deren Gefahr zum Theil hinter einer dichten Vegetation sich verbarg. Beim Uebergange von einer dieser Kanten zur andern, mußte eine senkrechte Fels-maucr erklommen werden. Einer der Tahitier, ein schöner, gewandter Mann lehnte einen Baumstamm dagegen, kletterte an diesem hinauf, und er,eichte dann, indem er sich an den Ritzen festklammerte, die Höhe der Mauer. Tort befestigte er einen Strick an eine hervorragende Spitze, und zog mit reffen Hülfe die Gefährten zu sich hinauf. Unterhalb des Vorsprungs, auf welchem der Baumstamm gestellt wnrde, stalte der Abgrund wohl 599 bis ti99 Fuß tief hinad, und hätte ihn nicht zum Theil der üppige Wachsthum der Farnkräuter und Liliaceen verdeckt, so wäre Darwin unter keiner Bedingung weiter gegangen. Der Weg aufwärts wurde nun theils auf vorspringenden Felsenfanten fortgesetzt, theils auf messerartig zugespitzten Grathen, die sich nach beiden Seiten in tiefe Schlünde hinabsenkten. In den Cordilleren hatte zwar Darwin eine weit riesigere Bergnatur gesehen, aber an Abschüssigkeit war lein Theil davon im geringsten mit dieser zu vergleichen. Als der Abend sich senkte, wurde eine kleine flache Stelle am Ufer des Baches erreicht, der, wie bereits erwähnt, in einer Kette von Wasserfällen herabrauschte, und zum Ausschlagen dcs Nachtlagers gewählt. An jeder Seite der Schlucht standen große Gruppen des Feyö oder der Bergbanane mit reifen Früchten beladen. Viele dieser Wanzen hatten eine Höhe von W bis 25 Fuß »nd einen Umfang von 8 bis 4, obgleich der ganze Stamm nur das Produkt eines einzigen Sommers war. Mit Hülfe einiger Baststreisen, die als Zwirn, einiger Bambusstämme, die als Pfosten, und der großen Bananenblätter, die zur Bedachung benutzt wurden, hatten die Tahitier in kurzer Zeit eine treffliche Hütte gebaut, und aus vertrocknetem Laube ein weiches ^ager aufgehäuft. Feuer wurde angemacht, indem ein spitziges Stück Hol; auf ein anderes gedrückt und mit beiden Händen in einer länglichen Spur hin und herge rieben wurde, bis endlich der sich lösende Staub Feuer sing. Das weiße und leichte Holz des tlldi»eu5 tili-^o»» wird allein ^n diesem Zwecke benutzt, dasselbe dient auch als Stange zum ^asttragen und beim Pirogenbau als 159 Ausleger, wodurch das Umschlagen des Bootes verhindert wird. Das Feuer brannte schon nach einigen Sekunden, wer die Kunst aber nicht versteht, hat Mühe genug, wie Darwin es erprobte, bis es ihm endlich zu seiner großen Befriedigung den Staub anzuzünden gelang. Der Gaucho der Pampas, jener vollkommene <''entaure, der auf seinen Ritten durch die weiten Savannen häufig in die Lage kommt, nur auf sich selbst angewiesen zu sein, macht Feuer auf eine andere Weise: ein elastisches, etwa 18 Zoll langes Stäbchen ergreifend, drückt er das eine Ende an die Brust, das andere zugespitzte auf ein anderes Holzstück, und dreht es dann wie einen Bohrer im kreise herum. Nachdem die Tahitier ein kleines Feuer aus Reisern angemacht hatten, legten sie einige Dutzend eigroße Steine auf das brennende Holz. Nach etwa zehn Minnten war letzteres verzehrt und das Gestein glühend heiß. Sie hatten einstweilen Stücke Fleisch, Fisch, reife und unreife Bananen und einige Köpfe des wilden Taro in Blätter eingewickelt. Diese grünen Päckchen wurden nun zwischen zwei Lagen der heißen Steine gelegt und das Ganze alsdann mit Erde bedeckt, so daß kein Dampf entweichen konnte. In einer Viertelstunde war alles aufs vortrefflichste gebraten. Das herrliche Mahl wurde nun auf ein Tischtuch aus Bananenblättern ausgebreitet und eine Cocosschale, angefüllt mit dem kühlen Wasser des rauschenden Baches, diente als Trinkgefäß. Darwin bewunderte die reiche Vegetation der Umgebung. Urberall er-, hoben sich Bananen, deren Früchte, obgleich vielfach als Nahrung benutzt, haufenweise auf der Erde verfaulten. Im Vordergrunde breitete sich ein dichtes Gebüsch des wilden Zuckerrohrs aus, und den Bach überschatteten die dunkelgrünen knotigen Stämme der Kaoa oder Ava (i'ipcr Mtn^tiemn) die gegenwärtig, seitdem die Missionare den Genuß des daraus bereiteten berauschenden Getränks verboten haben, nur noch in diesen abgelegenen Schluchten angetroffen wird, wo sie Niemanden mehr schadet. Daneben wuchs der wilde Taro, dessen gebackene Wurzeln gut zu esse» sind, und dessen junge Blätter besser schmecken als Spinat. Weiterhin gedieh die wilde Igname und die lilienartige Tipflanze sDi-ac^on!, tl^ininnl^), deren weiche braune Wurzel an Form und Größe einem dicken Holzklotz gleicht. Diese diente zum Nachtisch, denn sie ist süß wie Zucker und hat einen angenchincn Geschmack. Außerdem waren noch andere Wilde Früchte und nützliche Gewächse vorhanden. Der kleine Bach bot dem Besucher der Wildniß außer 100 seinem kühlen, erfrischenden Wasser ouch noch A-ale und Krabben dar. Wie verschieden war tiefer Uebersluß an Naturgaben von den unangebauten Gegenden der gemäßigten Zonen, wo höchstens beeren und Erdnüsse den Durst und Hunger des müden Reisenden stillen. Hier sah man deutlich, daß der Mensch in seinem wilden Urzustände ein Kind der Tropenzone war. Als die Nacht hereinbrach, wanderte Darwin unter dem dunkeln Schatten der Banane^ den Lauf des Baches entlang. Seinem Spaziergange wurde jedoch bald ein Ziel gesteckt durch einen WO bis IM) Fuß hohen Wasserfall, über welchem noch ein anderer von der Hohe herabwallte. Nach dieser Reihenfolge von (>a5eaden wird man sich einen Begriff von der schroffen Senkung de? Thales machen tonnen. In der vertieften Ninne, worin das Wasser herabrauschte, schien es, als ob noch nie ein Windhauch sich verloren hätte, da die Bananenblätter, feucht vom aufsteigenden Wasser-stanbe, ganze Ränder besaßen, statt wie gewöhnlich in tansend Fetzen zcrissen zu sein. Von diesem Standpunkt aus gab es herrliche Durchblicke in die Tiefen der benachbarten Thäler, und auf die hohen Gipfel der Centralriesen, die zum Zenith emporsteilten und die Hälfte des abendlichen Himmels verdunkelten. In solcher Umgebung war es eiu erhabenes Schauspiel die Schatten der Nacht allmählig bis zu den letzten und höchsten Spitzen emporklimmen zu sehen. Am folgenden Morgen wurde der Rückweg auf einem anderen Pfade angetreten, der weiter unten ins Hauptthal mündete. An den weniger abschüssigen Stellen führte der Pfad durch Dickichte der wilden Bananen. Die Tahitier mit ihren nackten, tätowirten Körpern, die Köpfe mit Blumen verziert und im Schatten der dunkeln Baume stellten ein schönes Bild des Naturmenschen im Urwaldc dar. Die große Vorsicht, die bei jedem Schritt erforderlich war, machte den Gang höchst beschwerlich, wobei Darwin immer von Neuem über diese Schluchten und Abgründe staunen mußte, denn die Thäler sind eben so viele tiefc Spalten im Gebirge. Indem man von den spitzen Felsgrathen die Gegend überschaute, war der Standpunkt so beschränkt, daß der.Eindruck kaum anders war, als ob man in der Luft schwebend von einem Luftballon auf die Erde herabblickte. Es wurde unter demselben Felscnvorsprnnge übernachtet, wo man am vorigen Tage das Mittagsmahl genossen hatte; die Nacht war sternhell, doch wegen der Tiefe und Enge der Schlucht von der finstersten Dunkelheit. 161 Von großem Interesse ist Tana's Besteigung des Aorai, bis zu dessen Gipfel nur sehr wenige der Eingebornen jemals gedrungen waren, so daß es sehr schwer hielt einen kundigen Führer aufzutreiben. Die Besteigung wurde längs des Felsentammes an der Westseite des Matavai-Thals begonnen, unr durch die Geschicklichkeit des Führers gelang es, stets oben auf dem Grathe zu bleiben, ohne in die tiefen Thäler rechts und lints hinabzusteigen. Bis zu den Bergbauanen in einer Hohe von etwa 1000 Fuß führen verhältnißmäßig bequeme Pfade; doch weiter hinauf sind die Grathe mit einer groben Grasart bedeckt, d.ie an einigen Stellen eine Höhe von 10 Fuß erreicht und fast undurchdringlich ist. Um durchzukommen mußte man das Gestrüpp niederbrechen, indem man sich der Länge nach darauf hinwarf, odcr gewissermaßen maulwurfartig sich einen Neg durch die dichten Halme bahnen. Ein anderer Uebelstand war der Wassermangel, der schon nach einigen trockenen Tagen in den höchsten dem Gipfel sich anlehnenden Thälern einzutreten pflegt. Am zweiten Tage gegen Mittag hatte Dana eine Höhe von 5000 Fuß erreicht, und stand auf einer kleinen Fläche vvn 42 Fuß Quadrat, dem Scheitel eines vereinzelten Felsens. Nach Osten blickte er 2000 Fuß tief in das Matavai-Thal hinab; nach Westen etwa halb so tief in einen Sweig des Papana-Thales, die Abhänge an beiden Seiten hatten eine Neigung von 70 und 80 Grad, und kamen also dem Senkrechten ziemlich nahe. Von diesem Punkte führte ein steiler Abhang von dreihundert Fuß zu ,einer schmalen Fetscnlante, die alsdann wieder aufwärts zum Gipfel des Aorai sich erhvb. Die Tahitier versicherten, daß der spitz zulaufende Rücken nicht breiter als eines Mannes Arm sei, und da dichte Nebel sich senkten, weigerten sie sich noch an demselben Tage weiterzugehen. Am folgenden Morgen hellte sich das Wetter wieder auf und gestattete das Fortsetzen des Ausflugs. Der hohe Gipfel des Aorai hatte aus der Ferne ein tegelartiges An-sehen und schien von allen Seiten zugänglich; doch in der Nähe zeigte es sich, daß er nur an einer einzigen Stelle erreichbar sei, und zwar auf einer Mauer mit steilen 2000 bis 3000 Fuß tiefen Abgründen an beiden Seiten "Nd oben selten breiter als zwei Fuß. An einer Stelle saßen die Wanderer auf der Zinne des Felsgrathes wie auf dem Nucken eines Pferdes und schoben sich auf diese Weise fort, bis endlich der Kamm sich wiederum erweiterte und zahlreiche Gebüsche ihnen eine Stütze gewährten, worauf sie es 5"r!wi6, t>ic ^>iscln scs gnchen Oceans. 11 162 wiederum wagten aufrecht zu gehen. So standen sie endlich auf der höchsten Spitze des Niesen, wo sie lamn Platz genug fanden sich umzudrehen und das herrliche Panorama von allen Seiten zu bewundern. Nach Osten wurde die Aussicht durch die Gipfel des Orohena und des Pitohiti versperrt; nach Süden tauchte der Blick in zahlreiche Schluchten, oder übersah die schnell aufeinander folgenden Pergtamme, welche die tahitische Landschaft auszeichnen', nach Westen erhoben sich jenfeito einer ahnlichen Reihenfolge von gezackten Felsgrathen die Inseln Eimco und Tetuaroa mit kühnen Umrissen über den Meeres-Horizont', nach Norden endlich blickte mail ans die Küstenebene hinab, mit ihren (5ocoZpalmen-, Vrodfrucht- und Orangenhainen, auf den belebten Hafen mit seinen Schissen und Pirogen und auf die Korallenriffe, welche die Lagune uom jenseitigen unbegrenzten Meere trennen. Ich erwähnte bereits, daß rings um die Insel, vom Seeufer bis an den Abhang der Berge, ein flacher Rand sich erstreckt, der sich meistens li bis l2 Fuß über die Fluthmarle erhebt und 1 bis ^ Seemeilen breit ist. Dieser Strandgürtel. der fast allein von den Insulanern bewohnt wird, verdankt seine ausnehmende Fruchtbarteit sowohl seinem schwarzen ans verwittertem Basalt bestehenden Boden, als seiner wenig geneigten Fläche — so dak die allseitig von den Bergen herabströmenden Gewässer sich nur sehr langsam verlaufen tonnen — und auf ihn beziehen sich vorzüglich die glänzenden Schilderungen der Reisenden von der tropischen Pflanzenüppigfeit Tahiti's. Im Schatten der hohen Palmen und dichtlaubigcn Nrodfruchtbaume, unter saftiggriinrn Bananen und goldfruchtigen Orangen, von ^gnamen-, Bataten-, Zuckerrohr- und Ananasfeldern umgeben, und durch die anmuthigsten, mit Sorgfalt unterhaltenen Fußpfade mit einander verbunden, ziehen sich die Hütten der Vingebornen die Miste entlang, von der tühlenden Seebrise angcfächelt und von ewigen Frnhlingslüften umweht. Herrliche Blumen erfüllen die Atmosphäre mit ihren Wohlgerüchen, und schöngefiederte Vögel wiegen sich auf den Hweigen und ergötzen das Ohr durch ihren angenehmen Gesang. Sogar das wildwachsende Gebüsch tragt Früchte auf diesem gesegneten Boden, denn der auf Tahiti durch seinen wuchernden Wach^ thum so verhaßte Guavastrauch ist in andern Landern ein geschätzter Obstbaum. Kaum vierzig Jahre sind verflossen, seitdem diese Wucherpftanze zuerst von der Norfolk-Insel eingeführt wurde, und nun beherrscht sie bereits den besten, fruchtbarsten Boden, trotz aller Bemühungen ihre Vermehrung zu KV verhindern. Datz Dickicht in meilenweiter Ausdehnung besteht fast einzig und allein aus Guavasträuchrrn, welche das ganze Jahr lang Früchte tragen, nicht selten sogar reife Beeren lind Trauben von großen, weißen Blüthen auf demselben Zweig. Die Tahitier lieben die Frucht und verzehren sie in großer Menge, dock in den Monalen Mär; und April, wo die Ernte am ergiebigsten, ist es durchaus nicht möglich sie zu bewältigen, und hausenweise liegen die Guaven auf dem Boden bermn, sogar von dcu Schweinen verschmäht, welche nur die schönsten derselben anrühren wollen. Die steinerne Härte der Samen, welche der Verdauungskraft der Thiere wiedersteht, trägt namentlich dazu bei, die Pflanze nach allen Richtungen zu verbreiten. Sie liebt besonders feuchte und windgeschützte Standpunkte und gedeiht nirgends so gut, als an den Ufern der Backe. Sie verdrängt den Graswuchs vollständig von allen Plätzen, wo sie einmal Wurzel gefaßt hat, aber ihre Blätter find ein gutes Vichfutter, und Ochsen und Pferde fressen die Frucht mit Begierde. Der Schönheit der Landschaft schadet sie bedeutend, da sie die früher so reizenden Aussichten nack der See durck die hohen Stämme der Palmen hindurch verwehrt. Kein Wuuder, daß man in Samoa das Eindringen der Guava fürchtete, doch sah sie Wittes auf den Fidschi-Inseln angebaut, und in Hawaii kann sie nur in einem einzigen Distrikt mit Erfolg gezogen werden. In Brasilien bewundert man den Contrast verschiedenartiger Schonyeit, welchen die Gruppen der Bananen, Palmen und Orangen darbieten, hier aber tritt noch der Brodfruchtbaum hinzu, ausgezeichnet durch sein großes, zierlich geformtes wie Feigenlaub tief eingeschnittenes Blatt, welches zu einer weiten, schattenreichen Krone sich wölbt, und durch das schöne Ebm-mas; seines Wuchses. Es ist,reizend Haine eines Baumes zu sehen, dessen Aestc mit der kernigen Stärke der Eiche sich ausbreiten, und der zugleich mit großen, höchst nahrhaften Früchten beladen ist. So wenig im Allgemeinen der Nutzen das freudige Gefühl ertlärt, welches eine schone Land« schaft in unserer Seele erweckt, so bildet er doch hier ein Element in un« fern Gefühlen, dcun beim Anblick einer solchen Vegetation ergötzt man sich unwillkürlich an dem Gedanken, daß die Natur hier so zuvorkommend und freundlich im den Mmschru gesorgt hat. Ob aber der sogenannte „Herr der Schöpfung" in diesem Paradiese auch paradiesisches Glück genießt, ist eine Frage, welche die beschichte Tahiti's auf eine eben nickt crfrculicke Weise beantwortet. ll- 164 EM großer Theil der Insel wird von breiten Uferriffen umsäumt, welche bei der weichenden Fluth gewöhnlich bloß liegcn, und dmch Einräumung sich leicht für die «ultur gewinnen ließen, wenn nicht bereits Ueberstuß an fruchtbarem Boden fur die Bedürfnisse oder die Arbeitsfähigkeit der geringen Bevölkerung vorhanden ware» Weiter in's Meer hinaus, oft ein paar Seemeilen vom Strande entfernt läuft cin Riff oder eine Ringmauer niedriger Corallentlippen, parallel mit dem Lande hin. Ueber diesen Auhenwall bricht sich die See in schäu^ mender Brandung, während der zwischen ihm und der Insel eingeschlossene Kanal von keiner Welle gekräuselt wird, und wenn auch der Sturm das hohe Meer bewegt, bcfährt sorglos und sicher die Piroge das stille Wasser der Lagune. Diese erweitert sich an manchen Stellen zu ansehnlichen Häfen oder Buchten, zu welchen Oeffnungeu im Riffe sogar großen Schiffen den Eingang erlauben, und ist außerdem in ihrem ganzen Umkreise fahrbar. Unter allen auf dirsc Weise gebildeten Häfen, kommt keiner dem von Papeiti an der Nordtüste gleich, an welchem daher auch der Hauptoit der Insel sich ansiedeln mußte, sowie der steigende Peitchr mit europäischen Schissen seinen Einfluß geltend machte. Er hat eine fast kreisrunde Form, vortrefflichen Ankergrund bis nahe an den Strand, bietet den Schiffen alle mögliche Bequemlichkeit, wenn sie zum Ausbessern auf die Seite gelegt werden sollen, und ist geräumig ^cnug eine große Flotte aufzunehmen. So besitzt er alle Eigenschaften, die sich von einem sicheren und bequemen Porte nur erwarten lassen, und gleicht weit eher einem ungeheuren künstlich angelegten Dock als einem natürlichen Hafen. Aber daß Außenriff tragt nicht allein durch seine ^agunenbilrung zur Sicherheit der Schissfahrt bei; es schützt nicht allein die Palmenhaine des lachenden Ufers gegen die verzehrende Wuth der zerstörenden Brandung, sondern dient auch wesentlich zur Verschönerung der Küstenlandschaft, durch die kleinen mit Coeospalmen und andern Littoralbäumen bewachsenen Corallen-eilande oder Motus, die hier und dort, namentlich an beiden Seiten der Einfahrten auf seinem Nucken sich erheben. Man stellt sich leicht vor, welchen neuen Reiz diese Smaragde des Oceans dem romantischen Tahiti verleihen; wie lieblich ihr helles Grün gegen die weihjchäumcnde Brandung der jtlippen und den Hintergrund des tiefblauen Meeres abstechen muß. 165 Die Westküste Tahiti's ist noch besonders bevorzugt durch den herrlichen Blick auf die etwa 12 englische Meilen entfernte Insel Gimro, deren zackige Vcrgmassen sich schroff zu einer ansehnlichen Hohe emporthimucn. In einem der erhabensten Gipfel Eimeo's, einige hundert Fuß von der Spitze, sieht man den blauen Himmel durch eine Ocffnung schimmern. Diese soll nach einer alten Sage dem Gotte Oro ihre Entstehung verdanken, der eines Tages, wüthend gegen den I'm oder kleinen Gott von Fimco, von Tahiti aus seinen Speer nach ihm schleuderte, den Flüchtigen jedoch verfehlte, denn im Zorne zielt auch ein Gott nicht auf's beste, so daß nun die furchtbare Waffe wie ein Donnerkeil durch oen Berg flog. Merkwürdig ist es wie überaWdie schöpferische Phantasie des Volkes, vom hohen Norden bis zur Südsec an jede ungewöhnliche Naturerscheinung irgend eine Legende zu lnüpfen weiß. Die Umrisse Eimco's sind noch weit zerrissener als die der großen Nachbarinsel, und es bedarf keiner sonderlichen Anstrengung der Phantasie diese schroff ausgezackten Felsmassen und Hörner in ein Nieseubollwcrk von gothischen Pastionen und Thürmen zu verwandeln, deren steile Mauern vielfältig mit Grün bewachsen sind, welches aus der Ferne dem üppigsten Epheu gleicht. Die Häfen Eimeo's, daß nur durch eine einzige Oeffnung im Niss zugänglich ist, zeichnen sich vor denen Tahiti's dadurch aus, daß sie sich tief in's Land hinein erstrecken. So ist die Taloo Bucht ein etwa A englische Meilen langer Fiord von Beigen umschlossen, deren senkrechte Wände au einigen Steileil bis zu einer Hohe von 2000 Fuß emporsteilrn. Der Hinter-gruno dehnt sich in eine weite Fläche des reichsten Alluvialbodens aus, der gegenwärtig zur (vultur des Zuckerrohres benutzt wird, und mit dem üppigsten Baumwuchs prangt. Das größte Schiff schrumpft zu einem Boote zusammen, wenn man es neben den hohen Bergen betrachtet, in deren unmittelbarer Nähe es vor Anker liegt. Das Innere der Insel bildet einen Kessel von wunderbarer Erhabenheit. Vom Hintergrunde der Taloo-Bucht aufsteigend, gelangt man allmälig zu diesem centralen Amphitheater, welches rings herum von steilen Anhöhen eingefaßt ist, deren Kämme aus nackten Felsen von ungeheuerer Größe und seltsamen Formen bestehen. Einige ruhen auf engen Grundlagen mit breiten und überhängenden Stirnen, und dem Hafen gerade gegenüber erhebt sich ein riesiger Thurm, dessen scharfe Spitze hoch in die Wolken ragt. 166 „Die Verhältnisse dieses Tempels des Himmels und der Erde," sagt Dana, „waren so harmonisch, daß dessen ungehencre Große uns anfangs nicht auffiel. Als wir aber nach dem Hafen uns umblickten und d,e steilen Abhänge, an welchen wir hcraufgetommrn waren, zu fast unmerllicheu Erhabenheiten verkleinert sahen, trat nns die Größe der Berge, die hier unseren Horizont begränzten, klar vor Augen, so wie die Breite des eingeschlossenen Thales, in dessen Mitte wir standen." MiNAusnahme von Tubuai und Tetuaroa, rie auf niedrigen Korallenriffen ruhen, sind alle übrigen zur Gefellschaftsgruppe gehörigen Inseln — Maurna, Borabora, Tahaa, Naiatea, Huahcine, Tapamanu — gebirgig und romantisch, wie Tahiti und Eimeo. Sämmtliche hohe Inseln Wstehen aus runlelgrancn Basalten und basaltischen Vaven, die zuweilen mit Schichten von groben und feinen Konglomeraten und Tuffen aus demselben basaltischen Material abwechseln. Alle diese Gesteine sind einer schnellen Verwitterung unterworfen, so daß auch die schmalsten Kanten und Vorsprünge mit einer riefen Erdschicht bedeckt sind, wodurch der üppige Pflanzenwuchs bedingt wird, der, indem er die Gefahren dem Auge verbirgt und beim Besteigen Anhaltspunkte gibt, allein das Reisen im Gedirge möglich macht. Es fehlt mir an Raum, eine jede dieser Inseln besonders zu scbildern, auch würde es bei der Gleichheit der Bildung und Vegetation ein den Veser ermüdendes Unternehmen sein, doch verdient das Außenriff Boradora's be-mertt zu werden. (5s ist nämlich nicht wie gewöhnlich abwechselnd über^ flössen und über den Meerctzfpiegel sich erhebend, an einigen Slellen nactt und an andern bewachseil, sondern überall mit (^oeospalmen bedeckt, die einen »ollständigen Gürtel um die Insel bilden. Eine einzige schmale Durchfahrt führt i>l die innere Lagune, aus deren Mitte der 3000 Fuß hohe zweispitzige Pick des Kegelberges sich erhebt, woraus die lleine Insel besteht. Am Fuße des Berges am niederen Ufer einer Bucht lagern anmulhig die Hütten der Eingeborenen unter Palmen, Brodfruchtbäumen und Bananen. Die Oberfläche sämmtlicher Gesellschaftsinseln beträgt etwa ^<> geogr. Quadratmeilen, und wenn man bedentt, daß sie größtentheils aus steilen Gebirgen oder abschüssigen schmalen Schluchten bestehen, die einer jeden Cultur unzugänglich sind, und das ebene Land nur auf einen Verhältniß-lnäßig schmalen älüstensaum und einige Thäler sich beschräntt, so ist es augenscheinlich, daß trotz aller Vorzüge der Fruchtbarkeit und des Klimas 167 sie niemals eine ihrer Ausdehnung entsprechende Bevölkerung werden ernähren können. Als Wallis die Insel Tahiti entdeckte, war allerdings die Einwohnerzahl viel bedeutender als jetzt, wo sie unter dem französischen Protectorat noch fortwährend zusammenschmilzt, doch hat sie gewiß nie die Hohe der ersten übertriebenen Angaben von Cook und Forster erreicht, wonach sie aus 100,000 oder gar 150,000 Seelen bestehen sollte. Das Klima der Gesellschaftsgrupve ist eins der angenehmsten und gesundesten auf Erden, denn obgleich Tahiti nur 17 Grad vom Aequator liegt, wird die Hitze durch die ewig wechselnden Einflüsse des 3>eans und des Gebirges doch so gemildert, daß sogar Europäer sie sehr erträglich finden. „Zu allen Zeiten," sagt Forster, „steigen Dünste aus dem Meer, hängen sich an die Berge und träufeln im Morgenthau herab. Zu allen Stunden des Tages kühlt der Seewind die Ebene und mildert die Gewalt der Tonnenstrahlen, und des Nachts fährt die wohlthätige Vandluft mit thautriefenden Schwingen von den Berggipfeln hernieder." Im Deeember und Januar, den tahitischen Sommermonaten, wird irdoch der Passat nicht selten durch heftige Nordwinde unterbrochen, die mitunter start genug sind, Palmen und andere Baume zu entwurzeln. Regen und Gewitter sind alsdann häufig, so daß man den hiesigen Sommer für den Winter ansehen könnte. Erdstöße werden selten verspürt unr man kennt lein Beispiel, daß sie Schaden angerichtet hätten. Nach Kotzrbue sollen Ebbe und Fluth in der Matavai-Bucht sehr von der allgemeinen Regel abweichen und sich um den Mond nicht zu bekümmern scheinen. Jeden Mittag, das ganze Jahr hindurch, sobald die Sonne den Meridian erreicht, steht daß Wasser am höchsten, und fällt mit dem sinkenden Tagesgestirn bis zur Mitternacht. Die Fluthhöhe beträgt übrigens nur einige Fuß. Die Ebbe lauft mit großer Gewalt aus den Niffoffnungen heraus, die Fluth dagegen mit geringer Stärke in die Vagune, wegen der dielen Bache, welche in's Meer hinab strömen. Wo die Natur schon so viel für den Menschen gethan, tonnte sein Fleiß mit leichter Mühe ihr schönes Werk vollenden, dem fruchtbaren Schooß der willigen Erde die brauchbarsten Pflanzen anvertrauen uud sie mit Wucher zurücknehmen. Doch während andere Nativncn, welche eben so reiche, eben so schöne Inseln bewohnen, sogar diese leichte Arbeit nicht kannteu und von den europäischen Seefahrern noch auf einer so tiefen Stufe der Barbarei gefunden wurden, daß sie kaum für das dringendste Bedürfniß sorgten, war der Tahitiei in der Cultur schon so weit vorgerückt, das; er neben den Früchten, die ihn ernährten, auch noch die Staude pflanzte, die ihn mit Kleidung versorgte, und die Blume, deren Wohlgenich ihn ergötzte. Außer der wohlthätigen Brodfrucht, welche ihm seine beste und reichlichste Nahrung gab und womit er die Ebenen weit und breit bedeckte; der hochwüchsigen Cocospalme, deren rauhen Stamm er mit unglaublicher Fertigkeit zu ertlim-men verstand, indem der einfache Mechanismus die beiden Füße dicht über den Knöcheln mit einem Bast zu verbinden die Stelle einer Leiter vertrat; und dem Pisang, von welchem nebst der in den oberen Thälern wildwachsenden Epeeies er nicht weniger als 1^ cultivirte Spielarten kannte, dienten auch noch zu seinem unterhalt die Inollige, süße Wurzel der Bataie, einer Art von Winde (l^nnv^iv^lu^), die vortreffliche Yamswurzel 6l'»,n eincr der seltenen polynesischcn Gewächse, die in der unserm Winter entsprechenden Jahreszeit, wenn die Sonne mit ihren seni-rechten Strahlen den nördlichen Wendekreis erhitzt, ihr Laub abwerfen, eine um so seltsamere Erscheinung, da viele unserer europäischen Bäume mit abfallenden Blättern immergrün werden, wenn man sic in ein wärmeres Klima verpflanzt. Die Früchte rcifen im Mai und zwar in solchem Uebcrflusi, daß trotz der bedeutenden Menge, die von Menschen und Schweinen verzehrt werden, eine Unzahl derselben auf dem Boden verfault. ^Die hohe schattenreiche, dunkelgrün, belaubte Iambuse sku^»^, »..'ün-oon»is) prangt mit scharlachenen Blüthen und rosenfarbenen, orangegroßen 169 Früchten, deren süßes, weißes Matt ungefähr die Dichtigkeit unseres Apfels hat. Die Südseekastanie slimcüu-pl,« ocWU^), die ebenfalls ein dunkelgrünes 5/aub trägt, bildet ausgedehnte Haine und sticht in der Waldlandschaft durch ihren hohen Wuchs hervor. Ihre gelben Blüthen verbreiten eineu angc-nehmen Duft. Die reife nierenförmige Frucht enthält einen Kern, dcr un^ serer Castanie gleicht und ebenfalls von den Eingeborenen gebraten und ge gessen wird. Die alten Stämme bekommen einen bedeutenden Umfang uud treiben, wie man es auch bei andern tropischen Bäumen, namentlich bei den Feigenarten bemerkt, nach allen Seiten senkrechte, leistenartige Auswüchse oder Stützen hervor, die dem Baume auf dem abhängigen Bodeu, deu er gewöhnlich zu seinem Standort wählt, zur größeren Befestigung dienen. So wie ;-tl«li, .^^ont««,) und andern mit starken Fasern versehenen Gewächsen verfertigt. Auch zur Kleidung benutzte der Tahitier viele der wilden einheimischen Pflanzen. Er nahm dem Pandanus seine palmartigcn Blätter und dem Hibiscus seine Rinde um daraus Matten zu flechten, und cr fand am Brodbaum sowohl 'als an dem großen und dem rauhen Feigenbaum einen netzförmigen Splint, den er, wie den des Papicrmaulbecrbaums zur Verfertigung des Tapatuchcs anwenden konnte. 171 Die Kunst des Färbcns, wozu er verschiedenartige Pflanzcnsäfte benutzte, war ihm nicht fremd, und auch dem Geruchssinn verstand er Genüsse zu bereiten, denn nicht weniger alö vierzehn Gattungen wilder Pflanzen, worunter das gelbe Sandelholz oben an stand, wurden dazu verwendet, das Cocosöl zu parfümiren, womit er, wie die alten Griechen mit dem Oel der Olive sein Haupthaar und seine Haut zu salben pflegte. Jeden Strauch, jedes Kraut seiner Flora wußte er mit seinen besonderen Namen'zu nennen und legte dadurch eine feine Beobachtung des Pflanzen-reiches an den Tag, die sogar den cultivirtesten europäischen Volkern abgeht. Wenn auch die tahitischen Gehölze an staunenswerther Ueppigkeit den brasilianischen Wäldern durchaus nicht gleichkommen — und wie wäre es auch zu erwarten, daß auf dem beschränkten Raum einer Insel jene unzählige Fülle von Pflanzenformen sich entfaltete, welche ein unermeßlicher Continent hervorbringt — so sehen wir doch schon aus der stattlichen Reihe der angeführten auf verschiedene Weife nutzbaren Gewächse, daß die Flora der Ge-scllschaftsinseln mit vollem Rechte eine reiche genannt werden kann. Aber nur wenige der einheimischen Pflanzen zeichnen sich durch die Schönheit und den Duft ihrer Blüthen vdcr durch arzneiliche Wirksamkeit aus, denn die außerordentliche Fruchtbarkeit des Bodens ertheilt dcr Vegetation einen wuchernden Charakter, so daß die Kraft des Wachsthums sich eher in der Bildung von Laub und gröberen Stoffen erschöpft, als daß sie jene feinen wirksamen Säfte, oder jene glühende Farbenpracht aromatischer Blüthen erzeugte, welchc die Flora mancher dürren wasserarmen und in anderen Beziehungen weniger begünstigten Tropcnländer auszeichnet. Derselben Ursache ist es ohne Zweifel zuzuschreiben, daß der Brodfrucht bäum und der wilde Bcrgpisang samcnlose Früchte hervorbringen, von einer mehligen und süßen Beschaffenheit, wie sie sonst nur die sorgfältigste Kultur erzielt. Von Säugethieren fanden die ersten europäischen Seefahrer nur Ratten, Schweine und Hunde auf den Gcsellschaftsinseln vor. Der tahitischr Hund, von reiner vegetabilischer Nahrung lebend und nach ^andessitte zwischen heißen Steinen gebacken, war eine köstliche Speise-, durch Vermischung mit europäischen Naccn ist aber seine ursprüngliche Güte verloren gegangen, so daß er zu diesem Zwecke ganz außer Gebrauch gekommen ist. Die Schweine sind vortrefflich, doch in der gegenwärtigen gemischten Race ist es ebenfalls unmöglich noch eine Spur oer ursprünglichen polyne- 172 fischen zu erkennen. Die zugespitzten Ohren der letzteren sind fast in allen Fällen durch die schlaff herabhängenden Ohrlappcn, das Zeichen einer lan^ gen Knechtschaft verdrängt worden. Man läßt sie im Freien herumlaufen, wo sie vom Ueberfluß der Fruchtbäume sich nähre». Wenn sie die Pflanzenkost müde sind, wandern sie nach dem Seeufer um sich dort an Schal-thieren zu ergötzen. Werden sie als lebender Proviant eingeschifft, so ist es nothwendig eine Menge reifer (^ocosnüsse als Futter für sie mitzunehmen, da sie Getreide oder das gewöhnliche Schweinefutter nicht genießen'wollen. Mit iener Nahrung versehen, halten sie aber die Rch> vortrefflich aus und sterben um selten während derselben an Krankheit. Allen später eingeführten Säugethieren legten die Tahitier die Namen ihrer einheimischen Arten bei; indem sie die größeren !»n.i!l Schwein; die kleineren ni-i Hund oder im-o Ratze nannten. So heißt der Ochse: !>u!i>'». ton» „das Schwein mit dem langen Halse", das Pferd: !'u^-!»o>'0-t'^nnn, „das Schwein, welches schnell über die Erde läuft"; dic Ziege: dull-l-nii,^, „das Schwein mit Zahnen auf dem Kopfe". Den Affen, den sie zuweilen zu sehen bekommen, »cnnen sie »11-, ivatn, „der Hund-Mensch" und die Katze: io, o-pii-lolo, „die Nahe, welche das Haus erklimmt." Die Ochsen sind eine schöne Naee, den englischen an Größe und Gestalt ähnlich, da die Stammthierc großtentheils aus Neu-Süd-Wales eingeführt wurden. Einige sind verwildert, aber die meisten werden als Hausthiele benutzt. Die Tahitier haben schon längst das Vorurtheil abgelegt, welches sie anfänglich gegen das Ochsenflcisch hegten, und genießen es mit demselben Wohlgefallen wie die Kuhmilch. Das Pferd stammt aus Süd-Amerika, wird niemals beschuht und nur zum Reiten benutzt. Die Ziegen sind zahlreich, aber die Eingcbornen haben cincn unüberwindlichen Widerwillen dagegen, wegen des starken Gcrucks, und sind nicht dazu zu bewegen das Fleisch zu genießen. Alle Versuche das Schaf auf Tahili einzubürgern sind mißlungen, da sowohl das Klima als die Weide den Gewohnheiten des Thieres widerstehen. Das Huhn, nl0<-l, welches Wallis und Cool bereits antrafen, ist noch immer das nützlichste Geflügel der Inseln. Man läßt es frei umherlaufen und es bedarf durchaus keiner Pflege. Es wird besonders zum Verkauf an die fremden Schiffe gezogen und die Gier werden zu demselben Zwecke ge- 173 sammelt. Truthühner und Enten sind eingeführt worden, aber von geringerer Bedeutung. Dagegen scheinen andere Vögel, die zur Zeit der Entdeckung gesehen wurden, verschwunden zu sein; der rothe Honigfresser lMeiitlli'oM« ooo«^»^), der sich noch auf Hawaii findet, ein grüner langschwänziger Papagei und eine blaue Taube, die aber vielleicht noch im verborgenen Innern leben. Das hübsche blaue ovn-oeeiia,-:«, tulißinu^), den gefleckten Eisvogel s^iecäo rncüs) und Seeschwalbcn (8l0rna 5n,5), dosier (0«t,-lww,>), Papagei fische (8(n,'U5), fliegende Fische, Feilfische »<^) :e., also wie man sieht eine ganz andere geflößte Welt als diejenige, welche unsere Gewässer belebt. Saugfische von über eine» Fuß Länge werden nicht selten im Meere außer^ halb der Riffe angetroffen. Sie sind also bedeutend größer als die berühmte Remora des Mittelmeeres, von der, wie von allen merkwürdig geformten Thieren so viel gefabelt worden ist. Die Haie gehdren meistens zm braunen oder weißen Art (s^u-Uu« cai-clin-rin»), welche überall auf dem tropischen Ocean angetroffen wird. Sie besitzen die ganze Gefräßigkeit ihrer Gattung, werden aber sellen länger als 8 Fuß. Das Fleisch wird von den Insulanern,gegessen, und die Leber gilt als ein besonderer Leckerbissen. Der Teufelsrochen oder Seeteufel kommt ebenfalls bei den Gescllschafts-inseln vor. Dieses Scheusal lebt truppweise, schwimmt mit Schnelligkeit und kommt häufig zur Oberfläche, wo sein schwarzer Rücken den Anblick eines flachen Felsenriffs gewährt. Er wird 1!? biö 15 Fuß breit und Vesson erhielt von einem Fischer auf Borabora einen Schwanz dieses Thieres, der 175 5 Fuß lang war. Die Insulaner fangen den Teufelsrochen mit Harpunen, und bedienen sich seiner rauhen Haut zum feilen/ Unter den zahlreichen kleinen Fischen von glänzenden Farben uno seit samen Formen, welche die Nisse umschwärmen, zeichnet sich die blutrothe, schwarz gestreifte Scorpäne (8e«ipnenli ilmem^tli) ans, die durch ihre zahl-reichen landen Stacheln weit eher einem Seeigel als einem Fische gleicbt. Obgleich Schildkröten auf diesen Ufern nicht brüten, so findet man sie doch oft in den benachbarten Gewässern, auch kommen sie nicht selten in die Lagunen geschwommen. Keine Schlange lebt im Schatten der Wälder, dagegen rafchcln kleine Eidechsen im abgefallenen Laube und ein großer gelbgefleckter Gecko läuft schnell an den Wanden der Hütten herum und reinigt die Dächer von Insekten. Unter den zahlreichen (5rustaeeen ist einc Hyaö demerkenswerth, die, um ihre Beute mit größerer Sicherheit zu überlisten, sich mit Corallensand, Schlamm und abgestorbenen vegetabilischen Snbstanzen bedeckt. Zu diesem Zwecke ist die ganze Oberfläche des Schildes und der Beine mit steifen gekrümmten Borsten oder Stacheln versehen, welche die fremde Decke festhalten, während die auf langen Stielen sitzenden Augen darüber hinwegschauen. Nehnliche Kriegslisten werden bekanntlich von manchen andern Thieren niederer Ordnung verübt. So bedecken sich einige Kreiselschnecken (1'lio,-u5 i^lutiillul?') mit kleinen Steinchen, um sich das täuschende Ansehen einer leblosen Masse zu geben -, eine europäische Seespinne (M»o,-oiioäia tul.ci-oulat-l) weis; sich, wenn sie beunruhigt wird, so gut zu verstellen und alle Füße so trefflich unter ihren» breiten Schilde zu verbergen, daß sie mitunter von Sammlern als ein seltsamer Stein in die Tasche gesteckt wird, später aber zur großen Verwunderung des Besitzers rnlweicht. Viele Arten von Einsiedlerkrebsen bewohnen die Nisse, deren größte ihren sonst schutzlosen Schwanz in das GeHänse einer Kreiselmuschel N xii.u sow^) steckt. Diese Krebse, die aus eine so merkwürdige Weise die Ergänzung ihres Daseins in einer ganz an-dern Thierklasse finden, wissen ihr Haus jedesmal so gut zu wählen, daß wenn sie sich in dasselbe zurückziehen, ihre größte Scheere die Oessnung der 170 Muschel so genau verschlißt, wie der Fußdeclel des ursprünglichen Besitzers und Erbauers es nur zu thnn vermochte. Der feuchte Küstensaum ist überall von kreisrunden Lochern durchbohrt, die von einer kleinen schwarzen Landtrabbe (^el^Imu« Oupsrro^l) bewohnt werden, während andere ^andkrabben weiter im Inneren sich in die Eide eingraben und den Zuckerpflanzungen sehr schaden. Es ist merkwürdig genug, daß eine Krabbe auf diese Weise dem Wachsthum einer qrojzen Grasart hinderlich wird. Unter den vielen Seeigeln, die auf den Rissen vorkommen, gibt es einige die dadurch ausgezeichnet sind, daß sie sich ihrer Stacheln sowohl zum Angriff als zur Vertheidigung belienen. Wenn die Hand sich ihnen nähert, rütteln sie ihre Stacheln ungefähr auf dieselbe Weise wie e und Farbenpracht, als diejenigen, die man am Strande der Nordsee sammelt, oder an unsern Küsten mit dem Schleppsacl vom Meeresboden abkratzt. Sie gehören gro'ßtenthcils zu den Geschlechtern (^n-iloil, I'm^mnl, Klin-s,, (X'i-itlinnn, (^uini^, I'wl-ocvi'il, OÜV!,, 5lvit'i!x, die in den Sammlungen der Conchylicnliebhaber eine so bedeutende Rolle spielen, zum Theil aber auch dcn bei uns einheimischen Gattungen ^ili-clim», iVl^a, Oklmm und '1',11'lw. Manche gewähren dcn Insulanern eine angenehme Speise, doch in den Angen res gewinnsüchtigen Europäers kommt keine der Pcrlmnttermuschel gleich. Die gewöhnlichen Insektenplagen der Tropenwrlt, welche früher den Tahitiern, fast unbekannt waren, sollen in der letzten Zeit bedeutend zugenommen haben, unter andern die Schaben, deren Einführung die meisten polynesischen Inseln den fremden Schiffen verdanken. Myriaden von Haus-flirgen belästigen die Wohnungen, und obgleich die Mvsauitos sich weniger 177 in dm Dorfern zeigen, so erfüllen doch ihre unzähligen Schwärme das feuchte Dickicht, und führen sogleich einen blutigen Krieg gegen einen Jeden, der luhn genug ist sich in ihr wildes struppiges Gebiet hineinzuwagen. Fünfzehntes Kapitel. Die T a h i t i r r. Ihr vorthcilhafles Aussehen. — Schmuck. - Das Tättowircn. — Beschreibung der Operation. — Kleidung. — Verfertigung des Tapatuches. — Kunstfertigkeit im Färben desselben. — Zierliche Matten und Körbe. — Angelschnüre und Netze, — Angeln aus Perlmutter. — Hüttenbau. - Gemeindehäuser. — Eigenthümliche Kopfunterlagen. — Die Iris oder Stühle. — Die Umetis oder Scküsseln. — Der Papahia. — Der Pcnu. — Das Fata. — Nahrung der Tahitier. — Musikalische Instrumente. — Gesänge. — Wcttkämpfe. — Ringen. — Faustkampf. — Tänze. — Das Schwimmen in dcr Brandung. — Meisterschaft im Vootbau. — Verschiedenartige Canots. — Gräßlicher Schissbruch. — Schiffahrtskunde der Tahitier. — Regierungsform. — Rangordnungen. — Göttliche Ehren, die dem Könige erwiesen wurden. — Huldigungs-scier. — Menschenopfer. — Mythologie. — Oro der Kriegtjgott. — Hiro der Meergott. — Die Tiis. ^ Die Götzenbilder und deren rothe Schmuckfedern. — Größe ver Tempel. — Zauberei. — Beschwörungen. — Orakel. — Begriffe vom künftigen Leben. — Begräbnisse. — Allzugünsiiges Urtheil Förster's über die Tahiti«, — Krau-same Krirgeführung. — Menschenopfer. — Schlachten. — Die Nautis. — Gesell« schaft der Nreois. -^ Kinbermord. — Lockerheit des Ghebündnisses. ^>-!l, die aus einem einfachen Gliede eines großen Bambus bestand, durch welches eine lauge Oessnung von einem Knoten zum andern geschlitzt wurde. Man legte es vlatt auf die Erde und schlug darauf mit Stöcken, welche einen rauhen unharmonischen Ton hervorbrachten. Das angenehmste tahitische Instrument war die Flöte, die aber nicht mit dem Munde sondern mit der Nase geblasen wurde. Sie war gewöhnlich aus Bambusrohr verfertigt, und 12 oder 13 Zoll lang. Die Qcffnung, durch welche geblasen wurde, war nah am Ende; die Flöte hatte selten mehr als vier Löcher, drei oben für die Finger und daß vierte unten für den Daumen. Der Virtuose drückte gewöhnlich den Daumen der rechten Hand auf das rechte Nasenloch', brachte die Ondoffnung der Flöte, die er mit den Fingern derselben Hand hielt an das linke, und lockte die angenehmen sanften Töne des Instruments hervor, indem er mit der linten Hand auf den Lochern spielte. Die Gesänge waren meistens historische Palladen, dem Ruhm. del Götter oder der Thaten ausgezeichneter Heroen gewidmet, manchmal aber auch verwerflicheren Inhalts. Die Erinnerungen vergangener Zeiten lebten auf diese Weise im Gedächtniß des Volkes fort, welches in Ermangelung geschriebener Annalen lein anderes Mittel besaß, die wechselnden Schicksale der Vorväter der Vergessenheit zu entreißen; auch wurden Streitigkeiten manchmal durch das Zeugniß dieser Urkunden entschieden. Das linlpiti oder Ona war ein Fest, zu welchem taufende beiderlei Geschlechts in ihrem besten Ornate zusammen kamen, um dem Schauspiel verschiedener Wettkämpfe beizuwohnen. Unter diesen war das Ringen der beliebteste. Oft forderten die Kämpfer eines Distrikts die eines andern heraus, oder besonders berühmte Ringer traten auch wohl gegen ihres gleichen auf. Während drs Kampfes herrschte die ununterbrochenste Stille und Auf- 188 merlsamteit, doch augenblicklich änderte sich die Scene, so wie cinel der Ringer geworfen wurde; denn kaum war der Ucberwundene auf den Sand gestreckt, als die Freunde des Siegers ein lautes Triumphgeschrei erhoben. Furchtbar dröhnten und rasselten ihre Hörner und Trommeln, und die frohlockenden Weiber tanzten über den Gefallenen und sangen Lieder der entgegengesetzten Partei zum Höhne. Diese jedoch blieb auch nicht ruhig, sondern machte einen eben so betäubenden Lärm um die Gegner in ihrem Triumph zu stören. Man denke sich einige tausend Menschen unter dem Einfluß der größten Aufregung, alle durch einander trommelnd, tanzend, singend, die einen die Großthaten des Siegers bis zum Himmel erhebend, die andern seine baldige Niederlage verkündend! Doch so groß der Tumult auch sein mochte, hörte er augenblicklich auf, so wie zwei neue Ringer hervortraten oder der Sieger in einen neuen Kampf sich einlief um nach dessen Entscheidung wiederum mit derselben Furchtbarkeit loszubrechen. Wenn man bedenkt, wie lebhaft überhaupt die Polynesier im Ausdruck ihrer Gefühle sind, so daß wenn Freunde oder Verwandte nach langer Trennung sich wiedersehen, sie in lautes Weinen ausbrechen, wird man sich vielleicht einen Begriff vom wilden Getümmel der eben beschriebenen Scene machen tonnen. Auch die Frauen nalfmcn zuweilen an diesen Kämpfen Theil, und rangen mit den Männern um die Ehre des Sieges. Bei allen großen öffentlichen Feierlichkeiten folgte der Faustkampf auf das Ringen, wurde jedoch meistentheils nur von der niedrigsten Volksklasse ausgeübt. Anmuthiger war das Wettfußrennen, zu welchem die Theilnchmer mit gesalbtem Körper, festgeschürztem Maro,und einer Blumenkrone um das Haupt sich stellten. Auch Regatten oder Wettbootfahrten auf den ruhigen Wassern der Lagune waren ein sehr beliebtes Vergnügen. Zu dcn eigentlichen kriegerischen Spielen gehörten das Steinschleudern und das Speerwerfen. Im ersteren übertrafen die Tahitier die meisten poly-nesischen Volker, in letzterem scheinen sie es nicht zur Fertigkeit der Hawaiier gebracht zu haben. Die Tänze waren mannigfaltig, fanden gewöhnlich in den großen Gemeindehäusern statt, dauerten oft vom Abend bis zur folgenden Morgendämmerung, und obgleich sie gewöhnlich dcn Charakter einer religiösen Feier hatten, stimmten sie manchmal sehr wenig mit unsern Aiv standsbegriffen überein. Auch das Schießen mit dem Bogen gehörte zu den 189 heiligen Spielen, und diente nur zum Vergnügen, nicht in der Schlacht. Wer den schön gefärbten und polirten Pfeil am weitesten schnellte, trug den Sieg davon, und es wurde durchaus nicht versucht, irgend ein Ziel zu treffen. Zu den ältesten und allgemeinsten tahitischen Spielen gehörten auch die Hahnenlampfe, die nach den Vollstraditionen schon von den ersten Einwanderern herstammten. Wetten fanden dabei nicht statt, die Freude über den Sieg seines Vogels war schon hinreichend das volle Interesse des Eigenthümers ohne alle Nebenabsichten in Anspruch zu nehmen. Bei der halbamphibischen Natur der Tahitier wird man sich nicht wundern, daß das Meer ihnen eine ewige Quelle des Vergnügens eröffnete. So war es einer ihrer beliebtesten Zeitvertreibe in der Brandung zu schwimmen. Gewohnlich wurden die Oeffnuugcn in den Riffen dazu gewählt oder die Mündungen der Buchten, wo die langen schweren Wogen des Oceans in un-gebrochener Majestät hcranrollen. Sie benutzten dabei ein Brett, mit welchem sie oft ziemlich weit in's Meer hinaus schwammen, warteten dann das Anschwellen der Woge ab, und so wie sie von derselben erreicht wurden, ritten sie, die Brust an das kurze, flache, zugespitzte Brett anlehnend, auf dem Kamm der Wellen nach dem Ufer hin. So wie sic diesem nahe kamen, glitten sie vom Brette ab, welches sie mit der Hand erfaßten, und ließen die Welle dann weiter über ihre Kopfe weggehen. Zuweilen wurden sie dabei auf den Strand oder zwischen die Felsen an den Kanten der Riffe geworfen, doch waren sie so sehr mit dem Wasser vertraut, daß höchst selten ein Unglücksfall dabei statt fand. Wer die Wellen am Ufer der Nordsee sich hat brechen sehen, wird zugeben, daß tein Europäer so leicht ihnen das Kunststück nachmachen konnte! Oft sah Ellis am Rande des Nisid, welches die Grenzlinie deß Hafens von Fare auf der Insel Huaheine bildet, wohl hundert Personen zugleich, von iedcm Alter wie Tümmler in der rollenden Brandung spielen, zuweilen auf der Spitze der Welle reitend und in Schaum fast eingehüllt, und dann wiede» unter die Wassermassen tauchend, die sich bergartig über sie hinwälzten, frohlockend und sich gegenseitig nmunttrnd, so dah ihr jubelndes Geschrei fast das Brüllen der Wogen übertonte. Hier wie auf den Sandwich Inseln kam es zuweilen vor, daß das Vergnügen durch die Annäherung eines Haifisches gestört wurde, der unter der frohlockenden Menge sich ein unglückliches Opfer aussuchte. 190 An Stellen wo das Meer nahe am Ufer eine größere Tiefe hatte, wurde eine Art Gerüste errichtet, von welchem die Kinder in die See sprangen nm sich dann tauchend nnd schwimmend zu verfolgen. Durch diese beständigen Uebungen vom zartesten Alter an, wurde jene Meisterschaft erlangt, welche die Bewunderung der europäischen Seefahrer erregte. Die Kunstfertigkeit der Tahitier und anderer polynesischen Dotter im Bau ihrer Kähne war um so erstaunlicher, wenn man bedenkt, daß eine kleine steinerne Art, die fast jede Minute wieder geschärft werden mußte, ein liw-cherner Meissel, eine Raspel aus Korallen nnd eine Nochenhaut zum Feilen und Polircn ihre einzigen Werkzeuge dabei waren. Am meisten Mühe macbte ihnen das Fällen der Bäume, welches die Arbeit vieler Hände nnd mehrerer Tage erforderte, und da sie nicht die Kunst besaßen das Holz mit Hülfe des Feuers zu biegen, mußten alle Theile des Bootes, sowohl die krummen und ausgehöhlten als die flachen mit der Hand geformt werden. Erwägt man alle diese Umstände, so war gewiß der Bau einer ihrer größeren Pirogen ciu nicht minder großes Werk als der eines Linienschiffes mit Hülfe unserer voll kommenen Werkzeuge. Die Kriegscanots waren bei weitem die größten, und Cook beschreibt deren, welche die unqeheure Länge von 108 Fuß hatten, obgleich das gewöhnliche Maas s,0bis70Fuß nicht übertraf. Das Vorder- nnd das Hintertheil ragten weit über die Mitte hervor, besonders letzteres, Welches zuweilen einen 17 oder 18 Fuß hohen Schnabel bildete. Diese Boote gingen niemals einzeln zur See, sondern stets paarweise, indem sie Seite an Seite, jedoch mit einem Zwischenraum von einer Elle, durch starke Stangen fest verbunden waren. Auf diesen erhob sich ein 6 Fnß hohes Gerüste, auf welchem die mit Speeren und Schleudern bewaffneten Krieger standen, darunter saßen die Ruderer, welche die Verwundeten von oben empfingen und durch frische Streit-kräftc aus ihrer Mitte ersetzten. Eine Flotte solcher Schiffe mit geschnitzten Figuren verziert, mit wehenden Flaggen und Wimpeln und den faltigen Gewändern der Krieger bot einen malerischen Anblick dar: so ungefähr mochten die Fahrzengc ausgesehen haben, in welchen die Argonauten segelten oder die homerischen Hellen nach dem bedrohten Troja fuhren. Die Könige und vornehmen Häuptlinge hatten besondere Doppelboote zum Reisen, welche niedliche kleine Hütten trugen, nnter deren Dach von Palmenblättern der edle Besitzer und seine Freunde Schutz gegen die Sonnen- 191 strahlen oder dm nächtlichen Thau fanden. Je hoher der Rang, desto reicher war die Verzierung und desto größer die Anzahl der Ruderer. Der gemeine Mann bediente sich nur einfacher (?anots, welche ohne Ausnahme mit einem Ausleger znr Erhaltung des Gleichgewichts versehen und außerordentlich leicht waren. Ein jedes Canot hatte nur ein dreieckiges Segel und zu unterst am Mastbaum ragte ein Brett aus jeder Seite über den Bord hinaus. Wenn sie nahe am Winde segelten, so betrat einer das Brett, welches nach dem Winde hinstand, so daß es aussah als ob jede Undulation des Meeres ihn von seinem scheinbar unsicheren Standpunkte in die Fluchen schleudern müßte. Zu längeren Reisen wurden die einfachen Canots für die sichersten gehalten, da die Doppelpirogen zuweilen im Sturme auseinandergerissen und dann ganz unlenlsam wurden. Wenn ein Canot umwarf sprang die Mannschaft in's Meer und drückte mit vereinten Kräften anf das eine Ende, so daß das andere sich hoch über die See erhob, wodurch eine große Menge des Wassers entleert wurde. Dann ließen sie plötzlich das Boot wieder fahren, welches auf diese Weise zum Theil entlastet auf'Z Meer zurückfiel. An oen Seiten schwimmend, schöpften sie dann den Rest deß Wassers heraus, kletterten wieder hinein und setzten ihre Reise fort. Am meisten wurden bei solchen Unfällen die Angriffe der Haie gefürchtet, die zuweilen unter den Schiffbrüchigen arge Verwüstungen zu Wege brachten. So erzählt Ellis, daß einst ungefähr 30 Personen, die in einer großen Doppetpiroge von einer Insel zur andern fuhren, von einem schrecklichen Sturm überfallen wurden, der die Canots auseinander riß und von den horizontalen Sparren trennte, durch welche sie verbunden waren. Alle Bemühungen scheiterten die Boote wieder aufzurichten, und es blieb nichts anders übrig, als die zerstreuten Sparren und Planken zu sammeln und ein Floß zu verfertigen, auf welchem man hoffen konnte, von der Strömung an's Land getrieben zn werden. Das Gewicht so vieler Leute drückte schwer auf das Floß, welches so tief unter der Meeresoberfläche sank, daß sie bis über die Kniee im Wasser standen. Sie wurdetz nur sehr langsam fortgetrieben und bald durch Hunger und Ermüdung erschöpft. Zu dieser furcht baren Lage gesellte sich nun noch das gräßliche Mißgeschick von einer Anzahl Haie überfallen zu werden. Ohne Messer oder andere Vercheidigungsmittel wurden sie eine leichte Beute der gefräßigen Ungeheuer. Einer nach dem 192 andern würd» ergriffen und verzehrt, und die Ucberlebendcn, die in der schrecklichsten Angst ihre unglücklichen Gefährten von ihrer Seite gerissen sahen, erwarteten jeden Augenblick die scharfen Zähne der Haie zu fühlen, bis endlich nur noch zwei oder drei übrig blieben. Aber das Floß vom gröhlen Theil seiner Last befreit, erhob sich nun bis zur Oberfläche des Wassers und brachte sie außer dem Bereich jener erbarmungslosen Mecrestyrannen. Die Neisc ging nur von einer der Gesellschaftsinseln zur andern, so daß sie nicht fern vom Lande waren. Die Fluth und die Strömung trieben sie an's Ufer, wo sie das traurige Schicksal ihrer Unglücksgefährten erzählten. Die Seetüchtigkeit der polynesischen Pirogen war um so merkwürdiger, da weder Nägel noch Bolzen den leichten Bau zusammenhielten, sondern die Planten, woraus er bestand, nur durch Stränge aus Cocosbast mit einander verbunden wurden. Dieses geschah aber mit solcher Oeschicklichkrit, daß sie weiter keines Kalfatems bedurften. In Bezug auf die SchifsfahrtMlndc der Tahitier bemerkt Cook, daß sie im Stande waren den bevorstehenden Windwrchsrl mit viel größerer Sicherheit als die Europäer vorher zu sagen, denn so wie der Indianer im Urwalde viele Zeichen der Natur zu deuten versteht, die unsern gröberen Sinnen entgehen, war auch der meerkundige Polynesier mit einem feineren Gefühl für die ewig veränderlichen Launen der Atmosphäre und des Oceans begabt. Auf längeren Reisen steuerten sie bei Tage nach der Sonne, bei Nacht nach den Sternen, denen sie besondere Namen gaben. Sie wußten an welchem Theil des Himmels jene leuchtenden Welten in jedem der Monate, wo sie über ihrem Horizont sichtbar waren, aufsteigen würden, sie wußten auch die Zeit ihres jährlichen Erscheinens und Verschwindens mit größerer Genauigkeit anzugeben als mancher europäische Astronom es glauben würde. Die Negierungtzform in den Gesellschaftsinseln war despotisch monarchisch, und eng mit dem herrschenden Religionssystem verwebt. Der Gott und der König theilten sich in die Herrschaft über die Masse der Menschen. Die Genealogie der fürstlichen Familien ließ sich gewöhnlich bis zu den dunkelsten Zeitaltern ihrer sagenhaften Geschichte zurückführen, und auf einigen Inseln leiteten die Könige ihre Herkunft in gerader Linie von den Göttern her. Es gab drei verschiedene Rangordnungen: die der Ariis, zu welcher die königliche Familie und der Adel gehörten, der Raatiras oder kleineren Land- 193 eigcnthümer und Pächter, und der Manahunes, zu welcher die niederen Stände gehörten. Ein hockst merkwürdiger Gebrauch, den wir bereits auf Mangareva haben kennen lernen, war die Abdankung des Herrschers, so wie ihm der erste Sohn einer ebenbürtigen Gemahlin geboren wurde. Der Herold der Nation wurde dann rings um die Insel mit dem Banner des jungen Königs gesandt, um dessen Namen in jedem Kreise auszurufen. Ließ man den Voten ungehindert weiter ziehen, so wurde es als eine Anerkennung der Nachfolge von Seiten der Raatiras und Häuptlinge, widrigen Falls als eine Empörung und Kriegserklärung angcsehrn. Die ganze vollziehende Gewalt blieb.jedoch in den Händen des Vaters, drr sie aber nur noch als Regent bis zur Volljährigkeit seines Sohnes ausübte, und ricsem dieselben Huldigungen darbrachte, die er früher selbst vom Volke empfangen hatte. Diese seltsame Sitte erstreckte sich sogar auf die Häuptlinge und Naa< tiras, da in beiden Klaffen der älteste Sohn sogleich nach der Geburt die Titel erhielt und Ehrenbezeuguugen empfing, die früher dem Vater dargebracht wurden. Ihr Grund mag vielleicht darin gelegen haben, dem Sohne frühzeitig ein unangefochtenes Erbe zu sichern. Nach dem König hatte die Königin den höchsten Rang, und konnte auch das Herrscheramt übernehmen. Beiden wurden fast götllichc Ehren cnvicscn. Die Kleider, welche sie trugen, die Häuser, welche sie bewohnten, die ^anots, in welchen sie reisten, wurden zu heiligen Gegenständen, und sogar die Sprachlaute, welche ihre Namen zusammensetzten, durften nicht mehr zu gewöhnlichen Benennungen benutzt werden, so daß die ursprünglichen Namen der gebräuchlichsten Dinge von Zeit zu Zeit bedeutende Veränderungen erlitten. Keiner vom Volke durste die heilige Person des Königs berühren, nnd wer über ihm gestanden oder seinen Schatten über dessen Pfad geworfen hätte, würde sein Majestäts-veibrechen mit dem Tode haben büßen müssen. Defsenllich erschien das königliche Paar stets auf den Schultern von Männern getragen, deren ehrenvolles Amt sie von jeder andern Arbeit befreite. Das. Reisen auf diese Weise ging in vollem Trabe vor sich, so daß über eine deutsche Meile in der Stunde zurückgelegt wurde. Andere Träger zum Ablösen der Ermüdeten liefen nebst einem ansehnlichen Gefolge neben- Hartn'lss, vie ^nscl» v?<> glasten Oco.iüö. ^H 194 her. Beim Wechseln der Lastträger, welches mit weniger Zeitverlust als das unserer Postpferde vor sich ging, setzte das königliche Paar niemals dm Fuß auf die Erde, sondern sprang über die gebückten Kopfe der erschöpften auf die Schultern der neuen Träger, die sogleich mit kräftigem Lauf die Reise weiter fortsetzten. So wie der König erschien mußte ein jeder die oberen Kleider bis zum Gürtel abstreifen, und dieselbe Ehrenbezeugung fand auch beim Vorübergehen vor seinen Wohnungen so wie vor den Tempeln der Götter statt, denn beide wurden als geheiligte Räume angesehen. Die Huldigungsfeier, der Krönungsceremonie bei den europäischen Nationen entsprechend, bestand im Umgürten des Königs mit dem Maro Ura oder dem heiligen Gürtel, wodurch er den Göttern gleich wurde. Diesen Gürtel verfertigte man aus den Fasern des Taumelpfeffers, und verwebte dazwischen eine Menge rother Federn, die man den Götzenbildern entlehnte. Um die Götter günstig zu stimmen, wurde ein menschliches Opfer beim Weben des Maro geschlachtet, und ein zweite?, sowie er vollendet war. Ein drittes wurde am Morgen des Huldigungstages gctödtet, während der König sein Bad nahm. . Die Theilnehmer an der Ceremonie versammelten sich im Marai oder Tempel des Oro, des Schutzgoltes der Nation. Von hieraus setzte sich der feierliche Zug in Bewegung, das Götzenbild voran, der König unmittelbar dahinter. Dann folgte die großc Sitzbank des Oro von vier Häuptlingen getragen, und endlich die gesammte Priesterschaft im höchsten Staat und mit Trommeln und Muschelhörnern einen heillosen Lärm anschlagend. So ging's nach dem Ufer hin wo eine Flotte von Pirogen in Bereitschaft stand, unter welchen das heilige Canot des Oro durch den Reichthum seiner Verzierungen sich auszeichnete. Das Götzenbild wurde nun an Bord getragen, von den Priestern und der Musik gefolgt, während der König am Ufer auf dem hei ligen Stuhl des Oro sitzen blieb. Um ihn schaarten sich die Häuptlinge, so wie die Priester um den Gott, bis endlich auf ein gegebenes Zeichen der König aufstand und zum Baden in's Meer stieg. Hierauf trat auch der Hohepriester des Maro in's Wasser, um den Nucken des Königs mit einem Zweige des heiligen Mero Baumes zu schlagen, der in der Umzäunung des Tempels wuchs, und ihn dadurch von allen Sünden und Flecken zu reinigen. War dieses geschehen, so bestiegen beide das heilige Boot, wo vor dem grimmigen Götzenbilde der König unter dem lauten Zuruf der am Ufer und auf 195 den Schiffen versammelten Menge und dem kräftigsten Fortissimo aller Instrumente mit dem heiligen Marv, drm Zeichen der Majestät und der Herrschaft umgürtet wurde. Gewisse Distrikte bildeten die Prioatdomänen der königlichen Familie, den einzigen Theil der Insel, wo der König den Fuß auf die Erde setzen durfte. Der Ertrag diefer Ländereicn reichte selten für den Unterhalt des königlichen Hauses aus -, und so mußte was an Schweinen, Brodfrüchten und Tuch noch fehlen mochte von den Häuptlinge« und Naatiras nach altcm Herkommen geliefert werdcn. Trotz der gottlichen Ehren, welche dem Könige erwiesen wurden, war seine Macht durch dic der Häuptlinge und Raaliras doch sehr beschränkt, so daß er nichts bedeutendes vornehmen konnte ohne erst ihre Zustimmung zu erhalten. Jeder Häuptling oder Raatira war unumschränkter Herrscher auf seinem Gebiet, obgleich alle die Oberhoheit des Königs anerkannten. Wegen Hochvcrraths oder Empörung konnte ein Häuptling verbannt oder dessen Vermögen eingezogen werden, doch war es dem Könige, dem das Recht zustand oic Nachfolger des Verbannten zu ernennen, durchauL nicht gestaltet mit »essen Ländercicn seine eigenen Domänen zu erweitern. Da er keine beständige bewaffnete Macht außer etwa seine eigenen Vasallen zu seiner Verfügung hatte, war er nicht im Stande seinen Willen in allen Fällen durchzusetzen, so dasi mitunter, wenn er das Verbannungsurtheil über einen widerspenstigen Äaatira ausgesprochen hatte, und die anderen Raatiras diese Maßregel nicht billigten, der Vcrurtheiltr ohne sich ferner darum zu bekümmern ruhig im Besitz feiner Ländereien blieb: ein Zustand, der lebhaft au die feudalen Zustände des europäischen MittclalterZ erinnert, wo die mächtigen Barone dem Könige nur in so weit gehorchten, als es mit ihrem eigenen Interesse übereinstimmte. Da ich voraussetzen darf, daß der Leser durchaus keine Lust haben wird mir in alle Irrgänge der polynesischcn Mythologie zu folgen, werde ich mich mit einigen kurzen Bemerkungen begnügen. Sowic sich bei den allen Griechen eine unsichtbare Gbtlerwelt hinter den sichtbaren Erscheinungen der Natur vcrbarg, hatte auch die blühende Phantasie der Tahitier den Himmel und die Erde, den Ocean und die Berge mit einem mächtigen Gcisterhccr bevölkert. Sie erkannten dessen Gegenwart und Walten in der aufgehenden Sonne, dem milden Mondlicht, rer vergäng- 13* 19<> lichen Flamme des Meteors, dem Geheul des Sturms, der brüllenden Pran^ dung und dem Säuseln des Abcndwindes. Der Gipfel des Beiges, die flok-tigcn Dunste, die an dessen Seite sich ablagein, der schäumende Wasselfall, die einsame Schlucht waren die Wohnsitze jener unsichtbaren Wesen. Eo velbreitete sich ein poetischer Reiz über die schönen Inseln, und die Schöpfungen der EinbildunaMaft crhöbten noch den romantischen Zauber der Natur. Vor allen geehrt und gefürchtet war Oro der mäcbtige Schutzgeist del Hauptinsel Tahiti und Eimeo's, ein Sohn Taaroa's des von der Nacht ge° bornen Vaters der Götter — denn auch hier wie bei den Griechen ging alles aus einem Urzustände der Dunkelheit hervor. ssinc große Rolle in den Volkslegenden spielte auch der Seegott Hiro. Einst wurde dieser mächtige Mecrgeist in den tiefsten Abgründen des pecans von den dort hausenden Ungeheuern eingeschläfert, wahrend der Gott dev Winde einen furchtbaren Sturm erhob um ein Schiff zu zertrümmern, in welchem die Freunde des Schlummernden reisten. Ihr Untergang schien unvermeidlich — sie flehten ihren Gönner um Hülfe an — ein freundlicher Geist drang in dieMcereshöhle wo erder Ruhe pflegte, erwccttc ihn aus seinem Schlum-mer und benachrichtigte ihn von der Gefahr worin seine Anhänger schwebten. Sogleich stieg er an die Oberfläche der Gewässer, vertrieb durch sein Erscheinen den schwächeren Stmmgott und die geretteten Freunde erreichten glücklich den Hafen. Jeder Distrikt, jeder Stand hatte seinen besonderen Gott, und es gab kcinc vornehme Familie, die nicht ihren eigenen Schutzpatron oder ^t>>n gehabt hätte. Zwischen den Göttern und den Menschen standen die tii^, die in der Welt der Nacht sich aufhielten und von den Zauberern zum Verderben der Menschen heraufbeschworen wurden. Zu dieser Classe gehörten auch die oi^ni.-ltu^« odcr Geister dcr abgeschiedenen Verwandten, deren man aber nicht in Liebe gedachte, sondern wclck'e als Dämonen gefürchtet wurden, deren bösen Willen man durch Opfer zu beschwichtigen suchte. So wiederholte sich auch auf Tahiti die Erscheinung, daß der Mensch nicht zufrieden mit den wirklichen Uebeln des Daseins, zur Trübung des Lebensgenusses auch noch die Schreckbilder der Phantasie herbeiruft. Die meisten Götter waren ebenfalls rachsüchtige, stolze, jähzornige Wesen, welche die geringste Vernachlässigung ihres Dienstes mit schweren Strafen 197 rächten, doch gab es einige von wohlwollender Natur, deren Hülfe man zur Vertreibung der bösen Geister in Anspruch nahm. Die ^waü und ^,'iil-, obgleich unsichtbare, untörperliche Wesen, wurden unter der Form von Götzenbildern verehrt — grobgcschnitzte Figuren oder rohe Holzblöcke mit rochen Federn geschmückt. Der Gott näherte sich gewöhnlich seinem Tempel unter der Gestalt eines Vogels, dessen Leib er alsdann verließ um in das Bild zu fahren, durch dessen Vermittlung er mit dem Priester in Verbindung trat. Für die rothen Federn des Uolitln-^.tLü vostlarui« sollten die Götter eine besondere Vorliebe haben, sie gehörten zu den tastbarsten Geschenken, die man ihnen machen konnte, die göttliche Kraft ließ sich ihnen mittheilen und wurde durch sie auch auf die Gegenstände ausgedehnt, -welchen man sie anheftete. Sie boten daher ein bequemes Mittel zur Vervielfältigung der Hausgötter dar, da die rothen Federn, welche das Volk den Priestern brachte, von diesen in die ausgehöhlten Götzenbilder gestopft wurden, um später von der göttlichen Essenz durchdrungeu wiedex unter die Gläubigen vertheilt zu werden — eine Mühe, welche natürlich jenen Herren manches Schwein uud manche Brodfrucht eintrug. Die auf solche Weise geheiligten Federn wurden in kleine Bambusrohren gesteckt, und herausgenommen, wenn man sie anbeten wollte. Ging es dem Besitzer gnt, so wurde sein Glück ihrem Einfluß zugeschrieben und sie erhielten die Ehre einem Götzenbilde angeklebt oder vielleicht sogar auf einem kleinen Hausalter aufgestellt zu werden. Das neue Bild mußte jedoch erst nach dem großen Tempel gebracht werden, wobei wiederum Geschenke nicht fehlen durften. Die Ralionaltcmpel oder Marais hatten einen bedeutenden Umfang und waren von hohen steinernen Mauern eingefaßt. Dem Eingänge gegenüber erhob sich ein massiver pyramidenförmiger Bau. anf welchem die Götzenbilder und Altäre standen, und der nicht selten eine erstaunliche Größe hatte. Die Pyramide, welche eine Seite des Vierecks des großen Tempels in Atehuru bildete, war an der Basis 270 Fuß lang und 94 breit. Ihre Höhe betrug 50 Fuß und treppenartige Terrassen führten zur 180 Fuß langen und 6 Fuß breiten öderen Platte. Die änßeren Steine der Pyramide aus Korallen und Basalt waren mit der größten Sorgfalt und unendlicher Arbeit ausgehauen, besonders die Ecksteine. Ein solcher Bau muß um so bewunderungswürdiger 198 erscheinen, wenn man die geringe Bevölkerung der Insel, sowie den Mangel an mechanischen Hülfsmitteln bedenkt. Ruinen solcher Tempel werden überall gefunden, aus Hügeln, auf der Spitze von Landzungen oder in der Einsamkeit eines schattenreichen Haines, Die innerhalb der Mauern und um den Tempel wachsenden Bäume waren heilig. Außer den hohen cypressenähnlichen Kasuarinen bestanden sie gewöhnlich aus Tamanus, Thesvesien und Cordten, drrcn schattenreiches Laub durck sein ernstes Dunkel einen auffallenden Gegensatz zur lichten Helligkeit des tropischen Tages bildete. Die fantastischen Krümmungen der Stämme und gewundenen Zweige der alten Bäume; der klagende ächzende Laut des Windes, der, indem er die Blatter der ssasuarinen durchsäuselte, die feierlichen Tone der äolischrn Harfe nachalMe, so wie die dunkeln Mauern des Tempels mit den scheußlichen fratzenhaften Formen der Idole, vereinten sich einen heiligen Schauer einzuflößen, und nährten die tief eingewurzelten Gefühle der Furcht, die der Tahitier vor scinen blutdürstigen Gottheiten hegte. Diesen wurden nicht nnr die Früchte der Erde, die Thiere d»,'s Feldes, die Vogel der Luft und die Fische des Meeres, sondern auch häufig menschliche Opfer — zu Kriegszeiten, bei großen Volksfesten, während der Krankheit der Könige, und beim Aufbau der Tempel dargebracht. Jede Säule, welche das Dach eines Tcmp>,'lgebäudes trug wurde in die Leiche eines Men^ schen eingepflanzt der zu Ehnn der grausamen Gottheit geschlachtet worden war, der das Gebäude gewidmet wurde. Die unglücklichen Opfer waren entweder Kriegsgefangene oder Personen, die sich den Priestern oder .^äupt lingen mißliebig gemacht hatten ^ cin furchtbares Mittel die Tyrannei der Mächtigen zu stützen. Die Grausamkeit der Sitte wurde jedoch durch den Umstand gcmildnt, daß das Opfer nicht durch lange Vorbereitungen gequält, sondern gewöhnlich unversehens durch einen Keulenschlag odcr Steinwurf zu Boden gestreckt wurde, worauf die Leiche in einem großen Korb von Cocosnußblättcrn nach dem Tempel gebracht und vor das Götzenbild hingestellt wurde. Der opfernde Priester nahm ein Auge, wahrscheinlich weil es das Köstlichste aller Glieder ist, heraus, legte es auf ein Stüct Bananenblatt und überreichte es dem Könige. Dieser näherte es seinem Munde als ob er es verspeisen wollte, gab es jedoch einem Priester, der zu dessen Kmpfange bereit stand. Nach der 199 Feierlichkeit wurde gewohnlich die Leiche in Cocosnußblättern eingewickelt und auf den Aesten eines benachbarten Baumes der 'Verwesung überlassen. Dcr Glaube an magische Künste war allgemein. Wer sich an einem Andern rächen wollte, suchte einige von dessen Haaren zu bekommen oder einen Theil der Früchte, die ihm zur Nahrung bestimmt waren, und brachte sic dem Zauberer, der srinc Beschwörungsformeln darüber aussprach. Diese hatten zur Folge, daß der böse Geist hineinfuhr und dadurch die Person ergriff, die vom Zauber leiden sollte. Die Nahrungsmittel, die durch den Beschwörungsproccß vom Dämon insicirt waren, suchte man in dcn Proviant-torb der Person, für welche sic bestimmt waren zu stecken, und wurden sie gegessen, so war dcsscn Untergang unvermeidlich. Vor dem Tode hatte dcr Besessene erst an deu furchtbarsten Qualen zu leiden, und nach demselben wurde im pu, oder dem „nächtlichen Dunkel" das Werk der Peinigung von den grausamen Geistern fortgesetzt. Mancher Kranke mag durch den Glauben, daß er ein Opfer der unersättlichen Wuth eines Dämons sei, zur Verzweiflung und zu einem martcrvollen Tode gebracht worden sein; in andern Fällen mag Gift die gräßlichen Konvulsionen oder die wüthende Raserei hervorgerufen haben, die der Macht der Dämonen zugeschrieben und von den frevel haften Gauklern benutzt wurden um den Glauben an ihre Kunst zu stärken. So wie einer an den vermeintlichen Folgen einer Beschwörung litt, suchte er, falls er Vermögen hatte, die Hülfe eines andern Zauberers anf. Das erste war die Person zu entdecken, welche das Uebel angestiftet halte, worauf die Hülfe anderer Dämonen angerufen wurde, damit die Qualen und dcr Tod, die jene ihrem Opfer zugedacht hatte auf sie selbst zurückfielen. Waren dir Geister des neuen Zauberers mächtiger als die des ersten so war der Erfolg gesichert: oder es ließen sich auch wohl die quälenden Dämonen durch reichlichere Geschenke zur Ruhe bringen. So übte die Bestechung ihre Macht auch auf die Geisterwelt, die man sich allen menschlichen Schwächen und Leidenschaften unterworfen dachte. Nie im alten Griechenland gaben die Götter ihren Willen durch Oratel-sprüchc kund und kein wichtiges Unternehmen wurde begonnen ohne sich erst des Beifalls der unsichtbaren Mächte versichert zu haben. Der Orakelspruch wurde in einem Traume mitgetheilt oder im Geschrei eines Vogels, oder im Aechzen des Windes in den verflochtenen Zweigen der Casuarinen, oder es fuhr auch wohl der Gott in den Priester, der gleich dcr cumäischm Sibylle 200 oder einem hochnordischen Schamanen, nachdem dieser durch Rühren der Zaubertrommel die Geister'heranbeschworen hat, zum willenlosen Wertzeug des übernatürlichen Einflusses wurde. Seine Glieder zuckten und schlotterten im furchtbaren Kramvfe, seine Gcsichtszüge verzerrten sich auf erschreckliche Weise, sein Auge rollte wild in den Höhlen umher. Oft wälzte er sich auf der Erde herum mit schäumendem Munde, als ob er gegen den Geist ankämpfte, der sein ganzes Wesen durchzuckte, bis endlich mit gellendem Geschrei und undeutlichen Lauten die göttliche Antwort aus seiner keuchenden Brust erschallte. Die umherstehenden in den Mysterien bewanderten Priester empfingen das Geisteswort und verkündigten es dem andächtigen Volke. Die Begriffe vom künftigen ^ebrn waren höchst unbestimmt. Es gab einen nächtlichen Ort, I'o, wo die Seele drei Mal von den Göttern verschlungen, und dann selbst zu einem gottlichen und unvergänglichen Geiste wurde; sowie auch ein (5lm'ium mit allen Schönheiten ausgestattet, womit die Phantasie derartige Wohnsitze der Seligen zu schmücken pflegt. Doch hatte die Gerechtigkeit mit der künftigen Bestimmung des Menschen wenig zu thun, da sein moralischer Wandel dabei durchaus nicht in Betracht kam. Das einzige Verbrechen, welches den Unwillen der Gölter erregte, war die Vernachlässigung irgend einer religiösen Feier, oder das schrecklichste.von allen, das Vorenthalten der ihnen schuldigen Opfergaben. Die deichen der geringeren Leute wurden begraben, die der vornehmeren uno reicheren durch eine rohe Einbalsamirungstunst so lange wie möglich vor der Verwesung geschützt. Die vergänglichsten Theile wurden herausgenommen, die Safte durch Auspressen und Druck entfernt, wohlriechende Oele eingencben. Die an der Sonne oder auf einem hohen überdachten Gerüste, wv sie dem Luftzug aufgesetzt war, getrockntte Mumie wurde dann angekleidet und in eine sitzende Stellung gebracht, wo man ihr Monate lang tägliche Opfer von Früchten und Blumen darbrachte. Endlich wurde der Schädel sorgfältig aufbewahrt und die übrigen Knochen begrub man im Bezirk des Familientempcls. Der Schmerz beim Tode eines Verwandten oder Freundes offenbarte sich in den wildesten Ausbrüchen der Wuth, so daß die Trauernden wie Wahnsinnige sich geberdeten. Man begnügte sich nicht mit dem Zerraufen der Haare oder dem Zerreißen der Kleider, sondern zerschnitt oder zerhackte sich auf fürchterliche Weise, wozu man sich eines halbfuhlangeu Rohres be« 201 diente, welches an beiden Seiten mit scharfen Haifischzähnen besetzt war. Mit einem solchen Instrument versah sich jede Frau nach ihrer Heirath, um cs vorkommenden Falles unbarmherzig, zu benutzen. Gesicht, Brust und Arme wurden damit geschlagen und gekratzt bis das Blut in Strömen herausfloß, dabei stießen sie das fürchterlichste Geheul aus, und glichen mit ihren wilden Geberdcn, ihren zerzausten Haaren und verzerrten Zügen weit eher höllischen Furien als menschlichen Wesen. Die nächsten Verwandten singen die dämonische Scene an, die herbeieilenden Freunde und Nachbarn, von der ansteckenden Wuth ergriffen, vermehrten den Tumult, der sich endlich zu emem solchen Grade steigerte, daß man mit Keulenschlägen und Strinwürfen einander angriff, wobei nicht felten einer von der rasenden Rotte erschlagen wurde. Diese Art von Berserkerwuth zeigte sich aüch, jedoch in einer miloeren Form, bei fröhlichen Ereignissen, so daß wenn ein Cohn oder Vater nach längerer Abwesenheit oder üderstandenen Gefahren zu den Eeinigen zurück-kehrte, er nicht nur mit herzlichen Begrüßungen empfangen wurde, sondern auch mit lautem Wehklagen, wobei die Haifischzähnc, je nach dem Grade der empfundenen Freude, in Anwendung kamen. Fremden, die sich nach der Ursache dieser sclisamen Auftritte erkundigten, gab man zur Antwort, daß es so Sitte sei, ein Grund, womit man auch sonstwo das Unvernünftige zu entschuldigen pflegt. Man darf sich keineswegs darüber wundern, daß dic Seefahrer, welche dk> Gcsetlschafts-Inscln zuerst besuchten, ein so schmeichelhaftes Bilo von deren Bewohnern entwarfen. Die zuvorkommende Liebenswürdigkeit des Volkes konnte bei oberflächlicher Bekanntschaft leicht eine allzu günstige Meinung von demselben erwecken, und die damals herrschenden Rousseau'schen Ansichten nach welchen alle Tugenden dem Naturzustände und alle Laster der Civilisation zugeschrieben wurden, hatten schon im Voiaus das Urtheil bestochen. So hat unter anderen der jüngere For st er den häuslichen Tugenden und großartigen edlen Eigenschaften der Tahitier ein glänzendes Loblied gesungen, dessen Unrichtigkeit zum Theil schon aus dem bereits Mitgetheilten hervorgeht und durch folgende Züge noch klarer hervortreten wird. Was zunächst die von unserem schwärmerischen Landsmann gepriesene Friedfertigkeit und Humanität betrifft, wird diese Behauptung wohl hinreichend durch die Thatsache widerlegt, daß während des 15 jährigen Aufenthalts des Missionars Nott auf dem noch heidnischen Tahiti, die Insel nicht weniger 202 als zehn Mal in Krieg verwickelt war. Je grausamer dieser geführt wurde, desto großer glaubte man sei die Befriedigung des vornehmsten Knrgögottcö Oro. Schon während der Beratschlagungen, ob es zum Kriege tommen sollte, wurde ein erstes menschliches Opfer diesem polynesischen Moloch dargebracht '. ein zweites bei der Kriegserklärung, ein drittes so wie die Waffen in Bereitschaft waren: und alle diese Opfer mußten in ihrem eigenen Blute schwimmen, um den scheußlichen Götzen wohlgefällig zu sein. Die Schlachten selbst hatten Aehnlichkeit mit den kämpfen der homerischen Helden. Oft traten die berühmtesten Krieger aus den Reihen der sich gegenüberstehenden Heere hervor, und forderten sich gegenseitig zum Kampfe auf. Prahlerisch nannten sie ihre Namen und die Namen ihrer Väter, freuten sich ten bereits erfochtenen Siegen einen neuen Triumph hinzufügen zu tonnen, baten den Gegner nur schnell heranzurücken, damit sie ihn dem ungeduldigen Gotte opfern könnten, der über dem Kampfplätze schwebe, oder sprayen mit geringschätzigem Mitleide von seiner baldigen Niederlage. Der Wortwechsel wurde immer hitziger, die Speere flogen; sowie einer der Slrcitcnden fiel, ranntcu andere herbei, wie die Trojaner und kriechen um den gefallenen Patroklus- diese um die Leiche zn retten, jene um sie als Siegßtrophäe wegzuführen, bis endlich aus dem Zweitampf sich eine allgemeine Schlacht ent-spann. Diese wurde mit einer um so mörderischeren Wuth geführt, da ein ietcr überzeugt war daß die Götter, von welchen das Schicksal des Gefechtes abhing, wirklich in die Waffen, die er handhabte, gefahren seien und ihnen die erwünschte Kraft und Richtung gäben. Das Getöse des tödtlichen Gemenges wurde durch die gewaltigen Anstrengungen der Nautis oder Schlachtcnredncr vermehrt, deren mächtiges Wort die Erbitterung der Kämvfendrn zur höchsten Wulh aufstachelte. „Rollt über sie hin wie die Wogen! werft euch auf ihre Reihen brüllend und schäumend wie der über die Riffe sich wälzende Ocean! fahrt über sie hin wie rer zackige Blitz über den Gischt der Brandung! greift sie an mit aller Wuth, mit aller Raserei des gefräßigen wilden Hundes!" Mit solchen Worten, die nur ein schwaches Bild von der Kraft der ursprünglichen Anrede geben, eilten die Rautis von cinem Krieger zum andern, und zwar mit so feurigem Eifer, daß sie nicht selten mitten im Schlachtgetümmel vor Erschöpfung hinsanken und starben. Es waren meistens Leute von impomrender Statur und großem Kriegsruhm; ihre Kleidung bestand nur aus einem Gürtel von 203 Blättern der Dracaena, von welchen sie auch einen kleinen Bündel in der rcchtcn Hand hielten, wahrend die linke, jedoch nicht immer, einen leichten Speer trug. Der erste Gefangene wurde dem Oro geopfert und zwar nicht nach dem Tempel geführt, sondern lebend auf spitzigen Speeren hinter dem Heere getragen, während der Priester nebenher ging, dem Gotte seine Gebete darbringend und die Todeskrämpfe des Unglücklichen beobachtend, um daraus den Erfolg der Schlacht zu prophezeien. Mit dem erfochtenen Siege war die Wuth der Kämpfer noch nicht gesättigt; einige stürmten den Fliehenden nach um sic bis an die Berge oder bis an's Meer zu verfolgen, andere eilten nach den Dörfern der geschlagenen Feinde um die wehrlosen Greise, Weiber und Kinder unbarmherzig niederzumetzeln, oder mit teuflischer Grausamfeit zu martern. Die Hütten wurden in Brand gesteckt, die Brodfruchtbäume umgehauen, die Blattknospe oder das Herz der Cocosnußbäume abgeschnitten, so daß noch lange nachher die entblätterten todten Stämme, nackt und wie vom Blitz getroffen, ein trauriges Zeugniß von der teuflischen Naserei der Menschen ablegten. Am Tage nach der Schlacht wurden die Leichen der Erschlagenen gesammelt und dem Oro geopfert. Man legte sie auf einen Haufen oder in Reihen am Meeresgestade, um dort von den wilden Hunden zerrissen und der Verwesung überlassen zu werden. Die unteren Kinnladen der vornehmsten Krieger nahm man als Siegcstrophäen mit, sowie auch einige Knochen um Werkzeuge für den Schiffbau oder Fischhaken daraus zu verfertigen. Während dcr Schlacht steigerte sich zuweilen die Nuth zu einer so barbarischen Hohe, daß ein Krieger seinen gefallenen Feind mit der schweren Keule platc schlug und dann mit seiner steinernen Streitaxt ein Loch durch die Mitte hieb, durch welches er seinen Kopf steckte wie er es sonst mit der Tiputa zu thun pflegte. Auf diese schreckliche Weise, mit dem Kopf und den schlotternden Armen des Erschlagenen nach vorne und den Beinen nach hinten, stürzte der Rasende sich wieder in das Getümmel der Schlacht. So verbarg sich bei dem Tahitier unter einem änheren Firniß von Liebenswürdigkeit die ganze Brutalität des Wilden. Die besiegte Partei, die nach den schwer zugänglichen Bergthälern geflohen war, deren natürliche Starke häufig noch die Kunst vermehrte, wurde auch hier noch von den übermüthigen Feinden verfolgt und belagert, bis sie 204 entweder an den Beistand der Götter verzweifelnd sich ergab, oder bei kräftiger Vertheidigung und unüberwindlichen Hülfsmitteln den Frieden erzwäng. Dieser wurde mit großen Ceremonien gefeiert', man hing die Waffen in den Wohnungen auf und. nahm die gewohnlichen Beschäftigungen des Lebens wieder vor, bis cin neuer Zwist zwischen benachbarten Inseln oder zwischen dem Konige und den Häuptlingen, oder zwischcn diesen untereinander zur Erneuerung iener schauderhaften Scenen führte. Wenn Förster die unverdorbenen Sitten der Tahitier rühmt, scheint er eben nicht an vie Gesellschaft der Areois gedacht zu haben. Es war oies; eine Bande von Gauklern und Tagedieben beider Geschlechter, die von Insel zu Insel und von einem District zum andern zogen und überall wo sie er» schienen, durch ihre zügellosen Tänze und Schauspiele die Keime des moia-lischen Verderbens ausstreuten. Ihre Schutzgötter Orotetefa und Urutetefa waren nach den Voltsbegriffen Ungeheuer des Lasters und der ganze Lebens-Wandel der Jünger ging darauf hin. diefen unzüchtigen Vorbildern nachzustreben. Es gab unter diesen Areois sieben verschiedene Classen oder Grate, die durch die Verschiedenheit der Tätuirung sich zu erkennen gaben, Nur der niedrigsten Classe oder den Novizen wurden die ermüdenden Tänze und Pantomimen, womit sie oft Nächte lang das Volk belustigten, aufgebürdet, die höheren Rangordnungen hüteten sich wohl ihre Kräfte auf solche Weise zu vergeuden, sondern sparten sie für die Feier der geheimen Mysterien auf. Da nach den Gesetzen der Gesellschaft jeder Arcoi seine Kinder todten mußte, tonnte fich die Verbindung natürlich nnr durch frischen Zuwachs von außen erhalten, dcr, wie man sich leicht denken kann, nicht schwer zu erlangen war. Individuen aus allen Classen durften sich alö Candidaten melden, doch gingen der Aufnahme viele Ceremonien voran, das Neviciat war langwierig, und nur langsam unv mühevoll wurde die Einweihung in die höheren Grade erlangt. Man glaubte das; diejenigen, die Areois werden wollten, durch göttliche Eingabe dazu getrieben wurden. Wenn also jemand sich der Gesellschaft anschließen wollte, trat er bei einer ihrer öffentlichen Vorstellungen in einem Zustande von scheinbarem Wahnsinn auf. Gewöhnlich trug er einen Gürtel von gelben Tiblättern um die Lenden, sein Gesicht war mit Scharlach gefärbt, sein Haar mit startriechendem Oel gesalbt und mit zahlreichen Blumen durchsuchten. Auf diese Weise bekleidet, verunstaltet und verziert, stürzte er 205 durch die Menge, welche um das Haus versammelt war, wo die schamlosen Gaukler ihre Spiele aufführten, und mitten in die Bande dringend, schloß er sich dem Tanz oder der Pantomime mit erheuchelter Wildheit an. Dieses wurde als eine Meldung zur Aufnahme angesehen, doch nicht immer wurden die Kandidaten angenommen und mußten erst lange den vornehmeren Mitgliedern der Gesellschaft dienen, ehe sie nur zum ersten Grade zugelassen wurden. Die Nrcois, welche bei uns uur im Dunkel des Geheimnisses und fern von der strafenden Hand des Gesetzes ihr Unwesen hätten treiben können, standen in Tahiti im höchsten Ansehen, die Häuptlinge schätzten sich glücklich wenn sie mit deren Besuche beehrt wurden, und die Mitglieder der ersten Ordnung staunte man als übernatürliche Wesen an. Sogar mit dem Tode hörten die Genüsse und Vorrechte der vornehmeren Areois nicht auf, denn da es ihnen an Mitteln nicht fehlte, war es ein leichtes durch werthvolle Geschenke dic Dienste dc.s Priesters des Gottes Nomatane zu dingen, der den Eingang des ta'hitischcn Paradieses bewachte. Dort brachten sie in Gesellschaft der Konige und Häuptlinge, denn nur Vornehmheit und Reich-thnm fanden den Weg zum Aufenthalt der Seligen, cine freudenvolle Unsterblichkeit, im Vollgenuß aller Vergnügungen und Ausschweifungen, denen sie ihr Leben gewidmet hatten, zu, während der arme Mann im ^<» verbleiben mußte. Die Idee einer vergeltenden Gerechtigkeit nach dem Tode war den Tahiticrn völlig fremd. Wie groß die Anzahl der Areois gewesen sein muß, geht schon daraus hervor, daß einst (5ook auf Huaheine nicht weniger als 70 große Boote, die alle mit diesem liederlichen Gesindel angefüllt waren, vom Ufer stoßen sah. Nur ciu Land, wo die Natur so freigebig für die Bedürfnisse des Menschen sorgt, konnte den Druck einer solchen Horde von nichtswürdigen Faullcnzern ertragen. Wenn auch nicht ausschließlich auf die Gescllschafts-Inseln beschrankt, so standen doch hier die Areois in ihrer vollen Blüthe. Sie scheinen den Marquesas und Hawaii fremd geblieben zu sein, doch werden wir sie später im fernen Westen bei den ursprünglichen Bewohnern der Ladronen, und zwar unter dem fast gleichem Namen der Uritous oder Ulitoyß, wiederfinden. ^ Wenn dic Areois sich mit dem gräßlichsten .Mdermord befleckten und mit frevelhafter Hand ihre ganze Nachkommenschaft vertilgten, so herrschte dieses Verbrechen, wenn auch in geringerem Grade, unter allen übrigen 206 Volksklassen von der königlichen Familie bis zu den Geringsten hinab. Die Häufigkeit des Kindermordes war schon Eoot aufgefallen. Als die ersten Missionare auf Tahiti landeten, fanden sie, daß zuweilen Erwachsene ermordet wurden, daß Menschenopfer häufig vorkamen und daß viele im Kriege erschlagen wurden, ab.r alles dieses zusammengerechnet erreichte doch bei weitem nicht die Anzahl der von ihren Eltern erwürgten Kinder. Die Insulaner sprachen über diese Oräuelthaten mit der vollkommensten Gleichgültigkeit und Ruhe, und antworteten auf alle Vorstellungen daß es landesgebräuchlich sci. Nicht weniger als Zweidrittel aller geborenen Kinder sollen auf diese Weise umgekommen sein, und die glaubwürdigsten Zeugen wie Nott nnd Elli?, die jahrelang auf den Gesellschafls-Inseln sich aufhielten und durch ihren Beruf als Missionare in beständigem Verkehr mit dem Volke standen, behaupten, keine einzige Mutter gekannt zu haben, dir nicht jenes unnatürliche Verbrechen oft mehr als einmal begangen habe. Manche Eltern hatten sechs, acht, zehn und fogar noch mehrere ihrer Kinder einem frühzeitigen Tode geopfert. Mädchen wurden besonders häufig ums Veben gebracht, Knaben schonte man eher, da der Mann als Fischer, Temprldiener, Krieger oder Schiffer einen bei weitem höheren Werth als das schwache Weib besaß. Geschah der Mord nicht unmittelbar nach der Geburt, so war das Kind gerettet und wurde fortan, um den Tahiticrn gerecht zu fein, mit der größten Liebe behandelt. Dcr Hauptgrund dieser teuflischen Unthaten lag in der allgemein herrschenden Faulheit. Obgleich die bereitwillige Fruchtbarkeit des Bodens und die freundliche Milde des Klimas, die zum Lebensunterhalte nothwendige Arbeit auf ein sehr geringes Maas beschränkte — so war doch auch dieses für die meisten zuviel, so daß ein Mann mit drei oder vier Kin> dern, was schon ein seltener Fall war, als ein schwerbeladenes Lastlhier an^ gesehen wurde. Um den. Eltern die geringe Anstrengung zu ersparen, welche eine etwas zahlreichere Familie ihnen verursacht hätte, wurden taufende von Kindern geopfert. Ein zweiter Grund war die Schwäche und lockere Natur des ehelichen Bandes, welches zwar in den Tempeln mit großen Ceremonien geknüpft, doch unter den geringsten Vorwänden wieder gelöst wurde. Unter den vornehmen HäuvMngen blieb zwar die Ehe nach erfolgter Trennung dem Namen nach beM)en, doch nahm der Mann andere Frauen un» die Frau andere Männer. Dieses waren meistens Individuen von einnehmender Persönlichkeit aber geringeren Ranges, und alle Früchte dieser Verbindungen 207 wurden unbarmherzig getödicl, damit der Familienstolz durch die Vermischung unedleren Blutes nicht zu leiden hätte. Forster's Behauptung, „das^ die verehlicktcn Weiber wahre Muster der Treue waren", war jedenfalls viel weniger begründet als sein Geständniß, „daß die jungfräuliche Keuschheit bei den Tahitiern eben so wenig als bei vielen andern Völkern geachtet wurde." Schon beim oberflächlichsten Besuche konnte diese letztere Thatsache dem Fremden nicht verborgen bleiben, während Förster nach einem Aufenthalt von nur wenigen Wochen unmöglich ein gültiges Urtheil über die Tugend der Ehefrauen fällen konnte. Sechszehntes iinpitcl. Die Geschichte Tahiti's von der Entdeckung durch Wallis lns ans unsere Zeiten. Walliö cndeckt Tahiti (1s. Juni 1767).— Erstes Zusammentreffen mit dcn Tahiticrn. -? Die Ziege und der entwendete Hut. — Angriff auf die Boote. — Vlulige Kämpf» in del Matavai-Vucht. — Landung. — Entscheidendes Gefecht. — Friede. — Bou-gainviüc. — Aatourou. — Cook beobachtet den Durchgang der Ncmiö auf Tahiti. — Der Hohepriester Tupia. — Omai. — Poma5« I. — Ankunft der Missionare, — Pomar^II. — Dessen Bekehrung 1812. — Kehrt nach Tahiti zurück, wird aber von Neuem veitrieben. — Vimeo nimmt das Christenthum an. — Huaheine, Tahaa, Raiatea folgen dem Beispiele. — Die Götzendiener auf Tahiti geschlagen (11 Nov. 1815). — Vollständig? Bekehrung der Insel. — Ankunft neuer Missionare, 1817. — Druck des tahitischen Alphabets und der Bibelübersetzung Pomar^'s. — Missionshülfsgesellschaft gegründet. — Pau einer großartigen Kirche, in welcher Pomarö getauft und ein neues Gesetzbuch veröffentlicht wird. — Pomarö's Trunksucht und Habgier. — Dessen Tod und Grab. — Pomar^ III. — Die Königin Pomar«. — Ankunft der Jesuiten Caret und Laval. — Ihre gewaltsame Bcrlrcibung. — Französische Intervention. — Pro tectorat. — Besitznahme. - Krieg zwischen den Tahitiern und Franzosen. — Ueber-rumpelung der tahitischen Lager 17. D«c. 1t^6. — Ende der Feindseligkeiten. — Traurige Zustände. — Tyrannei. — Skogman über die Königin Pomar6 1852. — Die Novara in Papeiti (Febr. 185N). <öenn nach langem Umherirren auf der grenzenlosen Wasserwüste, der Seefahrer endlich wieder Land, Berge, grüne Wälder und Gefilde sieht, wenn Singvogel die Stelle der heiseren Mwen vertreten und sich ihm freundliche 208 Menschen nahen, dann sebwillt sein Busen vor Frendc und fast ist es ihm wie einem Verbannten, der and der trostlosen Fremde zulückkchrt zu den heiß-crschntcn Fluren der Heimath. Doch wie müssen sich diese Gefühle steigern wenn das Vand, welches am Rande des Oceans auftaucht und die wochcnlange Einförmigkeit des Meeres-horizontcs unterbricht, der Welt bis dahin unbekannt geblieben war, und noch dazu ein Vand ist wie Tahiti, geschmückt mit allen Reizen der tropischen Natur. Dieses dem Seefahrer nur selten bcschiedene Glück wurde Kapitän Wallis zu Theil, als er unverhofft am 18. Juni l?6? die hohen Gipfel Tahitis über den Wasserspiegel sich erheben, und bcim Heransegeln zu immer malerischeren Umrissen sich gestalten sah. Möglich ist es, daß der spanische Seefahrer O-uiros dic Insel bereits früher gesehen, doch Europa blieb sie nichts destowenigcr völlig unbekannt, und Walliö, der zuerst ihre verborgenen Schönheiten der Welt enthüllte, darf mit vollem Rechte als ihr Entdecker gelten. In der folgenden Morgenröthe zeigte sich das schöne Land in einer Entfernung von etwa 5 Stunden, aber gegen acbt Uhr als das Schiff schon Imhc an der Küste war. wurde Wallis durch einen dichtcn Nebel genöthigt beizulegen, und als einige Stunden darauf der Dunstschleier sich verzog, sah er einige hundert Pirogen heranrudern. Sie waren von verschiedener Gröhe und hatten einen biö zehn Mann an Bord. So wie sie auf Pistolenschuß weite sich genähert hatten, hielten die Ruderer an, und betrachteten staunend las fremde Meeresungcheuer, welches ihnen plötzlich eine völlig ungeahnte Welt offenbarte. Sir wußten zwar nicht, welche Folgen diese Erscheinung für ihr ganzes künftiges Schicksal haben, wie viel Outetz und Böses sich aus ihr noch entwickeln würde, und daß dieses einer der wichtigsten Tage in der Geschichte ihrer Insel sei. Hast du wohl schon darüber nachgedacht, lieber Leser, welche Umwälzung es in dem beschränkten Ideentrcise eines Wilden hervorbringen mag, wenn der enge Horizont seines bisherigen Da^ seins sich auf eine so wunderbare Weise erweitert, und urplötzlich die Macht der Civilisation mit ihrer unendlichen Uebcrlegenhrit wie aus den Wolken zu ihm herabsteigt. Wahrlich nicht anders müßte es uns zu Muthe sein, wenn die Bewohner eines fernen Sternes sich zu uns herabließen; und kein Wnnrer wenn der Polynesier wähnte, das; die ersten europäischen Schiffe, die flüchtig vor seinen Riffen erschienen und wie die Gotter den Donner 209 schleuderten und den Blitz vom Himmel gekommen und dann wieder als sie verschwanden zu ihm zurückgekehrt seien. Durch freundliche Zeichen aufgemuntert wagten sich einige der roth-braunen Insulaner auf's Verdeck, doch während einer derselben eben in seinen Betrachtungen vertieft war, stieß ihn eine der an '^ord befindlichen Ziegen in die Hüfte. Erstaunt über diesen unvermutheten Angriff, drehte er sich rasch herum und sah die auf ihren Hinterbeinen stehende Ziege, bereit den Stoß zu wiederholen. Die drohende Erscheinung des nie gesehenen Thieres jagte ihm einen solchen Schrecken ein, daß er sogleich über Bord sprang, ein Beispiel, dem alle seine Gefährten folgten; bald aber erholten sie sich von ihrer Angst und kehrten auf's Schiff zurück. Nachdem Wallis sie mit dem Anblick seiner Ziegen und Schafe vertraut gemacht hatte, zeigte er ihnen seine Schweine und Hühner, worauf sie sogleich durch Zeichen zu verstehen gaben, daß ihnen diese Thiere wohl bekannt seien. Unterdessen machten sie verschiedene Versuche einige der herumliegenden Gegenstände zu entwenden, wurden jedoch meistens noch zur rechten Zeit gestört, bis endlich ein Seecadet, der einen neuen galonirten Hut trug, sich ihnen näherte und mit einem von ihnen durch Zeichen zu reden anfing. Die Unterhaltung wurde jedoch bald uuterbrochen, denn einer der Tahitier trat unbemerkt znm jungen Herrn heran, griff plötzlich nach dem Hut und sprang damit in die See! Schnell folgten ihm die andern, uno so endete dieser erste freundschaftliche Besuch dcr liebenswürdigen aber leichtfingerigcn Insulaner. Da hier kein Untergrund war, fuhr das Schiff weiter längs dcr Küste hin, während zugleich die Boote in geringerer Entfernung von derselben den Meeresboden peilten. Nachmittags wurde vor einer großen Bucht beigelegt, in welche die Boote zur näheren Untersuchung des Grundes einliefen< Während sie auf diese Weise mit dem Senkblei beschäftigt waren, sah Wallis, daß eine große Anzahl Pirogen sich um sie versammelte, und da er bbse Absichten besorgte und es ihm sehr darum zu thun war allen Feindseligkeiten vorzubeugen, machte er ein Signal, daß die Boote sofort zurückkehren sollten, und feuerte zugleich einen Neunpfünder über die Kopfe der Insulaner hinweg, um sie durch dieses Zeichen seiner Macht einzuschüchtern. Doch nichts destoweniger suchten die Tahitier den Booten die Rücklehr abzuschneiden, und schleuderten große Steine in das Boot, woourcb mehrere von der Mann- 210 schaft verwundet wurden. Hierauf feuerte der kommandirende Officier auf denjenigen, der den ersten Stein geworfen hatte und traf ihn in der Schulter. Die Gefährten des Indianers sprangen sogleich in die See, dic übrigen Pirogen ruderten in aller Eile davon, und dic Boote setzten nun ungehindert ihren Weg nach dem Schiffe fort. So wußten also auch die gutmüthigen Tahitier der Versuchung nicht zn widerstehen, Fremde, die sie für schwächer hielten, anzugreifen und zu berauben. Das Scntblci hattc zwar erwiesen, daß innerhalb des Riffes gchörig tiefes Wasser war, da aber Waliis auf der Windseite der Insel sich befand, beschloß er die sicherere Leeseite aufzusuchen, und so vergingen noch ein paar Tage, bis er endlich am 23. Juni in die Matavai Vncht einlief. Auf dem Wege dahin war mit den Pirogen der Eingebornen ein lebhafter Tauschhandel getrieben worden, doch hatten letztere noch einmal cincn Angriff auf ein Boot gewagt, so daß die Engländer zur Selbstvertheidigung Feuer geben mußten, wodurch ein Insulaner getödtet nnd ein anderer schwer vcnmindct wurden. Am Morgen des 24. Juni versammelten sich eine Mcngc ^anots nm das Schiff, mit Schweinen, Geflügel und Brodfrüchtcn beladen, die von zwei dazu beorderten Seecadetten gegen Messer. Nägrl, Glasperlen und andere Kleinigkeiten gctanscht wurden. Allrn andern an Bord war daZ Handeln untersagt, um nicht den Markt zu verderben -, so wie auch kein Insulaner mehr auf's Verdeck zugelassen wurde, da ihre früheren Besuche gezeigt hatten, daß nichts vor ihrer diebischen Gcschicklichteit sicher war. Inzwischen nahm die Anzahl der (5anots immer zu, und endlich kamen auch noch sehr große Doppelpirogen herbei, jede mit 15 bis 29 athletischen Gestalten bemannt, und wie Wallis mit ciniger Besorgniß bemerkte, weit eher zum Kriege als zum friedlichen Austausch ausgerüstet, da sk offenbar mehr Steine als Lebensmittel an Bord führten. Andere Canots waren mit Weibern befrachtet, die sirencnartig durch freundliche Geberden die Aufmcrk samkeit de«r Fremden von den großen Kriegspirogen abzulenken suchten, welche unter rauhem Gesänge und dem hohlen Ton der Tritonshörner einen dich ten Kreis um das Schiff schlössen. Nach einiger Zeit wurde von einem Manne, dcr anf einem Dache saß, welches über einer der Doppelpirogcn sich erhob, wiederholte Zeichen gemacht, daß er sich dem Schisse zu nähern wünsche, wozn Wallis sogleich die Erlaubniß ertheilte. Als das Boot herangrrudert war, gab dcr Wilde einem der Matrosen einen Strauß oon 211 rochen und gelben Federn, mit der Bedeutung, ihn dem Befehlshaber zu überreichen. WaUis empfing die Gabe mit freundlicher Miene und wollte sie mit einem paffenden Gegengeschenk erwiedern, als er zu seinem Erstaunen wahrnahm, daß der vermeintliche Friedensbote sein Canot bereits vom Schiffe abgestoßen hatte, worauf sich ein allgemeines Geschrei aus allen Pirogen erhob, die sogleich mit schnellen Ruderschlägen sich dem Schiffe näherten und von allen Seiten Steine wie Hagel auf's Verdeck regnen lieben. So war also derKrieg erklärt, und da viele von der Mannschaft durch den Seorbut geschwächt waren, sah man sich genöthigt gcgen die numerische Uebermacht mit der ganzen furchtbaren Gewalt der europäischen Schießwaffen aufzutreten. Mustrtensalven und Kanonendonner erweckten den Widerhall der Gebirge, die solch ein Dröhnen noch nie geHort: und namentlich spieen einige schwere Geschütze unaufhörlich ihre Kugeln auf eine Stelle am Strande, wo eine große Menge Canots noch immerfort Veute aufnahmen und in aller Mr nach dem Schiffe abstießen. Als die schwere Artillerie zu spielen anfing waren nicht weniger als !5<»> Boote um das Schiff versammelt, mit wenigstens AM» Mann an Bord, viele taufende waren außerdem noch auf dem Strande versammelt, und andere Pirogen ruderten von allen Seiten herbei: ras Schießen vertrieb jedoch bald diejenigen die in der Nähe waren, woraus auch die andern umkehrten. So wie Walliö dieses bemerkte, gab er augenblicklich Befehl da8 Schießen einzustellen, da er hoffte, das; die Insulaner nach dieser Probe seiner Ueberlcgenheit, den Kampf nun nicht wicdcr erneuern würden. In dieser Erwartung fand er sich aber leider getäuscht, denn eine große Anzahl der auseinander getriebenen Pirogen näherten sich von Neuem oem Vordertheil des Schiffes, und fingen wiederum an aus ziemlich beträchtlicher Entfernung, aber mit großer Gewaltund Sicherheit etwa zwcipfündige Steine auf's Verdeck zu schleudern. Zu gleicher Zeit sah man einige andere wohlbemannte Eanots dem Hintertheilc des Schisses zurudern, welches sie für dessen schwache Scite halten mochten, da noch kein Schuß von dorther gefallen war, doch Wallis ließ sogleich einige Kanonen auffahren um sie gehörig zu begrüßen. Eins dieser Boote, welches einen großen Häuptling an Bord zu haben schien, da alle Signale vo» demselben ausgingen, wurde durch einen glücklichen 15" 212 Schuß in den Grund gebohrt, worauf alles mit solcher Eile auseinander stob, daß nach einer halben Stunde rein einziges Fahrzeug mehr zu seben war, und zuglricb daß zahlreich am Strande versammelte Polt mit der flößten Bestürzung auf die Berge floh. So endrte dieser für die Tahitier so verhängnißovlle ^ampf, und die tiefste Stille herrschte, wo wenige Augenblicke zuvor der wilde Aufruhr der Schlacht getodt hatte. Da nun nichts mchr der Landung sich widersetzte, wurde das Schiff nach einem bequemen Ankerplatz bugsirt, einem Flußcben gegenüber, aus welchem die Wasserfässer mit ^eichtigleit gefüllt werden tonnten. lKine Abtheilung bewaffneter Seesoldaten wurde an's Vcmd geschickt, und an einer offenen Stelle unter dem Schutze des Schiffes und der Boote eine Stange mit der englischen Flagge aufgepflanzt. Am Tage wagten nur wenige Insulaner mit unterwürfigen Geberden sich herbei, denen man verständlich zu macken suchte. das> wenn sie nicht angriffen, man rurchau? nichts Böses gegen sie vorhabe und um Wasser und Lebeusmittcl verlange, die man mil Eisen und Glasperlen reichlich bezahlen würde. Doch so wie die Nacht einbrach, erschallte das barbarische Getöse der Trommeln und Tritonshbrner, und zahlreiche dichter bewegten sich am llfcr hin und her. Am folgenden Morgen war die Stange fort; da aber kein Eingeborner sicb sehen ließ, wurden Boote zum Wassrreinnchmen an's Land geschickt, welches Anfangs ohne alle Störung vor sich ging. doch bald belebte sich die Scene auf eine sehr bedrohliche Weise, denn vom Scbiffs-verdeck aus lonnte man mit den Ferngläsern deutlich sehen, wic eine große Menge (^anols, sowohl den westlichen als den östlichen Eingang cer Bucht umschifften, und wie zugleich das Dickicht hinter dem Landnngsplatze von Insulanern wimmelte, die unter dem Schutze des Geholzes sich näherte», während andere in bedeutender Anzahl von einem etwa vier englische Meilen entfernten Hügel herabstiegen. Da die Pirogen, sowie sie in die Bucht rin-gelaufen waren, öfters an's i^and stießen um mit Steinen bcladenc Krieger an Bord zu nehmen, während eine Menge Frauen und blinder auf einem Hügel sich gelagert hatten, der die ganze Bucht und den Strand beherrschte, tonnte Wallis nun nicht mehr daran zweifeln, das; man das Glück der Schlachten in einem zweiten allgemeinen Angriff versuchen wallte. Die schnellste ßnt scheidung war offenbar die am wenigsten unheilvolle, und folglich auch die 21Z menschlichste, er beschloß daher den Kampf sogleich mit aller Energie zu eröffnen, und mit einem Schlage allen künftigen Feindseligkeiten ein Ende zu machen. Die Kartäischen, die er auf die nächsten Pirogen regnen ließ, hatten sogleich die Wirkung, daß die andern eiligst entweder auf den Strand liefen oder hinter den vorspringenden Landzungen sich versteckten; sowie die Kugeln, die in das Gehölz geschleudert wurden die Insulaner bald daraus vertrieben, welche nun dem Hügel zuliefen, wo die Weiber und Kinder fich gelagert hatten. Hier waren nun mehrere taufende versammelt, die in jener Entfernung sich vollkommen sicher hielten: um ihnen aber. auch noch diesen letzten Irrthum ;u benehmen, zerschmetterten alsbald einige Kanonenkugeln die Baumkronen über ihrrn Köpfen, und unter dem Gekrach der geborstenen Acste floh der ganze Troß mit solchem Entsetzen, daß in weniger als zwei Minuten keiner mehr zu sehen war. So hatte denn „das letzte Wort der Könige" die Küste vollständig gesäubert, und um die Lehre zu vervollständigen, wurden die Schiffszimiuerleute mit ihren Aer.tcn an's Land geschickt, um die Pirogen, welche man an den Strand hatte laufen lassen, zu zerstören. Vor Mittag hatten sie die Arbeit bereits beendigt, und mehr als fünfzig große Boote zerschlagen. Nichts wurde an Bord gefunden als Steine und Schleuder», wodurch Wallis' strenges Verfahren sich vollkommen rechtfertigte. Noch an demselben Tage erschienen zehn Eingeborene mit grünen Zweige», dein Zeichen des Friedens, und von nun an wurde die Eintracht zwischen ocn Insulanern und den gefürchtelen Fremden nicht mehr unterbrochen. Ein lebhafter Handel eröffnete sich, die Kranken wurden ans Land gebracht, wo unter einem ausgespannten Zelte ihre Gesundheit sich erholte, das Schiff ward in aller Ruhe vollständig ausgebessert, und als Wallis am 27. Juli die ^nsel verließ, legte sich bei den Tahitiern, die er bei seiner slntunfl so schwer gezüchtigt hatte, eine Trauer an den Tag, welche den sichersten Beweis lieferte, daß ihre Strafe nicht unverdient gewesen war, denn Ungerechtigkeit würde sie gewiß nicht so versöhnlich gestimmt haben. Halte Wallis dic ^nsel nicht entdeckt, fo wäre es schon neun Monate später durch den französischen Wrltnmsegler Bougainville geschehen, der im April l7<»^ in die Hidia Bucht an dcr Ostküste einlief und dort ;ehu Tage verweilte. Das freundliche Zutrauen der Eingebomeu war so groß, daß einer derselben sogar den Wunsch ausdrückte Bougainville nach Europa zu 214 begleiten' cine Pitte die ihm gerne gewahrt wurde, da man anf diesem unbe-lannten Meere, wo man wahrscheinlich noch Menschen von derselben Race und Sprache finden würde, sich gute Dienste von ihm versprach, und auch noch hoffen durfte, ihn spater mit Kenntnissen bereichert als Werkzeug der Bildung nach seinem Vaterlande zurückzuschicken. Aotourvu blieb eilf Monate in Paris und wurdc dann nach Ile de ssranee gebracht, vessen Gouverneur Befehl erhielt ein Schiff auszurüsten, welches ihn wieder nach Tahiti führen sollte. Seine ferneren Schicksale sind indessen unbekannt. Wie müssen dir vo,n der Welt so lange abgeschiedenen Insulaner gestaunt haben als Schlag auf Schlag, nach den so schnell auf einander fol° genden Besuchen von Walliß und Bougainville, nun auch noch Cool am 1.'». April Nljs» in die Matavai Bucht einlief. Die neuentdeckte Insel war nämlich von der britischen Regierung als der passendste Punlt gewählt worden, um den astronomisch so wichtigen Durchgang der Venus zu beobachten, be-tanntlich ein Hauptzweck der ersten Erdumsegelungsreise des großen Seefahrers. Es war also dießmal keine flüchtige Erscheinung durch die Launen deß Zufalls, oder die dringende Nothwendigkeit herbeigeführt, sondern ein längerer Aufenthalt, während dessen man auch Gelegenheit gewann, die Insel unv ihre Bewohner gründlicher kennen zu lernen, als es durch die früheren Reisen möglich gewesen war. Als Coot zum ersten Mal an's Land stieg, zeigten sich sogleich die heilsamen Folgen des früheren energischen Auftretens von Mallis, denn mit grünen ssriedenszweigen und unterwürfigen Gebcrden kamen die Tahitier ihm entgegen. .Ueine Einwendungen wurden gemacht, als er auf der nördlichsten Landzunge der Insel, welche später wegen der hier gemachten Beobachtungen dcn Namen der Venus Spitze erhielt, ein kleines Fort zum Schutz seines Observatoriums erbaute; virle leisteten ihm sogar dabei hülfreiche Hand. Aus dem ganzen freundlichen und zutraulichen Benehmen der Insulaner ging hervor, daß sie zwar die Ueberlegenheit der weißen Männcr fühlten, aber ylgleich auch das feste Vertrauen hatten, daß man ihnen nichts zu Leide thun, sie vielmehr reichlich bescbenken würde, wenn sie nur selbst aller muthwilligen Angriffe sich enthielten. Das Stehlen jedoch konnten sic nicht lassen, und b'oot nennt sie die geschicktesten Diebe der Welt. Die Entwendung seines Quadranten hätte sogar fast den ganzen Zweck der Expedition vereitelt, doch glücklicherweise gelang es nach vieler Mühe, das unschätzbare 215 Instrument wieder zu erlangen. Man »kann sich deuten mit welcher Spannung man der Stunde entgegensah, in welcher der Planet durch die Sonnenscheibe wandern sollte, denn eine einzige Wolke konnte alle Hoffnungen, um derentwillen man die weite Reise von einem andern Welttheil unternommen hatte, zu Nichte machen. Der größeren Sicherheit wegen schickte daher Cool eine Partei nach Eimeo und eine andere ostwärts vom Hauptobservatorium, damit das Beobachten wenigstens an einem jener Punkte gelingen möchte, wenn cs an der Venus Spitze durch irgend eine Ungunst der Witterung verhindert würde. Aber am Tage des Durchgangs l3. Juni l?69) hatte man dir Freude, die Sonne klar und wolkenlos dem Ocean entsteigen zu sehen und der Planet, der beim reinsten Himmel Morgens um 51 Uhr ?5 Minuten und H? Secunden die Sonnenscheibe zuerst berührte, tauchte Nachmittags um 3 Uhr 32 Minuten l<> Secunden, bei gleicher Heiterkeit der Atmosphäre, Wieder in's Luftmeer hervor. book begnügte sich nicht wie seine Vorgänger mit dem Besuch der unmittelbaren Umgebung dro Hafen?, in welchem sein Schiff vor Anker lag, sondern er umfuhr mit seinem Hauptboot die ganze Insel, die er also zuerst genau geographisch aufnahm. Auf dieser Ex.eursion, welche sechs Tage dauerte (26. Juni bis I. Juli), wurde er überall freundlich empfangen, doch fehlte es auch nicht an Versuchen, ihm Kleidungsstücke und Instrumente zu entwenden. Bon Tahiti scgette l5oot nach dem ostlichen, von jener Hauptinsel entfernteren Theil der Gruppe, den vor ihm noch kein Europäer besucht hatte, und brachte mehrere Tage auf Huaheine, Raiatea und Borabora zu. Wegen ihrer großen Nähe bei einander gab er ihnen den Namen Gesellschaftsinseln, der später auf die ganze tahitifche Gruppe überging. Auf dieser Neise begleitete ihn Tupia, der ehemalige Hohepriester, ein Mann von bedeutenden geistigen Fähigkeiten, der, wie Aotourou, sich ohne Rückhalt den Fremden anvertraute, um die Wunder ihrer fernen Heimach zu beschauen. Es zeigte sich, daß dieser tahitische Seelsorger durchaus nicht in den Künsten unerfahren war, welche der böse Leumund seiner toaste auch wohl in andern Ländern vorwirft. Wenn die Brise ausblieb, pflegte er durch Gebete an seinen Gott Tane den Wind zu berufen, und behauptete, daß er es niemals ohne Erfolg gethan habe. Man merkte jedoch bald, daß er den passenden Augenblick für seine Beschwörungen recht gut zu wählen 216 wußte, denn er hob erst dann zu beten au, als die Brise schon auf dem fernen Wasser zu spielen anfing und nothwendig das Schiff erreichen mußte, noch ehe seine Beschwörungen zu Ende waren. Als er aber merkte, daß die Engländer ihn anfachten, war er klug genug, den guten Tane nicht serner zu belästigen. Tupia machte Cook's Entdeckungen auf Neu Seeland mit; segelte mit ihm längs der damals noch unbekannten Osttüste Neu Holland's, fuhr durch die Endeavour Straße, und starb in Batavia an einem bösartigen Fieber. Glücklicher war Omai, ein Eingeborner Raiatea's, den Cook mitnahm, als er zum zweiten Mal die Gescllschaftsinseln im September 1773 besuchte; und vier Jahre später auf seiner dritten Reise nach dem Vaterlande wieder zurückbrachte. Omai wurde dem Könige von England vorgestellt, von der vornehmen Gesellschaft gehätschelt, lernte die feinen Manieren eines Gentleman, und bildete sich zum tüchtigen — Schachspieler aus. Seine Gönner scheinen sich aber »reuig darum bemüht zu haben, ihn in solchen Kenntnissen unterrichten zu lassen, dir ihm und seinen Landsleutcu später von größerem Mtzen hätteu sein können — wie im Ackerbau und den mechanischen Künsten. Er vergoß Thränen, als er von seinen Freunden, namentlich von Sir Joseph Banks, Abschied nahm, freute sich aber doch, das neblige kalte Enqlanr mit dem sonnigen Paradiese seiner Heimat!) wieder zu vertauschen. Cook siedelte ihn auf Huaheine an und ließ ein HauZ für ihn errichten, worin die zahlreichen Geschenke, die er mit sich führte, untergebracht wurden. Es befand sich kein einziges Ackerbaugeräih, odcr sonstiges nützliches Werkzeug darunter — wohl aber ein Harnisch, Gewehre und Pistolen, Pulver und Kugeln, Feuerwerke, eine elektrische Maschine und eine Drehorgel. Veider erfüllte Dmai durchaus nicht die Erwartungen, die man von seiner Einführung in die gebildete Gesellschaft hätte erwarten können, denn statt seine Landsleute in die europäischen Sitten einzuweihen, warf er gar bald seine englische Kleidung ab und kehrte ganz zu den ursprünglichen Gewohnheiten seiner Landslcute zurück. Der König der Insel, um sich des Beistandes seiner Waffen zu versichern, gab ihm seine Tochter zur Frau „und den Ehrentitel l'^> iu der Weise oder Gebildete". Aber dieser Weise scheint den Rest seines Lebens in unrühmlicher Trägheit zugebracht zu haben, und wird sogar beschuldigt, sich zum elenden Werkzeug der tyrannischen Launen des Königs erniedrigt zu haben, denn dieser machte sich nicht nur die Schieß- 2l7 fertigkcit Omai's im Kriege zu Nutzen, sondern ließ ihn häufig auch noch auf die Vorüberziehenden zielen, um zu sehen, wie weit die Kugel wohl treffen möchte. Auch an diesem Beispiel läßt sich erkennen, wie Wenig der äußere Firniß der Civilisation bedeutet. Als Cook die Gesellschaftsinscln besuchte, hatte vor Kurzem eine politische Revolution auf Tahiti stattgefunden, der rechtmäßige Thronerbe war beseitigt worden und ein Neffe des früheren Bönigs bekleidete die höchste Würde. Nach einem unter den Polynesian häusig vorkommenden Gebrauche nahm dieser neue Machthaber einen anderen Namen an, der spater auch auf seine Nachfolger überging. Auf einem Ausflug in's Gebirge nämlich, wo er die Nacht an einem windigen Orte zubrachte, erkältete er sich und sein Gefolge nannte deßhalb diese Nacht i>o mu.,« „die Nacht des Hustens," ein Name, der dem König so wohl gefiel, daß er ihn sogleich annahm. Die Verpflanzung des Brodbaums nach Westindien veranlaßte die nächsten Besuche der Europäer, und führte zu den bereits beschriebenen romantischen Begebenheiten, welche dem vereinsamten Felsen der Pitcairn Insel ein so hohes Interesse verleihen. Sie hatte auch noch für Pomare die wichtige Folge, daß er mit Hülfe der Meuterer der Bounty alle ihm noch feindliche Häuptlinge auf Tahiti und Eimeo unterwarf. Noch lebte dieser Herrscher li 1803), als im Jahre <797 der „Duff", wie bereits er wähnt, die ersten englischen Missionare nach Tahiti brachte, doch der sonderbaren Landessitte gemäß, nach welcher der König abdankte, sobald ihm ein Sohn geboren wurde, regierte er nur noch als Regent. Unter dem Schutze des königlichen Hauses ließen sich die Missionare an der Matavai Bucht nicder, doch Jahre lang blieben alle ihre Bestrebungen fruchtlos, erst 151?, als Pomare II, sich offen zum Christenthum bekehrte, fing der Umschwung an, der rasch zum vollständigen Siege des Evangeliums führte. Eine schwere Zeit war diesem Ereignlß vorhergegangen. Nach dem Tode Pomare des Ersten hatte sich nämlich ein langwieriger Krieg zwischen dessen Nachfolger und einem Bunde der mächtigsten Häuptlinge entsponnen, der im Jahre lN«^ für den jungen König eine so ungünstige Wendung nahm, daß er sich genöthigt sah, Tahiti zn räumen und im benachbarten, ihm treu gebliebenen Eimeo, bessere feiten abzuwarten. Auch die Missionare folgten seinem Beispiel und begaben sich nach Port Jackson, mit Ausnahme Nott'ö, der dem Könige folgte. Der kleinen, e,st kürzlich aufgestellten Druckerei, welche sie 2IK in der Eile der Flucht zurückließen, ging e? schlecht; renn aus dm Typen ließen die empörten Häuptlinge Kugeln und aus den Alphabeten und Lesebüchern Patronen machen. Doch auch hier zeigte es sich, daß das llnglücl oft segensreiche Früchte trägt, denn Pomare's vorübergehender Sturz, der zugleich alle Hoffnungen der Missionare zu zertrümmern schien, trug wesentlich dazu bei, die Bahn zu ihren späteren Erfolgen zu ebnen. Oro hatte offenbar dem vertriebenen Pomarc nur wenig genutzt, sollte vielleicht der Gott der Weißen ihm einen kräftigeren Schutz gewähren? und sein jetziges Mißgeschick vielleicht nur die gerechte Strafe sein, daß cr dessen Macht nicht anerkannt? Solche Gedanken bewegten die Seele des Vertriebenen mehr und mehr, und lenkten ihn zu immer ernstlicheren Betrachtungen über das Christenthum. Er unterhielt sich oft mit den Missionaren, die sich wieder um ihn versammelt hatten, übte sich untn drren Leitung im Lesen und Schreiben nnd sprach immer lräftiger Gefühle und Ueberzeugungen aus, welche den ihn umgebenden Götzendienern eben so sehr mißfielen, als sie die Lehrer des Evangelium? mit Ueberwschung und Freude erfüllten. Endlich am 12. Juli l,^12 zögerte Pomarc nicht länger seine Gbtzen-verachtung öffentlich an den Tag zu legen. Es war Sitte, die Schildkröten, die man im Meere sing, dem Könige darzubringen, doch mußten fie erst feierlich im Tempel gekocht werden. Ein Theil, und zwar nicht der schlechteste, wurde dem Götzen gewidmet, der sich das leckere Fleisch, natürlich durch den Mund seiner Priester, wohlschmecken ließ', den andern genoß die königliche Familie, die um keinen Preis vor jener Ceremonie davon zu kosten gewagt hätte, da, wie die Priester versicherten, ein solches Vergehen augenblicklich die furchtbarste Strafe nach sich ziehen würde. Man denke sich also das Staunen des Volks, als au jenem Tage der König, einige ihm dargebotene Schildkröten ohne weiteres in seine eigene Küche zu tragen befahl. Die verdutzte,! Diener hielten es anfangs für einen Scherz, aber Pomarc wiederholte seinen Befehl, und zwar mit so nachdrücklichem Tone, daß sie zitternd gehorchten. Der König setzt sich zu Tische und ladet die anwesenden Häuptlinge ein, die Schildkröten mit ihm zu theilen; doch eher hätte Don Juan sie vermocht mit dem steinernen Gaste anzu-stoßen. Sie glaubten nicht anders als den gotteslästerlichen Herrn am ersten 219 Bissen ersticken zu sehen — aber die Schildkröte schmeckte Pomare vortrefflich, der nun vollends oor dem ohnmächtigen Oro allen Respekt verlor. Er berief eine Versammlung der Häuptlinge, erzählte ihnen die offenbare Schwäche des Götzen, verkündigte seinen Entschluß, fortan dem Gott der Christen zu dienen, crmahnte sie seinem Beispiele zu folgen, zugleich versichernd, daß er Niemand dazu zwingen wolle, und befahl sofort eine Kapelle zu errichten, in welcher das Evangelium gepredigt werden sollte. Bald daranf lamen aus Tahiti zwei ihm ergebene Häuptlinge mit der erfreulichen Botschaft an, daß die Stimmung gegen ihn sich verbessert habe, und die Insel bereit sei, ihn wicdrr als Herrscher aufzunehmen. Pomare folgte der Einladung — als man aber seine Bekehrung erfuhr, wuchs wiederum die Macht seiner Feinde, und nach zweijährigen vergeblichen Versuchen seine Herrschaft auf der Hauptinsel seines tleinen Reiches wieder herzustellen, kehrte er wiederum nach Eimeo zurück. Hier hatte unterdessen das Christenthum reißende Fortschritte gemacht, besonders seitdem der Priester Pati die Götzenbilder aus dem unter seiner Aufsicht stehenden Tempel herauswarf und öffentlich verbrannte. (Juli 1813.) Eins dieser scheußlichen Idole nach dem andern ergreifend, entriß er ihnen das Tapatuch und die rothen Federn, welche ihre nackte Unform schmückte, drückte seinen Schmerz aus, sie jemals angebetet zu haben, verschmähte ihre Ohnmacht, nnd warf die häßlichen Holzklötze der Reihe nach in's Feuer. Man denke sich die verschiedenen Gefühle, welche die Brust der Zuschauer bewegten. Hier die Missionare zwischen Furcht und Hoffnung schwebend, denn wenn sie ^nich begriffen, wie sehr dieser seltsame Auftritt den Aberglauben der Eingeborncn erschüttern mußte, so wußten sie doch, daß die Zahl ihrer Schüler noch sehr klein war, und Wie leicht konnte die Vollswuth verderblich hervorbrechen: dort die Götzendiener, das Strafgericht des frevelhaften Pati erwartend. Aber die staunende Menge blieb unbeweglich, unbeweglich wie die lodernden Götter. Die Kunde dieses Ereignisses verbreitete sich mit Schnelligkeit über die Inseln, und verfehlte ihre Wirkung nicht. Huaheine, Tahaa, Raiatea nahmen noch in demselben Jahre das Christenthum au; und auch auf Tahiti gewann die neue Vehre einen immer festeren Boden. Hier jedoch stieß sie auf eincu heftigeren Widerstand, da die widerspenstigen Häuptlinge und die Oropriester sich gegeuseitia, stützten und erstere es sich nicht verhehlten, daß auch ihr Ansehen durch den Sturz der Götzen bedroht sei. So wurden die Ncubekehrten 2W erst verspottet und verhöhnt, dann ihres Eigenthums beraubt und wie die wilden Thiere verfolgt, um dem blutigen Kriegsgott geopfert zu werden. Es wurde sogar eine förmliche Bartholomäusnacht (7. Juli 1814) beschlossen; doch glücklicher Weise erfuhren die Christen noch zeitig genug die drohende Gefahr und entkamen nach Eimeo. Nach ihrer Flucht entzweiten sich die Heiden unter einander; das Christenthum griff aller Verfolgungen ungeachtet weiter und weiter um sich, Pomai''' kehrte im Juli 181!) abermals nach Tahiti zurück unr am l l. November wMde die entscheidende Schlacht geliefert, in welcher Upufara, der Anführer der Götzendiener, gctödtet wurde. In der Trunkenheit des Sieges wollten schon die Krieger Pomarö's die fliehenden Feinde verfolgen, um sie nach dem alten Kriegsbrauch niederzumetzeln, doch mit donnernder Stimme rief der König: „Halt! die Gebirge gehören mir, verfolgt die Besiegten nicht dahin; mir gehören auch die Corallenfelsen, wohin ihre Weiber und Kinder geflohen sind, laßt sie dort in Ruhe! Tödtet Niemanden! Nur die Beute sei euer, die ihr auf dem Schlachtfelde findet." Diese unerhörte Barmherzigkeit rührte des Flindes Herz, und manche, die am Morgen noch für Oro gefochten hatten, wohnten am Abend dcm Dankgebct der siegreichen Christen bei. Nun wurden überall die Tempel der gestürzten Götzen verbrannt, Schulen gegründet und Kapellen erbaut. Ein Geist des Gebetes und der Buße verbreitete sich über das Volk, und die strenge Sonntagsfeier ward eingefübrt; oder wie <5hami'sso sich ausdrückt - „der Tabou des Sabbaths senkte sich über die Kinder der Freude." Im Jahre 1817 langten neue Missionare mit rmer Druetrrvresse in Tahiti an, um ihre dort bereits thätigen Brüder in dcrru erweitertem Wirkungskreise zu unterstützen. Unter der Leitung des Missionars (Ulis, des berühmten Verfassers der „ I'o l)'!, ^« l!li! Iie80.i!^!>c>6", der das Drucken erlernt hatte um dadurch seine Zwecke desto besser zu fördern, setzte Pomar>'> eigenhändig die erste Seite des tahitischen Alphabets und zog die ersteil Bogen unter der Presse ab. Monate lang wurde die Werkstatt von den Eingeborenen umlagert, da man nur wenige zugleich hereinlassen konnte, und bald war es nicht mehr die Neugierde allein, welche die Menge herbeizog, denn von allen Punkten 221 der Insel kamen sic lchrgierig heran, um sich das Alphabet zu taufen »der schenken zu lassen. Diesem ersten Glementarwerk folgte bald cine wichtigere Schrift, die man mit vollem Rechte zu den Merkwürdigkeiten der Presse rechnen darf. Während seiner Verbannung auf Eimeo hatte, nämlich Pomar« mit dem Missionar Nott an einer Uebersetzung des Evangclii Lucä gearbeitet, welche nun in einer ersten Auflage von 3000 Exemplaren, nach des Königs eigenhändigem Manuseript, abgezogen wurde. In kurzer Zeit bildete Ellis unter diesem begabten Volte Buchdrucker aus, und zum Binden der Bücher wurde Jagd auf die wilden Katzen gemacht, eine Benutzung derselben, die Cook schwerlich ahnte, als er die ersten zwanzig Stammeltern des Geschlechts auf der Insrl zurückließ. Rüstig schritt man auf der Bahn der Reformen oder vielmehr der gänzlichen Umgestaltung aller früheren Lcvensbegrissc vor. Das früher unter^ geordnete Weib genoß nun gleiche Rechte mit dem Manne, und das verderbliche Awa trinken wurde abgeschafft, sowie man schon früher die ausschweifende Gesellschaft dcr Areovs aufgehoben hatte. Auf dem noch vor wenigen fahren dem Götzen Oro blindlings erge^ bencn Tahiti, entstand 1818 uuter Pomarä's Präsidentschaft eine Missions-hülfsgesellschaft, deren Gaben dazu beitragen sollten, auch fremden Völkern dir Wohlthaten deß (5hristcnthum8 mitzutheilen', und der mit voller Seele dem neueu Glauben auhängendr Konig, beschloß ihn durch den Bau einer großartigen Kirche zu verherrlichen. Da der Nutzen hiervon nicht sehr eiiv leuchtend war, suchten die Missionare ihn von diesem Gedanken abzubringen. Doch Poman' erwiederte, man habe auf der Insel so viel Großes für die Götzen gethan, daß es ihm wohl erlaubt sei auch etwas Großes für den wahren Gott zu thun. Das kolossale Gebäude, welches man die Cathedrale von Tahiti nannte, ward am 11. Mai 181 l» eingeweiht. Es war 712 Fuß lang und 54 breit, zählte 133 Fenster und 2l) Thüren', 36 hohe Brodbaumstämme stützten die Firste des Daches und 280 kleinere Säulen trugen dessen abschüssige Seiten rings herum. Auf drei Kanzeln konnte zu gleicher Zeit gepredigt werden, ohne daß die Stimmen der Prediger sich gegenseitig störten-, doch das eher für eine Rennbahn als eine Kirche passende Gebäude wurde nicht lange benutzt, und 1838 fand D'Nrville nur noch dessen Trümmer. Hier war es, wo Pomarö in Gegenwart seines ganzen Volkes am l6. Juli > staust wurde, obgleich er sich schon seit Jahre» zum Christenthum bekannte. Dieser feierlichen Handlung war die Veröffentlichung eines Gesetzbuches vorangegangen, in welchem unter andern auch das altsächsische Schwurgericht mitten in oie Südsec verpflanzt wurde. Nur Mörder und Rebellen sollten mit dem Tode bestraft werden, und später wurde auch diese äußerste Strenge des Gesetzes zur lcbeuMnglicben Verbannung nach der Palmerston Insel gemildert. Fast alle übrigen Vergehen wurden mit Zwangsarbeit auf der Landstraße bestraft, doch während der Bigamist nur ä<,1 Klafter Weges zu inachen hatte, tam der Sabbathbrecher nicht unter 50 davon. Auch der Trunkenbold mußte den Weg um 5 Klafter verlängern, und die dem Spiritus übermäßig ergebene Schöne zwei große Matten, die eine für den König, die andere für den Tistriktsvorsteher flechten. beider muß bekannt werden, daß wenn dieser letzt erwähnte Artikel des Gesetzes auf Pomar^ selber angewendet worden wäre, leiner fleißiger als er am Wege hätte bauen müssen. In der letzten Periode seines Lebens ergab er sich vollständig dem Trunle. und ;og sich dadurch eine tödtliche Wassersucht zu, an welcher er am 7. Deeember l821 im 47. Lebensjahre stall). D'Nrville erzählt, daß wenn er des Morgens nach dem kleineu Kiosk sich begab, wo er sich mit Bibelübersetzungen beschäftigte, er unter einem Arm die beilige Schrift und unter dem andern die Numftasche trug. Wurde ihm dann bei der Arbeit der Kopf durch den allzu reichlichen Genuß des verführerischen Lebenswassers verwirrt, so pflegte er selbstanklägerisch auszurufen- „^ Pomai6! dein Schwein ist jetzt vernünftiger als Du!" Auch eine unersättliche Habgier wird ihm vorgeworfen, so daß er in seinen letzten Lebensjahren sich das Handelsmonopol aller Produkte des Landes aneiguen wollte. Kr kaufte zum Verkehr mit Port Jackson ein paar Schisse zu unmäßigen Preisen und belud sie mit Cocosnußöl und Arrowroot, die seine Unterthanen ihm zu einem festen niedrigen Preise liefern mußten und keinem andern verlaufen durften. Dicse Speeulationen brachten jedoch nur den Abenteurern Nutzen die ihn dazu überredet hatten; ihm selbst aber Widerwärtigkeiten und Verdruß, da eines seiner Schiff in Port Jackson angehalten wurde und die Veranlassung zu einem langwierigen Processe gab. Trotz der Strenge seiner Regierung war Pomar^ kein eigentlicher Des-vot und obgleich das Volk im allgemeinen ihn eher fürchtete als liebte, wllrde er doch von denen, die ihm naher standen, aufrichtig betrauert. 223 In einem einfachen Mausoleum mit Kalk übertüncht, nut Mauern von Vorallen und einem Dache von Laub. ruhen die Gebeine des Königs von Tahiti. Ans der Landspitze Papaoa, von dunkeln Casuannen beschattet er hebt sich das Denkmal am Saum der stillen Lagune, dem Bilde der ewigen Ruhe, während draußen am Riff, den Stürmen des Lebens gleich, die Wüthendr Brandung tobt. Pomar<5 II. hinterließ einen Sohn, der aber schon !li->27 im Knabenalter starb, worauf dessen < jährige Schwester Aimata unter dem später so bekannten Namen der Königin Pomar^ den kleinen tahitischen Thron bestieg. Noch scbr jung hatte sie sich mit Tamatoa, dem Könige von Borabor ver ehelicht, wurde aber später von ihm geschieden und heirathrte einen unbedeutenden Häuptling, der den Namen: ^'ni>,an>.^n.'" oder „Mann der Po-mar^" führte, aber von der Regierung ausgeschlossen blieb. Skogman s1852) schildert ihn mit ziemlich unehrcrbietigen Ausdrücken als einen großen grobgestalteten Kerl, mit gebogener Nase und höchst einfältigem Aussehen. Den starken Getränken ergeben, hatte er häufig Vorwürfe und sogar Schläge von seiner königlichen Ehehälfte ;u erdulden, die er aber, wie die böse Welt behauptete, mit reichlichen Zinsen zurückzahlte. Die damals 42jährige Königin war von mittlerer Größe, etwatz zur Korpulenz geneigt, und zeichnete sich weder durch edlere Gesichtszüge noch durch einen feineren Anstand vor den übrigen tahitischen Frauen aus. Die protestantischen Missionare blieben im Besitz eines unbestrittenen Einflusses bis zum Jahre 1si35, wo die französischen Jesuiten Caret und Laval auf Tahiti landeten, doch wurde letzteren auf Grund eines Gesetzes, nach welchem , die nicht einmal das nöthige Pulver für die ihr abverlangten Ehrenschüsse besaß, gegen eine Fregatte von W schweren Kanonen nur wenig ausrichten konnte, und sich daher genöthigt sah nicht nur in allen Punkten nachzugeben; sondern noch obendrein einen Vertrag zu unterzeichnen, nach welchem das bereits erwähnte Gesetz aufgehoben und es fortan allen Franzosen, welches auch ihr Gewerbe sei, gestattet wurde auf den Inseln sich niederzulassen. Endlich wurde noch beim Abschiede die Königin gezwungen einen gewissen Moerenhout, der sie in seinen Schriften gröblich beleidigt und an ihrer Demüthigung einen gehässigen Antheil genommen hatte als französischen Consul anzuerkennen. Dieser Mocrenhout, ein Belgier von Gebnrt und schon seit l8A! als Kaufmann auf Tahiti ansässig, hatte übrigens durch mannigfache Dienste sich 225 Frankreich zu Dant verpflichtet, wühlte, wo er nur konnte, gegen die pro testantischen Missionare und das Ansehen der Konigin, und stand in ertger Verbindung mit den Häuptlingen Paofai, HitM und Tana, die, von dem alten Königshausc abstammend, welches durch Poman» I. beseitigt worden war, natürlich an der Spitze der Mißvergnügten standen. ^ Ungefähr 8 Monate nach Dupetit-Thouars erschien die Artmnise, <5a-pitän La Plaee, um das von jenem eingeleitete Wcrl einen Schritt weiter zu fördern. Beim Umsegeln der Venus Spitze stieß das Schiff auf ein Riff und war dem Sinken nahe, ^o daß es volle zwei Monate bedürfte, ehe es mit Hülfe der Eingebornen ausgebessert werden konnte. Zum Danke berief der Capitän die Königin und dic Häuptlinge zu einer Zusammenkunft, befahl ihnen das Gesetz, welches den protestantischen Glauben zur Staatsreligion erklärte, aufzuheben und verlangte die Abtretung von Ländereien zur Erbauung katholischer Bethauser. Hierauf sehen wir im Jahre 1842 Dupetit-Thouars zum zweiten Mal als Rächer des gekränkten Nationalgefühls vor Papeiti erscheinen, wozu ihm die Prügelei des franzosischen Scecapitans Maurm, mit einem tahitischen Constabler, die Veranlassung gab. Obgleich jener offenbar im Unrecht war, verlangte er für ihn eine Entschädigung von 10,000 Dollars sso viel Geld war auf der ganzen Insel Nicht vorhanden), oder im Fall der Nichtzahlung die Annahme der französischen Schutzherrschaft, um welche die mißvergnügten Häuptlinge ihn bereits schriftlich gebeten hatten. Erfolgte das Eine oder das Andere nicht binnen 24 Stunden, so drohete er Papeiti zu beschießen. So sah sich die Königin zur Unterwerfung gezwungen, und die Herrschaft ging nun in die Hände einer provisorischen Regierung über, an deren Spitze Moerenhout als französischer Commissär gestellt wurde. Doch auch dieses schien noch nicht genügend, denn im folgenden Jahre, als Dupetit-Thouars zum dritten Mal in den Hafen von Papeiti einlief, nahm er unter dem Vorwande, daß die Konigin Poman'' die englische Flagge aufgezogen habe, ihr Land förmlich in Besitz. Die arme Königin flüchtete mit ihren Kindern erst nach dem Hause des englischen Consuls Pritchard und später an Bord einer englischen Kriegsschaluppe, welche sie nach Raiatea führte. Pritchard wurde in's Gefängniß geworfen und Vruat, dcr neue Commissär, theilte die Lotalverwaltung unter die für die französische Sache gewonnenen Häuptlinge. HaNwig, die Inseln l>es gnchen Oceani, ^H 226 Der Unwille, den diese Gewaltthaten in England erregten, war fo groß, daß er unfehlbar zum Kriege gefühlt hätte, wenn nicht Louis Philipp nock rechtzeitig eingelenkt. Das gewaltsame Verfahren des Admirals Dupetit Thouars wurde als eine Ueberschreitung seiner Befehle mißbilligt, dem Consul Pritchard ein bedeutendes Schmerzensgeld bezahlt, und die Souveränität del Königin liber Tahiti und Eimeo wieder eingeführt, dagegen aber das fran-zöfische Protectory beibehalten und von England wenigstens als faktisch b> stehend anerkannt. Doch obgleich die Konigin Poman> auf alle Hoffnung fremden Beistandes verzichten mußte, wollte sie sich der französischen Vormundschaft nicht unterwerfen, sondern verblieb auf Naiatca, während ihre trmen Unterthanen auf Tahiti den heiligen Krieg für's Vaterland führten. Die Franzosen beherrschten zwar den größten Theil der ihren Schiffen zugänglichen Küsten, die sie mit kleinen Forts und Blockhäusern befestigten, doch wurden sie fortwährend von den Tahitiern beunruhigt, die durch das dichte Guavagebüsch begünstigt, sich bis in die Nahe der Vorposten schlichen, und manche Schildwachc über den Haufen schössen, während ihnen selber in ihren zwei befestigten Berglagern schwer beizukommen war. Doch fehlte es ihnen an Munition, da die Franzosen alle Zugänge bewachten, so daß sie endlich fast ausschließlich Steine zum Laden ihrer Flinten benutzen mußten, auch litten sie häufig Mangel an Lebensmitteln, denn die wilden Berg-banancn reichten nicht immer aus. Endlich am 17. Dec. Ittäli gelang es den Franzosen das Lager auf dem Berge Tahawai zu überrumpeln, indem einc Schaar von R) Mann, von einem Verrätherischen Tahitier geführt, cinen bishrr ungetannten Brrgpfad erstieg und der Besatzung sodann in den Rücken wftel, während eine andere Abtheilung, die dadurch im Lager enstandene Ver-^wirrung benutzend, auf dem gewöhnlichen Wege bergan stürmte. Sobald die Tahitier sahen, daß es zum Handgemenge und offenem Kampf kommen würde, verloren sie den Muth und ergaben sich auf Gnade und Ungnade; nur zwei Helden zogen den Tod der Unterwerfung vor und stürzten sich in den Abgrund. Die Franzosen marschirten nun über die Berge nach dem Lager bei Punavia', das sie ebenfalls überraschten und zur Unterwerfung zwangen, worauf die Tahitier der Protectoratfahnr den Eid der Treue leisteten, und bald auch die Mniigin dein Schicksal sich fügend, nach. ihrem Erdlandc zurücttehtte. 22? Os sind nun bereits 14 Jahre verflossen, seitdem Frankreich sich der schönen Insel bemächtigte, und eb wild nicht uninteressant sein, einige Blicke auf deren gegenwärtigen Zustand zu werfen. Vielleicht, lieber Leser, wirst du «warten, daß unter der schützenden Aegide der Nation, die sich vorzugsweise berufen wähnt, der Menschheit auf der Bahn der Civilisation voranzuleuchten, Tahiti eines wachsenden Glückes, einer Blüthe deß Wohlstandes sich erfreut, die ihm weder z» den Zeiten des Heidenthums, noch unter der Leitung der.protestantischen Missionare zu Theil wurde, doch leider zeigt auch hier die Orfahrung. daß die schönsten ftrioartungen nicht immer erfüllt Werden. Nach der Protectoratsurkunde vom !>, September 1ftä2 hatte die Königin Pomar^ Frankreich zwar die Leitung der auswärtigen Angelegenheiten, sowie die Gerichtsbarkeit über al>e fremden Residenten überlassen, sich jedoch ausdrücklich alle Souvcränitätsrechte über ihre eigenen Unterthanen vorbehalten, die nach den bestehenden Landesgrsrtzen regiert werden sollten. Dieser Vorbehalt mußte jedoch gar bald dem Necbt des Stärkeren weichen. Eo wurde den einheimischen Gerichten die Befugniß entzogen, in letzter Instanz alle Streitigkeilen in Betreff des Grundbesitzes, zu schlichten, und dieser wichtige Punkt fortan der Willkür der französischen Behörden überlassen. Tie den Häuptlingen gehörenden Ländereien, die bisher von Vater auf Sohn sich vererbten, wurden nun als dem Amte zugehörig betrachtet, zu welchen» irgend ein Mitglied der Familie durch Stimmcumehrheit im Distrikt gewählt werden tonnte. In ssolgc dieses Spoliationsgefetzes ist es schon öfters vorgekommen, daß nach dem Tode eines Häuptlings die Bewohner eines Kreises durch Drohungen gezwungen wurden, eine der Regierung zusagende Person zu wählen, und als die Königin ihre Zustimmung versagte, der französische Kommissär nichtsdestoweniger die Wahl bestätigte und den neuen Häuptling m Besitz von Ländereien setzte, die dem rechtmäßigen Erben entzogen wurden. (5s ist also nicht zu verwundern, daß das Land unbebaut bleibt, denn wer wollte Mühe und Kapital auf einen Boden verwenden, der einer solchen Willtiir preisgegeben ist. Vor dem französischen Protectorat sah man auf der Insel viele kleine Zucker- und Kasseepflanzungen, sowie auch Gemüsegärten, welche den Walfischfängern und andern Schiffen die Mittel, sich zu mäßigen Preisen zu vcr-proviantiren, darboten, sts war durchaus nicht seltcu, 35 bis 40 Fahrzeuge zugleich auf der Rhede von Papeiti zu sehen; jetzt aber haben die zahlreichen 15* 328 Hafenplactereien und unmäßige Gebühren den aufblühenden Handel größten-theils nach andern Inseln vertrieben, die das Glück genießen, von den Franzosen noch nicht beschützt zu werden. Die Orangen, die gegenwärtig fast den einzigen Ausfuhrartikel ausmachen, und deren Export seit Ift52 eine ziemliche Bedeutung erlangte, wurden 1350 von der Schutzmacht mit einem Exportzoll belastet, der zwar später wieder aufgehoben wurde, aber nichtsdestoweniger diesem aufblühenden Handelszweig bedeutenden Schaden zufügte. . In Europa werden Zoll- und Handelsfragen nur mit der größten Vorsicht behandelt, und Veränderungen dcs Bestehenden nur mit der äußersten Behutsamkeit vorgenommen, da sie von zarter Natur sind und in ihrer ganzen Tragweite nur von Renten übersehen werden können, die sie zu ihrem besonderen Studium gemacht haben, während in Tahiti ein aus Land-, See-und Gendarmerieofficieren bestehender Rath, unter Präsidentschaft deö Gouverneurs, nach Willkür die bestehenden Verordnungen nmstößt und durch neue ersetzt. Die Eingebornen haben zwar eine gesetzgebende Versammlung, einen Landtag — aber diese Versammlung ist völlig machtlos, und wird nur noch dazu benlsen um die von der Schutzgewalt vorgeschlagenen Gesetze in aller Demuth zu genehmigen. Vor einigen fahren hatte die französische Verwaltung Bauholz nöthig. Sie ließ daher in den höheren Gebirgsthälern einige hundert Bäume fällen, die der Königin gehörten, ohne jedoch erst um ihre Erlaubniß zu fragen. Nun mußten diese Stämme nach dem Ufer geschasst werden, aber die väterlichen Beschützer Tahiti's, die so wenig Umstände mit dem Eigenthum der Königin machten, sonnten unmöglich um die nöthigen Transportmittet ver legen sein und beorderten die Bewohner des ganzen Distrikts, unter Androhung von Geldstrafen, sich in'8 Gebirge zu begeben, um die Bäumc zu holen. Man mußte gehorchen und mehrere Wochen diesem harten Frohndienst widmen. Es bedarf wohl kaum bemerkt zu werden, daß weder die Königin für ihre Baume, noch die Leute für ihre verlorene Zeit, oder die schweren Verletzungen, die einige von ihnen zu erleiden hatten, auch nur im geringsten entschädigt wurden. Die Brutalität der Polizei übersteigt alle Grenzen, so daß man häufig blutig geschlagene Personen — Männer oder Weiber - in's Gefängnis; schleppen sieht. Der Sold dieses GesindelS ist nur sehr gering, es erhält 229 aber einen Theil des Geldes, welche? die Verhafteten zu entrichten haben, man kann sich also benlen, wie eifrig das Arrctiren vor sich geht. Kein Eingeborner darf sich nach acht Uhr Abends außer dem Hause sehen lassen, oder er wird eingesperrt und muß am folgenden Morgen eine Geldbuße von 10 Franken entrichten. Den Europäern dagegen ist es tr-lanbt, die ganze Nackt frei umherzugehen. Ein seltsamer Schutz, der den Leuten in ihrem eigenen Lande einen Zwang auserlegt, von welchem Fremde befreit bleiben! Aus der Bitterkeit, mit welcher französische Seefahrer wie D'Urville, La Place, sich über die Unduldsamkeit der protestantischen Missionare geäußert haben, sollte man erwarten, daß die sranzösische Regierung, wenigstens in religiösen Angelegenheiten, eine echt evangelische Liberalität an den Tag legen würde. Abc» auch hier stehen die Thatsachen mit den Worten im schreienden Widerspruch. Es ist den protestantischen Geistlichen, die bereits oor dcr Occupation auf dcr Insel sich befanden, zwar nicht verboten zu predigen, jedoch sind ihre Vorträge einer so strengen Censur unterworfen, daß die meisten freiwillig aufgehört haben ihrem Berufe zu folgen und einige, in Folge der unaufhörlichen Plackereien, sich sogar genöthigt sahen, die Inseln zu verlassen. Die cingebornen Prediger, denn fremde läßt man unter feiner Bedingung zu, werden nicht mehr vvn den Gemeindemitgliedern gewählt, sondern müssen sich vom weltlichen Distrittsvorgesrtzten ernennen und vom Statthalter bestätigen lassen, auch tann der Gouverneur sie wieder absetzen, so wie es ihm beliebt. Es soll sogar schon vorgekommen sein (I^otti'« «onum'iiiNlt I's^tllt actuol 6« 1'kiti 1858), daß beteitZ im protestantischen Glauben getaufte Kinder, von katholischen Missionaren, die zugleich als Distrittslehrer angestellt waren, aufs Neue, ohne Wissen dcr Eltern und gegen deren ausdrücklichen Willen, katholisch getauft worden sind. Trotz aller Klagen bei der Schutzgewalt wurden dennoch diese Lehrer in ihrem Amte beibehalten, so daß die armen Eltern sich genöthigt sahen, ihre Kinder noch immer zu denselben in die Schule zu schicken, weil sie sonst in Strafe verfallen wären. Trotz aller Verfolgungen sind aber dennoch mit wenigen Ausnahmen die Tahitier dem protestantischen Glauben trru geblieben und haben sich in dieser Hinsicht wenigstens glänzend gegen den ihnen oft gemachten Vorwurf dcr Unbeständigkeit gerechtfertigt. Die Könige und die Häuptlinge habrn dem Kaiser Louis Napoleon die gewiß nicht unbescheidene Bitte zukommen lassen, 230 man mochte ihnen doch französisch-protestantische Missionare schicken — doch sollen sie noch immer aus die Antwort warten. Was die Konigin Pomar^ betrifft, so tann sie (Stogman Erdumsegelung der schwed. Fregatte Eugenie 185^?) nicht aus der Thür gehen, ohne Gendarmen auf den Fersen zu haben. Noch weniger tann sie den Theil ihres Reichet« besuchen, nach dem gerade ihre ^nst steht'. die ritterliche Sorgfalt des Gouoerneurs für die Sicherheit ihrer hohen Person erlaubt ihr dieses nicht. Auch darf sie ohne dessen Genehmigung nicht einen einzigen Besuch empfangen, nicht einmal ihre tägliche Umgebung. Als sie sich dem Protectorat fügte, wurde festgesetzt, daß sie für die ihr früher zufließenden Tribute und Gebühren mit einer jährlichen Rente von 2<1,000 Franken entschädigt werden sollte; neuerdings heißt es jedoch, daß die Auszahlung oieser Summe nicht mehr stattfinden wird. Die letzten zuverlässigen Nachrichten über Tahiti verdanken wir der „Novara", die vom 11. bis zum 2l< Februar 1359 sich im Hafen von Papeiti aufhielt. Die Bevölkerung der Insel war in den letzten 10 bahren von 6082 auf 5988 Seelen heradgesunlen, eine Verminderung, die der schrecklichen Unsittlichst zugeschrieben wird. Die amerikanischen und englischen Walsischfänger, die früher bis zu hundert jährlich in Papriti einliefen und den Bewohnern Gelegenheit zu einem reichlichen Erwerbe gaben, sind durch die drückenden Zolleinrichtungen und die kleinen Chicanen der französischen Polizei vollständig verscheucht worden, und suchen gastlichere Häfen auf. Die Insel zählt ungefähr 5900 Protestanten und nur 60 bis 80 Katholiken, ohne die europäische Bevölkerung, die mit Einschluß der Besatzung etwa 400 Eeelm belrägt. 231 3icb;ehntcs Kapitel, Die Marquesas. Elster Anblick. — Schönheit der Thäler. — Riesige Feigenbäume. — Aussicht von der Höhe. — Der Hafen Anna Maria. - Die Comptroller Bucht. — Der Tschit-schagan^Busen. — Klima dcr Marquesas. ^ Produkte. ^ Oie Nukcchiver. — Un-vorlheilhaflc Meinung Krusenstern übcr ihren moralischen Charakter. — Schönheit der Naee. — Kleidung. — Reicher Schnnick der Krieqer. — Gi.qenthüiillicher Fächer. — Wohnungen. — Ehemalige Verfassung. - ^ieligiösc Vcgriffe. — Zauberkünste. — Krieqe. — Kanibalismiw. — Geringe Bevölkerung. Techs bewohnte Inseln — Hiva-oa, Nuka-Hiwa, Houapoou, Fatouhiva, Taouata und Houaouna — nebst einigen wüsten Felseneilanden, die nur den Secvögeln als Bnitcplätze oder Ruhepunkte mitten in der weiten Was-serwüste dienen, bilden die kleine abgeschiedene Welt der Marquesas, deren Gesammtobcrfläche ungefähr vierzig deutsche Quadratmeilen beträgt. Nicht von Corallen erbaut wie der niedrige Archipel von Paumotu, der ihnen von allen Landen am nächsten liegt, sondern durch vulkanische Kräfte hoch in die Lüfte gehoben, sind ihre Bergspitzen schon aus wcitrr Ferne dem Seefahrer sichtbar. Denn fast 4000 Fuß hoch steigt der Gipfel von Hiwaoa zum Himmel empor, und die Scheitel von Nouta-Hiwa und Houa« Poou stehen jenem Kulminationspunkte der Gruppe nur wenig nach. Der erste Anblick der Inseln zeichnet sich im allgemeinen weder durch malerische Schönheit noch freundliche Anmuth aus. Die schroffeu Basalt-tlippen, gegen welche die Brandung antobt, lind die kahlen Abhänge des Gebirges, wo außer falben Gläsern nur zerstreute Gruppen trauernder Casuarinen zum Vorschein kommen, gewähren vielmehr einen düstern Anblick, der nur hier und dort durch einige schöne Cascaden aufgeheitert wird, tie von dem Hochgebirge herabrieselnd wie Silberfäden übcr die schwarzen Küstenmauern sich ill's Meer stürzen. In den geschützten Thälern und verborgenen Schrunden dagegen, die von den hohen Bergrücken, welche di? Inseln der Länge nach durchlaufen, sich nach der Küste abdachen, und die gewöhnlich durch steile fast unzugängliche Felsgrathe von einander geschieden sind, erscheint die tropische Vegetation in ihler ganzen üppigen 232 Pracht und bekleidet die malerischen Formen des Gesteins mit einem ewiggrünen Gewände. Eine ähnliche Gebirgsformation, und zwar in einem kolossaleren Maas-stabe, haben wir bereits auf Tahiti kennen gelernt, doch fehlt auf den Marquesas das schützende Corallenriff, dem die „Koni gin der Südsce" ihre kanalartigen Lagunen verdankt, sowie der flache Streifen Alluvialbodcns, der mit seinen herrlichen Brodfrucht- und Cocoshainen das steilaufsteigende Gebirge so anmuthig umrandet und auch zu Lande die Verbindung von Thal zu Thal erleichtert. Auf den Marquesas dagegen sind die einzelnen Thäler und Schluchten nur von der Secseite zugänglich und die steilen Küsten steigen fast überall aus blauen unergründlichen Tiefen empor, so daß auch das größte Schiff innerhalb einer Kabellänge daran vordrisegcln kann. Nur dort wo die Thäler in schützende Buchten ausmünden, hat fich ein flacher Strand gebildet, wo Cocospalmen ihre luftigen Wedel hoch über das dunklere Gebüsch erheben, in dessen Schatten die zerstreuten Hütten der Eingcborncn ruhen, und mit dem Hintergrunde von grauen zerrissenen Fels" masscn zu reizenden Landschaftsbildern verschmelzen. Wer jedoch die ganze Schönheit der Inseln kennen lcruen will, muß tiefer in die Geheimnisse des Thales eindringen und den Bach verfolgen, der klar und munter aus dem verborgenen Dickicht hcrvormurmelt. Ein fchmaler Pfad schlangelt sich durch das verworrene Gestrüpp dcr Guaven und Zwergpalmen, der großblätterigen Pothosgewächse und unentwirrbaren Lianen, die bis zu den Spitzen der höchsten Bäume hinanklimmen. Mitten im Grün wird der Blick durch eine liebliche Leguminose s^dl'»» lu'eoatoriul«) gefesselt, dercn halboffene Hülsen, Körner von blendendem Scharlach mit schwarzem Auge hervorblicken lassen, oder folgt auch wohl dem lebhaften Fluge eines zierlichen Fliegenfängers, der mit schwachem Gezirp bei der Annäherung des Wanderers flieht, bald aber einige Schritte weiter auf einen Zweig sich niederläßt und ihm Gelegenheit gibt seine anmuthige Erscheinung näher zu betrachten. Auch noch andere gefiederte Waldbcwohner ziehen die Aufmerksamkeit auf sich. Allerliebste kleine blaue Papageien mit corallenrothem Schnabel und Füßchen, wiegen sich in den Kronen der Cocospalmen, dercn Plüthenhonig ihre Lieblingsnahrung ausmacht, und die schöne grüne Kuruwrutaube mit dem rothen Flecken auf der Brust und der zierlich scharlachenen Haube girrt lebenslustig im dunkeln Laube der Banianen. Dieser Baum, der hier Ko» genannt wird, erreicht nicht selten eine riesige /.I' Hat I wig Insel» i/es stillen Orntiis D1K MARQUESAS . XUKA IIIVA, 1 Ari;.l V j L«i.>uIt„.ViiX 111 VLaWL WicaWon, CW.KRElIlEs-'S Veria« . :■ ^, 233 Große und zeugt von der Fruchtbarkeit des Bodens, wo feit Jahrtausenden eine Pflanzengencration nach der andern zur Bildung einer tiefen nie gestörten Humusdecke beigetragen hat. In dem Thale, welches in die Bucht Tai-Hao einmündet, maß Dumont D'Urville eine Baniane, die 6 Fuß über der Erde einen Umfang von 77 Fuß hatte und denselben Durchmesser bis zu einer Höhe von etwa 40 Fuß beibehielt, wo der Stamm ungefähr 15' dicke Zweige bildete, die wagerecht sich ausbreitend einen kreisrunden Raum von mehr als ^'»00 Fuß im Durchmesser beschatteten. Dieser Riese stand vielleicht schon groß und mächtig da, ehe noch die ersten Ansiedler auf der Insel landeten. Der Hauptbach des Thales benetzte den vielwurzeligen Fuß des königlichen Baumes, und dort pflegte Dumont während seines kurzen Aufenthaltes auf den Marquesas jeden Abend auf einem Basaltblock zu lagern, den friedlichen Träumereien hingegeben, welche die idyllische Umgebung in seiner Seele hervorrief. Doch Wir ziehen weiter das Thal hinauf, wo mit jeder Minute das Ansteigen durch das dichte Gestrüpp beschwerlicher wird. Endlich ist die freie Anhohe erreicht, und eine Aussicht entfaltet sich vor unseren Blicken, die uns reichlich für alle Mühe des Bergsteigens entschädigt. Tief unten liegt die Bucht von der anrollenden Brandung weiß umrandet, während das vor Anker liegende Schiff schwarze und zitternde Linien über den azurnen Wasserspiegel wirft, den kaum die Brise kräuselt. Weit hinaus schweift das Auge über das dunkelblaue unermeßliche Meer, von der wolkenlosen Himmelskuppel überwölbt und verliert sich in den dunstigen Horizont. Am Fuße einiger Casuarinen hingestreckt, die einförmig melancholisch im Winde rauschen, verträumt der Wanderer die Zeit im Anschauen des anmuthigen Bildes, und gedenkt dabei der unermeßlichen Ferne die ihn vom geliebten Vater-lande trennt! Wenn die sleiltüstigen Marquesas dem Schiffer nur wenige unterseeische Gefahren darbieten, so findet er dagegen auf allen Inseln mit Ausnahme der Südtüste von Ruka-Hiwa nur offene Rheden oder wenig geschützte Ankcr^ platze. So gewähren die an der Westküste von Taouata gelegene Buchten VaNaou und Amanoa nur während der Herrschaft des Passates dem Seefahrer die erwünschte Sicherheit. Als bester Hafen an der Südküste von Mta-Hiwa wird die in deren Mitte gelegene vielbesuchte Bucht Taio-Hae oder Anna-Maria geschildert, an deren schmalem Eingang zwei nackte schwärzliche Felsen, durch schmale 234 Kanäle vom Lande getrennt, wie zwei riesige Schildwachen sich erheben. Das Innere der Bucht erweitert sich zu einem fast kreisförmigen, von hohen Bergen rings umschlossenen Amphitheater, und dab Auge, eben noch von dem einförmigen Bilde der nackten Felsenküste ermüdet, weilt nun mit Entzücken auf einem lieblichen Gestade, zu welchem mehrere anmulMe Thäler sich Herabsenfen. Ein herrlicher Pflanzenteppich, dessen Schattimngen vom dunkelsten Grün zum Lichtgelb abwechseln bedeckt überall den Boden der Thalgründe, der Bergabhängc und sogar der hohen Gipfel, welche den Horizont begrenzen und zeigt in malerischer Abwechselung die siederformig getheilten Wedel der Palmen, die zerfetzten Riesenblätter der Bananen, des Brodbaums köstliche Früchte, das stachelige Laub des Hibiscus und die mannigfaltigen Formen einer Menge anderer, theils nützlicher, theils schöner Gewächse. Am Südostende der Insel liegt die Comptroller Bai, ein ansehnlicher Meereseinschnitt, der durch zwei vorspringende Felszungen in drei kleinere Buchten getheilt wird -, und etwa drei Meilen westwärts von Taio - hahe finden wir den von Krusenstern entdeckten Tschitschagon Busen, einen kleinen aber mit malerischen Reizen reichlich geschmückter Hafen. Im Hintergrunde desselben liegt ein ebenes Sandufer und hinter diesem eine Matte, die mit dem schönsten Nasen eines Parks verglichen werden kann und durch das von den Bergen herabqucllcnde Wasser in ewiger Frische grünt. Trotz seiner tropischen Hitze soll das Klima der Marquesas eins der gesundesten Polynesiens sein und das frische Aussehen aller Einwohner scheint dieser Behauptung nicht zu widersprechen. So wie überall zwischen den Wendekreisen, wo keine besonderen Lokalverhältnisse die gewöhnliche Ordnung stören, stellt sich der periodische Regen in den Wintermonaten ein, von November bis April, nur soll er hier seltener und weniger anhaltend sein. Die alsdann ziemlich häufig vorkommenden Nordweststürme, die mitunter auf an^ dem Inseln die Brodfruchtbäume umwehen und sonstige Verheerungen an^ richten, sind hier minder verderblich, da die angebauten Thäler grbßtentheils durch hohe Bergzüge vor dem Winde geschützt sind. Im Sommer herrscht der Südostpassat, dessen Dünste durch die Gipfel des Hochlandes verdichtet, der entsprechenden Seite der Inseln ein frischeres grüneres Ansehen verleihen Die natürlichen Produkte der Marquesas haben große Aehnlichteit mit denen der Gesellschaftsiuseln. Das Schwein zeigt noch in großer Reinheit die hagere Gestalt, die längliche Schnauze, den gewölbten Rücken, den auf- 235 rechten Schwanz, die spitzigen Ohren und die kleinen rehartigen Füße der ursprünglichen polynesischen Race. Die vorherrschende Farbe ist schwarz oder grauschwarz, die Borsten sind lang und die Haut darunter hat eine dichte Decke von kurzen gekräuselteil Haaren, die der Wolle sehr ähnlich sind. Die alten Eber haben gewaltige Hauer, mit welchen sie die Eocosnüsse zerschlagen, und ein Fell von außerordentlicher Diele. Einige sind zum Theil gezähmt, doch irren die meisten in wilder Freiheit auf den Bergen umher. Noch vor zwanzig Jahren waren Katzen und Ziegen die einzigen erotischen Vierfüßer; doch sind ihnen später das Rind und das Pferd zugesellt worden. Außer den bereits erwähnten Vögeln zeichnen sich auch noch eine kleine schwarze Salangane aus, die mit unablässigem Fluge die Insekten verfolgt, sowie ein eigenthümlicher gleichmäßig weißer Tölpel, der mit ähnlicher Gier den Fisch im Meere beunruhigt. Der schöne Tropikvogel wiegt sich in den Lüften hoch über den tiefen Gebirgsschluchten und nistet vorzüglich auf den kleinen unbewohnten Nebeninseln, wo er wie auch auf Tahiti und andern polyne-sischen Gruppen seiner langen schwarzen Schwanzfedern wegen verfolgt wird. Von Reptilien findet man eine kleine laum zwei Fuß lange Boaschlange; eineil Stink, dessen ultramarinblauer Schwanz herrlich in der Sonne glänzt, und einen kleinen dunkelfarbigen Gecko, der bei der Annäherung des Menschen unter den Steinen sich verbirgt. Keines dieser Thiere ist schädlich. Unter den Fischen war der einzige, den Bennett nicht auch auf Hawaii und Tahiti sah, eine Art Caesio an Größe und Form unserem Häling ähnlich, aber schön lila nnd blau gefärbt mit einer gelben Laterallinie. Dieser Fisch wird in großen Mengen gefangen und verzehrt. Das Insektenreich scheint nur durch wenige Arten vertreten zu sein, unter welchen ein riesiger Tausendfuß und eine eigenthümliche kleine Schabenart mit vollständig, wie bei den Käfern, ausgebildeten Flügeldecken die bemerkenswerthesten sind. Das Pflanzenreich auf den Marquesas begreift alle nahrhaften Gewächse der GcsellschaMnseln mit der einzigen Ausnahme des ^o»äiu» ^luloik. Flnchtbäume, wie die Cocosnnß, die Vrodfrucht, die Eugenia und die Süd-seekastanie, bedecken so weite Strecken, daß sie den Namen von Wäldern verdienen und kaum »nag sonstwo auf Erden noch ein Fleck sich finden, der so wie diese Thäler eine solche Fülle von Nahrungsstoffen freiwillig hervorbrächten. Der Pavimnaulbeerbanm und der Curcuma werden gebaut, jener zur Verfertigung des Tapatuchs, dieser zum Färben und zum Schminken. 236 Der Berg- und Sumpfmro wachsen wild uno vernachlässigt, wogegen man die Batate als Nahrunaspflanze zieht. Die mehr geschützten feuchten Abhänge sino dicht bewachsen, mit Pan-dangen, Alcuriten, Feigenbäumen und Bergplatanen, während die dürren sonnenverbrannten Hochlande wie die ähnlichen Lagen auf Hawaii und Tahiti, mit der (^oiollounn, Ilvlingnni, einer niedrigen Baumfarrenart, »der mit Dickichten des wilden Zuckerrohrs bedeckt sind, über welchen hier und dort düstere Kasuarinen hervorragen oder die zerstreuten Kronen einer Fächerpalme, die auf jenen Gruppen nicht vorkommt und sich vor allen übrigen Gewächsen durch den schönen wahrhaft orientalischen Charakter ihres Blätter-Baldachins auszeichnet. Von der körperlichen Beschaffenheit der Marquesasinsulanrr entwerfen uns die Reisenden ein viel schmeichelhafteres Bild als von ihrem moralischen Charakter. „Der Nukahiwcr", sagt Krusenstcrn, ist durchgängig von großem Wuchs und sehr wohl gebaut; er hat starke Muskeln, einen schonen langen Hals und äußerst regelmäßige Gesichtszüge, in denen man etwas Gutes vermuthen tonnte, welches sich auch wirklich im Umgänge mit ihnen äußerte; wenn man aber weiß. welcher Abscheulichsten diese schönen Menschen fähig sind, so verschwindet das gute Vorurtheil von ihrem Mcnschenwerthe, zu welchem man so leicht durch die schöne Form des Körpers verleitet wird und man endeckt in ihren Gcsichtszügen nur stumpfe Gleichgültigkeit." Das sehr starke Tätniren, welches sogar auf das Gesicht sich erstreckt, giebt ihrem Körper ein schwärzliches Ansehen, sonst ist ihre Haut nicht viel dunkler gefärbt als die der Südeuropäer. Die Frauenzimmer sehen durchgehende sehr wohl aus, wenigstens läßt sich an ihren Gesichtszügen nicht viel aussetzen. Nin wohl proportiomrter Kopf, ein mehr rundes als längliches Gesicht, ein großes funkelndes Auge, eine blühende Gesichtsfarbe, sehr schöne Zähne und gekräuseltes Haar, welches sie mit einer weißen Binde geschmackvoll zu zieren wissen, zeichnen sie sogar vor den Tahitierinnen vvrtheilhaft aus, doch läßt sich ihnen eine verhältnißmäßig dicke Taille und ein etwas plumper Wuchs der unteren Körpertheile vorwerfen, wogegen ihre Arme und Hände äußerst schbn geformt sind. Auch durch den beneidenswerthen Besitz einer kernigen Gesundheit zeichnen sich die Rnkahiwer vor den meisten Polynesicrn aus; sie leiden weniger an Krankheiten als die Tahitier, und die Elephantiasis, die sonst auf allen Gruppen 237 und Inseln des großen Oceans fast ohne Ausnahme einen Theil der Bevölkerung verunstaltet, scheint bei ihnen fast unbekannt zu fein. Die spärliche Kleidung beider Geschlechter besteht gewöhnlich nur aus einem schmalen Maro, der um die Husten gegürtet und zwischen den Schen leln durchgezogen wird, und einem Stücke Tava oder einer Matte die um die Schultern gehängt, den Rücken gegen die Sonnenstrahlen schützt; um so mannigfaltiger sind aber die Zierrathen, womit unserer Silte entgegen die Männer sich viel reichlicher schmücken als die Frauen. Im festlichen Ornate erscheint der Krieger mit einem hohen Helme von schwarzen Hahnenfedern, wodurch seine martialische Gestalt noch mehr gehoben wird, auf seiner Stirn prangt ein halbmondförmiges, mit Perlmutter gezierte? oder über und über mit dem scharlachrothen Samen des ^b,-us preelUaviu« bedecktes Diadem; und ein auf ähnliche Art verzierter Kragen oder auch wohl eine Schnur von künstlich geschnitzten Schweins- oder Menschenzähnen hängt vorne auf seine Brust herab. Seine Ohren schmückt er mit großen weißen Muscheln, deren Höhlung er mit dem Harze des Brodbaums, auöfüllt, so daß ein durchbohrter Schweinßzahn daran befestigt werden kann, der durch die Ohrlappen gesteckt und vermittelst eines hölzernen Stiftes am Herausfallen verhindert wird. Bänder aus fein geflochtenen Menschenhaaren, die Trophäen erschlagener Feinde, umfassen die Hand- und Fußgelenke oder umgürten auch wohl den peil?, und ein knrzer weißer Mantel aus gebleichten Bastfasern künstlich geflochten, wallt über den Rücken herab. So schreitet der geputzte Nukahiwer zur Schlacht, die schwere Keule auf der Schulter, das große Tritonshorn an der Seite, mit desfen rauhen Tönen er den Wiederhall des Gebirges erweckt, sein Auge flammt, Kraft und Entschlossenheit malm sich in allen seinen Geberden, in der edlen majestätischen Haltung, im leichten geflügelten Gange- nirgends fände der Bildhauer ein schöneres Vorbild um. das Ideal eines wilden Kriegers, eines braunen Apollons darzustellen. Eigenthümlich ist der große rauten oder halbkreisförmige, künstlich aus Cocosnußblättchen geflochtene und mit Muschelkalk weißgefälbte Fächer, den die Häuptlinge gewöhnlich mit sich herumtragen. Der Stiel ist entweder aus Holz oder aus dem Arm» oder Beinknochen eines erschlagenen Feindes, in welchcn fratzenhafte Göncnfiguren eingcschnitzt sind. Die Nukahiwer rasiren ihren Part, lassen aber am Kinn einen kleinen Büschel von Haaren stehen. Den Kopf rasiren sie bis auf zwei Stellen an 338 jeder Seite, von welchen sie das Ham in zwei Locken aufbinden, die sie dann mit gebleichtem Tapatuch umwickeln. Diese tleinen weißen Hörner über dem schwarztätowirtcn Gesichte hervorragend, haben ein seltsames, fast diabolisches Aussehen. In Größe, Bauart und Reinlichkeit nehmen die Wohnungen der Nuta-hiwer ungefähr die Mittelstufe zwischen denen der kunstfleißigeren Gesellschafts« insulaner und der weniger indnstriösen Hawaiier ein. Sie sind länglich viereckig, mit einem schräg nach vorn sich senkenden Dache, so daß die hintere Wand 1l> bis 12 Fuß hoch ist, und die vordere, in welcher der niedrige Eingang sich befindet, nur noch ^> oder 4. Das Fachwelk besteht aus Bambus- oder Hibiscutzstdckcn, und das Dach und die Wände sind mit einer dicken Lage von Paudanus-, stoeos-, Brod-frucht- oder Fächerpalmblättern brdeckt, welche nicht nur den Regen, sondern auch den Luftzug und das Licht ausschließt. Jede Hütte ruht auf einer etwa 2 Fuß hohen Plattform vou Steinen, die weit gruug von dcn Wänden der Wohnung absteht, um zum Sitzen benutzt zu werden. Das Innere ist eben^ falls mit schwarzen Steinen belegt, auf welchen die ganze Familie schläft. Das Hausgeräthe ist, wie man sich denken tann, von der einfachsten Art, und rings herum hängen von den Wänden herab dic feineren Matten, die Kleidungsstücke, die Waffeu, die Beile, die Trommeln und die Kalebassen, welche das ganze bewegliche Eigenthum der Familie ausmachen. Der Schiffbau der Nukahiwer zeigt weniger Kunstfertigteit als der der westlicheren Gruppen, welches vielleicht dem Mangel an Lagunen, die so sehr zur Uebung des Schiffers beitrageu, oder auch wohl dem Umstände zuzuschreiben ist, daß ein jeder, der nur ein Stück Land von einiger Größe besitzt, das Fischen verachtet und es der ärmeren Classe überläßt, auf diese Art ihren Unterhalt zu erwerben. Auch der Ackerbau zeigt geringere Fortschritte als auf Tonga oder Hawaii, da der Brodbaum, die Cocosvalme und die Bananen, die sämmtlich keine Pflege erfordern, den genügsamen Nukahiwer fast ausschließlich mit Nahrung versehen, uur oic Freigebigkeit der Natur fast j>,'de Arbeit überflüssig macht, In der Zubereitung der Speisen, dem Flechten von Schnüre, dem Schlagen von Tapatuch und dem Verfertigen von Matteu finden die Weiber etwas mehr Beschäftigung als die Männer, die den größten Theil des Tages in Müßiggang zubringen, besonders seitdem durch dic allgemeine Einführung der Muskete, die alten künstlich geschnitzten Waffen außer. Ge- 239 brauch gelommcn sind, deren Verzierung in früheren Zeiten manche müßige Stunde in Anspruch »ahm. Die geologische Bildung eines Landes, wo das Gebirge in zahlreiche, durch ihre Fruchtbarkeit sich selbst genügende und durch ihre schwere Zugäng-lichkeit leicht zu vertheidigende Thäler sich zerklüftet, mußte natürlich der (iin führung einer Monarchie sehr hinderlich sein. Die Seefahrer fanden Taher nicht auf den Marquesas wir auf den Sandwich Inseln oder auf Tahiti eine allgemein anerkannte königliche Familie, dcrcn Macht zwar sehr beschränkt war, die aber doch als die höchste im Range anerkannt wurde und fast göttliche Ehren genoß, sondern fast jedes Thal stand unter der Herr^ schaft einctz unabhängigen Häuptlings, der mit Hülfe des Tabous und unter Mitwirkung der Priester einc fast unumschränkte Herrschaft über das ihm untergebene Volk ausübte. Tic Würde des Häuptlings war erblich, doch während auf Tahiti und einigen andern Gruppen, nach dem bereits erwähnten höchst merkwürdigen Gebrauch, der ältestt Sohn gleich nach srinrr Geburt als Herrscher anerkannt wurde, und der Vater nur noch als Reichsverwescr die Zügel der Regierung führte, dankte der manM'sanische Despot, wie unsere europäische Regenten, nur mit dem Tode ab. Die religiösen Begriffe der Rukahiwer waren wenig dazu geeignet ihren moralischen Charakter zu heben. Auch sie hatten, wie die Hawaiier und die meisten andern Polynesia, ein reich bevölkertes Pantheon, aber auch ihre Götter waren grausame Wesen', die nur nach dem Grade von Furcht, welchen sie einflößten verehrt wurdrn, und deren Wuth nur durch menschlichc Opfer besänftigt werden konnte. Der Glaube an Zauberei war allgemein, und auch hier wie auf Tahiti und Hawaii gründete sich die Macht der Priester größtentheils auf die ge^ waltigen Wirkungen, die man ihren magischen Künsten zuschrieb. °Da nach einem bewährten Sprichworte der Müßiggang aller Laster Anfang ist, und der von seinen Leidenschaften stets hin und her bewegte Mensch beim Mangel an nützlicher Beschäftigung um so leichter zum Bösen verleitet wird, ist es nicht zu verwundern, daß ewige Kriege die verschiedenen Thalbewohner der Inseln entzweiten. Nm selten kam es dabei zu größeren offenen Schlachten, sondern nach Art der reißenden Thiere, lauerte der Nukahiwcr auf seinen Feind und suchte ihn durch plötzlichen Ucberfall zu verderben. Wer in diesen Künsten und Kriegslisten dic größte Geschicklichkeit zeigte; wer 240 am längsten ohne die geringste Bewegung zu machen im hohen Grase liegen oder im Dickicht sich verbergen lonntc; wer am leisesten Athem schöpfte, am hurtigsten lief oder am geschicktesten von einem Felsen zum andern sprang, um unversehens seine Beute mit der Mordkeule zu treffen, erwarb sich, wie der hellenische Ulysses, nicht weniger Kriegsruhm unter seinen Kameraden, als Ob er der tapferste und heldenmüthigste Achill gewesen wäre. Die erschlagenen Feinde wurden mit kannibalischer Freude verzehrt und Krufenstern, der überhaupt auf die Polynesier nicht so gut zu sprechen ist wie Georg Forster, beschuldigt sogar die Nukahiwer zur Zeit einer Hungersnoth ihre Weiber, Kinder und abgelebte Eltern gewürgt, das Fleisch gebacken und es dann mit dem größten Wohlgefallen verzehrt zu haben, ein Grad der Verworfenheit, wie er sich in der ganzen Südsee nur bei den Fidschi Insulanern wiederfindet, und der den Menschen, der sich mit einer solchen Ab-scheulichteit befleckt, noch eine Stufe niedriger als das Thier erscheinen läßt. In einem Lande wo fast ununterbrochene Blutfehden herrschten, konnte natürlich die Bevölkerung niemals eine der Fruchtbarkeit des Bodens angemessene, Stärke erreichen, doch hat auch hier die schon früher verhältnißmäßig geringe Volkszahl noch um ein bedeutendes abgenommen, seitdem die Einführung des Schießgewehrs die Kriege mörderischer machte und der wachsende Verkehr mit den Weißen der ursprünglichen barbarischen Sittenlosigkeit auch noch die schlimmsten Laster der Civilisation hinzufügte. Im Jahre 1842 schätzte Dupetit-Thouars die Bevölkerung der Marquesas, deren Oberfläche etwa 127,000 Hectarcn (500,000 preuß. Morgen) beträgt, auf nicht mehr als 20,000 Seelen, so daß wenn wir auch mit Vincendon-Dumonlin annehmen, daß Dreiviertel des Landes aus steilen des Anbaus unfähigen Felsen bestehen, doch nur ein Mensch auf 6 Morgen eines Bodens kam, dessen üppige Fruchtbarkeit eine wenigstens zehn Mal stärkere Bevölkerung ernähren tonnte. 241 Achtzehntes Kapitel. Die Geschichte der Marquesas, seit ihrer Entdeckung durch Mendana. Menbana cndeckt Fatou-Hi^a s15»951. — Gefecht mit den Wilden. - <5ook 1774. -Inarahmn 1781. — Marchand 1791. — Hergest 1792. Ankunft der Missionare 1797. — Ihr Schicksal. — (5ro°k entflieht auf d«r „Betsy". - Kniscnstern 1804, — Kerr Portrr in der Taio-Hne Vucht 181>l. — Kriea, mit den Happa^ und den TaiplZ. — Die Amerikaner müssen sich zm-ückzichen, erneuern jedoch den Angriff über die Verge — dringen in das Thal — zerstören die Dörfer. — Crook's abermalige Vckehrunqs, versuche. — DupetitThouars und Dmnont d'Urville 18W. — Katholische Missionare. — Französisches Protcttorat 18^2. <2ie Habsucht ist bekanntlich von jeher eine viel mächtigere Triebfeder zu geographischen Entdeckungen alß die reine Liebe zur Wissenschaft gewesen. Sie war der unwiderstehliche Magnet, der die Russen bis zum äußersten Ende Sibiriens und von dort durch das neblige Aleiitenmcer nach dem gegenüberliegenden Amerika zog, sie war es auch, die mit gebieterischer Kraft die goldgierigen Spanier von den Antillen nach Mexiko und von Panama nach Peru führte. Je weiter diese letzteren vordrangen, je mehr sie besaßen, desto mehr wuchs ihre Begierde nach neuen Entdeckungen, nach neuem Besitz, und nicht damit zufrieden, die ganze Westküste Amerika's von einem Wendekreise zum andern zu beherrschen, warfen sie sehnsüchtige Blicke auf das unerforschte Meer, dessen Größe ihnen Magellan zuerst offenbarte, und in dessen geheimnißvollem noch unerforschten Schooße sie sich noch reichere Länder, als die bereits besessenen, träumten. Sogar die herrschenden Winde begünstigten diesen Trieb, und es war als ob der beständige Passat sie zu ihrem Glücke hinauslocken wollte in immer weitere Fernen. Schon im Jahr 1526 sehen wir daher Saavedra, einen Verwandten des berühmten Cortez, in den großen Ocean hinaussteuern und einige wahrscheinlich zum Radack Archipel gehörige Inseln entdecken, welche natürlich den gehegten Erwartungen nur weuig entsprachen. Ebenso unfruchtbar war eine Expedition, welche im Jahre 15l>? unter Alvaro Mendana da Neira den Hafen von Calla» verließ, denn wenn sie auch die Spanier zuerst mit den Salomon's Inseln betannt machte, so war dieses Hartwig, dlc Inseln des nn'iien Oceans, 16 242 doch nur ein sehr geringer Erfolg für Abenteurer, welche eine jede Reise für verunglückt hielten, die nicht zur Entdeckung neuer Goldschätze führte. Acht und zwanzig Jahre später versammelte sich jedoch in demselben Hafen und unter demselben Befehlshaber ein kleines Geschwader, wovon jedes Schiff zwar den Namen eines Heiligen trug, aber nichts destoweniger mit dem Auswurf Peru's bemannt war, um auf jener fernen Inselgruppe eine neue Kolonie zu gründen. Am !1. April 1795 verließ die kleine Flotte Callao, und am 21. Juli, als schon die Sonne dem westlichen Horizont sich näherte, erblickte sie die über ^00 Fuß hohe Bergspitze von Fatou-Hiva, der südlichsten der Marquesas. Manches Herz pochte, mit schnelleren Schlägen als die unsicheren Formen des unbekannten Landes aus dem dunstigen Ocean emporstiegen; manche Hoffnung wurde wach. Obgleich Mendana es wohl wußte, daß die neu-entbeckte Küste vom Ziele seiner Reise noch weit entfernt lag, so steuerte er doch auf sie zu, und bald waren seine Schiffe von mehr als 400 Wilden umringt, die theils in Pirogen, theils auf Flößen, oder sogar der eigenen Schwimmkraft vertrauend, herbeikamen um das nie gesehene Meereswunder anzustaunen. Sie brachten Cocosnüsse uud Bananen, die Geschenke des Friedens, und als die Spamer sie dazu einluden, kamcn ungefähr 40 Män-ncr, große schön.' Gestalten, an Bord. Anfangs betrachteten sie die ihnen so fremden Gegenstände mit der Ncugicrde von Kindern, doch mit dem Cigen-chumsrechte wenig vertraut, erlaubten sie sich bald eine Menge kleiner Diebstahle, welche die Geduld der nicht sehr langmüthigen Spanier auf eine zu harte Probe stellten. Es ward ihnen befohlen sich zurückzuziehen, aber sie weigerten sich ganz entschieden. Um sie einzuschüchtern wurden nun einige Flinten über ihre Kopfe abgeschossen, doch wenn auch ein Theil der Zudringlichen vom ungewohnten Knall erschreckt sogleich in's Wasser sprang, widersetzten sich andere und wurden nur durch Gewalt über Bord geworfen. Ein Grcis zeichnete sich vor allen durch seine Hartnäckigkeit aus, und fest an das Tauwcrk sich antlammcmd, gab er nur nach, nachdem man ihn an der Hand mit einem Säbcl verwundet hatte. Nun erhob sich auch das Kriegsgeschrei der Wilden, die sogleich zu den Waffen griffen, welche sie iu ihren Pirogen versteckt hielten, und mit einer Tollkühnheit, dir aus ihrer Unwissenheit entsprang, es Versuchten das Admiralsschiff als gute Prise nach der Küste zu schleppen. Eine MMetensalve war die Antwort auf diesen frechen Angriff, 5 oder tt Wilde, unter welchen jener muthige Gn'is, wur- 243 den getödtet und eine noch größere Anzahl verwundet. So ward auch hier datz lrste Zusammentreffen der Europäer mit den Polynesian durch Blut befteckt, und Mord war das erste Geschenk, welches der Christ seinem unwissenden Bruder brachte. Nur eiu Spanier wurde leicht in jenem so ungleichen Gefecht verwundet. Ohne sich aufzuhalten segelte Mendana weiter, entdeckte drei neue Inseln (Motane, Hiva-va, Taouata), die er San Pedro, Santa Christina und La Dominica nannte, und ankerte am 2tt. Juli im Hafen Madre de Dios auf Taouata. Eine feierliche Messe wurde am Strande gelesen und dann unter dem üblichen Kanonendonner und deiF' Aufpflanzen des Krmzeö im Namen seiner katholischen Majestät Besitz von den Inseln genommen. Doch auch hier entstanden bald Mißhelligkeiten zwischen den Wilden und den Europäern; auch hier folgten oald Flintenschüsse dem ersten freundlichen Begegnen- die erschreckten Insulaner flohen auf die Berge, und taum hattcn die Spanirr der Mutter Maria für die Entdeckung der Inseln gedankt, als schon die unglücklichen Taouatancr ihre Götter anflehten sie von diesen furchtbaren Fremden zu befreien. Morgens und Abends hörte man ihren Kriegsgesang, doch ihre Wurfspieße flogen aus zu großer Ferne, als daß sie den Spaniern hätten schaden tönneu, welche ihrerseits wahrscheinlich mit besserem Erfolg auf alle Wilde schoben, die sich aus ihren rohen Verschanzungen hervorwagten. Endlich zeigten sich die Taouataner zum Frieden geneigt, denn der Wunsch in ihre Hütten am Strande zurückzukehren, überwog allmälig die gerechte Erbitterung. Sie legten Geschenke von Banauen und Brodfrüchte in die Nähe der spanischen Vorposten hin; und da ein gutes Einverständniß auch im Vortheil Mendana's lag, ward ihrem Entgegenkommen freundlich begegnet. Man reichte sich die Bruderhand, und Namen wurden nach polynesischrr Sitte gewechselt, doch nichts destoweniger war die Freude groß als die Spanier am 5. August die Anker lichteten und bald darauf, um nimmer wiederzukehren, aus dem Ge° sichtskreis verschwanden. Mendana gab den vier von ihm entdeckten Inseln den Namen der Marquesas de Mendoza, seinem Gönner, dem Vicetönig von Peru zu Ehren; er errichtete drli Kreuze auf dem blutbefleckten Boden, uuo ließ nach Sitte der damaligen Seefahrer, seinen Namen und das Datum seiner Ankunft, als Zcichen der Besitznahme in die Nindr cinrr ungeheuren Baniane einschneidcn. 16" 34^ Fast zwei Jahrhunderte vergingen ehe wiederum ein europäisches Schiff bei der Inselgruppe erschien; doch als am 6. April 1774 Cool in denselben Hafen einlief, wo früher die Spanier gelandet waren, gaben die Eingebomen durch ihr scheues Betragen zu erkennen, daß der Zorn der fremden Himmelsfohne oder Atouas, der ihren Vorvätern so furchtbar gewesen, noch immer m der Voltssagc fortlebte. Dennoch näherten sie sich mit den Zeichen des Friedens, und einige wagten sich sogar an Bord der „Resolution",, obgleich die mit Steinen beladenen Boote nnd die Schleudern, womit alle Männer bewaffnet waren, ihr Mißtrauen genügsam verkündeten. Zahlreiche Geschenke beschwichtigten die Furcht, doch nun erwachte die Habgier; Waaren Wurden anfangs getauscht, aber bald kam auch der Diebstahl an die Reihe: ein werthvoller Gegenstand wurde entwendet, und in der ersten Aufwallung des Zorns der Schuldige durch einen Flintenschuß getödtet. Nun wirbelten die schaurigen Kriegstrommelu und die Wilden eilten mit ihren Waffen kampflustig herbei; einige Geschenke stellten jedoch die Nuhc wieder her. und von nun an biß zur Abfahrt der Engländer, am 1^. April, blieb der Frieden ungestört. Einige Jahre nach dem Besuch des großen Seefahrers fingen auch HandMchisse an häufiger in diesen Gegenden zu erscheinen. 17'N entdeckte der Amerikaner Ingraham die noch unbekannten nördlichen Inseln der Gruppe; einen Monat früher als sie von dem Franzosen Marchand gesehen wurden, welcher dem Archipel, den er zuerst erblickt zu haben glaubte, den Namen dcv Revolutionsinseln gab. Im darauf folgenden Jahre lief am 22. März der englische Lieutenant Hergest mit dem „Daedalus" in den Hafen Madre de Dios ein. Starte Windstöße von de,^ hohen Bergthälern herabsausend, rissen das Fahrzeug vom Anker, und zugleich brach auch Feuer an Bord des gefährdeten Schisses aus. Der Eifer Womit die Mannschaft die doppelte Gefahr glücklich be-lämvfte, ward ohne Zweifel durch ven Gedanken erhöht, wie schrecklich ihr Loos sein würde, wenn das Schiff strandete und sie wehrlos in die Gewalt von Wilden geriethen, deren Mordlust nur durch die Uebermacht gezügeit werden konnte. Am folgenden Morgen landete Hergest mit 4 Mann um frisches Wasser einzunehmen. Die heftige Brandung war ihm dabei sehr hinderlich, und sowie er Fuß an's Land setzte, tonnte er sogleich erkennen Wie traurig es ihm im Fall des Schiffbruchs ergangen ware, denn die zahlreich am Strande versammelten Wilden benutzten sofort die Schwäche der 245 gelandeten Mannschaft, um Alles was sie nm ergreifen konnten zu stehlen, so daß bald kein einziger Eimer zur Füllung der Wasserfässer mehr übrig blieb. Die Vorsicht gebot diese Unbilden mit Geduld zu ertragen, und man war froh olM größeres Unglück vom Ufer wieder abzustoßen. Die Sicherheit der Engländer erforderte zwar die schleunige Bestrafung dieses frevelhaften Betragens, doch begnügte sich der menschenfreundliche Hergest, als er mit seinen bewaffneten Bootrn an's Land ruderte, über die Köpfe der am Strande versammelten Eingeborncn zu schießen. Alle flohen mit Ausnahme eineö einzigen .Kriegers, der mit der Schleuder in der Hand seinen Platz behauptete und nicht aufhören wollte Steine gegen die Engländer zu schleudern. Die Bewunderung, welche sein Muth einflößte, rettete ihm das Leben. Einige über das Dorf geschossene Kanonenkugeln vollendeten den Schrecken der cilig in die Berge fliehenden Menge, und so endete der blutlose aber um so ehrenvollere Kampf. Noch an demselben Abend schwamm ein Wilder mit einem grünen Friedenszweige nach dem Daedalus, und am folgenden Morgen ruderten zahlreiche mit Lebenßmitteln beladene Pirogen herbei. Die Eingeborenen waren dießmal ruhiger aber nicht minder diebisch, und ihre Menge ward endlich so lästig, daß sie mit Gewalt vom Bord vertrieben werden mußten, wobei das schöne Geschlecht sich besonders durch seine Widerspenstigkeit auszeichnete, und nur als einige harmlose Schüsse sielen, entschlossen sich die zahlreichen Naiaden, so wie sie gekommen waren, der Küste wieder zuzuschwimmen. Geschenke und Versprechungen wurden vergebens angewandt um die Rückgabe der gestohlenen Gegenstände zu erlangen. Am 29. März, als schon die Anker gelichtet waren, ergriff man daher einige Häuptlinge, die sich eben noch an Bord befanden und sperrte einen derselben in dir große Kajüte ein, mit der Drohung, daß wenn das vermißte Eigenthum nicht sofort zum Vorschein käme, man ihn mitnehmen würde. Dieses Kraftmittel half, denn schon nach einer halben Stunde erschien ein Boot mit dcn verlangten Gegenständen, und einige kleine Geschenke entschädigten den armen Häuptling für die ausgestandene Angst. Der brave Hergrst drückt in seinem Berichte die lebhafte Freude aus einen Hafen friedlich verlassen zu haben, wo wiederholte freche Diebstähle so leicht zu blutigen Conflikten hätten führen können. Mit den bereits von Ingraham gemachten Entdeckungen unbekannt, besuchte n' die nördlichen Inseln der Gruppe und gab ihnen Nannn, welche man ebensowenig beibehalten hat, wie diejenigen, die von seinem Vorgänger 246 Marchand oder seinem unmittelbaren Nachfolger, dem Amerikaner Robert« l^25. Juni l?92) den einzelnen Inseln cttheilt wurden, da bekanntlich der ursprünglich von MeNdana gegebene Name der Marquesas auf den, ganzen Archipel ausgcdehn« worden ist, und man hier wie überall es vorzieht den verschiedenen Inseln ihrr alten polynesischen Namen zu lassen. Ter 5. Juni 1791 ist in den Annalen der Marquesas denkwürdig durch die Ankunft des uns bereits wohlbckaimtlN „Duff" im Hafen Madre de Dios. Bis jetzt hatte sich Niemand lim die moralische Verbesserung der Eingeborenen bekümmert, nun aber erschienen Lehrer deß Evangeliums in ihrer Mitte, die von reiner Menschenliebe beseelt, es versuchen wollten ein hohcreo Seelenleben unter den sinnlichen Polynesiern zu erwecken. Als dem Häuptling der Bucht Tenai. der Zwcck der Reise mitgetheilt wurde, erklärte er sich sogleich bereit die Missionare Harris und l5rool unter seinen Schutz zu nehmen, und überließ denselben eine Hütte und ein Stück Vand. Doch Harris, durch die Zügellosigkeit der Insulaner fast bis zum Wahnsinn erschreckt, schiffte sich sogleich auf dem „Duff" wieder ein; während sein mit stärkeren Nerven nnd beharrlicherem Muthe begabter Gefährte allein unter den Wilden zurückblieb; doch auch Crook mußte, noch ehe ein Jahr verflossen war, das Feld seiner Bestrebungen verlassen, ohne eine einzige Bekehrung vollbracht zu haben. Am 22. Mai 1798 befand sich nämlich die „Betsy", Capitän Fanning, bei der Insel Taouata und war bereits von mehreren Pirogen angesprochen worden, deren Mannschaft den Befehlshaber durch Zeichen und freundliches Zurufen dringend einluden sich von ihnen nach dem Ankerplätze führen zu lassen. Dieses war auch der Wunsch des Kapitäns, aber er zauderte noch immer, da ihm die Häfen der Insel gänzlich unbekannt waren. Heftige Regengüsse vertrieben die Wilden, doch taum hatten sich diese entfernt als man ein kleines Boot mit nur 2 Mann i>, aller Hast hnbeirudmi sah. Man wartete dessen Ankunft ab: aber wer schildert das Erstaunen des Ca-pitäns als er einen dieser Leute, der nackt wie die Insulaner und fast ebenso kupferfarbig war, mit lauter Stimme ausrufen hörte: „Herr! ich bin ein Engländer und komme zu ihnr,i um mein Leben zu retten!" Dieser einem Wilden so ähnliche Europäer war kein anderer als der ehrenwcrthe William Pascoc Crrol. der, so wie er an Bord stieg, mit tiefer Bewegung das Haupt beugte um der Vorsehung für seine Rettung zu danken, und dann erzählte, daß er ein Missionar sei, und wie seit emigen Wochen 247 das Betragen der Eingebornen so bösartig geworden, daß er sein Leben nur der Vermittlung des ihn nun begleitenden Häuptlings verdanke. Als seinen Hauptverfolger bezeichnete er einen italienischen Matrosen, der einem Hantelsschisse entlaufen war, welches bald nach der Abfahrt des „Duff" sich eine Seit lang bei Taouata aufhielt Dieser Schurke hatte ein Gewehr nebst einem guten Vorrat!) von Schießpulver und Kugeln vom Schiffe gestohlen, und sich mit Hülfe seiner Waffe einen großen Einfluß auf dir Häuptlinge zu verschaffen gewußt. Um fein Ansehen zu vermehren munterte er sie stets zu neuen Kriegen auf, und verleitete die bereits zum Bösen so sehr geneigten Insulaner zu den größten Grausamkeiten. Vergebens wollte der Missionar sich diesem Manne des Verbrechens widersetzen, sein Eifer hatte weiter keine Folgen als Feindschaften zu erwecken, die sein eigencs ^eben bedrohten. Der Italiener wünschte aber um so mehr ihn umzubringen, da sein Pulvervonach bereits auf die Neige ging und mit diesem auch sein Einfluß schwinden mußte. Um sich frischen Schicßbcdarf anzuschaffen, hatte er den Plan gefaßt mit Hülfe der Eingebornen sich des ersten Schiffes zu bemächtigen, welches die Insel besuchen würde. Eines jeden Verbrechens fähig hatte der Elende keine andere Furcht, als daß es Crook noch gelingen möchte seine teuflischen Absichten zu durchkreuzen, und diese trieb ihn dazu sein frevelhaftes Unternehmen so bald wic möglich auszuführen. Nichts lonnte ihm daher erwünschter scin als die Ankunft rer „Betsy", eines kleinen, schwachen Schiffes von nur hundert Toninn. Beim ersten Erscheinen des Fahrzeuges wäre der Missionar ohne allen Zweifel von seinen Feinden ermordet worden, wenn der Häuptling, zu welchem er geflohen war, ihn nicht auf's eifrigste beschützt hätte, Loch wurde ihm streng untersagt das Land zu verlassen, und da alle seine Bewegungen sorgfältig überwacht wurden, so verzweifelte er fast daran, den Capitän des Schisses noch zeitig genug warnen zu können, als glücklicher Weise der heftige, die Luft verdunkelnde Regen es ihm erlaubte unbemerkt zur Betsy heranzurudern. Nun erschienen die dringenden Einladungen der Eingebornen in ihrem wahren Lichte; weit entfernt aus einer freundlichen Gutmüthigkeit hervorzugehen, follten sie nur dazu dienen das Mißtrauen der Europäer einzuschläfern. In der Nacht follte ein Seil an's Schiff befestigt werden und zugleich ein geschickter Taucher die Ankertauc durchschneiden; worauf die am Ufer ver-' sammelte Menge das Fahrzeug auf den Strand gezogen hätte, wo die Mannschaft der so sehr gcfürchteten Kanonen fich nicht bedienen und ebenfo wenig 248 einem plötzlichen Angriff widerstehen konnte, besonders unter Leitung eines Europäers, der noch barbarischer als die Wilden selbst war. Um alle Spuren seincr Unthat zu verwischen, sollte keinem der Ucberfallenen das Leben geschenkt, und nach der Plünderung das Schiff verbrannt werden. Man kann sich denken, daß nach diesen Mittheilungen dem Capitän Fanning alle ^ust verging ans Taouata zu landen. Er belohnte mit reichen Geschenken cen edlen Häuptling, der vielleicht mit Lebensgefahr den Missionar an Bord gebracht hqtte, und durch sein schönes Betragen den erfreulichen Beweis lieferte, daß gute Menschen auch unter den wildesten Horden leben. Die Trennung dieser beiden Männer, die an .Kenntnissen sich so fern standen aber durch ihre Gefühle sich näherten, war rührend. Der Häuptling bat seinen Freund doch ja wiederzutommen und versprach auch ferner alle Schiffe zu warnen, die dieser ungastlichen Küste sich nähern mochten. Ueberglücklich cincr solchen Gefahr entronnen zu sein richtete nun Fanning seine Fahrt nach den nördlichen Inseln der Gruppe und erschien schon am folgenden Tage vor Hvua-poou. Während er einen sicheren Ankerplatz suchte, und ein ausgesetztes Boot mit der Untersuchung des Grundes beschäftigt war, ward das Schiff von einer großen Anzahl Pirogen umringt, und bald hörte strook bedrohliche Worte, denn auch diese Wilden dachten an Naub und Mord und drängten sich mit vcriätherischen Absichten zwischen die Betsy und das Boot. Doch zum Glück hatten sie sich selbst dem sprachkundigen Missionar verrathen; eine Flinte wurde abgefeuert, es blitzten die Säbel und die Mündungen der Kanonen erschienen an den geöffneten Luken. Diese kriegerischen Vorbereitungen schüchterten die Wilden ein, welche sogleich ausriefen: „dieses Schiff tommt vom Himmel, denn es führt den Donner mit sich, und seine Waffen kommen von der Sonne, denn sie haben deren Glanz." Am 25. Mai erreichte die Betsy ohne fernere Abenteuer den Hafen von Taio-Hae auf der Hauptinfel Nuka-Hiwa. Während ihres dortigen Vcrweilcns schienen die Eingeborncn so gutgesinnt, daß der edelmüthigc Crook, trotz aller erlittenen Drangsale dort zu bleiben verlangte, um wie er hoffte mit besserem Erfolge sein Brtehrungswerk fortzusetzen, und Capitän Fanning die aufopfernde Pflichttreue des Mannes bewundernd, der kaum dem Tod entronnen, dennoch bereit war sogleich wieder allen Gefahren im Dienste seines Herrn zu trotzen, beschenkte ihn mit einem Gewehre, damit er wenigstens nicht ganz schutzlos unter den Wilden verbliebe. 249 Doch auch dieser Versuch des wackeren Missionars blieb erfolglos; und er sah sich genöthigt die Vorbeifahrt des nächsten Handelsschisses zu benutzen, Welches ihn glücklich nach Port-Jackson brachte. Von dort aus begab er sich später nack) Tahiti wo Dumont D'Urville ihn im Jahre 18^8 noch antraf. Im Mai 1804 machte-Krusenstern cinen kurzen Aufenthalt auf Nuka-hiwa. Damals wurden die Inseln noch nicht so häufig von fremden Schiffen besucht, und das Eisen, womit der russische Weltumseglcr die ihm zugeführten Lebensmittel bezahlte, erregte eine lebhafte Freude. Der Veitehr mit den Eingeoorncn war fortwährend freundlich und Krusenstern erwies ihnen stets alles mögliche Gute, um ihnen, wenn nicht Gesinnungen der Dankbarkeit doch wenigstens des Wohlwollens einzuflößen, doch nichts destoweniger als sich brim Absegeln das falsche Gerücht verbreitete, daß eins von den russischen Schiffen gescheitert sei, hattc sich in weniger als zwei Stunden eine Menge von Insulanern am Ufer versammelt, die Me mit Streitkvlben, Aexten und Spießen bewaffnet waren, offenbar mit keiner andern Absicht als bei der ersten sich darbietenden Gelegenheit zu rauben und zu morden. Es bestätigte sich also auch hier, daß die vielgepriesene Outmüthigteit der Südseeinsnlaner nur dort sich zeigte wo sie den Stärkeren fürchteten, sich aber sofort gegen den Schwachen und Hülfsoedürftigen verleugnete. Während des letzten Seekrieges zwischen England und den Vereinigten Staaten zeichnete sich bekanntlich der amerikanische Capitän Kerr Porter dessen ich schon bei der Beschreibung der Galapagos flüchtig erwähnte, als einen der gefährlichsten Feinde der Engländer im stillen Ocean aus. Wie der Fregattcnvogcl auf die fliegenden Fischr oder der Hai auf die Häringc machte er mit seinen kanonenbespicttcn Schnellseglern aus ihre Walfischfänger Jagd. Doch auch Haifische und Fregattenvögel bedürfen der Ruhe, und theils um seine zahlreichen Prisen in Sicherheit zu bringen, theils um seine Schisse auszubessern und seinen vom langen Hin- und Herkrcuzen ermüdeten Matrosen einige Rast zu gönnen, erschien am 2A. October 1813 der berühmte Seeheld vor der Bucht Taio-Hae, die er jener Zwecke wegen zu einem längeren Aufenhaltc gewählt hatte. Seine vollständig zum kriege ausgerüsteten Schiffe, sowie die große Anzahl seiner Mannschaft setzten ihn über alle Befürchtungen von Seiten der Eingebornen hinweg, und der vortreffliche Hafen ließ sich leicht gegen einen möglichen Angriff der Engländer befestigen. 250 Porter fand drei Europäer auf Ruka-Hiwa, deren zwei mit dem Fällen des kostbaren Sandelholzes beschäftigt waren. Der dritte, ein englischer Ausreißer erregte anfangs sein Mißtrauen, wurde aber spater von ihm als Dollmetschcr benutzt. Durch Vermittlung dieses Mannes gab Porter den Eingebornen zu verstehen, daß er ein Lager in einiger Entfernung vom Dorfe errichten wolle, und daß cr jeden als einen Feind behandeln wurde, der es wagte mit den Waffen in der Hand sich demselben zu nähern. Eine Demarkationslinie wurde festgestellt, eine Wertstättc errichtet, und bald darauf die Schiffssegel gelandet um dort ausgebessert zu werden. Unterdessen erfuhr Porter, daß der Krieg zwischen den Tais oder den Bewohnern des Thales, in welchem er sich niedergelassen, nnd ihren Nachbarn den Happas ansgebrochen sei, und um allen Störungen vorzubeugen, ließ er sogleich den kriegführenden Stämmen verkünden, daß, so lange er dort bleibe, cr ihnen bei schwerer Strafe alle Feindseligkeiten untersage. Zugleich lud er die Happas ein all Bord seiner Schiffe zu kommen und dort ihre Schweine und Früchte zu vertauschen, und versprach ihnen vollständigen Schutz, wenn es den Tais einfallen sollte sie unterwegs zu belästigen. Doch am folgenden Tage kamen die Happaö, die sich wenig aus den Drohungen des Amerikaners machten, von den Bergen herab und fingen an die Brod-bäumc der Tais zu zerstören. Sie waren in voller Arbeit als Porter ihncn einen Boten sandte, der aber sehr schlecht empfangen wurde. „Die Fremden" sagten sie, „wagen es nicht uns zu stören, sie fürchten sich, wir werden sie bald in ihrem eigenen Lager angreifen." Unter diesen Umständen mußten offenbar außerordentliche Vorsichtsmaßregeln getroffen werden; so daß jeden Abend der vierte Theil der Mannschaften zur Bewachung dcs Lagers gelandet wurde. Von den Berghohen, welche die beiden Thaler trennten, wurden die Amerikaner von den Happas beständig mit Schimpfworten herausgefordert, und da die Tais über Porter's langes Zögern auch schon an feiner Macht zu zweifeln anfingen, so war es nothwendig ihnen zu beweisen, daß er nicht nur drohen sondern auch strafen könne. Mouina, der Hauptkrieger der Ta'iA bat inständig man möchte ihm doch die so hoch gepriesene Wirkung der Kanonen zeigen. Ein femer Baum wurde als Ziel gewählt — und sogleich flog die zersplitterte Rinde in Stücken umher. Einige Krieger der Happas wohnten diesem Versuche bei, ließen sich aber dadurch nicht einschüchtern und als der versöhnliche Porter ihnen sagen 251 ließ wie thöricht es von ihnen sei, gegen solche Waffen zu kämpfen, da sie doch sogleich den Frieden haben könnten wenn sie sich nur von den Kämmen der benachbarten Berge zurückzögen, so antworleten sie mit stolzcm Selbstgefühl, daß die Hapvas sich vor keinem Feinde fürchteten. Ein Kampf war also unvermeidlich und die Amerikaner säumten nun nicht länger oen Ucbermuth der Wilden zu züchtigen. Eine Kanone wurde gelandet und den Ta'is der Vorschlag gemacht sie auf eine hervorragende Spitze zu tragen um von dort aus ihre Fcinde von den Anhöhcn zu vertreiben. Außer sich vm Freude sprangen sogleich diese Menschen herbei, umarmten die Kanone als ob sie ihre Liebkosungen hätte fühlen können, hobcn sie jauchzend empor, und schleppten sie mit erstaunlicher Kraft und Gewandtheit auf eine fast unzugängliche Felsenplatte. Es galt einen lang genährten Haß zu befriedigen, ein Werk der Zerstörung zu vollbringen, und in solchen Fällcn weiß die menschliche Kraft durch Leidenschaft gesteigert auch die größten Hindernisse zu überwinden. Als später dic Amerikaner die Stelle betrachteten, konnten sie ihr Erstaunen nicht unterdrücken; die Lage schien ihnen schon für unbeladene Männer unereichbcu, um wie viel mehr für das Hinaufschleppen einer solchen Last. Nun rückte unter dem Befehl des Lieutenant Downes eine Abtheilung Seesoldaten und Matrosen vor und wurde mit Steinwürfen empfangen, welche ihren Anführer zu Boden streckten. Dieser Unfall hielt die Amerikaner einige Minuten auf doch sich bald wieder erholend, setzte Downeo den Anmarsch fort, ric Happas vor sich hertreibenv, die hmtcr einen steinernen Wall sich zurückzogen. Dort hielten sie sich für vollkommen sicher und drückten ihre Zuversicht durch Schimpfworte und verächtliche Geberdcn aus, doch die Amerikaner, die nach dreimaligem lauten Hurrahmfen mitten durch den Stein- und Lanzenregen der Wilde» auf das Bollwerk losstürmten, ließen sie bald ihren Irrthum erkennen. Fünf Leichen der Happas lagen ans dem blutgetränkten Boden, zur großen Freude der Ta','s, die ohne gefochten zu haben, alle Vortheile deß Sieges genossen. 2ie banden die gefallenen Krieger an lange Stangen um sie desto bequemer fortzutragen, und stürzten dann auf ein benachbartes Dorf, aus welchem sie bald darauf, beladen mit Trommeln, Matten, Calebassen und anderem geplünderten Hausgeräth, und Schweine vor sich hertreibend, wieder zum Vorschein kamen. Unterdessen verfolgten die Amerikaner den fliehenden Feind über die Anhöhen, Mouina, den muthigen Ta'i als Bannerträger voran. Aller Widerstand war gebrochen und schon am folgenden Morgen erschien 252 ein Häuptling der Happas in Porter's Lager, mit der demüthigen Bitte das Vergangene zu vergessen, und ihm dieselbe Freundschaft wie den Tals zu gewähren. Man kann sich denken, daß der Amerikaner sogleich auf diese Wünsche einging, doch wurde der Friede nlw unter der ausdrücklichen Bedingung geschlossen, daß die Happas einmal in cer Woche ihre Schweine und Früchte zum Lager dringen sollten, wo man deren vollen Werth bezahlen würde. Andere benachbarten Stämme folgten diesem Beispiel, bis auf die zahlreichen kriegerischen Ta'lpis, welche sich rnhmten noch leinen Feind in ihrem Thale gesehen zu haben, und deren Priester sie überzeugt hatten, daß sie stets den alten Ruf ihrer UnüberwindliäM behaupten würden. Nicht damit zufrieden sich durchaus von den Amerikanern fern zu halten, hinderten sie sogar ihre Nachbarn den Fremden Proviant zuzuführen und betrugen sich auf eine so herausfordernde beleidigende Weise, daß Portcr um sein Ansehen unter den befreundeten Stämmen zu behaupten, sich endlich genöthigt sah jene übermüthigen Wilden zu bekriegen. Unterdessen war sein ursprüngliches Lager zu einem lleinen aus sechs Häusern und einer Bäckerei bestehenden Dorfe herangewachsen, und ein kleines Fort auf einer Anhöhe erbaut worden, dessen Geschütze den Eingang der Bucht bestrichen. Am 19. November 1K13 ward unter Kanonendonner die amerikanische Flagge feierlich aufgezogen, und mit voller Zustimmung der Eingebornen, welche von der ganzen Ceremonie nur wenig begreifen mochten, Nulahiwa zum amerikanischen Besitzthum erklärt. Dem Feste des Friedens folgte bald der Krieg, denn am 27. Nov ward den Happas und Tais der Entschluß des Commandanten mitgetheilt, die Taipio am folgenden Morgen anzugreifen. Noch an demselben Nachmittage legte sich der „Esser Junior" vor die feindliche Bucht, und in der Nacht verließ auch Porter ten in der Taio-hae Bucht zurückbleibenden „Essex. Senior," mit 5 Schaluppen und 10 mit Kriegern oer Tais beladenen Pirogen. Bei Tagesanbruch stießen noch 10 Pirogen der Happaö zu ihm, und bald darauf war der Strand der Taipis, der Schauplatz des nahenden Gefechts nreicht. Die Hohen ringsherum waren mit den Verbündeten der Amerikaner gekrönt, deren Lanzen, Keulen und Schleudern allen Rückzug zu Lande abschnitten, während der „Essex Junior" mit seinem Gefolge von Booten und Pirogen die Bucht vollständig versperrte. Alle diese Vorkehrungen waren der Wachsamkeit der Ta'lvis nicht entgangen, doch leine, von ihnen lieh sich sehen. Der einige 100 Fuß breite 253 stäche Strand, das sumpfige Dickicht dahinter, der schmale Steg, der durch das verworrene Gebüsch sich in's Thal hinauf schlangelte, alles war still und einsam, und kein Laut ließ ahnen, daß der Feind dort versteckt sei. Ehe man sich in Marsch setzte, wurde das Frühstück vertheilt, und die Amerikaner waren eben beschäftigt sich für die Strapatzen des Tages zu starten, als einige Steinwürfe aus unsichtbarer Hand die Nähe ihrer Gegner verkündeten. Nun wurde noch ein Ningrborner mit einer letzten Aufforderung in's Dickicht geschickt, kam aber bald wieder in vollem Laufe zurück, während ein ihm nachfolgender Steinregen den deutlichsten Kommentar zu seiner Flucht lieferte. Das erste Kriegsopfer war jedoch ein vorwitziger Ta'ivi der aus dem Gebüsch hervortretend sogleich durch einen Flintenschuß zu Boden gestreckt wurde. Nun drang Porter von ^5 der Seinigen gefolgt in's Dickicht hinein, während Steine und Wurfspieße ununterbrochen um ihn her flogen, ohne daß man sehen tonnte von wem sic ausgingen, Ueberall hielt sich der Feind sorgfältig verborgen, keinen Laut, kein Geschrei lich er vernehmen. Cin solches Gefecht gegen unsichtbare Gegner machte Porter'S ^age bedenklich. Das Stillesteheu setzte ihn um so mehr den feindlichen Angriffen aus, und ein Rückzug wäre von den verderblichsten Folgen gewesen, indem er nicht nur die Frechheit der Taipis vermehrt, sondern auch noch die wankende Treue der Verbündeten auf eine zu schwere Probe gesetzt hätte. Es blieb also nichts übrig als so rasch wie möglich durch das gefährliche Wespennest vorzudringen. So ward eine englische Meile zurückgelegt, bis mau an eine Stelle kam wo ein Bach den Weg versperrte, und ein Stcinwurf das linke Bein des Lieutenant Downes zerschmetterte. Dieser Unfall machte die unerfreuliche Lage der Amerikaner noch unangenehmer, denn die Happas und Tavs hatten sich bis jetzt begnügt dem Gefechte zuzusehen, und bei der zweifelhaften Treue und dem veränderlichen Charakter dieser Wilden wäre es höchst unvorsichtig gewesen, den Verwundeten ihrer Obhut anzuvertrauen. Von der ohnehin schon schwachen Angriffskolonne mußten also 4 Mann sich trennen, um jenen Ofsicicr an Bord des Ksser. Junior zu tragen. Os war eine schwierige Aufgabe über den Bach zu setzen, dessen Tiefe, schnelle Strömung und abschüssige Ufer ein starkes, natürliches Bollwerk bildeten, d^ch blieb zur längeren Uebcrlegung wcnig Zeit. Eine Gennalsalve wurde abgefeuert, dann stürzte man mit lautem Hurrah vorwärts durch das Wasser, und es gelang ohne Verlust den jenseitigen Rand zu erreichen. 254 Noch eine Viertelmeile weit zog sich der sumpfige Boden hin, bis man endlich durch das Gebüsch in's Freie dringend, sich mit neuem Muth und neuen Kräften belebt fühlte. Schon hoffte man recht bald ein Dorf zu erreichen, als ein neues unerwartetes Hinderniß den Marsch der Amerikaner aufhielt, denn eine l, Fuß hohe starke Mauer, an beiden Enden an ein undurchdringliches Dickicht sich anlehnend, versperrte den Weg und setzte den Widerwärtigkeiten des Tages die Krone auf. Ein schreckliches Kriegsgeheul und ein Stein- und Wurf-spießregcn, dichter als je zuvor, bewiesen, caß der Feind hier scine Hauptmacht zusammengezogen habe und sich zum hartnäckigsten Widerstände bereite. Auch war schon das meiste Pulver verschossen, so daß Porter sich genöthigt sah den Lieutenant Gamble mit 4 Mann nach dem Esser. Junior zurückzuschicken um einen neuen Vorrath an Schießbedarf zu holen.' Sein tleinet Trupp war nun auf etwa 20 Maun zusammengeschmolzen, denn alle scine Verbündeten hatten sich schon längst, wie die Ratzen von einem den Einsturz drohenden Gebäude entfernt, mit Ausnahme Mouina's, der zum Rückzug mahnte und von den verwundeten Amerikanern lebhaft unterstützt wurde. In dieser Verlegenheit brauchte Porter eine List, die im -Kriege schon sehr oft mit Erfolg angewendet worden ist. In scheinbar eiliger Flucht zog er sich zurück, der in die Falle gehende Feind stürzte mit gräßlichem Siegesgeheul hervor, doch statt die Weißen niederzumetzeln, lichtete ein mörderisches Gewehrfeuer scine eigenen Reihen, und manchen Todten und Verwundeten auf dem Platze zurücklassend, floh er schleunig seinen schützenden Wällen wieder zu, während Porter den Schrecken benutzte, um mit seinen Verwundeten das jenseitige Ufer des Baches ungestört zu erreichen. Die Kräfte seiner Leute waien erschöpft, manche von ihnen verwundet; sie hegten nicht mehr gegen die Wilden jene stolze Zuversicht, welche das Gefühl der eigenen Ueberlegenheit einflößt, sondern hatten vielmehr eine hohe Meinung von deren kriegerischen Thätigkeit gewonnen. Unter diesen Umständen war an eine Erstürmung des Bollwerks nicht zu denken, und die Züchtigung der Ta'ipis mußte offenbar auf einen andern Tag verschoben werden. Die von den Amerikanern erlittene Schlappe, durch das Gerücht vergrößert, tonnte natürlich ihren schlimmen Eindruck auf das veränderliche Gemüth der Wilden nicht verfehlen, und man mußte befürchten, daß dk> bereits schwankenden Hapvas sich bald zur Partei schlagen würden, welche sie für 255 die stärkste hielten. Sowohl Porter's Sicherheit als seine gekränkte Ehre verlangten dringend eine schleunige Rache. Kaum war er daher mit dem Esser Junior zur Bucht Taio^hae zurückgekehrt, als alle Vorkehrung« ge-troffen wurden um mit 200 Manu die Taipis mitten in ihrem Siegesrausch zu überfallen. Diesmal sollte der Angriff über die Berge geschehen, auch wurde er vor allen Verbündeten verheimlicht, um sich von einem listigen und vielleicht auch gefährlichen Gefolge zu befreien. Sichere Führer leiteten noch am Abend diese neue Expedition zum Kamme der daß Taipithal begrenzenden Berge auf schwierigen Wegen, durch Dickichte und Bäche, am schroffen Abhang der Felsen hin. Das Geräusch des Zugeö hatte einige <5ingeborne herbeigezogen, aber es wurde ihnen Stillschweigen befohlen, und so durfte man hoffen, da^ den Ta'ipis das heranrückende Gewitter unbekannt bleiben würde, bis eß mit seinem plötzlichen Donner sich übcr ihre Häupte, entlud. Um Mitternacht konnte man das Trommelgerassel und den lauten Tiiumph-gesang im feindlichen Thale höre», und heller Fackelschein bezeichnete die Stcllcn wo die siegestrunkene Menge sich versammelt hatte. Nur ein einziger schmaler Pah führt von jenen Bergen in's Thal hinab, aber seine fast senkrechte Neigung, die ihn schon bei Tage gefährlich machte, lielj seine Benutzung bei Nacht vollends unmöglich erscheinen. Hicr also mußte die Morgendämmerung abgewartet werden, ein Aufschub der nich« unerwünscht war, da er den von ihrem langen Marsche erschöpften Amerikanern die nöthige Ruhe gönnte. Die sorgfältige Bewachung des Passes gab übrigens auch die volle Sicherheit, daß die Ta'ipis keine Nachricht von der Nähe des Feindes erhalten würden. Porter schlummerte, als ein Führer ihn mit den unwillkommenen Worten weckte: „etz wird regnen, deine Gewehre sind verloren". Zugleich wies er auf eine schnell heraufziehende Wolle, die bald darauf sich in tropischen Strömen ergoß. Auf dem engen Bcrgkamm, wo sie sich gelagert, und festgebannt au^ den schlüpferig gewordenen Felsen, hatten die durchnäßten Amerikaner auch noch die empfindliche Kälte eines starten Windes zu ertragen, doch ihre Hauplsorge war ihre Waffen und Pulver möglichst trocken zu erhalten. Dennoch fand sich am Morden der größte Theil ihrer Patronen durchnäßt, und der Führer wiederholte fortwährend, daß die Flinten nun nichts mehr taugten und das beste sei sich so schnell als möglich zurückzuziehen. 256 Die Vorsicht gebot diesem Rathe zu folgen, doch um dm bösen Eindruck des MWngens auf das Gemüth der Verbündeten zu mindern und den gefährdeten Nuf sein« Waffen zu heben, befahl Porter vorher noch eine Generalsalve abzufeuern, in der Hoffnung, das; man die Fehlschüsse unter dem allgemeinen Knall und Pulverdampf nicht bemerken würde. Dieses gelang über Erwartung, und der Widerhall der Berge warf den verzehnfachten Donner in'S Thal der Ta'ivis hinab. Kriegshörner dröhnten, Trommeln wirbelten, lautes Geschrei erhob sich von einem Ende des Grundes zum andern. Man horte das Grunzen der Schweine, die eilig fortgetrieben wurden, das Wehklagen der geängsteten Weiber. Mit dem vorläufigen Schrecken zufrieden, deu er seinem stolzen Feinde eingejagt, zog sich nun Porler in ein Dorf der Happas zurück. Der böse Wille dieses Stammes zeigte sich bald, indem der verlangte Proviant gar nicht erscheinen wollte. Endlich sogar versammelten sich die Happas mit ihren Waffen um die Hütte, wo die Amerikaner von ihren Strapatzen ausruhten, ihre Weiber entfernten sich und alles deutele auf einen bevorstehenden Angriff. Nun ließ Porter den Häuptlingen sagen, raß sie die Waffen augenblicklich strecken mühten, und wenn sie ihn nicht sofort mit Lebensmitteln versorgten, er dieselben mit Gewalt nehmen würde. Dem Wort, welches keinen Eindruck machte, folgte alsbald die That, die von besserem Erfolge war, denn als die Amerikaner ansingen ohne weitere Com-vlimente die Schweine ihrer abtrünnigen Verbündeten zu todten und die ^ Brodfrucht-"und Cocosbäume des Dorfes umzuhauen, beeilten sich die durch diese energische Demonstration eingeschüchterten HappaÄ, unter Betheuerungen ewiger Freundschaft, das Verlangte im lleberfttch herbeizuschaffen. So wie am folgenden Tage der Morgen zu grauen ansing, setzten sich die vollkommen erfrischten und mit Schicßbedarf reichlich versehenen Amerikaner wiederum in Marsch, doch als sie den Bergkamm, wo sie eine so üble Nacht zugebracht hatten, erreichten, machten sie Halt um den lieblichen Anblick des Ta'lvithalcs in der frühen Morgenstunde zu bewundern. Wie ein breites smaragdenes Band zog es sich zwischen hohen Bergen hin, deren steile oft senkrechte Wände in dämmernde Abgründe sich vertieften. Eine mehrere 100 Fuß hohe Cascade stürzte ihre schäumenden Gewässer das Thal entlang, und erreichte endlich nach vielen Krümmungen das den Horizont begrenzende Meer. Ein sanftes ^icht ergoß sich harmonisch über das reizende 257 Bild, dessen idyllische Ruhe nun so bald durch Tod und Verwüstung gestört werden sollte. Der Befehl in's Thal hinabzusteigen setzte jedoch allen ferneren sentimentalen Betrachtungen ein Ziel, und einer nach dem andern schlangelten sich die Amerikaner durch den engen Pfad. Die Ermüdung des höchst beschwerlichen Herabsteigens verlangte eine kurze Ruhe als sie unten angekommen waren: alsdann rückten sie nach dem Flüßchen vor, an dessen Ufern ein zahlreicher Kriegertrupp den Zugang zu einem befestigten Dorfe verwehrte. Doch trotz einer hartnäckigen Vertheidigung ward in kurzer Zeit der Bach überschritten, und bald darauf das Dorf genommen. Von hieraus wurden kleine Abtheilungen nach verschiedenen Richtungen ausgeschickt um das benachbarte Gebüsch zu säubern-, doch nun rückten die Talpis zum Angriff wieder vor. Man ließ sie auf Pistolenschußweite heran kommen, vann sirl ein mörderisches Kreuzfeuer in ihre Reihen, welches sie wie Spreu vor dem Winde auseinander jagte. Indessen bewies die Anzahl der aus dem Dickicht geworfenen Steine und Vanzen, daß der Widerstand der Taipis noch immer nicht gebrochen sei. Porter ließ also seine Verwundeten unter gehöriger Bedeckung zurück, und zog weiter nach einem andern Dorfe, größer und schöner als alle, die er bisher ans der Insel gesehen. Nach einem hartnäckigen Widerstand ward auch dieses genommen und den Flammen überliefert. Vis zum Fuß deß Wasserfalls zogen die Amerikaner verwüstend und brennend das Thal hinauf, und kehrten erst nach vierstündigem Marsche nach dem zuerst genommenen Dorfe zurück, welches gerade in der Mitte des Thales lag. Die dort verbliebenen Verwundeten waren unterdessen beständig beunruhigt worden, doch hatten die Schleudern und Wurfspieße des Feindes ihnen nichts anhaben können. Da nach den Stravatzen des Tages der Weg über die Berge viel zu mühselig gewesen wäre, entschloß sich Porter das Thal entlang nach dem Meere zurückzukehren. Roch einige Dorfer wurden zerstört, aber sogar unter den rauchenden Trümmern ihrer Hütten hörten die Tarpis nicht auf zu kämpfen. Endlich erreichten die Amerikaner die Rückseite der Vrrschanzung, welche sie bei ihrem ersten mißlungenen Versuch von der Eeeseite aus aufgehalten hatte; und als Porter die Stärke und Anlage der Mauein sah, konnte er sich nicht glücklich genug schätzen den Angriff von der Bergseite gemacht zu haben. Harlwi,,, eil- ^»scln des >,N'hcn Vccm^«. 17 258 Nur drei Zugänge führen in das Thal der Talvis; der von den Amerikanern benutzte Gebirgspaß, der dadurch gefährlich wird, daß er im Fall einer Niederlage den Rückzug unmöglich macht; ein zweiter, der zu verwandten engverbundeuen Stämmen führt; und endlich der Weg von der Bucht aus, der zu jener fast uneinnehmbaren Verschanzung leitet. Daher kam es, daß die Taipis noch nie in ihrem Thale waren angegriffen worden, fondern alle ihre Fehden auf der offenen Ebene am Strande ausgefochtcn hatten-nur die Macht der Fremdlinge vermochte ihre Zuversicht und ihren Stolz zu demüthigen. Die Nacht wurde bei den Happas zugebracht, deren feindselige Kälte plötzlich in die zuvorkommendste Gastfreundschaft umgewandelt war, und am folgenden Tage trafcn die siegreichen aber erschöpften Amerikaner in Madi-sonville (so hatten sie ihre kleine Niederlassung getauft) wieder ein, nachdem sie auf ihrem kurzen Kriegszuge mehr als 12 Meilen über die Berge zurückgelegt hatten. Sieben ihrer kräftigsten Leute lagen lange krank und einer starb sogar an den Folgen der ausgehaltenen Strapatzen. Die gede-müthigten Taipis baten nun um Frieden, den man ihnen unter der Bedingung gewährte, daß sie sofort 100 Schweine als Kriegssteuer auslieferten. Indessen waren die nothwendigen Reparaturen beendigt und Porter sehnte sich nach neuen Kreuzfahrten gegen die Engländer. Nach einem sechs-wöchentlichen Aufenthalt segelto er also am 13. December ab, doch um sich einen Zufluchtsort auf Nukahiwa zu sichern, ließ er unter dem Befehl des Lieutenants Gamble eine Abtheilung von 20 Mann mit drei englischen Prisen und einigen Kriegsgefangenen in der Taio-Hae Bucht zurück. Es würde mich zu weit führen die Schicksale dieses kleinen Postens ausführlicher zu erzählen; mit wrzen Worten sei daher nur erwähnt, daß die zunehmenden Feindseligkeiten der nun nicht mehr durch eine gebieterische Uebermacht in Saum gehaltenen Wilden, welchen endlich auch noch eine Empörung der gefangenen Engländer sich anschloß, die Lage der Amerikaner nach einigen Monaten unhaltbar machte, und drr Bcfchlshabcr Gamble nur mit genauer Noth auf dem „Sir Andrew Hammond" aus dem Hafen sich rettete, wo noch vor kurzem das Banner dcr Vereinigten Staaten so stolz geweht. Um sein Unglück zu vollenden, ward sein Schiff auf dcm Wege nach den Sandwich Inseln von einer britischen Corvette genommen, und das Erste was er hörte, nachdem cr dem englischen Befehlshaber seinen Degen überreicht hatte, war die Nachricht, daß auch Porter's Geschwader nicht mehr 259 das gestreifte Sternenbanner, sondern den siegreichen Union Jack an der Mastenspitze trage. Die nächstfolgenden Jahre liefern nur wenige interessante Beiträge zur Geschichte der Marquesas. Der damals so einträgliche Sandelholzhandel und die zunehmende Menge der auf den unermeßlichen Wassergefilden der Südsee den scharfzahnigen Cachalot verfolgenden Schiffe, brachten die Insulaner immer häufiger mit Europäern in Berührung, die leider nur zu oft zum Auswurf der Gesellschaft gehörten, und zunehmende Entsittlichung war die unausbleibliche Folge. Die Zeit lag fern wo sie sich für die Erzeugnisse ihres Landes mit unschädlichen Glasperlen oder bunten Tüchern be< gnügten; Flinten und Pulver, deren erstaunliche Wirfungen sie schon sv oft erprobt, ware» die einzigen Gegenstände, die sie nun noch im Tausch annehmen wollten, und diese boten ihnen die Mittel zu immer mörderischeren Kriegen. Unter diesen Umständen erneuerte der würdige Croot seine menschenfreundlichen Bemühungen den Marguesanern Begriffe einer höheren Sittlichkeit beizubringen, und erschien am 27. Februar 1825 mit vier tahitischen Lehrern in der Bucht von Vaitahou, wo er vor 26 Jahren so manche Drangsale erlebt hatte. Dort ließ er die Lehrer zurück, doch auch diese folgten ihm nach mehreren Monaten, da ihnen das Feld zu undankbar schien; und ebenso erfolglos blieben die Vekehrungßversuche, die in den folgenden Jahren öfters wiederholt wurden. Anfangs August 183ft lief die von Dupetit Thouars befehligte Venus mit zwei katholischen Missionaren in den Hafen von Vaitahou ein. Zjot^tl!, der Häuptling der umliegenden Gegend, der vom Commandanten mit der größten Auszeichnung behandelt wurde, und namentlich für die französische Küche eine solche Vorliebe an den Tag legte, daß er bei keiner Mahlzeit fehlte, erklärte sich bereit die Sendboten des römischen Stuhle unter seinen besondern Schutz zu nehmen, worauf Dupelit Thouars wieder absegelte. Einige Wochen später wurde die Bucht Taio-Hae von Dumont D'Ur-ville besucht. Lv fand vott einige kuropäer und Amerikaner, größtcntheilß Ausreißer oder entlaufene Sträflinge, die unter dem Schutz verschiedener Häuptlinge eine kleine Colonie bildeten, welche mit ihren Produkten die Walfischfänger versorgte, davon jährlich 1ä bis N» in jenen Hafen einzulaufen pflegten. 17« 2s an einem Mann, einer Frau und einem kleinen Kinde ihrer Erbfeinde ein gräuliches Mahl gehalten. Am 29. April 1^ä<1 erschien die französische Brigg „!..,'I'>-l^<>, Capitän Bernard", vor Taouata, um sich nach den katholischen Missionaren nmzusehen und eine Kirche zu bauen, welche den Namen der Königin Anglic von Frankreich führen folltc. Gs fand sich, daß der Häuptling M»'^, seitdem er nicht mehr nnter dem Einfluß der französischen Küche stand, an Zuvorkommenheit gegen seine Schutzbefohlenen sehr abgenommen hatte, uno zwischen den englischen und französischen Missionaren schwankend, die Geschenke beider «Konfessionen bereitwillig annahm, 'gegen ihre kehren aber äußerst gleichgültig blieb. Doch es nahte nun die Zeit wo die Unabhängigkeit der Marquesas mit dem Protectorat der Franzosen vertauscht werden sollte. Nicht um eine Niederlassung im Dienste des Handels zu gründen, sondern um eine feste Station zu erwerben, von wo aus man im nächsten Kriege mit Eng' land den Handel dieser Macht stören konnte, erhielt Dupctit Thouard den Auftrag die Inselgruppe unter den Schutz der Trieolore zu stellen. Am 27. April 1842 wurden auf Taouata Verhandlungen mit Yototö eröffnet, der unter dem Einfluß der französischen Küche sich bereitwillig erklärte das Protectorat anzunehmen, aber schon nach einigen Tagen sich vor seinen Beschützern in eine Höhle verkroch. Magazine und hölzerne von Valparaiso mitgenommene Baracken wurden in der Vucht Vaitahou linfge-richtet, und als der Posten gegen alle Angriffe der Eingebornen s! chörig gesichert schien, segelte der Admiral am 30. Mai nach Taio-Hae, wo gleichfalls die Oberhoheit Seiner Majestät Louis Philipps von den dortigen 201 Häuptlingen anerkannt und den Franzosen ein Stück Vand zum Bau eines Forts abgetreten wurde. Bald jedoch fanden Mißhllligkeiten statt, die zu wiederholtem Blutvergießen führten, und da ohnehin die Marquess sick als emeu Besitz herausstellten, der viel kostete ohne irgend einen entsprechenden Nutzen zu liiern, so wurden sie im Jahre 1l^55 bis auf einen einzigen Posten in der Taio-hae Bucht verlassen. Seit den letzten Jahren hat der Katholieismns Fortschritte gemacht, aber noch glöhcrr die Sterblichkeit, da die Bevölkerung an der Taio-Hae Bucht, die am meisten mit den Europäern in Berührung gekommen, seit 15^ anf ein Drittel ihrer früheren Große zusammengeschmolzen ist. Neunzehntes Kapitel, Die hawaiische Gruppe. N insang der Gruppe. — Die Insel Hawaii. — Der Mauna Loa. — Hilo. — Fälle d« Waüuki. — Excursion nach dem Krater Kilauca. -- Nilkes auf dem Gipfclklater des Manna Loa. — Beschwerden der Reise. — Der hohe Norden in der Tropenwelt, — Nusbrüchc des M.nma Loa in den Jahren tft40, 1843, iftHli, 1ft52, i«5>'», 1859. — Dir Insel Mani. — Der Halcakala, wahrscheinlich noch in den historischen Zeiten ein thätiger Vulkan, >— Die Insel Oahu. — Steile Vcrgmanern. — Corallcn-riffe. — Die Insel Ka»ai. — Das schöne Hanapcpe-Thal. — Die Fälle dcs Hana-prpe. — Herrlicher Stoff für einen noch ungeborenen Vädeker. — Vortreffliche Bewässerung der Insel. — Erloschene Krater. — Vulkanische Höhlen, — Vegetation der Hawaii Gruppe. — Drei Zonen derselben, — Die Tarowurzel. - Das Sandes holz. — Don Francisco de Marini, — Wilde Hunde. — Verwilderte Stiere. — Elender Tod des Botanikers Douglas. — Vöhcl. — Fische. — Muscheln. — Gingeführte Insekten. Aon allen Inselgruppen Polynesiens kommt keine der hawaiischen an geologischem Interesse gleich. Die Wirksamkeit sowohl des Feuers als des Wassers in der Bildung von Felsen zeigt sich hier nicht nur in längst vollendeten, bereits abgeschlossenen Ergebnissen, sondern auch in noch fortdauernden Entwicklungen, und dcr Naturforscher kann auf Hawaii vor Augen sehen, wie Berge sich gestalten und Inseln sich erheben. Für ihn ist es einer jener 262 merkwürdige» Punkte, die ihm Aufschluß geben über die Vergangenheit unseres Planeten und ihm gestatten, mit dem Senkblei der Wissenschaft die Tiefen der früheren Geschichte unseres Erdballs zu ergründen. Die hawaiische- oder Sandwichgruppe (10«- 22 '/^' N.B. 217 '/, -222«/, D. V.), deren Gesammtareal 9050 englische oder etwa 250 deutsche Quadrat« meilen beträgt, besteht aus acht großen Inseln «Hawaii. Maui, Kaholawe, Lanai, Mololai, Oahu, Kauai und Mhau> nebst mehreren kleinen, kahlen und unbewohnbaren Felseneilandcn, den Brüteplätzcn unzähliger Seevogel. Dem Raume nach kommt sie also ungefähr dem Königreiche Sachsen gleich; doch steht die Bevölkerung weit hinter jener Größe zurnck und mochte kaum die des Lippe-Detmoldschen Staates erreichen. Sämmtliche Inseln können als die Culminationspunkte einer mächtigen vulkanischen Gebirgskette angeschen werden, die in west-nord-westlicher Nichtung von Hawaii bis Niihan sich erstreckt, und deren Fortsetzung man über die Felsencilande Bird und Necker und einige jenseitige Corallenriffe verfolgen kann, wo sie endlich nach einen» Laufe von 2090 gcog. Meilen sich nnter das Meer verflacht. Höher als der Mont-Blanc, der Koloß der europäischen Berge, erheben sich auf Hawaii der Mauna Voa < 1Z,760Fuß) und der Mauna Kea (13,950 Fuß) die Zwillingsriesen der Gruppe, während ein dritter Gigant, der Mauna Huararai fast 10,000 Fuß hoch emporsteigt. Auf der benachbarten Insel Maui wird letzterer im östlichen Theil derselben vom Mauna Haleakala (10,217 Fuß) übertroffen. wahrend im westlichen der Lela auf »ilW fällt. Die großgezeichneten Bcrglinien senken sich auf Molokai noch niedriger biß zu der ganz flachen westlichen Spitze dieser Insel, erheben sich dann wieder auf Oahu zu Gipfeln von ^00<> Fuß und thürmen sich endlich auf Kauai zu einer Höhe von 5000 Fuß empor. Selten Wird man auf einem so kleinen Htaume so viele Bergriesen antreffen als hier. In dreieckiger Form wie Sicilien entsteigt Hawaii dem Ocean und wendet seine drei Seiten nach West, Südost und Nordost. Die westliche hat eine Länge von ungefähr ^5 geographischen Meilen, die südöstliche von 05, die nordöstliche von 75. Das eingeschlossene Areal beträgt 200 geog. Quadrat-meilen. Die ganze Insel mit Ausnahme der kleinen Kohala-Kettc in ihrem nördlichsten Theile ist nur aus den drei bereits erwähnten Bergen gebildet, deren Abhänge bis znm Meere verlaufen, und die in der Mitte ein Tafelland umfassen, welches fast gänzlich wie das Innere Island's aus einer Wüstenei von ^aven besteht und von lcines Menschen Fuß betreten wird. 263 Das Klima ist nicht nur nach der Höhe, sondern auch nach der Lage sehr verschieden. Nach Westen, wo der Regen seltener fällt, erscheinen die Abhänge der Bcrgkolosse gewöhnlich kahl und sonnengebrannt; schwarze Felsen kommen überall zum Vorschein, und mit seltenen Ausnahmen bietet sich nur eine Abwechselung zwischen ebenen, festen Lavafeldern mit vielen abgerundeten Hügeln oder Domen, deren eingefallene Decken oft lange unterirdische Gänge erblicken lassen, und Gegenden, wo ungeheure Massen von Lavablöcken und Schlacken in der größten Unordnung durcheinander geworfen sind. Sie sehen aus, als ob der Berg zu einem Chaos von Ruinen zersplittert wäre. Die Bruchstücke wechseln von der Größe eines mittelmäßigen Steines zu der eines gewaltigen Felsblocks, von einem Cubikfuß zu zehntausend, und erscheinen in allen möglichen Formen der Zerrissenheit oder Zerklüftung. Man kann diese Distrikte, die oft ein paar englische Meilen breit sind, nur über schreiten, indem man von einem Block zum andern springt; ein nicht minder mühevolles als gefährliches Unternehmen, da beim Ausglitschen mit dem Fuße der unglückliche Wanderer sehr leicht in eine tiefe Höhlung auf spitzige Felsentanten stürzen kann. Oft sieht man, so weit das Auge trägt, nur eine Einöde von grauer und schwarzer Verwüstung, welche keine Worte zu schildern vermögen. Doch auch auf den nacktesten Lavafeldern wächst hier und dort Grünes aus den Spalten und Höhlungen hervor, vereinzelntes Gesträuch oder ein Baum, der zwischen den Lavablöcken ein kümmerliches Dasein fristet. Ein großer Theil der Küste besteht aus nackten Lavafelsen, die etwa fünfzig oder hundert Fuß hoch über dem Saume der weißen Brandung emporsteigen. Tiefe Höhlen öffnen sich nahe am Wasserrande, und das sich brechende Wogengetümmel, über die schwarzen Felsen brausend und schäumend, stürzt wüthend in ihre gähnenden Schlünde und spritzt oft in hohen Springbrunnen aus offenen Gangen in ihrer Decke hervor. Solche Scenen erwecken im Zuschauer ein Gefühl trunkener Freude, an welchem der wilde Ocean sich jauchzend zu bethciligen scheint. Die spärlichen Regengüsse, welche in den Wintcrmonaten und besonders bei Südwcststürmen diesen im allgemeinen so steinigen und unfruchtbaren Theil Hawaii's benetzen, werden sogleich von der porösen Lava verschluckt, so daß fließende Bäche an dieser Seite der Insel fast gar nicht vorkommen und Wasser meistentheils nur in einzelnen Tümpeln angetroffen wird. 2 Der Wailutifluß am südlichen Abhang des Mauna Kea entspringend, und zwischen diesem und dem Mauna Loa verlaufend, ergießt sich in die Hilo-Bllcht. Er ist nicht nur als der größte Strom der Insel bemerkenswerth, sondern auch wegen deß prachtvollen Wasserfalls, den er ungefähr eine See-meile von seiner Mündung bildet. l5twa hundertzwanzig Fuß tief schießen die Gewässer in zwei Armen von einer vorspringenden Felskante in ein kreisrundes Becken herab. Der düstere, ausgehöhlte Hintergrund der Bergwand laßt die weißschäumenden Gießbäche um so schärfer hervortreten, in deren aufsteigenden Dunstwolfen der Sonnenstrahl in unzähligen Regenbogen sich bricht, manche in den hellsten Farben glänzend', andere in unsicheren zarten Tinten verschwimmcnd. Die säulenartige Basaltbildung der einschließenden Fclsmauer, deren schwarzes Gestein an manchen Stellen hinter einem reichen Teppich von rankenden Gewächsen, Farrenkrä'utern und.Moosen sich verbirgt, erhöht den Eindruck dieser lieblichen Naturscene. Es ist ein Hauptvergnügen der halbamphibischen Eingebornen, mit dem Wasserfall von oben herabzustürzen. Freudejauchzend lassen sich die Mädchen von Hilo von der Flußschnelle fortreißen, falten die Hände anmuthig über den Kopf zusammen, indem sie hoch oben ans dem Kamme der gährenden Wafferschicht flüchtig erscheinen, und tauchen im nächsten Moment wie Nixe» aus dem Strudel deß Beckens hervor. Doch finden zuweilen die kühnen Schwimmerinnen ihren Tod bei diesem gewagten Spiel; denn eine verborgene Strömung soll sie bisweilen an sich reißen und nicht wieder zum Vorschein kommen lassen. Drei englichc Matrosen vom Kriegsschiff, mit welchem Walpole (i«'«ur Vslli-8 i'il t^o raoikn) die Sandwich Inseln besuchte, versuchten es mit dem Wasserfal! herabzuschießen: das Wagestück lief glücklick ab, aber Keiner von ihnen hatte Lust es noch einmal zu wiederholen. Nordwärts von Hilo wird das Reisen an der Nordwestküste sehr beschwerlich wegen der vielen tiefen Schluchten, in welchen Waldbäche rauschen, die in der nassen Jahreszeit bedeutend anschwellen. Eine Felsenmauer, mehrere hundert Fuß hoch, setzt ihre Stirn der Brandung entgegen, so daß dem Reisenden nichts Anderes übrig bleibt, als einen Verggrath nach dem andern zu besteigen und die zahlreichen Väche zu durchwaten. Die vulkanischen Gewalten, die in unvordenllichen Aeiten die hawaiische Kette aus den Tiefen des Oceans emporhoben, und aus zahlreichen Feuer-schlündrn die Schlackenwollen und Lavaströme ausstieszen und ergossen, wodurch im Laufe der Jahrhunderte das Hochgebirge aufgethürmt wurde, sind 266 gegenwärtig nur noch auf der Hauptinsel im mächtigen Mauna Hualalai und dem noch riesigeren Mauna Loa thätig. Mit der Idee eines feuerspeienden Berges verbindet man gewöhnlich das Bild eines zuckerhutförmigen Kegels, aus dessen oberstem, zugespitzten Gipfel hohe Dampf- und Rauchsäulen emporwallen; der Mauna Loa ent< spricht jedoch keineswegs dieser Vorstellung, da er auf einer breiten Grundlage von 70 geographischen Meilen den ganzen südlichen Theil der Insel von Ost nach West einnimmt, und sehr allmälig und regelmäßig aufsteigend sich zu einrm flachen Dome wölbt. Der Seefahrer, der ihn von ferne aus dem Ocean emportauchen sieht, lann daher kaum an die furchtbaren Gewalten glauben, die unter einer scheinbar so ruhigen Oberstäche schlummern, oder l>aß er in jener am Horizont so sanft anschwellenden Anhöhe, einen der merkwürdigsten Vergtolosse der ganzen Erde vor sich hat. Sogar wenn man auf den stachen Seiten des Mauna Loa wandert, täuscht man sich leicht über die Entfernung seines Gipfels und wird versucht, den Giganten für einen gewöhnlichen Hügel zu halte». Es bedarf fast immer der Berechnung und des Nachdenkens, um sich von der gewaltigen Höhe des Berges zu überzeugen und das voreilige Urtheil des Gesichtssinnes zu verbessern. Die Abhänge des Mauna Loa sind mit zahlreichen Schlackenkegeln und Kratern vorzüglich nach der Süd- und Südostseite übersäet. Unter letzteren zeichnet sich besonders der tief ausgehöhlte Kilauea aus, der etwa 12 Stunden von Hilo entfernt liegt. Kein Reisender, den sein Schicksal nach Hawaii führte, laßt ihn unbesucht, und leiner geht von dannen, ohne sich glücklich zu preisen, eines der merkwürdigsten und erhabensten Schauspiele auf dem ganzen weiten Gebiete der Natur geschaut zu haben. Der Weg schlangelt sich anfangs durch ein tiefes Thal, dessen Fruchtbarkeit unendlich sein würde, wenn der Mensch hier schon gelernt hätte, dio Reichthümer des Landes zu benutzen und goldene Ernten dem üppigen Felde zu entlocken. Doch außer einigen Bananen- und Taroanpflanzungen sieht man nur einzelne Gucker- und Kaffeeplantagen', denn hier wird allein für das unmittelbare Bedürfniß gesorgt, alles übrige Land bleibt unberührt, und so entstehen große undurchdringliche Iusticia-Gebüsche, die sich längs des ersten Theils des Weges erstrecken, und späterhin durch verkrüppelte baumartige Farren abgcl'ößt werden. Nachdem man etwa anderthalb Stunden auf dem morastigen Boden zurückgelegt hat, tritt man in einen anderthalb Meilen langen Wald, durch 367 welchen ein schnurgerader Weg gehauen ist, in die Quere mit Fanenstämmen belegt und an den Seiten mit Lavasteinen eingefaßt. Schon am Eingang des Waldes wird man von hohen Arekapalmen begrüßt und der schattenreichen, fast weißlichen Blätterkrone des Kukuibaumes (^icmrito» tvilod.-v), dessen Nüsse ein bereits im Handel geschätztes, austrocknendes Oel liefern. An den Seiten des Holzweges stehen formliche Beete von Malvaceen, und um dic mächtigen Baumstämme schlingen sich in unglaublicher Menge die schönsten Freycinetien mit großen Büscheln orangenrother Blüthen. Am Ende des Waldes eröffnet sich eine überraschende Aussicht: links in weiter Ferne der stille Ocean; rechts zwischen mehreren Anhöhen hin und wieder kleine Guava-Gehölze-, geradeaus eine unabsehbare Lavafläche mit niedrigen verkümmerten Farrenbüschen. Hin und wieder blickt ein Heidekraut mit seinen weißlichrothen Blüthen zwischen dem Gestein hervor und bleibt uon nun an der treue Gefährte der Farren. Mit dem Walde endet das hölzerne Pflaster, und man folgt nun einem schmalen Fußpfade der auf dem dunkeln Lavaboden wie ein schwarzer Streifen durch das Gras und die üppig gedeihenden Fanen sich hinschlängelt. Mau muß unabweichlich dem Pfade folgen; denn tiefe Löcher sind manchmal im weichen Grase verborgen. Die Hochebene ist anfangs eine ruhige Fläche; nach und nach wird sie zum sturmbewegten Meere mit Wellenthälern- und bergen, auf deren steilem glattem Gestein man auszugleiten Gefahr läuft und bald in ein von einer Pfütze angefülltes Loch, bald in eine der vielen Ritzen und Spalten zu fallen, über die eine Pflanze sich hinterlistig gelegt hat. Etwa halbwegs <20 englische Meilen von Hilo, Ni vom Kilauea) liegen einige erbärmliche Hütten, wo die erschöpften, gewöhnlich ganz durchnäßten Reisenden ein höchst willkommenes, wenn auch aller Bequemlichkeit entbehrendes Nachtquartier finden. Von hier aus geht der Weg bei sich gleich bleibender Vegetation und auf einem fortwährend mit Lavablöcken übersäeten Boden über die Hochebene fort, in welcher cjs>?0 Fuß über die Meeresstäche der Krater Kilauea liegt. DieseHöhe hat man vonHilo aus fast unbemerkt bestiegen, und da der Manna ^oa bis zum höchsten Gipfel eben so langsam steigt, ist der Kilauea als eine an seiner Seite liegende offene Wunde zu betrachten, aus welcher die im Innern wü thcnde Gluth hervorbricht. Das Aufsteigen des Bodens ist hier so unmerklich, daß er einer fast vollständigen Ebene gleicht, und man sich daher eben so un-mcrklicl) dem ungeheuren Schlundc nähert. Die ersten Zeichen, daß man dem Ziele nicht mehr fern ist, sind kleine Dampfwolken, die einigen Erdspalten 2'!wig, dic Znscw dee grohen Oceans, ^H 274 Der Weihnachtstag, der eiste, den jemals Christ oder Heide auf dem Gipfel des Mauna 5,'oa zubrachte, war stürmisch und kalt. Man tonnte sick gegen die rauhe Witterung nur durch Vinhüllen in wollene Decken schützen; denn es war wum Brennholz genug da, etwas Chokolade zu wärmen. Die folgende Nacht war fürchterlich. Stundenlang heulte der Otta», und das ewige Hin- und Herschlagen der Zelttücher, verbunden mit dem unheimlichen Brüllen des Windes in den Schlünden des Kraters, rrhohtc den Schauer drr Dunkelheit und »nachte den Schlaf unmöglich. Das Thermometer M anf — 7" tt. innerhalb des Zeltes, eine mcrkwürrigl' hoch-nordische Erscheinung auf einer tropischen Insel. Doch trotz aller Widerwärtigkeiten ließ Wittes sich nicht vom Gipfel verscheuchen, sondern setzte die Arbeiten zur Einrichtung seines Lagers mit unermüdlicher Ausdauer fort, bis endlich am 2l). December die sehnlichst erwartete Hülfe vom Schiff eintraf, wodurch aller Mühe und Noth auf einmal abgeholfen wurde. Am ^l". benutzte Wittes daß schöne Netter, um den Krater zu umgehen, der ungefähr eine elliptische Form hat mit Durchmessern von ^,Ml) und 8000 Fuß. Der tiefere Theil der nngeheuren Grube ist jedoch fast lrcis-rund und hat die Breite des kleineren Durchmessers. Die Wände waren in einem großen Theil des Umkreises steil oder sogar senkrecht; an drr westlichen Seite betrug ihre Höhe 784 Fuß, an der ostlichen 470. Der Boden bestand aus fester Lava von zahlreichen Spalten und Fumarolrn durchzogen, welche Wasser» und Schwefeldämpfe in großen Mengen ausstießen. Zwei Schlackenkcgel, aus leichter Asche aufgethi'mnt und von sehr regelmäßiger Form, erhoben sich vom Grunde. Kein brennender See erinnerte wie am Kilauea an die furchtbaren Feuergewalten, die im Innern des Berges toben: es war die stillste, einförmigste, traurigste, aber auch die großartigste Stein-Wüstenei, die man sich denken kann. Um 2 Uhr erreichte Wittes die westliche Seite des Doms vom Mauna Loa, der hier viel steiler als auf der ostlichen ist. Die Lüfte waren ruhig und es herrschte eine todtenahnliche Stille. Die Aussicht war übcr alle Beschreibung erhaben. In der Ferne unterbrach das Gebirge der Insel Maui die Linie des dunkelblauen Horizonts, während ein weißlicher Nebel das Tiefland umschleierte und mit der Insel Hawaii zu verbinden schien. Derselbe Dunst umhüllte die Hügel von Kohala und die westliche Spitze von Hawaii. In größerer Nähe erhob sich der Mauna Hualalai, der dritte 275 Riesenberg der Insel, längs dessen Seite die Scebrise eine dichte Masse weißer stockiger Wolken heraustrieb, Zur Rechten stieg kühn gegen den Himmel Mauna Kea mit seinem Schneemantel empor, und zwischen den drei großen Bergen erstreckte sich die noch von keinem Menschen betretene Hochebene schwarzer Lava mit einem düsteren Leichentuch von Wollen überzogen. — Alle diese große» Züge der Landschaft waren durch die Nebeldünste so miteinander verschmolzen, dasi dadurch ein harmonischer ssarbenton von unbegreiflicher Schönheit entstand. Man tann sich die Gefühle denken, womit Wilkes seinen MessunMpparat auf dem höchsten Punkt des Mauna Loa nur wenige Fuß vom Krater aufstellte und ihn auf Mauna Kea richtete, um den Höhenunterschied dieser Zwillingsliesen des stillen Oceans zu bestimmen, Schon der Gedanke, auf einem so merkwürdigen Punkte zu stehen, hätte hingereicht einen starken Mann aufzuregen, er war fast überwältigend für Nerven, die durch langwierige Strapazen bereits erschüttert waren. Wir haben den riesigen Feuerberg in seiner majestätischen Ruhe betrachtet, lernen wir ihn nun auch kennen in den furchtbaren Ausbrüchen seines Zorns. Gegen Ende Mai 5840 verwandelte sich die ganze Oberfläche des Ki-lauea in einen Feuersec, dessen rasende Wogen furchtbar tosten und gegen die Nand des ungeheuren Kessels so entsetzlich anschlugen, daß große Felsen-stücle sich losrissen. Am !W. Mai bemerkte man in Puna Ranch und Feuer aus dem Innern liner öden gebirgigten Gegend aufsteigen. Anfangs wurde die Erscheinung für einen Waldbrand gehalten, doch nahm sie bald so zu, daß nicht mehr an ihrer wahren Natur zu zweifeln war. Am 1. ^uni begann der Strom, der aus mehreren Punkten aus einem langen Bcrgspalt hervorquoll, in nordöstlicher Richtung abzufließen und am dritten Tage er« reichte er die See, wo er über einen äU bis 50 Fuß hohen Abgrund springend mit entsetzlichem Getöse in die Tiefe stürzte. Man denke sich einen dunkelblntrothen Feuerstrom, so breit und tief wie der Niagara, Die Luft war nach allen Richtungen mit Asche, Dünsten und Gasen angefüllt, denn die ^'ava zerstob, indem sie daö Wasser berührte, in Millionen von Atomen und siel durch die Luft zurückgeworfen als Flugsand über die ganze Umgegend hin. Die Küste erweiterte sick eine Viertelmeile in die See und es entstand ein sandiger Strand mit einer neuen Landspitze. Drei Wochen lang ergoß sich dieser mächtige Lavastrom ohne bedeutend abzunehmen. An der See war er eine halbe engl. Meile breit, vordem abwechselnd in seiner Größe, 13" 276 indem er gleich wie ein Fluß sich nach den Gegenden formte, die cr durchströmte. Je »ach den Unebenheiten des Bodens wechselte natürlich auch die Tiefe von 10 bis übcr 200 Fuß. Könnte man sich einen Strom wie dcn Ganges oder den Mississippi in flüssiges Feuer verwandelt denken, bald schneller, bald langsamer, bald zu einrm See sich ausdehnend, bald durch Engpässe brausend, oder sich durch mächtige Urwälder und Wüsten schlangelnd, so würde man sich vielleicht eine Vorstellung von der hehren Großartigkeit jenes Lavaflusses machen. Als der Strom sich fortbewegte war auf dem ganzen östlichen Hawaii Nacht in Tag verwandelt, das Licht verbreitete sich wie die Morgenröthe übcr die Gebirge, und warf seinen Glanz selbst auf die entgegengesetzte Seite der Insel: mehr als l00 Meilen in See konnte die Beleuchtung deutlich wahrgenommen und in einer Entfernung'von 40 Meilen sogar gedruckte Schrift gelesen weiden. Kein Menschenleben und nur wenig Eigenthum ging durch diesen großartigen Ausdruck) verloren, da er sich übcr eine fast unbewohnte Wüste ergoß. An der Windseite konnte man sich dem Strom bis auf einige Ellen nähern, während man im Lee davon auf eine Ferne von vielrn Meilen nicht leben lonntr. Bisweilen stieß die Lava auf einen unterirdischen Gang vom Hauptkanal abweichend, drückte sich in denselben hinein, bis sich ihr auf ihrcr dunklen Wanderung irgend ein Hinderniß entgegenstellte, worauf sie mittelst ihrer ausdehnenden Kraft dio Erdrinde li> bis W Fuß hoch kupvclformig in die Höhe hob, die Schale durchbrach und sich herauswälzte. Ein Mann, der vom Hauptstrom weit entfernt stand und sich mit gespannter Erwartung in das Schauspiel vertiefte, ward plötzlich 10 Fuß hoch gehoben und hatte nur eben Zeit zu entkommen als die Erde dort wo er gestanden, sich öffnete und einen Fcuerstrom ergoß. Die Ausbrüche des Gipfcltraters, die in den Jahren 1843, l^üi, 1852 und 1855 statt fanden, waren besonders auch dadurch merkwürdig, daß sie ohne alle vorhergehende oder begleitende Erdbeben, ohne alles furchtbare Getöse oder Emporschleudern von glühendem Gestein, vor sich gingen, — Erscheinungen, die bekanntlich bei den Ausbrüchen des Vesuvs oder des Aetna beständig wahrgenommen werden. Es war wie das ruhige Uebcrsieden eines vollen Kessels. Ein Lichtschein an der Spitze des Berges verkündigte jedesmal den Erguß der feuerigen Massen. Ein ameritanifcher Missionar, welcher Augenzeuge vom Ausbmch des Jahres 1843 war, beschreibt uns (Jahresberichte der amerikanischen Missions- 277 gesellschaft) wie der Strom nach jener ersten Lichterscheinung von Tag zu Tag an Große mid Stärke wuchs, und große Säulen flüssigen Fenns vom Berge hcrabrollten. Spatel sah man auch au einigen tiefer liegenden Punkten die Lava hervorbrechen und mit reißender Gewalt nach der Richtung deß Mauna ssea dahiilfließen. Der Ort des Ausbruchs tonnte von dcr Schlafstube des Missionars ans deutlich gesehen werden, so daß der ehrwürdige Herr auf seinem Lager den phantastischen ewig wechselnden Bewegungen deß Feuers folgen tonnte. Das schnelle Hervorwälzcn des Flnsscs, die strahlenden Säulen, das unheimliche' Getose, alles trug dazu bei, die Seele zu bewegen, und hielt den Beobachter oft ganze Nächte wach. Volle vier Wochen hielt diese großartige Naturerscheinung unverändert an. Beim Ausbruch von 1855 wälzte sich der Feuerstrom in der Richtung von Hilo herab und drohte den kleinen anmuthigen Ort mit seinen Lavawogen zu überschwemmen. Am 11. August 1855 hatte man den leuchtenden Punkt am nordwestlichen Gipfel des Mauna Loa zuerst erblickt, und am 15. Oktober war die langsam aber rastlos durch den dichten Urwald fortrückende Lava nur noch 10 englische Meilen von Hilo entfernt. Sie verfolgte das rechte Ufer des Wailuki, und ihre Quellen hatten noch immer nichts von ihrer furchtbaren Kraft verloren. Am 22. Oktober hatte sich die befürchtete Katastrophe noch nicht verwirklicht. Der große Gipfeltrater spie zwar noch immer seine feurige Massen ans, aber der Lauf des Laoastromcs hatte sich bedeutend verlangsamt, sei es, daß die Becken, Schluchten und Schlünde, die er auszufüllen hatte, ihn aufhielteil, oder auch dic mit der Entfernung von den Quellen zunehmende Abkühlung sein Fortschreiten verhinderte. Am
  • . Mai statt fand, der eine fur jenen Berg erstaunliche Taramasse auswarf, die auf !7 Millionen Kubikmeter gc schätzt wurde. Doch die von Mauna Loa ausgespieenen Materien übertreffen jene um das siebenundzwanzigfache, da sie nach Coan's Berechnung sich auf 460 Millionen Cub>lmeter oder t'2,l»lxl Millionen Cubilfuß beliefen — ein Maf>, von dem unsere EmbildungMaft sich laum eine Vorstellung macben tailn. Die Insel Maui, welche ungefähr -'0 Meilen nordwestlich von Hawaii liegt, ist nach dieser die größte und höchste der Gruppe. Sie besteht aus zwei Halbinseln, durch eine sv niedrige Landenge verbunden, daß zuweilen Schiffe in der Nacht den verderblichen Versuch gemacht haben, hindurch zu segeln. Die östliche Halbinsel, auf welcher der riesige Haleatala „das Haus der Sonne" thront, gleicht einem der alimälig ansteigenden Kegelberge Hawaii's, während rie westliche aus einer Masse von wild durcheinander geworfenen Gipfeln und Felsgrathcn besteht. Das Klima zeigt je nach der Lage dieselben bedeutenden Verschiedenheiten wie auf Hawaii. Wo der Passat weht sind Regengüsse häufig, und zahlreiche Bäche haben im Lauf der Zeiten tiefe Furchen in die'^ergseiten cingcgrabcn; während in Lahaina, nach Honolulu dem bedeutendsten Hafen der Hawaiischen Gruppe, eine fast ewige Düne herrscht. Jährlich wird Lahaina von ungefähr 50 amerikanischen Walfängern besucht, und schon vor 20 Jahren fand Vennett dort mehrere schöne steinerne Häuser und ein Lesezimmer für fremde Seoleutc. Die mit einer Neigung von nur 6 bis 10 Grad sich erhebenden Seiten des Halealala sind wie die seiner mächtigen Brüder auf Hawaii mit parasitischen Kegeln und frisch aus-Menden Lavaseldern bedeckt, doch deuten die tiefen nach rcr Windseite ge legenen Thäler auf ein langes Erloschen seiner Feuer. Die Eingebornen haben eine Sage, daß Pc>l<'-, die Göttin des Kilauea, einst auf dem Halea» lala ihren Wohnsitz hatte, bis durch das Heranrücken des Meeres erschreckt, sie nach Hawaii floh. Es läßt sich also vermuthen, daß der Vulkan erst vollständig erloschen ist, seitdem die Insel bevölkert wurde, also innerhalb der letzten zweitausend Jahre. Der Givfeltrater hat eine Tieft von l bis 2000 Fuß. und übertrifft also in dieser Hinsicht deu berühmten Kilaura, auch ist der Umfang bedeutender, da man, um ihn zn umwanoern, ungefähr 15 engl. Meilen zurücklegen muß. Die Wände sind steil, doch kann mail an allen Seiten, obgleich mit Schwierigkeit, heruntersteigen. Ein Theil der Küsten von West-Maui ist von Corallen umrandet, doch sind die Riffe nicht so ausgedehnt als auf Oahu. Diese letztgenannte Insel, welche einen Umfang von 600 engl. Quadratmeilen hat, besteht gleich Maui aus zwei getrennten Gebirgsmassen, zwischen welchen ein niedriges fast ebenee Land sich erstreckt. Die Berge haben unregelmäßige aufgehackte Formen, und sind von tiefen Thalern durchschnitten. Die Gergabhänge, bis zu einer Höhe von N00 oder <000 Fuß, sind meistens mit Gras bewachsen, worauf die Waldregion anfangt. Wegen des eigenthümlichen Charakters des Gebirges find die Thäler, sogar unter dem Winde wohl bewässert und mit dem üppigsten.Wrün verziert, nur die Ufer-ebenen leiden an Dürre und sind fruchtbar nur so weit die künstliche Bewässerung reicht. Die entgegengefetzten Abhänge der östlichen Bergreihe haben eine ganz verschiedene geologische Bildung. Von Süden her steigt das Land allmä'liq von der Ufercbene empor, imd zahlreiche breite Thäler durchfurchen das Gebirge, sich nach dem Meer hin erweiternd, während nach Norden die 1 bis 4000 Fuß hohen Bergwände steil, fast senkrecht hinabstürzen. Unterhalb liegt nur ein schmaler Landstrcifen, dessen Breite von einer halben bis 2'/« Mei' len wechselt, eine geringe Ausdehnung im Pergleich zur Vreite der südlichen Abhänge. Die Ansicht dieser Gergmaurr ist eine der merkwürdigsteil im großen Ocean. Im kalten Norden beständen die hohen Wände wahrscheinlich nur aus nacktem Fels, aber in diesem tropischen Klima kommt das Gestein nur hier und dort durch das dunkle Laubgehänge zum Vorschein. 280 - Das westliche Gebirge fällt steil nach Südwesten ab; nach Osten oa-gegen senkt es sich allmälig zur Ebene hin. Zahlreiche Krater liegen auf dieser Insel zerstreut und zeugen von den vulkanischen Stürmen, oie ehemals hier getobt haben. Oahu ist nickt nur zum großen, Theil von lebenden Corallenbänken umrandet, sondern auch am Fuß der Bergabhänge bilden an manchen Stellen gehobene Nisse weite Ebenen, 5> bis 25, Fuß hoch über dem Meer. Sie sind aus noch gegenwärtig vorkommenden Arten gebildet, und beweisen, daß die Insel in den jüngsten Perioden der Erdgeschichte im Steigen begriffen war, und wahrscheinlich noch immer gehoben wird. Die Insel Kauai hat eine fast kreisrunde Form und ein Areal von 640 Quadratmeilen. Das Land steigt sehr allmälig von dcr Küste abwärts, ausgenommen an dcr westlichen Seile, wo^^in 1000 Fuß hoher Abgrund sich steil in's Meer hinabsenkt. An andern Stellen besteht die Küste gewöhnlich aus '^ bis W0 Fuß hohen Klippen, hinter welchen eine sanft auf^ steigende, 2 bis 5 Meilen breite Ufcrebenc beginnt. Die Klippen ziehen sich auch zuweilen landeinwärts zurück, eine weite S'trand^ oder Uferflächc mit einer steilen Ringmauer einschließend. Dic Hohe des Waialeale, des höch^ sten Piks, Wird auf 3000 Fuß geschätzt. An der Westseite der Insel liegt ine Hochebene etwa 4000 Fuß über dem Meer. Schon ans diesen allgemeinen Zügen läßt sich erkennen, daß Kauai mit romantischen Reizen reichlich ausgestattet sein muß, und die Erwartungen, die seine kühnen Bergsormen aus der Ferne erregen, werden nicht getäuscht, so wie man in's Innere dringt. Besonders zeichnet sich durch seine reichen Naturschönhcitcn das herrliche Hanaprpc Thal aus, welches an der südlichen Küste ausmündet, und dessen Gewässer zum Theil vom Bergriesen Waialealc entspringen. Bis ä Meilen von der Küste bildet das Thal nur eine Furche durch dic grasige Ebene; doch nun verengt es sich Plötzlich zu einem spalten-artigen Hohlweg zwischen steilen, 1000 Fuß hohen Bergwänden, die biB^ weilen sich oben fast begegnen, so daß nur ein schmaler HimmelZstreifen durchschimmert. Das Bächlein rauscht vorüber, nun an dieser Seite des engen grünbewachsenen Grundes, nun an jener, und zwingt nicht selteu den Wanderer die Bergwand hinanzullimmen und an die Ritzen dcr Felsmauern sich festzuklammern um den rauschenden Gewässern zu entgehen, dort wo sie zu lief oder reißend sind, als daß man sie bequem durchwaten könnte. HANAPEPE-THAL/1 i-, KATJAI. fe 281 Die steilen Wände, welche diesen schattigen Hohlweg einschließen, buchten sich an einigen Stellen halbkreisförmig aus, und diese Seitenschluchten ziehen sich dann bi3 zn den hohen Berggipfeln hinauf, reichlich verziert mit Schlinggewächsen und Blumcngchängcn, Farnkräutern und Gesträuch, ja sogar mit Waldbäumen wo ihre Neigung geringer ist. Sie sind durch die Bäche entstanden, welche an den Seiten des Hohlwegetz hinabstromend, den Basalt im Laufe der Zeiten zersetzt haben, und lassen uns in eine Vergangenheit von unberechenbarer Ferne zurückschauen. An Wasserfallen fehlt es nicht, oft sieht man viele zugleich die hohen Wände hcrabrauschen, und abwechselnd zwischen dem dichten Laube erscheinen und verschwinden: einige wie wcißschäumcnde Fäden, andere wie breite Bänder, nur unvollkommen die schwarze Oberfläche des darunter liegenden Basaltes verbergend. Nach einer Wandcrnng von etwa ä Meilen durch diese romantische Schlucht kommt man zu den Fallen des Hanapeve. Eine hohe Bergwand, einen weiten Bogen beschreibend, schließt plötzlich den Hohlweg und bildet ein Amphitheater von unvergleichlicher Großartigkeit, zu welchem der lange Engpaß mit seinen säulenartig lanellirten Mauern und seinem reichen Schmuck von Laub, Blumen und lebendigem Wasser eine würdige Vorhalle bildet. Dir hohen Wände des Amphitheaters sind mit einer dichten Vegetation verziert, gleich mannigfaltig in ihren Schaltirungrn und Formen, Zur linken neigt sich ein sänlen- oder thunnartiger, weit vorspringender Fels über den Thalkessel. Seine abschüssigen Seiten sind nackt, außer hier und dort einigen Farnkräutern und anklebenden Moosen, während schbnlaubigeß Buschwerk den Gipfel lront. Zur rechten stürzt aus einer hohen Schlucht, von Basaltsäulen wie von einem gothischen Portale eingefaßt, ein Wasserfall in träufelndem Schaum den Abgrund hinab, sammelt dort unten wieder seine Kräfte und setzt dann seinen schattigen Weg durch den Hohlpaß weiter fort. Andere Thäler von ähnlichem romantischen Charakter, aber noch von keinem Reisenden beschrieben, ziehen sich durch das Innere Kauai's. Die Phantasie verweilt gerne beim erfreulichen Bilde der Zukunft, wo eine gebildete, wohlhabende Bevölkerung die Inseln besitzen und alle diese Naturreize genießen wird; wo Dampfbootc von San Francisco, Vancouver und China zahlreiche Touristen dorthin führen nnd ein noch ungeborcner Bädeker ihnen die Wegc erleichtern wird. 282 Kauai wild der Garten der hawaiischen Gruppe genannt, und wer eben das sonnverbrannte Ufer Süd-Oahu's verlassen hat, erfreut sich doppelt des frischen Grüns jener romantischen Insel. Die Berge und die Thäler sind mit Waldern bedeckt, und die hohe Küstenebene, die an der südlichen, östlichen und nördlichen Seite die 7msel umgürtet, ist meistens mit Gras und Gesträuch bewachsen und an einigen Stellen mit Pandanus- und Kukui-hainen beschattet. Die niedrigeil Gegenden der ^nsel befinden sich alle au der Windseite der Berge, wodurch die Fruchtbarkeit ihres verwitterten Gesteins hinreichend erNa'rt wird. Die hohen Gipfel und das erhabene Perg-plaleau im Westen liegen in einer Region von häufigen Nebeln und Regen, und zahlreiche Wasserfalle fließen wie Silberfäden längs der senkrechten Abhänge, oft aus Hohen von mehreren 1000 Fuß herab. So ist ganz Kauai mit seltenen Ausnahmen vortrefflich bewässert, und die niedrigen Gegenden versagen fast niemals ihre Früchte. Ostwärts vom Dorfe Koloa erheben sich im südwestlichen Winkel der Infel acht erloschene Krater, auf den Raum einer einzigen geographischen Meile zusammengedrängt. Schwarze ^avamassen, noch ganz so nackt wie viele der Lavafelder vom Mauna ^oa, bedecken einen großen Theil dieses vulkanischen DistrMS, während an andern Stellen lose Steinblocke mit kaum einem Strauch dazwischen in wilder Unordnung umher liegen. Oft sind die ^avaschichten, wie bei den jüngsten Ausbrüchen auf Hawaii, dom° oder gang^ irtig aufgebläht, und viele der auf diese Weise gebildeten Höhlen haben einen ziemlich bedeutenden Umfang. Die erste, welche Dana besuchte, war 10 Fuß hoch, 20 Fuß breit, 50 lang, und die gehobene Decke des Gewölbes, die zwar sehr rauh aber ohne Stalactite» war, hatte eine Dicke von 5) Fuß. Wo Höhlen dieser Art in'ß Mccr ausmünden, bilden sie Seebildcr von ergreifendem Eindruck. Die Wellen des weiten Oceans, über die schwarzen Felsen daherbrausend, in den dunkeln Abgrund verschwindend und endlich in hohen Wasserstrahlen oder Schaumgarben aus dem durchlöcherten Gewölbe hcrvoispritzend, gewähren überall einen majestätischen Anblick, wo sie nur am Gestade dieser vulrani schen Inseln vorkommen, doch haben mehrere der Spritzlocher von Kauai einen besonders großartigen Charakter. Mit Ausnahme der westlichen Steilküste sind die Ufer der Insel von einem schmalen Riff umrandet, welches durch die Aufhäufung des Corallensandcs und das Anhalten des durch die 283 Flüsse von den Bergen herabgeschwemmten Schlammes zu ihrer allmäligen Vergrößerung beiträgt. So haben cm der Mündung dcs Haualei Thales die vereinten Kräste des Meeres, der Winde, des Flusses und deß NW eine Ebene von 4 Quadratmeilen gebildet, auf deren reichen Fluren ein schönes Dorf sich erhebt. Bedenkt man die bedeutende Ausdehnung und vereinsamte Lage der hawaiischen Gruppe, mitten im großen Ocean und Hunderte von Meilen vom nächsten hohen Lande entfernt, so wird man sich nicht wundern, daß eine beträchtliche Anzahl Pftanzenarten diesen Inseln eigenthümlich ist und sonst nirgends in der Welt wildwachsend vorkommt. Bei der ansehnlichen Höhe der Gebirge läßt sich die Flora in drei Regionen.eintheilen: die der Küsten oder niedrigen Ebenen, die dcs Waldgürtels unterhalb 6000 Fuß, und die der darüber liegenden Zone, wo der Baumwuchs sich bereits zum Gebüsch verkrüppelt und endlich nur noch durstige Moose und Lichencn das zerklüftete Gestein der windumwehten Bergkuppen überziehen. Eigentliche alpinische Pflanzen fehlen gänzlich; denn in der Tropenzone fangen diese erst auf der Andenkette in Höhen an, Welche die des Mauna Kea überragen. Mit dem des nächsten Continents, der Küste von Kalifornien, hat der Vrgc-tationscharakter nichts gemein, und obgleich er in mancher Hinsicht den indischen und polynesischen Typen sich anschließt, so unterscheidet er sich doch schon wesentlich von der tahitischen Flora, was nicht zu verwundern ist, da beide Gruppen nicht weniger als 37 Breitegrade von einander entfernt und in verschiedenen Hemisphären liegen. So gedeiht der so üppig auf den Gesellschaftsinseln sich verwildernde Orangenbaum um in einem einzigen Distrikt auf Kauai; der auf Tahiti zur Vandcsplage gewordene Guavastrauch hat auf den Sandwichinseln nur eine lokale Verbreitung; und die Brodfrucht endlich, die auf den südpolynesischen Gruppen die Hauptnahrung der Ein-gebornen ausmacht, wird fast nur bei Hilo in ihrer Vollkommenheit angetroffen. Eine um so größere Rolle im Haushalte der Hawaiier spielt die ergiebige Tarowurzel (^.rmn o^alvntum), die mit Hülfe kunstvoller Bewässerungen auf überschwemmtem Boden gczogen wird, doch auch auf den Bergen im Trockenen Wächst und hierin dem Reis gleicht, dessen verschiedene Arten ebenfalls sowohl in Sümpfen als auf Bergen angebaut werden. Die Feigenbäume, die in Südpolyncsien oft zu riesigen Exemplaren auswachstn, fehlen gänzlich auf Hawaii. Die Orchideen sind äußerst selten, 264 und die cpiphytifchcn Arten dieser wunderbaren Familie kommen gar nicht vor, während die ^umlwsitnc viel häufiger als auf den füdpolynesischcn Gruppen erscheinen. Vorherrschend sind außerdem die Familien der Nubiacecn, Contorten und Urtieren, aus welcher letzten viele verschiedene wildwachsende Arten zur Verfertigung verschiedenartiger Bastzeuge benutzt werden. Auch zeichnen sich im Charakter der Landschaft die baumartigen, milchigen Lobeliaeecn aus, welche in großer Verschiedenheit vorkommen und sogar einige eigenthümliche Ordnungen bilden. Ferner zeigt sich ein bedeutender Unterschied in den bäum- oder krautartigen Farren, die hier in ganz andern Gattungen als in den südlichen Gruppen auftreten. Der äußere Saum der Inseln bringt häusig nur wenige Arten Gräser hervor, doch verleihen ihm an manchen Stellen die (5orospalme und der Pandanus den reizenden Schmuck, den sie gewöhnlich den polynesischen Gestaden gewähren. Die Früchte der ersteren werden nur wenig genossen; der Pandanns aber ist einer der nützlichsten Bäume der Inseln, da mit den Blättern die Häuser bedeckt, und Korbe und Matten daraus verfertigt werden. Die kleinen Nüsse reiht außerdem noch das schöne Geschlecht zu Halsbändern aneinander. Auf den Uferebenen von Kauai bildet mitunter der Kukuibaum (^l«n-i-iw» t>lls>l>a) wundervolle Haine, wo schon einige Baumricsrn mit ihren weitverbreiteten Aesten große Namne bedecken. Gottesdienst wird oft im Schatten eines solchen hehren Natnrtempcls gehalten, dem das grenzenlose Meer im Hintergründe, sein Brausen mit dem Säuseln des Windes im Laube vermählend, einen noch erhabeneren ssharakler gewährt. Auf den wohlbcwässeitm Bergabhängen ist die Flora reich, ohnc jedoch an üppiger Fülle der brasilianischen Natur vergleichbar zu sein. Mau findet hie und da in den Pergschlnchten herrliche Bananenhaine, dir Stamm an Stamm gepreßt eine dunkle Nacht unter ihren großen ausgebreiteten Plättern hegen. Diese Pflanze, die am Strande kultwirt kaum 5 Fnß hoch wird, erreicht an solchen Orten eine dreifache Hohe. Die Akazie,-aus deren Stamm die großen Canots der Eingebornen ausgehöhlt wurden, vor Einführung der nach unserer Weise erbauten Boote, erreicht nur im hohen Gebirge die dazu erforderliche Größe, und es findet sich auch nur da der Sandelbaum, der früher so sehr zur Bedrückung des Volkes beitrug. Man weiß wie hoch jenes wohlriechende Holz von den Chinefen gepriefen 285 wird, die es in ihren Tempeln vor den Götzenbildern verbrennen, und obgleich das auf Hawaii wachsende dem indischen an Güte nachsteht, fo wurdc es dennoch in Canton theuer genug bezahlt, um die Häuptlinge, den König, nnd vor allen die fremden Kaufleute auf Kosten der armen Unterthanen zu bereichern. Diese mußten ihren Feldbau vernachlässigen, um in der unwegsamen Wildniß das fluchbeladene Holz zu sammeln und es dann auf blutigen Schultern nach der Küste zu schleppen. Tausende erlagen den Muh-scligkeiten dieses harten Fwhndienstes, andere dem aus der versäumten Taro-kultur entstandenen Mangel und manche verließen ihre Wohnungen und irrten wie wilde Thiere umher, um sich jener verhaßten Arbeit zu entziehen. Die Bevölkerung, der wahre Reichthum des Landes, schmolz zusammen, während der solcher Art erpreßte Tribut auf unsinnige Wcise verschwendet wurde oder Niemanden zu Gnte kam, da reiche mit dem Sandelholz angekaufte Va-dungen europäischer Waaren häufig schlecht untergebracht wurden und verdarben. Nur als alles passende Holz nach Verlauf nur weniger Jahre erschöpft war, athmeten die Hawaiier wieder auf, denn das junge hat keinen Geruch und wächst nur langsam zur brauchbaren Güte heran. Es wird zwar noch immer Sandelholz ausgeführt, da der Nachwuchs sich bereits erholt hat, doch jetzt wo die Frvhndienste aufgehört haben und sogar der König den in seinen Zucker- und Kasseepftanzungen beschäftigten Arbeitern einen angemessenen Lohn bezahlt, können glücklicher Weise die ehemaligen Bedrückungen nicht mehr statt finden. Fu den nutzbaren Gewächsen, welche bereits srühcr den Eingebornen bekannt waren — Pandanus, Bioussonetia, Dracaena, Hibiscus, Curcuma, Tacca, Amoimnn, Saccharum u. s. w. — haben die Weißen noch manche neue hinzugefügt: die Yamswurzel, die Batate, die Kartoffel, den Tabak, den Kaffee nebst vielen Obstarten, Gemüsen und Zierpflanzen, die im allgemeinen recht gut fortkommen. Besonders verdient in dieser Hinsicht machte sich schon unter Tameamea dem ersten der Spanier Don Francisco de Paula Marini. Dieser war noch sehr jung als er in einen Hafen der amerikanisch-spanischen Küste, wahrscheinlich San Francisco, mit Früchten und Gemüsen auf ein Schiff geschickt ward, das im Begriff stand auszulanfen. Die Matrosen, ließen den Knaben trinken, er schlief ein, sie verbargen ihn. Das Schiff War auf hoher See, als erwachend er hervorkam. Der Wurf, der sein Schicksal entschied, war geschehen, doch war es kein unfreundlicher gewesen. 286 Auf dm Sandwich Inseln an's Land gesetzt, wurde Marini auf den-selbeu zu einem Häuptling von Ansehen, der als betriebsamer Landwirth unablässig mit den Arten nutzbarer Thiere und Pflanzen, die er einführte, neue Duellen des Wohlstandes schuf, und als betriebsamer Handelsmann die damals schon zahlreich in Honolulu einlaufenden Schisse mit allen ihren Bedürfnissen versorgte. Er besaß bei Honolulu zahlreiche Ninderheerden, Pferde, <5sel und Manlthiere, Viele ausländische Bäume und Gewäcbse wurden !» seinen Pflanzungen gehegt. Nach mehreren mißlungenen Versuchen gelang es ihm den Reis aus chinesischen Samen zu ziehen, auch legte er Weinberge von beträchtlichem Umfange an, wo die Traube zum Besten gedieh. Als Zjoung 1^!5 starb, war Marini der Patriarch aller ansässigen Europäer, und 1638 machte Bennet noch seine Bekanntschaft, sowie ihn 20 Jahre früher ^hamisso hatte kennen lernen. Seine Familie blüht wahrscheinlich noch immer auf Hawaii, denn er war vier Mal verheirathet und hatte 37 Kinder gehabt. Aus der geologischen Beschaffenheit der hawaiischen Inseln geht sckon hervor, daß ein großer Theil ihres Areals sich stets der Cultur rebellisch erweisen wird. Die höheren Gebirgsgegenden sind höchstens als Weide zu benutzen, und die wüsten Lavafeldrr Hawaiis trotzen dem Spaten und rein Pflug. Wo aber das verwitterte Gestein hinreichend bewässert wird, sei es durch häufige Regengüsse oder durch menschliche Nachhülfe, steht der Boden keinem andern an Fruchtbarkeit nach und bringt in den niederen Küstengegenden und tieferen Thälern viele der wcrthvollsten Erzeugnisse der Tropen-welt in der größten Menge und von vorzüglicher Güte hervor. Wie auf allen volyncsischen Inselgruppen, fanden die Fuwpäer die hawaiischen Säugethirre nur auf ein Paar Arten — den Hund, die Rahe und das Schwein — beschränkt. Der hawaiische Hund, der ausschließlich mit Tarobrei gefüttert wurde und gebacken eine Lieblingsspcise der Häuptlinge ausmachte, ist jetzt schon sehr selten geworden. Er zeichnet sich durch Kleinheit, braune Farbe, einen Fuchskopf, langen Rücken, krumme Vorderbeine und ein träges Wesen aus. Dagegeu haben sich die europäischen Hunderaeen sehr vermehrt und sind sogar zu einer förmlichen Landplage geworden, da sie auf den Bergen wie die Wölfe in Rudeln umherirren, die jungen Kälber und Ziegen zerreißen unr sogar dem Menschen gefahrlich werden. 287 Die ersten Rinder wurden bekanntlich von Vancouver eingeführt und haben sich im verwilderten Zustande, namentlich an den grasigen Abhängen des Mauna Kea außerordentlich vermehrt. Von Hawaii sind sie über die übrigen Inseln der Gruppe vertheilt worden und werden hin und wieder als Hausthiere benutzt, die meisten aber, mit dem eingebrannten Zeichen deö Besitzers, durchwandern ohne Aufsicht die Savannengegenden, wo sie aus südamerilanische Weise mit der Wurfschlinge sllv^o) eingefangen werden ^ besonders wegen der Häute die einen nicht unbeträchtlichen Ausfuhrartikel bilden. Man legt ihnen auch Fallgruben, in einer von weleben der vcr-dienstvolle schottische Botaniker Douglaß beim Pflanzensammeln einen schall oerhaftcn Tod fand (1833), da er,beim Hereinstürzen von einem bereis vor ihm hinabgesunkenen wilden Stier durchstoßen wurde. Das braunwollige kalifornische Schaf scheint völlig eingebürgert zu sein, obgleich die Weide und das Klima ihm nicht so zusagen wie dem Pferde und dem Rinde. Auch die Ziege hat sich stark vermehrt, sowie die Katze, die zum Schrecken mancher Vogel sich in der Wildniß vervielfältigt. Die einheimischen wilden Vögel werden am meisten im Innern und in oen abgelegenen Waldungen angetroffen. Es zeichnen sich unter ihnen rie scharlacheue c^i-tki« mit schwarzen Schwang und Schwungfedern aus; die olivengrünc Ooi tllla poic^i iü-l; ein kleiner Pergpapagei von rcichpurpurner ^arbe, und der berühmte schwarze ni n n o^VIciitlu ol't^zu^ililul), dessen paar gelbe Flügelfedern die herrlichen Mäntel der hohen Häuptlinge zierten und auch jetzt noch den gesuchtesten Kopfschmuck der vornehmen Damen liefern, der häufig mil 60 bis 109 Dollars bezahlt wird. Außerdem kommen noch eine Art Eule und eine Ralle «li^ü, ecil)er. - Wolinu»' twi 6, dic Inseln dcs gn'hcn Oceans. 19 290 Indessen verbreitete sich die wunderbare Nachricht von Insel zn Insel und erreichte endlich das Ohr Kalaniopuu's, des Herrschers von Hawaii. Man erzählte ihm von den götterglcichen Fremden, von dem Donner und Plitz, den sie mit sich führten, wie sie vom Himmel gekommen und wieder dorthin zurückgekehrt seien. Bald darauf machte der Konig Tamea-mea, von seinem Liebling und Neffen begleitet, einen Erodernngszug nach Maui, wo er am 26. November 1778 eine große Schlacht gewann. Die Sieger brachten die Nacht an der Nordküste von Maui zu, und am folgenden Morgen erschienen, vom Norden zurückkehrend, die fremden Götter auf ihren schwimmenden Inseln. <5iii lebhafter Tauschhandel wurde betrieben, und am 30. machte Kalaniovuu einen Staatsbesuch an Bord. Sein Neffe Tameamea blieb die Nacht auf dem Schiffe, zur großen Besorgniß des Volkes, welches, da das Fahrzeug sich von der Küste entfernte, ihn schon für verloren hielt. Doch der folgende Morgen zeigte ihnen die Grundlosigkeit ihrer Befürchtungen, denn der jnnge Häuptling stieg unversehrt an's Vand, und (oal»l^l>nat,a»x „der feuerspeiende Kriegßsohn", 1'üiwIwtii'I „der Gott des Donners" lauter Brüder, deren zwei wie der griechische Vulkan einm verunstalteten Körper hatten, eine hervorstechende Rolle spielten. Dicscin unbändigen Kleeblatte gesellten sich die nicht minder liebenswürdigen Schwestern: kl^oi-u n!lwa,li „die feueräugige Bootbrecherin"; Hinta- 297 « VV N.XV !Nl i laui, lüatn,-tllurli, V a-in lVtli, und ll l ll^ ^n! t >2 poi l ,^ 1'l'l^: „die himmelzcrrcißende, die schnell um sich blickende und die !'<>>'' um fassende Wolkenhalterin." Das Brüllen deß unterirdischen Feuers war die Musik wonach diese Gottheiten tanzten, und jauchzend schwammen sie in den Wogen des Flammenmeeres. Niemals verließen die Furchtbaren ihre Wohnungen zu wohlthätigen Zwecken, stets uur um Opfer zu empfangen oder Rache auszuüben; das Zittern der Erde, der sich ergießende Lavastrom verkündeten ihre An^ kunft. Die ganze Insel war verpflichtet ihnen Tribut zu zahlen, und wenn die Häuptlinge oder das Volk mit den erwarteten Opfern säumten oder ans sonstige Weise die Unzufriedenheit jener dämonischen Mächte auf sich gezogen hatten, wanderten sie auf unterirdischen Wegen zum Nächstliegenden Krater und überschütteten von dort aus die Schuldigen mit ihren schrecklichen Plagen. Außer den allgemein verehrten Gottheiten hatte jeder vornehme Häuptling seine eigenen Idole, denen gewöhnlich auf Anhöhen oder in der Nähe des Meeres Tempel oder Heiaus errichtet wurden, welche hervorstehende Gegenstände in der Landschaft bildeten. Sie waren mit einem großen Aufwand von Arbeitskräften aus losen Steinblocke» gebaut, die kunstreich auf einander gehäuft, sich zu festen Mauern zusammenschlössen und hatten gewöhnlich die Form cines unregelmäßigen Parallelograms. Der Heiau zu Kawaihae auf Hawaii, den Tameamea seinem Kricgsgotte Kaili widmete, war 224 Fnß lang, 100 breit, mit 8 bis 20 Fuß hohen Mauern an der Basis 12 Fuß dick, oben 2 bis si breit. Der schmale Eingang führte durch zwei hohe Mauern hindurch. Am Südende befand sich das Allerheiligste, wo von einer Menge untergeordneter Gottheiten umgeben das mit rothen Federn reichlich geschmückte Bildniß Kaili's sich erhob. Scheußliche Idole von allen Großen und Formen grinsten von der Ringmauer herab. Am Tage wo der Tempel vollendet wurde schlachtete man cilf Menschen auf dem Altare des blutdürstigen Götzen. Der Kannibalismus, der früher herrschte, war zwar schon zn Cook's Zeiten allmälig außer Gebrauch gekommen, doch noch immer wurden beim Tode der Konige, Fürsten und vornehmen Häuptlinge menschliche Opfer aus der niedrigsten Kaste geschlachtet und mit ihren Leichen bestaltet, damit es ihnen auch jenseits nicht an der nöthigen Bedienung fehle. In gewissen Familien erbte nach bestimmten Gesetzen das Schicksal mit den verschiedenen Gliedern dieser oder jener vornehmen Familien zu sterben, so daß von der » 298 Geburt an verhängt war, bei wessen Tode einer geopfert iverdeu sollte, Die Schlachtopfer wußten ihre Bestimmung, doch schien ihrLoos nichts abschreckendes zu haben, denn der Mensch gewohnt sich leicht an das Unvermeidliche, besonders wenn es in weiter unsicherer Ferne vor ihm liegt, Wer von uns läßt sich den Genuß drS Tages durch den Schlagfluß oder das böse Fieber, die Schwindsucht oder die Kntzünduug verderben, welcher er dereinst doch unterliegen muß? Die Priesterkaste wußte den Aberglauben des Voltes aus mannigfache Weise auszubeuten. <5he ein neues.haus bezogen wurde, mußten die bösen Geister erst daraus verbannt werden. Opfer oder Geschenke wurden dem Priester dargebracht, der betend und verschiedene Ceremonien verrichtend eine Aeit lang im Hanse verweilte und diesem dadurch eine solche Weihe gab, daß es von nun an gegen alle schlimmen Einflüsse der Geisterwclt gesichert war. Der Glaube an zauberische Beschwörungen, durch welche man seinen Feind zu Tode beten könne, und den wir bereits anf Tahiti und den Mar-auesas angetroffen haben, war auch hier allgemein verbreitet. So lebte der Hawaiier ein Sclave der Tyrannei oder seines eigenen Aberglaubens — doch würde man sehr irren wenn man ihn dabei für be^ sonders unglücklich gehalten hätte. Mit kindischer Sorglosigkeit genoß er, ohne die Jahre zu zählen, die Freuden, die schon allein das Dasein unter jenem licht- und farbreicheu Himmel, in jenen lauen würzigen Lüften mit sich bringt — kam Schmerz und Tod, so wußte er sie mit stoischer Uncn^ pfindlichkeit zu ertragen. Wie an der Schifffahrt hatte er, kriegerischen Sinnes, an seinen Waffen, an seinen Wurfspießen Lust. Mit kurzen leichten Rohrhalmen übten sich schon die Knaben sicher nach einem wandernden Ziele in die Wette zu Werfen uud Jünglinge und Mänurr erfreuten sich, gleich unsern alten Rittern im. Turniere, an Wasfensviclen, die nicht ohne Gefahr waren. Jährlich an einem bestimmten Festtage, kam der König an's Land gerudert, wo eine große Voltsmenge seiner wartete, vornean drei Häuptlinge vom höchsten Range, jeder mit dem Wurfspieß in der Hand. So wie er ausstieg und sich dem Ufer näherte, warf einer nach dem andern, dem Range nach ihm seine Waffe mit voller Kraft entgegen und zwar mit solcher un trüglichen Sicherheit, daß die geringste Ungeschicklichkeit seinerseits sich mit dem Tode bestraft hätte. Den ersten Wurfspieß fing er im Fluge auf und wehrte damit die beiden folgenden ab. 299 Als Taineamca bereits den Gipfel der Macht erklommen halte, und dem Alter sich näherte, ward er oft gebeten diesen alten Gebrauch fallen zu lassen: „Nein," war die Antwort, „derjenige ist unwürdig zu herrschen, der sich nicht selbst zu vertheidigen vermag. Ich kann auffangen so gut wie werfen." ^m Steinschleudern waren die Hawaiier so vortrefflich eingeübt, daß sie vier Mal unter fünfe» cinen dünnen Stock, in einer Entfernung von fünfzig Ellen treffen konnten. Eine dichtgeflochtene Matte schützte den Leib des streitenden Kriegers, der Häuptling schmückte sich für die Schlacht mit seinem prächtigen Fcdmuantel und Helm, dem tostbarsten Ornate mit dem ein wilder Despote sich nur ziere» konnte. Besonders hochgeschätzt waren die gelben Federn des Moho (zielltkiopt^ p^oMo-r), von welchen wie icb bereits erwähnte der braune Vogel auf jedem Flügel nur ein Paar besitzt. Diese wurden auf's künsllichste über eine Art Stramin dachziegelartig zu^ sammengclegt, so daß sie eine vollkommen glatte Oberfläche bildeten, die wie der reichste Goldbrokat schimmerte, Wenn man bedenkt, daß auch jetzt noch fünf solcher Federn mit anderthalb Dollars bezahlt werden, und daß der berühmte .Uönigsmantel Tameamea's, 10 Fuß lang und l> bis 7 Fuß breit gänzlich damit bedeckt ist, so dürfte kaum irgend ein Fürstenschmuck diesem Gewände an Kostbarbeit gleich kommen. Die Häuptlinge trugen minder werthvolle Mäntel, die auf schwarzem oder dunlelpurpurnem Grunde mit Fi-guren aus gelben und rothen Federn sletztere von l^tai-i»:^ ^c,"«'^«,) eingewirkt waren: der Kopfputz hatte die Form eines griechischen Helmes und war auf ähnliche Weise verziert. So wie vor dem Gefechte menschliche Opfer geschlachtet wurden um die Mitwirkung der Htriegsgo'ttcr zu erwerben, so wurden auch nach demselben keine Gefangene gemacht, sondern die Fliehenden unbarmherzig niedergemetzelt. Gelang es ihnen aber die Freistätte eines I'',!>on0lia zu erreichen, so waren sie in diesem unverletzlichen Heiligthnm vor jedem ferneren Angriff sicher, denn so wie sie die Schwelle betraten, erlahmle der Wurfspieß in der Hand des grimmigsten Verfolgers. Von diesen der Milde geweihten Asylen gab es zwei auf der Hauptinsel, zu Waipio und Honaunau. Ellis staunte über die Große des letzteren. Die Freistätte war 715 Fuß lang 404 breit und bildete ein unregelmäßiges Parallelogram mit 12 Fuß hohen und 15 Fuß dicken Mauer». Innerhalb dieser Einfriedigung befanden sich drei große Ket-m«, zwei von welchen aber schon ziemlich zerstört waren, Der dritte erhob sich auf einer festen Steiumasse 126 Fuß lang, 65 Fuß breit und 10 Fuß 300 hoch. Viele Lavablocke von einem Gewicht von zwei Tonnen und darüber wurden mindestens N Fuß hoch vom Boden in den gewaltigen Mauern be-mcrtt. Dieser l'nlimxiuu wurde auf Befehl Keave's erbaut, der vor etwa drei Jahrhunderten in Hawaii regierte. In Kriegszeiten zogen gewöhnlich die Frauen, Kinder und Greise der Nachbarschaft in den l'lilwmn,!! und erwarteten dort in voller Sicherheit das Ende der blutigen Fehde. Der fluchtige Krieger ging auf das Hauptgotzenbild zu und empfahl sich dessen Schuhe oder drückte seinen Dank aus durch ein kurzes Gebet. Verließ er nach einiger Zeit oder nach beendigtem Kriege das gastliche Dach, so zog er unbelästigt wieder heim, denn Niemand wagte den Tabu, der ihn noch immer schützte, zu brechen. Wunderbar sind allerdings jene cyllopischen Mauern bei den geringen mechanischen Hülfsmitteln der Hawaiier -, aber noch wunderbarer scheint mir die Macht einer milderen Gesinnung, die bei so barbarischen Sitten die Menschen zu solchen Bauten bewegen konnte. Wenn nach Chamisso nur derjenige den Namen eines Wilden verdient, der ohne festen Wohnsitz, Feldbau und gezähmte Thiere, keinen andern Besitz kennt als seine Waffen mit denen er sich von der Jagd ernährt, so paßte allerdings jcne Bcncnnung durchaus nicht auf die Hawaiier, die wie die stammverwandten Tahitier, in manchen Künsten des Friedens bedeutende fortschritte gemacht hatten. Die Kultur der fruchtbaren Thäler war bewunderungswürdig. Kunstvolle Bewässerungen unterhielten selbst auf den Hügeln Taropflanzungen, die zugleich Fischweiher waren und allerlei nutzbare Gewächse wurdcn auf den sie scheidenden Dämmen angebaut. Man fing die Seebarbe« ganz jung im Meere und brachte sie in ein von Corallenblocken eingeschlossenes Veclen, durch welches süßes Wasser floß. Tann wurden sie an immer wcni^er salziges Wasser gewöhnt bis man sie endlich nach fünf oder sechs Wochen in die Taropflanzungen versetzte, wo sie außerordentlich groß, fett und wohlschmeckend wurden. Mit Werkzeugen, die nur aus hartem Stein, geschliffenen Muscheln, oder geschärften Knochen bestanden, verstanden die Hawaiier große, schone Piroge», und nette Häuser zu bauru, Holz und Stein tunstreich zu schnitzen und anszuhauen. Sie hatten bestimmte Handwerker, dcren einige sich mu' mit dem Schissbau beschäftigten, so wk- andere ausschließlich mit dem Zimmern, Schnitzen oder Dachdecken der Häuser. Die bchgcbautten Häuser dauerten l0 bis 12 Jahre. Die der Häuptlinge standen in großen Hofraumcn auf steinernen Terasscn. Um das Hauptge-baute waren kleinere Hütten errichtet, zum Essen, Schlafen oder Venvahrcn 301 der Porrälhr. Das Ganze glich einer Sammlung von Heuschobern. Grosse, schöne, feine Matten dienten als Lager, Schirme oder Scheidewände. Dic Frucht des Flaschentürbisses ((^u>d!l!r ln^u-uia) spielte eine bedeutende Rolle im einfachen Hausrath des Hawaii rrs. Sie diente ihm als Trintgefäß, als Maske, als musikalisches Instrument. Sie «setzte den Mangel des Eisens, bFs Glases, der Töpfcrwaaren, der hölzernen Geschirre. Auf Reisen war sie sein Tornister, zu Hause seine Lade. Er wußte sie wahrend des Wachsthums in alle dienstlichen Formen zu bringen und sie stand ihm in allen Größen zu Gebote von der kleinsten Wassertasse bis zur großen Tarobrei-schüssel, die l() Gallonen und darüber faßte. Die einfache Kleidung war dem Klima angemessen; sie bcstand gewohnlich aus Tapa oder Papicrmaulbeertuch, dessen Verfertigung ich bereits beschrieben habe. Männer trugen deu ^uo oder Schamgürtel; Weiber den i»ln>, der lim die Mitte befestigt war und bis zu den Knieen herabreichte. Nur die Vornehmeren trugen schwarze, fchönfaltige Mantel von demselben Zeuge, welchem das färbende Harz, die vortreffliche Eigenschaft verlieh nicht naß zu werden. Auch feine Matten wnrden znr Kleidung benutzt. Zum Fischfange bediente man sich der Netze oder der Haken von Perle-mntter. Der Bonilenfang war, wie bei uns die hohe Jagd, ein königliches Vergnügen. Ein Canot wurde mit größter Gewalt der Ruder in dem schnellsten Lauf erhalten. Am Hintcrtheile desselben saß der fürstliche Fischer und hielt die schillernde Pcrlmutterangel schwebend über drin Meer. Der Ponite, voller Gier einen fliegenden Fisch zu verschlingen, sprang dann aus dem Wasser der vermeintlichen Veutc nach — doch nur um bitter getäuscht an dem spitzigen Widerhaken zu zappeln. Wie auf Tahiti, auf Java und nnter den wilden Volksstämmrn am Orinoko und Amazonas, wurde auch auf Hawaii Pflanzengist zum Fischfänge benutzt. Das verderbliche Gewächs, seiner Rinde entblößt und gequetscht, wurde unter das Corallengestcin gelegt wo die Fische viel herumschwammen. So wie sie betäubt zur Oberfläche kamen, reinigte man sie sogleich, damit das Gift sich nicht im Körper verbreite. Ein ziemlich lebhafter Tauschhandel wurde zwischen den verschiedenen Inseln getrieben. Das Tapatuch von Oahu fand guten Absatz aus Kauai, Welches mit seinen sehr geschätzten Pirogen und Handrudern bezahlte, Ein brsondcis starkes Tuch manuka genannt, welches für kaltes Wetter paßte wurde auf Hawaii verfertigt, wo die übrigen Inseln sich damit versahen. 302 Es gab sogar Messen oder Jahrmärkte zu bestimmten Zeiten. Der berühmteste fand am Ufer des Wailuli statt und zog Besucher aus allen Theilen der Insel herbei, die dort ihre verschiedenen Artikel zum Tausch ausboten. Wenn also nach allen diesem die Hawaiier t'eine eigentlichen Wilden waren, so zeugte doch die gedrückte Stellung des Weibes von einem barbarischen Zustande. Die hochgeborene Fürstin war wie die niedrigste ihres Geschlechts den Gesetzen des Tabu unterworfen. Keine von beiden durfte jemals mit den Männern essen, oder auch nur deren Speisehaus betreten. Die gröbste und gewöhnlichste Kost war für die Damen, während die ungalanten Herren sich den ausschließlichen Genuß von Schweinefleisch, von Bananen, Cocos-nüssen und Schildkröten vorbehielten. Der moralische Zustand der Hawaiier war beklagenswert!). Wenn das Weib durch Zuchtlosigkeit und Kindesmord sich besteckte, so ergab sich der Mann dem unmäßigen Kavatrinken. Während ihre Sprache überreich an Wörtern für alle Schattirnngcn des Lasters und des Verbrechens war, fehlte es ihr an jedem Ausdruck für die Dankbarkeit, eine jenen verwahrlosten Gemüthern ganz unbekannte Tugend. Ich greife nun den unterbrochenen Faden der Geschichte wieder auf, die uns mit einem großen Manne, dem berühmtesten Polynesiens, bekannt machen wird. Als König Kalciniopuu im Jahre 1780 starb, hinterließ er die Hälfte der Insel Hawaii seinem Sohne Kiwalao, die andere seinem Liebling nnd Neffen Tameamea. Kiwalao mochte sich vielleicht die Theilung nicht gefallen lassen, oder der ehrgeizige Tameamea das Ganze der Hälfte vorziehen — genug, es kam zwischen beiden zum Kriege, und eine einzige mörderische Schlacht, in welcher Kiwalao erschlagen wurde, machte seinen Nebenbuhler zum Herrn der Insel. So viel konnte zwar das Glück einem jeden Barbaren schenken, aber Tameamea verband mit dem Muthe des Kriegers die Klugheit deß Staatsmannes, der die Vortheile zu erhalten und zu vermehren weiß, die der launische Schlachtengott ihm verlieh. Der Handel war den Spuren von Cook nach der Norwesttüste von Amerika gefolgt und die Sandwich Inseln, die den dahin fahrenden Schiffen alle Arten Erfrischungen darboten, erhielten sofort eine Wichtigkeit wie keine andere Gruppe Polynesiens. Der weitsichtige Tameamea begriff sehr bald wie vortheilhaft die Freundschaft der weißen Männer für ihn sein mußte: sie fanden Schutz und Sicherheit so weit sein Einfluß reichte, und ihre überlegenen Waffen und Kenntnisse dienten zur Befestigung seiner Macht. 303 Die angeborene Gabe des Herrschers ließ ihn stets dir tüchtigsten Männer zu seinen Werkzeugen wählen. So fesselte er Kiana, einen Häuptling von Kam, den 1787 der englische Capital, Meares mit nach Kanton genommen hatte, und der sowohl durch seine Tapferkeit und seinen unternehmenden Geist als durch den Besitz von Flinten und Schießbedarf, eine sehr wichtige Erwerbung für ihn war, durch die Verleihung eines, hohen Ranges und bedeutender Besitzungen an seinen Dienst. Kahikili, Konig von Oahu und Maui, hatte den Feinden Tamcamea's Beistand geleistet. Dieser benutzte dessen Abwesenheit (1789) auf Oahu um die Insel Maui zu überfallen. Kahikili's jugendlicher Sohn zog dem Angriff entgegen, ward aber' gänzlich geschlagen, denn es war nicht leicht einem Krieger wie Tameamea zu widerstehen. Unterdessen hatte Keoua, des letzteren Hauptgegncr auf Hawaii sich empört, Gin seltsames Naturvhänomen erleichterte Tameamea den Sieg üb>,'r den rebellischen Häuptling und ließ ihn bei der abergläubigen Menge als den b> sonderen Günstling der Feurrgbttin Mlä erscheinen. Als nämlich Keoua mit seinen Kriegern über den Abhang des Manna Loa zog, bebte der Berg und schweflige Dünste dem Erdboden entsteigend, streckten plötzlich die ganze mittlere Abtheilung des kleinen Heeres nieder. Ueber 400 Mann erstarrten im Tode, während die gröbere Natur eines in der Nähe wühlenden Schweines dem giftigen Qualme glücklich widerstand. Bald darauf (l79t) kehrte Tamea-mca zurück und schlug vollends das entmuthigte Heer Keoua's, der von nun an, ein Flüchtling im Gebirge, 1793, durch die Hand eines Meuchelmörders fiel. Die Engländer Joung und Davis haben eine zu bedeutende Rolle auf Hawaii gespielt, als daß ich mit Stillschweigen übergehen könnte, wie sie in Tameamea's Dienste gerathen waren. Ein gewisser Capitän Metealf. Befehlshaber des Schisses „Elenor", der mit den Einwohnern von Maui in Streit gerathen war, lockte mehrere Hundert derselben aus dem Dorf heraus und richtete dann mit Kanonen und Musketen ein furchtbares Blutbad unter den Betrogenen an. Was war natürlicher als Rache? und wer wird es den sogenannten Wilden verargen, daß, als bald darauf (1790) der Sohn jenes Scheusals, der in Begleitung des Vaters den Schooner „l^n,-^,mo,-i<;mi« tommandirte, an ihrer Küste erschien, sie das kleine Fahrzeug überrumpelten und die ganze Mannschaft ermordeten, bis auf den Matrosen Isaak Davis, den sie a<3 Gefangenen an's Land führten. Als später der mit dieser blutigen Vergel« tung seiner Unthat unbekannte ältere Metralf nach Hawaii kam, schickte er zur Erkundigung den Bootsmann John Voung an's Land. Dieser ward freundlich aufgenommen, doch als er zu seinem Schiffe zurückkehren wollte, befahl ihm Tameamca zu bleiben, mit der Versicherung, daß ihm nichts Böses geschehen, man ihn vielmehr als Freund und Mathgeber mit Gütern und Ehren überhäufen, aber den ersten Versuch zu entfliehen mit dem Tode bestrafen würde. Davis und Voung, obgleich nur rohe und unwissende Seeleute, waren doch den aufgeklärtesten Hawaiieru bei weitem überlegen. Durch Güte und Dankbarkeit an ihr neues Vaterland gefesselt, bewährten sie sich stets als treue zuverlässige Diener Tameamea's', und der gemeine Hawaiier wie der fremde Schiffer hatten alle Ursache ihren humanen Einfluß zu segnen. Davis starb 1810, doch yloung erst am 17. December 1^35 im W. Lebensjahre. Auf seinem Leichenstein steht der schöne Ehrentitel „Freund und Waffengefährte Tameamea's" eingegraben. Er heirathete die Tochter eines der ersten Häuptlinge, ward selbst ein lnm-! ,n>o oder „Großer Herr", und seine Söhne gehören noch zu den Vornehmsten des Landes. Drei Mal (März N92; Februar 1793, Januar 1794) wurde Hawaii von Vancouver besucht. Dieser berühmte Seefahrer hatte Cook auf dessen letzter Neise begleitet und erinnerte sich noch des jungen Häuptlings Tamea-mea, den er nach 15 Jahren sehr zu seinem Vortheil verändert fand. Der Blick hatte viel von seiner früheren Wildheit verloren, doch der Muthigste konnte kaum den Glanz des dunkeln, feurigen Auges ertragen, welches seine verborgensten Gedanken zu errathen schien. Die Haltung war majestätisch und jede Handlung sprach von einem überlegenen Geiste. Offenherzig, heiter, freigebig, an Form lind Statur ein herkulischer Wilder; an Fähigkeiten und Charakter ein Mann auf den jedes Land hätte stolz sein können, so stellte sich der Konig Hawaii's dar. Das freundlichste, ungetrübteste Ein-Verständniß fand zwischen beiden statt. Vancouver bestärkte den „großherzigen Barbaren" in semen guten Gesinnungen gegen europäische Schiffer und setzte mit ihm gewisse Regeln fest zur Verhinderung aller Störungen, welche sowohl der Mangel an Disciplin auf der einen Seite, als die Ranbsucht bösartiger Eingeborener auf der andern hervorbringen könnten. Er sah ein, daß die vollständige Herrschaft Tameamea's den fremden Schiffern die sicherste Bürgschaft gewährte, und suchte dessen Macht so viel er nur konnte zu befestigen. Er rirth ihm sich cme mit Musketen bewaffnete Leibgarde anzu- 305 schaffen, und ließ sie selbst einüben und mit dem Nothigen versehen. Er empfahl Ijoung und Davis feinem besonderen Zutrauen, da er sich überzeugt hatte, daß sie es verdienten und legte letzteren an's Herz einen humaneren Geist den Sitten und der Kriegsfuhrung der Insulaner einzustoßen, ihrem Wohlthäter stets getreulich zu dienen und den boshaften Absichten selbstsüchtiger Fremden sich zu widersetzen. Seine religiöse kehren machten indessen nur wenig Eindruck auf Tameamca's Herz, der aus Ueberzeugung oder Politik dem heimathlichen Götzendienst bis an's Ende treu ergeben blieb. Seine Unterthanen hielten ihn sin einen Günstling der Götter, und er vergalt diesen vermeintlichen Beistand durch eine Ehrfurcht vor ihrem Dienste, welche das Ansehen der Priester bedeutend vermehrte. Um die allgemeine Eintracht zu befestigen wurden die Häuptlinge, die sich früher gegen Tameamea vergangen hatten, nach gehöriger Abbitte an Bord des Schiffes empfangen und zum ferneren Gehorsam ermahnt. Endlich suchte Tameamea des Schutzes von Großbritannien sich noch dadurch zu versichern, daß er nach gepflogenem Rath mit seinen Häuptlingen in die Hände seines Freundes Vancouver, selbstständig, freiwillig und feierlich dem König Georg huldigte. Alle innerlichen Souverä'netättzrcchtc blieben vorbehalten, nur im Fall des Angriffs einer fremden Macht sollte England ihm seine machtige Hülfe gewähren. Keine 15 Jahre nach dem Tode Cool's blickte also das früher so vereinsamte Hawaii schon mit Hoffnung oder Besorgniß nach dem fernen Ausland. Vancouver's Gesuche warcn ein glückliches Ereigniß in Tamea-mea's Vcben, sie vermehrten seine Hülfsmittel und erleichterten seine ferneren Eroberungen. Eö war die Absicht des Seefahrers nach Hawaii, welches er liebgewonnen, mit Missionaren und Handwerkern zurückzukehren, doch sein früher Tod vereitelte den menschenfreundlichen Plan. Wer weiß auch ob nicht die alte Freundschaft darunter gelitten hätte? Wie gut Tameamca Vancouver's Lehren in Bezug anf kriegerische Angelegenheiten zu benutzen wußte, bewies er schon im Jahre 1? 84, bald nach dessen letztem Besuche, wo er mit einem Heere von 1 <>,(100 Mann und einem Haufen Europäer unter dem Befehl von äi'oung und Davis die Inseln Maui, Lanai und Molokai seinem Scepter vollständig unterwarf. Das folgende Jahr (1795) zog er mit einem Theil seiner Armee nach Oahu, wo Kalanitupuli, Kahikili's Neffe und Erbe sich zurückgezogen halte; die übrigen Truppen unter Kiana's Bcfehl sollten unverzüglich folgen. Doch der treulose Kiana ging mit allen seinen Anhängern zum Feinde übcr, denn H,,riwig, die Inseln des grl,'«cn Occano. 20 306 er wußte, daß Wenn es ihm gelänge mit dessen Hülfe Tameamea zu schlagen — die Oberherrschaft der Insel ihm zufallen würde. Die Lage war gefahrlich, aber Tameamra rückte unverzagt dem Feinde entgegen, der im Nuanu Thale eine starke Stellung eingenommen hatte. Nine steinerne Mauer deckte die Fronte; steile Felswände an den Seiten schützten vor einem Flankenangriff; man hielt sich so sicher in der Beigschlucht, daß man mit höhnischen -Gcbcrden den Angriff herausforderte. Doch der Hohn dauerte nicht lange, denn Uoung mit seinen Feldstücken zertrümmerte die steinerne Barrikade und als eine Kugel Kiana niederstreckte, trat vollends Verwirrung unr Schrecken in die Reihen. Nun stürmte Tameamea mit seiner Leibgarde heran, stieß allen Widerstand nieder und trieb die Fliehenden über den Rand des Abgrundes, wo über äA) derselben herabstürzten und zerschmettert den Tod fanden. Die Felsplatte wird noch gezeigt wo Kalanikupuli seinen letzten Speer warf, und mancher Vorbeigehende verläßt dort den Fußpfad, nimmt die Stellung eines Kämpfenden an, und erzählt seinen Kindern oder Begleitern wie Oahu'Z letzter König fiel. Es war Tameamea's Absicht, uachdem er die Eroberung der ganzen Gruppe vollendet, nach Tahiti zu segeln und seine siegreichen Waffen über den Aequator hinaus zu tragen, doch dieser Plan, des Ehrgeizes eines (5äsar odcr Alexander würdig, ward durch die Nachricht eines Aufstandes auf Hawaii (1796) vereitelt, der auf gefährliche Weise um sich greifend, die Anwesenheit des Königs erforderte. Tameamca schlug die Rebellen, uud von nun an wagte keiner mehr sich seiner Herrschaft zu widersetzen. Er befestigte seine Macht indem er die besiegten Häuptlinge durch Belehnungen und Ehren sich verbindlich machte. Diejenigen, deren Ehrgeiz er fürchtete, versammelte er um seine Person, nöthigte sie ihm überall auf Reisen zu folgen, uud ent fernte sie auf diese Weise von ihren erblichen Besitzungen. Freiwillig unterwarf sich der König von Kauai und Nihau dem Mächtigen, dem er nicht widerstehen konnte, ward zwar in späteren Jahren zur Empörung unter der Flagge der Russisch-Amerikanischen Compagnie verleitet (18l7), sühnte aber bald wieder sein Vergehen und huldigte seinem Lehnsherr« auf's Reue. Tameamea's Negierungssvstem war durchaus despotisch, wie es von dem halbwilde» Häuptling eines wilden Volkes durchaus nicht anders zu erwarten war, aber keine Grausamkeit ist ihm jemals vorgeworfen worden. 307 Alles Land gehörte ihm, er belehnte damit seine Anhänger nach Rang und Verdienst, die ihm dafür Kriegsdienste leisten mußten. Die Erben wurden gewöhnlich im Besitz des väterlichen Gntes bestätigt. Jede Insel hatte ihren cigcnen Statthalter, der mit der Genehmigung des Königs, die Kreiichäupt-linge, Dorfvorstchcr, Tributeinsammlrr und andere kleine Ossicianten ernannte. So bekleidete Poung, der als Fremder allen Intriguen der eingebvrnen Fürsten um so ferner stand, viele Jahre lang den wichtigen Posten eines Gouverneurs der Insel Hawaii, zur Zufriedenheit des Königs, des Voltes und der europäischen Seefahrer. Eine Anzahl erfahrener tüchtiger Männer bildeten eine Art Minister rath, der das vollste Zutrauen des Kvnigs genoß. Unter diesen war Ka-reimoku aus dem königlichen Hause von Maui, der bcmerlenswertheste. Nach der Eroberung seiner heimathlichen Insel ward er, noch ein Knabe, von Tameamea verschont, liebreich behandelt und auferzogen. Er erhielt Güter, Macht, eine Größe die kaum der des Kvnigs wich: das Recht über Leben und Tod zu sprechen ward in seine Hände niedergelegt. Die Treue, die er dem Vater stets bewahrte, trug er später auf den Sohn über. Die Engländer nannten ihn Villy Pitt nach ihrem eigenen großen Minister. So wie die Macht Tamramea's zunahm, umgab er sich mit einer strengeren Etiquette, denn der Göttcrglanz der früheren tlcincn Könige traf mit blendenderem Lichte in seiner gchciligtrn Person zusammen. Wo rr vorüberging mußten .Nopf und Schultern entblößt werden, und dasselbe geschah, wenn man seiner Residenz sich näherte. Wenn sein Essen vorbeigetragen wurde, mußten alle, welche die Ankündigung der Dienet hörten, sich entblößen und setzen. Sein Trinkwassrr wurde aus besonderen Quellen geschöpft, die mehrere Meilen landeinwärts lagen und von Niemand anders benutzt werden durften. Sowie die Träger damit vorbeilicfen, fanden dieselben Huldigungen statt. Niemand durfte seinen Schatten oder den seines Hauses betreten. Ueber ihm zn stehen war das höchste Verbrechen. So hätte keiner seiner Unterthanen es gewagt den Theil des Schisssverdecks zn betrete», unter welchem er sich befand. Mit derselben Strenge wurden auch die religiösen Pflichten eingeschärft. Besonders im Umgang mit Fremden legte Tameamea seinen gesunden Verstand an den Tag. Er wußte durch würdige Haltung Ehrfurcht einzustoßen, enthielt sich aller Gewaltthätigkeiten wider dieselben und strafte streng jede Verletzung des Gastrechts. So vermied er alles was ein Einschreiten 20* 308 fremder Waffenmacht hätte zur Folge haben können-, die durch Cook's Ermordung berüchtigten Inseln wurden Jahr für Jahr von einer wachsenden Anzahl Schiffe besucht und noch vor seinem Tode war Hawaii schon ein wichtiger Punkt des Welthandels geworden. Gegen Kriegsschisse und wissenschaftliche Expeditionen war er der gastfreie Fürst; den fremden Handelsleuten gegenüber der kluge aber durchaus ehrenvolle Kaufmann. Als Kotzebue 18M die Inseln besuchte, hatte Ta-mramea die gerechteste Ursache über die Russen aufgebracht zn sein, die den König Tamari von Kanai vermocht hatten sich unter russischer Flagge gegen seinen Lehnsherrn zu empören, doch wußte er sich gegen den Entdeckungs-reisenden mit einem Takte zu benehmen, der i^dem europäischen Finsten zur Ehre gereicht hätte. „Unser Capitän war angelangt", sagt Chamisso. „Der alte Herr empfing ihn mit Herzlichkeit. Er verstand sehr wohl das Verhältniß nnd wußte es großartig, ehrfurchtgebietend, und leicht zu behandeln. Herr Cook, ein Europäer, der sein Vertrauen besaß, diente ihm zum Dollmetschcr. Er verhielt seinen Ingrimm gegen die Russen nicht, die seiner königlichen Gastfreiheit mit so schnödem Undank gelohnt; in uns aber, die wir auf Entdeckung ausgesandt, mit jenen nichts zu theilen hatten, wolle er keine Russen sehen, sondern nur die Sohne und Nachkommen Cook's und seines Freundes Vaneonoer. Wir seien keine Kaufleute; er wolle es auch gegen uns nicht sein; er werde für alle unsere Bedürfnisse Sorge tragen, frei, unentgeldlich. Wir brauchten dem Könige nichts zu geben, und wollten wir ihm ein Geschenk machen, so fei es nur nach Belieben. So Tameamea, König der Sandwich Inseln." Durch die Lage seines Reichs und die Menge Sandelholz, die es damals besaß, begünstigt, sammelte der große Polynesier erstaunliche Schätze. Er kaufte schweres Geschütz um den Eingang seiner Häfen zu vertheidigen, und baute Schiffe, die er theils mit Eingeborenen, theils mit Europäern bemannte, unter welchen er mit großer Mmschcnkenntniß wählte. Freigebig mit Löhnen und Gehalten war er gegen die Fremden, die er in seinen Dienst nahm, entband sie aller lästigen Etiquette, verlangte aber zugleich strenge Unterwerfung dem Gesetz und pünktliche Pflichterfüllung. Er hatte von dem großen Nutzen gehört den der Saudelhoizhandel in Canton einbrachte, und schickte auf eigene Rechnung eine Ladung hin, deren Ortrag durch die unmäßigen Hafenspesen und die Verschwendung des Capitäns W9 und Supercargos verloren ging. Doch auch diese verunglückte Spekulation wußte er zu seinem Vortheil zu benutzen, indem von nun an alle fremden Schiffe Hafengebühren zu entrichten hatten, so wie es seiner Flagge im Auslande ergangen war. „Nach mir die Sündfluth!" soll der elende Louis XV. gesagt haben: wie ganz anders dachte Tameamea, der es nicht erlaubte, daß das junge Sandelholz geschnitten würde, damit es seinem Nachfolger zu Gute käme; und nach dem Ausrupfen der gelben Flügelfcdcrn, die seltenen Mohovogel wieder fliegen zu lassen befahl, damit sie später noch einmal nützlich werden tonnten. Von schönen Aepfrln aus San Francisco, die Kotzebue mitgebracht hatte, ließ er die Kerne mit großer Sorgfalt sammeln und pflanzen. Nach Art der Eroberer erfreute es ihn sowohl die Hindernisse der Natur als den Widerstand der Menschen zu besiegen. Bei Halaua ließ er einen 100 Fuß hohen Felsen durchhauen oder sprengen, um einen Weg nach der Küste zu bahnen. Tiefe Lavaschichten wurden durchbrochen um Brunnen anzulegen. Vei Kiloho legte er einen großartigen Fischweiher ? Meilen im Umfang an. Eine starke Steinmauer, 3090 Fuß lang, <» Fuß hoch und 20 breit, versperrt die Mündung der kleinen Bucht. Durch Bögen die mit einem starken Pfahlwerk verschlossen sind, fließt das Wasser ein und aus, während den Fischen der Durchgang versperrt wird. Tameamea starb am 3. Mai ltt<9 im 07. Lebensjahre; cincn Namen hinterlassend wie lein anderer Polynesier vor und nach ihm. Noch jetzt sind die Kanaken stolz über ihren alten Hriegertdnig, lieben sein Andenken und erzählen selbstgefällig von seinen großen Thaten. Keine Schlachtopfer sielen bei seinem Tode (so viel hatte schon die Berührung mit der europäischen Civilisation vermocht), doch anßerte sich nach alter Unsitte die allgemeine Traner auf eine entsetzlich rohe Weise. Die große Menge schlug sich die Vorderzähne im Mnnde ein; viele verstümmelten sich durch Abhauen eines oder mehrerer Finger; noch andere ließen sich zum Andenken den Anfangsbuchstaben seines Namens auf die Zunge tä»uiren. Wie von Wahnsinn ergriffen, ohne alle Bekleidung, eher Dämonen als Menschen gleich, raste das Volk zügellos umher, brannte Häuser nieder, plünderte, gab allen lasterhaften Gelüsten freien Lauf. Das gänzliche Vergessen aller Zucht und Ordnung soUtc die Große der Trauer verkünden, als 3l0 ob nach rinem solchen Verluste der Mensch zum Zustande des wilden Thieres herabsinken müsse. Mit Tameamea's Tode stürzte auch das Gebäude des alten Götzendienstes zusammen. Schon lange vorher hatte durch den Verkehr mit Europäern der Unglaube um sich gegriffen, und leiner trug eine größere Verachtung gegen die Religion der Vorväter zur Schau als der neue König Liho-liho (Tameanua II.). Dieser schwache, dem Trunk ergebene Fürst, der den Tabu hahte, nicht aus Licbe zur Aufklärung, sondern weil er ihm Zwang auflegte, führte seinen Vorschlag ihn zu brechen bereits im fünften Monate seinel Regierung, trotz allen Gegenvorstellungen Karcilnoku's, auf eine brutale Weise aus. Er veranstaltete eine große Mahlzeit, zn welcher er alle Vornehmsten des Landes einlud. Rachdrm Wein und Rum die Gemüther gehörig erhitzt hatten, wurden Weiber herbeigeholt und gezwungen, nicht nur an der Mahlzeit Theil zu nehmen, sondern auch das ihrem Geschlecht streng untersagte Schweinefleisch zu essen. Zwar entstand ein Murren, aber der größte Theil der Gäste war durch die geistigen Getränke gewonnen, und nun vcrknndctr der König mit lauter Stimme seine Abtrünniglcit vom alten Glauben. Flirchl und Entsetzen ergriff einen Theil der Versammlung: man fragte ihn was die Götter ihm denn Böses gethan nnd warnte vor deren Zorn. Da sprang der König mit wüthender Oeberdc auf und rief aus: „ihr seht, der strenge Tabu ist gebrochen und doch ist leine Strafe erfolgt. Kommt, laßt uns die K I^^ucl oi' lüamniiLnInnc»-« t'oi- toi^s^n l»i«8iun8 war durch einen Hufall auf die fernen Inseln gelenkt worden. Junge Ha-waiier kamen öfters mit Walfängern nach den Vereinigten Staaten, wo es ihnen mitunter unter sshristen und Republikanern weit schlimmer als in der heidnischen, despotisch regierten Heimath erging. Einer derselben, ein Priestersohn, Namens Opukohora saß eines Tages hungernd und weinend auf der Treppe des V^I» College. Der Vorsteher I^>-. Dwight, der zugleich einer der einflußreichsten Mitglieder der Missionsgesellschaft war, redete den jungen Menschen an, gewann ihn lieb und faßte den Entschluß das Christenthum nach jenem Ende der Welt zu verpflanzen. So entschied eine geringfügige Begebenheit über das Schicksal eines ganzen Volles. Opulohora selbst starb ohne seine Heimath wiedergesehen zu haben, aber 4 semer Landsleute, die mit ihm in dn' neuen Lehre erzogen wurden, begleiteten die Missionare. Diese erschienen im April lA20 vor Honolulu, der Konig aber, der ihre Absicht erfuhr, und allem Anschein nach daß 5>gan der Religiosität nur in sehr schwacher Entwickelung besaß, erlaubte ihnen nicht zu landen, und ver- 3!2 langte, daß sie wieder absegeln sollten. Da legte sich der vernünftigere Ka-reimow wiederum in's Mittel und suchte den Konig zu überzeugen, daß die christliche Religion eine der größten Wohlthaten für seine Unterthanen sein würde, die sich doch zu irgend einer Glaubenslehre bekennen müßten, wenn sie nicht unter das Vieh herabsmten sollten. Hierauf wurde den Missionaren ein Stück Land mil der Erlaubniß eingeräumt eine .Kirche zu bauen, doch unter der Bedingung, daß wenn ihre Predigten eine schlechte Wirkung auf das Volk ausübten sie die Insel sogleich wieder verlassen sollten. Die Missionare erlernten schnell und gründlich die Sprache der Cingebornen, unterrichteten sie im Lesen und Schreiben, und ließen bereits 1822 das erste in hawaiischer Sprache gedruckte Buch erscheinen. Es gelang ihnen in kurzer Heit den König, die königliche Familie und die ersten Inc?,-^ zn betehren, die durch ihr Beispiel eine zahlreiche Menge nach sich zogen — und schon nach einigrn Jahren war die Negierung factisch in ihren Händen. Ende 1823 unternahm der junge König mit seiner Gemahlin eine Reise nach England, wahrscheinlich um dnrcb ein engeres Bündnis! mit der Mceres-tönigin sich gegen russische oder nord amerikanische Emverleibungsgelüste desto wirtsamer zu schützen. Er hatte 251,000 Dollars mit au Bord genommen, als aber bei der Ankunft in London (Mai 1824) die Kisten aufgemacht wurden, fandeu sich nur noch 10,000. Der ehrliche Capitän Starbuck mochte vielleicht wissen was aus den übrigen geworden war, dock hat er das Geheimniß getreu bewahrt. Nach dieser ersten Probe, wie leicht Dollars auf Reisen verschwinden, war es ohne Zweifel ein großes Glück für die hohen Fremden, daß der ehrenwerthe F. Byng ihnen von der Regierung als Führer und Protector beigegrbeu wurde. Ihre Erscheinung war anfangs ausfalleud genug, da die Königin Kamamala ihren kolossalen Glicdervau in weite Pumphosen gehüllt hatte, und einen langen Scklafrock von bunter Seide trug. Doch bald hatten die fashionablesten Schneider die Herren mit Anzügen nach dem neuesten Schnitt versehen, und Pariser Modistinnen die Damen auf's geschmackvollste ausgeputzt. Hierauf wurdeu sie die Löwen dcr Saison und als die Hauptmerkwürdigkeiten des Tages von eiucm Feste zum andern gesührt, bis unerwartet die kalte Hand des Todes dazwischen griff. Am 12. Juni bekam der Haushofmeister die Maseru und am IN. war die ganze Gesellschaft angesteckt. Alle genasen bis auf das königliche Paar, welches am ft. und 14. Juli starb. Rührend war ihre gegenseitige Traucr beim letzten Abschiede: sic hielten sich lange innig umarmt und der Gedanke 813 so jung und so weit von der Heimath zu sterben, entpreßte ihnen reichliche Thränen. Die Ueberlebenden wurden mit großer Güte behandelt, und man unter-ließ nicht, ihnen alle Merkwürdigkeiten zu zeigen, welche zur Aufklärung ihres Geistes beitragen konnten. Am N. September hatten sie Audienz beim Könige in Windsor und auch der Minister Canning empfing sie freundlich. Alle Unkosten der Neise wurden von der Negierung getragen, welche außerdem noch die Fregatte „Blonde", nntrr Anführung des Kapitäns Lord Byron (Vetter und Titelelbe des weltberühmten Dichters) dazu bestimmte die Leicken und das Gefolge nach der heimathlichen ^nscl zurückzuführen. Byron erreichte am H. Mai 1825 den Hafen von Lahaina und am (i. Juni fand ein großer Rath zur Regelung der Nachfolge statt. Der junge neunjährige Bruder des verstorbenen Königs folgte ihm unter dem Namen Tameamea ill. auf den Thron, währeno der alte Kareimoku nnd die herrschsüchtige Kahumana, Lieblingsgemahlin des großen Tameamea, in der Regentschaft, welche sie während der Abwesenheit Liho-liho's verwaltet hatten, bestätigt wurden. Byron ließ es bei dieser Gelegenheit an gutem Rath nicht fehlen; er empfahl eine gleichmäßige Besteuerung, Aufhebung der Leibeigenschaft, Sicherheitsgesetzc für den gemeinen Mann, bedeutende Ermäßigung der ungeheuren Hafengebühren. Kr lobte das Streben der Missionare und versicherte die Hawaiier, daß ihre Unabhängigkeit durchaus nicht angetastet werden sollte. Mit Vancouver lebt er noch immer in der achtungsvollen Erinnerung des Volkes. Während der Minorennität Tameamea's des Dritten sehen wir den Missionar Pingham einen überwiegenden Einfluß ausüben. Die strengste Kirchen^ disciplin wird mit rastloser Thätigfeit ausgebreitet. Singen und Tanzen be« strafen puritanische Gesetze als Verbrechen; und sogar Greise werden gezwungen lesen zn lernen. Diese unvernünftigen Uebertreibungen eines fanatischen Eifers führten später zu einer Reaction, welche das Christenthum mit dem Umsturz bedrohte, da der junge König, der 1ft,^3 die Zügel der Regierung ergriff, sogleich die Schulen schließen ließ, die Götzenbilder wieder hervorholte, und die Wenigen, die dem Christenthum treu blieben, sich in )?as Fort von Honolulu einzuschließen zwang. Doch zum Glück war dieser leidenschaftliche Ansbrnch nur ein schnell verglimmendes Etrohfeuer, der Zorn eines ohmnäcbtigcn Kindes, denn schon nach kurzer Zeit ging der junge König 314 plötzlich in sich, unterwarf sich wiederum dem Christenthum und ließ von min an die Missionar schalten und walten wie sie wollten. Die nächsten Stürme, welche letztere in ihrem Wirkungskreise bedrohten, kamen von außen. Bereits 1827 waren die Jesuiten Vachelot und Short auf den Inseln gelandet nm durch eonfessionellen Widerstreit die armen Köpfe der Kanälen noch mchr zu verwirren. Die Erlaubniß zum Bleiben ward ihnen jedoch nicht gewährt und da sie sich durchaus nicht gutwillig entfernen wollten, ließ sie endlich (1831) die Regierung auf einem kleinen Schiffe nach Califormen bringen. Doch schon 1837 kamen die Herren wieder zurück und hofften mit Hülfe eines sehr langen Bartes und breitträmpigcr Hüte sich unerkannt an's Land schleichen zu können. Aber der luchsaugige Statthalter erkauntc sie trotz ihrer Verkleidung und befahl ihnen das Schiff auf dem sie gekommen sogleich wieder zu besteigen. Da der Capitän erklärte, daß er dad niemals zugeben werde, schiffte man sie mit Gewalt ein, worauf jener dav Commando niederlegte und die Jesuiten allein auf dem Schiffe zurückließ. Alles war, wie man leicht begreift, eine vorher verabredete Komödie, die nocb nicht zu Ende war, als ein englisches und ein französisches Kriegsschiff erschienen um für die ihren Landsleutcn widerfahrenen Kränkungen Genugthuung zu verlangen, worauf der König bewilligte, daß die Jesuiten ohne beunruhigt oder belästigt zu werden, so lange auf der Insel blieben, bis sich eine gute Gelegenheit fände, das Land zu verlassen. Letztere dagegen mußten versprechen sich während ihres ferneren Aufenthaltes auf Hawaii alles ferneren Predigens zu enthalten. Vald darauf bewirkten die protestantischen Missionare ein Gesetz gegen die Propaganda „weil deren Verfahren den Zweck habe unter den Unterthanen des Königs Uneinigkeit zu stiften" und begnügten sich nicht von der Kanzel und in Vorlesungen gegen den Katholicismus zu donnern, sondern trieben ihre Verfolgungen so weit, daß unter andern dreißig Eingeborene, Männer und Frauen die der römischen Kirche nicht entsagen wollten, unter die gemeinen Verbrecher eingereiht wurden. Zwar lernte man endlich einsehen, daß das Verharren auf einem solchen Pfade gefährlich sei, und ließ am 9. Juli 1839 ein Toleranzedict ergehen — jedoch zu spat, denn schon Tags darauf erschien die Fregatte „Artemise" in der Bai von Honolulu, um hier dieselben Forderungen, wie auf Tahiti durchzusetzen. Vollständige Freiheit des katholischen Gottesdienstes, Abtretung eines Platzes zum Bau einer Kirche für die französischen Priester und außerdem ein Pfand von zwanzig- 315 tausend Piastern für die künftige Duldsamkeit der Regierung wurden peremp-torisch verlangt — und im Weigerungsfälle mit Krieg und Verheerung bedroht. Gegen schweres Geschütz läßt sich nur mit noch schwercrem mit gutem Erfolge protestiren, und da es an diesem fehlte, blieb nichts anders übrig, als sich geduldig in die Forderungen des Capitäns Vaplace zu fügen. Die katholischen Priester, die sich an Bord der Artemise befanden, wurden nun ausgeschifft und am 14. Juli feierte der irländische Jesuit Walsh in einem Haufe des Kb'nigs eine militärische Messe, welcher der Commandant und 150 Mann mit aufgesteckten Bajonetten beiwohnten. So wurde der Katholicismus, den mau mit Gewalt hatte verbannen wollen, gewaltsam eingeführt und gewann schon in wenigen Jahren eine bedeutende Ausbreitung. Im Jahre 1850 gab es im hawaiischen Reiche, außer mehreren höheren Lehranstalten, wo sogar Griechisch, Lateinisch und Philosophie gelehrt wurden 543 Volksschulen, unter welchen 441 protestantische mit 12,949 und 102 katholische mit 2,85!> Schülern. Doch trotz allen Netteifers der streitenden Religionslehrcr soll sich namentlich in den abgelegeneren Gegenden von Hawaii noch sehr viel Heidenthum erhalten haben, und wie unklar im allgemeinen die Begriffe noch sind, 'geht unter andern aus folgendem hervor. Vor etwa 20 Jahren verkündigten nämlich einige junge Männer, daß rs drei Götter gebe: Iehova, Jesus Christus und Hapu, eine verstorbene Prophetin. Die Knochen der alten Sibylle wurden ausgegraben, nach der Weise der Väter mit Federn verziert, und in einem lioienl niedergelegt, den man den „Ort der Zuflucht" nannte. Hierauf reisten die Prediger des neuen Glaubens durch die Insel und mahnten das Volk nach jener geweihten Stätte zu fliehen, da Himmel und Erde sich bald begegnen würden, und alle, die nicht dort wären, unfehlbar umkommen müßten. Ganze Scharen gehorchten, ein Tempel wurde errichtet, und Tag und Nacht die Gebeine der Prophetin von der andächtigen Menge verehrt. Da aber der erwartete allgemeine Untergang zur festgestellten Seit ausblieb, zwang der Hunger manche den Ort zu verlassen. Die Mahnungen der Missionare bestimmten die Uebrigen zum Rückzüge, der Tempel wurde verbrannt, und die brthörte Menge ging ruhig aus einander. Mitten unter allen Schwierigkeiten hat sich die Organisation der Regierung mit großen Schritten entwickelt, da beim wachsenden Verkehr mit den Fremden und den dadurch hervorgerufenen Verwicklungen der König und die Häuptlinge früh genug die Nothwendigkeit einsehen lernten, daß Personen 316 mit genauerer Kenntniß der europäischen Zustände als sie besaßen im Dienste des Reiches angestellt würden' denn, wie Kotzebue bemerkt, sind die Hawaiier frei von der Unart, welche hochcivilisirte europäische Nationen mit den Grönländern gemein haben, sich nämlich für das gescheidteste Volk des Erdbodens zu halten. Der Missionar Richards wurde 1838 als Dollmetscher der Regierung angestellt und mit der Bearbeitung einer Verfassung beauftragt, die am 8. October 18^0 erschien und eine seltsame Mischung des alten Feudalismus und angloamerilanischcr parliamcntarischer Formen war. Neben dem König stand eine Erbpremierministerin (die Schwester oder nächste Verwandte) die beide nichts vollziehen konnten ohne sich gegenseitig davon in Kenntniß zu setzen. Das Veto des ersteren war aber entscheidend. Ein erbliches Oberhaus wurde aus den vornehmen Häuptlingen gebildet, ein Unterhaus durch allgemeines Stimmrecht aus dem Volke gewählt. Das Schwurgericht ward eingeführt, nahm sich aber ziemlich sonderbar neben den Frohndiensten aus, welcbe die Missionare um es nicht mit ihren Gönnern, den mächtigen Häuptlingen zu verderben, natürlich nicht abzuschaffen wagten. Sechs Tage monatlich (^ für den König, 3 für seinen Häuptling) mußte der Kanake arbeiten, tonnle sich jedoch mit 5 Piastern jährlich loskaufen. Als Strcn Bille 1846 die Sandwich Inseln besuchte, fand er dort bereits ein vollständiges europäisches Ministerium. Der Gesetzgeber Richards war Cultusminister' Wyllic, ein schottischer Doctor, früher in Mrrico etablirt, besorgte die auswärtigen Angelegenheiten-, John Hjoung, ein Sohn des uns bereits bekannten Freundes des großen Tamcamea, stand als Premier dem Ministerrathe vor, die Seele der Regierung war aber der Finanzminister Iudd. der als Arzt mit der amerikanischen Mission herübergekommen war, und auch in Europa seine neue Rolle gewiß nicht schlecht gespielt hätte, da unter seiner Aufsicht ohne neue Steuerausschrcibungen die Staatseinkünfte, die in 1."^ nicht mehr als 41,000 Piaster betrugen, in 1852 auf 284.000 angewachsen waren. Wenn die Missiomnrcgirrung sdenn so darf man sie wohl nennen) es schwerlich allen Eingebornrn recht that, so waren doch die auf den Inseln ansässigen Weißen oder Blancos ihre erbittertsten Feinde. Diese Menschen hatten meistentheils ganz andere Tendenzen alö zur Verbreitung der christliche,, Moral beizutragen, und es war ihnen ein verhaßter Gedanke, daß sie sich Gesetzen unterwerfen sollten, die sie mit der einheimischen Bc- 317 vblkerung gleichstellten. Die Regierung wehrte sich nach Kräften gegen den Andrang dieser Klasse, indem sie die Einwanderungsfreiheit sehr beschrankte. Der Erwerb jedes Grundbesitzes wurde unmöglich gemacht, und jeder Fremde, der eine Pachtung übernahm, mußte erst den Unterthaneneid ablegen. Um zugleich der königlichen Macht mehr Ansehen zu verschaffen, wurde eine strengere Etiquette eingeführt, und bei Audienzen das europäische Hofeeremoniel beobachtet. Bei solchen Gelegenheiten mußte sich der Konig dazu bequemen eine goldstrotzendc Uniform anzuziehen, und die fremden Sceofficiere, welche von Zeit zu Zeit Honolulu besuchten, in einem auf europäische Weise möb-lirlen Pallast zu empfangen, während er sonst an» liebsten in einer bescheidenen Hütte nach Art feiner Vorväter sich aufhielt. Die Kultur Ihrer Majestäten und deren hohen Gefolges schien Steen Bille noch nicht recht zu diesen Formen zu passen. Die Königin und ihre Damen kauten Zuckerrohr auf der Straße. In ciner Abendgesellschaft mochte der Thee der Königin nicht geschmeckt haben, denn er sah zu seinem großen Schrecken wie sie die Tasse wegsetzte, und was sie im Munde hatte mit gewaltigem Pusten in den Saal hinauswarf. Einer der Schiffsärzte hatte für l> Piaster wöchentlich das Haus. des hawaiischen Admirals gemiethet. Eines Tages lief der Sceheld sehr geschäftig am Fenster des Arztes vorbei, und sagte, ihn gewahr werdend und zugleich auf ein großes Packet unter dem Arm zeigend: „ich habe ein Ferkel gebraten und will nun daß beste Stück meinem Freunde, dem Könige bringen." Der Wäscher des Malers der Expedition hatte eines Tages seine Sachen so schlecht gemacht, daß er vom erzürnten Npelles vor die Thür geworfen wurde- als bald darauf der Künstler zlim König ging um ihn der geschehenen Verabredung gemäß zu malen, 'fand er seine polynesische Majestät mit dem Delinquenten am Villardtische spielen. Diplomatische Agenten sind bereits aus Honolulu nach England, Frankreich und den Vereinigten Staaten geschickt worden, um die förmliche Anerkennung des hawaiischen Thrones zu erlangen; Handelsverträge mit frem den Mächten abgeschlossen: nichts ist versälimt worden das Reich der Sandwich Inseln unter den Schutz des Völkerrechts zu stellen; die Eifersucht der Seemächte gewahrt ihm jedoch den sichersten Schirm, denn keine gönnt der andern den Besitz eines jetzt schon so wichtigen und in der Zukunft bei weitem noch wichtigeren Landrs. Dcr rasche Aufschwung Californiens hat der hawaiischen Landwirthschaft einen mächtigen Antrieb gegeben, da sich plötzlich in verhältnißmäßiger 318 Nähe der reichste Markt für alle Produkte aufthat. Die Sucker- und Kaffee-uftanzungen haben seitdem bedeutend zugenommen, und da die trägen Ka^ naken cine jede anhaltende Arbeit scheuen, werden Chinesen eingeführt, die man für die Passage bindet. Für 8 Dollars monatlich und die Nahrung müssen sie sich verpflichten 5 Jahre zu dienen, dann sind sie frei. Wie überall werden auch hier diese fleißigen sparsamen Menschen verhaßt, weil sie mit geringerem Lohne vorlieb nehmen — und dadurch dem faulcn Kanaken den Erwerb erschweren. Häute, Arrowroot von der 'l'm^ pln^tiliälv, Sandelholz, Salz gehören außerdem noch zu den vorzüglichsten Ausfuhrartikeln, sowic das Oel des Kutuinußbaums (H,lonritos tiiloda), welches in Neu H>ort für vorzüglicher zum Malen als das Leinöl gehalten wird; und das l'ulu, eine Pslanzenwolle von bräunlicher Farbe, die an den Blattstielen eines namentlich in Hawaii wild wachsenden Farrnbaums ((Motinin ^laueum) vor-tommt. Die Wolle ist zu kurz um gesponnen zu werden, doch läßt sie sich sehr gut zu Polstcrarbeiten verwenden, und in San Franzisco sollen auch Hüte daraus gemacht werden. Ein nicht ganz unbedeutender Ausfuhrartikel ist endlich auch noch eine Schwammart, die in den Urwäldern an den moderigen Baumstämmen gesammelt und als beliebte Speise der Chinesen, unter dem Namcn iuo^uk, nach China und Kalifornien ausgeführt wird. So gibt der steigende Verkehr mit fremden Ländern früher verachteten Gegenständen einen ungeahnten Werth! Die neuesten Nachrichten aus Hawaii (1857—58) verkündigen uns eine Erweiterung des kleinen Reiches durch die Besitznahme der nordwestlich, etwa 300 deutsche Meilen von Honolulu gelegenen, über und über mit Gras bewachsenen, unbewohnten Inseln Laysan und Lisiansty, so wie der in ungefähr gleicher Entfernung südwestlich liegenden Johnston Eilande. Das Areal des Reiches wird zwar durch diese Erwerbungen nur sehr unbedeutend vermehrt, doch sollen sich Guanolager darauf finden, welche ihren Besitz schätzenswert!) machen. So sehen wir den Handel und die Landwirthschaft in voller Blüthe stehen — aber zugleich schwindet die Urbevölkerung auf eine schreckliche Weise dahin. Als Coot die Inseln entdeckte oder besuchte, sollen sie 300,000 Einwohner gehabt haben. Die Volkszählung im Jahre 1332 ergab schon nicht mehr als 1^0,000 Seelen, 1350 fanden sich nur 35,000 und 1854 war Vie Bevölkerung auf 71,000 vermindert. Verderblich wie auf Tahiti ist also auch hier die Ankunft des weihen Mannes gewesen, der in seinem 319 Gefolge außer neuen Krankheiten und dem giftigen Feuerwasser größere Bedrückungen und Lasten mit sich führte. Die Wohlthaten, die er srinen braunen Brüdern erwiesen, sind zweifelhaft-, sicher und uuläugbar die vermehrten Gräber! Die Kultur auf Hawaii wird zunehmen, aber Weiße und Chinesen werden sich in den Besitz des Landes theilen: Honolulu, welches jetzt schon 2l),lM) Einwohner zählt, wird mit der Zeit ein zweites Sinca-pore und ein reicher Gürtel von Gärten und Pflanzungen sich um die Inseln ziehen — dann wird aber auch der Kanate verschwunden, oder uur noch «in Knecht und Fremdling im Lande seiner Väter sein! (5iml>it>zw!UiMtcs Kapitel. Honolulu. Der beste Hafen in Hcttvaii, — Aufblühen der Stadt. — Wichtigkeit des Verkehrs zwischen Bremen und Honolulu. — Beschreibung des Hafens. — Das Einlaufen in denselben. — Der Landungsplah. — Der Markt. — Die Gebäude. — Das fehlende Straftcnpflaster. — Die Methodisttnkirche. — Die katholische Kirche. — Kapelle der 8e»inLn'u ^lienä« ßociot^. — Wie entstand die Gesellschaft'^ — Ihre Wirksamkeit.— Die Einwohner der Stadt. — Fähigkeiten und Fehlei der Kanaken. — Eigenthum-liebe Oquipagm, — Schöne Reiterinnen. — Umgegend. — Weg nach den, Salzsee. — Das Nliain! Thal. — Der Palt. Honolulu hat zwar weder prächtige Gebäude noch bedeutende historische Erinnerungen aufzuweisen; es zeichnet sich unter den Städten der Erde weder ourch seine Größe noch seine Schönheit aus — und doch ist es in manchen Beziehungen so äußerst interessant und merkwürdig, daß ich nicht umhin kann der bescheidenen Metropole des hawaiischen Reiches ein besondere? Kapitel zu widmen. Denn der Ort von ganz Polynesien, wo die europäische Kultur am entschiedensten und mächtigsten Fuß gefaßt hat, ist wohl dazu geeignet die Aufmerksamkeit und Theilnahme eineS Jeden auf sich zu ziehen, der es liebt mit prüfendem Blicke die wechselnden Schicksale der Völker zu verfolgen. Nur allein scincm Hafen, der 1?!>4 von dem englischen Capitan Brown entdeckt wurde, und der einzige eigentlich gute auf allen hawaiischen Inseln 320 ist, verdankt Honolulu sein rasches Aufblühen aus dem Nichts, seine gegenwärtige Bedeutung und die Hoffnung einer noch glänzenderen Zukunft. Nicht die Willkür hat es geschaffen, sondern die Natur selbst hat den Grundstein zu seiner Entwicklung gelegt, denn dort wo die aus dem Nuanu Thale hembstromcndcn Bergwasser die tiefste und geräumigste Furche im Riff ein-gruben, welches sonst überall der Südküste Dahu's eng sich anschließt, und dadurch selbst größeren Schiffen Schutz vor der zerstörenden Brandung gewährten, mußte nothwendig Hawaii's bedeutendste Stadt entstehen. llebrigcns tommen noch ein paar andere, auf gleiche Weise entstandene Hafen auf dcn hawaiischen Inseln vor, jedoch erlauben ihre schmalen Einfahrten nur kleineren Fahrzeugen das Einlaufen: alle andern Ankerplätze sind weiter nichts als offene Rheden, auf denen man aber fast das ganze Jahr hindurch ohne jede ernste Gefahr liegen bleiben kann, weil das Vorkommen aller anderen Winde, als der Nordostpassat, zu den seltensten Ausnahmen geHort. Eiu natürlicher Hafen von so seltener Güte zog bald dic Aufmerksamkeit der Schiffer auf sich; die Besuche der Walfänger, die immer häufiger ihre riesige Beute in den Gewässern des nördlichen stillen Oceans verfolgend, im Schoos jenes unermeßlichen Meeres weit und breit teincn anderen Er-frischungsort und Nuhepuutt als die hawaiischen Inseln fanden, und welchem die fruchtbaren Thaler Oahu's den nothwendigen Bedarf an ^ebensmitteln und Wasser lieferten, mehrten sich von Jahr zu Jahr; Fremde siedelten sich an, der wachsende Verkehr zog eine wachsende Bevölkerung herbei, und so entstand ein Städtchen, welches bei den zunehmenden Beziehungen zu den Vereinigten Staaten und Europa endlich zum Schwerpunkt des kleinen Reiches, zum Sitz der Regierung und zur gewöhnlichen Residenz des Königs wurde. Wer jetzt nach dem vor kaum 50 Jahren noch unbekannten Honolulu kommt, glaubt in eine bedeutende europäische Handelsstadt versetzt zu sein: so lebhaft und bewegt ist der dortige Verkehr. Im Jahr 1856 legten 637 amerikanische Schiffe an, ^!2 englische, 24 französische: mMentheils Wal-fa'nger, deren durchschnittliche Ausgaben auf 700 bis 800 Dollars gerechnet wurden. Die jährliche Einfuhr an fremden Waaren beträgt mehrere Millionen, denn Honolulu ist wie Valparaiso eine tzauptniederlage, von wo aus die verschiedenartigsten Waaren nach dcn Ländern und Inseln des stillen Meeres 321 wieder ausgeführt werden. In der neuesten Zeit bildet es sich sogar zu einem Centralpunkt für den Barden-, Thran- und Walraihhandel aus, denn während früher die Walfisch fang er dort nur zur Vervroviantirung einliefen, und die Productc ihrer Jagd nach Europa oder den atlantischen Häfen der Vereinigten Staaten auf den Markt brachten, findet man es jetzt vortheilhafter in Honolnlu abzuladen und sogleich wieder von Neuem die Ungeheuer des Meeres zu verfolgen, wodurch das so kostspielige und zeitraubende Hin- und Herreisen um das Cap Horn vermieden wird: Den Verkauf der abgelagerten Waare besorgt natürlich ein Kaufmann in Honolulu, und sie findet dann später mit den andern Produkten der Insel ihren Weg nach Europa. Es gereicht der Thätigkeit und dem Unternehmungsgeiste der in Honolulu etablirten bremischen Handelshäuser zur großen Ehre die ersten Walfischfänger dort ausgerüstet zu haben, und die natürlichen Vortheile der Lage sür diesen wichtigen Handelszweig zuerst erkannt zu haben. Die Wichtigkeit des Verkehrs zwischen Bremen nnd Honolulu läßt sich daraus crmessen, daß im Jahre 1859 fünf Bremer Schiffe mit einer Tragfähigkeit von 1419 Last in den polynesischen Hafen einliefen, und vier mit einem Gehalt von 1164 Last wieder nach Bremen abfuhren. Außerdem segelten in demselben Jahre !l Seeschiffe unter fremder Flagge von Bremen nach Honolulu, während 5 nach Bremen cxvedirt wurden. Deutsche Scidenwaaren, Schuhzeug, in Hamburg fabricirter Madeira zur Erfrischung der durstigen SeemannBkehlen, und andere Produkte unserer Industrie wandern auf diesem Wege nach dcm großen Ocean. So weiß auch ohne den Schutz einer deutschen Flotte der deutsche Kaufmann sich in den entlegensten Wcltgegenden Bahn zu brechen. Der Hafen von Honolulu oder die sackartige Erweiterung am Ende des zur Stadt führenden Kanals kann ctwa hundert größere Schiffe gleichzeitig aufnehmen, und bietet sicheren Ankergrund bei einer Tiefe von ungefähr fünf Faden. Doch trotz seiner Geräumigkeit ist die Anzahl der Schiffe oft so groß, daß ihr Platz genau abgemessen werden muß. Namentlich ist dies in der Jahreszeit der Fall, in der die Walfischfängcr vom großen Jagdrevier der einen Hemisphäre nach dcm der andern unterwegs, in Honolulu einlaufen UM Proviant einzunehmen und ihre Mannschaften für den nenen Iagdzug zu erfrischen. Alsdann liegen die Fahrzeuge so eng gcpactt neben einander, wie nur in den gefüllten Docks einer großen europäischen Handelsstadt, und die Zuletztankommenden müssen sich bequemen einen weiten Weg 322 übrr oie Verdecke der bereits eingetroffenen und reihenweise neben einander geordneten Schiffe zurückzulegen, ehe sie zum Landungsplatze gelangen können. Das Einlaufen in den Hafen geht nicht ohne Mühe und Kosten vor sich, denn es gibt keine schwellende Fluth, die das Schiff dnrch den Kanal trüge, so daß es durch Menschenkraft sich hineinziehen lassen muß. Man wählt dazu am liebsten den frühen Morgen, weil der später am Tage wehende, und mitnnter sehr frische Landwind, welcher in heftigen Stößen und mit Ungestüm aus den Thälern hervorbrauset, das Einholen häusig ungemein erschwert. Namentlich beim Einlaufen eines Kriegsschiffs ist die Seenc äußerst belebt. Acht bis zehn große Boote, jedes von 16 bis ^'0 Mann gerudert, nehmen den Koloß in's Schlepptau und führen ihn lachend, jauchzend, lärmend, aber in bester Ordnung und mit bewunderungswürdiger Gewalt und Sicherheit durch den Kanal dahin. Das ganze Ufer, der Hafen, das Fort, dir Schiffe, die Dächer sind mit Menschen angefüllt, die mit nie endendem Geschrei und Hurrahrufen den Ankömmling begrüßen, denn die Ankunft eine? Kriegsschiffs ist ein Ereignis welches ganz Honolulu in's Freie ruft. Nicht daß es jetzt noch eine so gar ungewöhnliche Erscheinung wäre, da die Flaggen der Seemächte sich hier öfter sehen lassen, aber man freut sich im Voraus des schönen erquickenden Dollarregcns, und frohe Erwartung und ein herzliches Willkommen stehen auf allen Gesichtern geschrieben. Man kann sich denken, daß namentlich zur Zeit wo die Walfänger einzulaufen pflegen, es in der Nähe des Landungsplatzes äußerst lebhaft hergehen muß. Solche Lokalitäten pflegen zwar in Europa nicht die aller-angenehmstcn zu sein. Doch hier findet sich so viel Neues und Interessantes beisammen, daß der Fremde nicht ungern beim Beschauen deß regen Treibens verweilt. Hat er sich erst durch die Masse der Matrosen hindmchge-drängt, die sich durch die verschiedensten Hautfarben und durch daß Sprechen m allen Mundarten der Welt auf's Deutlichste als amerikanischen Walfischfängern angehörend verkünden, so wird er von einer Schaar halbnackter schwarzbrauner Knaben umringt, die laut schreiend Conchylicn, Eorallen und Setthiere aller Art zum Verkauf anbieten, während Lohndicner und Zwischenhändler mit Anpreisungen und Empfehlungen von Herbergen und Kaufläden auf ihn losstürmen. Hier sucht ein wohlgckleideter Europäer mit feinem Tuchrock, Glacehandschuhen und enganschließenden Pantalons sich durch die 323 Menge Bahn zu brechen; dort steht ein schrägäugiger Chinese mit breitge-randetem Strohhut und bunter weiter Jacke und Hosen. Am Vcrwundrr-samstt'n jedoch sind die bizarren Kostüme der Eingeborncn. Dieser hat sich mit einer goldgalonirten Mütze geschmückt, ist aber zugleich bis zum Gürtel nackt oder nur in sein blaues wollenes Hemd gekleidet; jener in eine ungeheure mit einer Masse Kragen versehene, vom ursprünglichen Besitzer längst abgedankte, Kutscherchcnille gehüllt, muß zwar in der brennenden Sonnenhitze furchtbar schwitzen, tröstet sich aber wahrscheinlich mit dem großen Andruck, den sein fadenscheiniges, über und über fettbeflecktes Prachtklcid hervorbringt. Hier hat einer ein Dutzend in einem Stück zusammenhängenden Taschentücher als Gewand um sich geworfen, während neben ihm ein an« derer bis auf den engen Maro vollkommen nackt dasteht, und ein dritter zwar ohne Beinkleider cinhergcht, abcr eine Matrosenjacke trägt oder den südamerikanischen Poncho sich um den Hals gehängt hat. In der Nähe des Landungsplatzes liegt der Markt, der von ähnlichen Gestalten und einer Menge barfüßiger Weiber in grellgcfärbtrn Blousen wimmelt. Hier werden in einer dem Europäer unverständlichen Sprache, gleich fremdartige Gemüs< und Obstartcn — Ananas und Bananen, Taro-wurzeln und Ignamcn, bunte Fische von seltsamer Gestalt, Kürbisse zu Gefäßen aller Art und Grbße, nebst den bekannteren Formen von Kartoffeln und Mais, Trauben und Melonen feilgeboten; und bei Allen — Käufern und Verkäufern herrscht die ftohestc Laune, sie lachen und schreien durcheinander, und die Jugend belustigt sich mit allen nur möglichen Scherzen und kurzweiligen Spielen. Hier wäre das reichste Feld für einen geschickten Künstler, der die Gabe hätte die interessanten rasch wechselnden Momente und Episoden des lebensvollen Schauspiels rasch zu fassen und mit ihren charakteristischen Zügen aufzunehmen. Honolulu kann mit der Zeit eine hübsche, angenehme Stadt werden, einstweilen wäre es eine unbescheidene Anmaßung, wenn es Ansprüche darauf machte eine solche genannt zu werden. Die Straßen sind regelmäßig abgestochen, breit, passend von einander entfernt, und einzelne große Plätze mit Aussichten sowohl auf den belebten Hafen als auf oas Gebirge versprechen die Stadt dereinst zu schmücken, wenn sie erst mit passenden Gebäuden eingerahmt sein werden. Doch gegenwärtig besteht die Stadt größ-tentheils noch aus den niedrigen glasgedeckten Hütten dcr Eingcbornen, die zwar von außen Heuschobern ähnlich sehen, von innen abcr einen hohen 21* 324 weiten Raum umfassen, der mit einheimischen Matten belegt, durchaus nicht unwohnlich ist und eine kühlere Temperatur besitzt. Noch immer ziehen so-aar die vornehmsten Häuptlinge, dcr König selbst nicht ausgenommen, diese urväterlichcn Glashütten zur Wohnung vor und betrachten die steinernen Häuser als ein belästigendes Galakleid, wie denn überhaupt die europäische Kultur noch immer nur wie ein dünner Firniß die ursprüngliche Barbarei überzieht. Nach den Grashüttcn sind kleine Häuscr mit Wänden von „lläode«" odcr Lehm und gehacktem Stroh die zahlreichsten, doch sieht man auch schon manche größere von Corallenbldcken aufgemauerte Wohnungen, die ganz das Ansehen europäischen Comforts darbieten, ja selbst oft mit Sinn für architektonische Schönheit gebaut sind. Sie gehören mit wenigen Ausnahmen den cingewanderten blanken Kaufleuten, die natürlich weit mehr Nntzen aus der blühenden Handelsbewegung Honolulu's als die trägen in den Kunstgriffen Mcrkur's weniger bewanderten Eingebornrn ziehen, und durch ihren Luxus und Reichthum die alten vornehmen Geschlechter des Landes verdunkln. Namentlich hat das fremde Element seit dem Jahre 1850 an Bedeutung gewonnen, wo das Monopol des Bodenbesitzes aufgehoben wurde, welches die Häuptlinge bis dahin besaßen. Sogar im Repräsentantenhause, dessen Geschäftsgang ganz dcm in England üblichen nachgebildet ist, spielen die Fremden eine hervorragende Rolle, denn die Hälfte dcr Mitglieder besteht aus angesiedelten Amerikanern. Das Zurücktreten des nationalen Elements neben dem cingcwanderten gibt sich auch noch durch die drei Wochenblätter kund, die in Honolulu in englischer Sprache erscheinen. Der „Polyncsian" ist das halbossicielle Organ der Regierung, doch wichtiger scheinen dcr „Neu Era" und der „I'^iko Oommorolai ^vcrti^or-l zu sein. Man glaubt beim Durchblicken des letzteren eine Neu Porter Zeitung in Händen zu haben, denn von den paar hundert Anzeigen, wclche lrci Viertel des großen, 4 seitigcn und 28 spaltigen Blattes ausfüllen, lautet jede auf Dollars und Cents. Alle Gewerbe preisen ihre Leistungen im reinsten Englisch, selbst die meisten Straßen haben englische Namen. Nutz- und Luxusgegcnstände aus allen Theilen der Welt, alles was den verwöhntesten Gaumen reizen oder der Eitelkeit dcr gefallsüchtigsten Modedame fröhncn kann ist in Honolulu so gut vorräthig wie in Neu Mrk, und sogar dcr Buchhandel, jener Ther-monutcr dcr geistigen Bewegung fängt an einige Lebenszeichen zu geben. 325 So finde ich im ?Ät)- auch auf Honolulu eine Kapelle gegründet. Die Entstehung und Wirksamkeit dieser 326 menschenfreundlichen Gesellschaft, die vielleicht manchem Leser unbekannt sein möchte, ist zu merkwürdig, als dah ich ihr nicht bei dieser Gelegenheit einige Worte widmen sollte. Sie wurde vor etwa 30 Jahren von einigen frommen Amerikanern in der Stadt Nen York gegründet, um gleichzeitig die Seelen und die Schillinge der taufende von Matrosen zu retten, die früher ohne Schutz und Leitnng allen Lockungen und Gaunereien jenes berüchtigten Welt Hafens ausgesetzt waren. Die humane Idee war kaum ausgesprochen, aw schon die reichlichsten Beiträge zusammenflössen, und alsbald entstand ein kolossales 8^11«,-»' IIom«, wo huiwerte von Seeleuten Wohnung, Kost. und jene guten Rathschläge finden, deren diese Menschentlasse so sehr zu Lande bedarf, wo sie unerfahren und leichtgläubig ist wie die Kinder. Zum Bau cincr Kirche fehlte es an Platz, die Amerikaner sind jedoch keine Freunde der langen Berathungen, das bescheidene Bethaus, welches keine Wurzeln auf der festen Erde fand, erhob sich daher ohne Zeitverlust auf dem schwankenden Grunde eines Floßes und die sogenannte Bethelflagge, auf welcher ein Regenbogen, die aufgehende Sonne, und die Taube mit dem Delzweig, den Tag cincr neuen Zeit verkündeten, lud sofort alle Seeleute zur Andacht nnr zur Enthaltsamkeit von fcnrigen Getränken ein. Durch ihren Erfolg ermuthigt, dehnte die Gesellschaft ihren Wirkungskreis weiter und weile, aus, pflanzte die Bethelflagge in Havre, in Honolulu und Lahaina, in Valparaiso, in Sydney und in Gothenburg auf. Der von ihr angestellte Geistliche in Honolulu hat freie Wohnung und 7W Dollars jährlich, predigt zwei Mal Sonntags und einmal in der Woche, fährt nach den Schiffen hinaus, besucht die Gefängnisse der Seeleute, und steht ihnen getreulich in allem bei mit Rath und That. Er stiftet so viel Gutes als sich nur voll einem Schwimmer erwarten läßt, der gegen eine starke Slrömuug ankämpft. Ehe wir die Stadt verlassen, um uns in ihrer Umgegend umzusehen,, werfen wir erst noch einen Blick auf ihre Bewohner. Die „K a na ken" zeigen sich meistens als schön gewachsene, kräftige Leute von edler Gesichtsform und offenem Ausdruck, doch haben sie im Verkehr mit Fremden, von denen sie Vortheil ziehen wollen, die natürliche Gastfreundlichkeit verlernt. Schon (ihamisso fand sie eigennützig; wie müssen sic jetzt erst nach so vielen hinzugekommenen Lehrjahren und unter solcheu Meistern wie die Amerikaner geworden sein! Pickering bemerkte unler ihnen im allgemeinen ein merkwürdiges Talent und große Neigung zur Mathematik. Einige waren als Drucker unter fremder 327 Oberaufsicht beschäftigt. Sic lieben das Lesen, und obgleich schon oiele nützliche Bücher in's hawaiische übersetzt worden find, hält es schwer mit der Nachfrage gleichen Schritt zu halten. Doch ist noch kein Eingeborener gefunden worden, der die nöthigen Eigenschaften besäße einen Laden zu halten oder irgend einem kaufmännischen Unternehmen vorzustehen. Daß es in ihrer Sprache kein Wort für „Gewissen" gibt, möchte leider wohl weniger auf eine Unfähigkeit für den Handelsstand hindeuten al8 die Unmöglichkeit das geringste Geheimniß zu bewahren. Leichtsinn und Gedankenlosigkeit sind allgemein, und der Hang zum Müßiggange so vorherrschend, daß es fast nicht möglich ist, taugliche Nrbeitsleute unter den Eingebornen zu finden. Wenn sie auch anfangs bereitwillig sind, und munter an's Werk gehen, ermüden sie doch immer innerhalb weniger Tage und gehen dann ihres Weges. So weiden sie als Taglohner und Feldarbeiter von den Chinesen verdrängt, während die eingcwanderten Europäer und Amerikaner sich neben ihren Häuptlingen breit machen. Zur Seefahrt eignen sie sich besser, und schon mancher eingeborene SchWbcfehlshaber hat sich das Zutrauen der fremden Kaufleute durch seine Tüchtigkeit und sein richtiges Urtheil in nautischen Angelegenheiten erworben. Auch als Soldaten machen sie sich gut, doch sind die Waffcnübungcn sehr komisch, da es ihnen an aller Accuratesse und allem Appell fehlt. Ihrem Fortschreiten in der Kultur ist besonders ihre Bcdürfnihlosiglcit hinderlich, da sie fast nur von Tarvbrci oder ,,1'oü« leben, und dic euro päischrn Kleidungsstücke und Lumpen, welche ihre kindische Vegierde reizen, sich am Hasen auf erlaubten und unerlaubten Wcgen, ohne anhaltende Thätig teit und Anstrengung erwerben lassen. Keiner sucht hoher hinaus zu kommen, und das ehrgeizige Streben nach Geld, Ran^ over Ruhm, welches zwar die Thatkraft des Europäers anspannt, ihn aber auch häufig sehr unglücklich macht, ist den Hawaiicrn unbekannt, die wie echte Naturphilosophen lachcn und sich des Lebens freuen, so lange es Taro zu essen gibt und die Sonne scheint. Außer jenem Nationalgericht sammelt die ärmere Polkstlasse auch noch wilde Kräuter von den Weideplätzen, namentlich eine Art Ampfer, und zur Ebbe sieht man sie in großer Menge am Riffe tauchen, schwimmen oder waten, um Muscheln, Krabben, Seetang und andere Meeiesfrüchte für die nächste Mahlzeit zu suchen. Die Frauen sind schön aber ohne Reiz. Sie haben etwas schweres und plumpes im Ban oes Halses, weßhalb europäische Weiber von den 328 Eingeborenen Langhälse genannt werden. Ihre frühere Tracht mag ihnen besser gestanden haben als das lange, grellgefärbte Kattunhemd womit die Missionare sie bekleidet haben. Bei den Vornehmeren wechseln übrigens die Moden wie in Europa und glücklich der fremde Speculant, der mit seiner Waare gerade die Laune des Tages trifft. Der Schmuck, den die Königinnen und Vornehmen tragen, steigt alsbald außerordentlich in Werth. Als Bennett (18.^5)) in Honolulu sich aufhielt war schwarze Seide am gesuchtesten, und als Chamisso dort war, trugen alle Damen Spiegel und Pfeifenkopf an einem europäischen Tuch um den Hals gebunden. Gelb bleibt übrigens stets die Lieblingsfarbe und steht auch den rostfarbigen Gesichtern am besten. Die Art und Weise wie die Lasten zu Markt getragen werden, fällt dem Fremden auf. Auf einer Schulter ruht, wie ein Wagebalken, eine lange Balancirstange an deren beiden Enden in Netzen von Segelgarn zwei un^ geheure Kalebassen (ausgehöhlte Kürbisse) hängen, die quer durchgeschnitten sind, so daß der obere Theil ihnen als Deckel dient, während die geräumige Höhlung Milch, Obst, Gemüse, Krabben oder sonstige Lebensmittel frisch und wohl erhalten umfaßt. Diese Art des LasttragenZ, die wie die Hieroglyphen uns belehren, auch bei den alten Egyvtern gebräuchlich war, und auch noch gegenwärtig in Hindostan üblich ist, findet sich übrigens in ganz Polynesien, nur nicht in Neu Seeland wieder, und kommt auch nicht auf den Fidscbi Inseln vor, die aber wie wir später sehen werden, von einer andern Mcnschenraee bewohnt werden. Eigenthümlich sind die Equipagen denen mall anf den Straßen von Honolulu begegnet; tlemc offene, zwei« stühlige Wagen auf vier Rädern ruhend und mit einem zwischen vier Stöcken ausgespannten Stück Baumwollcn^ug odcr einer Matte als Dach. Diese Fuhrwerke werden indessen nicht von Pferden, sondern von einem oder zwei großen Kanälen gezogen, die mit ihrer Last, einer höchstens zwei Personen, in vollem Lanfc von danneil eilen. Sowohl europäische als vornehme einheimische Damen benutzen diese, am besten mit groben Kinderwagen zu vergleichende Fuhrwerke, in denen Männer sich nur selten sehen lassen. Anfangs staunt der Fremde über diese seltsame Beförderung, später gewöhnt er sich daran nnd findet es dann nicht anstößiger, daß Damen in einem Wagcn von Menschen gezogen, als dah Männer wie Frauen in Palantins und Porte-chaiscn von ihnen getragen werden. Wagen mit Pferden sieht man bis jetzt nur äußerst selten, wahrscheinlich wegen der Schlechtigkeit der Wege. 329 Beide Geschlechter sind leidenschaftliche Reiter. Besonders Sonnabends Nachmittags wird diesem Vergnügen gefröhnt und Straßen und Wege bieten alsdann ein sehr lebhaftes Schausviel dar, da ein Jeder, der ein Pferd besitzt, oder sich eins miethen lann, sich zu Neitpartien hinaus begibt. Die Pferde sind ohne Sattel; eine Decke auf dem Nucken und ein Zaum im Maule — das ist alles! Die schönen Reiterinnen ziehen den Nock in der Mitte hinauf und wickeln ihn um beide Beine, die dadurch bis zu. den Knöcheln herab eingehüllt werden; der Shawl Wird um den Leib festgebunden und flattert wie ein langes Flügelpaar nach; da? Haar ist mit Blumen geschmückt. Und nun sehen die kolossalen Häuvtlingsgrstalten sieb mit aus-einandcrgesperrten Beinen auf die hübschen Pferde, jagen in fliegender ssarricre über Stock und Stein dahin — und der Fremde folgt ihnen mit wohlgefälligen Blicken nach. In der Stadt ist es verboten scharf zu reiten, aber man hält sich dafür auf der Landstraße schadlos, denn dort geht es allgemein im schnellsten Galopp. Die Damen sind dabei eben so übermüthig als die Herren, und sitzen gleichfalls ausgezeichnet sicher und schon zu Pferde. Es gewährt in der That einen hackst malerischen Anblick eine Anzahl solcher Amazonen mit ihren um die Schultern fliegenden Haaren unter Lachen und Schreien mit Windeseile an den Mecresstrand herankommen zu sehen, an welchem sich die Brandung schäumend bricht. Die Pferde sind theils von chilcnsischer, theils von calisornischer Race, von mittlerer Größe oder etwas barunter, aber wohlgebaut, lebhaft und ausdauernd. Die unmittelbare Umgegend von Honolulu, lM und sonnenverbrannt bietet nur wenig anziehendes dar, vergebens würde man sich hier nach den üppigen Cocos- und Brodfrucbthaincn umsehen die das paradiesische Tahiti so lieblich umranden. Der nächste, niedrige Hügel hinter der Stadt ist ein alter Vulkanenkratcr, dessen verschütteter Mund, wie die äußeren Abhänge mit dichtem Grase bewachsen ist. Hier erhebt sich ein Fort, ein zweites dicht an der See bestreicht den Eingang des Hafens. Fin anderer ähnlicher aber größerer und höherer Krater begrenzt als ein mcerbespülteß Vorgebirge die Aussicht nach Osten. Der berühmte Salzsee — /^Un ,i>ll,Ka: — eine der Hauptmerlwurdig-leiten ^ahu's lir<^t nach Westen, ungefähr acht cngliche Meilen von Honolulu und> dreiviertel Meilen vom Meere entfernt. Ein Mar Brücken von höchst bedürftiger Beschaffenheit führen zunächst über den Manu Strom, worauf die Straße ein Stück weiter zwischen Taropflanzungen und Fischteichen hin« 330 durchgeht, bald aber über dürre und sonnenverbrannte Hügel zieht, aus dencn Pferde und Rindvieh das verwelkte und versengte Gras abweiden. So gelangt man endlich, müde und durstig zu einem von niedrigen Felswänden umschlossenen Becken, dem wahrscheinlichen Urbcrbleibsel eines alten verfallenen Kraters, auf dessen flachem Grunde der See sich ausbreitet. Als dieser von Pickering besucht wurde, nahm er bei einer Länge von einer englischen Meile und der halben Breite, ungefähr den halben Raum des Beckens ein, doch waren die Ufer so flach, daß das Steigen dcs Wassers um einen Fuß schon hingereicht hätte, den ganzen Grund bis zu den einschließenden Felswänden auszufüllen. Man hatte den amerikanischen Forschern von einer Tiefe von fünfzig Klaftern vorgefabelt; doch erreichte zu ihrem Erstaunen die lange ^eine die sie zum Peilen mitbrachten schon nach 16 Zoll den Boden (No-" vember 18ä0) und als im folgenden Jahre um dieselbe Jahreszeit Dana den Ort zum zweiten Mal besuchte, fanden sich sogar nur noch 6 Zoll Wasser. Doch während damals das Salz nur dünn zwischen den Steinen am Ufer zerstreut war, bildete es jetzt über den ganzen Grund eine drei Zoll dicke Rinde der schönsten kubischen Krystalle, auf welchen der gebrochene Sonnenstrahl in allen Tinten des Prismas glänzte. In der Mitte des See's befindet sich eine Grube von einigen Faden im Durchmesser deren Grund noch nicht gefunden wurde. Bei trockenem Wetter bemertt man keine außerordentliche Bewegung in diefem natürlichen Schachte, doch fo wie die Regenzeit cine Weile angedauert hat, soll das Wasser mächtig daraus hervorsprudeln und den See 4 bis 5 Fuß zum Steigen bringen, so daß er alsdann von Nachen befahren wird. Er steht also offenbar mit den Bergströmen in Verbindung, eine bekanntlich an den rüsten der Südseeinseln oft vorkommende Erscheinung, wo das unterirdisch von dm Anhohen hcrabfließende und durch die Erde sickernde Wasser häusig erst am Ufer oder sogar auf dem Meeresgrunde selbst hervorquillt, nur daß es hier mit aufgelbsten Salzen reichlich geschwängert zum Vorschein kommt. Die Behauptung, daß der See mit der Ebbe und Fluth des Meeres steige und falle, und dadurch seine Verbindung mit demselben an den Tag lege, erwies sich als eine von jenen unbegründeten Sagen, die von Tausenden gläubig aufgenommen und verbreitet worden, ohne daß irgend einer sich die Mühe gäbe, durch eigene Beobachtung sie zu bestätigen oder zu widerlegen. Unfruchtbarkeit und Todesstille herrschell um die Ufer des ^.^..-ul^u — auf denen nur einige,dürftige Gebüsche wachsen, doch entschädigt er für scinm 331 Mangel an romantischer Schönheit durch den Nutzen den er gewährt, da das aus ihm gewonnene Salz dem Könige nicht unbeträchtliche Summen einbringt. Es wird für das Beste zum Einsalzen von ^ebcnsmitteln gehalten und steht daher höher im Preise, als das aus den Meereslagunen gewonnene, welches jetzt schon in bedeutenden Mengen nach Chili und Kamtschatka ausgeführt wird. 'Wenn die staubigen Wege und die Kahlheit der unmittelbaren Umgebungen von Honolulu ihm durchaus nicht zur Zierde und Annehmlichkeit gereichen, so besitzt es dagegen vor manchen andern Städten den beneidenswerten Vorzug, daß es nur eines kurzen Nittes in's Nuanu Thal hinauf bedarf, um die Tropenhitze der nactten sonnedurchglühten Gbene mit der lieblichen Frische des angenehmsten gemäßigten Klimas und allen Reizen der romantischsten Natur zu vertauschen. Der Weg führt anfangs durch Taroanpflanzungen, die dem vom unbedeutenden Nuanu Strome abgeleiteten Wasser ihre Fruchtbarkeit verdanken, doch bald verengt sich das Thal und der Anbau des Grundes verschwindet allmälig, so wie.der steilere Pfad zwischen den höheren Felswänden hinanklimmt. Maulbeerarten, Erythrinen, Farne und Palmen von schönblumigen Lianen umschlungen und unter einander verflochten bekleiden die Abhänge, deren Gestein überall unter dem üppigen Pflanzenwuchs verschwindet, und während das Auge sich am herrlichen Anblick der edlen Pflanzenformen ergötzt, erfreut sich das Ohr des lieblichen Murmelnö der Gewässer, die in taufenden von Silberfäden von den grünbehangenen Bergmauern herabrieseln. So steigt man höher und hohcr durch den reizendsten Naturpark hinan, bis endlich beim Wenden um einen Felsenvorsprnng man von einem herrlichen fast überwältigenden Anblick überrascht wird. Denn der Pali, jener unvergleichliche Abgrund, entfaltet plötzlich seine ganze großartige Pracht. An beiden Seiten des Passes steilen die ungeheuren basaltischen Fclsmassen des Konahuanui und des Waolani, der höchsten Gipfel auf Oahu, fast 3000 Fuß hoch empor, und 1200 Fuß tief senkt sich vor dem Zuschauer der jähe mit üppigen Schlinggewächse» bekleidete Absturz hinab. Durch die düsteren Bergmassen, die drohend zum Himmel sich erheben, stürzt der Passat, dessen feuchtem Athem das Nuanu Thal jcinc erfrischende Kühlung und den Reichthum seiller Caskaden verdankt, und wirft die Dünste der ^uft gewaltsam gegen die Felswände um bald diese in dichte Wolken einzuhüllen, balo sich in Regen aufzulösen, oder als große Nebelmassen über das Thal 332 hinzutreiben, wahrend die Nordseite der Insel, auf welche man vom Paß herabblickt, von der tropischen Sonne beschienen in den heitersten Farben prangt. Während oben Licht und Schatten, graue Dünste und Regenbogen, Nebel und heller Sonnenschein in ewigem Kampfe wechseln — liegt dort nnten das Thal in idyllischer Ruhe. Gin freundlicher Fußsteig schlangelt sich mit seiner rothen Spur zwischen den zerstreut liegenden Hütten hin und rings um diese erheben sich größere Baumgruppen meist Pandanusse, vermischt mit dunkellaubigen Hibißkußsträuchen und den hellgrünen Kronen der ^>u. Wie die Wellen eines versteinerten Meeres ragen bewaldete Hügelreihcn und Bergkämme aus der Ebene empor, und den äußersten Rahmen der lieblichen Landschaft bildet das blaue Meer, welches wcißschäumend gegen den Saum der ssorallenriffr anbrandet. Erst seit wenigen Jahren ist ein Weg für Pferde in den steilen Absturz des Pali außgehauen worden, den früher auf gefährlichem Pfade nur die Eingeborncn, jene unvergleichlichen Turner, nackten Fußes und mit Hülfe der Lianen erkletterten. Am oberen Rande des Abgrundes standen ehemals zwei steinerne Götzenbilder „^.Knll »u Ka I'aU" „die Gotter des Abgruirdes" eins an jeder Seite des Weges. Wer den Paß heraufkam oder hinabstieg, pflegte aus Dankbarkeit oder um die Mächtigen gnädig zu stimmen, grüne Zweige oder Blumenkränze vor sie hinzulegen, durch dasselbe Gefühl geleitet, welches im hohen Norden den reisenden Jakuten bewegt einige Haare aus der Mähne seines Pferdes dem „Bergg eiste" zu opfern. Als das Christenthum zuerst in Hawaii eingeführt wurde, stürzte man mehrmals die Idole, welche die Gläubigen immer wieder aufrichteten, bis endlich die neue Lehre deu Sieg behauptete und dir Götzen auf ewig unterlagen. Ich habe bereits im vorigen Kapitel erwähnt, daß im Nuauu Thale die entscheidende Schlacht geliefert wurde, welche die Insel Oahu dem Scepter Tameamea des Großen unterwarf, und wie die Besiegten nach dem Tode ihres Königs in wilder Flucht bis über die Felsenkante getrieben wurden uno in den Abgrund stürzten. So kommt auch noch das historische Interesse hinzu um dem romantischen Thale einen neuen Reiz zu verleihen, und nach Jahrhunderten vielleicht wird der Führer noch dem Fremden erzählen wie erfolgreich Tameamea hier kämpfte und wie heldenmüthig Oahu's letzter König ihm erlag. 333 Zwcilmdzwlinzigstcs Kapitel. Die Cook's Gruppr. Entdeckungsgeschichtc von Narotonga. — Hungersnoth auf Nurutua. — Der nach Maurua verschlagene Häuptlinc,. ^ Das Christenthum nach Rurutua verpflanzt — nach Aitutaki, Mangaia. Atiu :c. — 3larotonga von Williams entdeckt. — Schönheit der Insel. — Vollkommenheit des öcindbaucS. — Schattige Wege. — Patriarchalische Ruhesitze. — Barbarei dci Narotonganer. — Abnahme der Bevölkerung. — Furchtbarer Sturm 1831. — Ucbcrsctzuna, der Vibel in ven rarotonganischen Dialekt. — Abstammung der Narotongancr von Tahiti uno Manuka. — Legende von Karika und Mangiia. — Die „Bounty" vor Narotonya. — Die Hervcy Insel. — Zusammenschmelzen der Bevölkerung. — Ntiu. — Aitutaki. — Die Höhle Taketake auf Atiu. Von ren Sandwich Inseln, die fast den Wendekreis des Krebses berühren, bitte ich nun der Leser mir mit einem weiten Flugo nach der kleinen Cook's Gruppe zu folgen, die beinahe unter demselben Meridian dem Wendekreis des Steinbocks sich nähert. Sie hat zwar nicht die Bedeutung Hawaii's, doch hoffe ich wird auch hier einiges Interessante sich finden, welches die darauf verwandte Aufmerksamkeit nicht gänzlich unoelohnt lassen wird. Narotonga, die schönste und wichtigste Insel des Archipels, verdankt ihre Entdeckung einem merkwürdigen Zusammenfluß von Ereignissen. Vor ungefähr 40 Jahren nämlich wurde Nurutua, (Austral Inseln) welches ungefähr 350 Seemeilen südwärts «von den Gesellschastsinseln liegt, von einer furchtbaren Seuche heimgesucht. Da die noch heidnischen Polynesier alle derartige Leiden dem Zorn einer beleidigten Gottheit zuschrMen, beschlossen zwei unternehmende Häuptlinge sich einzuschiffen und mit so vielen ihrer Leute als zwei schmale Pirogen nur aufnehmen tonnten, eine ncue glücklichere tzeimath im Schooß des großen Oceans aufzusuchen. Sie waren überzeugt, daß wenn sie blieben, die Götter, deren Zorn sie vergebens durch Opfer zu besänftigen sich bemüht hatten, sie unfehlbar vertilgen würden und schlimmeres konnte ihnen auf dem Meere nicht begegnen. Als alles bereit war stießen die kleinen Fahrzeuge vom Lande ab, die Segel wurden aufgespannt und bald hatten sie das liebliche Rurutua auS 334 den Augen verloren. Ein günstiger Wind führte sie nach Tnbuai, und nachdem sie sich hier gekräftigt hatten, beschlossen die Häuptlinge nach der Heimath zurückzukehren, wo sie hofften, daß die Seuche nunmehr aufgehört habe. Noch einmal vertrauten sie sich daher dem tückischen Ocean an, die Drangsale nicht ahnend, welche der launische Mecrgott ihnen vorbereitete. Denn kaum waren die Bcrgspitzen Tubuai's hinter dem Horizont verschwunden als ein furchtbarer Sturm sich erhob, der sie weit weg von ihrem Cours verschlug. Eins der Boote wurde bald von den empörten Wogen verschlungen, das andere aber, auf welchem der Häuptling Auura sich befand, irrte drei Wochen lang auf dem pfadlosen Meere umher, bis endlich ein glückliches Schicksal es auf das Corallcnriff von Maurua, der westlichsten der Gcsellschaftsinseln trieb, gerade noch zeitig gemig um die von Hunger und Durst gefolterte Mannschaft vor dem Tode zu retten. Die Gastfreiheit der Insulaner hatte bald die Mäste der erschöpften Reisenden wieder hergestellt, welche ihnen nun die Geschichte der furchtbaren Leiden mittheilten, die sie sowohl in der bedrängten Heimath als später auf dem Meere erlitten hatten. Die Mauruaner erwiederten, daß auch sie früher den Zorn jener Götter gefürchtet hatten, denen sie alles Böses, welches sie befiel, zuschrieben; nun aber Jehovah, als den einzigen wahren und lebenden Gott anerkennten; und erzählten ausführlich wie sie von weißen Männern zum Christenthum bekehrt worden wären, die auf großen Schiffen von einem fernen Lande gekommen seien und nun auf den Inseln wohnten, deren Gipfel man von Maurua aus sehen konnte. Im höchsten Grade über diese Nachrichten erstaunt, beschloß Auura sogleich jene fremden Männer aufzusuchen und den günstigen Westwind zu benutzen, der ihn auch glücklich nach Rkiatea brachte. Hier wurde das Er< staunender Fremden von Neuem erregt-, die Missionare und ihre Familien, die europäische Kleidung, die niedlichen weißgetünchtcn Hütten, die verschiedenen nützlichen Künste, der feierliche Gottesdienst erfüllten sie mit Bewunderung; sie wurden sogleich von der Ueberlegenheit der christlichen Religion durchdrungen und baten den Missionar Williams um Belehrung. Die große Aehnlichkeit ihres Dialects mit dem tahitischen erleichterte den Unterricht, und nach drei Monaten konnten die Meisten schon richtig lesen und schreiben. Um diese Zeit wurde ihr dringendes Verlangen nach ihrer hartgeprüften Heimath zurückzukehren durch das freundliche Anerbieten eines englischen 335 Capita'ns erfüllt, sie baten jedoch um Religionslehrer, worauf zwei Tahitier sich sofort bereitwillig erklärten sie zu begleiten. Ein amerikanischer Walfischfänger, der bald darauf auf dem Riff von Rurutua scheiterte, hatte alle Ursache sich des günstigen Umschwunges zu erfreuen, den das Christenthum dort bereits hervorgebracht hatte, dcnn'dic Eingeborncn leisteten beim Retten der Ladung, die sie früher unbarmherzig geplündert hätten, die uneigennützigste Hülfe, und trugen alle die geretteten Sachen nach dem Missionshause, ohne daß irgend etwas entwendet worden wäre. Als aber 15 Monate später die Untersuchungscommission der Lon-doner Missionsgesellschaft Nurutua besuchte, fand sie dort kein einziges Götzenbild mehr, wohl aber eine große Kirche, woran die ganze Bevölkerung der kleinen Insel unter der Leitung der beiden tahitischcn Lehrer freiwillig gearbeitet hatte. Auch war schon am Hafen ein bequemer 509 Schritt langer Landungsplatz aus großen Corallenblöcken erbaut worden. Die wunderbare freiwillige Bekehrung der Nurutuaner trug sehr dazu bei den Eifrr der auf der Gcsellschaftsgruppe stationirten Missionare auch auf die benachbarten Inseln zu richten, und bewog den ehrenwcrthen John Williams zwei tahitische Lehrer nach Aitutati, der nördlichsten der Cook's Inseln zu senden, welchen er zwei Jahre später (18?3) selber folgte, um von dort aus das Christenthum über die ganze Gruppe zu verbreiten, und womöglich das dem großen Seefahrer unbekannt gebliebene, von den Gesellschaftsinsulanern hochgepriesenc Rarotonga zu entdecken. Auf Aitutati fand Williams die ganze Bevölkerung von 2000 Seelen bereits vollständig bekehrt, und nachdem das Christenthum auch auf dcn südlicher gelegenen Inseln Mangaia, Mitiero, Mauki und Atiu ohne großen Widerstand die -alten Götzen entthront hatte, beschloß er das gute Werk mit Rarotvnga zu krönen, welches wie er auf Atiu hörte, nur einen Tag- und eine Nachtreise entfernt lag. Ich bemerke beiläufig, daß wenn die Polynesier von einer Insel zur andern reisen wollen, sie nicht von irgend einem beliebigen Punkte der Küste absegeln, wie wir es thun würden, sondern stets nur von einer bestimmten Stelle, von wo aus sie ihren Cours nach gewissen Landzeichcn richten, bis die Sterne, wonach sie ferner steuern, sichtbar werden. So sah sich denn Williams genöthigt sein Schiff erst nach der gewöhnlichen Abfahrtsstelle herumführen zu lassen, wo die kundigen Eingebornen den Cours nach Naro- 336 tonga so richtig angaben, wie es vom erfahrensten Seemann nach dm besten Karten nur hätte geschehen können. Fast schien es aber als ob die bedrohten Götzen von Rarotonga sich gegen ihren gefährlichen Feind verschworen hätten, denn statt dir Insel schon binnen 24 Stunden zu erreichen, hatte das Schiff mehrere Tage mit widrigen Winden zu kämpfen. Die Lebensmittel gingen auf die Neige und endlich erklärte der Capitan, daß sie umkehren müßten, wenn sic nicht noch auf dem Meere verhungern wollten, gab jedoch auf Williams' Bitten noch eine kurzen Frist bis acht Uhr zu, nach welcher, wenn alsdann noch nichts sich zeigte, das fernere Suchen unwiderruflich aufgegeben werden sollte. Es waren Stunden der peinlichen Erwartung, vier Mal hatte Williams schon vergebens einen Eingebornen auf die Mastspitze geschickt, und schon war der Späher zum fünften Mal heraufgcklcttert und es fehlte nur noch eine kleine halbe Stunde, als plötzlich die Wolken, die bis dahin die hohen Gipfel Rarotonga's verschleiert hatten, durch die Hitze der steigenden Sonne verscheucht wurdcn und der frohe Ausruf: ,,1'oio, t^ic, tlnui, l'mnm noi!" „Hier! hier ist das Land, das wir gesucht haben!" allen Sorgen ein Ende machte. Der Empfang war freundlich, und die Erfolge der auf der Insel zurückgelassenen tahitischcn Lehrer so lohnend, daß kaum ein Jahr nach der Entdeckung die ganze Insel bereits dem Heidenthum entsagt hatte. Eine Eigenthümlichkeit des schönen Rarotonga, dessen romantisches Gebirge 2740 Fuß emporsteigt, und Welches ungefähr 30 Seemeilen im Umfang hat, ist die bedeutende Ausdehnung der an das Hochland sich anlehnenden Niederungen. Auf den meisten vulkanischen Inseln sind die Berge vem Meere so nahe gerüctt, daß nur ein schmaler Streifen urbaren Landes übrig bleibt, dieses ist aber nirgends der Fall auf Rarotonga — wo außerdem noch Boden und Klima den Wachsthum der eßbaren Pflanzen gleich sehr begünstigen. Auch fand Williams die Insel im höchsten Sustande der Kultur, so daß der Anblick von dcn Bergabhängcn nach dem Seeufer hin ein wahrhaft entzückender war. Vom Fuß des Gebirges bis an's Meer erstreckten sich regelmäßig angepflanzte Reihen der prächtigsten Sudscekastanien (l»u«ln'i)l,i!j cäuliü) ungefähr tl)00 Schritt von einander entfernt. Die Zwischenräume waren in Tarofelder eingetheilt, die 4 Fuß tief gegraben waren, und nach Belieben bewässert werden konnten. Die Dämme um die Felder hatten geneigte Abhänge und oben eine 6 bis 8 Fuß breite Fläche. Auf diesen Abhängen wuchs der Kape oder riesige Taro, während dic flachen 337 Dammrückrn in regelmäßigen Abständen mit schöngeformten Brodfruchtbäumen bepflanzt waren. Die erbsengrünen Blätter des die Niederungen anfüllenden Taro; die außerordentliche Größe und dunkle Farbe des Kape und die stattlichen Baumreihen bildeten Contraste von der lieblichsten Wirkung. Um die ganze Insel schlang sich ein bequemer Weg, ai-l», m^äun oder „Mutterpfad" genannt, an beiden Seiten mit Bananen und Bergplatanen eingefaßt, die mit den Barringtonien, ^nocarpen und anderen dichtlaubigen Bäumen den Wanderer vor den Strahlen der tropischen Sonne schützten und sogar in der heißen Mittagsstunde das Vergnügen eines kühlen schattigen Spazierganges gewährten. Die Häuser der Eingcbornen lagen 10 bis 89 Schritt vom Hauptwcge entfernt und hatten ein äußerst niedliches Aussehen. Jeder Pfav, der zu den vereinzelten Wohnungen führte, war mit schwarzem und weißem Steingeröll bestreut, und an beiden Seiten mit Dracaenen und riesigem Taro eingefaßt. Ruhesitze oder Bänke aus zwei glatten Steinen gebildet, deren einer zum Sitzen der andere in die Erde eingesenkt als Nücklehne diente, standen vor den Häusern längs dem Mutterpfade aufgereiht. Es waren meistens Reliquien des Alterthums, für welche das Voll oft große Ehrfurcht bezeugte, und rarauf hindeutend zu sagen pflegte: „Hier saß mein Vater, nnin Großvater, oder dieser oder jener große Häuptling!" Auf diesen Bänken genossen die Bewohner des Hauses die frische Kühle des Nachmittages, mit blnmcnumkränzten Häuptern und der festlichen Tiputa geschmückt und plauderten mit den Vorbeigehenden über die Tagesereignisse ihrer kleinen abgelegenen Wclt. Wenn irgendwo auf Erden, so hätte man erwarten können, das idyllische Glück oes Landmanns, wie Virgil, Theokrit oder Geßner cs beschrieben haben, auf dcm paradiesischen Narotonga verwirklicht zu sehen', nnd wer fvllte nicht erwarten, daß ein Volk, welches in den friedlichen Künsten des Ackerbaus so wohl bewandert war, nicht auch in seinen Gesinnungen und Sitten eine höhere Kulturstufe errungen hatte? Aber die Rarotonganer standen weit hinter jencm dichterischen Idcal zurück, und die ungezahmtc Wuth der Wilden zeigte sich in ihren häufigen Kriegen, welche stets die Verwüstung der Landcreicn der Besiegten zur ssolge hallen. So tam cs, daß in den zwauzigcr Jahren keine einzige altc (5ocos-palme ans der nordwestlichen Seite dcr Insel zu sehen war, und nur wenige bejahrte Brodfruchlbäume ihre einsamen Kronen emporhoben. 338 Dir gefangenen Weiber wurden häufig geto'dtet und den kleinen Kindern Speere durch die Ohren gestoßen, um sie im Triumph nach den Maraw zu tragen. So wie einer seinen Gegner in der Schlacht überwunden hatte, schlug er ihm den Schädel ein und nahm einen Theil des Gehirns heraus, den er auf Brodfruchtblätter legte und sofort als eine Art von Vorgcmch des zu erwartenden Opfers seinem Götzen darbrachte. Diese barbarische Sitte herrschte noch nicht lange auf der Insel, unr war daher entstanden, daß ein Krieger der seinen Feind durch einen Keulenschlag nur betäubt hatte, und ohne weiteres nach altem Brauch mit Brod-fruchtblättern triumphircnd nach dem Tempel rannte, später die vermeintliche Leiche nicht mehr fand, welche indessen nach Hause zurückgekehrt war, und durch ein Spottgedicht sich über den übereilten Sieger lustig machte. Seit jener Zeit wurde allgemein beschlossen, auf die gegebene gründliche Weise zu verhindern, daß die zu Boden geschlagenen Feinde nicht noch einmal singend und tanzend die unvollständigen Ueberwinder verhöhnten. Nach der feierlichen Darreichung des Gehirns versammelten sich die Freunde des Siegers und schleppten mit wildem Geheul die Eriche an einem um die Fußknöchel gebundenen Strick nach dem Marai. Noch andere höchst barbarische Gebräuche zeugten von der entsetzlichen Wildheit der Rarotonganer. So wie ein Sohn vollständig erwachsen war und sich stark genug fühlte, focht und rang er mit dem Vater um die Herrschaft, und gelang es ihm sich dieselbe anzueignen, so nahm er gewaltsamen Besitz des Kainga oder Grundeigenthumß, welches jenem früher gehört hatte, und jagte ihn ohne alle fernere Entschädigung oder Hülfsleistung aus dem Hause. Wenn eine Frau ihren Mann verloren hatte, so erschienen sofort die Verwandten des letzteren, nicht um der armen Wittwe einen Condolenzbesuch abzustatten, sondern um sich des Eigenthums deß Verblichenen zu bemächtigen und die trostlose Mutter mit ihren Kindern zu verjagen. Auch fiel überhaupt die gewaltsame Besitzergreifung der Ländereien der Schwächeren so häufig vor, daß, alb später ans Betrieb der Missionare ein mit den Grundsätzen des Christenthums übereinstimmender Gesetzcoder eingeführt wurde, man es für nöthig hielt das bereits geschehene Unrecht nicht näher zu untersuchen, damit die Ruhe der Insel nicht gefährdet würde. 339 Wie auf den Gesellschaftsinseln wurden die Frauen als untergeordnete Wesen angesehen. Mehrere Speisen blieben ihnen untersagt, und während ihre tyrannischen Männer am Fett des Landes nnd dem Uebcrfiuß des Meeres sich sättigten, mußten sie in ehrerbietiger Entfernung ihr dürftiges Mahl ver> zehren. In einer Hinsicht war ihre Behandlung aber bei weitem schlimmer als die der Tahitierinnen, denn letztere erbten einen Theil des väterlichen Gutes, wahrend auf Rarotonga dir Töchter nichts erhielten. Die Vielweiberei war gebräuchlich und der reiche Mann, der viele Kain-gas oder kleine Güter von mehreren Morgen besaß, erfreute sich einer großen Anzahl Genossinnen, die er mit der Willkür eines orientalischen Despoten behandelte. Es versteht sich von selbst, daß sowie das Christenthum auf der Insel Wurzel faßte, was jedoch begreiflicher Weise nicht ohne manche Kämpfe und Rückfälle geschah, auf die ich nicht weiter eingehen Will, sowohl der Zustand des Weibes gehoben wurde, als die barbarischen Kriege und Gewaltthätigkeiten des groben Faustrechts aufhörten. Doch obgleich seit jener Zeit der Friede auf Rarotonga weilt, welches außerdem noch durch seine abgelegene Lage von manchen moralischen und socialen Uebeln befreit geblieben ist, woran die von den weißen Schiffern häusiger besuchten Inseln zu leiden haben, so hat doch die Bevölkerung reißend abgenommen, da sie von 7000 Seelen im Jahre 1823 auf weniger als 3009 in 18^8 zusammengeschmolzen war. Ein furchtbares Naturereigniß, welches gegen Ende des Jahres 1831 die reizende Insel befiel und uoch lange im Gedächtniß des Volkes fortleben wird, mag wohl nicht wenig zu jener bedauernswerthen Verminderung beigetragen haben. Noch,am Morgen des 21. December stand Rarotonga in der vollen Pracht seiner üppigen Flora da, als plötzlich ein Sturm sich erhob, der mit unvergleichlicher Wuth drei Tage lang raste und mit seinen Verwüstungen nur aufhörte als kaum noch etwas zu verwüsten übrig blieb. Von den hunderttausenden von Bananen, Brodfruchtbäumen und stattlichen Kastanienrcihcn, die zum Theil den Stürmen der Jahrhunderte Trotz geboten hatten, blieben auf der Ebene, in den Thälern oder auf den Bergen nur noch wenige völlig entlaubte Stämme stehen, und in der wildesten Unordnung lagen zahllose Baume auf der Erde umher, wie die Leichen erschlagener Krieger nach einer mörderischen Schlacht. Ueber tausend Hütten wurden durch diesen unwiderstehlichen Orkan dem Boden gleich gemacht. Das 22* 340 empörte Mecr überschwemmte die Ebenen und warf ein den Missionaren gehörendes Schiff mehrere hundert Ellen weit landeinwärts gegen einige mächtige Kastanienbäume, die es noch glücklicher Weise in seinem wilden Laufe aufhielten. Kein Theil der Insel entging der Zerstörung, denn der Orkan drehte allmälig um die ganze Insel herum. Sowohl der Stnrm selbst als der daraus entstehende Mangel rafften sonder Zweifel manches Leben dahin. Im Jahre 1839 überbrachte Williams den Rarotonganern hßs in ihren Dialect übersetzte ncue Testament, dessen Druck er selbst in England beaufsichtigt hatte, und von welchem die Bibelgesellschaft 5900 Exemplare abziehen ließ. Die Schrift wurde von den Bemittelten eifrig für drei Schillinge gekauft: andern erhielten sie unentgeldlich oder auf Credit. Auch das alte Testament ist bereits vollständig von den Missionaren übersetzt, doch nur zum Theil gedruckt worden. Die Fortschritte der Schüler im Lesen nnd Schreiben waren sehr erfreulich. Da es an Schiefertafeln und Griffeln fehlte, hatten sie dem Mangel auf cine sehr sinnreiche Weise abgeholfen. Sie holten sich steinerne Platten im Gebirge und rieben sie mit Sand und Corallen bis sich eine glatte Flüche gebildet halte, die alsdann mit dem purpurnen Saft der Verqplatanc gefärbt wurde, nm ihr das Ansehen einer englischen Schiefertafel zu geben. Einige schnitten sogar ihre Platten viereckig und rahmten sie ein, so daß fast kein Unterschied bemerklich war. Als Griffel dienten die starken Stacheln eines Seeigels, die im Feuer verbrannt, so gut wie Knide schrieben. Kurz nach diesem letzten Besuch auf dem von ihm entdeckten Rarotonga begab sich der unermüdliche Williams nach Erromango. um auf den neuen Hebriden das Christenthum zu verkünden, ward aber von den wilden Kannibalen erschlagen und verzehrt. Nach einer alten Legende stammen die Rarotonganer von Tahiti im Osten und von Manula im Westen her. Aus letzterem kam Karika, der Vorvatct der jetzt noch regierenden Makea Familie, ein mächtiger Krieger, ein Mensch entödter und großer Seefahrer, der auf seinen Neiscn Rarotonga entdeckte. Er fand die Insel unbewohnt, verließ sie nach kurzem Verweilen und begegnete auf der Rückreise dem ta-hilischen Häuptling Tangiia, der durch das Umhauen eines Lieblingsbaumes seinen Brudcr Tutabu so erzürnt hatte, daß dieser ihn von ciiur Insel zur andern, von Huaheine nach Äaiatea nnd von Naiatca nach Vvrabora ver- 341 folgte und ihn endlich zwang sich dem pfadlosen Ocean anzuvertrauen. Sogleich machte Karika sich bereit den armcn Tangiia anzugreifen, doch dieser, der wie es scheint zur Schule des sslihu Purrit gehbrtc, unterwarf sofort sich der Oberhoheit des gewaltigen Kriegers, worauf beide einen Frcund-schaftsbund schlössen. Karika benachrichtigte seinen neuen Genossen von der lieblichen Insel die er entdeckt hatte, zeigte ihm die Richtung, in welcher sie lag, und versprach später zurückzukehren und sich dort neben ihm niederzulassen. Tangiia steuerte sogleich nach Rarotonga und siedelte sich auf der Ostseite an, während der später ankommende Karika den nordlichen Theil der Insel in Besitz nahm. Aber sie hatten nicht lange die Wohlthaten der Ruhe genossen, als zu Tangiia's großem Schrecken die Flotte seines Bruders Tu-tabu „des unerbittlichen Verfolgers" vor dem Hafen erschien. Sofort schickte er einen Boten an Karika, damit dieser ihm in der drohenden Schlacht beistünde. Das Gefecht war hartnäckig, doch endlich wurde Tutabu besiegt und getödtct. Die Wahrheit, welche dieser fegende zum Grunde liegt, wird durch verschiedene Thatsachen bekräftigt. Der wesentlich tahitische Dialect ist auf Rarotonga mit den harten Con-svnanten und Nasenlauten vermischt, welche die Idiome des Westens charaktcri-siren. Auch ist bis auf den heutigen Tag das Volk in zwei verschiedene Stämme, die Ngati Karika und die Ngati Tangiia getheilt, wovon die ersteren die Nordseite der Insel besitzen, und letztere die Südfeite. Endlich ist biß auf den heutigen Tag die Oberherrschaft der Kankafamilie verblieben, denn obgleich die Nqati Karika sehr häufig von den Nachkommen des Tangiia geschlagen worden sind, so überlassen ihnen doch die Sieger den Vorrang, der ihnen seit uralten Zeiten gehört. Vor zwanzig Jahren war der damals regierende Makea der neun und zwanzigste Nachfolger des Makea Karita, und ein jeder dieser landen Herrschcrreihe hatte eine eigene, seinen Charakter bezeichnende Benennung, wie es bei den egyptischen Pharaonen der Fall war. Im Volksgesange lebte die Geschichte der Väter von einer Generation zur andern fort, doch auf Rarotonga wie auf Tahiti wird wahrscheinlich manches, wodurch die dunkle Vergangenheit der Polvncsier hätte beleuchtet werden können, verloren gehen, ehe der historische Forscher den Spuren der Missionare folgt. Obgleich Cook die Insel Rarotonga nicht entdeckte, so hatten doch deren Bewohner schon vor Williams' Ankunft vom großen Seefahrer gehört, Ein 342 Sturm hatte ein tahitisches Boot nack Rarotonga verschlagen, welches die Nachricht brachte von weißen Männern, die Tute oder Cookees genannt wurden, die Monate lang den Ocean durchfurchten als ob er trockenes Land wäre, und deren ungeheure Schiffe, die nicht mit Cocosbast zusammengebunden, sondern mit Eisen ^l>,-lm,^ beschlagen waren, obgleich ohne Ausleger dennoch nicht umschlugen. Zugleich erzählten die Tahitier, daß die Cookecs ein sehr gottloses Volt seien, welches sich nichts aus den heiligen Bildern mache, sondern unbekümmert in den Marais umherziehe, nnd sich nicht scheue sogar die Opferfrüchte zu verzehren. Als hierauf die erstaunten Rarotonganer ausriefen: „warum man jene Fremden denn nicht verjagt und ihnen ihr Eigenthum abgenommen habe?" antworteten die Tahitier, daß dieses mit dem besten Willen nicht gut möglich gewesen, weil die Cookers mächtig wie die Götter seien, unv lange i>,>iiulliä hätten, aus welchen sie sseuer und einen schweren Stein spieen der augenblicklich todte, noch ehe man mit den Wurfspirßen ihnen etwas anhaben könne. Zur Bekräftigung des Erzählten reichten die Tahitier dem Häuptling cine Azt, die von Cook's Schisse herrührte, und vom Rarotongancr sorgfältig verwahrt wurde. Als die Insulaner allc diese Wunder vernahmen, beteten sie zu ihren Oottcrn, daß diese ihnen doch den Cavitän l^ook in seiner großen Piroge ohne Ausleger znschicken möchten, damit er auch ihnen Aer.tr, Nägel und Gewehre brächte. Bald nachher erschien wirklich ein großes Schiff, welches nach der Beschreibung tein anderes gewesen sein tann, als die uns bereits befannte „Bounty", uachdcm sich die Mrutcrcr drrsclbcn bemächtigt hatten. Das Rirsrnfahrzeug antertc nicht vor Rarotonga, aber einer der Insulaner ruderte ihm mit seinem kleinen Boote entgegen und wagte sich an Bord. Als er zurin'M'hrtc erzählte er seine» erstaunten Vandtzleuten, daß es eine schwimmende Insel sei mit zwri fließenden Strömen, und zwei Brodfrucht- und Zucker-rohrgärtcn, und daß der Kiel bis zum Meeresgrund reiche, da er hinabge-tancht sci und doch das Ende davon nicht gesehen habe< Ohne Zweifel waren wahrend dieses Besuchs die Pnmpen des lecken Schiffs in voller Thätigkeit, deren herausströmendes Wasser die blühende Phantasie des Ra-.rotonganer's sofort in rieselnde Bäche verwandelte, und was die Gärten betrifft, so wciß man, baß die Bounty wirtlich mit Brodfruchtbäumen beladen 343 war, als Christian und seine Gefährten dcn wohlthätigen Zweck der Reise durch ihre Meuterei vereitelten. Von jenem Schiff erhielt man ein zugespitztes, etwa dritthalb Fuß langes Stück Eisen, welches sogleich dcn Göttern gewidmet wurde; da es sich abcr zeigte, daß der Boden beim Pflanzen sich viel leichter damit bearbeiten ließ, als dieses mit Hülfe der gewöhnlichen hölzernen Gcräthschaften geschehen konnte, so pflegte man es den Göttern abzuborgen, welchen man dann spater einen Theil der eingcsa'minelten Früchte darbrachte, sowohl aus Dankbarkeit als um die hohen Mächte zu bewegen noch andere Schisse zu schicken, die noch mehr von jenem kostbaren Steine brächten. Doch viele Jahre vergingen, ehe jener Wunsch in Erfüllung ging und der entlegenen Insel außer dem erwünschten Eisen auch noch die gänzliche Umwälzung aller früheren Begriffe und Zustande — neue Sitten, neue Gebräuche, neue Kenntnisse, neue Thiere und Pflanzen, einen neuen Glauben aber auch neue Krankheiten und neue Kcime der Zerstörung zuführte. Ueber die Naturgeschichte der Cook's Gruppe sind unsere Nachrichten äußerst dürftig, denn keine der wissenschaftlichen Expeditionen nach der Südsee hat sie eines Besuchs gewürdigt und die einzige Quelle überhaupt, die ich über jene abgelegenen Inseln ausfindig machen tonnte, war Williams' X!N'!-ativc> ot kli^mnül-)? Niitt'rpr!8o«, ein Buch, welche? sich natürlich weit mehr mit der Verbreitung dcs Christenthums als mit geographischen Notizen oder mit der Thier- und Pflanzenwelt beschäftigt. Aus den Mittheilungen des ehrwürdigen Mannes geht hervor, daß die Gruppe aus sieben Inseln besteht, von welchen Hervey Island, Miu, Man-qaia und Aiwtaki von Cook, Rarotonga aber und die kleinen Coralleneilandr Mauke und Mitiaro von ihm selber entdeckt wurden. Die Hervey Insel, welche unverdienter Maßen der ganzen Gruppe ihren Namen gegeben hat, besteht eigentlich aus zwei kleinen Eilanden Matt uai und Auotu, — die von demselben Riff umschlossen sind. Sie wurde im Jahr 1823 von Williams besucht, der in der Erwartung eine zahlreiche Bevölkerung zu finden, dort einen tahitischen Lehrer anzusiedeln beabsichtigte, seinen Plan abcr aufgab, als er fand, daß das Völkchen in Folge mörderischer Kriege auf W Personen zusammengeschmolzen war. Sechs Jahre darauf wiederholte er seinen Besuch und fand, daß dieser elende Rest der früheren Bevölkerung so oft und so wüthend gefochten hatte, daß nur noch 5 Männer, 3 Frauen und einige Kinder am Leben blieben, und auch dann 344 noch dauerte der Hader über die große Frage fort: „wcr König des erbärmlichen Reiches sein sollte?" Es ist zu bedauern, daß wir keinen historischen Bericht über jene Kämpfe besitzen: wie viel Gloire mag da nicht in Ermangelung eines Moniteur's in Vergessenheit gerathen sein? Auch die früher zahlreichen Bevölkerungen von Mauke und Mitiaro waren durch den Krieg auf weniger als Z00 und IM Seelen gesunken. Atm, welches ungefähr 20 Seemeilen im Umkreise hat, ist ein herrliches grünes Hügelland, dessen Bevölkerung Williams auf weniger als 2000 schätzte. Noch großer und bevölkerter ist Mangaia, welches mit Atiu, Mauke und Mitiaro die Eigenthümlichkeit theilt, daß das umgebende Riff dicht anschließt und es also dort weder eine Einfahrt für Boote noch einen sicheren Ankerplatz für Schiffe gibt. Aitutaki dagegen besitzt ein Riff, welches weit vom Ufer aus sich erstreckt und an der Westseite eine gute Bootcinfahrt gewährt. Die hügelige 5msel mit landschaftlichen Schönheiten reichlich geschmückt, mißt 18 Seemeilen im Umfang und hat eine Bevölkerung, die Williams auf 2000 Seelen schätzte. Von der Größe und Bevölkerung von Rarotonga ist schon die Nede gewesen-, und so wie hier in den letzten Jahren die Menschenzahl auf weniger als die Hälfte zusammengeschmolzen ist, läßt sich befürchten, daß auch auf Atiu, Aitutaki und Mangaia die Volksmenge feit Williams' Besuchen sich bedeutend verringert hat. Atiu ist seiner großen prächtigen Höhlen wegen bemerkenswert!,), Williams besuchte die bedeutendste derselben, welche den Namen Taketake führt. Mit einigen einheimischen Wegweisern, die einen Vorvath von Reisern zur Beleuchtung mitnahmen, stieg er ungefähr zwanzig Fuß tief durch eine Felsentluft, an deren Ende sich ein majestätisches Portal eröffnete. Er trat in die Höhle, und verfolgte sie ungefähr eine englische Meile weit, wo nocb immer lein Ende derselben zu sehen war. Unzählige Gänge öffneten sich nach allen Seiten, untt'l welchen es viele gab, die drr durchwanderten Höhle an Höhe, Schönheit und Größe nicht nachzustehen schienen. DaS Gewölbe war reichlich mit Stalaktiten besetzt, die manchmal fast bis zum Boden reichten, oder den von unten aufwärtswachsenden Stalagmiten zu begegnen strebten. Der Glanz der krystallenen Wände vom Kicht der Fackeln in prismatischen Refler.en zurückgeworfen, erhöhte noch das Dunkel der in schwarze Finsterniß verschwindenden Räume. Gerne hätte Williams noch länger in diesen düstern Palästen 345 der Natur, dem Sitze der ewigen Einsamkeit und Stille verweilt, denn er sehnte sich die unterirdischen Wunder zu erforschen, auf welcben noch nie eines Menschen Ange verweilt hatte. Da aber die Fackeln bereits zu Ende gingen, mußte er sich mit der Untersuchung einer einzigen Höhle begnügen, deren Anblick ihn mit Verwunderung und Freude erfüllte. Die fantastischen Formen und funkelnden Kry-stalldruseu res Kalfsinters boten der Phantasie manche Achnlichkeiten mit den Verzierungen eines majestätischen Bauwerks dar, aber der Effect wurde nicht so sehr durch einzelne Gegenstände oder Gmppimngen derselben hervorgebracht als durch die Grbfze, Tiefe und labyrinthischc Verzweigung dieser unterirdischen Welt. Die feierliche Stille und erhabene Dunkelheit der Hohle erhöhten den Eindruck ihrer gewaltigen Ausdehnung. Hreiuudzuianzigstes Kapitel. Samoa. Sckönhcit des Landes. — Größe der Samoa Gruppe. — Die erloschenen Krattv von Opolou. — Der Tafua Krater. — Dcr Lanuto See. — Savaii. — Landschaftlicher Charakter von Opolou. — Mecrquellcn. — Höhle». — Manono. — Npolima. — Natürliche Festima. — Manua. - Tuluila. — Der Hafen Pago-pago. — Der Hafen von Apia. -^ ttlima dcr Sanioaaruppc. — Charakter der Vegetation. — Thiere. — GeMmtc Tauben. — Tie Samocr. — Ihre Vorzüge lind Fehler. — Vcttclei der Häuptlinge. -- KlmstfrttiaA'it. — Die I^llo-t^ie« oder Nersammlungshaustr. — Aristokratische Negicrnnsssform. — Der I'un« oder die berathende Versammlung der Häuptlinge. — Nana,ordmma,cn. - ssrieqe. — Waffen. — Religion. — Saqc von der Schöpfung. — Veariffi,' von einem künftigen Dasein. — Glaube an Vorbedeutungen. — Daö Luv,- Spiel. — I^fo-Iitu^l». — ^no-luu,. — I'lii-mllri. — Litia. — kcife. -^ Sanloa von Bougainville 1?llß entdeckt. — La Pcyrousc 1787. — Fr moidunss de<< ssapitüns De Langlc in der Itiliu llu IH»»Ll^c:rc:. — Späte Emsührmia, und rasche Verbreitung des Christenthums. — Jüngste Vorfalle auf Samoa. beizend ist die kleine tahitische Insclwclt, lieblich der Schmuck, den Flora ihr gewährt, ader noch reizender, noch lieblicher ist Samoa. Die Schönheit dcs Pflanzenwuchses auf Opolou erregte die Bewunderung D'Urville's, der nirgends eine solche Pracht der Vegetation gesehen, nicht einmal in 346 Neu-Seeland oder Neu-Guinea, die doch durch ihre herrlichen Waldungen so ausgezeichnet sind. Leichter zu durchwandern ist hier der Forst, denn untcr dem dichten Schatten der hohen Baumkronen wächst spärlicher das niedrige Gesträuch und Schlingwerk, welches so häufig den tropischen Urwald unwegsam macbt. Nine Menge schöner Tauben, langschwänziger Papageien, Picaflorcn und anderer buntgefiederten Vogelarten bringt Leben und Bewegung in dic Majestät des Haines und mildert dessen feierlichen Ernst. An manchen Stellen stürzen rauschende Wasserfalle über die Basaltblöcke herab und vollenden den Reiz dieser zugleich erhabenen und lieblichen Natur. Die Anzahl der verschiedenen Pflanzenarten ist bedeutender als auf Tahiti, so daß die durch ein fruchtbares Klima begünstigte Vegetation nicht nur üppiger gedeiht, sondern auch in mannichfaltigeren Formen erscheint. Cs gibt größere Ebenen und rie Berge sind im allgemeinen weniger steil, der Cultur wird also auch dereinst ein weiteres Areal zu Gebote stehen, wenn Kaffcegärten, Zuckcrfelder und Baumwollenplantagrn den Urwald verdrängen, der gegenwärtig fast die ganze Oberfläche des Lande? bedeckt. Die Samoa-Gruppe besteht aus vicr größcrn Inseln — Savai, Opolou, Tutuila, Manua — und mehreren Eilanden, unter welchen Manono und Apolima die bemerkenswerthesten sind. Der ganze Flächenraum beträgt ungefähr zwei und dreißig geogr. Quadratmeilen, übertrifft demnach um ein Drittel das Areal der Gesellschaftsgruppe, Sämmtliche Inseln bilden eine Reihe, die in westuordwestlicher Richtung fortläuft, und sind ohne allen Zweifel über einer der zahlreichen Spalten entstanden, welche Vulkan in unvordenklichen Zeiten im klaffenden Boden des großen Oceans gerissen hat. Sie bestehen, wie Tahiti, aus Basalten, basaltischen Laven und Tuffen, und zahlreiche erloschene Krater zeugen von den gewaltigen Nus-brüchen des inneren Feuers, die einst hier gewüthet haben. So wie auf dem länglichen Rücken des Hella sechs Krater sich aneinander reihen, so ziehen sich auch die zahlreichen erloschenen vulcanischen Schlünde von Opolou auf dem hohen Bergrücken der Insel in einer Linie fort. Doch wahrend in den isländischen Einöden die nackte Lava überall nur das einförmige, düstere Bild der Verwüstung darstellt, ist hier alles mit dcr üppigsten Vegetation bekleidet. Als Dana vom Rande des 2136 Fuß hohen Tafuakratcrs in dessen Schlund hinabblickte, lomttc sein Auge nirgends den Boden erreichen, da mächtige Waldbäume oft über hundert Fuß hoch ihn beschatteten und überall das Gestein unter einer dichten Pflanzendecke 347 verschwand. Obgleich Wollen fast stets über dem Gipfel der Berge lagern und der Regen sehr häufig in Strömen sich ergießt, fand er doch den Boden oes Kraters viel weniger schlammig als er erwartet hatte, da das poröse Gestein alsbald das Wasser verschluckt. Im Becken des 2576 hohen L a n u t o kraters dagegen, der hinter dem kleinen Hafenort Apia sich erhebt, hat sich ein kreisrunder See gebildet, etwa 2000 Fuß im Durchmesser und sehr regelmäßig von einem hundert Fuß hohen Felsenkranz umschlossen. Die größte Tiefe des Wassers beträgt 60 Fuß, an der -Nordwestseite verflachen sich die Ufer, während sie an der entgegengesetzten schroffer emporsteigen. Kein altes Kloster ragt, wie am ^aachersee, dicht über den Nand dieser friedlichen Gewässer empor; noch nie hat feierliches Glockengeläute die Stille dieser Bergeinsamkeit unterbrochen; doch wenn ihr der Reiz entgeht, den ehrwürdige Denkmäler von Menschenhand auch der herrlichsten Gegend hinzufügen, so hat sie dagegen vor unserm rheinischen Kratersee den prächtigen Waldwuchs voraus, dessen Schönheit erhöht wird durch die breiten Kronen der feingefiedertcn Baumfarne und die zierlichen Wedel der Bergpalmen. Die Dichter der Insel rühmen das ewig frische Grün, welches die Ufer dcs See's so anmuthig umkränzt, und die Klarheit seines Wassers, welches niemals von verwelktem ^aub verunreinigt wird. Nichtsdestoweniger haben die Eingebornen eine abergläubische Furcht vor dem See, da sie ihn für den Aufenthalt von bösen Geistern halten, die aalfürmig, so dick wie Palmen-stamme und mehrere Klafter lang, dessen Gewässer durchstreichen. Der Versuch der Amerikaner ihn zu untersuchen wurde für eine solche Verwegenheit gehalten, daß ihre Führer sie verließen, um nicht gleichfalls die Rache der Geister auf sich zu laden. Die Aale sollten so grimmig sein, daß sie eines Mannes Bein abzubeißen vermöchten; Dana fand jedoch ^tm See weder Aale, noch irgend andere Fische und kam vollständig ung'cbissen davon, wie so mancher, der es wagt dem Aberglauben eine kühne Stirn zu bieten. Savaii, die größte Insel der Gruppe, besteht eigentlich nur aus einem einzigen 8 Meilen langen und 2 bis 3 Meilen breiten vulkanischen Berge. Das Land steigt sehr allmälig von der See aufwärts und erreicht fast im Mittelpunkt der Insel feine größte Hdhc, die von Dana auf 6000 Fuß geschätzt wird. Viele kleine Kegel, die Ueberreste früherer Ausbrüche, bedecken die Abhänge des Berges, den an der Ostseite einige breite und tiefe Thäler durchfurchen. 348 Die unterirdischen Feuer, die einst auf der Inselreihe zum Ausbruch lamen, sind zuletzt auf Savaii erloschen, denn viele der Krater haben ein ziemlich junges Aussehen und ungeheuere Lavastrome von vcrhältnißmäßig geringem Alter tonneu auf der Oberfläche verfolgt werden. Mit Ausnahme dieser unfruchtbaren Felder ist die ganze Insel, so wie Dpolou, jedoch weniger dicht, mit einem einzigen großen Walde bedeckt, der nicht nur die Abhänge, sondern auch die kleinen parasitischen Kegel von innen und außen bekleidet. Bäche fehlen fast gänzlich wegen der porösen Natur des Gesteins, welches die fallenden Regengüsse verschluckt, die tiefer unten am Meeresufer als Quellen hervorsprudeln, wahrend auf Dpolou uud Tutuila - den Perlen der Gruppe — zahlreiche Bäche durch die Thäler und Schluchten herab-rauschen. Daher ist denn auch die Vegetation minder üppig auf Savaii, während auf den beiden letztgenannten Inseln durchaus kein offenes Weideland vorkommt und die am Meereßufer sich hinziehenden Cocos- und Bananenpflanzungen der Eingebornen unmittelbar an den Urwald stoßen. Dem Mangel an Flüssen ist es wahrscheinlich auch zuzuschreiben, daß keine größere Oeffuungen durch das äußere Korallennss führen, welches den größten Theil Savaii's umsäumt, und da auf diese Weise europäische Schiffe vom Verkehr mit der Insel ausgeschlossen sind, haben die ursprünglichen Sitten sich hier auch reiner erhalten. Die Vergabhängr Opolou's sind von ungleichartigem Character, Im mittleren Theil der länglichen und schmalen Insel, vorzüglich an der Nord-seitc, sind sie schroff und eckig, von tiefen Thälern durchfurcht oder steile Mauern bildend, von deren Zinnen zahlreiche kleine Nasserfälle wie Silber-faden hcrabrieseln. Hohe Felsenwändc steigen unmittelbar vom Meere empor uud bilden große, tief in's Land einschneidende Buchten oder Fiorde. Im westlichen und östlichen Theil der Insel hingegen sind die Abhänge flacher uud die Ufer saufter wellenförmig. Statt der langen vorspringenden Spitzen, die in zerrissene Felsen außgehcn, wird hier das Meer von niederen Ebenen begrenzt, die allmälig und fast unmerNich zum Bergrüclem emporsteigen. Auch fehlen fast gänzlich die zahlreichen Päche, welche den mittleren Theil der Insel durchschlängeln, . wegen des zrlligen Charakters des vulkanischen Gesteins und der vielen Höhlungen und Gange, die unter dem Boden sich fortziehen. Die verschlucktes Gewässer sprudeln auch hier als Quellen am Ufer hervor und bilden nicht selten große Becken, in wclchcn die Eingebornen das Vergnügen eines erfrischenden Vades genießen. Mehrere Bäche fließen 34!) eine Seit lang in den Bergen und versinken dann plötzlich in die Erde, um später erst im Meere wieder hervorzuquellen. Dieselbe Erscheinung kommt übrigens an vielen andern Küsten vor, überall, wo die Natur des Gesteins sie auf gleiche Weise begünstigt. Am englischen Gestade sieht man an mehreren Stellen das süße Wasser auf dem von der weichenden Fluth verlassenen Strande hervorsprudeln. Im Golf von Spezzia befindet fich eine bedeutende O-uelle-, eine andere im Hafen von Syracus, und Plinius erzählt, daß die Bewohner des alten Aradus ihr Trinkwasser von einem unterseeischen Brunnen erhielten, der fünfzig Klafter tief unter der bitteren Salzfluth aus dem Meeresboden floß. Unser unsterblicher Humboldt macht uns in seinen Ansichten der Nalur mit einer noch merkwürdigeren Quelle dieser Art bekannt, die 2 oder ^ Meilen von der südlichen Küste oon Cuba mit solcher Gewalt das darüber sich wälzende Salzwasser zertheilt, daß Boote, die der Stelle sich nähern, große Vorsicht anwenden müssen, um nicht von dem kochenden Sprudel überwältigt zu werden, und Handelsschiffe nicht selten den Ort aufsuchen, um seltsamer Weise mitten im Ocean sich mit einem Vorrath süßen Wassers zu versehen. Dort kommen merkwürdiger Weise auch Serkühe vor, die sonst nur an den Mündungen der südamerikanischen Flüsse oder weiter den Strom hinauf gefunden werden und deren Anwesenheit die Aufmerksamkeit der Seefahrer wohl zuerst auf jenes merkwürdige Phänomen gelenkt haben maq. Im westlichen Theile Opolou's ist der Boden dermaßen unterhöhlt, baß dumpfe Töne oft unter dem Fuß des Wanderers erklingen. Einer dieser unterirdischen Gänge hat, ungefähr anderthalb englische Meilen vom Meer, einen senkrechten Eingang, der wahrscheinlich durch das Einstürzen der Decke entstanden ist. Die Höhle bildet ein regelmäßiges 15 Fuß breites und 8 Fuß hohes Gewölbe, welches in südöstlicher Richtung siD nach der See hinabsenkt und 908 Fuß weit verfolgt werden kanu, wo das Wasser die Decke erreicht und aller ferneren Untersuchung ein Ende macht. Die Decke, die Wände und der Boden dieser Lavahöhle sind an manchen Stellen mit weißlichen oder gelblichweißen Incrustationen bedeckt, einer Bildung des durchsickernde» Wassers. Bergaufwärts laßt sich die Hohle ebenfalls, vom Eingänge aus, eine Strecke weit verfolgen. Sie dient zahlreichen Schwalben zum Blüteplatz und man sieht die Vogel beständig ein- und ausfliegen. Die aus Moos zusammengeleimten Nester bedecken alle Vorsprünge des Gewölbes. 350 Diese und alle ähnliche Hohlen scheinen eadurch entstanden zu sein, daß, nachdem die Außenrindc der von den Bergen herabfließendcn Lavaströme bereits abgekühlt und verhärtet war, der noch flüssige Einschluß seinen Weg weiter fortsetzte und auf diese Weise einen natürlichen Tunnel bildete. Aehn-liche vulkanische Grotten finden sich auch am Aetna, am Mauna Loa nnd andern feuerspeienden Bergen. Westwärts von Ovolou und von demselben Korallenriss umschlosseil liegt die kleine Insel Manono, die allmälig zu einer Centralhöhe von 400 Fuß emporsteigt. Sie bildet einen fortlaufenden Hain von einem Ende zum andern und ernährt eine zahlreiche Bevölkerung. Trotz ihres geringen Um-fanges hatte sie früher einen überwiegenden politischen Einfluß über die ganze Gruppe, den sie besonders brm Besitz der natürlichen Festung Avo lima verdankte, eines zwischen ihr und Savaii liegenden Felscnrilande?. Apolima ist offenbar ein erloschener Krater. Ringsherum steigt es senkrecht aus dem Meere, nur einen einzigen Punet an der Nordscite ausgenommen, wo der eingestürzte Kraterrand das Wasser in eine kleine Bucht einläßt, die einen sicheren Hafen gewährt. Der Eingang in dieses Becken läßt sich leicht gegen einen jeden feindlichen Angriff vertheidigen, denn er ist nur bei völliq ruhigem Meere gefahrlos nnd so schmal, daß nur eine einzige Piroge auf ein Mal einlaufen tann. Von diesem inneren Hafen steigen die Ufer unter einem ziemlich steilen Winkel bis zum Rande des Kessels empor, der an der Südseite sich 47^ Fuß über dem Meeresspiegel erhebt. Die senkrechten rer Brandung zugewandten Klippen an der Außenseite sind natürlich ohne alle Vegetation, sonst ist das ganze Eiland mit Coeos-, Brodfrucht- und andern Bäumen, oder mit Taro- und Ignamen-Pflanzungen bedeckt. Nach dieser Beschreibung wird man leicht einsehen, welche Vortheile den Insulanern von Manono eine solche uneinnehmbare Feste gewährte, wo sie in Zeiten der Noth eine sichere Zuflucht fanden, und aus welcher sie dann später, wenn die Wuth des Feindes sich gelegt hatte, oder Zwietracht und Unentschlossenheit ihn schwächten, mit unverminderter Kraft wieder hervorbrechen konnten. Die Insel Manua hat die Form eines regelmäßigen DomcS und steigt an den meisten Stellen senkrecht aus dem Wasser biß zur Höhe von !W0 oder 400 Fuß, worauf bis zum 2500 Fuß hohen Gipfel die Erhebung des Landes sanfter und ebener erscheint. Die Insel hat 16 Seemeilen im Um kreise und ist mit einer üppigen Vegetation geschmückt. In der Nähe be finden sich die kleinen Eilande Ofou und Dlosinga. Letztere ist eigentlich nur 35! ein schmaler Felsenrand, etwa eine halbe Meile lang, mit fast senkrecht aufsteigenden Wänden. Der ungefähr 500 Ellen breite bewohnbare Randstreifen ist dicht mit Cocosnuß- und Brodfruchtbäumen bewachsen Tutuila, dessen höchster Gipfel sich 2,'127 Fuß über den Meeresspiegel erhebt, bietet dieselben allgemeinen Züge wie Tahiti, aber in einem geringeren Maßstabe dar. Die schöne Insel ist etwa siebzehn Meilen lang und mißt fünf Seemeilen iu ihrer glitten Breite. Die Bergrücken des Hochlandes sind steil scharfkantig und steigeu oft in senkrechten, 300 bis 400 Fuß hohen Mauern aus deu Fluchen empor. Ueber diese Wände hinaus ist die Oberfläche des Bandes bis zu den höchsten Gipfeln mit einer prachtvollen Vegetation bedeckt, deren üppiger Wachsthum durch die zahlreichen Bäche begünstigt wird, die überall von den Bergen herab rieseln. Dort, wo die Thäler ausmünden, hat sich gewöhnlich ein außerordentlich fruchtbares Flachland gebildet, welches zuweilen fast drei Meilen weit landeinwärts sich erstreckt ehe es den Fuß des Hochgebirges erreicht. Die Insel hat viele gute Häfen und Buchten an der Nordseite. wo die einlaufenden Schisse einen Vorrath an Holz, Wasser und Lebensmitteln einnehmen können. Der beste und sicherste Hafeu jedoch >st der von Pago-pago an der Südseite, der sich so tief in's Innere erstreckt, daß er die Insel fast durchschneidet. Wilkes schildert uns die Bucht als eine der mertwür-digsten von ganz Polynesien. Die Küste in der Nähe hat ein besonders schroffes Aufsehen, ohne Spur von Einschnitten, und dcr schmale Eingang is> nicht leicht zu erkennen, so daß man hier am allerwenigsten einen Zufluchts ort für Schiffe erwarten sollte. Ist man jedoch durch den engen Halö ge drungen, so erweitert sich das Binnenwasser in Form einer rcchtwinklich ge krümmten Retorte. Unzugängliche Steilmauern, 800 bis 1000 Fuß hoch, unten kahl und höher hinauf üppig bewachsen, umschließen von allen Seiten die Bucht, deren schmaler Flachrand mit schonen Pflanzungen und schlanke» koeoshainen bedeckt, eine ziemlich zahlreiche Bevölkerung ernährt und auch fremde Schisse mit ^ebensmittelu versorgt. Doch wird Pago-pago weniger von den Walfängern besucht, als Apia an der Nordküste von Opolou. den» obgleich äußerst leicht zugänglich, hält es außerordentlich schwer, den Hafen zu verlassen wegen des Südostpassats, der geradezu in den Eingang bläst, so daß ein Schiff oft erst nach viclstündigem Lavircn wieder in die offene See zu stechen vermag. Während dcr nach Apia steuernde Seefahrer längs der Küste der schönen Insel hinfährt, erfreut er sich einer reizenden Reihen 952 folge von lieblichen Buchten nnd volkreichen Dörfern. Diese sind gewöhnlich aus den vorspringenden Landzungen erbaut, von prächtigen Cvcoshainen umgeben und häufig von klaren Bächen durchrieselt, die nicht selten von den benachbarten Bergen als rauschende Wasserfalle sich herabstürzen. Die vom Strande aus sanft aufsteigenden Bergabhänge sind überall eulturfähig, wodurch Opolou einen großen für die Zukunft viel versprechenden Vorzug vor Tahiti crhalt, welches dem Anbau nur einen oerhältnißmäßig schmalen Nler-rand und einzelne Thalgrünbe darbietet, während das steil aufsteigende Binnenland der Cultur stets die größten Hindernisse entgegensetzen voer den Anbau wohl gar völlig unmöglich machen wird. Das Klima der Samoa-Gruppe ist veränderlich und das Wetter oft unfreundlich, besonders in den Wintermonaten, wo gewaltige Regengüsse herabströmen. Auch kommen mitunter verheerende Oltanc vor, welche die Brodfruchtbaumc zerstören, die hohen Cocospalmen entwurzeln und die einfachen Hütten zertrümmern. Die Luft ist feuchter und die mittlere Temperatur wärmer als auf den Gesellschaftsinseln, wodurch eine noch üppigere Vegetation erzeugt wird. Auf Ovolou scheinen die Wälder dunkler belaubt als in Brasilien. Die Bäume verzweigen sich erst in der Nähe des Gipfels, wodurch die Nachforschungen der Botaniker erschwert werden. Die Stamme und sogar die Kronen sind oft bis zu den Endzweigen mit einem dichten Polster von Pfefter-arten, Flagellarien und anderen Schlingpflanzen bedeckt, und zahlreiche Farne und Pothosgcwächse umkleiden den Fuß der Waldriesen. Bunte Blumen werden fast überall in diesen Urforsten vermißt, die meisten Blüthen sind weiß oder haben eine grauliche Färbung, wahrscheinlich weil die Sonnenstrahlen das dichte Laubdach nur selten zu durchbrechen vermögen. Unter den Bäumen zieht eine Banianenart, von den Oingebornen Ohwa genannt (I^cl>6 i'^lixi«^) vorzüglich die Aufmerksamkeit des Reisenden auf sich. Man findet Exemplare, deren Luftwurzeln zu lausenden von einem Zoll bis zu zwei Fuß im Durchmesser sich in den Boden senken, sich in einer HÜhe von mehr als 80 Fuß zum Hauptstamm vereinigen und ein ungeheures Dach von horizontalen Aestcu tragen, welches schmnartig sich über die Gipfel der andern Bäume ausbreitet. Zu den bemerkenswerthesten Gewächsen gehören auch noch eine Cerbcraart mit prachtvollen Trauben weißer wohlriechender Blüthen, aus deren klebrigem Saft vielleicht Caoutchouc zu gewinnen wäre, und eine Urticee, vor welcher die Eingcoovnen eine große Fürcht hegen, da 35:; das Berühren der ätzenden Blätter einen schmerzhaften Ausschlag hervorbringt, besonders wenn die Haut feucht war. Dieses Gewächs kommt nicht auf Tahiti vor. Bambusen und das wilde Zuckerrohr sind sehr häufig; letzteres wird zum Dachdecken benutzt. Auch der wilde Ingwer wächst überall in den Wäldern. Die Baumfarren sind nicht so zahlreich als auf Tahiti, erreichen aber eine bedeutendere Größe. Das verschiedenartige Laub der Palmen ertheilt der Landschaft einen üppigen Charakter, und hundert Fuß lange Rottange (^iag-oii^ien) durchschlängeln die hohen Baumkronen. Zwei verschiedene Arten des wilden Muskatnußbaumes kommen vor und erregen die Aufmerksamkeit durch ihre in regelmäßigen Abständen quirlfvrmig hervorwachsenden Aeste. Im Ganzen nähert sich der Charakter der Vegetation mehr dem ostindischen als dem der Gesellschaftsinseln, und die blätterlosen Akacien erinnern an NeU'Holland. Angebaut werden-, die Brodfrucht, von der es mehr als zwanzig Spielarten gibt; die Cocospalme, der Tibamn (I>>:l«!«>na), überhaupt alle Kulturpflanzen, die bereits bei der Beschreibung Tahitis erwähnt worden sind. Die Orangen und Citronen sind von vorzüglicher Güte und versprechen ein bedeutender Ausfuhrartikel zu werden. Auch bemühen sick die Missionare die Cultur des Zuckerrohrs einzuführen. Außer den kosmopolitischen Ratten und einem großen fliegenden Hunde (?toropus r<,!ü<>o1il«), der den Biodfrüchten sehr nachstellt, gibt es auf Samoa keine ursprünglich einheimischen Säugethiere. Schweine und Rinder sind jetzt im Ueberfluß vorhanden und versorgen reichlich die einlaufenden Schiffe. Auch das Pferd ist neuerdings auf Opolou eingeführt worden. Die Taube wird als heilig angesehen und nicht als Speise benutzt. Merkwürdig ist es, daß von den zahlreichen Spielarten dieses Vogels keine unter den auf Tahiti vorkommenden Varietäten sich wiederfindet. Den Häuptlingen dienen die Tauben zum beliebten Zeitvertreib, indem man sie mit einem etwa zwölf Fuß langen Bindfaden an einen Stock befestigt. Man lehrt sie vom Stocke wegfliegen und wieder darauf zurückkehren und eine gut eingeschulte Taube wird vom Eigenthümer mit demselben Wohlgefallen zur Schau gestellt, wie etwa bei uns ein mit überflüssiger Zeit versehener Junker oder Student am Lobe sich ergötzt, welches den Künsten seines vortrefflich abgerichteten Pudels gespendet wird. H>il!» ssl»i>ili vcc>t<>« t>iloda, die auf einein dünnen Stäbchen aufgespießt, der Reihe nach abgebrannt wurden. Die Betrachtung eines solchen Gebäudes konnte nicht anders als eine höchst vortheilhaftc Meinung vom Fleiß und von der Kunstfertigkeit der Samorr erwecken, und es ist gewiß zu bedauern, daß durch den wachsenden Einfluß der Weißen, der überall in Polynesien die alten Sitten, Gebräuche und Induslriecn verdrängt, auch de» ursprüngliche meisterhafte Pirogen- und Häuserbau zu Grunde, geht. Die Inseln der Samoa Gruppe werden nicht von Königen regiert, sondern von einer hohen Aristokratie erblicher Häuptlinge, deren Versammlung oder so no, den Gang der öffentlichen Angelegenheiten bestimmt. Nach den großen vornehmen Familien folgen im Range die lleinen Dorfhäupt« linge, und auf diese d,ic tutllwl<>» oder geringeren Grundbesitzer — eine Classe die zwischen dem Adel und dem Polte steht, großen Einfluß besitzt, mit ihrem Rath den Häuptlingen an die Hand geht und deren Befehle vollstreckt. Das gemeine niedriggeborenc Volk hat als Classe keinen besondern Namen, und wenn ein Vornehmer davon spricht, ist es stets nur mit einem verächtlichen Beiwort. Der Stolz der Geburt verband sich übrigens mit dem schonen Grundsatz, dem einzigen, der ihn allenfalls rechtfertigen konnte, den Ruhm der Vorfahren von allem Malel frei zu erhalten, und unbefleckt den Nachkommen zu überliefern. Diege pflegten sehr häufig auf Samoa zu'herrsche», wie e8 bei dem Mangel einer mächtigen Centralgcwalt nicht anders zu erwarten stand. Sie wurden mit derselben Wuth, derselben Grausamkeit wie auf Tahiti und den andern Gruppen geführt, und die Besiegten mußten vom Olo oder der Bergfeste, wohin sie, um sich vor del günzlichen Vernichtung zu retten, geflüchtet 358 waren, ihre Häuser in Flammen aufgehen, und ihre Cocos- und Brodfruchthaine verwüstet sehen. Die Waffen bestanden aus Lanzen und Keulen vom harten Casuarinenholz. Erstere waren mit Spitzen aus Nochenstacheln versehen, von welchen eß hieß, daß wenn sie in der Wunde abbrachen, der Tod unvermeidlich war. Des Bogens und verschiedenartiger zugespitzter oder kleiner abgestumpfter Pfeile bediente man sich nur um allenfalls einen fliegenden Hund von einem Fruchtbaum herabzuschießen oder eine Taube betäubt zur Erde zu bringen, ohne sie zu tödlen. So wie die schöne Helena die Veranlassung zum ersten Kriege gab, den die Dichtkunst besang, so verdankten'auch die Fehden auf Samoa nicht felten ihren Ursprung einer ihrem Gemahl entlaufencn oder entführten Dame. Es kam znweilen vor, daß in Folge häuslicher Uneinigkeit Frauen mit Hülfe zweier hohlen Coeosnüsse von Opolou nach Savaii schwammen — was noch mehr heißen will, als wie Leander oder Byron über den Hellespont zu setzen. Pickering erzählt uns von einer solchen Schwimmerin die drei Tage im Wasser blieb. Die Samoer erkannten einen Hauptgott Tangaloa, doch huldigten sie ihm weit weniger als ihren Kriegsgbttcrn Tamafarga, Sinleo und Ona-fanua. Der erste schürte die Kriegsflammc an, der zweite führte die Streiter in's Gefecht, der dritte ermuthigtc sie während der Schlacht. So sehen wir das hellenische Kleeblatt Eris, Mars und Bellona unter andern Namen über Samoa herrschen. MaiM war der Gott der Erdbeben und so wie sein griechischer Vetter Vulkan mit einem Beine hinkte, so hatte dieser Ma-fui5 nur einen Arm. Wenn die Erde von unterirdischen Stößen erschüttert wuvde, was noch immer auf den Inseln vorkommt, obgleich lein Fall bekannt ist, daß die Stöße Schaden angerichtet hätten', so riefen die Eingebornen aus: „Großen Dank, daß Mafui«' nur einen Nrm besitzt, denn hätte er deren zwei, so würde er das Vand aus einander schütteln." Der Gott Safu stützte die Erde und von Mesua, Faana, Tinitini und ^amamau den Göttern des Blitzes, des Regens und des Orkans hieß es, daß sie ihren Wohnsitz auf einer nach Westen liegenden Insel hätten, da von jener Richtung das schlechte Wetter nach Samoa kommt. Außerdem gab es noch eine Menge kleiner Götter, so daß der samoische Olymp wic der polynesische überhaupt nicht miuder reich bevölkert war, als der des alten Griechenlands. Den verschiedenen Gottheiten waren besondere Vierfüßer, Reptilien, Fische und Vogel gewidmet, so wie der stolze Pfau der herrischen 359 Juno oder die nachdenkliche Eule der weisen Minerva. In einigen Distrikten wurden auch leblose Gegenstände verehrt, unter andern die behauenen Steinoder Holzblöcke, die dem Andenken der angesehensten Häuptlinge geweiht waren. Die samoische Sage von der Schöpfung ist merkwürdig genug, um an« geführt zn werden, und unterscheidet sich wesentlich von der Vosmogonie der westlicheren Gruppen, nach welcher die Länder an einer Angel aus dem Abgrunde des Meeres herausgefischt wurden. Tangaloa, der große Gott der im Himmel wohnt, schickte den Vogel Tuli, eine Art Schnepfe, seine Tochter herab, um zu sehen, wie es dort unten zugehe. Sie brachte die Nachricht zurück, daß sie nichts als das Meer gefunden habe. Hierauf rollte Tangaloa einen Stein vom Himmel herab, der Savaii bildete; einen andern, aus welchem Opolou entstand, und so fort bis endlich die ganze Inselgruppe au8 den Mceresfluthen sich erhob. Dicses genügte jedoch nicht dem Vogel Tuli, der wiederum zum Vater hinausflog, und ihn um Bewohner für die ncugebildeten Länder bat. Hierauf befahl Tangaloa den wilden t'uv-llie Strauch zu pflanzen, ihn später auszureißen und auf einen Haufen zu Werfen, woraus die Würmer entstanden. Diesen wurden dann später durch Tuli Geister einverleibt, so daß sie zu Mann und Weib sich herausbildeten. So fanden die alten semitischen oder orientalischen Sagen von dcr Entstehung des Menschen ihren Wicdn'hall auf den weit entfernten Inseln des großen Oceans. Die Begriffe vv» einem künftigen Dasein waren, wie sich's nicht anders erwarten läßt, höchst dunkel und unbestimmt. Das Elysium der Häuptlinge befand sich auf Bulotu, eineGwestlichcu Insel, dem Wohnort der Götter, die inic allen Vorzügen und Reizen geschmückt war, welche die Phantasie auch sonstwo dem Aufenthalt der Seligen andichtet. Es herrschte eine große Furcht vor den Aitus, den Geistern der Abgeschiedenen, die zu nächtlicher Weile um ihre früheren Wohnsitze umherirren sollten, so daß kein Samoer sich nach Sonnenuntergang herauswagte, ohne eine brennende Fackel zu tragen. Wie auf den übrigen Gruppen glaubte man auch hier an gute und schlechte Vorbedeutungen. Wenn der schwarze Storch oder Matu vor einem Kriegcrzuge in derselben Richtung hcrsiog, galt es für ein Zeichen des Gelingens, im entgegengesetzten Fall mußte man sich auf Unglück gefaßt machen. 3W Ein verschleierter Mond, eine besonders helle Sternennacht, ein Comet bedeuteten stets den Tod eines Häuptlings, und der friedliche Regenbogen oer Bibel galt hier als Zeichen des Krieges. Das Gcqmet der Ratzen war von ungünstiger Vorbedeutung und wenn ein Mitglied einer Reisegesellschaft unglücklicher Weise nieste, kehrte man augenblicklich wieder um. Die sanfte wohlklingende Sprache der Samoer ist der einzige polyne-sische Dialect, in welchem das « vorkommt, doch genügten den Missionaren vierzehn Buchstaben um alle Laute dieser Mundart schriftlich zu bezeichnen. Wenn die Samoer die Worte einer andern Sprache aussprechen wollen, so sagen sie l. für li, 5 für ll und 1' für K. Das tt wird durch rie Nase gesprochen. Das Samoische hat fast dieselbe Construction wie das Tahi-tische, doch wird es von den Eingebornen der Gescllschaftsinseln nicht leicht verstanden, auch sollen diese es nie gut sprechen lernen, weil, wie die Samoer behaupten, „ihre Kinnladen zu steif sind." Es läßt sich erwarten, daß ei» kräftiges lebenslustiges Volk, dem die freigebige Natur und die glückliche Milde eines sonnigen Himmels die saure Arbeit des Nordländers gro'ßtcittheils erspart, einen bedeutenden Theil seiner Zeit den geselligen Vergnügungen widmen werde. Wie die Tahitier brachte anch der Samoer manche Nächte mit Singen und Tanzen zu, und widmete wie jener die meisten Stunden des Tages dem erfrischenden Bade, dem angenehmen Schlafe nach der Mittagsmahlzeit oder verschiedenartigen Spielen, bei welchen auf leichte gefällige Weise die Zeit verging. Tanz und Musik sind großtenthrils seit Einführung des Christenthums verschwunden, doch mögen die nrspHnglichen Spiele noch immer fortbestehen, da sie nicht wie jene einen unsittlichen Charakter haben, oder mit den altheidnischen Begriffen eng verflochten sind. Das beliebte I.npc Spiel ist dem Mourro, dem gewöhnlichen Zeitvertreib des gemeinen Provrn?alcn und Italieners auffallend ähnlich. Es wird von zwei Personen gespielt, die sich gegenüber sitzen. Der eine hält seinem Gegner die geballte Faust vor, und streckt dann schnell eine beliebige Anzahl Finger aus, zugleich mit dem Rücken der Hand auf die Matte schlagend. Wenn der Gegner nicht augenblicklich dieselbe Anzahl Finger vorzeigt, verliert er einen Stich, und zehn Stiche entscheiden das Spiel. „ ^Äl0'iitl>l>a wird gleichfalls von zwci Personen gespielt, die einige fünfzig Bohnen der M>ny«a l-^äon8 vor sich liegen haben. Jeder nimmt 361 vier dieser Bohnen wirft sie in die Luft und sucht sie auf dem Rücken der Hand aufzufangen. Wer die ersten hundert aufsäugt hat gewonnen. ^^nc-slia wird von fünf oder sechs Personen gespielt. Acht Orangen werden schnell nach einander in die Vnft geworfen, und durch Wiederauf-fangeu uud Wiedcrcmporwcrfen in beständiger Bewegung erhalten. Wer dreimal einen Ball fallen laßt, hat verloren. Das beliebte ^ui-muri wird ebenfalls von einer größeren Anzahl Per-sonrn gespielt. Sie setzen sich in einen Kreis und theilen sich in zwei Parteien. Eine Orange hängt an einem Bindfaden mitten im Kreise, un^ gcfähr zwei Fuß oon der Erde uud jeder Spieler ist mit eiurm kleinen zugespitzten Stäbchen versehen. Die Orange wird im Kreis hcrumgeschwungen, und so wie sie an ihm vorbeigeht, sucht nun jeder sie mit seinem Stäbchen zu durchbohren, dieser mit Ungestüm, jener mit schlauer Kaltblütigkeit, zur großen Belustigung dcr Mitspielenden. Dir Partei gewinnt, der es zuerst gelingt die Orange fünfzig Mal zu treffen. Man spirlt am gewöhnlichsten für ein gebratenes Schwein, an dessen Genuß nach vollendetem Spiele auch die verlierende Partei Theil nimmt. Wie schon, wenn der grüne Tisch unserer Spielhöllen am Rhein durch einen solchen unschuldigen Zeitvertreib verdrängt würde, wenn die Herren Blaue oder Bcnazet statt ihre Schafe zu schecrcn sich mit ihnen zum Orangenstechen niedersetzten — und das Spiel danu nicht mit Verzweiflung und Selbstmord, sondern mit Trüffeln und Champagner endigte. Auch das I^itia Spiel könnte zur Belustigung unserer Badegesellschaften in Vorschlag gebracht werden. Ganze Dörfcr nehmen daran Theil. Zwei Parteien versorgen sich mit leichten Stäben des 1l!d!,^l>5 till.io«»^, ungefähr 10 Fuß lang und so dick wie der Finger. Man stellt sich in einer Reihe auf, sucht die leichten Speere so weit wie möglich zu werfen, und die Partei, welche fünfzig Mal die besten Würfe macht, hat gesiegt. Die gewöhnliche Wurfweite beträgt an die ^0 Ellen, und man begreift kaum wie die leichten Spieße so weit reichen können. Ein allgemeines Fest beendigt den Wettstreit, dessen Kosten zwar von den Besiegten getragen werden, au welchem sie aber auch als Mitgcnießende Theil nehmen. l^ll'^ ist ein vornehmes, den Häuptlingen vorbehaltenes Spiel. Vier Personen sitzen an dcn Eckm einer 10 oder 12 Fuß langen Matte, in deren Mitte cinc andere tlcinc viereckige Matte liegt. Die Zwei an den entgegengesetzten Ecken machen gemeinschaftliche Sache, und jede Partei ist mit fünf 362 kreisrunden, schön polirten und geschnitzten Stücken von Cocosnußschalen versehen, von 2 Zoll im Durchmesser bis zur Größe einer halben Nuß. Der erste Spieler legt sein kleinstes Stück auf die kleine Matte, worauf sein Gegner dasselbe durch einen glücklichen Wurf zu verdrängen und sein Stück an die Stelle zu bringen sucht. Die Partei, welcher dieses zuerst hundert Mal gelingt, hat die Ehre des Sieges. Scheingefechte mit Keulen und Wettstreite im Ringen, jetzt wahrscheinlich durch das Christenthum verdrängt, fanden häusig Statt und endigten oft mit Änochenbrüchen und eingeschlagenen Zähnen. Die Männer trugen früher ihr Haar lang, schön gekämmt und in einen Knoten auf dem Scheitel gebunden: die Frauen umrandeten ihre Locken mit Blumenkränzen wie auf Tahiti, gegenwärtig jedoch tragen beide Geschlechter das Haar furz geschoren, denn die lieblichen Geschenke der Flora finden wenig Beifall bei den strengen Missionaren. Der östliche Theil der Samoa Gruppe wurde bekanntlich von Bou-gainville im Jahre 1768 entdeckt. Am 3. Mai sah der französische Welt-umsegler in der Morgendämmerung die Gipfel von Manua aus dem tiefblauen Ocean emporsteigen, segelte am 4. längs der Rordtustc dieser Insel und der kleinen Nachbareilande Olosinga und Ofou in westlicher Richtung fort und crblicktc noch vor Sonnenuntergang die hohen Bergspitzen von Tutuila, welches sich ihm am folgenden Tage aus geringer Entfernung als eine reizende, dichtbewaldete und valmenumgürtcte Insel darstellte. Dic Südliche von Dpolou wurde am l>. mehrmals aus der Ferne gesehen, doch ein dichter Nebel, der Nachmittags emporstieg und den ganzen folgenden Tag andauerte, verschleierte sic von nun an seinem Blicke. Nirgends versuchte rr zu landen, denn überall schlug eine hohe Brandung an's Ufer, doch näherten sich ihm mehrere Pirogen der Insulaner, von denen jedoch keiner sich an Bord wagte. Yamswurzeln, Cocosnüfse, Tapatuch, aber viel weniger schön als das tahitischc; schlechte Angelhaken aus Perlmutter verfertigt, einige Matten, und l» Fuß lange Lanzen aus einem harten Holze wurden gegen kleine Stücke rothen Tuchs vertauscht, welches diese Wilden den in Tahiti so beliebten Nägeln, Messern und Ohrhängcn vorzogen. So wie der spielende Delphin ein Schiff in vollem Laufe umkreist, segelten die Pirogen um Bougainville's Fregatte herum, der, diese nautische Geschicklichkeit bewundernd, der ncuentdecktcn, nur flüchtig beschauten Gruppe den Nmnen der Schifferinftln gab. 363 Neunzehn Jahre später (1787) wurden sie von La Peyrouse genauer untersucht und durch ein entsetzliches Blutbad berüchtigt. Der Capita» De Langle, der mit 63 wohlbewaffnetrn Männern in einer Bucht auf Tutuila — sie wurde später lialo äu Un58a«!c „Bucht des Gemetzels" genannt — gelandet war, um Nasser einzuholen, wurde nämlich unvermuthet von den Emgebornen, die sich anscheinend freundlich am Ufer versammelt hatten, überfallen. Mit genauer Noth rettete sich ein Theil der Mannschaft in die Boote, doch De Langte selbst, der Naturforscher Lamanon und zehn Matrosen verloren das Leben. Vergebens hatte La Peylvuse vor der Gefahr gewarnt, sich außer Schußweite der Fregatten unter ein Volk zu wagen, welche bereits Proben seiner trotzigen Verwegenheit abgelegt hatte, und stolz auf seine physische Kraft auf die weißen Pygmäen herabbliclte. „Ich bin tausendmal erzürnter", schreibt der Seefahrer, „über unsere Philosophen, welche die Wilden herausstreichen als über die Wilden selbst. Noch am Vorabende seines Todes sagte mir der unglückliche Lamanon, daß „sie besser seien als wir". Uebrigens soll nach den Berichten der Eingebornen ein Diebstahl an Bord der Boote, welcher sofort durch Waffengewalt bestraft wurde, das Blutbad hcrvorgenlfen Habcn,,au3 Rache gegen einen Angriff, den man für ungerecht hielt. Nach diesem unglücklichen (Ereignis; blieben die Inseln lange von allem wissenschaftlich gebildeten Neisendcn unbcsucht, so daß D'UrviUe 18^8 sich rühmen lonnte, einen Boden zu betreten, auf welchem noch tein Naturforscher Früchte geerntet. Um so häufiger wurden aber schon damals die Häfen von Apia und Pago-pago von den Walfängern besucht, die in die-scm ^ande de? Ueberslusscs zu geringen Preisen sich mit frischen ^cbens-mitteln, Holz und Wasser für die Fortsetzung, ihrer Streifzüge zu versorgen pflegten. Das Christenthum wurde erst spät in den dreißiger Jahren nach Samoa verpflanzt, fand aber um so leichteren Eingang, da die Insulaner merkwürdiger Wcise kcinen eigentlichen Gottesdienst besaßen, leine Tempel, keine Altäre, keine Priester, die dessen Verbreitung sich widersetzten. An Gottheiten fehlte es ihnrn übrigens nicht, wie wir bereits wissen, außer welchen jcder Häuptling seine besonderen Aitus oder Geister verehrte. Als solche wurden von Anfang an die weißen Männer angesehen, und auch dieser Umstand trug nicht wenig zum Erfolge der Missionare bei. die sogleich den Schutz der vornehmsten Häuptlinge genossen, und keine Beleidigung, leine 364 Verfolgung zu erdulden hatten. Nachdem ihnen einige Lehrer aus Tahiti den Weg gebahnt, landeten die ersten englischen Missionare im Jahre 1834 oder 1535 auf Opolou-, und als Wittes 1839 die Inseln besuchte, deren Gcsammtbevollerung auf W,000 Seelen geschätzt wurde, zählte der neue Glaube bereits 14,850 Bckenner. Eilf Missionare und 138 volynesischc Lehrer waren über die Gruppe vertheilt. Eine Druckerpreffe arbeitete auf Opolou und die Schulen wurden von 12,300 Zöglingen besucht. Die Wißbegierde WM so allgemein, daß mau alte grauhaarige Männer sah, die über das Alphabet sich den Kopf zerbrachen oder von dcu jüngsten der Fa^ milie sich belehren ließen. — Von allen europäischen Artikeln wurde Schreib« Papier am meisten verlangt, ein merkwürdiger Umstand bei einem Volke,' welches noch nicht einmal den Gebrauch der Münze kannte. Nach der Besetzung Tahiti's durch die Frauzosen wurde Samoa zur Hauptstation der Londoner Missionsgcsrllschaft', dort versah auch der aus Papeiti vertriebene und viel besprochene Pritchard Jahre lang das Amt eine? britischen Consuls. Seit 1849 besitzen die Eingebornrn eine im eigenen Lande gedruckte Uebersrtzung des neuen Testaments und mehrerer Bücher deß alten. Es erschien damals schon eine Zeitschrift, „der Samoa Reporter", die in ethnographischer Beziehung manches Interessante darbot. Später brach zwischen der christlichen Partei und den sogenannten Teufelsatthängern (c^vil'5 pai-t)') ein Krieg aus, der aber im April 1853 mit dem Siege der ersteren endete — so daß wahrscheinlich gegenwärtig das ganze Volk sich zum Evangelium bekennt. Im Samoa Reporter vom Jahre 1854 wird die Bevölkerung der Gruppe auf 33,901 Seelen angegeben, so daß auch hier die Entvölkerung, wenn auch nur langsam, um sich greift. In Apia waren etwa 00 Weiße ansässig und eben so viele andere über die Gruppe zerstreut. Man zählte 177 protestantische Kapellen, 170 Wochenlind 147 Sonntagsschulen. Außerdem waren 7 Kapellen für etwa 500 Katholiken errichtet. In jenem Jahre ereignete sich ein Vorfall, der auf die Mäßigung der Seemächte den schwächeren Völkern gegenüber eben kein sehr günstiges Licht wirft. Van Kamp, ein amerikanischer Handelsmann, verl mgte vergebens von den Häuptlingen 36 Dollars Schadenersatz für eine Kuh, ein Schwein und einige entwendete Bretter. Hierauf drohte der Eommodore Mcrvin von der „Independanee" Apia zu beschießen, benahm sich auf's brutalste und machte nach der Bezahlung noch allerlei kleinliche Ehicancn. 365 Es blieb den „Wilden" nichts übrig als der Gewalt zu weichen, doch sandten sie eine Schrift an den Präsidenten der Vereinigten Staaten, worin sie erklärten, daß sie civilisirt genug seien zn wissen, daß, obgleich in ihrem vollen Rechte, sie sich doch einem Nriegöschiffc hätten fügen müssen. PimmdzwmiWstts Kapitel. Tonga. Die il-avao (Gruppe. - Tie mnürürdige HunZa Höhle. — Die Hapai Gruppe. — Vifuka. — Der Vulkan vo>^ Tnfoa. — Tonga-üibou oder das heilige Tonga. — Anblick der Insel. — Küstenbildung. — Riesiger, historisch mnNvürdiger Feigenbaum. —- ^ua. — DerPylstaertfclsen. — Klima. -- Nenvüstung von Ninargura durch ein ^rrbebcn. ^ Die Tonqaner. — Ihr Charakter. — Nanguntcrschiedc. — Der Tui-tonga. — Die Familie Fata-fai und Toubo. — Häuptlinge. — Die Mataboulcn. — Die Monas. — Die Tuahs. - Feierliches Zeremoniell beim Kava trinke!,. — Tongauische Schöpfungsgeschichte. -- „Die Insel der Seligen". — Schicksal einer dorthin verschlagenen Pircgc. — Die Priester. — MeuschÜcbc Opfer. — Furchtbare Sclkstquälereien kci Begräbnissen. — Abhauen der Fingerglicdcr. — Das Tow-tow Fest. — Tongnnische Satüinalicn. — Verkehr mit den Fidschi Insel». — Pirogen-ünd Huttenbau. — Die Mausoleen rir Tui-tongas. — Seltsames Urmonmnent. — Kriegszüge und Reisen der Tonganer. — Vogelschießen, — Nattcnj.igd. — Lockvögel, — Taubenfang mit Netzen. ^ Geschickter Bonitenfang. ^ Spiele. — Slcintragen auf dem Mcngrunvc. — Entdeckung Tonga tabou's dmch Taöiuan iljZH. — Look. — Maurelle. — Vligh. ^ Ermordung der Missionare. — Bekehrung Toubo's. — D Urville 1K27-18W. - Tahofa „King Gcorgc". - Dessen Thnttraft und Beredsamkeit. — Krieg auf Tonga. — Kmg George, Herrscher des ganzen Archipels !8ä5. — Zustände im Jahre l."53. — Abtretung der Souveränität an England lß55. ^incr Seeschildkröte untertauchte, war ihr zufälliger Entdecker, denn nur der Zufall konnte das unter der Wasserfläche ruhende Geheimniß enthüllen. Mariner, den wir bald näher werden kennen lernen, erzahlt, daß einst als Finow mit seinen Häuptlingen auf der kleinen Insel verweilte, um das Vergnügen der Nattenjagd zu genießen, der König den Vorschlag machte, 367 in dieser Hohle Kawa zu trinken. Mariner, der ihn begleitete, sich aber gerade von del Gesellschaft elwas entfernt hatte, war seltsam überrascht, als er wieder an den Strand kommend, die jungen Häuptlinge ihren Siapo ao-legen und einen nach dem andern untertauchen und nicht wieder zum Vor"-schein kommen sah. Er hatte eben noch Seit den letzten, ehe er in's Wasser sprang, zu fragen was man hier vorhabe. „Folge mir," sagte der Haupt' ling, „und ich will dich mit an eincn Ort nehmen, wo du noch niemals gewesen bist und wo Finow und die andern jetzt versammelt sind." Mariner vermuthete sogleich, daß hier die berühmte Höhle sei, von welcher er schon hatte sprechen hören, warf schnell die Kleider ab und erreichte glücklich mit oem untertauchenden Häuptlinge die Felsenöffnung, durch die man in die Höhle hinaufschwamm. Als er wieder auf der Oberfläche des Wassers war, hörte er schon Finow'Z uno seiner Freunde Stimmen und erkletterte, seinem Wegweiser folgend, einen Porsprung des Felsens, auf welchem er sich niedersetzte. Atles Licht der Hohle wurde nur vom unterliegenden Meeresboden zurückgewor/en, reichte jedoch hin, nach einigen Minuten die umgebenden Gegenstände zu unterscheiden, wenigstens konnte Mariner, durch die Stimmen geleitet, die dämmerigen Schattengestalten der Gefährten erkennen, die sich so wie er rin^s in der Höhle niedergesetzt hatten. Da indessen eine bessere Beleuchtung wünschenswert!) war, tauchte er abermals unter, schwamm an den Strand, holte seine Pistole, that reichlich Pulver auf die Pfanne, umwickelte sie dicht mit Tapatuch und Pisangblätlcnl und kehrte, nachdem er durch einen der begleitenden Aufwärter auch eine Fackel hatte machen lassen, so schnell als möglich Wieder in die Höhle zurück. Hier wickelte er den Tapa. wovon ein guter Theil völlig trocken war, wieder ab, entzündete ihn mit der Flamme des Schießpulvers und steckte darauf die Fackel an. So war die Höhle, wahrscheinlich zum ersten Male seit ihrer Erschaffung, mit künstlichem dichte erleuchtet. Sie schien in ihrem Haupttheile, der sich aber auf einer Scit^ in zwei engere Hohlen verästele, 40 Fuß Weite zu haben, und als die Mittel-Höhe konnte man auch ungefähr 40 Fuß annehmen. Dir Decke war auf eine sehr mrrlwindige Art mit Stalaktiten behänge», ähnlich den kanellirten Schwibbögen und fantastischen Zierathen einer gothischen Halle. Vom Entdecker dieser merkwürdigen unterseeischen Grotte erzählt die Sage, daß er hier seine Geliebte vor der Wuth eines damals auf Parao herrschenden Despoten rettete. Die Fluthen bewahrten treulich sein SW heimniß; er floh nach einigen Wochen weiter mit ihr nach den Fidschi-Inseln 368 und als cr nach dem Tode des Tyrannen nach der Heimath zurückkehrte, horten seine Laudsleute mit Erstaunen vom wunderbaren Zufluchtsort, den der seine Liebe beschützende Meercsgott ihm offenbart hatte. Hapai, die Ccntralgruppe des Tonga-Archipels, ist ein Gewirr von kleinen, flachen Inseln, von einem Korallenriff umschlossen. Mehrere Ein-« gange führen in die innere Lagune, in welcher zahlreiche Untiefen die Schissfahrt erschweren. Die Hauptinsel Lifuka ist zwar ohne alle romantische Schönheit, doch staunt man bei einem Gange durchs Innere über die reiche, gartenähnliche Cnllur. Breite Pfade mit stattlichen Draeaenen regelmäßig eingefaßt durchziehen die üppigen Brodfrucht- und Bananenpflanzungcn und die Coeoshaine des Ufers sind so dicht bewachsen, daß sie dem heransegelnden Schiffer den Anblick der Häuser verbergen, über welchen ihre schattenreichen Kronen sich wölben. Sieben bis acht Stunden westwärts von Hapai erheben sich die 2530 und 1435 Fuß hohen vuleanischen Inseln Kao und Tnfoa. Erstere scheint ausgebrennt zu sein, während auf letzterer hohe Dampfsäulen die fortdauernde Thätigkeit des unterirdischen Feuers bezeugen. Nur einige krüppelhaste Ca-suarinen entspringen dem undankbaren Boden der kegelförmigen Insel, auf welcher Dumont d'Urville beim Vorbeifahren (1338) nirgends eine Spur von Einwohnern sah. Eine einzige elende Hütte an der Qstseite schien ihm gänzlich verlassen. Tonga-tabon oder das „heilige Tonga," die bedeutendste und berühmteste Insel des ganzen Archipels, hat die Gestalt eines unregelmäßigen Dreiecks und wird an der Nordseite durch cine fünf Seemeilen breite und rrei Seemeilen tiefe Lagune oder Bncht eingekerbt. Ungeheure Korallenriffe erstrecken sich längs der ganzen Nordküste der Insel bis zu einer Entfernung von K Meilen m's Meer hinein und bilden verschiedene Kanäle, durch welche der Schiffer zu einer sicheren Rhede gelangen kann. Auf den Nissen erheben sich hier und dort kleine Inselchen, die meistentheils mit Cocospalmen bewachsen sind. Die beiden andern Seiten des Dreiecks bieten einen ganz verschiedenen Anblick dar, indem der Korallengürtel sich selten über eine Kabelweite vom Lande entfernt. Tonga-tabou ist eine.niedrige, flache Insel, deren bedeutendste Höhen kaum sechszig Fuß betragen. Es fehlt ihr daher an allen romantischen Schönheiten, aber der äußerst fruchtbare Boden, der zwar von feinen Bächen durchrieselt, aber von häusigen Regengüssen benetzt wird, ist mit dem üppigsten Pflanzentevvich brdeckt und bringt im Ueberftnß alle 369 Gewächse hervor, die der Südseeinsulaner zur Befriedigung feiner einfachen Bedürfnisse verlangt. Der riesige, historisch merkwürdige Mea, eine Art Feigenbaum, unter dessen Schatten unmittelbar nach seiner Krönung der Tui-tonga sich begab, um dort die heiligen Ceremonien zu feiern, gehört sogar zu den vegetabilischen Wundern des Erdballs. Der niedrige Stamm, obgleich tief gefurcht und dem Anschein nach aus mehreren Säulen zusammengesetzt, bildet cine com-pacte Masse von 100 Fuß im Umkreis und steht also hinsichtlich der Dicke weder den mächtigsten Baobabs, noch den kolossalsten Wellingtonien nach. Der ganze Baum ist ungefähr 120 Fuß hoch. D'Urvillc fand ihn noch in vollster Lebenskraft (t827), doch hatte ein Sturm einen der größten Aeste abgebrochen, der nun zum Theil von den Wassern der Lagune bespült wurde und selbst für einen Riesenbaum hätte gelten können, da er nicht weniger als 18 Fuß im Umfange maß. Vielleicht grünte und blühte der kolossale Mea noch ehe die ersten Ansiedler auf Tonga landeten und wie viele Gene-ratiouen mochte er nicht nacheinander haben entstehen und verschwinden sehen. Südöstlich von Tonga-tabou steigt Eua 560 Fuß hoch über die Mceres-fläche empor. Herrliche Baumgrupven in malerischer Unordnung zerstreut bedecken die grasigen Abhänge und ringsherum sind die Ufer vou Fruchtbaumhainen umsäumt, unter welchen die Bewohner ihre Hütten aufgeschlagen haben. Zum Tonga Archipel kann man endlich noch den fern im Süden liegenden Pylstaertfelsen rechnen, der nach den pfeilschwänzigen Sceschwalben benannt worden ist, die dort mitten im Ocean eine Freistätte zu finden hoffen, in welcher sie jedoch nicht selten vom Menschen gestört werden. Hinsichtlich des Klimas steht Tonga in keinem besonderen Rufe. Die Uebergänge von Hitze zur Kälte sind rasch und bedeutend, und die thaureichen Nackte oft von so niedriger Temperatur, daß man der wollenen Decken bedarf. Man merkt bereits in den Wintcrmonaten, daß die Gruppe sich dem südlichen Wcndctreise nähert. Der Südostpassat ist vorherrschend, aber durchaus nicht beständig und kann zu jeder Zeit in den Westwind umschlagen, der gewöhnlich mit heftigen Regengüssen sich verbindet. Die Wuth der Winterstmmc ist zuweilen so groß, daß sie Häuser umwerfen, starke Bäume entwurzeln, Schiffe auf den Strand werfen, und Boote Hunderte von Seemeilen weit nach andern Inseln verschlagen. Der Wind wechselt oft während desselben Orkanes, so daß einige Bäume nach Süden, andere nach Norden H.ntwig, ?>»> Inseln do I^lancl^) versichert, daß das Getöse des feurigen Ausbruchs deutlich auf dem 130 Seemeilen davon liegenden Niua gehört wurde, und dessen verdorrender Einfluß auf die Pflanzungen und Fruchtbäume Vavao's in einer Entfernung von W Meilen sehr oemerklich war. Ein amerikanisches Schiff, der „Charles W. Morgan" war auf einer Strecke von 4l) Meilen durch einen Aschenregen gesegelt, ans welchem es erst in 11"? S. B. und 171 "45 W. L. v. G. wieder hervortauchte, und auf dem „Massachusetts" der zur selben Zeit wrnn anch das Lanr nicht fo reich an Naturgütern war als Tahiti, oiese Reichthümer doch mit mehr Gleichheit unter dem Volk vergethcilt sein müßten. Dort tonnte man den Vornehmen gleich an der helleren Gesichtsfarbe und an dem wohlgenährten Körper erkennen: hier aber war aller äußere Unterschied aufgehoben. Der Häuptling war an gewöhnlichen Tagen, selbst der Kleidung nach, nicht vom gemeinen Manne verschieden, und nur an dem Gehorsam, den das Volk gegen seine Befehle zeigte, konnte man erkennen, daß er von höherem Stande sein müsse. Doch trotz oiesem äußerlichen Anschein der Gleichheit war das Kastenwesen und das nach dem Nangr sich richtende Errrmoniell vielleicht nirgends fo vollkommen ausgebildet als auf Tonga. An der Spitze des ganzen Voltes stand der Tni-tonga, eine geheiligte, von einem der Hauptgötter in gerader Linie abstammende Person, welcher göttliche Ehren nicht nur auf ron ganzen Archipel gezollt wurden, sondern deren Nimbus sich sogar bis 24* 372 Uea sWallis Insel) und auf einen Theil dj'r Samoa und Fidschi Inseln erstreckte. Die vornehmsten Häuptlinge mußten sich auf die Erde setzen, bis er an ihnen vorüber gegangen war, ein Seichen der Ehrerbietung, welches sie selber vom gemeinsten Bauer erwarteten. Besondere Feierlichkeiten fanden bei seiner Heirath und seinem Pegräbniß statt; wenn man von ihm sprach, bediente man sich besonderer Ausdrücke; er war nicht wie andere Menschen täwwirt. An einem bestimmten Festtage endlich wurden ihm von allen Inseln die ersten Flüchte der Erde dargebracht, die bis dahin mit einem allgemeinen Verbot oder Tabou belegt worden waren. Die Würde des Tui-tonga war erblich in der Familie der Fat^-fai, die seit undenklichen Zeiten dieses Vorrecht besaß. Der Tui-tonga residirte anf Tonga-tabou, welches nur aus diesem Grunde das „heilige" genannt wurde, denn der Abglanz der göttlichen Herrlichfeit jenes polynesischen Papste? verbreitete sich über das ^and, welche? er mit seiner Gegenwart beehrte. Doch wenn der höchste Rang dem Tui tonga gebührte, so stand cr an Weltlicher Macht hinter dem Tui Hata Kalarva und dem Tui Kana Kab olo zurück, die beide zur Familie der Toubo gehörten, aus welcher der Tui-tonga stets seine vornehmste Gemahlin wählte; so wie jene gleichfall? durch Heirathen sich mit den Fata-fais verbanden, wodurch die oberste Gewalt in beiden Familien erhalten und befestigt wurde. Die Eguis oder Häuptlinge, die alle näher oder entfernter mit den Fata-fais oder Toubos verwandt waren, theilten sich mit diesen fast ausschließlich in den Grundbesitz und die Herrschaft des Landes. Um die ersten Häuptlinge zu bezeichnen, wurde dem Namen des Distrikts oder der Insel die ein jeder verwaltete, das Nvrt Tui, „Herr oder erster Häuptling", vorgesetzt. Eo gab es einen Tui-Vavao, Tui-Lefuka u. s. w., während der Mine Tui-Tonga das heilige überhaupt der ganzen Gruppe bezeichnete. Nach den Eguis folgte die Masse der Mataboulen, die eine Art von Ehrenbegleitung der Häuptlinge, deren Gefährten und Nathgeber waren. Sorgfältig sahen sie darauf, daß die Befehle und Wünsche der Eguis aus» geführt wurden, und nicht uneigentlich konnte man sie deren Minister nennen. Der Rang des Häuptlings, dem sie sich ergeben, bestimmte auch den ihrigen, und da sie unter keiner Bedingung zur Würde eines Eguis sich emporschwingen konnten, und selber durch ihre Verwandschaften im Volke wurzelten, machten sie sich al^ uneigennützige Vermittler um beide wohl verdient. 373 Sic verwalteten die Ceremonien, kannten die Sagen dcs Landes, und überlieferten sie ihren Söhnen. Ihl Rang war erblich' sic wurden sorgfältig für ihren künftigen Wirwngkreis erzogen, und da Niemand *das Amt oder den Titel eines Mataboulcn annehmen tonnte, als bis nach dem Tode seines Vaters, waren es meistens Männer von Erfahrung und reiferem Alter, ohne deren Zustimmung nichts wichtiges vorgenommen wurde. Die Classe der Mu ahs bestand aus allen Verwandten der Mataboulen, die nicht zu deren Amte berufen wurden. Sie standen ihnen jedoch bei den öffentlichen Ceremonien bei, sorgten ebenfalls dafür, daß Ordnung in der Gesellschaft erhalten würde und führten dic Aufsicht über die Sitten der jüngeren Häuptlinge, die zuweilen, wie es auch wohl bei uns geschieht, sich Ausschweifungen zu Schulden kommen ließen und den gemeinen Mann unterdrückten', in welchem Falle jene sie ermähnten, und wenn nicht darauf geachtet wurde, es an die älteren Häuptlinge berichteten. Die meisten Muahß, sowie auch häusig die Mataboulen, beschäftigten sich außerdem noch mit dem Schiff- und Häuserbau, der Errichtung von Grabmonumenten, der Verfertigung von Netzen; Gewerben, die zu den geachtctstcn auf Tonga gehörten. ' Die Tuahs endlich machten die unterste Classe des Volkeö aus. Diejenigen, die mit Muahs verwandt waren, und folglich die Möglichkeit vor sich sahen Muahs zu werden, standen höher alZ solche, die sich keiner solchen Verwandtschaft rühmen konnten, Sie durften gemeinschaftlich mit den Muahs ein edleres Gewerbe treiben, oder machte» sich auch wohl als Tätvwircr, Keulenschnitzler oder Barbierer nützlich, wobei sie sich scharfer Muscheln bedienten. Den letzten Rang unter den Tuahs nahmen die Hlöche und die Feldarbeiter ein, denen es verboten war ihren Herrn oder ihre Beschäftigung zu wechseln, und die also auf der Ttufr der Leibeigenen standen. Eigentliche Sclaven gab es nicht. Das weit und breit unter der kupferfarbigen polynesischen Naee gebräuchliche K a va trinken fand bei feierlichen Gelegenheiten nirgends unter so strenger Etiquette statt als auf Tonga, und der aristokratische Geist, der die ganze gesellschaftliche Ordnung durchwehte, trat hier am auffallendsten hero or. Die ätava oder Aoa ist bekanntlich ein aus der mit Wasser vermisch-ten und zerkauten Wurzel eines pfesferartigen Strauches gewonnenes fades, süßliches, pikantes Getränk, welches dem europäischen Geschmack ekelhaft vor« 374 kommt, von den Polynesien» aber, und sogar von Weißen, dir sich daran gewohnt haben, leidenschaftlich geliebt wird. In zu großer Menge genossen bringt es Vertuschung hervor, und der übermäßige, zur Gewohnheit gewordene Gebrauch führt endlich wie der des Branntweins oder des Opiums zu thierischer Stumpfsinnigkeit. Bei großen öffentlichen Kavapartien führte jedesmal der oberste der anwesenden Häuptlinge den Vorsitz, und rechts und UM schlössen sich dann ihrem Range gemäß die übrigen Theilnehmer des Festes an ihn an, einen Kreis bildend, in dessen Mitte dem Präsidenten gerade gegenüber der Kava-mischer saß, wahrend außerhalb des genußfähigen Virkels das zuschauende Volk, welches bei außerordentlichen Gelegenheiten wohl aus 3 bis 4<)W, meistens Männern bestand, sich ehrerbietig versammelte. Die Mataboulen des Vorsitzenden, welche das Amt der Ceremonien« meister verrichteten, mußten besonders daranf sehen, daß jeder den ihm gebührenden Platz erhielt. War der Kreis geordnet, so wurden die Kavabündel hereingebracht, zerschlagen und zum Kauen unter die geringeren Leute vertheilt, wobei jedoch die Wurzel möglichst trocken erhalten wurde, da es sich nur um die Trennung der Fasern handelte. Nach einigen Minuten legte Jeder sein gekautes Stück auf ein Feigen^ oder Bananenblatt, und sandte cs von Hand zu Hand dem Kavamischer zu, der es in die große stäche Bowle legte, und so wie eine hinreichende Menge gesammelt war, das Gefäß erhob, so daß der Oberhäuptling den Inhalt sehen konnte, und cs dann auf ein beifälliges Zeichen desselben wieder auf den Boden setzte. Nun wurde ihm Wasser in Cocvsnußschale» gebracht und von zwei Männern rechts und links langsam in die Bowle gegossen, während er mit der stachen Hand die Wurzeln gegen den Boden des Gefäßes knetete. War dieses hinreichend geschehen, so nahm er eine Menge weißer Fasern von der inneren Rinde des Hibiscus und sprengte sie leicht über die Oberfläche der sslüssigfeit, so daß sie gan; damit bedeckt war. Alsdann drückte er die ssa^ scrn an die Seiten der Bowle und ringsherum, so daß alle auf dem Boden liegende Wurzeln hineingewickelt wurden. Auf dieser Stufe der Bereitung nahm die allgemeine Aufmerksamkeit zu, jedermann folgte mit neugie^ riger Spannung den Bewegungen des Künstlers, und sogar die ältesten Häuptlinge, dic bis dahin wie regungslose Mumien da gesessen hatten, gaben nun Seichen des Lebens von sich und richteten ihre Augen auf die Bowle. N?5 Zugleich nahm auch daß Gesicht des Kavabrrcilers einen ernsteren Ausdruck an, wie es einem Manne geziemte, der es fühlte, daß die Blicke von ganz Tonga auf ihm ruhten. Nachdem er ringsherum die Rinde vollkommen gleichmäßig mn die Wurzeln gewickelt hatte, faßte er die ganze Masse fest von unten an und hob sie langsam über die Bowle. Cs war dieses der kritischte Augenblick, der Höhepunkt der ganzen Zubereitung, denn fein Ruf wäre für immer verloren gewesen, wenn er auch nur einen Tropfen der Flüssigfeit außerhalb des Randes hätte fallen lasscu. Mit jedem Augenblick wuchs die Spannung der Zuschauer, die in athemloser Stille die tröpfelnde Masse beobachteten. War auf diese Weise die meiste Flüssigkeit entfernt, so bog der Künstler sich zurück und fing an seine ganze Kraft anzuwenden um den letzten Tropfen auszudrücken. Seine Brust keuchte; seine Zähne schlössen fest auf einander, dic Muskeln seiner Arme schwollen deutlich hervor, seine Augen-brauen zogen sich zusammen, und so wie er sich mehr und mehr zurücklehnte schienen alle Theile seines mächtigen Körpers von der gewaltigen Anstrengung zu beben. Kin Murmeln des Beifalls durchflog die ganze Versammlung, als er endlich den trockenen Bündel von sich warf. Daß Getränk wurde nun in Becher vom Laube des Bananenbaumes gegossen und mit sorgfältigster Berücksichtigung des Ranges vertheilt, indem der Vorsitzende Mataboule jedesmal den Namen der Person ausrief, welcher der Becher überreicht werden sollte. Fast niemals wurde eine religiöse Feierlichkeit begangen oder ein bedeutendes Geschäft unternommen, dem nicht ein Kavafest vorausgegangen wäre, und die höchste Auszeichnung, die man einem Fremden gewähren konnte, war ein solches ihm zu Ohren zu veranstalten. Die Tage dcs Kava's sind zwar auf Tonga wie auf allen übrigen Inselgruppen Polynesien's, die dem europäischen Einfluß sich unterworfen haben, gezahlt, doch. war vor zehn Jahren der Gebrauch noch ziemlich verbreitet, und auch noch heutigen Tages mag mancher christliche Häuptling trotz aller Verbote und Mahnungen der Missionare, sich im Stille» am Lieblingsgetränt seiner Vorväter ergötzen. Die religiösen Begriffe der Tongancr hatten große Aehnlichkeit mit denen die auf Tahiti und auf den benachbarten Gruppen herrschten. Außer einer groben Anzahl Götter oder Atuas, die man für ewig hielt, und die zum Theil ihre besonderen Tempel und Priester hatten, lebten auch 376 die Seelen aller abgeschiedenen Edlen und Mataboulen mit den gottlichen Attributen Gutes und Böses zu erweisen fort. Das Firmament, die Gestirne und der Ocean waren älter als die be wohnbare Erde, welche der Gott Tangaloa erst mit eincr Angel aus dem Wasser fische. DaS Menschengeschlecht kam zuerst aus Bolotuh, dem Wohnsitze der Götter, einer nordwestlich gelegenen Insel und nahm auf Befehl des Tan-galoa seinen Aufenthalt auf den Tonga Inseln, die man für den Mittel punkt der bewohnbaren Erde hielt. Auf Bolotuh genossen auch die Seelen der abgeschiedenen Edlen die Freuden des Paradieses, denn der elmde Bauer starb vollständig mit dem Tode und rettete tein geistiges Pmmp in das jenseitige Veben hinüber. Alle Arten von nützlichen und schönen Früchten und Blumen, die, wenn man sie pflückte, sogleich wieder durch neue ersetzt wurden, entsprangen icncm seligen Boden. Diese unsterblichen Pflanzen erMtcn die Atmosphär mit dem köstlichsten Dufte, Vogel mit den herrlichsten Farben saßen auf allen Zweigen, und die Wälder waren voller Schweine, die ebenfalls unsterblich waren und von Neuem entstanden, so wie sie siir die Obttertafel geschlachtet wurden. Die Insel Bolotuh war so Weit entfernt, daß kein Kahn sie erreichen konnte, und wäre es dem Schisser auch möglich gewesen eine so lange Reise zurückzulegen, so würde er doch, wenn es nicht der ausdrückliche Wille der Götter wäre, sie immer verfehlen. ^ Nur von einer einzigen Piroge erzählt die Sage, daß sie vor langrr Zeit auf ihrer Nüctrehr von den Fidfchi Inseln nach Bolotuh verschlagen wurde. Da die Mannschaft den Ort nicht kannte, und grohen Mangel an Lebensmitteln litt und das Land reich an allen Arten von Früchten war, so landete man, als sie aber Brodfrucht pflücken wollten, tonnten sie zu ihrem unaussprechlichen Erstaunen dieselbe eben so Wenig greifen, als wenn es ein Schatten gewesen wäre. Sie gingen durch die Bäume und die Mauern der Häuser hindurch, die denen von Tonga glichen, ohne irgend einen Widerstand zu fühlen. Endlich bemerkten sie einige Atuas, die durch ihre Korper hindurchgingen, als ob ihnen nichts im Wege gestanden hatte. Diese riethen ihnen, sich sogleich wieder hinweg zu begeben, da sie leine passende Nahrung für sie hätten, und versprachen zugleich guten Wind und eine schnelle UeoeMhtt. Doch in ihr Vaterland zurückgekehrt, starben alle 377 schon nach wenigen Tagen, nicht etwa zur Straft, wcil sic in Bolotuh gewesen waren, sondern als eine natürliche Folge der Luft in jener Insel, die sterblichen Körpern schnellen Tod bringt. Wie weit stand ein Volt, welches solche Legenden erfinden tonnte, über den elenden Australier oder den thierischen Feuerländer! Die Atuas bedurften keiner Kähne wie die Menschen, denn wenn sie wünschten irgendwo zu sein, so waren sie auch im Augenblicke dort. Die moralischen Ansichten der Tongancr näherten sick in manchen Punkten den unserigen, in andern wichen sie bedeutend davon ab. Die Tugend bestand vorzüglich in Ehrfurcht gegen die Gölter, in der schuldigen Achtung gegen edle und ältere Personen, in Vertheidigung seiner Erbrechte, in Ehre, Gercchtigtcit und Vaterlandsliebe, in Freundschaft, Sanftmutl) und Bescheidenheit-, in ehelicher Treue von Seiten der Weiber, in Eltern- und Kindesliebe, in Beobachtungen aller religiösen Feierlichkeiten, im geduldigen Ertragen des Unglücks und in der Beherrschung der Leidenschaften; wogegen manche Handlungen, die alle civilisirtcn Völker als Verbrechen betrachten, hier unter gewissen Umständen für unbedeutende Dinge gehalten wurden, z. B. Rache, Ermordung eines Dieners oder sonst eines Menschen, wenn man dazu gereizt würde, es müßte dcnn ein vornehmer Häuptling sein; Diebslahl, ausgenommen an heiligem Gute. Vorbedeutungen sah man als unmittelbare Eingebungen der Götter an. Magische Ceremonien um Unglück über Jemand zu bringen, wurden hier wie auf dem entfernten Hawaii für wirksame Mittel gehalten, die Götter den bösen Wünschen des Anrufers geneigt zu machen, und die Anwendung des Zaubers galt zwar für fci^ und unmännlich, aber nicht für ein Verbrechen. Belohnungen und Strafen erhielten die Menschen nur in dieser Welt und zwar unmittelbar von den Göttern, denn die künftigen Freuden Bo« lotuh's, gehörten dem Range nnd nicht der Tugend. Der feste Glaube, daß jedes menschliche Ungemach eine Strafe für ein Verbrechen ist, und meistens Krankheit oder Tod auf eine Schandthat folgt, war unstreitig die wirtsamste Stütze der großen und allgemeinen Verehrung die den Göttern in den Tonga Inseln gezollt wurde. Den Tuahs, die keine Hoffnung auf das Jenseits setzen tonnten, mußte er besonders furchtbar sein und sie stets in den Schranken ihrer Pflichten erhalten, doch auch den Häuptlingen war das Leben süß, so lange noch Zwecke des Ehrgeizes oder Genusses zu er- -',7k reichen waren, und trotz allcr Voctungen Bolotnh's sehnten sie sich doch selten danach sic vor dem Alter mit den Gütern der Gegenwart zu vertauschen. Die Priester genossen das Vorrecht, sowohl von den hohen Göttern, als den Seelen der Hingeschiedenen Edlen begeistert zu werden. Diese Inspirationen geschahen häufig und bei solchen Gelegenheiten erwies man einem Priester dieselbe Ehrerbietung als wäre er der Gott selbst. Sogar der Tui^tonga zog sich in dcmüthigcr Entfernung zurück und setzte sich mitten unter die Zuschauer, denn man war überzeugt, daß in diesem Augenblicke ein Gott in dem Priester sei, und auß seinem Munde spreche. Auch auf Tonga wie in so manchen Bändern, die einer höheren ssivili-sation sich rühmen, führten falsch ereligiöse Begriffe zu unnatürlichen Grausamkeiten. Um die Wiederherstellung eines franken Häuptlings zu erlangen wurde jedesmal ein Kind als Opfer für die Götter erdrosselt, und zwar geschah dieses nicht aus Mangel an Gefühl, sondern aus übertriebener Verehrung und Furcht vor den Atuas. Das unschuldige Opfer wurde mit den zärtlichsten Gefühlen dcS Mitleids betrachtet, aber fie hielten c3 für Recht ein Leben hinzugeben, welches bis jetzt der menschlichen Gesellschaft noch keinen Nutzen brachte, damit ein wichtigeres Dasein erhalten würde. Gewöhnlich wurde zum Opfer ein Kind des Kranken, jedoch von einer Mutter niedrigeren Ranges auserlesen, und der Mord von einem nahen Verwandten vollzogen, worauf die kleine Leiche in feierlicher Procession von einem Tempel zum andern getragen, und jedesmal der Gott um die Erhaltung des theuren gefährdeten Lebens angefleht wurde. Ein ähnliches Opfer fand auch statt, um den Zorn der Götter zu beschwichtigen, wenn dieser die ganze Nation bedrohte. Am liebsten wählte man dazu das Kind eines Häuptlings, da mail dieses als ein angenehmeres Geschenk betrachtete, und der Vater war der erste der seine Zustimmung gab und bereitwillig dem allgemeinen Wohl ein schmerzliches Opfer brachte. Beim Tode des Tui-tonga wurde auch dessen vornehmste Frau erdrosselt, damit sie ihn sofort nach Bolotuh begleite, em Gebrauch, der gleich dem Kastenwesen, an das ferne Indien erinnert. Beim Erkranken eines nahen Perwandten oder hohen Häuptlings, pflegte« die Tonganer den Gottern ein Glied des kleinen Fingers zu opfern, ein Gebrauch, den sie wahrscheinlich von den benachbarten Fidschi Inseln eingeführt hatten. Der Finger wurde flach auf ein Stück Holz gelegt, ein spitziger Stein auf das Gelenk, und mit < -n< iv.'ixx-", welches mit einem 387 statten Veck in Ursula Zugelaufen war, von den Eingebornen überfallen wurde. Der grölte Theil der Mannschaft ward niedergemetzelt; nur Mariner, ein junger Mann von guter Familie, den ein abenteuerlicher Geist zum Scemannsleben bewogen hatte, wurde mit noch einigen andern verschont um die erbeuteten Schiffskanonen gegen die Feinde des Königs Finow zu bedienen. Er erwarb sich in einem hohen Grade die Gunst dieses grausamen Wilden so wie seines Sohnes und Nachfolgers, wurde den Häuptlingen gleichgestellt und als Freund behandelt, war aber nichts destoweniger höchst ersrml, als nach einem mehr als dreijährigem Aufenthalt anf Tonga ein englisches Schiff vor Vavao erschien, welches ihm die Rückkehr in's Vater^ land ermöglichte. Die spater von ihm herausgegebenen Nachrichten über die freundschaftlichen Inseln gehören zu den schätzbarsten Beiträgen zur po^ lynesischen Völkerkunde, uud es ist nur zu bedauern, daß nicht auch gleich gute Quellen über die früheren Zustände der anderen bedeutenderen Inselgruppen vorliegen. Von Mariner's Abreise im Jahre 1810 bis 1827 wo Dumont d'Urville Tonga besuchte, sind die Annalen des Archipels höchst lückenhaft und dürftig, Als der französische Neltumseglcr dort eintraf, war die heilige Insel noch' immer in kleine Staaten zersplittert, die jeder einem besondern Häuptling gehorchten. Methodistische Glaubenslehrer hatten im Jahre l822 den Versuch ihrer unglücklichen Vorgänger erneuert, ohne jedoch irgend eines Erfolges sich zu rühmen. Zwei derselben waren daher nach Port Jackson zurückgekehrt, und nur einer verharrte unter dem Schutze des Häuptlings von Hifo wie ein standhafter Soldat auf seinem Posten. Im Jahre !8W kamen zwei neue Missionare hinzu, doch auch diese vermochten leinen Eindruck auf die Insulaner zu machen. Glücklicher jedoch waren zwei von ihnen mitgebrachte tahitische Lehrer, Welchen es gelang Toubo, den Häuptling von Naknalofa, zu bekehren. Dieser, der durch die Schwache und Zaghaftigkeit seines Charakters schon sehr an Ansehm verloren hatte, wurde nun vollends von den übrigen Häuptlingen der Insel verachtet, blieb jedoch nach einigen Schwankungen seinem neuen Glauben treu, und im Jahre 1829 wohnten 500 Proselyten dem christlichen Gott«dicnstc in Nat'ualofa regelmäßig bei. D'Urville verweilte ungefähr einen Monat auf Tonga, und auch er wäre fast ein Opfer der Treulosigkeit der Insulaner geworden, die er durch 25' 388 das Niederbrennen einiger Dörfer und die Zerstörung dcr heiligen Grabmäler züchtigte. Als er 1l Jahre später (l^l>) den Tonga Archill zum zweiten Mal besuchte, fand er dort Manches zu Gunsten des Christenthums verändert. Die Hapai^ und Vavao Gruppen waren vollständig belehrt und nach langen Bürgerkriegen untcr dcm energischen Scepter des Tahofa-nao oder „King George", eines Häuptlings aus der Familie der Finow vereinigt. Dieser Herrscher zeichnete sich eben so sehr durch seine majestätische Gestalt als durch eine derselben entsprechende Thatkraft aus. Man erzählt, daß, als einst ein über seine Abtrünnigkeit erzürnter Götzenpriester ihm vorhersagte, daß er unfehlbar den Haifischen zur Beute fallen würde, das erste Mal, daß er es wieder wagte in offener See zu baden, Tahofa statt aller Antwort den Wahrsager aufforderte ihm zu folgen und dreist über das Corallemiff hinausschwamm, vor welchem die Meereshyänen sich zu zeigen pflegten. Das Ergebniß dieses Gottcsurtheils war, daß der Götzendiener von einem Haifisch aufgeschnappt wurde, während der König unverletzt unter dem Jauchzen der Menge den Wellen entstieg. Die den Polynesien, häufig verliehene Rednergabe besaß Tahofa in einem hohen Grade. Ein vortrefflicher Prediger, denn er liebte es den Priester mit dem Herrscher zu verbinden, zeichnete er sich auf der Kanzel durch die Würde und den Ernst seines Vortrags aus', während in den Volksversammlungen sein energisches Wort trotz einem homerischen Helden allen Widerstand gegen das königliche Ansehen niederschmetterte. „Was sprichst du von deinem elenden Eilande", redete er einst einen vorlauten Widersacher an-, „und wie wagst du es dessen Besitz in Anspruch zu nehmen? Wer bist du? Was waren deine Väter? Soll ich dir die meinigen nennen? sHier folgte eine lange Aufzählung.» Siehe die Helden von denen ich abstamme! Deine Väter warm die Köche der meinigrn." Man glaubt einen Agamemnon zu hören, der den frechen Thersites niederdonnert! Ein Jahr vor Dumont d'Urville's Besuch war Krieg zwischen Tahofa und den Heiden auf Tonga ausgebrochen. Der Missionar Rawbone hatte in Hifo einem am westlichen Ende der Insel gelegenen befestigten Dorfe mehrere Einwohner bekehrt, welche der Häuptling aus sBncm Gebiet ver-iagte. Die Flüchtlinge erbauten sich ein kleines Fort, wurden aber auch hier von ihrem Feinde verfolgt, worauf sie den christlichen Häuptling von Nalualofa um Hülfc anriefen. Abcr auch dieser bedürfte eines mächtigeren 389 Schutzes und erbat sich Tahofa's Beistand, der gerne die Gelegenheil ergriff den ganzen Archipel seiner Herrschaft z« unterwerfen. Er landete mit 1500 Kriegern, bcmächligte sich Hifo's durch List und erzwang nach vier Monaten einen Frieden, der die heidnischen Häuptlinge verpflichtete die Christen nicht ferner zu verfolgen und den Missionaren überall freien Zutritt zu gewähren. Diesen ersten Erfolg verdankte King George vorzüglich der besseren Bewaffnung seines kleinen Heeres, welches 120 Flinten besaß. Die Hänptlinge halten indessen nur Frieden geschlossen um Zeit und Kräfte für einen erneuerten Kampf zu gewinnen, so daß Tahofa zum Schutz des schwachen Tnbou und der Missionare bald darauf nach Naluolofa zurückkehrte. Hier erlitt er zwar eine bedeutende Niederlage (1840), so daß er gezwungen wurde sich wieder einzuschiffen; doch die christliche Partei gewann bald wieder die Oberhand, nnd nach dem Tode Tubou's wurde Tahofa unter dcm Name» George Tubou <184ü) als König sämmtlicher Tonga Inseln eingeweiht. Ein interessanter Bericht des Missionars R. Mung aus dem Jahre 1853 gibt uns Kunde von den ferneren Schicksalen jener kleinen abgelegenen Welt, „Nach einer etwaö ungestümen Reise auf dem nichts weniger als stillen Meere kam ich auf der Tonga Gruppe eines Morgens früh an, und zählte vom Verdeck des Schiffes anf ein Mal zwanzig liebliche Eilande, die eben von den Strahlen der aufgehenden Sonne vergoldet waren, und gleich eben so vielen Smaragden anf dem Abgrund deii jetzt stillen Meeres da lagen. Die ganze Gruppe besteht auö etwa 200 Inseln mit einer Volkszahl von 20 bis 30,000 Seelen. Mit Aufnahme von ungefähr 5)0 Lenten hat" die ganze Bevölkerung ras Evangelium angenommen. Achttausend unter ihnen sind im Slande die Schrift zu lesen und 5000 können die Mnttersprache schreiben. Ich prnfie mrge Schnicr, welche schöne Kenntnisse in der Geographie, Arithmetik, Naturgeschichte und einigen andern Zweigen des Ms-sens an den Tag legten. Auch hatte ich das Vergnügen die Zöglinge unserer Mnslerschllle zu prüfen, unter welcheu drei Frauen sich befanden ^ Fran Hrmans, eine Dichterin von Tonga; die Frau eines Oberrichters und die Königin- Charlotte. Diese treffliche Frau richlet sich genau nach den Schnlregeln, und beugt sich unter all die Arbeit, die ein fleißiger Zögling übernehmen muß, um gleichen Schritt mil ihren Mitschülern zu hallen. 39«) König Geolg ist ein sehr mertwürdiger Mann. Da ich von seinem Verlangen Australien zu besuchen hörte, lud ich ihn ein auf dem „JohnWesley" sich einzuschiffen. Er nahm das Anerbieten an, erklärte jedoch, daß er das Schiff verproviantircn müsse. Während der beinahe zwei Monate, welche ich mit ihm unterwegs zu^ brachte, habe ich kein thörichtes Wort ans seinem Munde gehört. (?r ist auch Prediger, und ich hörte von ihm auf den Fidschi Inseln eine sehr interessante und mächtige Ansprache. Vor ungefähr zwei Jahren weigerte sich der damals noch heidnische Theil seines Volles seiner königlichen Autorität sich zu unterwerfen (durch einige Sendlingr von Nom bearbeitet und aufgestachelt), und nachdem er lange Geduld mit seinen Widersachern getragen, sah er sich endlich genöthigt zur Vertheidigung der Gesetze und Freiheiten seines Landes die Waffen zu ergreifen. Ich besuchte den Baum, unter welchem der König saß um seine aufrührerischen Unterthanen vor ihm erscheinen zu lassen. Mit Furcht und Zittern waren sie herangekommen, wohl wissend, daß sie nach dem Landesgesetz den Tod zu erwarten hatten, doch großherzig sprach der König: „ihr sollt leben." Sic dankten mit freudigem Entzücken, doch „Danket Jehovah", erwiederte der König, „dessen Wort mich gedrungen hat so zu handeln. Sein Wort ist die einzige Ursache. Ohne dieses wäre keiner von euch am Leben geblieben." Sie begehrten jetzt alle den Hauogottesdienst des Königs an-zunehmen. Sein wahrhaft christlicher Wandel überhaupt hat in jenem Theil der Welt cinm tiefen Eindruck gemacht, und scheint in seinen Wirkungen sowohl dem Heidenthum als dem Papstthum eine völlige Niederlage beige bracht zu haben." Im Jahre 1855 ertlarte sich Heorg Toubo bereit seine Souveränität«, rechte an Groß-Britannien abzutreten, und obgleich Tonga noch nicht unter den anerkannten englischen Colonien aufgezählt wird, so ist es doch ganz dem britischen Einfluß untcnoorfen. Auch hier ist eine parlamentarische Per-fassnng nach englischem Muster eingeführt worden, und das allfächsische Schwurgericht hat sich eingebürgert, wo noch vor einigen Derennien die Willtür der Häuptlinge das einzige (besetz war. .W1 Fiiniuudzwauzigftcs Kapitel. Dir Fidschi Inseln. Pjti Levu. — Der Nen'.ifluß. — Das Newa Delta. — Aulimonmmen. — V.i>nia Levu. — Mangrovewäldcr. — Warme Quellen. — Die scl,wavzr Flußbarbe. — Die ssavai Wurzel. — Die Ivia Wurzel. — Die Dava Pflaume. - Die p!ann>tapnlme. — Größerer Reichthum der Vegetation als auf den östlicheren Gruppe». — Dir Dammara Fichte. — Schnellia,seit des Wachsthums. — Klima. — Die Gruppe durck Tasman entdeckt 43. — «5ook. — Dumcnt d'Urville 1^2?. — WilkeS <«^<). — Ursachen des l.lrbera,ewichtö vou Ambau. — Tanoa Kön>ss von Ambau. — Unsäss-liche Barbarei der Fidschianer. - - Gräuel des Kannibalismus. — Unsicherhcit des i'ekeyil. — <5mic,e Mordqeschichten. — Unerhörter Despotismus. — Götter. — Die Mlmres oder Tempel. — Die Mdrttis oder Priester. — Elternmord. — Fremde 5pefi!llintc!i. - Trepana,sammler. — Sckildpatt. — Schälen der Schildkröten, -Ven'ätheriiche Uebirfälle fremdn Schiffe. — Die „Aimable Josephine", — Der „Tir David Ogilb«". — Kunststeiß. — Große Doppelpiro^cn — Häuserbau. — Waffen. — Töpferei. — ssiaur der Fidschianer. — Merkwürdiqcr Kopfschmuck. -Nationalstolz. — Kleidung. — Der Seavo. — Der Liku. — Der Keulcnlanz. --Sprache. - Ackerbau. ^- Nnfanss des Missionswerkes 1820. — Fortschritte bis zu den Jahren 1840 und 1848 nach Wilkes und Elphinstone. — Neise Mardonald'S auf dem Ncwaftussc l8!">6. — Thakombau. — Abtretunq der Souveränrtät an l^nq land. — Der deutsche Botaniker Oi-. Seemann. -- Der Missionar ^ioun^ auf Fir^ schi l85>^. — Seltsame Widersprüche. 3ie Fidschi oder Vili Inseln bilden dem Umfange nach dcn bedeutendsten der in diesem Werte besprochenen Archipele, da ihre Oberfläche an die ^W geographische Quadratmeilen beträgt. Eie bedecken einen grbßeren Raum als Hawaii, Tahiti, Samoa und Tonga zusammengenommen, und werden eine ihrer Ausdehuung entsprechende Wichtigkeit erlangen, wenu einst unter bri tischem Schutz ihre natürlichen Reichthümer zur gehörigen Benutzung tommen. Selten wird man auf irgend einem andern Punttc de? Erdballs ein solches Inselgewirr vereinigt finden, und nirgends stößt der Schiffer aus größere Gefahren. Auf diesem dicht übersäeten Felde hat er stets eine Menge Inseln in Sicht, vom schroffen Vasaltbcrge, der bis zu einer Hohe von 5000 Fuß emporsteilt, zu dem niedrigen Coralleneilandc, dessen Oberslache sich taum über die Fluchen des Oceans erhebt — und dazwischen und ringsumher liegen unzählige Klippen und Untiesen ausgebreitet. Fast jede Insel 392 ist von writ ausgedehnten Forallenbänken umsäumt, und sehr dick sind von unregelmäßigen Riffen umschlossen, die oft meilenweit in spitzige Zungen außlaufeu. Außerdem werden die Gefahren der Schifsfahrt durch die zahlreichen vereinzelten Klippen vermehrt, die entweder bei niedrigem Wasser zum Vorschein fommen, oder nur einige Fuß tief unter der Oberfläche liegen. CUn klarer Himmel und die größte Vorsicht sind erforderlich, um den Seefahrer mit Sicherheit durch viele Theile dieses Vorallenlabyrinthes zu geleiten. Der ganze Archipel besteht nach Wittes aus 154 Inseln; eine Anzahl, die sich leicht verdoppeln liehe, wenn man alle die isolirten und bescheidenen Eilande hinzurechnen wollte, die als Außenwerte, Felsen oder Vorposten an die größeren Landmassen sich anlehnen. Nur li5 jener Inseln sind bewohnt, die übrigen werden nur von Zeit zn Zeit des Fischens oder deB Trepang-sammeln8 wegen besucht. Mi ^cvu („Groß Witi") und Vanua Lcvu („Das große ^and") die zwei beträchtlichsten Inseln der Gruppe liegen in deren westlichem und nördlichem Theil. Erstere isl !)'< Seemeilen lang und 55 breit, letztere hat bei einer ^ä'ngc von 195) Meilen eine durchschnittliche Breite von 25. Westwärts von diesen beiden Hauptlanden finden wir ein ungeheures Areal von zahlreichen Corallenriffcn durchzogen, die bis W Meilen weit von Mi Vevu nach der Asaua Gruppe sich erstrecken und W bis 15 Meilen weit im Westen und Norden von Vanua Levu den Meeresboden bedecken. In diesem unermeßlichen Corallenpart ^ ein wohlverdienter Namen — hat das Wasser in den Canälen zwischen den Riffen eine durchschnittliche Tiefe von 12 bis 15 Klaftern; während jene selbst an manchen Stellen die Oberfläche berühren. Die andern Inseln des Archipels die ostwärts von „Groß Witi" und dem „Großen Lande" liegen, sind verhältnißmWg klein und fast überall durch ciu tiefes Meer von einander geschieden. Die Fidschi Gruppe stellt fast alle Formverschiedcnheiten dar, welche Basaltfelsen nur annehmen tonnen. Nauhe Kanten mit steilen Abhängen und nadelformigrn SpilM charaf-terisirrn einige Theile der Gruppe, während andere, verhältnismäßig flach, längs der Miste eine Stirn von Basaltsäulen dem Meer entgegenslellen. Gewöhnlich jedoch haben die Berge sanftabgerundete Rückeil, oder dort wo ilne Umrisse sich nnnchiger gestalten, fehlt ihne» doch jene Mannigfalligteit OWOLAli FIDSCHI-INSELN. W3 von hohen Spitzen und tiefen Zerklüftungen, welche den Hauptreiz der ta-hitischen Gebirgslandschaften ausmachen. Die größeren Inseln scheinen dem vorübersegelnden Beobachter aus einer ununterbrochenen Reihenfolge von Berg und Thal zu bestehen. Die Abhänge sind meistens sanft geneigt nnd oft fast bis zum Gipfel eulturfa'hig. Unter dcm Winde sind sie bis ^i einer gewissen Höhe mit Gras bedeckt, dessen falbes Helb dem ^ande ein trockenes, verdorrtes Aussehen gibt. Nach dem Gipfel hin treten mitunter schwarze Basaltfelsrn hervor oder überragen auch wohl die Perglämme gleich den Ruinen alter Burgen. Ucppige Wälder bedecken gewohnlich die oberen Gegenden, wo die häufigen Regengüsse nnd noch häusigeren Nebel und Wollendünste ihnen die Wohlthat der ernährenden Feuchtigkeit verleihen, die den tiefntiegenden Abhängen zu kärglich zu Theil wird. Das Land bietet indessen nicht überall denselben Anblick dar, denn der hohe Waldwuchs steigt tiefer herab an den ostlichen Abhängen, die der feuchte Passat reichlicher mit Nässe versorgt. Einige der kleineren Basalt eilande sind sogar überall mit einer üppigen Vegetation bedeckt, und Vuna oder Somu-Somu, eine der bedeutenderen Inseln wird sogar wegen ihres reichen Pflanzenwuchses mi,t Opolou, der Königin der Eamoa Gruppe verglichen. Die Auszackungen und Einbuchtungen der Küsten sind zahlreich und oft von bedeutender Große; doch nur wenige dieser Meereseinschnitte würden sichere Häfen bilden, wenn nicht an den davorlira/nden (5orallenrisfen die Macht der Brandung zerschellte. Viti Levu, die größte Insel der Gruppe, wird von verschiedenen Bergkette» durchschnitten, deren Gipfel bis zu einer Höhe von 5900 Fuß empor-sliigen. Zahlreiche Bäche entspringen auf diesen Höhen besonders an der Ostseite, und erweitern sich mitunter ehe sie das Meer erreichen zu bedeutenden Flüssen. Einer der merkwürdigsten dieser Strome ergießt sich durch verschiedene Arme theils in die Amban Bucht, theils bei Rewa, an der Südostküste in's Meer. Pickering berechnete die Wassermenge, die er in der trockenen Jahres-zeit durch alle seine Mündnngen in die See wälzt, auf 1,500,000 CubitM in der Minute, eine Masse, die in den nassen Monaten sich verfünffacht. Nach dem englischen Arzte Maedonald, der im Jahre 1855 den Rewa Fluß hinausfuhr, sollen die atmosphärischen Niederschläge zuweilen'so gewaltig herabstürzen, daß sie Boote verseilten, trotz aller Bemühungen der Maunschaft das Wasser auszuschöpfen. (5s bedarf aber anch solcher unendlichen Regengüsse nm auf einer beschränkten Insel Ströme von solcher Mächtigkeit zu 394 erzeugen. Der vom Rewafluß abgesetzte Muvialbodcn bedeckt ein Areal von 4 bis 5 geom. Quadratmeilen. Wie die Deltaländer anderer Flüsse wird er durch zahlreiche Canäle in Inseln getheilt. Er besteht aus dem verwitterten Basalt, den dic Gewässer von den Bergen herabschwemmen, nnd seine Frnchtbarkeit verspricht der Zukunft goldene Ernten. Die Ufer des Flusses, wahrend er noch das Gebirge durchschlängelt, werden als höchst romantisch geschildert und prangen mit einem Psianzenwuchß, dessen Ueppigkeit alle Vorstellungen übertrifft. Auch an unterirdischen Schätzen sind diese Gegenden reich. Zwei große Adern oder Gänge des nur sparsam über die Oberfläche dc3 Erdkörpers verbreiteten Antimons kommen an einem Bergabhang zu Tage, und müssen äußerst ergiebig sein nach der Menge des Erzes zu schließen, welches die Emgebornen in Bambusrohren aus dem Gebirge zum Flnsse herabbringen. Vanua Levu hat ruhigere Formen als Viti Levu. Mr wenige Gipfel erheben sich über 209U Fuß hoch über den Meeresspiegel und keiner übersteigt 3000. Im Allgemeinen ist eine ermüdende Einförmigkeit der vorherrschende Charakter der Bergketten und der trockenen Grasfelder, welche die Abhänge bis zur Region der Waldbäume hinauf bekleiden, obgleich hier und dort die Küste mauerartig emporsteilt und einige Bergrücken tegelartig auf die benachbarten Höhen herablicken. Die Flnsse, wenn auch nicht so groß wie die auf Viti Levu, wälzen ebenfalls in der Regenzeit ungeheure Wassermassen in's Meer und setzen an ihren Mündungen bedeutende Alluvialebenen ad, deren Wachsthum durch die Mangrove Gebüsche (siehe „Die Tropenwclt" Kapitell) sehr befördert wird. Diese bilden dichte meilenlange Waldungen am Ufer, senken ihre unzähligen Wurzeln in den Schlamm und befestigen oder binden die Erdpartikelchen, welche der Regen von den Bergen herabwäscht. Ist einmal der neugewonnene Boden befestigt, so verschwinden all-mälig die seewärts fortrückenden Mangroven und werden durch die Vegeta-tativn des trockeneren Bandes ersetzt. Wenn auf diese Weise das Areal der Inseln sich vergrößert, so erhält es auch außerdem noch einen beständigen Zuwachs durch die ununterbrochene Thätigkeit der Steinpolypen, und obgleich es bis jetzt im Fidschi Archipel nur wenige und unbedeutende niedrige Inseln gibt, so wachsen doch unzählige Riffe nach der Oberfläche des Meeres hin und deuten auf eine künftige tlrine Wcit von palmenbeschatteten (^orallcneilandrn. 395 Es gibt gegenwärtig keinen thätigen Vullan auf der Fidschi Gruppe und auch in den Volksüberlieferungen ist von leinem solchen die Rebe. Die einzigen Spuren vulkanischer Hitze, welche die Inseln jetzt noch aufzu' weisen haben, befinden sich an der Südostscite von Vanua Levu, Wo auf eincr großen Ebene in der Nähe des Ufers zahlreiche warme Quellen her vorsprudelu. Einige derselben entspringen sogar aus dem Meeresboden. In der Savu-Savu Bucht ungefähr IM Men vom Strande steht ein kleiner BasalNegel, den das Meer zur Hluthzeit bedeckt. 3lus deffcn tratcrartig aus-glhöhlten Mitte auillt kochendes Wasser hervor, und die Wärme des Felsens ist so groß, daß die Hand sie nicht vertragen kann. Roch weiter in's Meer hinein gibt es elne Stelle wo auf einem Quadratraume von ä0Mlen Heißes Wasser zwischen den Kieseln und dem Sande hervorquillt. Die (?ingebornen glauben, daß die Geister des Berges ihnen diese lochende Sprudel zusenden, damit sie ihre Speisen darin kochen tonnen; so geneigt ist überall der Mensch sich für den Günstling der unsichtbaren Gewalten zu halten. Der Geschmack dieser warmen Quellen ist bitter und salzig-, und wer weiß, welche wunderbare Heilkräfte darin schlummern mögen. Die geologisch? Bildung der Fidschi Inseln hat grohe Aehnlichkeit mit der der ostwärts liegenden Gruppen. Basalte von verschiedener Farbe und Dichtigkeit bisweilen zum Trachyt übergehend, vulkanische Conglomerate und Tuffe sind die haupsächlichsten Gesteine, und erzeugen durch ihre Verwitterung den fruchtbarsten Boden, der überall, wo er durch Feuchtigkeit begünstigt wird sich mit der reizendsten Vegetation bedeckt. Nirgends auf den Fidschi Inseln erblickt man Lavastrome wie auf Hawaii und Samoa, so daß man annehmen darf, daß ihr Ursprung in eine entferntere geologische Periode hinaufreicht. Sowohl das Thier- als das Pflanzenreich sind auf Fidschi durch zahlreichere Arten als auf den andern in diesem Werte beschriebenen Gruppen vertreten. So gibt es hier fünf verschiedene Flederthiere und 6 Schlangen. Das Meer wimmelt von Fischen, die auf kunstreiche Weise gefangen werden, und in den Flüssen hält sich die köstliche schwarze Barbe auf, die niemals zur Oberfläche kommt, sondern stets auf dem Felsengrunde verweilt. Taucher suchen die tiefsten Stellen auf, bilden einen Kreis, der sich immer näher zusammenzieht und treiben auf diefe Weise die erschreckten Fische in die einfachen Netze, die für ihren Empfang bereit stehen. So werden oft in einem Zuge an die 19« Pfund gefangen. 3^: Fine merkwürdige große Huminerart gräbt sich Löcher in den Strand, und cine Unzahl von Muscheln wird auf den Nissen für die Nahruug des gemeinen Mannes gesammelt. Auf den weiten überftossenen Eorallenfeldern treibt sich überhaupt ein mannigfaltiges Leben von Eeegeschöpfcn hernm, wie es vielleicht im ganzen großen Ocean sich nicht wiederfindet, und verspricht dereinst dem Naturforscher die reichlichste Ernte. Alle nntzbaren Gewächse Polynesiens kommen auf Fidschi vor und dazu noch eine Menge anderer, die der Gruppe eigenthümlich zn sein scheinen. Die mehlige Kavai Wurzel hat Aehnlichleit mit der Malayischen Ba^ late. Die Knollen sind länglich und von brauner Farbe: die harte Oberhaut läßlich nach dem Kochen abschälen wie die Rinde her Birke. Beim Ansgraben der größeren Knollen lassen die vorsorglichen Eingeborenen die kleineren für die folgende Ernte in der Erde zurück. Diese Wurzel wurde von den Botanikern der Wilkes'schen Expedition so hoch geschätzt, daß sie den Wunsch ausdrückten, sie möchlc nach ihrer Heimath verpflanzt werden, waches vermittelst eines direkt von Fidschi nach den Vereinigten Staaten segelnden Schiffes leicht vollbracht werden tonnte. Im marschigen Alluvialboden von Newa wächst die eigenthümliche pc-rcnnirende Ivia Wurzel, welche zu einer solchen Größe anschwillt, daß sie die Dicke eines Mannes erreicht und einige Ellen lang wird. Die Pflanze hat viele Wurzeln, aus welchen andere hervorsprossen, und aus allen keimen Blätter in verschiedenen Richtungen empor, so daß ein einzelnes Gewächs endlich ein förmliches Dickicht bildet. Die Knollen sind gewöhnlich zähe und nicht sehr schmackhaft, doch schützen sie das Volk vor der Möglichkeit einer Hungersnoth, (iinc mihmnische Solanec trägt eine gelbe Frucht von dcr Größe einer Pfirsich, deren Geschmack dem der Erdbeeren ahnlich sein soll. Die Dava oder Indava, die sowohl von den Fidschianern als den Weißen sehr geschätzt Wird, wächst auf einem 50 Fuß hohen Baume, und hat ungefähr die Größe und die Form eines Hühnereies, nur daß sie an beiden Enden abgeflacht ist, besitzt eincn >iern, und ihr Fleisch slrolU von einem klebrigen, honigsüßen Safte. Man vergleicht sie mit ocm Veechee, dem löstlichsten Obste der Chinesen. Die Taravou, eine pflaumengroße Frucht, die ebenfalls auf einem holM Baume wächst, hat eineil bitteren, etwas scharfen Geschmack, der den Ein-gebomen sehr zusagt, und au welchen auch der Weiße sieh bald gewöhnt. 397 Von der Brodfruchl, die Wittes nirgends wohschmeckender fand. als hier, werden nenn verschiedene Arten kultivirt, und auch von der Bauane gibt es 5i oder !i Spielarten. Die auf Tahiti und Samoa wild wachsende Perg-banane oder i'^^>m") und eine Art mit nankinfarbigen Fasern. Während Wittes' Aufenthalt in Fidschi ließ er dort einen Garten anlegen, wo einige interessante Erfahrungen über die Schnelligkeit der Vegetation gemacht wurden. Bon Rüben, Rettigen und Senf erschienen die Samenlappen über dem Boden schon 24 Stunden nach der Aussaat. Melonen und Gurken kamen schon nach 3 Tagen Mi Vorschein. Bohnen und Erbsen nach vieren, und innerhalb eines Monats waren Rettige und Gartensalat schon genießbar. Vom Reichthum der Flora wird man sich überhaupt einen Begriff machen können, wenn man erfährt, daß, obgleich es den Botanikern der Wiltes'schen Expedition durchaus nicht gestattet war das Innere der großcn Inseln zu bereisen, sie dennoch binnen wenigen Monaten über l>50 verschiedene Pslanzcnarten sammelten, und co ist nicht daran zu zweifeln, daß eine Menge der nutzbarsten Gewächse der tropischen und subtropischen Zone sich diesen einheimischen Schätzen noch anreihen tonnte, da die verschiedenen TeMpcraturverhältnissc an den Küsten nnd im höheren Gebirge eine große Mannigfaltigkeit der Vegetation zuläßt. Das Klima des Fidschi Archipels kann wie anf allen größeren polync-sischen Inseln je nach der östlichen oder westlichen Lage in ein nasses oder trockenes unterschieden werden, da die dem Passate zugekehrte Seite durch häusige Regengüsse bewässert wird, während die westlichen Pergabhänge an oft lange anhaltenden Dürren leiden. Der Unterschied der Temperatur ist jedoch gering, nnd die Verschiedenheit des Klimas zeigt sich viel auffallender im Charakter der Vegetation. Vom April bis November herrschen die östlichen Winde vor; während von November bis April die nordlichen häufig sind. Im Februar kommen manchmal orkanartige Stürme vor. Man kann sich dentcn, oas; in einem solchen 7,nselgewirr die Fluthen sehr unregelmäßige Erscheinungen darbieten. Ihr höchstes Steigen und Fallen beträgt ungefähr <» Fuß. Erdbeben kommen häufig vor. Die ersten Endectungen im Fidschi Archipel verdauten wir dem vortrefflichen holländischen Seemann Abel Tasman, der im Jahre 16^ die nördlichen Inseln zuerst erblickte, und ihnen dic Namen Prinz Wilhelm Inseln und Heemsterl's Untiefen gab. Erst lange nach ihm er- 399 schimrn (^oot i 177^—1777). Bligh sl7tt9), Barber (1794) und Wilson in diesen Gewässern, wo sie ihren rühmlichen Pfad dmch neue Entdeckungen bezeichneten; der erste jedoch, der dcn Archipel genauer untersuchte war Dumont D'Urville, der ll->27 Me noch unbekannten größeren Inseln des Archipels der Dunkelheit entriß, in welcher sie damals noch für den Geographen schwebten, während der abenteuerliche Sandelholzsammler sie längst schon kannte. Noch größere Verdienste um die Kenntniß des Archipels hat sich jedoch der Amerikaner Wittes erworben. 'Monate lang hielt er sich dort auf, und während dieses ganzen Zeitraums waren außer dcn ä Schiffen seines Geschwaders 17 Boote mit der Aufnahme der Küsten nnd andern hydographi schen Arbeiten fortwährend beschäftigt. Oft blieben die Boote wochenlang von den Schiffen entfernt, wobei Offiziere und Matrosen nur selten an's Land stiegen und beständig vor der Treulosigkeit der Eingrborncn auf der Hut sein mußten. An Fußexcursionen in's Innere der Inseln war damals noch gar nicht zu denken, nur was in der unmittelbaren Nachbarschaft der Küste gewissermaßen unter dcn Kanonen der Schisse lag, konnte ohne Gefahr betreten werden. Von der früheren Geschichte der Inseln wissen wir wenig. Zu Anfang dieses Jahrhunderts war Verata die Hauptstadt, deren Beherrscher der ganzen Gruppe Gesetze vorschrieb, lim das Jahr 180N brachten aber Pulver und Schießgewehr eine nicht minder bedeutende Umwälzung in den fidschischen Zuständen hervor als im Mittelalter auf der großen historischen Bühne unseres Welttheils. Die Brig „Elisa" scheiterte auf einem Niff der kleinen Insel Nairai gegenüber, und da die gerettete Mannschaft mit Flinten und Muuition wohl versehen war, so erlangte sie dadurch ein bedeutendes politisches Gewicht. Ulivau, Häuptling von Pao oder Ambau, fesselte sie durch vielfache Begünstigungen an seinen Dienst. So genoß der Schwede „Charley Savage" der eine Zeit lang die größte Nolle spielte, das Vorrecht gleich den Eisten des Landes 100 Frauen zu besitzen. Mit Hülfe der Europäer schüttelte Ulivau da? Joch von Verata ab, nnd schwang sich zum Nange des bedeutendsten Häuptlings der Inseln empor. Er starb ttt29, die Herrschaft seinem Sohne Tanoa überlassend, der zwar später vertrieben wurde abcr im Jahr 1^37 das Mcich zurückgewann. Als Wittes die Gruppe besuchte s1840) gehorchte sie den sieben großen Häuptlingen von Amban, Newa, Verata, Mnthuata, Sonm-somu, Naitasiri 40i> und Mbua. Die geringeren Häuptlinge auf den verschiedenen Inselil waren mehr oder weniger einem jener Potentaten verbunden oder Unterthan, und wechselten dir Herrschaft oder die Allianz je nach dcn Schwankungen del ewig fortdauernden Kriege. Der mächtigste von alM war damals Tanoa König von Ambau. der von dieser kleinen aber vortheilhaft gelegenen Insel aus die Küsten weit und breit beherrschte. Die Bevölkerung der ganzen Gruppe wurde von Wittes auf l 30,000 geschätzt, wobei er die Bemerkung macht, daß die überall zwischen Nachbarn herrschende Feindschaft, die es nicht zuließ, daß die Einwohner verschiedener Distrikte sich gleichzeitig um die Schiffe versammelten, eine größere Sicherheit der Rechnung als es sonst wohl auf andern Gruppen der Fall sein mochte, gestattete. Bei der ansehnlichen Größe der Inselgruppe und der außerordentlichen Fruchtbarkeit ihres Bodens, könnte natürlich die Vcvotterung ungleich bedeutender sein, aber die ewigen Fehden, die das unglückliche Land verwüsten und ein ri'iclsichtßloscr Despotismus, wie er vielleicht auf Erden sich nicht wiederfindet, haben sie bis jetzt stets in enge Schranken zurückgehalten. Vergleicht man die unendlichen Neize, welche die verschwenderische Natur über diese lieblichen Inseln ergossen hat, mit der unsäglichen Barbarei ihrer Bewohner, so gibt cs wahrlich lein Land und kein Volk von dem mit g>b ßcren Rechte Byron hätte sagen können: Strange that where Nature luv'd to trace As if for Gods a dwelling-place, And every charm and gr;icc hath mixM Within the jiitradiso she fix'd, There man enunimir'd of dintrtwa Should mar it into., wilderness . , , . It is as though the fiends prevail'd Against the seraphs they nsuail'd, And fix'd on heavenly throne» slnmM dwell The freed inheritors of hull: Ho soft the scene, so form'd for joy Öo carat the tyrants thai destroy! Die meisten oceanischen Völker waren mehr oder weniger der Mensche«' frcsserei ergeben, und einige sind es auch noch, aber sie begnügte» sich die im kriege gefallenen oder gefangenen Feinde zu verzehre», oder von dem Fleische der Opfer zu kosten, die bei außerordentlichen religiösen Festen geschlachtet wurden, während die Fidschianer bis in die jüngste Z^it (5anm- 401 balen mit Lust und Liebe waren, und trotz der neuesten Fortschritte des Christenthums, es wohl größtenthcils noch immer sind, Daß Verlangen nach Menschenfleisch ist oft der einzige Beweggrund ihrer Kriege, und befangene werden nur gemacht, um für die Schlachtbank gemästet zu werden. Ist die Opferstunde gekommen, denn das scheußliche Mahl geht immer unter gewissen religiösen Ceremonien innerhalb des Mburc oder Tempels vor sich, so werden die Unglücklichen mit dicht anschließenden Armen und Beinen so fest geknebelt, daß sie kein Glied rühren können. Dann setzt man sie in den gewöhnlichen Ofen auf heiße Steine, bedeckt sie mit Blättern und Erde, und bratet sie langsam zu Tode. Nur die Häuptlinge und Priester genießen das Vorrecht, an diesen Mahlzeilen Theil zu nehmen; die Weiber dürfen nicht den Mbure betreten, doch sollen die Lieblingsfrauen der Großen im Ge-heimen vom verbotenen Gerichte kosten. So sehr ist Menschenfleich bei diesem Volke beliebt, daß wenn sie den Geschmack einer Speise rühmen wollen, sie von ihr sagen, daß sie jenem an Zartheit und Wohlgeschmack gleich kommt, Das Fleisch der Weiber wird dem der Männer vorgezogen; und das Gehirn, sowie der Oberarm über dem Elbogen und die Schenkel gelten für die köstlichsten Bissen. Einige der untrr diesen Wilden lebenden Weißen versicherten Wilkes, daß die Leichen der gefallenen Feinde zuweilen aus so weiter Ferne hergebracht würden, daß sie schon ganz grün aussähen und das Fleisch von den Knochen siele, man stc aber dennoch mit Gier verzehre. Glücklicher Weise findet das Fleisch der Weißen bei diesem scheußlichen Kannibalenvolk keinen Beifall, da es einen salzigen unangenehmen Geschmack besitzen soll. Wenn der Krieg nicht hinreichende Opfer liefert, so werden sie durch Ankauf ge^ Wonnen, und da? Leben eines Menschen wird dort so gering geachtet, daß man es mit einem Cachalotzahn theuer genug zu bezahlen glaubt. Gemeinschaftliche Feste werden manchmal von den Häuptlingen veranstaltet, wozu jeder ein Schwein liefern muß', bei solchen Gelegenheiten pflegte aber der mächtige Tanoa aus Stolz und Prahlerei stets einen Menschen herzugeben. Bei besonders großen Feierlichkeiten sind schon hundert Weiber und Mädchen auf einmal gebraten und verzehrt worden. Als Rivaletta, Tanoa's jüngster Sohn, einst mit seinem (5anot um die nördliche Spitze von Ovolau fuhr, sah er einige Leute am Ufer mit Fischen beschäftigt, ssr beschloß sogleich sich ihres Fanges zu bemächtigen, ließ cilig an's Land rudern, und schoß auf die Fliehenden. Seine Kugel tödtete einen jungen Neffen Tui Levuka's, des mit Tanoa verbündeten Häuptlings von 402 Ovolau, doch wurde nphts destoweniger dir L^che nach Ambau gebracht, um dort verzehrt zu werden, nachdem man zuvor das Gesicht durch Rösten über einem Feuer untenntlich gemacht hatte. Tanoa jedoch erfuhr den Mord und schickte sogleich dem Tui Levuka einen Cachalotzahn zur Sühne, nebst einer Anzahl kleiner Finger, die er seinen Vasallen in Ambau abschneiden ließ. Diese Gaben wurden als eine vollkommen hinreichende Genugthuung angesehen, und des Vorgefallenen ward keines Wortes mehr erwähnt. Wie cs in Europa im rohesten Mittelalter nur in befestigten Städten oder Burgen Sicherheit für Eigenthum und Leben gab, so sind auch überall auf Fidschi die Dörfer mit Mauern umschlossen und auf schwer zugänglichen Felsen erbaut. So groß ist die Furcht vor feindlichen Ueberfällen, daß sie glücklicher Weise häufig deren Gelingen verhindert, da bei dem geringsten Anschein von Gefahr die schwächeren Stämme sogleich sich hinter ihre Verschanzungen flüchten, wo sie nur selten mit offener Gewalt angegriffen werden, dcuu wenn das listige Heranschleichen mißlingt, wird gewohnlich die ganze Expedition für verfehlt erachtet und der Angriff bis zu einer günstigeren Gelegenheit verschoben. Von den unzähligen Mordgeschichten, welche die Annalen des Landes bestecken, will ich nur ein paar Beispiele auführen. Die Insel Maliki war einst von zahlreichen Fischern bewohnt, welche jährlich eine gewisse Anzahl Schildkröten dem Tanoa liefern mußten. Unglücklicher Weise erlaubten sie sich eines Tages eins dieser für den Htönig bestimmten Thiere zu essen. Um ein solches Majestätsverbrechen zu bestrafen ward sogleich eine Expedition ausgerüstet, welche alle Männer und Frauen auf der Insel tbdtete und alle Kinder in die Gefangenschaft fortschleppte. Als die Pirogen nach Ambau zunickkehrten, ließ man eine Anzahl dieser unglücklichen Geschöpfe als Siegestrophäen von den Masten und Segeln herabhängen, während man den andern einstweilen das ^eben ließ, damit dir heranwachsende Generation sich in der Dinst dc« Mordens an ihnen üben könnte. Im Jahr lftäl stellte sich Namosimalua, Häuptling von Viwa, als ob cr Krieg mit Ambau anfanden wollte, und sandte einen Boten au die Fischer von Vcrata, um sich deren Mitwirkung z« erbeten, die ihm bereitwillig versprochen wurde. Namosimalua und Seru, Tanoa's Sohn, setzten indessen das heuchlerische Spiel der Feindschaft fort, und am Tage wo die Schlacht geliefert werden sollte, fielen beide auf die nichts weniger als einen solchen Angriff von Seiten ihrer falschen Verbündeten erwartenden Fischer 403 und tödteten lM der Betrogenen. Doch griffen die Andern nach der ersten Ueberraschung so energisch zu den Waffen, daß sic die Mörder mit großem Verlust in die Flucht schlugen. Die feudale Unterdrückung hat auf Fidschi eine Hohe erreicht, wie sie vielleicht sonst nirgends in der Welt vorkommt, und so sehr ist das Volk durch die Gewalt der Häuptlinge unb Priester eingeschüchtert, daß es die frechste Willkür mit stumpfer Ergebung ertragt. Wenn Tanoa mit seiner mächtigen Doppelpiroge das blaue Meer durchschnitt, machte er sich oft ein Vergnügen daraus kleinere Boote, die ihm begegneten, im vollen Segeln in den Grund zu bohren. Der bereits erwähnte Nivaletta kam einst in ein ihm gehörendes Dorf und befahl man solle ihm sogleich zu essen gcben. Die armen Einwohner, welche aus Erfahrung wußten, daß es nicht gerathen sei den gnädigen Herrn lange warten zu lassen, beeilten sich dem Befehl zu gehorchen, und setzten ihm in ihrem allzugroßen Eifer nnr unvollkommen gebratene Speisen vor. Sogleich riefen die Höflinge — denn diese Schmarotzerbrut begleitet überall die Gewaltigen -^ daß das Fleisch ganz roh sei, und die Frechheit dieser Leute nicht unbestraft bleiben müsse. Rivaletta über die vermeintliche Beleidigung erzürnt, befahl daß augenblicklich alle Dorfbewohner sich vor der Hütte versammeln sollten, wo er sich eben aufhielt, und auf deren Vorplatz zufällig eine Menge Bimsteine herumlagen. Die Unglücklichen kamen auf Händen und Knieen herangekrochen und erwarteten stillschweigend den Aus-bruch seines Zornes. Nachdem er sie eine Zeitlang in dieser Stellung hatte warten lassen, trat endlich Rivaletta aus der Hütte hervor, überhäufte sie mit einem Strom vvn Schmähungen und sagte zuletzt, er wisse nicht wie er sie bestrafen solle, da sie mit dem einfachen Tode viel zu wohlfeilen Kaufes davon kommen würden. Ein Höfling machte hierauf die gehorsamste Bemerkung, daß für solche elende Sclaven der Vimstein, anf welchem sie krochen, eine passendere Speise sei als ungarcs Schweinefleisch für den großen Häuptling Nivaletta, worauf dieser mit beifälligem Lächeln den armen Kaisis (Selaven) befahl, ihr unverdauliches Mahl augcnblittlich zu beginnen, was sie auch mit so thätigem Gehorsam thaten, daß in kurzer Zeit aller Pim stein vom Boden verschwunden war. Wenn ein bedeutender Häuptling ein Haus banen ließ, wurde am Fuß ciues jeden Tragebaltens ein Mensch lebendig begraben, um durch dieses den bösen Geistern gefällige Opfer die Dauer des Gebäudes zu sichern. Aus 20" 404 demselben Grunde befahl Tanoa jedesmal zehn orer mehr Menschen auf dem Verdeck eines neugezimmcrtrn (^anots zu schlachten, damit cs gehörig mit Blut gewaschen würde'. auch lies^ man dasselbe über hingestreckte Sclaven, die als Rollen dienten, zum ersten Mal in die See gleiten. Die religiösen Begriffe der Fidschianer, statt die sanfteren Gefühle des Herzens zu nähren, wirkten nur auf denn Unterdrückung hin, und man gab sich alle Mühe eine gründliche Verachtung aller mitleidigen Regungen und eine Bewunderung für unbarmherzige Grausamkeit der jugendlichen Seele einzuflößen, da nur ans diese Weise daß Wohlgefallen der böswilligen Götter, welche das witische Pantheon bevölkerten, erworben werden tonnte. Ihnen zu Ehren wurden unzählige Schlachtopfer gemordet, und wehe dem Schift-brüchigen, bei dem das geringste Zeichen seines Unglücks zum Vorschein kam, denn wäre er nicht augenblicklich erschlagen worden, so hätte die allzu menschliche Versäumniß seines Todesurtheils, wie ein schweres Verbrechen, den Zorn nnd die Rache der empörten Geister auf sich gezogen. Der Hauptgott des witischcn Heidenthums ist Ov«'> der Schöpfer aller Menschen, der im Himmel oder im Monde wohnt. Alle bekannte Menschen-raeen stammen nach einer für die Fidschianer, eben nicht sehr schmeichelhaften Sage von einem einzigen Paare ab. Der Erstgeborene war der Fidschianer, der sich schlecht aufführte und daher schwarz wurde uud nur wenig Kleidung erhielt; auf diesen folgte der Tongancr der sich schon besser benahm, und zum Lohn eine etwas hellere Haut belam und mit einer reichlicheren Garderobe beschenkt wurde; endlich kam der Weiße zur Welt, den Ovo wegen seines guten Betragens mit der lichten Farbe und cinem Ueberfluf; von Kleidern begabte. Nach Ov« ist Ndengei, der in der Form einer Schlange eine Höhle auf Viti Levu bewohnen soll, der am allgemeinsten anerkannte Gott. Vor seinem Richterstuhl muß die Seele sofort nach dem Tode erscheinen, um gereinigt zu werden, oder daß Urtheil zu empfangen. Doch können nicht alle Seelen ihn erreichen, denn ein mit einer ungeheuren Art bewaffneter Riese hält beständig Wache und sucht alle zu treffen, die an ihm vorbeigehen wollen. Die Verwundeten dürfen sich aber nicht dem Ndengei vorstellen und irren trostlos im Gebirge umher, während die Freigesprochenen nacb ihren früheren Wohnsitzen zurückkehren und in der Nähe des Tempels am Dufte der Opfer sich laben. Uebrigens hängt es nicht vom guten oder bösen Betragen während des Bebens ab, ob die Seele dem Arthiebe des Niesen entgeht, sondern einzig und allein vom guten Glück. 405) Der wohlthätige Ra tuinaimbulu bvingt ten Brodbaum zur Blüthe, sonst zeichnen sich fast alle Götter durch blutdürstige Grausamkeit aus, und geben ihren Charakter schon durch ihren Namen zu erkennen, wie Mai-natavasara „der eben vom Schlachten gekommene" und Batimona „der Menschenhirn Liebende/' Kein Wunder, das; die Verehrer solcher Götter sich endlich zu den scheußlichsten Kannibalen herausbildeten, die vielleicht die Welt jemals gesehen hat. Jedes Dorf hat wenigsten? ein Mbure oder Geisterhaus, welches auch zu öffentlichen Versammlungen, zu geselligen Zusammenkünften oder zur Beherbergung der Fremden dient. Vor jeder wichtigen Unternehmung wird der Mambetti oder Priester feierlich zu Rathe gezogen. Der erste Häuptling eröffnet die Sitzung, indem er ihm einen ssachalotzahn reicht. Diesen empfängt der heilige Manu und betrachtet ihn eine Zeillang mit stieren Blicken, ohne die geringste Bewegung zu machen, Dock) bald verzerrt sich sein Gesicht, seine Glieder fangen an zu zittern, seine Augäpfel rollen Wild in ihren Hohlen umher; Todtenblässe und apopleetische Rothe wechseln in seinem krampfhaft zuckenden Antlitze, die Thränen rollen über seine Wangen herab, seine Prust keucht, und sein ganzes Aussehen gleicht dem eines Wahnsinnigen. Ein heftiger Schweiß bricht aus allen Poren hervor, die Zeichen der höchsten Aufregung mäßigen sich allmählig, Erschlaffung tritt ein, und durch einen Keulenschlag auf den Vodcn verkündigt der Priester, daß der Gott von ihm gewichen sei, für dessen unmittelbare Eingebung alle die unzusammenhängenden Worte gehalten werden, die er in seinem verzückten Zustande aussprach. Das Priesteramt ist gewöhnlich erblich, manchmal jedoch geht es auch auf andere Personen über. Wenn zum Beispiel ein Mambetti ohne männliche Nachkommen stirbt, so nimmt irgend ein Candidat, der gerne ein bequeme? Leben führen möchte, eine geheimnisvolle Miene an, zieht sich von der menschlichen Gesellschaft zurück und gibt zu verstehen, daß er mit den Geistern verkehre. Nachdem er gehörig auf nervöse Paroxysmen eingeübt, öffentliche Proben seiner Tüchtigkeit zum Dienste abgelegt hat, nimmt er dann ohne weiteres theologisches Er.amen den leeren Mbure in Besitz. Gewöhnlich wird von den Fidschianern der Tod als der Uebergang zu einem glücklicheren Zustande angeschen, so daß, wie Wittes versichert, die Mehrzahl sich danach sehnt, um den Schwächen des hohen Alters oder einem schmerzhaften Krankenlager zu entgehen. Es gehölt daher zu den alltäg« lichen Ereignissen, daß ein Vater oder eine Mutter ihren Kindern zu ver- 406 stehen geben, daß sie zu sterben wünschen, oder daß ein Sohn seine Eltern daran erinnert, daß es endlich cinmal hohe Zeil für sic sei ans jenseitige Veben zu denken. Den Alten bleibt dabei die Wahl überlassen, lebendig begraben oder vorher noch erdrosselt zu werden. Freunden und Verwandten wird der Entschluß mitgetheilt, und der Tag festgesetzt, deu man gewöhnlich zu einer Zeit wählt, wo Ignamen und Tarowurzeln reichlich vorhanden sind, damit es dem Feste am nöthigen Glänze nicht fehle. Am bestimmten Tage bringen die Eingeladenen Tapatuch, Malten und Oel als Gescheute mit, und werden wie bei gewöhnlichen Begräbnissen empfangen. Die Ge-sellschaft bleibt traurig im Kreise sitzen, bis endlich dcr Alte, dem alle diese Ehren gelten, sich erhebt und die Stelle zeigt, wo er wünscht, daß ihm sein Grab gegraben werde. Während einige mit dieser Arbeit beschäftigt sind, schmücken ihn andere mit einem neuen Maro und Turban. Hierauf wird er ins Grab geführt, während die Verwandten und Freunde laut flagcn sich die Brust zerschlagen odcr sich mit Messern zerschneiden. Einer nach dem andern uimmt Abschied von ihm mit einem letzten Kuß, dann deckt man ihn mit Matlen und Tapa zu, und wirft Erde darüber, welche sogleich fcst^ gestampft Wird. Ist dieses geschehen, so ziehe,, sich alle schweigend zurück. In der folgenden Nacht besucht der Sohn das Grab und legt ein Stück Ava Wurzel darauf, welches der Veitala oder letzte Abschied genannt wird. Beim Tode eines Häuptlings werden stets auch mehrere seiuer Frauen geopfert, damit es ihm im künftigen Leben nicht an Gesellschaft und gehöriger Pflege fehle; manchmal sogar geschieht es auf die eigene Bitte der Weiber, denn diejenige, welche den Tod mit der größten Standhaftigteit empfängt wird im Reiche der Geister auch die Vicolingögemahli» sein. Nach vicsen Gebräuchen wird man sich nicht wundern, so wenige Greife unter den Fidschianern anzutreffen; und eben so selten kommen Krüppel und verstümmelte oder mißgestaltete Personen vor. Einem Knaben wurde das Bein von einem Haifisch abgebissen, und obgleich ein Weißer ihn pflegte, erdrosselten ihn dennoch die Verwandten, damit seine Verstümmelung der Familie keine Schande brächte. Einem langwierigen Krankenlager wird auf gleiche Wcisr vorgebaut. Sich unter Wilde von einem so blutdürstigen Charakter zu wagen, setzt gewiß einen seltenen Grad von Muth odcr Tollkühnheit voraus, dennoch hat es, seitdem die Fidschiinscln der Handelswelt bekannt wurden, niemals a» waghalsigen Spekulanten gefehlt, welche die HofMng eines reichen Gewinnstes nach jcnem bcrüchtiglcn Archipele loctie. 407 Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts zog die Entdeckung des Sandes Holzes eine Menge Schiffe aus Calcutta, Manilla nnd den australischen Häfen« nach der Bna Bucht auf Vanua Levu, bis endlich die gänzliche Erschöpfung dem damals noch viel einträglicheren Handel ein Ende machte. Später wurden der gleichfalls von den Chinesen so beliebte Trepang und das reichlich vorkommende Schildpatt zu dm hauptsächlichsten Artikeln. Zum Einsammeln des Trepang oder der eßbaren Holothurien wird erst mit einem der Häuptlinge ein Akkord abgeschlossen. ' Dieser übernimmt den Bau eines großen Schoppens zum Trockne» und läßt seine Unterthanen fischen oder tauchen, da die beste Sorte sich in Tiefen von l» bis 12 Fuß aufhält, wahrend die geringere bei der Ebbe auf den bloßgelegten Riffen umherkriecht. Nicht nur bei Tage, sondern auch bei hellem Mondschein oder Fackcllicht, so groß ist die Durchsichtigkeit jener krystallenen Gewässer werden die Thiere auf dem Vorallengrunde eingesammelt, da sie nm diese Zeit sich lebhaft nach Beute umsehen. Der gewöhnliche Preis, den der Häuptling für ein ganzes Faß Holothurien, so wie sie gelandet werden, erhält, ist ein Pottfischzahn oder dessen Werth an Flinten, Schieß, bedarf, Zinnober, Glasperlen und blauen Cotonnaden. Nachdem die Thiere aufgeschlitzt und gereinigt worden sind, wirft man j^ in große Kochtbpfe, wo sie etwa eine halbe Stunde in ihrem eigenen Safte schmoren, legt sie dann auf Gitterplatten zum Abträufeln und bringt sie endlich in das Darrhaus, wo sie über einen« langsamen Feuer vollständig ausgetrocknet werden. Man kann sich denken, daß diese Arbeit in der glühenden Tropenzone eben nicht zu den angenehmsten gehört; doch danach wird der Häuptling eben so wenig fragen, wie der Pflanzer, ob das Abhauen des Zuckerrohrs in der Sonnenhitze seinen Sclaven gesällt. Eapitän Eagleston, ein Amerikaner der schon öfters die Neise gemacht hatte, erzählte seinem Landsman« Wittes, der ihn auf den Fidschiinfeln antraf, daß er auf diese Weise in einem Zeitraum von 7 Monaten mit einer Auslage von etwa ci000 Dollars eine Ladung von 1200 Pekols (5 125 Pfund) gesammelt habe, die er in Canton fnr 25,000 Dollars zu verkaufen hoffe. Die schieferige Mcerschildkrbte, welche das kostbare Schildpat liefert, wird von den Häuptlingen in großen Behältern und zum Schälen aufbewahrt, ungefähr so, wie man bei uns die Schaafe schecrt. Ein brennendes Stück Holz wird nah an die äußere Schale gehalten, bis sie sich auflrämpt 408 und von der darunterliegenden etwas ablöst. In den auf solche Weise entstehenden Spalt werden nun kleine Holzpflöckchen getrieben, Welche das ganze Schuppenlleid vom Rücken entfernen. Nach dieser sehr schmerzhaften Operation, die aber durchaus nicht todlich ist, wird das Thier wieder in den Behälter gesteckt, wo es alle Zeit hat sich zu erholen und von Neuem zu beschuppen. Das Schildpatt ist so werthvoll, daß man in Manilla den Pekul mit 2 bis M! Dollars bezahlt. Der bereits erwähnte Kapitän Eagleston der auf seinen verschiedenen Reisen 44W Pfund Schildpatt von den Fidschianern gegen Waaren verhandelte, die ihm 5700 Dollars getostet hatten, verlauste es später in New Zjork für 29,050 Dollars. Allerdings kein zu verachtendes Geschäft, aber zugleich auch ein wohl-verdienter Lohn, wenn wir bedenken, daß die Fidschiinseln in einem so schlechten Rufe stehen, daß kein dorthin handelndes Schiff versichert werden kann, und daß die Führung eines solchen Unternehmens einen seltenen Grad von Porsicht, Wachsamkeit, Geistesgegenwart und Festigkeit, nebst einer vollständigen Kenntnis; des Voltscharakters erheischt um allen dort drohenden Gefahren gewachsen zu sein. Keiner großen Piroge darf jemals gestattet werden, sich ans Schiff zu legen. Netze zum Verhindern des Enterns müssen stets rings um das Verdeck ausgespannt fein: besonders wichtig ist es einen hohen Häuptling als Geißel beständig an Bord zu haben und nur in staH bewaffneten Gesellschaften darf man es wagen ans Land zu gehen. Wenn die Wilden am freundlichsten sind - dann muß die Wachsamkeit wo möglich sich verdoppeln. Schon mancher Seefahrer hat seine Nachlässigkeit oder sein blindes Zutrauen mit dem Leben gebüßt. So war im Jahre 1833 der französische Capitän Bureau mit seinem Schiff „Aimable Josephine" bereits Monate lang zwischen den Inseln umhergekreuzt, als ein junger Fidschianer, den er in der Zwischenzeit mit nach Tahiti genommen und von dort wieder zurückgeführt hatte, und der ihm außerordentlich zugethan schien, mit einigen Bewaffneten an Bord kam. Der Jüngling näherte sich mit lächelnder Miene und sagte dem Capita« er solle doch mit dem Fernglase nach dem Lande sehen, wo eben eins seiner Boote gestrandet sei. Bureau nahm sogleich das Teleseop zur Hand, doch so wie er es auf den bezeichneten Ort richten wollte, erhielt er einen Keulenschlag auf den Kopf, der ihn leblos hinstreckte. Auch die übrige Mannschaft wurde ermordet, und das Schiff ausgeplündert, welches später ein Amerikaner 409 kaufte, der die Gelegenheit ein gutes, wenn auch eben nicht sehr ehrenvolles Geschäft zu machen, nicht versäumen wollte. Bureau war schon öfters auf die Gefahr aufmerksam gemacht worden, so viele bewaffnete Insulaner an Bord zu dulden, hatte jedoch immer nach der leichtsinnigen Weise seines Volkes alle Warnungen verschmäht. Bei seiner zweiten Neife nach Fidschi (Oct. l838) rächte D'Urville das Verrätherische Attentat durch die Einäscherung des Ortes Piva, doch ohne großen Eindruck auf die Wilden zu machen. Ein ähnlicher Angriff auf die englische Brig „Sir David OgilbY" wäre fast aus dieselbe Weise geglückt. Der Cavitän Hutchins hatte bereits alle nothigen Anstalten zur Errichtung eines Trepanghauses zu Verata in der Bucht von Ambau getroffen, welches unter der Aufsicht eines Rewa Jack genannten Europäers gestellt werden sollte, während das Schiff zwischen den Inseln herumkreuzte. Ein großer Kessel war schon gelandet nnd die Handelsliste mit Manufacturwaaren, Flinten und Cachalotzähnen stand auf dem Verdeck, bereit ans Ufer gebracht zu werden. Unterdessen waren viele Ein' geborne, unler andern Finowlangi, der Häuptling von Verata, an Bord gekommen, und eine noch gröbere Menge hatte sich in Pirogen um das Schiff versammelt. Man war eben mit allen Vorkehrungen zur Abfahrt beschäftigt; schon waren die Anker gelichtet, die Segel angespannt, ein Matrose befand sich im Vordertop und der Capitän mit dem Hirschfänger in der Hand ging anf dem Verdecke auf und ab, die nöthigen Befehle ertheilend. Da greift ihn unversehens Finowlaugi von hinten an, und streckt ihn mit einem Keulenschlage zu Boden. Der sogleich herbeieilende Unterbefehlshaber wird ebenfalls erschlagen und nicht besser ging es einem Matrosen, der eben im Begriff war, über Bord zu springen. Glücklicher Weise hatte man eine Kiste mit Musketen und Schießbedarf auf den Vordertop gebracht, mit welchem sogleich der dort stationirte Matrose ein erfolgreiches Feuer auf die auf dem Vorderdeck befindlichen Wilden eröffnete. Zwei andern, zu welchen auch Rewa Jack gehörte, gelang es, zu ihm zu flüchten; während die übrigen in den Schisssraum stürzten, um dort nach Waffen zu suchen, so daß einstweilen die Wilden vollständig im Besitz des Verdeckes blieben. Bald jedoch wurde das Feuer vom Vordertop so mörderisch, daß sie anfingen über Bord zu springen, und es der Mannschaft gelang, auf das Verdeck zurückzukehren und dasselbe vollständig zu säubern. Alles dieses war das Werk von nur wenigen Minuten, Worauf das glücklicher Weise segclfertige Schiff sogleich nach Vevuta fahren konnte, wo es am folgenden Tage ankam. Das Attentat war wahrscheinlich 410 aus einem augenblicklichen Antriebe hervorgegangen, denn viele der stinge-bornen schienen nicht minder überrascht als die Maynschaft, und bei reiflich überlegtem Plane wäre auch schwerlich daß Schiff den räuberischen Wilden entkommen. In revuka befand sich damals ein amerikanischer Kapitän, der, welcher, da das Schiff seine Offiriere verloren hatte, es untcr gehöriger Veitung nach Sidney bringen lief;. Sogar Wittes verließ Fidschi nicht ohne empfindlichen Verlust, da sein Lieutenant n»d sein eigener Neffe, welche die Unvorsichtigkeit begingen, ohne gehörige Bewaffnung und Begleitung an's Vand zu gehen, auf der Insel Malolo meuchlerisch erschlagen wurden. Um diese Unthat zu rächen wurden von den Amerikanern einige Dörfer niedergebrannt, viele der Wilden getödtet und die Häuptlinge gezwungen, um Gnade zu flehen und sich als überwunden zu bekennen. Mit diesen gegen fremde Schisser so häufig ausgeübten Raubmorden fchrint es in seltsamem Widerspruch zu stehen, das; einzelne Weiße oft jahrelang unbeläsligt auf den Inseln verweilen, wenn auch manchmal im Besitz von Waffen und andern Gegenständen, die wohl geeignet wären die Habsucht der Wilden zu erregen, und obgleich letztere nicht selten allen Grund haben sich über diese Menschen zu beklagen. Vielleicht werden sie ale- Gäste betrachtet, während Schiffbrüchige und unfreiwillig an deu Strand getriebene als von den Gottern zugesandte Opfer angesehen werden. Auch in Europa herrschten ja noch im vorigen Jahrhundert die Gräuel des sogenannten Strandrechts. D'Urville fand in ^evuka eine kleine Kolonie von 10 bis 12 Cnglän^ dern und Amerikanern, die schon seit mehreren Jahren sich dort aufhielten und durch ihr einträchtiges Zusammenhalten, besonders aber durch die Waffen womit sie versehen waren, großen Einfluß über den dortigen Häuptling ge-Wonnen hatten und auf ihre Weise cin ruhiges glückliches Leben führten. Auf ihre Erklärung, daß sie sich von der Insel zurückziehen würden, wenn Kannibalenseenen noch in ihrer Nähe vorfielen, gingen die lMgebornrn sogar jedesmal in die Berge, wenn sie eins ihrer abscheulichen Vieblingsmahle halten wollten. Wahrscheinlich wußte der Häuptling recht gut, von welchem Mhen ihm diese kleine Bande im Kriege fein könnte und suchte sie daher um jeden Preis für seine Interessen zu gewinnen. Nach allem was ich bisher über die verwilderten Sitten der Fidschianer berichtet habe, wird man gewiß erwarten sie in jeder andern Beziehung auf 411 der niedrigsten Stufe der Barbarei zu finden' doch ist dieses durchaus nickt der Fall, da sie an Kunstfleiß den übrigen Völkern Polynesien's nicht nur nicht nachstehen, sondern dieselben sogar übertreffen. So sind ihre Pirogen nach dem vollgültigen Zeuguiß von D'Urville und Wilkes die besten der ganzen Südsee. Sie werden gewöhnlich doppelt gebaut und die größten erreichen eine Länge von 100 Fuß. Die zwei Theile, ans welchen die Dop' pelpiroge besteht, sind von verschiedener Größe und durch Balken verbunden, auf welche ein etwa 15 Fuß breites Gerüste gelegt wird, welches 2 oder !.j Fus; über die Seilen hinansnigt. Der Schiffsraum ist gewöhnlich 7 Fuß tief und die zwci ^nden des Hauptbootes find ungefähr 20 Fuß weit überdeckt um das Eindringen der Spritzwellen zu verhindern. In der Mitte ist gcwohnlich eine kleine Ueberdachung errichtet um die Mannschaft vor dem Regen zu schützen, und darüber erhebt sich noch eine Platte, auf welcher mehrere Personen sitzen können. Die Segel, Welche so groß sind, daß sie außer allem Verhältnis; zur Piroge zu stehen scheine», sind aus biegsamen Matten verfertigt. Der Mast hat ungefähr die halbe Länge des Canots, und die Raa ist noch einnnil so lang als der Mast. Beim Segeln muß das kleinere Boot ober der Ausleger stets nach der Windseite gerichtet sein. Mit einem breiten Nuder wird gesteuert. Bei ruhigem Wetter segelt eine solche Doppelpiroge mit großer Schnelligkeit, aber wegen des Gewichts und der Gewalt des ungeheuren Segels wird das Boot sehr angestrengt und läßt oft viel Wasser ein. Dennoch werden damit sehr weite Weisen >uich Tonga, Rotuma und Samoa gemacht. Wenn der Häuserbau auf Witi den auf Tonga nicht übertrifft, so steht er ihm wenigstens an Eleganz nicht nach. Das Gerüst des Gebäudes besteht aus Cocos- oder Baumfarrnholz, und den Gipfel des Daches bildet ein großer Balken, dessen Enden über die Giebel hinausreichen und mit schönen Muscheln (^p^e^ ovuw) verziert sind. Das Dach ist mit wildem Zuckerrohr bedeckt; und ein Flechtwelk aus Rohr überzieht die Seiten. Matten verhängen den Eingang. Wenn jemand ein Haus zu bauen wünscht, so ist das erste, daß er durch das Geschenk eines Walfischzahnes die Erlaubniß des Königs oder Häuptlings zu gewinnen sucht. Der gnädige Herr gibt dann dk nöthigen Befehle, 100 bis 500 Mann machen sich sofort an die Arbeit und in 10 oder 15 Tagen, steht schon ein Gebäude da, dessen Strohdach ungefähr 5 Jahre dem Wetter trotzt. Ueb- 412 ligens bilden die Zimmerleule eine eigene erbliche Kaste, deren Oberhaupt, welches den Titel Rorola führt, in großem Ansehen steht. Wie bci den meisten andern polvnesischen Böllern wirr auf die Ver zierung der Nassen ein besonderer Kunstfleisi verwendet; und mau staunt über die Mannigfaltigkeit der Figuren, die mit den unvoUfommensteii Wert^ zeugen in das harte (5asuarinenholz eingegraben werden. Der Gruppe eigenthümlich ist die Neine Wurfkcule — uln — deren Knoten am kurzen dünnen Stiel oft mehrere Pfund wiegt., ssein freier Mann gcht ohne eine solche l'l-> im Gürtel au«?, und etz ist unglaublich mit welcher Kraft und Sicherheit er sie schleudert. Die lange am (5„de schausel> formige Airm, Keule wird nur von den Häuptlingen getragen, die, wenn sie einander begegnen, sie aus Höflichkeit zur (5rde senken. Die Topfer bilden ebenfalls eine besondere Kaste und liefern Procukle die mit reu gröberen europäischen Sorten den Vergleich völlig aushalten. In großen irdenen Oefä'ke» mit weiter Mündung wird mit Dampf gelocht. Man legt sie schräg über's Feuer, gießt ein wenig Wasser hinein und ver^ stopft den Hals mit Bananeublältern, welche den Dampf nur langsam durchziehen lassen. Was das Kochen betrifft, brauchen überhaupt die Fidschianer bei feinem polynesischen Volke in die ^ehrc zu gchen, nnr verstehen es vortrefflich die vielfachen Gaben, womit die Natur ihren Tisch beschenkte auf angenehme Weise für den Gaumen zuzubereiten. So haben sie wenigstens zwanzig verschiedene Arten Pudding, die alle sehr wohlschmeckend sind, deren Recepte es aber um so überflüssiger sein würde mitzutheilen, da wir doch nicht den Taro, die Brodfrüchte, die Bananen und dir Coeosnüsfe besitzen, woraus sie verfertigt werden, und welche zur Prüfung ihrer Güte erforderlich wären. Die Fidschianer zeigen je nach ihrem Stande eine bedeutende körper liche Verschiedenheit. Die Häuptlinge sind groß, wohlgebaut und von einer so stark entwickelten Muskulatur, daß nach Pickering's Persicherung da? Bein eines dieser vornehmen Wilden so dick wie das von drei amerikanischen Matrosen war; die niedrigste Volkötlasse dagegen trägt die Magerkeit zur Schau, die von dürftiger Nahrung und mühsamer Arbeit herrührt. Ihre Farbe liegt gewöhnlich in der Mitte zwischen der der schwarze» und kupferfarbigen Nacen. doch sind Beispiele von beiden Extremen nicht selten; wodurch ein doppelter Ursprung sich kund gibt. 41Z An männlicher Schönheit stehen sic den Tonganern nach. Die Mristm haben ein längliches Geficht, mit einem großen Munde, guten Hähnen, schwarzen stechenden Augen und einer schöngeformten Nase', doch gibt es auch viele Indwidnen mit einer hohen schmalen Stirn, stacher Nase, dielen Lippen und einem breiten furzen >tinn ohne jedoch dem Ncgertypus sich zu nähern. Die herabhängenden Vocken der Mädchen, und der Umstand, daß die Kinder von Weißen und Eingeborenen den Mulatten durchaus unähnlich sind, bezeugen ebenfalls eine Verschiedenheit der Nare. Pemerkenswerth bei den Fidschianern ist ferner die eigenthümliche Härte nnd Rauhigkeit der Haut, die Dichtigteit des Bartwuchses und der start behaarte Korper. Kein Volk in der Südsee verwendet größere Sorgfalt auf seine Frisur, so daß jeder Häuptling, je nach seinem Rang und Permögen, 2 bis 12 Haarlünstler zu seinem Haushalt zählt, die durchaus keine andere Arbeit verrichten, ja nicht einmal ihre eigenen Speisen zum Munde führen dürfen, um nicht die mit ienem wichtigen Dienste vertrauten Hände zu verunreinigen. Das Frisiren eines vornehmen Stutzers nimmt täglich mehrere Stunden in Anspruch. Erst wird der Kopf mit Del eingerieben, welches mit'der schwarzen Kohle der Laudi Nuß vermischt worden ist. Alsdann ergreift der Künstler die Haarnadel, eine lange schmale Ruthe aus Schildpatt, und zupft damit fast, an jedem einzelnen Haar, so daß es sich lräuselt und aufrecht steht, bis endlich das Ganze eine ungeheure Per-rücke bildel, die nicht selten l'4 Zoll im Umkreis mißt. Hierauf wird ein Stück vom feinsten weißen Tapatuch, so leicht und luftig wie Musselin, in losen Falten rings nm die buschige Frisur gewunden, um sie gegen den Thau nnd den Staub zu schützen. Diese turbanarligc Kopfbedeckung, die Sala genannt wird, ist der ausschließliche SchmuF der Häuptlinge, dcr freche Kai-si oder gemeine Mann, der es wagte sie zn tragen, würde seine Vermesseuheit mit dem Tode büßen. Im Sala steckt gewohnlich eine lange Schildpattnadel, die zum Kratzen des Kopfes dient, da lein Kamm im Stande wäre, das enorme Haardickicht zu durchdringen, in welchem das Ungeziefer sich nach Herzenslust vermehrt. Die Insektenjagd füllt daher einen großen Theil der Freistunden aus, und wird nm so eifriger betrieben, da ein Drittel der Beute dem Jäger zufällt. Mehr als diesen Antheil zu nehmen, wäre eine jvos'e Beleidigung oder Verlegung des Anstaudcs, auch wird Niemand auf drin Kopf eines fremden Kindes Untersuchungen anstellen, denn dieses Jagdgebiet gehört ausschließlich den Eltern. 414 Die drahtähnliche Beschaffenheit des Haares, sie möge nun Naturanlagc oder durch Kunst erworben fein, hat übrigens die Wie Eigenschaft einc herrliche Schutzwehr zu bilden, denn sogar ein Keulenschlag wird in feinrr Wirkung gelähmt, wenn er eine jener erstaunlichen Frisuren trifft. Die Haarnadel wird je nach dem Range verschieden getragen. Nur ein König hat sie vorne im Sala stecken' die ihm zunächststchenden Häuptlinge tragen sie rlwas auf der Seite, und die Genuineren stecken sie hinter's Ohr, wie unsere Schreiber die Feder. Schon ans diesem Haarputz läßt sich schließen, daß die amphibische Schwimmfertigkeit der echten Polyncsier b«i den Fidschianern nicht zu finden ist, da er sich offenbar mit dem häufigen Baden in der Salzftuth nicht verträgt. Auch noch manche andere Unterschiede werfen sich sogar dem fluch tigcn Beobachter auf. Die gelbe Farbe, die dem broncefarbigen Teint des Polynesiers so wohl ansteht, muß hier dem Scharlachroth Weichen, dessen Glanz sich mit der braunschwarzen Physiognomie auf gefällige Weise vermählt, und daher häufig als Schmuck dient-, während das fast eben so beliebte Weiß die ausschließliche Farbe des Turbans und des Leibgürtels ist. So versteht auch der Barbare mit (Geschmack die Farbe zu wählen, die er zu seinem Putz verwendet. Die leidenschaftliche Blumenliebe der Polyncsicr hat bei den Fidschianern schon merklich abgenommen, obgleich auch diese schonblüthige Gewächse gern um ihre Hütten ziehen. Während der wanderlustige Polvnrsier sich leicht dazu entschließt, die Heimach zu verlassen, und bereitwillig seine Dienste dem fremden Schiffer anbietet, um ihm auf unbekannten Meeren zu folgen, sagt der Fidschianer der vaterländischen Scholle nur ungern Vebewohl, und zeigt sich durchaus unbrauchbar als Matrose, ein tiefgreifender Unterschied der Naturanlage, der allein schon zum Beweise hinreichte, daß wir es hier mit einer andern Race zu thun haben. (5inc nicht minder bedeutende Verschiedenheit, gibt sich im Besitz eines ausgeprägten Nationalstolzes tund-, denn wahrend der Polynesier sofort die Urbrrlegenheit des weißen Mannes anerkannte, ist der Fidschianer vollkommen überzeugt, daß die vaterländischen Sitten und Gebräuche die Einrichtungen anderer Länder übertreffen, und zeigt sich daher allen Veränderungen abhold. Außer dem Sala besteht die Kleidung der Männer nur aus dem Seavo oder weißen Veibgürtel von Tapatuch, der beim Fcstanzuge der hohen 415 Häuptlinge bis ail die 50 Kllen lang ist, so daß die hinten herabhängenden Enden wie ein Schleppklcid nachgetragen werden müssen. Auch kleiden sich zuweilen die Häuptlinge mit dem anf Tonga und Samoa gebräuchlichen Paru. Den Fraucn ist das Tragen des Tapatuches untersagt; sie begnügen sich mit der dürftigen Bedeckung des Lilu, eines etwa 3 Soll breiten, aus dem Paste des Hibiseus äußerst zierlich geflochtenen und ohne andere Befestigung sich an die Hüften elastisch anschließenden Bandes, mit einer herabhängenden, roth oder schwarz gefärbten Frange. Trotz dieser spar« samen Bekleidung sind die Fidschianer doch sehr schamhaft, so daß, wenn ein Mann oder eine Frau sich ohne Maro oder Mu sehen ließen, man sie wahrscheinlich augenblicklich tödtcn würde. Als Zierrath tragen die hohen Häuptlinge vorn an einem Halsband eine Muschel der kostbaren Cypraea Aurora oder die Schale eines großen rothen Spondylus, welche beide sehr hoch geschätzt werden und als ein Familicngut von Vater auf Sohn forterben. Andere tragen Halsbänder von Walfischzähnen, Glasperlen oder menschlichen Zähnen, oder Schnüre von der Cypraea mvncta. Auch Armbänder werden getragen, wozu die ringförmig abgeschliffene Muschel des Trochus benutzt Wird. Merkwürdiger Weise ist das Tä'towiren nur beim weiblichen Geschlecht gebräuchlich und zwar nur in einem beschränkten Maße. Beide Geschlechter durchbohren den Ohrlappen, zur Aufnahme von Ziennuschcln oder Blumen. Die Fraucn auf Fidschi sind nicht so schon wie die Männer und nähern sich mehr dem negerartigen Typus. Sie werden in großer Unterwürfigkeit erhallen. Ihre gestrengen Herren nnd Meister sollen ihnen häusig die Peitsche zu tosten geben und die Weißen, welche sich hier Frauen genommen haben, behaupten, daß anf eine .andere Weise gar nicht mit ihnen auszukommen sei. Doch trotz einer mitunter harten Behandlung haben sogar die gemeinen Fidschianerinnen durchaus nicht wie die armen Hundsripp-indiancrinnen de« hohen Nordens das Lachen verlernt, denn auf den Riffen, wo sie sich vielfach mit dem Fischfang beschäftigen, sieht man sie häusig mit sehr vergnügten Gesichtern unter Kichern nnd Scherzen sich auf kurzwellige Art die Arbeit versüßen. Unter den Vornehmeren werden die sshen mit großer Feierlichkeit geschlossen, während der gemeine Mann sich mit dem einfachen Gebet begnügt, womit der Priester den Segen der Gotter auf das neue Paar herabsieht. 41tt Jeder hat das Necht, so viele Frauen zu besitzen, als er ernähren kann, und da sie in den meisten Fällen von den Eltern oder von den Häuptlingen mit einem Walfischzahn oder einem Schießgewehr gekauft werden, ist es auch gestattet, sic nach Belieben zu verkaufen, zu todten — und sogar zu fressen. Der Ehebruch, der nur selten vorkommen soll, wird mit dem Tode bestraft. Den Frauen fällt die Zubereitung der Speisen anheim, auch müssen sie die schweren Yamswurzeln nach Hause tragen, die ihre Männer auf dem Felde ausgraben. Außerdem sind sie im Flechten der Korbe, im Verfertigen von Matten und Bindfaden aus Cocosnußbast und im Schlagen und Färben des Tapatuches nicht minder geschickt als ihre gestrengen Herren und Meister im Poot- und Häuscrbau. Wer überhaupt die Fidschianer mit deu braunen Polynesiern vergleicht, wird bald gewahr, daß sie dieselben an Intelligenz übertreffen, und nicht nur fast alle ihre Künste besitzen, sondern auch noch eine Menge andere, welche jenen fremd geblieben sind. Wie die Tonganer lieben sie die Musik und besitzen gut gearbeitete Trommeln und Flöten. Letztere sj^ ^t li Lochern durchbohrt und werden wie auf Tonga und andern polyncsischen Gruppen mit der Nase gespielt, welche einen sanften Ton mit verschiedenen nicht unangenehmen Modulationen daraus hervorloctt. Auch die in Ostindien wohlbekannte Syrinx oder Pan'spfeife findet sich auf dieser abgelegenen Gruppe wieder. Das Muschclhorn dient dazu, die Krieger zu den Waffen zu rufen oder ihren Muth während der Schlacht anzufeuern. Eigenthümlich ist der feierliche Keulentanz, den ich nach Willes Mittheilungen, dem zu Ehren ein solches Jest veranstaltet wurde, knrz beschreiben will. Alle benachbarten Häuptlinge und Vasallen wurden vom Tni oder Fürsten von Levuka dazu berufen und es bedürfte drei oder vier Tage, ehe die nothwendigen Vorbereitungen vollendet waren. Die Amerikaner wurden nach dem Mure geführt, dessen Terrasse, von der man die ganze Scene überschauen konnte, man ihnen als Ehrenplatz anwies. Vor ihnen, in einer Entfernung von etwa hundert Schritt, saß das Musikcorps, aus ungefähr 100 Männern und Knaben bestehend. Die steinernen Mauern in der Nähe waren mit zahlreichen Eingcbornen beiderlei Geschlechts bekränzt, während jenseits ein offener, wahrscheinlich verbotener Ramn ebenfalls von Zuschauern umringt war. So stand alles erwartungsvoll da, als plötzlich ein lautes Gelächter erschallte und ein Hanswurst in die Mitte des leeren Raumes sprang. Sein Körper war ganz mit grünen Blättern bedeckt; cine 417 Maßte, auf der einen Seite schwarz, cms der andern orangefarbig und wie eine Värenschnauzc geformt, verhüllte sein Gesicht' in der einen Hand trug er eine große Keule, in der andern eine kürzere, und seine Bewegungen und Geberden, Welche einen ungeheuren Beifall erregten, glichen sehr drnen der Narren unserer Kunstreiter- oder Seiltänzcrbandcn. Nun begannen die Musici ein einförmiges Vied. Pinige klatschten in die Hände, um einen hellen Ton hervorzubringen, andere schlugen Stöcke gegen einander, noch andere trommelten, und obgleich das Geräusch, welches sie hervorbrachten, nicht eben Musit zu nennen war, so blieben sie doch gut im Tact. Dabei wurden dem ^este angemessene Worte gesungen. Nun traten die bis dahin den Zuschauern verborgenen Tänzer zu zweien und zweien hervor, alle in großer Gala mit weißen Salas und neuen Maros' außerdem hatten die Häuptlinge Blumenkränze um die Turbane gewunden und ihre Gesichter waren nach verschiedenen Mustern schwarz und scharlach gemalt. Beim Hervortreten war ihr Gang feierlich langsam, indem sie jedesmal nach drei abgemessenen Schritten anhielten, doch indem sie näher zogen, änderten sie ihre Marschordnung zu dreien oder vieren in der Fronte, wobei sie ihre Keulen in verschiedenartigen Stellungen schwenkten. Nach Beendigung einer irden Musikstrophe traten sie drei Schritte vor, verneigten sich nicht ohne Grazie vor den Fremden und brachten dabei ihre Keulen in eine andere Lage. Nachdem sie auf diese Weise den Vordergrund erreicht hatten, wurden ihre Bewegungen lebhafter, sie sprangen oder stampften vielmehr auf die l^rde und stimmten mit ein in den Gesang. Jeder Tanz endigte mit einer Art von Kriegsgeschrei, so laut wie sie nur rufeil tonnten. Unterdessen war der Hankwurst äußerst thätig, die Häuptlinge unv ausgezeichnetsten Tänzer nachzuäffen. Das ganze Ballet dauerte über eine Stunde und am Eure desselben brachte jeder Tänzer seine Keule und legte sie als ein Geschenk vor die Amerikaner nieder, wobri er jedoch meistentheil? Sorgc trug, seine schöne Waffe erst noch gegen eine andere von viel geringerem Werthe umzu tauschen. Die Sprache der Fidschianer entspringt aus demselben Stamme, wie die anderen polynesischen Mundarten und deutet durch Reichthum, Kraft und Originalität auf eine geistige Entwicklung, die nicht minder als die beschriebenen Kunstfertigkeiten bei einem sonst so barbarischen Volke in kr-staunen setzt. Bereits im Jahre 1840 hatte man schon ein Vocabular von Havlwig, dic Inseln des gil'hcii D»>ine. ^ 4!ft 5600 Worten gesammelt, und der Sprachschatz war bei weite,» noch nicht erschöpft. Es gibt Namen für jedes Gesträuch und jedes Kraut, Welches die Inseln hervorbringen, alle Spielarten von Ignamrn, Taro und Bananen haben ihre besonderen Benennungen und der Cocos wird nicht nur in seinen verschiedenen Varietäten mit eigenthümlichen Worten bezeichnet, sondern die Frucht in den verschiedenen Stadien ihrer Entwicklung. Sogar die feinsten Schattirungrn des Gedankens können ausgedrückt werden -, so gibt es nicht weniger als fünf verschiedene Worte für „Narr^ hcit", deren jedes seine besondere Bedeutung hat. Auch gibt cs wie im Griechischen einen Dual, und Plurale für größere und kleinere Zahlen. Die Sprache ist ebenfalls reich an Begrüßungsformeln, je nach dem verschiedenen Range der sich begegnenden Personen. Nächst dem Kriege ist der Acterbau die Hauptbeschäftigung der Fidschianer, die ihnen aber durch die Fruchtbarkeit des Bodens sehr erleichtert wird, so daß sie den grölten Theil des Tages mit jenem angenehmen Nichtsthun zubringen, welchem der Mensch und zwar nicht nur zwischen den Wendekreisen so gerne frohnt. Tänze, Gesänge, der süße Schlaf, festliche Gelage und verschiedenartige Spiele vertreiben die überflüssige Zeit. Dem Eifer der Missionare konnte ohne Zweifel auf dem ganzen Gebiete des großen Oceans lein ruhmvolleres Feld als die Fidschiinscln sich eröffnen, und daß sie sich mit Glück bestrebt haben, einen Znstand der Barbarei zu bekämpfen, vielleicht sonder Gleichen in den Annalen der Menschheit, gehört gewiß zu ihren ausgezeichnetsten Verdiensten. Den sanften Tahitiern oder den bereits dem Einfluß der Weißen gehorchenden Hawaiiern die Lehre des Christenthums zu predigen, war eine verhältnißmäßig leichte Aufgabe, während sogar der Spott und die Verleumdung zugestehen müssen, daß ein hoher Grad von Selbstverleugnung dazu gehörte, um mit Frau und Kind unter den scheußlichsten Kannibalen auf Erden sich niederzulassen, mit dem alleinigen Zweck, diese verwilderten Gemüther zur Menschheit zurückzuführen. Doch wrnn schon die gemeine Habsucht den Trepangsammlcr dazu bewegen kann, allen Gefahren zu trotzen, die ihm un!er den barbarischen Fidschi Insulanern drohen, so ließ es sich erwarten, daß die Männer, die sich's zur Lebensaufgabe gestellt, das Christenthum unter den wilden Völkern zu verbreiten, den Jünger» deß Plutus an Muth und Ausdauer nicht nach- 4W stehen, und edlere Peireggninde sich nicht minoer lhallräfiig alo d»r Eigeil-nutz erweisen würden. So fchen wir bereits um da? Jahr !8W den berühmten Missionar Williams, dm Apostel der Harvey Gruppe und den Märtyrer von (nromango, dcu Anfang des Velrhrungswerles auf Fidschi machen und zwei tahitische ("laubeuslehrer »ach der llcinen Insel Oncata führeil, die ihm dnrch ihre häufigeren Verbindungen mit Tonga der geeignetste Puntt schien, den ersten Gährungsstoff in die barbarische Masse zn werfen. 5un Jahr l^^0 fand Wiltes, das; bcreitö die halbe 2^völleruug Tneata's, welche sirilich im tanzen mchi mehr als '^>0 Seelen betragen mochte, das ^hristenlhnm angenommen hatte. G>? blsanocn sich damals sechs englische weslcyanischc Missionare auf den Fidschiiuseln, die auf vier Stationen: Newa. Somu Somu, Viwa und Vatemba vertheilt waren, doch war ihr Erfolg noch immer sehr gering und fast nur aus die ciugcwanderten Tonganer beschränkt, welche durch die in ihrem Vaterlande herrschenden Pm^ettiic^ zur flucht genöthigt, oder auch wohl aus Lust zu Abenteuern sich namentlich ans ^at'emba und Fulanga niedergelassen hatten. 7m Lakemba belief sich die Anzahl der Christen auf c!W, in Newa auf 50, in Somu - Somu nur auf 12 und im ganzen Archipel höchstens auf 500. Doch war fcho» einc Druclerpresse ans Newa eingerichtet, aus welcher stalechismen in den Dialecten von Amoau, ^vnm-Somu und Rewa hervorgegangen waren, nnd die Missionsschulen wurden von ungefähr 250 Kindern besucht. Das Volt winde bei freier Wahl jedenfalls einc Veränderung mit Freuden begncht haben, welche ihm Schutz gegen die tyrannischen Gebräuche gewahrte, unter welchen es so viel zu leiden hatte, aber die Häuptlinge widersetzten sich hartnäckig allen Neuerungen, von welchen sie eine Beschränkung ihrer Macht befürchteten und hatten ihren Unterthanen bci Todesstrafe die Annahme der neuen Neligiou verboten. Willes bewunderte die Au5dan finden wir den europäischen Einfluß bereits so weit gediehen, das; der Arzt Mae Donald vom „Herald", der Missionar Waterhouse, und der Botaniker Milne in Begleitung einiger der bedeutendsten Häuptliuge nnd durch das mächtige Wort Thakombau's beschützt auf dem Rewa Misse eine Fahrt ins Innere von Viti ^evu unternehmen konnten. Sie schildern die romantische Schönheit der Bergschluchten und die Pracht der Vegetation, und obgleich sie an mehreren Stellen fanden, daß der Gebrauch die Weiber mu Grabe ihrer Ehegatten zu erdrosseln noch immer obwaltete, das; Gefangene noch immer lebendig gebraten wurden nnd man ihnen selber sogar einmal ein Stuck Menschcnfleisch als eine besondere Ehrengabe darbot, so konnten sie doch nicht genug die gastfreie Aufnahme rühmen, die ihnen überall auf der Reise zu Theil ward. Endlich ist ii< der jüngsten Zeit daß Protectorat der Inseln von Thalombau, der vor einigen Jahren zum Christenthum übergetreten ist, England angeboten worden, und der bekannte Consul Prichard, der 1850 von Samoa nach Fidschi seine Residenz verlegte, damit beauftragt worden, den Tractat nach Voodoo zu bringen, um die Mtisie'. Seemann aus Hannover als Naturforscher bethciligt ist, aller Wahrscheinlichkeit nach den Auftrag haben, dastand in Besitz zu nehmen, welches bei seiner Größe, Bevölkerung und Fruchtbarteit unter einer thatkräftigen aufgeklärten Verwaltung schon nach wenigen Jahren zu einer bedeutenden Kolonie heranwachsen kann. 422 Die Anzahl der Christen auf den Inseln soll gegenwärtig 55,000, etwa ein Drittel oder vielleicht so^ar mir ein Sechstel der Bevölkerung betragen, doch ist in Folge der Belehrung der großen Häuptlinge der Zuwachs so plötzlich und lavinenmäßig gewesen, daß die geringe Menge der Missionare uud Lehrer ihm durchaus nicht mehr entspricht und die Meisteil der Neube lehrten einstweilen wohl nur dem Namen nach und „auf höheren Befehl" Christen sind. That'ombau wiro von Elvhinstone Ersline als ein Mann von riesiger, schon proportionirter Statur geschildert, vou angenehmem und intelligenten Gesichtsausdrnck, dem Negertypus viel ferner stehend als dieses bei den geringereu VolMlassen der Fall ist. Beim Besuch, den der englische Lapitän ihm machte, gab dev ungeheure Haarputz vom weißen Sala eingeschlossen, ihm ganz das Aussehen eines orientalischen Sultans. Kein Kleidungsstück bedeckte seine Hereulische Brust odev verbarg die natürliche dunlle Hautfarbe -— uud trotz seiues geringen Anzuges — die aufgestapelten Bündel Tapa TucheS und die Menge anderer kostbaren Waaren, welche umher lagen, bewiesen, dah es aus freier Wahl, nicht aus Nothwendigkeit geschehe —, war „jeder Zoll an ihm ein Konig". Nicht weit von ihm saß seine Lieb-liugsgattiu, eine etwas eorpulente, gut aussehende Frau mit ihrem Sohne, Thakombau's Erben, einem schönen acht- oder neunjährigeu Knaben und rings herum kauerte iu ehrerbietiger Entfernung eine demüthige Echaar von Höflingen. Diese Positur muß nicht nur beim Sitzen, sondern auch bei Bewegungen in Gegenwart der höchsten Herrschaften beibehalten werden — was natürlich nicht ohne Uebung gelernt werden lann. Als im Jahr 185^! der Missionsinspeetor R. Voung Thakombau besuchte, reichte ihm dieser eineu Stuhl zum Sitzen uud dir Königin machte ihm eine Tasse Thee — ein Getränk, welches er in der Hütte eines Kani-balenko'uigs kaum erwartet halte — besonders nach dem, was bei seiner Laudung vorgefalle» war< Bei der Annäherung an die Küste vou Bau, der Residenz Thatombau's war nämlich gerade Ebbe, so daß Herr Hlouug einige Schwierigkeit hatte ans Land zu treteu — als ein Eingcborner auf ihn zukam, und ihm auf das höflichste aus dem Boot heraus half. Herr Zsoung zog scincn Hut ab uud machte dem freundlichen Wilden eine liefe Verbeugung worauf seiu Begleiter, der residnende Missionar, lächelnd bemerkte: „Sie wissen wenig vor wem sie sich beugen, denn dieser zuvorkommende Mann ist der grimmiaste Mrnschciifrchl» des 5>ts." Hierauf zeigte n ihm noch 423 sechs Hütten, in denen 18 Menschen jüngst gekocht worden waren, um damit für die Bedürfnisse eines Festes zu folgen. So seltsam sind, oder waren noch vor ganz kurzer Zeit die Widersprüche auf Fidschi — der höchste Grad der Barbarei und der Versunkenheit, deren der Mensch nur fähig sein kann, und daneben eine Urbanität im Umgänge und ein ausgebildetes Hoflichkeitssystem, die man sonst nur bei eivilisirten Völkern anMrrssen pflegt. EcchöundzwnllMstcs Capitel. Die Guano Insrln im Crntrum des grollen Dccans. Der Kuanohandcl. — Die Guanoinseln des sirosien Oceans. — Vereinzelte Punkte >m ungeheuren Mceresraum. — Natur. — Die H.lnoriu«in ttuanu Onm^n^. — Dit ^l»i,mlx (.'umziuti/. - Die l_!nit«d ^tate» Uuülio s>'uli!^un^. — Schli»»ne Aus-sichte. — Die Pcnri)yn Insel, — Phamisso. — Der „Porpoise". Unbändige Wilde. — Die Weihnachtsinfel. — ssook ^777. — Hebunc, der Insel. Salzseen. — Reichthum an Schildkröten, Fischen und Vögeln. — Menge von Einsiedlerkvlbsen. Aer Guanohandel gehört unstreitig zu dcn merlwürdigsten Erscheimlügcn des Jahrhunderts. Welche Fortschritte der Wissenschaft, welche Kenntnisse der Pflanzennatur und des Wechsels der organischen Stosse waren nicht erforderlich ehe man die hohe Bedeutung jenes kräftigen Vogeldüngers einsehen lernte? und einen wie hohen Grad der Vollendung mußte nicht die Schifffahrt errungen haben, daß man daran denken konnte, ganze Flotten nach den Antipoden zu schicken, um jene Schatze für den europäischen Land^ mann zu heben? Auf den Inseln längs der rrgenlosen peruanischen ,nüste, wo leine Wassergüssr die von unzähligen Seevogeln abgelagerten Guanomassen jemals auslaugen und dieselben ihrer wirtsamsten Salze berauben, kommt bekanntlich dieses Produkt sowohl in der größten Menge als in der größten Güte vor, toch wo man nur hoffen durfte ähnliche Niederlagen zu finden, wurden alle Meere danach durchsucht, denn welche Mühe scheute wohl die einmal wach gewordene Habgier des Menschen? 424 Früher verachtete Felsl'tt, von kreischenden Seevögeln umschwärmt, wurden plötzlich zu Gegenständen der eifrigen Untersuchung, und jedes einsame Eiland, welches menschenleer dem Schoos des tropische Oceans entsteigt, und an welchem der Schiffer früher gleichgültig vorübergesegelt war, erregte In^ teresse und munterte zur Forschung auf, denn wer wußte, welche Reichthümer sich nicht auf jenem scheinbar nackten Boden abgelagert hatten? So sind im arabischen Golf und an der afrikanischen Küste Guano Niederlagen entdeckt worden, die sich zwar bald erschöpften, aber dennoch die glücklichen Finder bereicherten, und so sind auch mitten im großen Ocean eine Menge sonst unbedeutender Inseln von verschiedenen Amerikanischen Guano-Gesellschaften iu Besitz genommen und von der Negierung der Vereinigteil Staaten als zum Gebiet der groben Republik gehörig, anerkannt worden. Dieses amerikanische Polynesien, über welches der talentvolle Geo^ graph E. Behm einen eben so gründlichen als interessanten Anfsatz in Peter^ mann's Mittheilungen (V. 185N) veröffentlicht hat, liegt über eine ungeheure Wasserwüsle von etwa 21 Breite- und 38 ,^ängegraden im Centrnm des großen Oecans zerstreut, mitten im weiten Kreise, der im Westeil von dem Radack-, Gilbert- und Ellis-Archipel, im Süden von Samoa und den Oesell-schaftöinseln, im Südoslen von Paumotu und den Marquesas, und endlich im Norden ungefähr durch den l>. Parallel nördlicher Breite umschlossen wird. Diese unermeßlichen Meeresräume gehören zu den am wenigsten be kannten Regionen der ganzen Crde. Die gewohnlichen Fahrstraßen zwischen Asien und Australieu auf der einen und Amerika auf der andern Seite gehen weit im Norden und Süden von diesen verödeten Gewässern vorüber, Nur der östlichste Theil wird öfters von den Schisfern durchkreuzt, welche zwischen Tahiti und den Sandwich Inseln hin und her segeln. Dir berühmten Seefahrer, denen wir den größten Theil unserer Kenntnisse über den stillen Ocean verdanken, haben sie nur an ihren Rändern berührt, sonst ist man auf die spärlichen uno oft unzuverlässigen Nachrichten der Walfischfänger beschränkt, von deren Entdeckungen mau oft wie von denen der älteren spanischen Sec^ fahrer mit vollem Rechte sagen kann, „daß sie wie schlecht gewurzelt aus der Karte hin uud her schwanken". Zur Größe des Wassergebicts verhalten sich die über demselben hervor--lanchenden Länder wie Pnntte von verschwindender Kleinheit. Mit völliger Gewißheit teiutt man in diescn ungeheuren oceanischen Einöden nur etwa 425 2? zerstreute Coralleninseln, von welchen nur wenige bewohnt oder überhaupt bewohnbar sind. (5s ist im allgemeinen dieselbe Natur wie auf Paumotu oder Radack — l5ocospalmen und Pandange auf den vollkommener ausge--bildeten Niffrücken; bunte Fische in den ruhigen Vagunen; Seeschildkröte», die hier zwar den Vortheil des einsamen Strandes finden aber von großen Schaaren gieriger Haisische verfolgt werden; Perlmuttermuscheln den Corallen-bänken anklebend; Holothurien in den stillen Gewässern, die von der wü thendru Brandung durch Lithoyhyteumauern abgegrenzt werden — und vor allen Dingen Schaaren von kreischenden Seevbgeln, deren Produkte vielleicht das einzige sind, welches jemals diese einsamen Meereshorste von einigem Werthe für den Menschen machen werden. Wahrscheinlich auf das Recht der ersteren genanen Untersuchung sich stützend, beanspruchte die ^mm-Inm Ouaiw t^om^i,)' die Inseln Iarvis, Vaker und Howland; wahrend die l'n,',»!x (^mpim^ die kleine gleichnamige Gruppe als ihr Besitzthum ansieht und auf Mac ztean oder Wittes Insel bereits eine Niederlassung gegründet haben soll. Welche Inseln von der Hini>lU!^ und anderen Bürgern der Vereinigten Staaten annezirt worvril sind, finde ich nirgends angegeben; nur so viel steht fest, daß wahrend der letzten Jahre bedeutende Verschiffungen nach den Häfen der Union gemacht worden sind. So wurden nach der II!,,^,^,^! London »>v» im Jahr 185N nicht weniger als 20,000 Tonnen in 14 Fahr-zeugen nach den Vereinigten Staaten ausgeführt. Da aber dieser groß' oceanische Guano bei weiten» ärmer ist an ammoniakalischen Salzen als der peruanische, und das Vorhandensein dcs flüchtigen Alkalis in größerer Menge die Hauptwirksamkeit des Vogeldüngers ausmacht, so dürste es sehr zu bezweifeln fein, ob er die ungeheuren Transportkosten wird tragen können. Von schlimmer Vorbedeutung scheint mir die Nachricht aus Honolulu vom ^l5. März i860 (t>aoilio Oomlnereial ^vm-t!^!-), daß verschiedene Comvag-nieen das Einschiffen von Guano einstweilen ausgesetzt haben, weil der auf dem Vager liegende bereits die Nachfrage übersteige - und ich fürchte fast, daß jene Düngergrsellschasten, die alle vor der großen Handelskrisis von lft!)7 entstanden sind, wo auch die tollkühnsten Unternehmungen leichtgläubige Theilnehmer fanden, zum Schrecken der enttäuschten Actionäre, den nun nicht mehr gestörten Seevo'geln aber zur Freude, zusammenstürzen Werden, „And like the business fabric of a vision Leave not a wreck behind ! 4Ä> Es würde ein gar zu wenig lohnendes Unternehmen sein, wenn ich alle die unbedeutenden ^oralleninseln des weiten Wellengebietes, dem ich dieses Kapitel widme, auch mir dem Namen nach anführen wollte, besonders da Freunde der speeielleren Geographie im bereits erwähnten Aufsatze Lehm's dir vollständigste Auskunft rarüoer finden. Den meisten meiner Leser wird rs gewiß genügen, wenn ich aus der Menge zwei der interessantesten — Penrhyn und die Weihnachtsinsel — zur etwas näheren Besprechung hervorhebe. Die hohen vvllen l^oeoswälder sonder Gleichen, welche dic niedrige Penrhyninsel überziehen, täuschen den fernen Schiffer mit dem Anschein er-höheter Ufer. Lieblich muß der Anblick sein, den sie gewähren, denn zwischen dem hochgetragenen windbewegten Baldachin der Kronen und dem Boden sieht man zwischen den Stämmen hindurch den Himmel und die Ferne, (vtwa l» Seemeilen lang und 5 breit umschließt die Insel eine weitläufige Lagune mit vielen Corallenfelsen, welche nur Booten die Einfahrt gewährt. Vereinsamt im weiten Ocean und dem Handelsschiff oder dein Walsischfänger nur dürftige Lockungen darbietend, kommt sie mit der Außenwelt höchst selten in Berührung und nur im Fluge lernt der vorbeifahrende Seefahrer sie kennen. Als Chamisso auf seiner Weltreise die Palmeninsel berührte, umringten zahlreiche Boote den sich nähernden „Nurit" und ein friedliches Volt begehrte mit den Fremden zu verkehren. Die Insulaner waren stark, wohlgebaut, beleibter als die Bewohner der Osterinsel und von derselben Farbe als sie. Keine Tätmrung wurde bemerkt, dagegen sah man verschiedene Greise, die den Nagel des Daumens hatten wachsen lassen, ei» redendes Zeichen ihres vornehmen Müßigganges. 36 Boote wurden gezählt, in jedem 7 bis I^i Männer. Die Weiber trugen einen mit frei' hängenden Bastftreifen besetzten Gürtel, die Männer an dessen Statt nur ein durch Schnüre befestigtes Bändel von Coeoöblattchen. Nur wenige hatten eil«e ärmliche Schulterbedeckung aus zwei Stücken von einer aus Cocosblä'ttchen geflochtenen Matte. Sie drängten sich gesprächig und zutraulich an das Schiff; keiner aber unterfing sich der Einladung, auf das^ selbe zu steigen, Folge zu leisten. Gegen die Waaren der Europäer, nach welchen sie sich begierig zeigten und die sie mit einer Art Verehrung empfingen, hatten sie nur wenig zu vertauschen; einige Coeosnüsse, meistens unreif, zum Löschen des Durstes, zufällig mitgenommene Geräthschaften und ihre Waffen, lange Spieße von Coeosholz. Anfänglich weigerten sie sich letztem zu veräußern und entschlossen sich nur dazu gegell lange Nägel odcr 42? wollene, scharlachrne Gürtel. Augenscheinlich ernährte die Insel eine starke Bevöllenmg, doch welche Früchte anßer dem Coeos und dem Pandanus, und welche Wnrzeln sic hervorbrachte, und ob auch Schwein und Hund hier einheimisch seien, blieb unbekannt. '^5 Jahre nach Khamisso erscheint der znr Wilkesschen Erpedition ge-hörende „Porpoise", Capitän Ninggold, vor Penryhn: nach dem Phantasie-reichen Dichter der prosaische Seemann. Die ganze Nacht kreuzte das Schiff in der Nähe und am folgenden Tage bei Sonnenaufgang sah man eine große Menge Pirogen, Welche der Brig znruderteu. Gegen 7 Uhr waren bereits zwei derselben herangekommen, denen bald andere folgten. So wie die Anzahl der Besucher zunahm, wurden sie dreister nnd erkletterten das Schiff unler lautem Geschrei. M waren die rohesten und am wildesten aussehenden Geschöpfe, die man auf der ganzen Reise gesehen hatte. Ihr gräßliches Geschrei begleiteten sie mit den heftigsten Verdrehungen und Geberden, und schienen wie außer sich vor Aufregung. Bis auf einen schmalen Maro von Coeosnußblättern waren sie ganz nackt. Jedes Canot enthielt von ? bis l6 Mann, alle gleich wild und unbändig. Der Vä'rm war fast betäubend, d'a alle zugleich eine unverständliche Sprache redeten und der Mißtlang der Stimmen unerträglich, zuweilen hoch und gellend, dann wieder tief und rauh. Während ihrer Nede schlugen sie die senden mit großer Heftigkeit und einige rangen die Hände und heulten, wobei ihnen die Angcn weit aus den Höhlen hervortraten und ihre furchtbaren Fratzen sie gleich Wahnsinnigen im höchsten Ausbruch der Raserei erscheinen ließen. Sie waren ganz unvermögend, ihre Aufmerksamkeit auch uur einen einzigen Augenblick auf irgend einen Gegenstand zu richten, sondern ihre Blicke schweiften von einem zum andern mit fieberhafter Hast. Waffen lagen in ihren (5anots versteckt. Einigen gelang es, an Bord zu kommen, uud verschiedene Artikel wurden vom Hinterdeck entwendet, unter andern eine Matrosen iacke, die schnell und geschickt in einem Boote versteckt wurde. Da die guten Leute anfingen gar zu lästig zu werden, gab der Ca-pitän Befehl, das Verdeck zu säubern. Sobald sie wieder in ihren Canots w.nen, schlenderten sie schwere Korallen stücke und Muscheln mit großer Gewalt an Bord -, man sniert^ einige Schüsse über ihre .Uöpfe hinweg, aber sie schienen sie gar nicht zu beachten, sondern blieben aufrecht in ihren Booten stehen, Speere schwingend und mit herausforderndem Geschrei. Da ihre 428 Anzahl beständig im Zunehmen war, wurde die Brig fortwährend im Segeln erhalte», um eine«, Angriff vorzubeugen. Nach landen vergeb^ lichen Bemühungen kam endlich ein Tauschhandel zu Wege und sie gaben ihre Waffen und Halsbänder gegen Messer, Tücher n. s, w. l)er. So^ bald sie den Taufchartikel empfangen, warfen sie das Verlangte an Bord und schienen ehrlich im Handel, obwohl sic sich als gewandte Diebe zeig ten. Ihre Schwimmfertigkeit glich der der Amphibien, denn für den ge^ ringsten Gegenstand, der über Vord fiel, tauchten sie trotz allen Robben und Walrossen unter. Ihre Statur war athletisch, ihre Faltung aufrecht, ihre Hautfarbe dunkler als die der Samoer und Tahitier - teinrr von ihnen tätuirt. Unter der Menge zeigten sich nur zwei oder drei Frauen von lich^ lerer Gesichtsfarbe mit langem glänzendem Haar und schönen weiden Zähnen. Als Waffen wurden nur u einem gewissen Grade abhelfen. Da gegen ist sie reich an Salzseen, die in keinem sichtbaren Zusammenhang mit dem Meere stehen und von denen ein im Südosten gelegener eine Länge von 5 englischen Meilen hat. Ihr Salzgehalt ist sehr bedeutend, und an ihren Ufern kann man eine Menge des besten Kochsalzes sammeln. Die Vegetation besteht aus reichlichem Grase, Tournefortien und Coeos-bäumen, die sich seit Cook's Besuch sehr vermehrt zu haben scheinen, denn dieser fand nur wenige, die eine geringe Anzahl Früchte, zum Theil von ^30 salzigem Geschmack, trugen, während Kapitän Hooper, der l!^5'7 die ganze Insel durchforschte, mehrere kleine Wälder von Eocosbä'mnen antraf. Die von Eook, dem vorsorglichen Freunde künftiger Seefahrer, auf der Sandy Island gepflanzten (^oeosnüsse waren Isi-i^», als Kapitän Scott die Insel besuchte, zu Vaumgruppen aufgewachsen, ein schönes Denkmal des glotzen Mannes. Eook und Hooper rühmen übereinstimmend den großen Reichthum an Vögeln, Fischen und Schildkröten. Von letzteren fingen (vook'3 Leute gegen 300, die durchschnittlich 90 bis 100 Pfund wogen, und alle von der köstlichen grünen Art waren, die bei den schwelgerischen Oast^ mahlen des Lordmayor's von London eine so hervorstechende Rolle spielen. Derselbe Wassermangel, der den Menschen von der Insel verscheucht, scheint auch die übrigen Säugethiere fern zu halten, und die instinetmäßige Sicherheit, womit die Vögel ihre Nester auf den Boden bauen, deutet darauf hin, daß hier sogar die kosmopolitische Ratze fehlt. Pennet fand eine ungeheure Anzahl von Einsiedlerkrebsen, von denselben Arten wie auf den Carolinen und ähnliche Sreschneckengehäuse bewohnend. Gegen Abend bedeckten sie formlich den ganzen sandigen Strand der kleinen Laguneninsel, wo sie einige Fuß weit vom Wasser bewegungslos sich aufhielten. So eröffnet sich auch hier im Gebiet der niederen Thierwclt ein reiches Feld der Beobachtung, und der kundige Forscher, der auf diesem menschenleeren Eilande eine Zeitlang verweilte, dürfte wohl Gelegenheit finden, unsere Kenntnisse von den Seegeschöpsen um manche interessante Thatsache zu bereichern. EiebcnnndMauMstrs Capitel. Dir Rnimi und Ellic>> GruM». Fakaafo. Merkn'indices ^'öll>l'e>i, — Aehulichkcit mit dm Samonn. — Sonder- barer Empfang dco Königs, - Bcs^rribun^ dcs Dorfrs. ^ Trmpel. — Kleidung. — Künstfntiqkeit. Oatasü. — Nalunono. Byron 17U5'. — ÄleHetatwn. — Die <5llice Insc>. — il.ikufew», Aie Neine dreieckige storalleninsel ss^laafo wurde im Jahr l5^0 von (5a-pitän Hudson, Befehlshaber des zur Nilles'schen Expedition gehörigen Schiffes 43 l „Peacock" entdeckt. Ein merkwürdiges Völkchen, diese Fakaafoner, die von dcr ganzen Welt nicbts kennen, als die Nebeninselu Oatafu und Nalunono, und mit stolzem Selbstgefühl ihre kleine Erdscholle Fanua Loa — das große Land — nennen, obgleich des ganze Riff, auf welchem es culminirt nur 2 Meilen lang nnd eine Meile breit ist. Die Amerikaner fuhren in der Nacht auf dem unbekannten Meere dahin, als das entfernte Geräusch der Brandung sie zur Vorsicht mahnte, und» bald darauf da? große Land wie ein dunkler Fleck am Horizont erschien. Vei Tagesanbruch wurden 18Canots bemerkt, jedes mit einer Bemannung von vier oder fünf Personen, aber nicht aus Neu-Zierde waren sie so frühzeitig in's Meer gestochen, sondern so eifrig mit Fischen beschäftigt, daß sie sich nicht einmal durch den Anblick des seltenen Meerwunders von der Arbeit abhalten ließen. Die Fische schienen sehr zahlreich gewesen zu sein, denn eine Unzahl von Seevögeln flog kreischend umher und tauchten jeden Augenblick unter, um mit einer schnell erhäschten Beute wieder aus dem- Wasser empor zu steigen. Die Insulaner befolgten zu ihrem Fischfang die auf Samoa gebräuchliche Methode, indem sie einen Haken aus Pcrl-muttrrschalc am Hintertheil drs Bootes an dcr Oberfläche des Wassers nachschleppen ließen, so daß beim raschen Fortrudern die getäuschten Fische der schillernden scheinbar flüchtigen Beute nachschössen und sich in großer Menge fangen ließen. Auch die Canots hatten Aehnlichkeit mit deren von Samoa, waren am Vordertheil zum Theil überdeckt und hatten dort dieselben kleinen Höcker und Pflöcke zur Befestigung der zierenden Ovulaschalen. Die Fischer wollten durchaus nicht an Bord kommen, doch ließen sie sich bereitwillig auf den Tauschhandel ein. Es waren schöne männliche Gestalten, mit angenehmem gutmüthigen Oesichtsausdruck, und Frohsinn schien ein Orundzug ihres Charakters zu sein, da sie über alles, was ihnen lächerlich vorkam, sogleich laut auflachten. Die Tätowirung war eigenthümlich, indem Fische und Schidkrötcn auf Armen und Brust gezeichnet waren und bei einigen waren Stirn und Wange mit einer Menge von Pfeilen geziert. Sie glichen sehr den Samoeru, mit deren Sprache ihr Dialeet eine große Achnlichkeit verrieth, so daß ihre Abstammung ziemlich klar vor Augen liegt. Alle trugen geflochtene Maros und einige hatten Augenschirme, in welche bei den Vornehmeren einige Schwanzfedern des Tropikvogels gesteckt waren. Den Gott ihrer Insel nannten sie Tui Tokelau und wiesen auf den Himmel als dessen Wohnsitz. Dort meinten sie müsse auch die Hcimath der Amerikaner scin, 432 und ließen sich dcn Olauben nichl nehmen, daft die wunderbaren weißen Fremden, Gottheiten und nicht Menschen scicn wie sir. Der Grund, weß-halb sic durchaus nicht an Bord kommen wollten, war die Furcht, das Schiff möchte plötzlich wieder zum Himmel fahren, von wannen, wie sie meinten eß eben so plötzlich gekommen, und sie als unfreiwillige Luftschiffer ins Unbekannte mit sich führen. Erst am folgenden Tage wurde die Landung vorgenommen und da die Lagune leinen Eingang für größere Schiffe hat, mußte man mit den Poolcn durch die Brandung fahren und erreichte ziemlich durchnäßt das Ufer. Hier wartete bereits der König mit ungefähr ^W seiner Unterthanen auf dic Ankunft der Fremden. Der Häuptling sah mit einigen Greisen im Vordergründe, die andern standen dahinter und alle fingen an Gcberden zu machen und zu singen, wie unter dem Einfluß einer bedeutenden Ge-mütlMnruhe. Sie zeigten auf die Sonne und heulten und winkten den Fremden sich auf die Matten zu setzen, dic vor ihnen ausgebreitet lagen. Die Officicrc folgten der Einladung, worauf der König zärtlich seine Nase an die des Eapitän Hudson rieb, nach ter Sonnc wies, stöhnte, seine Nase über das Kinn des Amerikaners führte, ihn umarmte, ihm cine Matte umband, die er mit einer Schnur aus Menschenhaaren befestigte, noch einmal das Nasenreiben vornahm, und dann endlich noch einc Viertelstunde lang heulte. Die andern Officierc mußtcn sich dieselben Ceremonien von dcn untergeordneten Häuptlingen gefallen lassen. Der Köni^, welcher Taupo hieß. war bereits in Jahren vorgeschritten und hatte einen ernsthaften Ausdruck. Seine Furcht schien größer als die irgend eines seiner Unterthanen, denn so wie Hudson Micnr machte, sich von seiner Seite zu entfernen, crhob er sofort cm schreckliches (Nchcul und deutete auf die bewaffneten Matrosen, wobei cr zugleich mit zitternder Micnc ausrief: „Xopo Kil.-llo, minak« :ui!" Setzt euch! ich bin bange! Man gab sich alle Mühc, dic 7msulancr zu bcruhigcn und ihnen die Ueberzeugung beizubringen, daß man nicht von der Sonne gekommen sei, doch dauerte es über eine Stunde, ehe sic sich fassen konnten, worauf ein lebhafter Tauschhandel an sing. Endlich erhob sich der König und wanderte langsam, da er wcgcn cinrs durch die Elephantiasis angeschwollenen Beines nur schwer gehen tonntc, nach dem Dorfc, welches einige hnndcrt Schritt entfernt lag. 433 ^ Die ganze kleine Insel war mit Cocospalmen bedeckt unter deren schattigen Kronen ungefähr l>0 Hütten, nahe bei einander, ihre spitzzulaufenden Dächer erhoben. Sie hatten Aehnlichkeit mit denen, die wir später auf Ualan wiederfinden werden, indem die Giebelenden mit einem besonderen Schirmdach versehen waren, welches unter dem Schutze des überhängenden Hauptdaches sich befand, eine Vorrichtung, die auf bedeutende Regengüsse schließen ließ. Iu der Mitte des Dorfes stand der Tempel des Gottes, das merkwürdigste Gebäude der Insel. Es war von länglicher Form, 80 Fuß lang, 35 breit, 20 hoch. Drei gewaltige Balken stützten die Firste, während ringsherum das concav abfallende Dach auf einer Menge kurzer und kleiner groobehauener und nur wenige Fuß von einander stehender Stützpfosten ruhete. Das Gebäude war an den Seiten offen, bis auf ein kleines, 15 Zoll'hohes Gitterwerk. Anfangs suchte man den Amerikanern den Eingang zu verwehren, doch auf ihre Bemerkung, daß der für die Eingebornen geltende Tabou doch nicht auf die weißen Fremden sich erstrecken kvnne, wurden sie endlich von einem alten Priester zugelassen. Der Tempel enthielt nur weniges Geräch. Rings um die ausgezackte Dachtraufe hingen wie Troddeln grosse Perlmuttenschalen herab. Der ganze Boden war mit Matten bedeckt. Um den Hauptpfeilcr in der Mitte des Gebäudes lagen eine Menge großer Bänte odcr Tische, aus einem einzigen Stück Holz gehauen. Auch hingen dort eine Menge Speere und Keulen,, denen von Fidschi und Samoa ähnlich, und die vom Meere angeschwemmt sein sollten. Andere Waffen wurden bei diesen friedfertigen Insulanern nicht bemerkt. Doch lag eine Anzahl Knegshörncr auf den Tischen. Draußen in der Nähe standen die beiden Götzenbilder in Matten eingewickelt, das größte 14 Fuß hoch und 18 Zoll im Durchmesser. Daneben lag die Walze einer kleinen Winde, die von einem Fahrzeuge herrührte, welches früher hier Schissbruch gelitten hatte, uno wovon zwei Mann gerettet wurden, die aber bereits gestorben waren. Der Brunnen, der dem ganzen kleinen Volke das nothwendige Trint-wasser lieferte, lag nichl weit von dem Tempel. Er war ausgemauert, uu-gefähr 15 Fuß tief und von eiucm hohen Zaun umgeben. Am Ufer der Lagune erstreckte sich eine Reihe von etwa 5l» Boothäufern, doch die Boote selbst mit den Frauen und Kindern lagen in einiger Entfernung auf dem Wasser. 434 Obgleich man offenbar die Fremden weit wegwünschte, verwehrte man ihnen doch nicht das Untersuchen der Hütten. In einer derselben wurde die Königin unter einer Matte entdeckt, eine alte Dame von abschreckender Häßlichkeit, und ihre Angst war unbeschreiblich, als man sie mit aller ihrem Range gebührenden Höflichkeit aus ihrem Verstecke hervorholte. Die Kleidungsstücke der Frauen bestanden aus einer großen Menge Blätter, die an eine Schnur befestigt und in dünne Faden aufgeschlitzt waren. Datz ganze wohleingeolt und biegsam, bildete eine ungeheure Schürze, die ungefähr 50 Pfund wog, so daß man sich kaum etwas schwerfälligeres und abgeschmackteres denken konnte. An Kunstfertigkeit schien es den Insulanern nicht zu mangeln. Sie hatten verschiedenartige Matten zum Schlafen und zur Kleidung, und ihre aus Knochen, Haifischzähnen und Muscheln verfertigten Fischhatcn waren sehr. sauber gearbeitet. Sie hatten auch Feilen aus Haisischhaut, die vollkommen ausreichten das weiche Holz zu raspeln, welches sie zu ihren verschiedenen Geräthschaften benutzen. Die Kästchen worin sie ihre Fischhafen und andere tleine Gegenstände aufbewahrten, waren aus einem Stück geschnitzt und mit genau anschließendem Deckel versehen. Außer Cocos- und Pandanusnüsscn schien die Insel nichts Eßbares hervorzubringen. Die meiste Nahrung lieferte das Meer; daß es aber an Lcbensmitteln nicht fehlte, bezeugte das starke, gesunde Aussehen der Ein-gebornen, deren Anzahl auf etwa 600 geschätzt wurde. Als nach dreistündigem Besuch die Amerikaner sich nach den Booten zurückbegaben, legten die Insulaner eine große Freude an den Tag und waren ihnen beim Einschiffen aus jede Weise bchülflich. Zugleich benutzten sie die Gelegenheit, eine Menge kleiner Diebstähle zu begehen, und als der Naturforscher Pickering einem der Wilden seine Botanisirbüchse einen Augenblick zu halten gab, lief dieser sogleich davon und tonnte nur mit Mühe wieder erwischt werden. Nirgends wurden Backgmoen gesehen, so daß man vermuthen mußte, daß sie alle ihre Speisen roh genössen. Die Amerikaner wurden um so mehr in diesem Glauben bestärkt, als sie wahrnahmen, mit welcher Besorg-niß die Wilden oem Feuerzeug Funken entsprühen und die Cigarre dampfen sahen. Es scheint iedoch fast unglaublich, daß ein Stamm, der in sonstigen Beziehungen durchaus nicht eine der letzten Culturstufen einnimmt, die einfache Kunst des Feuermachcns nicht verstehen sollte. 435 Die nordwestlich von Fakaaso liegenden niedrigen Eilande Qatafu und Nakunono gehorchen demselben Könige und bilden, Wie bereits erwähnt, für jenes abgeschiedene Völkchen die Schranken der bekannten Welt. Erstere ward im Jahr 1765 von Byron entdeckt, der sie unbewohnt fand und ihr den Namen vulco okVorK Islanä gab. Sie war mit dichten Cocoshainen bedeckt, die ihr ein gar anmuthiges Ansehen verliehen, doch eine gewaltige Brandung bäumte sich überall an ihren Grundfesten empor und erschwerte die Landung, die endlich trotz aller Gefahr und Mühe, denn eS war höchst wün-schenswerth, frische Früchte für die am Scharbock leidende Mannschaft zu sammeln, vollzogen und durch einige hundert Cocosnüsse belohnt wurde. Man fand taufende von Scevögeln auf den Nestern, die sie in den Kronen der hohen Bäume gebaut hatten, und so zahm, daß sie ohne aufzufliegen sich erschlagen ließen. Auch war der Boden mit Landtrabben bedeckt, sonst aber lein Thier zu sehen. Ms 76 Jahre später Kapitän Hudson die Insel besuchte (184l), fand er sie von demselben Menschenschlag wie Fakaafo bewohnt. Die Bevölkerung mochte ungefähr 120 Seelen zählen, die in etwa 30 Hütten, wie die bereits beschriebenen, wohnten. Brunnen gab es hier nicht, sondern der Negen wurde in ausgehöhlten Palmenstämmen aufgefangen. Ihre Canots waren sämmtlich doppelt und da diese Pirogenart einzig und allein in ganz Polynesien zu entfernteren Seereisen, von Insel zu Insel, gebräuchlich ist, vermuthete man, daß sie wahrscheinlich zur Bevölkerung von ssakaafo gehörten und nur flüchtig auf Oatafu verweilten. Deßhalb mochte wohl Byron die Insel unbewohnt gefunden haben, obgleich die große Zahmheit der Seevogcl vermuthen läßt, daß die Fataafoncr sie vielleicht erst später entdeckten und benutzten. Neunzehn verschiedene Baumarten wurden von den amerikanischen Naturforschern auf Datafu gefunden, mehrere von ausgezeichneter Größe. Eine 40 Fuß hohe Pisonia maß über 20 Fuß im Umkreis dicht über der Wurzel und große Tournefortien, mit Farnkräutern überwachsen, hatten ein höchst ehrwürdiges Aussehen. Eine schöne Feigenart, die No^lnäa oklll'oillr und der liebliche Jasmin (6a,6onill tiuton»is), dessen wohlriechende weiße Blüthen von den Tahitierinncn als Haarschmuck getragen werden, wachsen wild. auf Datafu. Auf Fataafo wurde außerdem noch die Fächerpalme (lim-a«««« ^doliisol-i»!»?) angetroffen, die auf Tonga und Samoa angebaut wird, und aus einer an'8 Ufer getriebenen Frucht der Nemknäia knno,» hatten die sorgsamen Eingeborenen einen Strauch ge- 28' 436 zogen zum erfreulichen Beweise, dah sie die Geschenke der Natur nicht un-beachtet ließen. Außer Ratzen wurden keine Säugethiere gesehen und außer einer gelben Taube mit purpurner Haube auch kein Landdogcl, doch um so zahlreicheres Seegeflügel. Eine große schwarze Eidechse kroch vielfach umher. Die westwärts von der Union Gruppe liegende Clliceinfeln sind, wie es scheint, von dort her bevölkert Worten. Die eigentliche Ellicrinsel odcr Fanafute besteht, wie die RadackglUppen, aus einer ringförmigen Schnur von kleineren Eilanden, die auf der Grundfeste eines bedeutenden Coiallen-riffes ruhen. Sie liegen so weit auseinander, daß man sie für getrennte Inseln halten könnte. In den Zwischenräumcn brandct das Meer wüthend gegen das übcrflossene Riff, an dessen Westseite zwei Oeffnungen in die umschlossene Lagune führen. Da dieser Meeresstrich häufiger von den Walfängern besucht wird, nähern sich die Einwohner zutraulich den weißen Schiffern und lassen keine Gelegenheit zum Tauschhandel unbenutzt. Sie stehen an Größe und Schönheit dcn Samoern nach, haben eine tiefbraunc Gesichtsfarbe wie die Hawaiier und nähern sich den Einwohnern der Fidschi-inseln durch ihren dichtwüchsigen Bart. Außer einem Maro aus feinerem Flcchtwerk tragen sie auch noch einen Gürtel, von welchem fußlange rothgefärbte Streifen von Pandanuöblättern herabhängen, aus der Ferne wie Bänder aussehend. Ihre Sprache wird von den Samoern verstanden. Innerhalb der Lagune scheint ein guter Ankerplatz zu sein, an Holz fehlt es nicht (bekanntlich ein großes Bedürfniß der Pottfischfänger zum Auskochen des Oels), doch möchte der Wasscrvorrath nicht sehr reichlich sein. Die Bevölkerung wurde (1s41) auf ?50 Seelen geschätzt. Bedeutender ist die nordwestlich von Fanafute liegende Insel Nukufe-tau (Du rector), von demselben Volke mit gleicher Sprache und Tätuirung bewohnt. Die Bevölkerung mag etwa tausend Seelen bekagcn, die in sechs verschiedenen Dörfcrn wohnen und ganz auffallend häufig an Flechten leiden, da fast der fünfte Mensch mit AuZschlag bedeckt ist. Diese Insulaner umfassen cinen weiteren Erdkreis als die Fakaafoner. Die Somoagruppe gehört mit zu ihrer Weltkunde, und sie kennen, wenigstens dem Namen nach, Tonga, Hapai und Notuma. Auch hier gibt es einen guten Ankerplatz innerhalb der Lagune. Die übrigen zu dieser kleinen Gruppe gehörigen Inseln — Oaitupu, Spcidcn, Hudson :e. sind auch für die kürzeste Beschreibung zu unbedeutend. 437 Achtundzwanzissstcs Kapitel. Die Tarawa odcr Kingsmil! Gruppr. Die Makiner. — König Tekerc dcr Wohlbeleibte. — Die kriegerischen Drummond Insulaner. — Schuh- und Truhwaffcn, — Orgineller Helm. — WorauL besteht die Kingsmill Gruppc? — Ihre Fruchtbarkeit. — Sorqfältissc Bodenkultur. — Aufweiche Weise wurden die Inseln bevölkert? — Ranssunterschiedc. — Regierung. — Aberglaube. — Kainakaki, das Elysium. — Einfacher Lebenslauf. — Die Kurianer. — Orakel. — Krieg«'. — Kleidung. — Nahrung. — Feste, — Spiele. — Kindesmord. — Vcuölferuna,, — Amerikanische Missionare auf der Kinysmill Gruppe. Aaß die zahlreichen Ausreißer, welche fich bewogen fühlen, das beschwerliche Leben an Bord eines Walsischfängers mit dem siißen Nichtsthun unter dem sanften Himmel eines tropischen Inselparadieses zu vertauschen in der Regel nicht sehr günstig auf die polynesischen Völkerschaften wirken, die sie mit ihrem Besuch beehren, wird Niemand bezweifeln-. doch gibt es Fälle wo solche Leute der Wellkunde nicht unerhebliche Dienste leisten. Denn über manche abgelegene Inselgruppen des stillen Oceans, die der Seefahrer nur höchst selten im Fluge berührt, würden wir so viel wie gar nichts wissen, wenn nicht von Zeit zu Zeit derartige aus der Hürde der Civilisation verirrte Schafe, herzlich müde drs Lebens, welches sie anfangs für so genußreich hielten, die erste Gelegenheit benutzten sich ihren insula-rischen Freunden und Freundinnen zu empfehlen, und uns dann später Manches über dieselben erzählten. Mittheilungen aus solcher Quelle dürfen zwar nur mit Vorsicht aufgenommen werden, doch wenn ein sachverständiger welterfahrencr Mann wie Willcs über die Persönlichkeit des Berichterstatters ein günstiges Urtheil fällt, so haben wir auch knnen Grund an dessen Zuverlässigkeit zu zweifeln. Zwei solcher Ausreiher, die der amerikanische Seefahrer auf dem Kings-mill oder Gilbert's Archipel antraf und aus der frlbstgcwähltcn Verbannung befreite, waren ihm vom wesentlichsten Nutzcn seinen Bericht über diese wenig besuchten Inseln zu vervollständigen. Der eine, John Kirby ein Irländer, hatte 3 Jahre auf der Kuria oder Woodle's Insel zugebracht; der andere Robert Wood, ein Schotte, 7 Jahre auf Matin oder Pitt. Als letzerer 438 das Verdeck des Schiffs bestieg, war seine Aufregung so groß, daß sie seine Sprache mitunter durchaus unverständlich machte, und als ihm seine Bitte an Bord zu bleiben, gewährt wurde, gerieth er gauz außer sich vor Freude, so daß er mit den Amerikanern makinisch und mit den Eingeborenen englisch sprach, und einige Zeit verging, ehe er als Dolmetscher benutzt werten konnte. Die guten Matiner, welche keine Kriege führen und um sehr wenige Waffen besitzen, wodurch sie sich, wie wir sehen werden, sehr vortheilhaft vor den übrigen Bewohnern der Gruppe auszeichnen, hatten ihn zwar immer mit Freundlichkeit behandelt nnd ihn sogar anfangs auf den Schultern mnhergetragcn und fast vergöttert, aber die Langeweile auf der beschränkten Insel war gar zu groß. Auch in ihrem Aeußern unterschieden sich die Matiner vortheilhaft vor ihren Nachbarn, sowohl durch ihre regelmäßigeren Züge und lichtere Farbe als durch ihre stattliche Wohlleibigkeit. Sie trugen Backen- und Schnurrbärte und die Männer waren schön tätuirt. Als sie sich mit ihren Booten dem Schiffe näherten, legten sie das größte Vertrauen an den Tag, obgleich Wood versicherte, sie hätten während seines siebenjährigen Aufenthaltes nur ein einziges Schiff gesehen. Auch der König Tekere war mitgekommen, und versuchte an Bord zu steigen, was ihm jedoch wegen seiner majestätischen Cvrvulcnz unmöglich wurde. Während deS Besuchs machten sich die Eingeborenen weder durch Bettelei noch diebische Gelüste beschwerlich. Einige der Officiere landeten auf der Insel. Unter den Dachtraufen der Hütten bemerkten sie einige riesige Tridacna Muscheln znm Auffangen des Wassers. Ratzen liefen in allen Richtungen umher. Unter den Pflanzen wurden einige hohe Pisonien, Tournefortien, zwei verschiedene Urtieeen, eine Voerhaavia und (5oeospalmen bemerkt. Ganz verschieden von dcn freundlichen friedliebenden Makinern sind die Einwohner dcr zum südlichen Theil der Gruppe gehörigen Drummond's Insel. Sie sind mittlerer Statur, und hager, doch wohl gestaltet. Die meisten gehen ganz nackt außer einer Kopfbedeckung ans gebleichten Panda-nusblättern, oder auch wohl einer über die Schultern gehängten Matte zum Schutz gegeu die Sonne. Arme und Beine waren mit zahlreichen, zum Theil noch nicht zugeheilteu Narben bedeckt. Der Krieg schien eine ihrer Hauptbeschäftigungen zu sein: denn sowohl ihre Angriffs- als Vcrtheidigungtz-waffen deuteten auf eine große Virtuosität im Handwerk. Erstere bestanden aus, mit vier Reihen von Haisischzähnen oder spitzigen Rochenschwanzstacheln besetzten Lanzen und auf ähnliche Weise bespickten Schwerdtern, letztere be- 4.W sonders aus einer Art Harnisch, welcher den ganzen Körper bis zu den Hüften brdeckte und über den Hinterkopf noch 3 oder ä Zoll hervorragte. Er war aus CocoZnußbast geflochten, und einen halben Zoll dick, so daß er einen Lanzenstreich wohl abwehren konnte. Die vordere Seite der Arme und Beine schützte ein ähnliches Netzwerk. Aeuherst originell war der Helm, der aus einer am Kopfende aufgeschlitzten Igelsischhaut bestand. An der Spitze ragte der Schwanz empor, und die Flossen dienten als vortreffliche Ohrenbedeckung. Seltsam genug, eine Rüstung, die an die Nitterzeit erinnert, im stillen Ocean wieder auftauchen zu sehen! Wittes schildert dieses Volk als äußerst gefährlich und tückisch. Dem Anschein nach schien kein Gesetz sie zu regieren-, die größten Schurken und Schreier galten offenbar am meisten; während die Häuptlinge kaum mehr als ein nominelles Ansehen besaßen. Sie trugen ein besonderes Verlangen nach Taback, den sie mit unbeschreiblichem Vergnügen aßen und verschlangen. Alle fremden Schiffe die sich diesen Elenden nähern, müssen beständig gegen Verrath ein wachsames Auge haben; denn sie sind zahlreich und stets zum Bösen geneigt. Die ganze Kingsmill Gruppe besteht aus fünfzehn Coralleninfeln, deren höchste nicht mehr als 20 Fuß über den Wasserspiegel sich erhebt. Bemerkenswert!) ist, daß sie in derselben Richtung wie Radack liegen, und also denselben parallel laufenden Erdspalten entstiegen sind. An Bevölkerung und Fruchtbarkeit zeichnen sie sich vor den übrigen niedrigen Inseln aus; auch ist die Anzahl der eingeführten Pflanzen bedeutender, als auf den Riffinseln der Caroline« oder auf Paumotu. Der Boden besteht ein paar Zoll tief aus Corallensand und Humus, worauf eine dünne Schicht reinen Corallen-sandes bis zum harten Felsen folgt, Am Ufer werden häusig kleine Stücke Bimstein gefunden, die besonders der westliche Wind an's Land treibt. Alsdann sieht man die Frauen emsig mit deren Einsammeln beschäftigt, da sie als Dünger sehr geschätzt sind. Auf die Baumzucht wird hier mehr Sorgfalt als irgend sonstwo in Polynesien verwendet, denn man umzäunt die Cocosbäume, und mischt zerstoßenen Bimstein mit der Erde um ihre Wurzeln. Besonderen Fleiß verwendet man auch auf die Kultur einer Art von Tarowurzel (^.rum em-nit dem Anbau des Taro, wobei die Weiber nur das Unkraut ausreißen. Sonst sind letztere nur mit solchen häuslichen oder Handarbeiten beschäftigt, die auch wir als ihrem Geschlechte angemessen betrachten. Doch ist das Tagewerk der Manner ebenfalls leicht und die meiste Zeit bringen sie im Müßiggänge zu. Die Hauptuntcrbrcchung ihres einförmigen Lebens ist der Krieg, der mit Ausnahme von Makin auf der ganzen Gruppe herrscht, und bei dem geringen Verkehr der Inseln unter einander gewöhnlich den Charakter eines Burgerzwistcs annimmt, und die Bewohner desselben Eilandes entzweit. Die geschlagene zur Verzweiflung getriebene Partei schifft sich gewohnlich ein, um der gänzlichen Vernichtung zu entgehen. So erzählte Kirby, daß ungefähr zehn Jahre vor seiner Ankunft einer der ersten Häuptlinge von Apamama sich gegen den König empörte, der damals auf Kuria restdirte. Dieser sammelte sogleich seine Krieger und landete nach einigen Monaten auf Apamama, wo die meisten Einwohner zu ihm stießen, so daß 445 die Rebellen, den hoffnungslosen Kampf aufgebend, nach der Südseite der Insel flohen. Hicr hielten sie ihre Canots bereit und so wie der Konig mit seinen Kriegern heranrückte, schifften sie sich sogleich mit ihren Frauen und Kindern ein. Erst zogen sie nach Kuria, wo man sie für die heimkehrenden Krieger hielt, und Greise, Frauen und Kinder sich am Ufer zur fröhlichen Begrünung versammelten. Doch bitter war die Enttäuschung der Unglücklichen, denn plötzlich sahen sie sich von mordlustigcn Feinden umgeben, die uuerbitllich die Wehrloseil erschlugen und die ganze Insel verwüsteten. Nach einigen Tagen kehrten die Kunancr wieder heim, worauf die Rebellen sich noch einmal auf die Flucht begaben und die verödete Insel deren rechtmäßigen Besitzern überliessen. Einige der Flüchtlinge erreichten glücklich andere Inseln, andere wurden von Walfischfängern aufgenommen, die meisten verschlang der geheimnisvolle Orcan. Der Redellenhäuptling entteim nach der Drummondinsel, wo er noch viele Jahre lebte. Auch Wood Wußte von den Gräucln des Krieges zu erzählen. Ungefähr vor acht Jahren war auf Makin eine Flotte mit ungefähr 500 Mann aus Apia angekommen, welche vor den Kriegern von Tarawa flüchteten. Man nahm sie gastfrei auf, bis mau endlich entdeckte, daß die treulosen Fremden mit dem Plan umgingen, die Insel zu erobern, worauf die Einwohner sie überfielen und fast alle erschlngen. So gibt es auch auf dieser tleinen abgeschiedenen Welt - Kriege, Revolutionen, Verschwörungen — und die Wechsclfälle der großen Völkergcschichte wiederhole» sich im engen Kreise des winzigen Tarawa. Die Leichen der in der Schlacht Erschlagenen werden gewöhnlich nicht von den Siegern verzehrt, doch kommt es wohl vor, daß junge Leute Stücke vom Fleisch eines nahmhaften gefallenen Kriegers essen, um sich dadurch, wie sie glauben, auch seinen hervorstechenden Muth anzueignen. Auf Makin hatte der Krieg seit hundert Jahren nicht gewülhct. Die Waffen bestehen aus Keulen und den eigenthümlichen mit Haifischzähnen besetzten Echwcrdtern und dreizackigen Lanzen, von welchen bercils im Anfang des Kapitels die Rede war. Der Harnisch soll erst in der letzten Zeit eingeführt wovdcn sein und noch nicht auf allen Inseln sich vorfinden. Befestigungen gibt es auf dem nördlichen Theil der Gruppe nicht', auf der Drummond'sinscl jedoch fand man die Dörfer mit einem 8 bis 10 Fuß hohen Pfahlwcrk umgeben und das Innere derselben in verschiedenen Richtungen von ähnlichen Verschanzungen durchkreuzt. 446 Von Kirby wmde es für nicht unwahrscheinlich gehalten, daß binnen kurzem die kriegerischen Einwohner des südlichen Theils des Archipels, besonders der Drnmmond'sinsel, die nordlichen erobern und unterjochen würden. Die Häuser und CanotZ fand Wittes von vortrefflicher Bauart. Erstere haben einen Hängeboden wie auf Radack, auf welchem die Vorräthe zum Schutz gegen die Ratzen aufbewahrt werden und bedürfen zwei Monate zu ihrem Bau, während ein Boot für 10 Personen erst in 5 oder li Monaten vollendet werden tann. Die Zimmcrleute stehen in hoher Achtung und sinv entweder von den Häuptlingen abhängig oder Freigeborne, nnd arbeiten alsdann für Lohn. Am Bau der Mariapas, die häusig von bedeutender Größe sind, und deren Balken und Sparren mit schwarzen Streifen bemalt und mit den Muscheln der Cyvraea Ovula verziert werden, betheiligt sich die ganze Bevölkerung eines Dorfes. Viel Zeit wird auf die Verfertigung von Kleidungsstücken verwendet, und während die Männer sich mit dem Häuser-und Bootbau beschäftigen, befleißigen sich die Frauen des Flechtens von Matten, die in Ermangelung des Tapatuches, von den Männern als Kleidung getragen oder auch wohl als Segel und zum Lager benutzt werden. Man verfertigt sie aus den jungen hellgelben und den alten dunkelbraunen Blättern des Pandanus, deren verschiedene Farben zu regelmäßigen Mustern geflochten werden. Die ganz weißen Matten, zu welchen man die Pandanusblätter sorgfältig bleicht, sind jedoch die schönsten. Eine kleine längliche Matte mit einem Schlitz in der Mitte, durch welchen sie den Kopf stecken, und der also dem südameritanischen Poncho gleicht, wird häufig von den Männern getragen. Das Kleidungsstück der Frauen besteht aus einem Gürtel von fransenartig herabhängenden Cocosnußblättern. Als Zierrathen sind Schnüre von abwechselnd schwarzen und weißen Muscheln, oder aus geflochtenen Mcnschcnhaarcn gebräuchlich. Die Häuptlinge tragen auch wohl vorn an der Brust an einem Halsband hängend eine weiße Cyvraea oder einen großen Walfischzahn. Das Meer versorgt die Tarawaner mit einem großen Theil ihrer Nahrung. Walfische sollen früher häusig auf den Riffen gestrandet sein, und auch jetzt noch treibt zuweilen eine riesige Cetaceenleiche an's Ufer. Die kleineren Fische werden wie auf den Karolinen in Körben gefangen, die man auf den Meeresboden hinstellt, und durch eine Belastung von Vorallen-steincn vor dem Umwerfen sichert. Viele Fische werden auch mit Hülfe von Wehren oder Steindämmen gefangen, die man durch die seichten Lagunen 447 aufbaut, welche die Ebbe größtentheils trocken legt. Zur Fluthzcit umringen die Eingeborenen in großer Menge die Untiefe und treiben die Fische hinein, worauf das Wehr geschlossen wird, und nach dem Verlaufen des Wassers einen leichten Fang gewährt. Auch der großen Zugnetze bedient man sich an geeigneten Stellen. Bei Tage fängt man die fliegenden Fische, indem man auf die bereits erwähnte Weise die an eine kurze Schnur befestigtr Angel vom Hintertheil des forteilenden Bootes herabhängen läßt', Nachts bedient man sich eines Lichtes, dem sie nachstiegen und in's Boot fallen. Auf ähnliche Weise werden auch die Krabben aus ihren Löchern hervor-gelockt. Schildkröten werden zur gehörigen Jahreszeit auf dem stachen Strande erhascht, und Muscheln und Holothurien, die hier nicht für fremde Schiffer gesammelt, sondern zur Nahrung dienen, von Tauchern auf dem Meeresboden zusammengelesen. Die vegetabilische Nahrung besteht aus Cocos- und Pandanusnüssen einer Art Taro und etwas Brodfrucht. Der Saft der Pandanu«früchtc wird, wie auf Radack, gedörrt, und in langen wurstförmigen mit Pandanus-blättern umwickelten Rollen aufbewahrt. Diese halten sich jahrelang und dienen zugleich als eine Art von Münze, womit der den Häuptlingen schuldige Tribut entrichtet, oder der Lohn für geleistete Dienste bezahlt wird. Die Prodfrucht wird gewöhnlich auf heißen Steiuen geröstet. E8 ist dieselbe Spielart die auf Samoa wächst, wodurch die Vermuthung, daß die Einwohner zum Theil dorther stammen einen um so festeren Boden gewinnt. Aus der Blüthenscheide der Cocospalme verstehen sie den süßen Saft zu gewinnen, indem vor der Entwicklung der Frucht der Stiel fest zugebunden und das Ende abgeschnitten wird. Eine Cocosnußschalc dient zum Auffangen des herauströpfelnden Saftes, der entweder frifch getrunken, oder auf heißen Steinen zu einem Syrup ^ li-im^nnol — verdickt wird. Mit Wasser vermischt, bildet dieser das häufigste Getränk bei festlichen Zusammenkünften, und wird häufig dem Taro- und Cocosnußbrci zugesetzt. Berauschende Getränke kennt man nicht, denn der Taumclvfeffer, den ohne Zweifel die Vorfahren gekannt, wächst nicht auf den Inseln. Die Freigebigkeit der Natur läßt viel Zeit für Vergnügungen übrig, für Tanz und Gesang. Gewöhnlich zur Zeit des Vollmondes laden die Einwohner eines Dorfes die eines andern, sowohl Männer als Weiber, zu einem festlichen Gelage ein. Am bestimmten Tage kommen die Gäste in ihren Canots herangefahren und begeben sich nach dem Mariapa, wo sie 448 sich an dcr Seite woher sie kamen lagern, während ihre Wirthe sich ihnen gegenüber setzen. Nach genossener Mahlzeit eröffnen die Gäste den Tanz, der von den Wirthen wetteifernd fortgesetzt wird, und abwechselnd bis zum Abende dauert, worauf das Singen an die Reihe kommt. Nach Mitternacht enlfernen sich die Wirthe und überlassen den Mariapa ihren Gästen zum Nachtlager. Diese Festlichkeiten dauern drei Tage. Die Tänze gleichen den Evolutionen einer Compagnie Soldaten, da alle Bewegungen zugleich nach dem Tact eines einförmigen Gesanges ausgeführt werden. Am thätigsteil dabei ist der Oberkörper, während die Beine verhältnißmäßig ruhig bleiben. Oeftcrs werden die Arme weit ausgestreckt, und dann wieder klatschen die Hände mit großer Gewalt Hegen Schenkel nnd Brust, wahrend der Körper sich hin und herwiegt. Außerdem gibt es noch viele andere Vergnügungen: das,Spielen mit dem Fußball; mit kleinen Canots, die dem Zufall überlassen ans der Lagnne herumtreiben; das Schwimmen in der Brandung, wobei man sich eines kleinen Bretts wie auf Hawaii bedient-, auch laßt man häufig Drachen fliegen, aus Pandanusblättern verfertigt, welche man zur Hälfte ihrer Dicke abschabt, wodurch sie leichter als Papier werden. Beim Heirathcn finden festliche Ceremonieen statt. Am Tage der Hochzeit versammeln sich die beiderseitigen Verwandten und Freunde im Hause des Brautvaters, alte im größten Schmuck. Das junge Paar setzt sich in der Mitte auf einer neuen Matte, der Priester drückt ihrc Stirne an einander und gießt einige Tropfen Cocosnußoel auf ihre Köpfe. Hierauf nimmt er einen Baumzweig, taucht ihn in Wasser, besprenkelt damit ihr Gesicht und betet zugleich für ihr künftiges Wohlergehen und Glück. Nun werden ihnen Speisen vorgesetzt, gewöhnlich eine besondere Art Fisch, mit Taro und Brodfrucht, wovon sie beide genießen, und nun erst drängen sich die Freunde und Verwandte um Glück zu wünschen, und zum freundlichen Nasenreiben herbei. Kinder werden häufig schon im frühesten Alter mit einander versprochen, und die Vielweiberei beschränkt sich nur durch das Vermögen des Mannes. Nie auf Radack, darf jede Mutter nur drei Kinder erziehen: alle folgende müssen sterben, so wie sie geboren werden. Diese gräulichen Morde erregen weder Entsetzen noch Scham, man betrachtet sie als ein nothwendiges Uebel um der drohenden Uebervölkerung zu steuern. Es gibt bestimmte Tältowircr, die man hoch schätzt und theuer bezahlt, so daß nur die Vornehmeren sich diese Zierde in ihrer vollständigen Pracht aneignen tonnen. Die jungen Männer werden nicht vor dem zwanzigsten 449 Jahre tättowirt; die Sclaven niemals. Es sind meistens kurze schräge Linien ungefähr ein achtel Zoll von einander, dic in Längsreihen am Rücken, an der Brust und all den Beinen hcrablaufen, und vielleicht wie sonst überall in Polynesien eine ursprüngliche heraldische Bedeutung hatten. Die Weiber werden auf dieselbe Weise, jedoch bei weitem nicht in derselben Ausdehnung wie die Männer tättowirt. Das .Nlima der Inseln ist gleichmäßig und obgleich heiß doch weniger drückend als in den meisten tropischen Ländern. Erfrischende Seewinde wehen fast bcständig und Regengüsse sind häufig, die sowohl znr Abkühlung der Atmosphäre dienen als auch das Land befruchten. Der sogenannte Winter von October bis April zeichnet sich namentlich durch die Häufigkeit des Regens aus. Wechselnde Nord- und Westwinde herrschen alsdann vor, und steigern sich bisweile» zu Orkanen, die oft mehrere Tage lang anhalten. Große Stücke Landes werden alsdann vom tobenden Ocean verschlungen nnd Kirby behauptete, daß sogar wahrend seines Ausenthaltes die Westseite von Kuria bedeutend abgenutzt worden sei. Während dieser Stürme werden oft große Baumstämme, die zur Familie der Koniferen zu gehören scheinen, auf der Westseite der Inseln ausgeworfen, so wie große Klumpen eines Harzes, demjenigen ähnlich, welches in Neu Seeland aus dem Boden gegraben wird und wahrscheinlich Wie unser Bernstein einer vorweltlichen Flora an-gcho'rt. Die Eingeborenen benutzen es um ihr Coeosmchol wohlriechend zu machen, so wie sie zu verschiedenen Zwecken auch die Basaltsteine verwenden, die von den Wurzeln des Treibholzes umschlungen, den weiten Weg über den Ocean zu den Corallengestaden Tarawa's zurücklegen. Vom Mai bis September ist das Wetter meistenthcils heiter und der Passat streicht beständig über die Inseln. Diese Jahreszeit wird zum Reisen benutzt, denn im Winter wagen die Tarawaner nicht einmal von einer Insel zur Nächstliegenden zu fahren. Heftige Erdstöße werden zuweilen verspürt und die Richtung der Schwingungen scheint von Südwestcn herzukommen. Die Bevölkerung ist bedeutend. Auf der Drummond In^el, wo man am besten Gelegenheit zur persönlichen Uebersicht hatte, wurde sie auf mindestens 10,000 geschätzt. Auf Apamama fah King einst 7000 Krieger versammelt, die alle zum kleinen Dreiinselrcich gehörten, dessen Gesammtbcvol-kerung man also füglich auf 28,000 schätzen kann. Räch Wood belief sich die Seclenzahl Matin's auf 5000 und auch die übrigen Inseln, welche die amerikanische Expedition besuchte, schienen dickt bevölkert zu sein, so daß es 45(1 wohl leine Uebertreibung ist wenn Wittes die Seelcnzahl der Tarawa Gruppe auf mindestens 60,000 schätzt. Da das ganze trockene oder bewachsene Areal der Gruppe höchstens 7 Quadratmeilen betragt, kämen also an die 9000 Seelen auf die Quadratmrile, doch muß berücksichtigt werden, das) die fischreichen Lagunen, welche eine bei weitem größere Fläche einnehmen, das Meiste zu ihrer Ernährung beitragen. Mit fremden Schiften ist im allgemeinen der Verkehr sehr unbedeutend, da man sich hier weder Holz noch Wasser iu hinreichender Menge verschaffen kann, und es fast gar trine Tauschartitel gibt. Daher anürn die Südfahler nur selten in den Häfen, obgleich es deren cielc Me gibt, ein Vorzug, der den andern niedrigen Inseln abgeht. Der südliche Theil der Gruppe wird noch am häusigsten besucht, da er in der Nähe eines starkbefahrenen Wal-fischgmndes liegt, so daß die Bewohner dadurch im Etande sind Eisen, das überall in der Südsee so hochgeschätzte Metall, in hinreichender Menge sich anzuschaffen, um ihre einheimischen Grräthschaften aus Stein oder Pcrl-muttermuscheln fast ganz entbehrlich zu machen. Eine merkwüdigr Begierde nach Tabat, und einige früher unbekannte Krankheiten möchten außerdem noch die Hauptsrüchte sein, die sie dem Verichr mit den Weihen verdanken. Die Gemüthsart der Tarawaner hat manches eigenthümliche-, so sollen sie dem Spleen unterworfen sein und dadurch Mixilen zum Selbstmorde verleitet werden. Ihr höchster Ehrgeiz strebt danach sich den Ruhm eines vollendlten Weltmanns, eines Maida zu verschaffen. Der Maida ist in allen ihren Künsten und Spielen wohl bewandert, ein vortrefflicher Tänzer, ein unüberwindlicher Krieger; er versteht das Leben am besten zu genießen, und geht gerades Weges nach dem Tode zu den Freuden Kainakati's über, da er nach den Begriffen seiner LandSleutc auf der Höhe der Menschheit steht. Die Sauflmulh der Makin Insulaner im Gegensatz zur Rauflust ihvcr Nachbarn beweist, daß ein friedfertiges sorgenloses Leben, durch mehrere Generationen fortgesetzt, eine bedeutende Veränderung im ^haralter eines Volkes hervorbringen kann, denn während bei den kriegerischen Dnnnmond's Insulanern die grausamen Instinkte des Wilden vorherrschen, sehen wir bei jenen schon die Morgenröthe dcr Humanität aufdämmern. Auch auf die Kingsmill Gruppe hat seit einigen Jahren die Thätigkeit der Missionare fich aukgcbreilet. Im Jahre l?5)2 wurde das Werk mit Makin begonnen und feit 185? hat der amerikanische Glaubenspndiger 451 Bmgham sich auf Apia oder der Charlotten Insel niedergelassen, deren Be-obilrrung er genau zu 3211 Seelen angibt. Ein blutiges Ereigniß brachte den Missionar mit den Bewohnern der südlich von Apia gelegenen Insel Tarawa in nähcre Berührung. Am 19. Februar 185)8 tam eine Schaar Tarawaner in etwa 109 Eanocs, nach Apia um die Bewohner der letztgenannten Insel anzugreifen. Ein hitziges Gefecht entstand, in welchem die Tarawanrr, wie sie es wohl verdienten, vollständig unterlagen und mindestens 50 Menschen und 7(1 Fahrzeuge einbüßten. Eine Anzahl Männer, Frauen und .Ander von Tarawa, die sich als der Kampf einen so unglücklichen Ausgang nahm in's Meer stürzten, wurden gefangen genommen.< Wer Anführer der' Tarawancr selbst siel. Aber es gab auf Tarawa noch einen zweiten Häuptling, dn an dem Uebelfall keinen Theil genommen hatte. Seine Anhänger kamen nach Beendigung der Schlacht nach Apia um den dortigen Häuptling Te Kauea, der im besten Einvernehmen mit dem Missionar lebte zu seinem Siege zn beglückwünschen. Viele von diesen Tarawanern wurden von Te Kaura in die Wohnung oes Missionars gebracht, um das nach amcrikanischcr Weise ans aufrecht stehenden Brettern erbaute, 24 Fuß liefe, und 18 Fuß breite Haus zu sehen. Ein kleiner Compaß, dessen Nadel Te Kauea mittelst einer Messerklinge beliebig hin-- und herbewegtr, war für sie ein stauuenswrrthcr Anblick, so wie die Uhr mit dem Schlagwerk. Auch konnten sie sich nicht satt sehen an den Photographiern. Der Häuptling, ein ansehnlicher Mann mit angenehmen Gesichtszügen, versicherte er würde Missionare auf Tarawa gastfrei aufnehmen, und ohne Zweifel hat man ihn beim Wort gehalten. So hat auch auf Kingemill die Vivilisalion bereits den Grundstein zu späteren Erfolgen gelegt-. und diese Gruppe wird wie so viele andere dem Einfluß der höheren Cultur sich unterwerfen müssen. 29" 452 Ncummdzwanziffstcs Kcchitcl. Nadack und 1l a l i ck. Chamisso. — Der Nadact Archipel. — Größe der Atolls. — Der Pauranus. — Dcr Mcgan. — Der ^oeos. — Auswürflinge dcö Meeres. — Physischer nnd moralischer Zustand der Radacker. — Beschäftigungen des Friedens. — Der blinde Gc>tt von V^ar. — Vorrechte oer Häuptlinge. -^ Kriege. — Scheingefecht. — Entdeckung von Mesid durch Kotzebuu, 1. Januar 18!?. — Otdia. — Einfahrt in die Vagunc. — Lagcdiack. — Anlage eines Gartens. — Kadu. — 3tcist auf dem Nurick nach den Nll'ütcn. — Bleibt auf Otdia. — Seine wahrscheinliche Ermordung. — Naliek-Mif-sionare auf Itadack lind Nalick. 3)ie Orte, wo ein uns theurer Dichter mit Liebe verweilte, werden uns zu geheiligten Stätten nnd gernc flüchtet unsere Phantasie aus dem betäubenden Gewirr des Alltagslebens nach jenen freundlichen Nuhcpunkten, welche der Genius der Poesie so reizend für sie schmückte. Ein solcher Ort ist Nadaä, an und für sich eine der unbedeutendsten Inselgruppen Polynesiens, für den Freund ter Musen der Sitz einer der lieblichsten Idyllen, denn hier war es wo Chamisso die schönsten Tage seiner Weltfahrt feierte, sein Leben vielleicht am heitersten genoß. Kotzebne hat Radack für die Geographie entdeckt, aber für nns hat Chamisso es geschaffen, denn wer ohne ihn tunumrte sich um das arme Ländchen und desscn cmne Bewohner. Ein Blick auf die Karte zeigt untz nbrdllch von Tarawa und gewissermaßen die geologische Fortsetzung jenes weit reicheren und bevdMrteren Archipeles bildend, eine Reihe in südnördlicher Richtung sich erstreckender Inselgruppen, deren jede wiederum aus vielen kleinen Inseln besteht, wovon die bedeutendste gewohnlich der ganzen Giuppe den Namen gibt. Den Umkreis des ihr als Grundlage dienenden Riffes krönend, schließt jede Grnppe ein großes inneres Wasserbecken < und scheinen dadurch ihren älteren Ursprung zu bekunden. So zeigte sich die Insel Tabual, die einzige der Gruppe Aur, auf welcher Chamisso landete, in einem ganz ungewöhnlichen Flor. Hinter einem gedrängten Haine schlantaufsteigender Cocospalmcn fand er in den Niederungen Pflanzungen von Bananen und Arum. Reicher an diesen nahrhaften Gescheuten der Flora, die dort nur jüugst angepflanzt zu sein schienen, sollten die südlichen vom Nurict unbefugten Gruppen Mednro, Arno und MW sein, und beide ersten verglichen sich allein den übrigen der Kette zusammengenommen an Bevölkerung und Macht, waö übrigens nicht mehr heißt, als daß sie an die tausend Bewohner zählen mochten. Das nutzbarste Gewächs auf Na< dack, dessen Frucht die Volksnahmng ausmacht, ist der gemeine Pandanus der Südsecinseln, dessen Nüsse sonst nur znm Schmuck so Wie dessen Blätter zl!l Kleidung oder zum Dachdecten benutzt werden. Er wächst wild auf dem dürrsten Sande, wo erst die Vegetation anhebt und bereichert den Grund durch die vielen Blätter, die er abwirft. Er wuckert in den feuchten Niederungen reicherer Iuselu. Er wird außerdem mit Fleiß angebaut, und über zwanzig Abarten mit veredelter Frucht werden durch Ableger fortgepflanzt. Die zusammengesetzten faserigen Steinfrüchte, aus denen die kugelförmige Frucht besteht, enthalten an ihrer Basis, dem Punttc ihrer Anheftung, einen würzigen Saft. Mau klopft erst, diesen Saft zu genießen, die Steinfrucht mit einem Stein und laut sodann die Fasern. Man bäckt auch die Früchte in Gruben nach Avt der Südsee, nicht sowohl um sie in diesem Zustande zu gemeßcn, als um daraus den Mogan zu bereiten, cm würziges trockenes Confect, das für Seereisen aufgespart bleibt. Zur Bereitung des Mogan sind alle Glieder einer oder mehrerer Familien geschäftig. Aus den Stein- 454 flüchten, wie sic aus der Packgrube kommen, wild der verdickte Saft über den Rand einer Muschel ausgekratzt, dann aus ein mit Plättern belegtes Rost ausgebreitet, über ein gelindes Kohlcnfeucr der Sonne ausgesetzt und ausgedörrt. Die dünne Scheibe, sobald sie gehörig getrocknet, wird dicht auf sich selbst zusammengerollt und die Walze dann in Plätter des Baumes sauber eingehüllt und umschnürt. Die Mandel dieser Frucht ist geschmackvoll aber mühsam zu gewinnen und wird öfters vernachlässigt. An3 den Blättern verfertigen die Weiber alle Sorten Matten, sowohl die zierlich umrandeten viereckigen, die zu Schürzen dienen, als die zu Schiffssegeln verwendet werden, und die dickeren woraus das Lager besteht. Der Cocos der auf den reicheren storalleninseln des großen Oeeans den ersten Rang einnimmt, steht hier dem Pandanus nach, doch so wie auf diesem die Nahrung, so beruht auf jenem die Schisffahrt des anmuthigen Volkes von Radack. Wo fänden sie sonst das Material zu den Schnüren, womit die Planten ihrer kunstfertigen Pirogen mit einander verbunden werde«, oder zu den Seilen, welche das Segel aufziehen und herablassen? Daher wird er überall ans bewohnten und unbewohnten Inseln angepflanzt und vermehrt, aber bei den vielen jungen Pftanzschulen auf die Chamisso traf, sah er ihn nur auf bewohnten Inseln seine hier sehr kleinen Nüsse tragen und nur auf wenigen und auf den südlicheren Gruppen seine luftige Krone hoch in den Lüften wiegen. Der Brodfruchtbaum, womit die freigebige Natur Tahiti und die Marquesas reichlich begabte, ist auf Radack nicht sehr gemein und da die einzige hier vorkommende Art nur kleine Flüchte mit öfters ausgebildeten Samenkörner trägt, läßt sich vermuthen, daß er hier gleich den Cocos nicht mehr den ihm völlig zusagenden Boden, das seinem üppigen Wüchse entsprechenden Klima findet. Nichts destoweniger wird er sowohl seiner Früchte als scines Holzes wegen hochgeschätzt, da aus diesem der Kiel zu den Booten verfertigt wird, deren übrige Planken mmf meistens aus Floßholz arbeitet. Der Taro findet hier fast nirgends den tiefen Moorgrund, der zu Ausbildung seiner Wurzeln nöthig ist, doch wird er hie und da nebst der Banane und dem Manglebaum (ll,inx»>j»!>o>-ll ^»ino!^!/^) angepflanzt. Das Kraftmehl au3 der hur sehr häufigen ^u!«a pirnant^a wird selten bereitet, so das; also auch hier der Mensch aus Unkenntniß oder Trägheit nicht alle Gaben zu seinem Nutzen verwendet, welche die Natur ihm darbietet. 455 Aus der Rinde von drei verschiedenen Pflanzenarten, die nur wild vorkommen — einer Nessel, die einen weißen Faden von ausnehmender Feinheit und Stärke liefert; einer den dürrsten Sand überziehenden Winde und dem Hibiscus - wird ein nutzbarer Bast gewonnen. Daß ans dem dürftigen Radact verschiedene Zierpflanzen, deren wohlriechende Blumen man in anmuthigen Kränzen um das lange aufgebundene Haar und in den Ohren Mägt, allgemein um die Wohnungen angepflanzt werden, zeigt von einem Sinn für Wohlgcrüche und Zierlichkeit, von einer Empfänglichkeit für das Schöne, die so vielen Söhnen des hochgebildeten Europa fast gänzlich abgeht. Außer den cntwnrzelten Baumstämmen und Schifsstrümmern, welche die Strömuug auf die Risse von Radack auswirft, und wodurch sie uicht nur mit Bauholz sondern anch mit Eisen und Steinen zum Schleifen versorgt werden, bringt ihnen das Meer auch noch manche Samen und Früchte, von welchen manche die Fähigkeit zu keimen noch nicht verloren haben. Sie wurden von (>hamisso gesammelt und darunter die Früchte von der Nipa Palme und von Pandanus Arten gefunden, die nur auf den größeren im Westen gelegenen Länden vorkommen und auf die Weltgegend hindeuten, von welcher auch der Mensch nach Nadack herüberkam. Außerdem waren es die Früchte der lilli-ii^toom «i^io^, der ^iLu^to» triloda und anderer Bäume, die größtentheils den baumartigen oder ranken» den Schotenvflanzen angehörten, die überall zwischen den Wendekreisen gleich häufig sind. Die Verbreitung der wandernden Samen von Küste zu Küste und Insel zu Insel gehört unstreitig zu den anmuthigsten Geheimnisfrn des Oerans. Die Lagunen im Innern der Inselgruppen sind an Fischen nur arm. Besonders wird den fliegenden Ezoeocten Nachts bei Feuerschein nachgestellt. Der Haut wegen, welche die Trommel zu bespaunen dient, werden zwei große Rochenarten angegriffen, deren Genuß VergiftunMnfällc hervorbringt. Um so mannigfaltiger ist die Reihe der ein- und zwrischaligen Muscbeln, die sowohl verspeist als sonst noch auf mannigfaltige Weise benutzt werden. Das Tritonichorn dient als Signalttompete, die Riesentridacna als Gefäß und zur Verfertigung von Schneidewerkzeugen, die Perlmutter wird zu Messern geschärft und kleinere Schneelenartm werden zum Schmuck in zierlichen Reihen um Haupt und Nacken getragen. Der Trepang kommt in Neber-fiuß auf den Riffen vor, ohne daß die dürftigen oft um Nahrung beknmmer- 456 ten Radacker es versucht hätten ihren Hunger mit dem ekelhaften Wurm zu stillen, der wie wir wissen auf dem chinesischen Markte so sehr gesucht wird. Man kann sich denken, welche reiche Ausbeute an niederen Seethicren der Naturforscher auf diesen Rissen, in diesen Lagunen findet, wie sehr ein etwas längerer Ausenthalt sich für ihn lohnen würde? Aber die wissenschaftlichen Expeditionen durchstiegen in der Regel die Erde, und kaum hat der Beobachter einen oberflächlichen Eindruck gAonnen so führt ihn schon das Segel nach einem andern Gestade hin, von dem er wiederum nach gleich flüchtigem Erscheinen sich trennen muß. Die Radacker sind von dunklerer Farbe als die Hawaiier, von denen sie sich vvrtheilhaft unterscheiden durch größere Reinheit der Hant, dir weder der Gebrauch des Kawa noch sonst dort herrschende Hautkrankheiten entstellen. Bei ihrer dürftigen Nahrung sind sie weder von großer Statur noch von sonderlicher körperlicher Kraft, aber obwohl schmächtig ist ihr Körper wohlgebildet und gesund und sie scheinen ein hohes Alter mit heiterer Rüstigkeit zu erreichen. Kotzrbuc machte die Bemerkung, dcch die Greise überhaupt einen ungeschwächten Geist behalten, und der Iugendsinn sich erhält bis die Hülle in's Grab sinkt-, ein schönes Vorrecht des armen aber glücklichen Völkchens, welches der Seefahrer drm milden Klima, der mäßige» Arbeit und der vegetabilischen Nahrung zuschreibt. Daß schwarze Haar wird hinten zierlich aufgebunden, und besonders beim weiblichen Geschlecht mit Blumen und Muscheln geschmückt. Mann und Weib tragen in den durchbohrten Ohrlappen ein gerolltes Pandanußblatt. Die Nolle hat bei den Männern 3 bis 4 Zoll im Durchmesser^ bei den Weibern unter der Hälfte. Die Tä-tuirung findet bei beiden Geschlechtern statt, und ist bei jedem gleichförmig, Wie dieses auch sonst in Polynesien für jedes besondere Land der Fall. Bei den Iruß oder Häuptlingen verbreitet sie sich meist über Theile des Körpers die beim gemeinen Mann verschont bleiben. So trägt oder trug in Polynesien jeder nicht nur sein Vaterland, sondern auch seine Geburt in unauslöschlichen Zeichen auf der Haut eingegraben. Die Kleidung der Radacker entspricht, wie man sich leicht denken taun, ihrer Dürftigkeit, Vci den Männern besteht sie in einem Gürtel mit hängenden Vaststreifen, den öfters eine kleine viereckige Matte als Schürze begleitet, Diaben gehen bis sie das männliche Alter erreicht haben völlig nackt. Die Weiber tragen zwei längere Matten mit einer Schnur über die Hüften befestigt, die Mädchen früh schon eine kleinere Schürze. Auch hier trifft man 457 bei den Männern den reichsten Schmuck, denn außer den Blumen» und Muschelkränzen, womit sich beide Geschlechter zieren, traben sjc häufig einen Halsschmuck von gereiheten Drlphinenzcihnen mit vorhängenden Platten von Schildlrot oder dünnen runden Muschel und Cocosscheiben. Zum Kopfputz der Häuptlinge gehören oft auch die Schwanzfedern des Tropikvogels und die langen Schwingen der hochfliegcnven Fregatte. Die Häuser, die nur aus einem von vier niederen Pfosten frei getra-gencn Dache bestehen, das mit einem Hängeboden versehen ist, bezeugen sowohl die Armuth der Nadackcr, als die ewige Frühlingßmilde ihres Klimas. Man kann untcr dem Dache nur sitzen, eine grobe Matte dient zum Bett und ein Holzstamm zum Kopfkissen. Urbrigens ziehen die Radacker auf ihren kunstreichen Booten mit Familie und Habe, welche letztere eben nicht das leichte Fahrzeug erheblich beschwert, bald aus die eine bald auf die andere Insel; theilweise zum Besuch, noch öfters aller Wahrscheinlichkeit nach um dem Mangel an Pandanusfrücbten zu entgehen, der die Bewohner einer Gruppe, innerhalb ihrer engen Welt zu einer Art von Nomadenleben zwingt. Der wildwachsende Pandanus fcheint ein gemeinschaftliches Gut zu sein. Ein Bündel Blätter'dieses Baumes lScichen des Eigenthums» an den Ast gebunden woran eine Frucht reift, sichert dem, der sie entdeckt hat, ein Recht darauf. Die Cocosbäume sind ein Privateigenthum. Man sieht öfters solche die in der Nähe der Wohnungen mit reifenden Nüssen beladen sind, mit einem um den Stamm befestigten Cocosblatt verwahrt, das durch Rauschen das Hinantlrtlern verrathen foll. Außer der Sorge für Nahrung sind Schifffahrt und Gesang die Hauptbeschäftigungen des Friedens. Das liebste, das einzige Gut der Nadacker sind ihre Boote und ihre Trommel, welche schon ihre Kinderspiele ausmachen. Sie führen besonders am Abend im Kreis um ein hellloderndes Feuer versammelt ihre sitzenden Liedcrtänzr auf, in welchem das Andenken wichtiger Begebenheiten von Generation zu Generativ« aufbewahrt wird. Berauschende Freude ergreift dann alle und aller Stimmen mischen sich im Chor. Einem unsichtbaren Gott im Himmel — Anis — Werden ohne Tempel und Priester einfache Opfer von Früchten bei aNen wichtigen Unternehmungen dargebracht. Es gibt auf verschiedenen Inseln heilige Bäume, Cocos-palmen, in deren Krone sich Anis niederläßt- Um den Fuß eines solchen Baumes sind vier Balken im Viereck gelegt. Es scheint nicht verboten zu 45h sein ill den Mm», den sic einschließen, zu treten und die Früchte des Baumes werden von den Menschen gegessen. Die wüste und nördlichste Inselgruppe Bygar hat ihren eigenen Gott. Der Gott von Bygar ist blind, er hat zwei junge Sohne Namens Rigabuil und dir Menschen, die Bygar besuchen, nennen einander so lange sie da sind Rigabuil, damit der blinde Gott sie für seine Söhne halte und ihuen Gutes thue. Anis darf auf Vygar nicht angerufen werden; denn der Blinde der durch ein scharfes Ohr den Mangel des Gesichtssinnes zu ersetzen scheint, würde den, der es thäte mit schwerer Krankheit strafen oder sogar erschlagen. Daß in die Gruben Wasser quelle oder das steigende Meer in seine Grenzen zurückkehre, helfen wohl und ohne Fehl ausgesprochene Beschwörungsformeln, denn ist der Erfolg ungünstig so ist etwas versehen worden und die Worte wurden nicht recht gesagt. „Es ist überall wie bei uns", sagt sshamisso. Obgleich den Häuptlingen keine besondere Ohrfurchtsbezeugung gezollt wird, so üben sie doch über alles Eigenthum ein willkürliches Recht. (5ha-misso sah selbst von dem Fremden beschenkte Häuptlinge ihre Gaben gegen Mächtigere verheimlichen. Wo ein Häuptling auf eine Insel anfährt, wird von seinem Boote aus ein Zeichen gegeben und seinen Bedürfnissen wird sofort mit dem besten Vorhandenen zuvorgekommen. Ein schönes Vorrecht der Geburt, um welches leider unsere hochwohlgeborcnen Herren, denen jetzt nur noch nach dem Maasstabe ihres Beutels aufgetischt wird, den Nadacker Adel beneiden dürften. Die Erbfolge ist nicht unmittelbar von dem Vater auf den Sohn, sondern von dem älteren Bruder auf den jüngeren bis nach Ableben aller der erstgeborene Sohn des Grsten wieder an die Neihe tritt. Dasselbe fand auch bei den alten (5hamorros auf den Marianen statt. An Sanftmuth und Gutmüthigst sollen die Radacker nach dem übereinstimmenden Urtheil von Kotzebue und Chamiffo alle anderen Polyuesier übertreffen, ein Vorzug den sic vielleicht der Sittlichkeit ihrer Weiber, vielleicht aber auch ihrer größeren Armuth und der kargen Fastennahrung verdanken, welche alle wildere Leidenschaften dämpft. Mit dieser Milde der Sitten steht ein grausames Gesetz im Widerspruch, dessen Grund in dem drängenden Mangel und der Unfruchtbarkeit der stiefmütterlichen Erde liegt. Jede Mutter darf nur drei Kinder erziehen, das vierte das sie gebiert, und jedes darauf folgende, soll sie selbst lebendig begraben. Diesem Gräuel sind die Fannlien der Häuptlinge nicht unterworfen. 459 Die deutschen Seefahrer — denn obgleich unter russischer Flagge, war die Expedition des Nurick doch eher eine deutsche zu nennen, da ein Sohn unseres wohlbekannten Theaterdichters sie befehligte, und deutsche Natur-forscher — Chamisso, Eschscholtz — ihr einzig und allein den wissenschaftlichen Werth verliehen haben, der ihr Andenken bei der Nachwelt aufbewahrt, — lernten zuerst und hauptsächlich auf der Gruppe Otdia, das an^ muthige Volk von Radack kennen. „Die Menschen," sagt der Dichter, „die uns freundlich einladend entgegenkamen, schienen uns eine Zeit lang im Gefühl unserer Ueberlegenheit zu scheuen. Die Häuptlinge bewiesen den stärkeren Muth, die größere Zuversicht. Vertrauen machte unsere Freunde nie zudringlich, nie übcrlästig. Die Vergleichung unsere? überschwenglichen Reichthums und ihrer Dürftigkeit erniedrigte sie nie zum Betteln, verführte sie selten zum Diebstahl, ließ sie nie die Treue brechen, wo ihnen getraut ward. Wir durchwandelten täglich einzeln, ohne Waffen ihre Inseln, schliefen bei weggelegten Schätzen, lMesser, Men) unter ihren Dächern, entfernten uns auf längeren Zügen auf ihren Booten und vertrauten ihrer Gesinnung, wie wir bci uns dem wachenden Schutze der Gesetze vertrauen. Wir tauschten mit ihnen, von ihnen zuerst aufgefordert, unsere Namen. Die Menschen kamen uns, wo Wir erschienen, gastfreundlich entgegen, und reichten uns Cocosniisse dar. Wir handelten auf Dtdia nicht, wir beschenkten und wurden beschenkt. Einzelne schienen zu geben, eine gleiche Lust zu haben als wir, und brachten unö noch mit feiner Sitte Geschenke, wenn Gegengeschenke nicht mehr zu erwarten waren. Andere betrugen sich eigennütziger. Wo unerhörte Ereignisse nie überdachte Verhältnisse herbeiführen und die Sitte schweigt, muß der eigenthümliche Charakter der Menschen sich selbstständig offenbaren. Die Frauen verhielten sich schamhaft nnd zurückhaltend, sie entfernten sich wo wir uns zuerst zeigten und kamen nur in dem Schntze der Männer wieder hervor. Gegen unsere kleinen Gescheukc, Ninge, Glasperlen, die sie weniger als wohlriechende Holzsplitter von englischen Bleistiften zu schätzen schienen, reichten sie uns mit zierlicher Art den Schmuck, den sie eben trugen, dar, ihre Muschel- und Blumenkränze. Uns trat überall das Bild des Friedens bei einem werdenden Volke entgegen, (Radaek hat sich wahrscheinlich weit später als die meisten Inseln der Südsec, wahrscheinlich von den Karolinen aus bevölkert,) wir sahen neue Pflanzungen, fortschreitende Kultur, viele aufwachsende Kinder bei einer a,e- 4W ringen Menscheuzahl, zärtliche Sorgfalt der Väter für ihre Erzeugten, anmuthige leichte Sitten, Gleichheit im Umgang zwischen Häuptlingen und Mannen, trine Erniedrigung vor Mächtigeren und bei größerer Armuth und minderem Selbstvertrauen keine der Laster durchblicken, welche die Völkerschaften des ostlicheren Polynesien? entstellen " Erst später wurde die Erfahrung gemacht, das; auch hier der Krieg nicht selten wüthet, daß anch auf Nadack Zwietracht und Eroberungssucht ihren Fluch über die Menschen verbreiten. Vamarri, ein gewaltiger Fürst, (er mag jetzt wohl längst bei seinen Vätern ruhen), hatte damals alle nördlicheren Inselgruppen — Aur, Kawen, Otdia, Udirck — seinem Scepter unterworfen, doch war sein Reich häufigen Ucberfällen von Nrno und Mcdiuro ausgesetzt. Mit Geschwadern von 30 Booten, jedes mit 6 bis 10 Menschen bemannt, streiften die Feinde bis Dtdia und lieferten Schlachten, in welchen bis 20 Krieger ron jeder Seite geblieben waren. Kein Solferino allerdings, aber kaum minder grausig, wenn man die Kleinheit der Verhältnisse und die noch unausgcbildete Kunst des Mordeus bedenkt! Doch auch die Einwohner von Mcdiuro wurden mitunter von den Schrecken des Krieges heimgesucht, u>,d mußten für ihre frevelhaften Anfälle büßen. So wurde bald nach Kotzcbue's erstem Besuch (1317) ein großartiger Fcldzug nach Mediuro von Lamarri ausgeführt. Seine Flotte bestand aus 40 Segeln und etwa 400 Menschen, die Weider mitgerechnet, die in hinterer Reihe Steine warfen. Die mächtige Armada, vielleicht die gewaltigste die Nadack jemals gesehen, war von allen Inseln des kleinen neptnnischen Reiches zusammengezogen, veuu zu einer solchen Kraftentivickluug mußte nothwendig der Oesaimutslaat sich anstrengen. Kin glänzender Sieg, zu welchem die vom Nurick geschenkten Beile nicht wenig beitrugen, war der Lohn des gewaltigen Unternehmens. Fünf Feinde wurden erlegt, während Lamarri den Verlust nur eines einzigen Krieger? betrauerte. Beladen mit Cocos, PandanusnUen und Vrodfrüchten, (denn die südlicheren Inseln — Mediuro und Arno — sind wie bereits bemerkt, schon reichlicher von der Nalur bedacht worden), kehrte die Flotte trimnphireud wieder heim. Ucbrigens tritt sogar im Kriege die Sanftmut!) der Radacker hervor, denn der erschlagene Feind wird nicht kannibalisch verzehrt oder mit teuflischer Wuth verstümmelt, sondern je nach seinem Range begraben oder m's Meer geworfen. Männer macht mau zwar nicht zu Gefangenen, aber ocrfchont die gefangenen 461 Weiber. Auch beraubt man wo^hl die eingenommenen Inseln ihrer Früchte, aber lä'ßl die Bäume unbeschädigt stehen! eine Schonung, die vielleicht sonst nirgends im heidnischen Polynesien vorkam. Von der Art der Kriegsführung auf Radack gibt uns ein Scheingefecht, welches auf Kotzebue's Verlangen veranstaltet wurde einigen Begriff. Zwei Haufen Männer und Weiber, stellten sich in geringer Entfernung als feindliche Heere gegenüber. In der ersten Schlachtreihe standen die Männer, statt mit Lanzen mit kleinen Stocken versehen; in der zweiten die Weiber, die ihre Körbe mit Pandanuskernen, statt der Steine füllten. Durch Blasen auf dem Muschelhorn gaben beide Anführer das Seichen der Schlacht. Die Heere näherten sich ein wenig, aber statt des Kampfes fing jetzt ein sehr komischer Tanz an, bei dem jeder durch die wüthendstcn Geberden, Verzerrung des Gesichts und Verdrehung der Augen, daß nur das Weiße sichtbar blieb, seinen Feind zu übertreffen suchte. Die Weiber waren auch nicht müßig und kreischten einen Kricgsgesang mit dem man allerdings Freunde der Harmonie halte vertreiben können. Ihr sonst so zierlich zusammengebundenes Haar flatterte jetzt wild um ihre Köpfe herum und gab' ihnen ganz das Aufsehen von Wahnsinnigen, das sie auch durch ihre Geberden zu erlangen strebten. Die Anführer standen unterdessen unbeweglich und munterten ihre Heere durch den Schall der Musehelhörncr auf sich imnnr furchtbarer zu zeigen. Als die grosze Anstrengung schon ziemlich alle Kräfte erschöpft hatte, schwiegen die Hörner, und nun rückten sich einige der Tapfersten von beiden Seiten näher, während die Heere selbst steheil blieben. Diese kampflustigen Helden forderten sich nun gegenseitig durch Drohungen uno Schmähungen heraus, wobei iedcr sich seinen Mann wählte. Run tanzten und sangen sie sich einander lange etwas vor, und machten zuweilen mit der Hand eine Bewegung, alö wollten sie die Lanze werfen, welcher der Gegner rann jedesmal Mal durch einen Seitensprung auszuweichen suchte. Beide Heere und ihre Anführer feuerten ihre Hcldcn durch Schlachtgrsänge zur Kühnheit au. Diese begannen nun ihre Stbckchcn wirklich zu werfen, die Hörner erschallten wieder, die Heere rückten unter Tanz und Gesang langsam auf einander; die, welche zwischen ihnen gefochten halten, stellten sich wieder in ihre Reihen und nun ward das Gefecht unter gräulichem Geschrei zu einem allgemeinen. Die Speere erfüllten die Luft; Pandanuskerne flogen aus den zarten Händen ver Heldinnen über die Köpfe ihrer Männer auf den Feind, aber die Heere kamen 402 nicht so nahc, daß si? hätten handgemein., werden tonnen. Dir Anführer befanden sich hinter den Reihen ihrer Krieger, bliesen aus allen Kräften auf ihren Hörnern und ertheilten dazwischen Befehle. Ms zufällig oder absichtlich einer der Krieger umfiel, hatte die Schlacht sogleich cin Gide, der Sieg war entschieden, und cö ward zum Abzug geblasen. Die Heere waren so erschöpft, das; sie sich sogleich in's Gras warfen. Doch kehren wir von diesen Bildern des Krieges zu unserm Chamisso und seiner anmuthigen 3ebenscpiscde auf Radack zurück, und erzählen wir mit kurzen Worten von der Entdeckung des entlegenen Archipels. Ein neues Jahr kann für den Seefahrer wohl unter keiner glücklicheren Vorbedeutung, als durch eine Entdeckung sich eröffnen: groß war daher die Freude auf dem Rurick, als am 1. Januar 1817 Miadi oder Mesid, die „Neujahrsinsel" aus dem früheren Dunkel hervortrat. Die ganze Natur schien die Entdeckung zu feiern; in unzähliger Menge umschwärmten die Boniten den Runck und als das Schiff während der Nacht in der Nähe lavirte stand der volle Mond prachtvoll am sternenhellen Himmel, und schützte vor jeder Gefahr. Die Vanduna unterblieb, doch wurde cm ledhafter Tauschhandel getrieben, und Kolzebue, den diese Entdeckung auf andere in der Nähe liegende Inselgruppen schließen ließ, steuerte nach Westen um das bis dahin unbekannte Meer zu durchsuchen. Erst am ä., kurz vor der Mittagsstunde, nach welcher es lHstimmt war, alle ferneren Forschungen in dieser Richtung aufzugeben, erschien eine Ncihc kleiner dicht »nit Wald bewachsener Inseln, die sich unabsehbar von O. n. W. erstreckte. Eine Durchfahrt wurde entdeckt, und am l>. Morgens, zu beiden Seiten von der Brandung umbraust, alle Segel aufgespannt, fuhr das Schiff mit Wind und Strom, ttchn und geschickt, durch die Rurik Straße in die Lagune der Gruppe Oldia hinein, deren einzelne Inseln nun in voller Sicherheit untersucht werden konnten. Auf Oromcd, der nördlichsten und zugleich auch der fruchtbarsten der zahlreichen Inseln dieses Risses, auf welcher jedoch nur etwa 30 Menschen leblen und 5er Cecohbaum dm Wald noch nicht überragte, wurden dir Fnmden von eimm hochbejahrten würdigen Greise, dem Häuptling Lacrgass empfangen. Großherzig und uneigennützig war lr vor allen Menschen, die 4M Chamisso gekannt. Er mochte nur ^eben, schenken, und that es zu dcr Zeit wo kein Gegengeschenk mehr zu erwarten war. Als man sich eben der Gastfreundschaft diescS würdigen Häuptlings erfreute und mit den Blumen schmückte, welche die Töchter drr Insel darreichten, störte ein Schreckniß die behagliche Stimmung. Der kleine Valet, ein unschuldiges Hündchen lam, seiner Furchbarkeit unbewußt, munter herbei gesprungen, und wie vor dem nie gesehenen Ungeheuer Alles floh, und er gar zu bellen anfing, kostete es ihm leine geringe Mühe das verlorene Zutrauen wieder herzustellen. Die Nadacker, die kein anderes Säugethier, als die Ratte gekannt, trugen vor den frcmden Thieren — Hund, Schwein und Ziege — eine gar schwer zu überwindende Scheu. Aber vor allen furchtbar war ihnen der kleine Vallt, der lustig und behend allen nachlief und zuweilen bellte. Am 20. Januar ankerte der Nurit unter dem Schutze der Hauptinscl Dtdia, welche dic größte im Umfang den äußersteu Osten deß Umkreises einnimmt. Hier war der Wohnsitz Ralick's des Häuptlings dcr Gruppe, der auf das zierlichste geschmückt an das Schiff tam, und der erste der Nadaeler furchtlos auf dasselbe stieg. „Diese sinnreichen Schiffer", fagt Chamisso, „deren Kunst unsere Bewunderung erzwingt, schenkten natürlich dem Riesenbau unseres Schiffes die gespannteste Aufmerksamkeit. Alles ward betrachtet, untersucht, gemessen. Ein Leichtes war es, die Masten hinan bis zu der Flaggenstange zu klettern, die Naae, die Segel, Alles da oben zu besichtigeil und sich jubelnd im luftigen Netze des Tauwerles zu schaukeln. Aber ein anderes war es sich dort durch das enge Loch hinunter zu lassen, und dem räthselhafteu Fremden aus dem heiteren Luftreich in die dunkle Tiefe, in die Grauen erregende Heimlichkeit seiner gezimmerten Welt zu folgen. Das vermochten nur zuerst die Tapfersten, in der Regel die Fürsten, ^ich glanbe der gute Rarick schickte einen seiner Mannen voran. Tie Schätze unserer Fnuute bestanren in etlichen Eisenstücken und wenigen harten zum Schleifen des Eisens brauchbaren Steinen, die das Meer auf ihre Niffc ausgeworfen; jene auf Schiffstrümmern; diese im Wurzelge-skchte ausgensscncr Bäume. Ihre Schisse, ihr Schmuck und ihre Trommel, das war ihr Vesitzlhum. Nirgends ist der Himmel schöner, dic Temperatur gleichmäßiger, als auf diesen Inseln (Luft und Wasser beiläufig 22" lt, im Schatten und Schwankungen von laum eimm Grade.) Das Meer und 464 der wehende Wind halten die Wage, und schnell vorübergehende Regenschauer ermangeln nicht, den Wald in üppigem grünen Glänze zu erhalten. Man taucht in die dunl'le blaue Fluth mit Lust sich abzukühlen, wenn mau von der scheitelrechten Sonne durchglüht wird, und taucht in dieselbe mit Lust ch zu erwärmen, wenn nach einer, im Freien durchbrachten Nacht man die Kühlung des Morgens fühlt. Warum muß, denen die Sonne so mild ist, die" Erde so stiefmütterlich sein? Zum Anbau nahrhafter Wurzeln und Pflanzen, worauf sie sehr bedacht sind, eignet sich fast nirgends der Grund, aber überall um ihre Wohnungen angepflanzt zeugt ein schön- und wohlriechend blühendes Liliengewächs von ihrcr Arbeitsamkeit und von ihrem Schönheitssinn. Auf der Insel Otdia, die ungefähr 2 Meilen lang ist, hatten ungefähr NO Menschen ihre gewöhnlichen Wohnsitze, aber häufige Wanderungen finden statt und unsere Gegenwart zog Gäste aus den entfernteren Theilen der Gruppe herbei. Wir durchfchweiften täglich einzeln die Insel, schloffen uns jeder Familie an und schliefen unbesorgt unter ihren Dächern. Sie kamen gleich gcrn gesehen an das Schiff, und die Häuptlinge und Angesehensten wurden an unsere Tafel gezogen, wo sie mit leichtem und guten Anstand sich in unsere Bräuche zu fügm wlchtcn. Unter dcn Bewohnern von Otdia machte sich bald ein Mann bemertlich der, nicht von adeligem Stamme sich durch Geist und Verstand, durch schnelle Auffassung und leichte Darstellungsgabe vor allen Andern auszeichnete. Lage-diack, der Mann unseres Vetraucns, von dem wir am Meisten lernten, und durch den wir unseren Lehren Eingang im Volke zu verschaffen Hoffnung faßten, tauschte später mit mir seinen Namen. Durch ihn erhielten wir Kunde von den schiffbaren Furten, die im südlichen Nisse von Otdia befindlich sind, von der Nachbargruppe Erigup, von den übrigen Gruppen, aus wclchcn die Inselgruppe besteht. Lagediacl zeichnete seine Karte mit Steinen auf den Strand, mit dem Griffel auf die Schiefertafel, und zeigte die Richtungen an, die nack dem Kompaß verzeichnet werden konnten." Begierig den Freunden mit dauernden Wohlthaten zu nützen, wurde am 22. Januar ein Garten angelegt, mit Ignamwurzeln bepflanzt, und den Kernen von Melonen und Wassermelonen besäet. Theilnehmend und aufmerksam, schauten die Radacker dem Werke zu' Lagediack erläuterte das Beginnen und war unablässig bemüht, die erhaltenen kehren zu verbreiten und einzuprägen. 465 Auch wurde vom sorgsamen Chamifso feine Gelegenheit versäumt an allen geeigneten Stellen eine unerhörte Menge Melonenkernc der Erde anzuvertrauen. Der ganze Samcnertrag aller Wassermelonen die in Kalifornien und auf den Sandwich Inseln aus dem Nurick verzehrt wurden, ward entweder von ihm auf Radack ausgesäet »der den Händen betriebsamer Eingeborener übergeben. Doch die unglaubliche Rattenmenge, welche die Inseln belästigt vereitelte seine Hoffnungen, und auch hier mußte er die traurige Erfahrung machen wie viel leichter es ist Vöses zu thun als Gutes zu schassen. Wie ein genußreicher glücklicher Traum floß Chamisso's kurzer Aufenthalt auf Dtdia dahin. Der Zartsinn, die Zierlichkeit dcr Sitten, die aus nehmende Reinlichkeit der Radacker drückte sich in jedem geringfügigsten Zuge aus, und erwarb ihnen immer mehr die Zuneigung des Dichters. Cinst saß er im Kreise neben einem jungen Mädchen, auf deren Arm er die zierlich tätuirte Zeichnung betrachtete, die, wie dem Auge durch die dunkelblaue, so dem Tasten durch leises Aufschwellen der feinen Haut wahrnehmbar zu sein schien, und ließ sich zu dem Versuche hinreißen, indem er sanft die Hand darüber gleiten ließ. Das hätte nun nicht sein sollen: wie aber konnte das junge Mädchen den nicht arg gemeinten Fehl an dem doch werthen uno lieben Gaste rügen, dcr nur fremd der Sitte war, und überdies die Sprache nicht gut verstand? Wie konnte sie dem Einhalt thun und sich davor schützen? Chamisso merkte anfangs nicht, daß sein Betragen unsittig gewesen sei, als aber das ^ied, das rben gesungen wurde zu Endc war, stand das Mädchen auf, machte sich anderswo etwas zu schassen und setzte sich als sie wiederkam, gleich freundlich und fröhlich nicht wieder an ihren alten Plalz neben ihm, sondern an einen andern unter ihren Gespielinnen. Cin Matrose hatte aus Versehen einen schonen Schößling des so seltenen und so werthvotten BrodfruchtbaumeS umgehauen. Das Unglück war nur aus Unwissenheit geschehen, doch mußte der Befehlshaber die Verantwortlichkeit für die That offenkundig von sich abwälzen, und so fuhr er zürnend den Matrosen an, der sofort die Axt abgeben und sich zurückziehen mußte. Da traten die guten Radacker begütigend und fürsprechrnd dazwischen, und einige gingen dem Matrosen nach, den sie liebkosend zu trösten suchten und dem sie Geschenke aufdrangen. Dieselbe Liebenswürdigkeit ward auch bei den Bewohnern der Gruppe Kawen, wo der Rurick vom 11. bis zum 23. Februar verweilte und den Hartwig, dio ),,ftl» dcö qv^'ücü OrcanS. IH 466 Eingebornen der südlicher gelegenen Gruppe Aur angetroffen. Hier war es wo der vier Jahre früher vom Sturm nach Radack verschlagene unr vurcb seinen Freund Chamisso berühmt gewordene Caroliner Kadu querst an Bord des Rurick tam. Die Erscheinung des „großen" Schiffes hatte in Aur, wo die Kunde von ihm noch nicht erschollen war, Schrecken und Bestürzung verbreitet. Der vielgewanderte, der vielcrfahrcne Kadu, der sich zur Stunde auf ciner ent« legenett Insel der Gruppe befand, ward alsbald herbeigeholt und man be-gehtte seinen Rath, wie man den mächtigen Fremden, die man für böse Menschenfresser anzusehen geneigt war, begegnen müsse, denn Furcht ist gewöhnlich das erste Gefühl, welches das Unbekannte im Menschen erweckt. Kadu hatte von den Europäern vieles erfahren, ohne daß er je eins ihrer Schiffe gesehen. Er sprach seineu Freunden Muth ein, warnte sie vor Diebstahl und begleitete sie an das Schiff mit dem festen Entschluß bei den Fremden zu bleiben und in der Hoffnung durch sie zu seinem lieben Vaterlande Wieder zu gelangen. Die Radaelcr entsetzten sich ob dieses schnell gefaßten Vorhabens; seine Freunde bestürmten ihn umsonst mit ängstlichen Reben; Kadu blieb unerschütterlich. So machte er Kotzebue's Entdeckungsreise nach dem Norden mit, und wurde, ein Sohn der Tropenwelt, mit den winterlichen Einöden der Behringsstr.iße bekannt. Als er auf Unalaschta diese verwaiste von allen Bäumen entblößte Erde und das Elend ihrer Bewohner sah, äußerte er den lebhaften Wunsch einige <5ocos, die noch an Bord waren, uno zu welchen er noch ihm eigens gehörige zugeben wollte, hier an angemessenen Orten zu säen, und lies; sich ungern überreden, daß der Versuch oollrommen überflüssig sri. Von dieser Seite her in seinen menschenfreundlichen Absichten getäuscht, las cr am Hafen für seine Freunde auf Radack, welches das Schiff auf der Rückfahrt aus dem Norden wiederum berühren sollte, Nägel und vernachlässigtes Eisen auf, und wählte für sie unter den mecrbespülten Geschieben sorgfältig diejenigen aus, die sich am besten zu Schleifsteinen eigneten. Die Natur fesselte zumeist seine Aufmerksamkeit und Neugierde. Er ging täglich betrachtend den Rindern auf den Weiden nach, setzte sich auf die nächsten Hügel und sang dort Lieder von Ulea und Rndack. Auf der Reise machte er sich die ganze Schiffsmannschaft zu Freunden: er hatte Gemüth, Verstand, Witz; je näher man ihn kennen lernte, je lieber 46? gewann man ihn. Auf eine leichte und schickliche Weise wußte er sich in die ihm früher unbekannte Nelt zu fügen, sich in die neuen Verhältnisse, worin er sich versetzt fand, zu finden, obgleich sie schwer zu beurtheilen und zu behandeln waren, Er war in seiner Armuth freigebig und erkenntlich in seinem Herzen. Durch den verständigen Handel, den er auf Oahu mit den kleinen Waaren trieb, die ihm geschenkt worden waren, sah er sich in den Stand gesetzt (ihamisso, den er vor allen verehrte, und den Matrosen, die ihm gedient hatten Gegengeschenke darzubringen, wie sie einem jeden nach eigenem Sinn angenehm sein mochten. Für sich selber legte er nichts zurück als das womit er einst seine Landsleutc zu bereichern oder zu erfreuen hoffte. So hatte er beim Abschiede seinen freunden auf Radack Alles was er besaß, hinterlassen und nur ein einziges Kleinod sich vorbehalten, einen Halsschmuck, das Geschenk eines dankbaren Mädchens, oeren Bitten er einst das Leben ihres von ihm auf dem Schlachtfeldc überwundenen Vaters schenkte. Zu den erlen Zügen in Kadu'ö Charakter gehörten auch noch die zarte Schamhaftigkeit die ihn zierte, und sein tief eingewurzelter Abscheu vor dem Kriege, dem Menschenmord, der durchaus nicht aus Feigheit entsprang, denn Wundennarben voril'auf der Brust bezeugten seinen Muth. Man findet den regsten Sinn und das größte Talent für den Witz unter den Völkern, die der Ralur am wenigsten entfremdet sind, und besonders wo dir Milde des Himmels dem Menschen ein leichtes genußreiches Veben gönnt. Hiadu war oesonderS witzig, verstand aber wohl im arglosen Scherz geziemende Schranke« zu beobachten und er roußte mit großem Geschick sich durch leichte Dienste oder Geschenke die zu versöhnen, über die er sich mit Ueberleqenheit erlustigte. Auf Oahu wurden dic nutzbarsten Thiere und Gewächse, die Setzlinge und Samen zusammengebracht, mit welchen man die Freunde auf Nadalt vor dem letzten Abschiede berreichcrn wollte. Die Freude Kadu's war un» aussprechlich alo er die Nisse Otdia's wieder sah, und er jubelte mit seinen lieben Gastfreunden vor Entzücken und Lust. Doch nur drei Tage waren zu diesem zweiten Besuche bestimmt, dessen eigentlicher Zweck es war den Freunden wohlthätig zu sein, und Kadu der noch immer entschlossen war auf dem Schiffe zu bleiben, benutzte mit unablässiger Thätigkeit die karg abgemessene Zeit zum schaffen und Wirten. Von den beim ersten Besuch zurückgelassenen Gaben war nichts mehr vorhanden. Mächtigere Häuptlinge vou den benachbarten Gruppen hatten, 30" 468 das Privilegium ihrer Geburt benutzend, sich das Eisen und die gelandeten Ziegen herausgeben lasscn. und sogar die Yamswurzeln ausgegraben und mitgenommen um sie auf ihre Inseln zu verpflanzen. So gewährte der Garten, den man so sorgfältig angelegt, einen niederschlagenden Anblick. Nicht ein armes Unkraut war zurückgeblieben, Zeugniß von den Seefahrern und ihrer frommen Absicht abzugeben. Doch schritt man rüstig cm's Werk, nicht deßhalb entmuthigt, well, nicht unvorhergesehener Weise, die ersten Bemühungen fehlgeschlagen. Der Garten ward erneuert und reichlicher besetzt, aber von allen Setzlingen und von allen Sämereien ward ein Theil zurückgelegt um auch auf dem fruchtbareren Oromed einen gleichen Versuch anzustellen, und nicht alle Hoffnungen auf einen einzigen Wurf zu setzen. Kadu, den Spaten in der Hand, redete gar eindringlich die Umstehenden an und untrrrichtcte sie und schärfte ihnen nützliche Lehren cin. Als auf Otoia alles nöthige besorgt war, fuhren Chamisso und Kadu nach Oromcd, dcr Inscl de3 alten Lacrgaß, um hier noch die letzten Stunden auf die Vollendung des Anvflanzungswerkes zu verwenden. Der eine Tag, den der Dichtcr auf Dromed unter diesen anmuthigen Kindern ganz ihren Sitten gemäß, ohne Rückhalt, ohne fremde Einmischung zubrachte, hinterließ ihm die heiterste frischeste Erinnerung, die er von seiner ganzen Reise zurückbrachte. Die Swndcn des Tages gingen in Arbeiten, die des Abends in anmuthigcr Geselligkeit hin. Die anwesende Bevölkerung der Insel, die nur aus drei Männern (die andern waren mit dem Kriegsgeschwader des gewaltigen Lamarri weggezogen) aber zahlreichen Frauen und Kindern bestand, war mit den Freunden am Strande um ein gesellig loderndes Fcurr vcvs.immclt. Kadu erzählte seine Begebenheiten, denen er schalkhast unterhaltende Märchen einwob, und dir Mädchen sangen freudig die Licdcr vor, die zahllos auf die weißen Seefahrer entstanden waren und deren Andenkn der Nachwelt überliefern sollten. So lebt wahrscheinlich jetzt noch dcr Name Ehamisso's aufRadack, und wer weiß bei den rastlosen Lebenswogen, die so schtull die Erinnerung überfluthen, ob man sich seincr nicht dort länger als im vergeßlichen Deutschland erinnern wird. Am andern Tage, bei der Rückfahrt nach dem Schisse, erklärte Kadu seinen letzten, schnell gefaßten, unveränderlichen Entschluß auf Otdia zu bleiben und nicht mit dem Ruricl weiter zu gehen. Er blieb, so lauteten seine Gründe, um Hütcr und Pfleger der Thiere und Pflanzen zu sein, dic ohne 469 ihn aus Unkunde verwahrlost, nutzlos für die unvcrständisien Menschen verderben würden. Er wolle bewirken, daß diese Gaben den dürftigen Ra-dackcrn zu hinreichender Nahrung geeichten, daß sie nicht finder brauchten aus Noth ihre Kinder zu todten und davon abließen. l5r wolle auf Wiederherstellung des Friedens zwischen dem Ncrden und Süden von Radack wirken, daß nicht Menschen Menschen mchr mordeten: er wolle, wenn Thiere und Pflanzen hinreichend vermehrt wären, ein Schiff bauen und nach Ralick übergehen, um sie auch dort zu verbreiten; — er wolle von dem Capitän, indem er ihm Alles was er von ihm empfangen wiedergebe, nur eine Schaufel die Erde zu bearbeiten und dieses und jenes nützliche Welfzmg sich erbitten. Sein Eisen Wolle er gegen den mächtigen Lamari verheimlichen, und nothigenfalls vertheidigen. Alk der Entschluß Kadu's auf dem NuricI bekannt wurde, sah er sich bald und unerwartet in dem Pcsih unendlicher Schätze, solcher die in diesem Theile der Welt, wo Golo und Silber ihre magnetische Kraft verlieren, die Begehrlichkeit drr Fürsten und der Nationen erregen. Dir Liebe ward kund, die er sich im Herzen der rauhen Seefahrer erworben, und man sah Jeden stillschweigend und geschäftig den Haufen des Eisens, der Werkzeuge und der nutzbaren Dinge, die für ihn zusammengebracht wurden, aus dem eigenen Vorrath zu vermehren. Als Kadn sein Bett, seine Kleider, seine Wäsche, die er nun behielt, zu einem Bündel zu schnüren sich beschäftigte, sonderte er seine Winterkleider sorgfältig ab, und brachte dieselben dem Matrosen, der ihm an Bord gedient hatte als ein Geschenk dar, Welches jedoch dieser sich weigerte anzunehmen. Die Sonne w^r bereits untergegangen als Kcidu mit seinem Reichthume an's Land gebracht wurde. Er ward von dm versammelten Einwohnern von Otdia alß der Mann der weißen Seefahrer eingesetzt, dem ihre Thiere, ihre Pflanzen anbefohlen seien. Verheißen ward, daß sie, die bereits zweimal auf Nadack verweilt, nach einer Zeit zurücllchren würden nach ihm zu sehen und Rechenschaft zu begehren. Zur Bekräftigung dieser Verheißung und zum Zeichen der Macht . Pierson, einer derselben schreibt (25. Mai 1858^, daß die Nalick Inseln, deren Bewohner er als ein wanderlustiges, wildes und grausames Völkchen schildert, alle unter einer Familie von Häuptlingen stehen, welche Cbon zu ihrem Hauptsitz gemacht haben, weil diese unter allen Inseln der ganzen Kette die besten und meisten Nahrungsmittel darbietet. Vor mehreren Jahren zerstörte ein Orkan viele Vrodfrncht-bäume und Cocospalmen auf andern Inseln. Eß entstand eine Hungcrsnoth, der viele Cmigebornen erlagen, und in deren Folge blutige Kriege unter den Bewohnern der verschiedenen Inseln geführt wurden, wobei ebenfalls viele umkamen. Die gegenwärtige Bevölkerung der ganzen Kette beträgt wahrscheinlich nicht mehr als 6090 oder 8000 Seelen, und nach allem was Dr. Picrson erfuhr, darf die Einwohnerzahl der Nadack Kette auch nicht hoher angenommen werden. m CAROLINE N. ^I Dreißigstes Kapitel. Die Caroline» von Ralan l'is Bcü'etthullp. Ualan. - Entsieindunss von der Welt. — Seltsame Todekarchic. — Duperrey. — Vütke. — Obeinaliqe kiebenön-ürdisskeit des Volkes. — Seltsamet Hänscrbau. — Webstllhl. — Ueppigcr Waldwuchs. — Einige merkn'ürdiqe Bäunic. — Lala. — Ne„estc Nachrichten aus Ualan. — Piiiniprt. - Von Lütke entdeckt 1628. — Die Bewohnci. — Merkwürdige Nuinrn. - Spuren einer altspaniichtn Entdeckung. -Pracht der Vegetation, — Seelsorger und Scelvcvderbcr. — ^ngunor. — Nautische Kunst der Caroliner. — Al'crglaube. — Fischkörbc. — Merkwürdige Parasitensischc. — Hoguleu. — Vesuch und Nachtabrnteiier des französischen Inqeniev.rö Iacqmnot. — — Schlechter illuf der Insulaner. — Fiührrr Entdlcknnss dcr westlicheren Caroiincn. Ihr Vcvkehr mit dcn Mariancn. — Verunglückte VckchnmHsvn'suchc der Spanier. — Delplunenfcincl auf Mca. Nelic,ivn. — Feys, - Eine s,l!hllbene ssl>ralleninsel. — Eav. — Die Pelew Gruppe. — Wilson. ^ Dumont d'Uiville. — Schlcchtel Nuf der Insulaner. — Dugonq. - ssrocodil, <>on Ualan bis Babelthuap erstrcckt sich in ostwestlichvr Richtung, zwischen dem fünften und zehnten nördlichen Brcitcgrade und in eincr ^!änge von mehr als 3000 Seemeilen, eine Reihe von Inseln und Inselgruppen, welche die Geographen gewöhnlich unter dein Namen des Archipels der Caroline» zusammenfassen. Doch kein gemeinsames Regierungsband, keine Gleichheit der Sitten, kcm gegenseitiger Verlehr verbindet alle Glieder der weiten Kette zu einem gleichmäßigen Ganzen. So erhebt sich zwar das dichtbewaldete Ualan mit 1800 Fuß hohen Hörnern nbcr das Meer, doch liegt die romantische Insel so vereinsamt im großen Ocean, so abgelegen wenigstens von den damaligen Fahrstraßen detz Handels, und ihre Bewohner wagen sich so selten über die stillen Gewässer ihrer seichten Lagune hinaus; daß als Strong, ein amerikanischer Walfänger, sie im Jahre 1N0!i entdeckte, sie nicht nur der gebildeten Welt, sondern sogar ihren westlichen Nachbarn, den unvergleichlichen Schiffern der Coralleninseln völlig unbekannt geblieben war. Dennoch stimmt der Bau der ualamschen Pirogen mit oenen jener Meermenschen übcrein, und schon aus dieser Verwandtschaft der Fahrzeuge kann man auf dic der Volker schließen. Die ersten vom Sturme verschla- 474 gcnen Einwanderer brachten wahrscheinlich die Modelle mit, d^ven eomplicirterc Bauart beibehalten wurde, während die Segel bald in Vergessenheit gerielhen, da man aus den Fahrten innerhalb der Lagune nur selten in den Fall kam den Wind zu benutzen. Unter den Beweggründen, welche die ersten Schiffer veranlaßten das hohe Meer zu befahren, hat gewiß die Noth eine Hauptrolle gespielt — diese Triebfeder siel aber auf dem fruchtbaren Ualan weg — und erklärt ihre Entfremdung von der Welt. Da der Boden und die Lagune alle Bedürfe nisse der einfachen Bewohner befriedigten, verlernten sie allmälig den Oeean, und bildeten sich aus unruhigen Seefahrern zu einem ackerbautreibenden Volke, ein Umstand, der zugleich die lange Unvcrletzlichkeit ihrer merkwürdigen aristokratisch patriarchalischen Verfassung erklärt, denn der stabile Landmann ist überall mehr zum Konservatismus, zum Festhalten an das Bestehende geneigt. Zwölf Irosse oder Oberhäupter theilten sich in den Grundbesitz des ganzen Landes, und bewohnten den zwölf Königen gleich, die eine Zeit lang gemeinschaftlich das schlammige Nilstand beherrschten, eine und dieselbe Residenz. Außerdem gab es noch eine Menge Häuptlinge zweiten Nanges, die auf den verschiedenen Gütern als Verwalter oder Aufseher wohnten. Den Grundherren aber gehörten nicht nur ausschließlich die besseren Früchte des Landes, sondern sie schienen auch über die Arbeitskräfte das Volkes ganz nach Wilkür verfügen zu können. Daö alles machte sich gleichsam von selbst, ohne Gewalt, in Folge angrborncr Verehrung gegen die Oberhäupter, deren Befehle aus natürlicher Gutmüthigkeit, und milder, friedfertiger überaus wohlwollender Gesinnung ohne allen Zwang befolgt wurden. Man kannte auf Ualan weder den Krieg noch irgend ein Mittel Gewalt über andere Menschen zu üben; es war vielleicht das einzige Land der Erde, welches den Ehrennamen einer Heimatl) des Friedens unter den Menschen verdiente. Jetzt wo Waljäger und Trepangsammler alle Ecken und Enden des großen Oceans ausbeuten, und entlaufene Matrosen wie die Seevogel auf allen Inseln nisten, ist es allerdings schon ganz anders geworden. Die Berichte der Duperrcy'schen Expedition (1823), welche Ualan als schön und anmuthig, die Einwohner als gut und friedfertig schilderten, wurden durch Lütke, der sie fünf Jahre später besuchte, vollkommen bestätigt. Die Gastfreiheit und Frenndlichkeit der Nalaner machten den angenehmsten Eindruck, und stellte sie den Nadackern an die Seite. Bei jedem Besuch in ihren Hütten beschenkten sie die Fremden mit reichlichen Lebensmitteln, und 475 erwiesen sich ihnen stets gefällig, ohne zudringlich zu sein. Erschienen sie aber als Gäste an Bord, so stimmten sic eben so sehr zu ihren Gunsten durch ihre arglose Liebenswürdigkeit, als durch die aufmerksame Theilnahme, mit welcher sie die vielen für sie neuen und merkwürdigen Gegenstände in Augenschein nahmen. Von Diebstahl fiel nur ein einziger Fall vor, und das Entwendete wurde auf die erste Klage sogleich von den Irosseu zurückgegeben. Obgleich unter den Bewohnern der Coralleninscln mehr kräftige Gestalten vorkommen, so fand sick doch auch auf Ualan kein Beispiel von wirklich schwächlichem Körperbau und selbst die schmächtiger geformten Individuen zeigten noch immer viel Gewandtheit und Stärke. Die Frauen, welche sich wie die Carolinerinnen überhaupt durch ihre Schamhaftigkeit vortheilhaft vor denen mancher anderen polynesischen Inselgruppen auszeichneten, und in den ersten Tagen sogar gar nicht zum Vorschein kamen, waren von mittlerer Größe, manche sogar ausfallend klein. Ihre Gcsichts-bildung hatte in der Negel etwas Freundliches, Einnehmendes, die lebhaften großen Augen waren schwarz, die Lippen weniger aufgeworfen als bei den Männern, und bei der Beweglichkeit ihrer Mienen verging kaum ein Augenblick, in dem man nicht die schönen immer sehr weißen Zähne wenigstens zum Theil zu sehen bekam. Das lange schwarze Haar trugen sie gewöhnlich seitwärts ganz leicht in einen Knoten verschlungen, während es die Männer am Hinterkopfe zusammenzubinden pflegten. Beide Geschlechter gingen bis auf einen schmalen Gürtel nackt; die Weiber trugen außerdem noch eine merkwürdige Halsbinde aus Cocosbast, mit einer am Rücken herabhängender Neihe langer Schnüre, die am Korper der damit bekleideten Person geflochten zu sein, und gar nicht abgelegt zu werden schien., Der Häuserbau hat viel eigenthümliches und bietet einen besonders zierlichen Anblick dar. Der Grundriß bildet ein längliches Viereck, der Fußboden, der nur au? gestampfter Erde besteht ist so angelegt, daß die Feuchtigkeit nach allen Seiten hin ablaufen kann. Der bei weitem größte Theil des Gebäudes ist das ungewöhnlich hohe und steile, mit Palmen- oder Pandanusblättern dicht bedeckte Dach, welches aus ciner erstauulicheil Mnge dünner Stangen besteht, die überaus kunstreich und mit vielem Geschmack korbartig zusammengesetzt sind. An jedem Giebelende ragt es um ein bedeutendes höher auf als in der Mitte, und erhält, von der Seite betrachtet eine halbmondförmig ausgeschweifte Gestalt. Zum ferneren Schutze gegen den heftigen nnd häufigen Platzregen hat außerdem noch der untere Theil 4?<; der Giebelseite ein besonderes Schirmdach, welches unter dem überhängenden Hauptdache zurücktritt. Das Ganze ruht auf niedrigen Pfählen, deren Zwischenräume nach Belieben theils offen gelassen, theils durch Einsatzrahmcn geschloffen werden können. Im Innern dieser Häuser hcirscbt gewöhnlich viel Reinlichkeit. Bei den Wohlhabenderen ist der Fußboden mit Schilfmatten belegt, deren man sich überhaupt zu Betten und Sitzteppichen bedient. Ein längs der Wand gelegter abgerindeter Baumstamm vertritt die Stelle von Stühlen und Bänken, Sophas und Divans. Von »er Mitte vas Dachs häügt ein langer mit einem oder mehreren hölzernen Haten versehenes Seil herab, das unten in vier Enden auöläuft. Diese tragen ein viereckiges, in horizontaler Lage schwebendes Brett, das durch Randlatten in einen schmalen Kasten verwandelt wild, und dem Boden nahe genug hängt, um gewissermaßen den Dienst eines Tisches zu versehen. An den Haten werden oft ganze Fruchttrauben von Bananen gegen die Nachstellungen der überaus zahlreichen Ratten verwahrt. In geringer Entfernung von dieser schwebenden VorrallMammcr befindet sich im Fußboden der Feuerheerd, eine mäßige meist sehr sorgfältig mit flachen Steinen ausgemauerte Vertiefung, in der man einen groben Theil des Tages über den zum Backen der Nahrungsmittel erforderlichen Vorrath von heißer Asche findet. Gewohnlich wird auch noch im Hintergründe des Gebäudes ein kleinerer Raum durch eine Querwand abgcsondcrt, der zum besondern Aufenthalte der Frauen bestimmt scheint. Die Seefahrer staunten auf der abgelegenen ^nsel einen tlcinen, sehr artig gearbeiteten Webstuhl in Gebrauch zu finden, dessen Einrichtung der Hauptsache nach mit der des europäischen übereinstimmte. Hiermit webten die Weiber den schmalen Gürtel, das einzige .Nleidungtzstül? beider Geschlechter. Das Material zu den Fäden gaben Fasern der Vananenstämme, deren Zubereitung und Färbung den Fremden unbekannt blieb. Die häufigste Farbe war schwärzlich violettgrau; rostloch und gelblichweiß wurden nur zu Randverzierungen verwendet. Eben so unbestimmt blieb es, ob auch die Verfertigung der so wichtigen Cocosbastschnure, tie überall die SteNe der Nägel versehen, alleiniges Geschäft der Frauen war. Den auf den westlicheren Caroline« unbekannten freundlichen Namentausch fand man auf Ualan gebräuchlich, so wie die gleichfalls dort unbekannte Zubereitung das Kava's. 477 Das Tätuircn und daß altindianische Verfahren durch Reibung zweier Holzarten Feuer anzumacben, deuteten nebst Gesichtsbildung, aristokratischer Verfassung, und so manchen andern Beziehungen auf das ferne Malaya als Urheimath des abgeschiedenen Völkchens. Der üppigste Waldwuchs bedeckte die Insel von den höchsten Bcrglämmen, wo einzelne Palmen von besonders zierlicher Form über dir benachbarten Bäume hervorragten, bis zum Merressaum, wo Mangrovengebüsche ein im Secwasier wurzelndes Gehölz bildeten, so daß es schwer zn bestimmen war wo der Boden der Insel aufhörte und die seichte Lagune begann. Zahlreiche Wassergassen durchschnitten nach allen Richtungen hin die übcrflossene Waldung diese?- zweifelhaften Gebiets, und führten zum Ufer, wo hier und dort das helle Grün der Bananen und des Zuckerrohrs nebst großblätterigen Caladien und selteneren (5oeospalmen, die Anwesenheit des Menschen verkündeten, bald aber wieder mit der Wildniß verschmolzen. Unter den Pflanzenformen, welche die mehr ebenen, sumpfigen niedrigen Gegenden zierten, zeichneten sich besonders eine gesellig wachsende, stammlose Sumpspalme sXi>,!l t'i'iitc^cn«) mit ihren kolossalen gefiederten Wedeln auö, so wic ein von den Kingeboruen Lum genannter, ansehnlicher Baum dessen zahlreiche Wurzeln zu den merkwürdigsten Bildungen des Planzenreichs gehören. Jede derselben hat nämlich nach oben, ihrer ganzen Vänge nach, einen völlig aufrechten kammartigen Fortsatz, der mit der Dicke der Wurzeln an Höhe nach und nach abnimmt, nahe dem Stamm aber häufig ^l bis '1 Fuß hoch ist. Diese sehr dünnen, dabei aber glatten nur sehr zierlich gewachsenen Kämme verfolgen alle Krümmungen und Verzweigungen der Wurzel auf's genaueste, und bilden so in beträchtlicher Ausdehnung um den Baum her ein wahres Vabyrinth vom auffallendsten Anblick. Große Strecken mancher sumpfigen flachen sind völlig mit diesem Gewirr bedeckt, und das Gehe» auf den scharfen Kanten solcher aufrecht stehenden Bänder, in deren Nachbarschaft der Boden gewöhnlich sehr tiefer Schlamm ist, hat seine nicht geringen Schwierigkeiten. Durch Anschlagen besonders an die höheren Stellen derselben entsteht ein merkwürdig weit hörbarer, paulenartiger Ton. Anderwärts, doch gleichfalls auf mehr sumpfigem Boden, bildet der besonders häufig vorkommende, kriechende Ilidi«««« populneuL, hier Lo genannt ein nicht minder seltsames Unterholz. Die Stämme dieses merkwürdigen Baumes haben nämlich die Neigung sich ziemlich dicht über den Boden hinzubeugen: slc wachsen so, theils gerade, theils bogenförmig gekrümmt 478 auf weite Strecken hin, während die zahlreichen Aeste nach oben rechtwinklig abstehen; diese geben lange, fast immer sehr grade Stangen, die als solche zum Häuserbau und zu manchem andern Gebrauch fast ausschließlich benutzt weiden. Man kann sich denken, daß es eben leine leichte Aufgabe ist, ein solches Dickicht zu durchwandern, da die Stämme cden so viele den Weg versperrende Schranken bilden'. die Schwierigkeit über oder unter ihnen ourä^ zukommen, wird dabei durch das Gewirr der Lianen unr mannichfachcn andern Gewachsen gewaltig vermehrt, unter welchen ein dunkelfarbiges Riedgras mit langen stachelrändigen Blättern sich besonders hervorthut. Einzeln findet sich auch wohl ein colossaler aus zahlreichen Absenkern ruhender Feigenbaum, dessen ungeheure Krone wie ein grüner Hügel über dem Walde hervorragt. Unter den das Innere der Insel phvsiognomisch bezeichnenden Pflanzen nimmt ein hohes Schilfrohr, besonders in den höher gelegenen Thälern um die Flußufer her, einen nicht unbedeutenden Platz ein. kolossale Farnkräuter, die den baumartigen in Hinsicht anf Starte der Blattstiele, so wie auf Form und Größe der Kronen wenigstens nichts nachgeben, obgleich ihnen der eigentliche Stamm fehlt, werden immer häufiger und scheinen auf den uner-steiglichen Bergwänden besonders heimisch zu sein. Auf oen nadelförmigen und dennoch dicht bewaldeten Basaltgipfeln gesellen sich zu diesen riesigen Cryptogamm hohe Bergpalmen, dic der schlanken Form nach zur Gattung Areca zu gehören scheinen. Einer der stattlichsten und zugleich häufigsten Waldbäume ist eiue Art Muskatnußbaum, die zwar an den Waldrändern in der Nähe der Ansirdlungen eben auch nicht selten vorkommt', doch nie daselbst den majestätischen Wuchs erreicht, der sie im innern bezeichnet. Wenn die Lagunenwaldung auf mannigfache Weise belebt ist' bald hier bald da dir klangvolle Stimme des prächtig rothen Souimanga's (^o-tuiiz, sknßumoi^nt.l I^lttUliin) im schönen hellgrünen Laubwerk der »^oinwraticn erschallt, und die weniger anmuthigen Töne der Meerschwalben und Reiher sich mit den Lauten der Sumpfbewohner vermischen', so herrscht dagegen in den Pergwäldern eine wahre Todtenstille, die nicht wenig zum melancholischen Kindruel der unbewohnten Wildniß beiträgt. Drückend ist das Gefühl der Einsamkeit auf diesen schweigsamen Hohen, von welchen man in die dichtbewaldeten Thäler hinabschaut, wo leine Spur des menschlichen Treibens sich zeigt-, oder noch weiter yinausblickt aus ren unabsehbaren Spiegel des im fernen Hintergrunde die Aussicht schließenden Oceans. Dann tritt dem Seefahrer die Entlegenheit dieser einsamen Insel mit wunderbarer Gewalt 479 vor die Seele, und die Erinnerung an die unbegränzten Raume, die ihn vom Vaterlande trennen, erfüllt ihn mit sehnsüchtiger Trauer. Die Bevölkerung der Insel Ualan, die von Kittlitz auf nicht mehr als 700 Erwachsene geschätzt wurde, steht in keinem Verhältnis zn ihrer Größe und Fruchtbarkeit; die meisten Ortschaften liegen in der Nähe des Meeres, während das Innere mit feinen steilen Höhen meist unbesuchter Wald ist. Die Residenz der 12 Häuptlinge liegt nicht auf der Hauptinsel, sondern auf einer kleinen, nahegelegenen, die den Namen Lala führt. Diese ist von länglicher Gestalt und einer für ihren geringen Umfang nicht unbeträchtlichen Hohe. Der Gipfel ist schön bewaldet, alles Uebrige scheint mit Häusern und Gärten bedeckt und hat das Ansehen einer einzigen Start, deren elegante, mitunter ansehnlich hohe Hänser, im Verein mit den zahlreichen dar über wehenden ^ocoswipfeln, schon von fern einen stattlichen Anblick gewähren und mit den prachtvollen Wildnissen der Hauptinsel angenehm abwechseln. Alle Wohnungen sind hier mit ans Basaltblöcken errichteten Garten^ mauern umgeben, wie sie, freilich nur in viel kleinerem Maasstabe, auch an andern Orten der Hauptinsel bemerkt werden. Enge, des häufigen Äegens wegen sehr koihige Kätzchen führen zwischen diesen hohen Mauerwerlen hindurch, die oben ganz wild mit üppig aufschießenden Farnkräutern von eben so zierlichen als mannigfachen formen überwachsen sind, und wie ein Labyrinth den gröhlen Theil der In,sel bedecken- man staunt über die Beträchtlichkeit der hier aufgethürmten Steinmassen, bei der es fast unerklärbar erscheint, wie dergleichen Gemäurr von den alle mechanischen Hülfsmittel entbehrenden gegenwärtigen Bewohnern des Landes haben errichtet werden kbnnen. Aus dem Innern der auf diese Weise umschlossenen Höfe ragen die bereits beschriebenen hohen, halbmondförmig ausgeschweiften Dächer mit ihren zierlichen, aus dünnen Stangen korbartig zusammengesetzten Giebeln auf, deren Holzwerk, namentlich an denjenigen Gebäuden, die den Oberhäuptern zur Wohnung dienen, meist in ähnlicher Weise wie die Pirogen, roth und weiß gefärbt sind. So bildet ein solcher durch Mauern von der übrigen Welt geschiedener Hof gleichsam eine Stadt im Kleinen, wo die Zahl der darin errichteten Gebäude sowohl, als die Untcreintheilung des Raums in kleinere Höfe sich nach den persönlichen Verhältnissen des Besitzers richtet. 480 Die neuesten Nachrichten aus Ualan werfen leide, einen trüben Schatten über datz patriarchalische Bild, welched Kittlitz uns von demselben entworfen hat. Es ist nicht mehr das unschuldige Vinsicdlervoll, welches unter de» Wilden Herrschaft seiuer angestammten Oberhäupter in glücklicher Abgeschiedenheit lebte. Wir lesen von einem despotischen Heiischer, von dessen Bedrückungen ein Fischer ras Volk befreite, der aus Dank oon den Angeseheneren auf den Thron gehoben wurde und unter dem Minen „King George" mehnre Jahre lang das ^and regierte. Doch auch dieser Hlönig, obwohl er die Bereitung und den Anlauf von Branntwein seinen Unterthanen verboten hatte, ergab sich dem Trunle, dessen traurigen Folgen er im lletober llM', erlag. Von Jahr zu Jahr nimmt die Bevölkerung ab, während ihre Verkommenheit zunimmt, denn der steigende Verkehr mit fremden Seefahrern wirkt sehr entsittlichend, so daß die seit 1852 dort angesiedelten Missionare nur mit großer Müye gegen den Strom der Verderbniß ankämpfen. Doch wird die sanfte Gemüthsart, die Gelehrigkeit und Arbeitsamkeit des Völkchens noch mimer gerühmt. Hossen wir, daß cs gelingen möge eS vor den bösen Ein^ sinssen zu reiten, die wie eine dunkle Wolke sich über Ualan zusammengezogen haben, und die früheren Zustünde in veredelter Form wieder herzu stell eil. Eö war am Morgen des 14. Januar I.^tt als die schöne Insel Puini-vet (Panabe, Vanabe). weit größer altz Ualan und mit ähnlichen Natur-reizen verschwenderisch ausgestattet, von Lütte cntdcckt wurde. Rauchsäule» zeigten von fern, daß sie von Menschen bewohnt sei, und bald segelten die Pirogen der Eingebornen herbei. „Auch hier", sagt Nittliß, dessen lebhafter Schilderung mail gogen sorgfältig ihre Boote auf's Land und zerstreuten sich bald darauf über den Strand. Unsere Begleiter liefen den Neuangekommenen entgegen, und theilten ihnen ohne Zweifel ihr Erstaunen 493 über die Wirkung unserer Waffen mit, denn sie umringten uns bald, und gaben mir durch Zeichen zu verstehen ich mochte einige Meerschwalben schießen, die zwischen tcm Steingcröll am Strande umherliefen. Ich traf verschiedene Male, und bei jedem Schuß äußerte sich ihre Bewunderung durch ein lang-gedehntes oh! und eine merkwürdige Geberde die darin bestand, daß sie ihren Nacken mit der rechten flachen Hand schlugen. „Einige von ihnen hatten sich von der Gruppe abgesondert, lehrten jedoch bald mit cinem Greise zurück, der mir sehr hochbejahrt schien; seine lange Gestalt war gebeugt, und obgleich ohne scheinbare Krankheit, ging er mühsam auf zwei seiner Begleiter gestuft. Als er vor die Bäume kam, welche das Ufer säumen, setzte man ihn sorgfältig auf einen großen Stein. Die Nacht senkte sich schon; es war sehr schwer die Vogel zu sehen; die Insulaner durchsuchten das Ufer nach allen Richtungen, bis zur Erde gebückt. Endlich machte mir einer ein Zeichen, raß er einen Strandläufer sehe, und Wies mit dem Finger nach ver Stelle hin. Es dauerte lange ehe ich den Vogel wahrnehmen tonnte, doch endlich unterschied ich den >lopf und langen Hals eines kleinen Krebsreihers, dessen schwarze Silhouette an dem »och rothen Saum des abendlichen Himmels erschien. Ich schoß und sogleich liefen einige Wilde nach der Stelle wo der Vogel lag. Sie brachlen ihn dem Alten, der ihn nahm und lange mit tiefer Aufmerksamkeit betrachtete. Er schlug sich auf den Nacken und fing dann eine Rede an, welcher alle mit der größten Andacht zuhörten. Es war ohne Zweifel der Weise, der Pattiarch, vielleicht der Hohepriester des Stammes. Ich hätte viel darum gegeben ihn zu verstehen! „Nun gingen die Wilden auseinander, und wir folgten einigen unter ihnen nach der nächsten Hütte, wo mehrere Weiber und Kinder um einen in die Erde gegrabenen Backofen saßen, in welchen man Fische und Bananen ;um Abendessen gelegt hatte. Unser Appciit mahnte uns schon längst, daß es Zeit zu essen sei; wir holten daher, so wie wir uns gesetzt hatten, unsere bescheidenen Vorräthc — Schissszwiebacl und etwas Käse — aus unsern Jagdtaschen hervor. Sogleich streckten sich alle Haudc nach uns aus, und so llein auch die Stückchen waren, die wir einem jcdcn gaben, war doch die Nachfrage so start, daß nur wenig für uns übrig blieb; indessen trösteten wir untz mit dem Gedanken, daß unsere Freigebigkeit bei der Verlhcilung des im Ofen bratenden Gerichtes einen reichlichen Lohn finden würde. 494 „Alle schienen den Zwieback mit Vergnügen zu essen, der Käse aber wurde mit Ekel verworfen; sie tranken auch etwas Branntwein, doch nicht ohne daß Gesicht dabei zu verziehen. „Unsere Mahlzeit war zu Ende; der Appetit aber noch lange ni^t befriedigt, und wir fanden, daß das Drffnen des Ofens sehr lange auf sich warten lassen. Herr Lafond besonders hatte einen wahren Wolfshunger und entfernte sich um wo möglich einigen Proviant zu entdecken, mir vorher dringend anempfehlend, doch ja den Ofen nicht aus den Augen zu verlieren. Es dauerte wohl noch eine gute halbe Stunde, ehe man die Erde, welche das Gericht brdeckte, entfernte, worauf ein jeder die Hand ausstreckte und seinen Theil erhielt. Man gab mir einen ziemlich großen Fisch, der aber leider noch halb roh war. Nun kam auch Herr Vafond zurück, Welcher den Fisch schmeckte und ungenießbar fand. „Was mich betrifft", sagte er, „hat man mir Krabben gegeben; ich weiß nicht ob sie gelocht sind, aber ich esse sie frisch weg!" Mit diesen Worten gab er mir einige kleine Krabben, doch ach! sie waren mehr als roh, sie waren lebendig! „Die Nacht dunkelte schon längst; wir gaben unseren Wirthen zu verstehen, dasi wir schlafen wollten; sie führten uns nach einem Schoppen, unter welchem eine große Piroge lag und deckten Matten über den Boden, auf welche wir uns hinstreckten, doch mehrere der Gingebornen setzten sich in unsere Nähe und führten ein lebhaftes Gespräch. Man wnn sich denken, daß trotz unserer Müdigkeit kein Schlaf sich einstellen wollte, außerdem hatte ich schon die Hände meiner nächsten Nachbarn gefühlt, die nach meiner Jagdtasche zu tasten schienen: ich stand daher auf. Beim Betrachten der Piroge fiel mir eine glückliche Idee ein; der Ausleger, etwa 5 oder l> Fuß über dem Boden, bot eine breite ebene Fläche dar, ich warf erst meine Matte darüber hin, dann dir Flinte und die Jagdtasche, und kletterte endlich selber hinauf. Die Tasche unter dem Kopfe, die Flinte in einer Hand und einen schweren geologischen Hammer in der andern, lag ich nun in einer Art von Citadelle und wartete fernere Abenteuer ruhig ab. „Bis jetzt hatte das Betragen der Wilden uns leinen gerechten Grund zum Argwohn gegeben, aber ihr vrrräthcrischer treuloser Charakter, von dem mir so viele Beispiele bekannt waren, und ihre durch den Anblick unserer Schätze erregte Habsucht waren wohl geeignet mich zu beunruhigen. Sie waren ziemlich zahlreich und hatten sich um ein großes Feuer versammelt, denn die Nackt war kalt und es siel ein starker Thau. Bald erhob einer von 495 ihnen mit kläglicher, schielender Stimme einen Gesang, der mit einer gellenden Note endigte. Als er fertig war, äußerte er das Verlangen auch Herrn Lafond zu hören, der sich einstweilen dem Feuer genähert hatte. Mein Be« gieiter lieh sich nicht zwei Mal bitten, und gab die Marseillaise und einige Brocken aus Wrangcr zum Besten, welche großen Beifall unter den Zu-hbrern erregten, die sich um die Wette auf den Nacken schlugen. „Nach dem Gesänge kam der Tanz an die Neihc; ein großer Kerl stand auf und machte singend und um sich schlagend die seltsamsten Pirouetten. Der röthliche Widerschein des Feuers auf den kupferfarbenen Gesichtern' der schwarze Schattenriß deß Tänzers, der zwischen dem Feuer und mir herumsprang, seine wunderlichen Geberden machten die Seene zu einer der fantastischsten, die man sich nur denken kann. „Nun kam die Reihe an Herrn ^afond, der brav zu tanzen anfing, aber sein Kostüm schadete wahrscheinlich dem Vergleich zwischen ihm und seinem Vorgänger, er ward daher gebeten sich auszuziehen, und bald sah ich ihn im einfachen Naturklcide einen , lrv^io,- von! vor den Wilden ausführen. „Die Nacht war indessen schon weit vorgerückt, die Gesellschaft entfernte sich, einer nach dem'andern; das Feuer warf nur noch einzelne Strahlen und ich versank in einen tiefen Schlaf, aus dem ich erst am Morgen wieder erwachte." So Hing denn dieser Besuch ohne fernere Abenteuer glücklich zu Ende, und hätte D'Urville nicht länger bei der Inselgruppe ocnveilt, so würde cr vielleicht eine eben so glänzende Schilderung von den sanftmüthigeu harmlosen Sitten ihrer Bewohner, wie etwa sein Vorgänger, der Amerikaner Morrell (1tM)) entworfen haben. Gin verräterischer, völlig ungerechtfertigter Angriff auf eins seiner Boote, der uur mit Waffengewalt zurückgeschlagen werden konnte, belehrte ihn jedoch eines besseren. Er Hatte auf Rug nur treulose schlechte Menschen kennen lernen, und traf nirgends in der Südsee eine eigennützigere Gastfreiheit. Niemals schenkten sie das Geringste, und waren eben so hart im Abschlagen einer Bitte als habsüchtig und zudringlich, wo es etwad zu gewinnen galt. Nirgends auck hatte er ein schmutzigeres Volt gesehen, der Gestank in ihren Hütten war so groß, daß man fast nicht darin athmen konnte, und sie schieneil nnier dem Drnck der größten Armuth zu leben. Ihre gewebten Kleidungsstücke waren wohl das einzige, um welches die Tonganer, Samvcr oder Nukahiwer sie hätten beneiden dürfen. Wenn 490 sie die Schleuder vortrefflich zu handhaben wissen, so sind ihnen dagegen der Bogen und die Pfeile unbekannt, von welchen die schwarzen Völkerschaften der australischen Inselgruppen einen so trefflichen Gebrauch machen. Die Nachrichten, die D'Urville später aufGuajan über diese ^cute erhielt, bestätigten vollkommen seine persönlichen Erfahrungen. Sogar unter ihren Landsleuten stehen die Ningeborncn der Hogoleugruppe im schlechtesten Rufe. Namentlich werden die Bewohner der Hauptinsel Nug als äußerst bösartig geschildert, und sind auch wie behauptet wird unter allen Carolinern die einzigen Kannibalen. Ihr böser Ruf war so fest begründet, daß nicht einmal die Trepangfischcr sich unter sie wagten. Rug ward 15!!5 von Torres entdeckt und in neueren Zeiten zuerst wieder von Dupcrrcv (1^2-1) besucht. Die Bevölkerung der Gruppe soll sich auf 10 bis 15000 belaufen. Wenn die östlichen Carolinen — Ualan, Pninipet, Lugunor — erst spät bekannt wurden, so sind dagegen die westlichen Gruppen des weitausgedehnten Inselgewirrs schon seit langer Zeit mit den Europäern und namentlich mit den Spaniern in Berührung gekommen. Der Portugiese Diego de Rocha eröffnet im Jahre 1526 durch die Entdeckung der Matelotas O. N. O. von den Palaos die Reihc der Seefahrer, denen wir die Kenntniß dieser Inseln verdanken; ihm folgen in kurzen Zwischcnräumcn Alvaro de Eaavedra (1527) Villalobos (1548) und Drake (1579). 1686 entdeckte der Lootse Lazeano die Insel ssarroilap, die er dem damals regierenden Könige von Spanien zu Ehren, Carolina nannte, ein Name, der bekanntlich später auf den ganzen Archipel überging. Zwei Jahre nach dieser Reise wurden 2 Bvote aus La murret mit 29 Personen nach Samaar einer der Philippinen verschlagen. Sie hatten sich zu 35 nach einer benachbarten Insel eingeschifft, ooch ein Orkan trieb sie weit von ihrem Ziele ab, und ließ sie 70 Tage lang auf dem Meere umherirren. Die Spanier wollten nun den auf diese Weise ihnen bekannt gewordenen Inseln dieselben Wohlthaten wie den Marianen angedeihen lassen; doch ein günstigeres Schicksal beschützte die Caroliner, und freundliche Stürme bewahrten sie vor dem Joche. Nach mehreren mißlungenen Expeditionen entdeckte Don Bernardo Egoy (1712) die Corallengruppe Uluthy, Falalep, und Mogmog (Egoy Inseln; Mackenzie Inseln^ und 20 Jahre später schifften die Pater Ccmtova 497 und Uvaldec sich ein, um dort das Christenthum zu verkünden, dem bald ohne Zweifel Frohntienstc und Entvölkerung gefolgt wann. Cantova landete auf Mogmog, wo er freundlich empfangen wurde, und das Betehrungswerk legann. Uvaldcc aber lehrte nach Agania zurück, um noch andere Missionare nnd Vorräthe zu holen. Doch ein Schiffbruch und Hindernisse aüer Art hielten ihn über 2 Jahre zurück, und als cr endlich die Inselgruppe wieder sah, war bereits Cantova erschlagen. Hiermit endet die Geschichte der earolinischen Missionen, doch zufällig oder absichtlich wurden die Marianen öfters von den dortigen Insulanern besucht, und Handelsverbindungen zwischen beiden fanden statt. Im Jahre I7ß6 entdeckte Luito, ein Seefahrer aus Uleai, dessen Ruhm unter seinen Landsleutcn noch immer fortlebt, von Neuem den Weg nach Guajan, dessen Erinnerung noch in alten Traditionen bei seinem Volke lebte. Durch den 45rfolg der ersten Reise unr den Empfang, der ihm zu Theil wurde, ermuthigt, tam er im folgenden Jahre mit 4 Booten wieder, und bat den Gouverneur um Erlaubniß seine Besuche regelmäßig zu wiederholen. Diese wurde ihm gerne gewahrt, aber cin Sturm verschlang die heimkehrenden Schiffer und steckte dem eingeleiteten Verkehr ein Ziel. Im Sommer des Jahres 1604 verließ das Schiff „Maria" aus Boston den Hafen von Agania um Trepang auf den Caroline» zu sammeln. Don ^uis de Torres, cin auf den Mariancn lebender Nachkomme des berühmten Seefahrers, machte als Passagier die Neise mit, in der Hoffnung die Insulaner, dir er lieb gewonnen hatte, wieder zu sehen, ihnen Gutes zu erzeigen, zu erfahren, warum sie Guajan zu besuchen unterlassen und sie zur Wieder-trhr zu bewegen. Auf Ulea erfuhr er, daß Luito's Ausbleiben nicht den Elementen, sondern den Spaniern zugeschrieben worden war. Es gelang ihm ohtte Mühe die Unschuld seiner Landsleute darzuthun, und dir Insulaner eines Besseren belehrt, versprachen den unterbrochenen Handel wieder anzuknüpfen und hielten Wort. Seit jener Zeit hat kein neuer Unfall den wiederhergestellten Verkehr unterbrochen, und die Caroline,- tommtt! jährlich in größerer Anzahl nach Guajan. Ihr Geschwader in Booten aus Ulea und den umliegenden Gruppen, aus Elath, Lamurcck und Setoan bestehend, versammelt sich in Lamureck. Die Reise wird von dort aus im Monat April unternommen, man zählt bis nach Fayo, einer wüsten Insel, auf der man ein paar Tage rastet, zwei Ha>i>»'l,i, vlc ^„sci,! ocs ,;>^cn Oceans, IH 498 Tage Ueberfahrt; von Fayo nach Guajau drei Tage. Die Rückreise geschieht auf demselben Wege spätestens im Juni, vor dem Nintritt des gesürchteten West- Monsoons. Die Caroliner tauschen in Guajan Eisen, Glaskörner, Tücher u. s. w. gegen Boote, Perlmutter, Trepang und seltene Muscheln; die auf diesem Wege in unsere Museen und Sammlungen gelangen. Ihre jährliche Anlunft ist ein Fest für die Guajancr, deren einförmiges Leben durch den willkommenen Besuch angenehm unterbrochen wird. Caroliner sind es, die aus ihren eigenen Booten die Sendungen des Gouverneurs nach Tinian und Saypan befördern und die sonst schwielige Verbindung der Marianen unterhalten. Einige, welche die Taufe empfangen, haben sich sogar auf Guajan angesiedelt. Nicht minder interessant ist der Verkehr der Caroliner unter einander. Die von Feis, (5ap und Mogmog holen Boote in Ulca gegen Cureumapulver-, die von Nuguor und Rug auf derselben Insel Gisen gegen Zeuge. Die von Ulea fahren auch gegen Rug und Nuguor, die von Savonnemusoch weiden auf diesen Reisen besucht ohne selbst andere Inseln zu besuchen. Die Eingebornen von Ulea und deu umliegenden Inseln stehen im Ruf die kühnsten Seefahrer zu sein, und es bedarf nur eines Blickes auf die Karte um den weiten Umkreis ihrer Fahrten zu ermessen, denn sie segeln biß Merir im Westen, und finden nach Radack verschlagen ihren Weg nach der Hcimath zurück. Auf den niedern Inseln der Caroline» ist die Natur üppiger und frei, gebiger gegen den Menschen als auf Radack. So ist Uba mit zum Theil sehr hohen Bäumen dicht bewachsen, in deren Schatten die Häuser auf kleinen Rasenplätzen zerstreut liegen. Um die schönen im Waffer sich bespiegelnden Wipfel der (5allophyllen und Hernandien flattert besonders zahlreich eine weiße Meerschwalbe ^)^i« o-uldlä«), deren Glanzgcstalt bei heiterem Himmel neben dem dunklen kräftigen Grün des Laubwerks einen herrlichen Anblick gewählt. Hier wie auf den kleinen Carolinen überhaupt, ist die vortreffliche Arrowrvotpflanze der Südsee, die ^'acea ^nnnliüäa vorzugsweise zu Hause. Die Voltsnahrung scheint auf den niedern Inseln auf dem Brodfruchtbaum und vorzüglich auf den Fischfang zu beruhen; Cocosnüsse sind häufig und werden besonders auf Reisen mitgenommen, wo nach Freycinet eine einzige für den ganzen Tagesbedarf eines Mannes ausreichen muß, der zu Lande den Magen durch eine destv reichlichere Zufuhr entschädigt. Natürlich kann auf den kleinen Pirogen kein großer Proviant mitgenommen werden --und die Klugheit gebietet, daß man von vornherein an die Möglichkeit eines l99 Sturmes denke, der das leichte Fahrzeug Weitweg in die Wüsten des Oceans verschlagen kann. Wie Kittlitz uns berichtet, soll jährlich eine förmliche Hungersnoth auf den niederen Inseln herrschen, denn der Vorrath von gesäuerter Brodfrucht reicht nicht aus, und das Trocknen vdcr Einsalzen der Fische, die zu gewissen Perioden wegbleiben, war damals wenigstens gänzlich unbekannt. Furchtbare Orfane, welchen das Carolinenmcer unterworfen ist, verwüsten zuweilen auf den niederen Inseln alle Flüchte, so daß alsdann die Menschen eine Zeit lang allein auf den Fischfang angewiesen sind. Dann ist es natürlich um so schrecklicher, wenn der Ocean seine gewohnten Gaben zu« rückhält. Diese Orkane befährden die Inseln selbst, gegen die sie das Meer empören. Kadu, Lhamisso'8 Freund, erlebte auf Mogmog einen Sturm, während dessen das Meer eine zwar unbewohnte, jedoch mit Cocospalmen und Brodfruchtbäumen bewachsene Insel wegspülte, und nur cm fahles Riff zurückließ, wo früher ein schattiger Hain gestanden. Das Werk vieler ungezählten Jahre war in einem Tage zerstört. Wenn die See nicht selten die Hoffnungen des Fischers täuscht, so begünstigt sie ihn auch zuweilen mit unerwarteten reichlichen Gaben. Der Grindwalfang auf den Fa'roern wiederholt sich im stillen Ocean und hier ,vie dort versteht es der Mensch den Zufall zu benutzen. Wenn cine Heerde von Delphinen sich einer Infel nähert, stechen kleine Voote, so viel nur ldnnrn. in die See, bilden einen Kreis um den sich lümmelnden Trupp, erschrecken ihn mit Steinwürfen, und treiben ihn auf den Zand. Dann gibt es ein großes Fest, denn das Fleisch wird eben so gern gegessen und der Iubcl ist nicht minder groß, als dort auf den sturmum-sausten Felseninseln des nordischen Meeres. Auf den zu Ulea gehörigen Inseln wird diese Treibjagd mit besonderem Erfolg ausgrübt. Man versteht auf anderen die Kunst nicht so gut. Bei dem Serschneiden der gefangenen Fische sind besondere Regeln zu beobachten, denn em falscher Schnitt soll die Thiere auf eine gewisse Zeit von der Insel entfernen. Ein ähnlicher Aberglaube verbietet den Kindern mit eincm gewissen kleinen Fische zu spielen. Geschähe es, daß wer einen dieser Fische bet dem Schwänze anfaßte und aushöbe, so daß der Kopf nach unten hänge, so würden bei dem nächsten Fischfänge alle Fische ebenso mit dem Kopf nach unten die Tiefe suchen, und es könnte keiner gefangen werden. So verkündet stch bei allen Völkern der 32* 500 Glaube an das Dasein geheimnißvoller Gewalten, die man zu beleidigen fürchtet oder deren Gunst man durch Opfer und Bitten zu gewinnen hofft. Es wird anf allen Caroline,: nur an unsichtbare himmlische Götter geglaubt; nirgends Götzenbilder oder körperliche Sachen verehrt. Die abgeschiedenen Seelen dcr Vorfahren walten als Schutzgcister über das Wohl ihrer Nachkommen. Auf Ulea und den östlicheren Inseln (Lamurel :>,'.) sind weder Tempel noch Priester und es finden da keine feierlichen Opfer statt. Doch sind die Menschen nicht ohne frommen Sinn. Der Einzelne legt zuweilen Früchte als Opfer dcn Unsichtbaren hin, und es wird Niemanden verargt dieses Opfer aufzunehmen und zu verzehren. Auf Mogmog, Cap und Ngoli sind eigene Tempel erbaut, Opfcr werden dargebracht und es gibt einen religiösen Dienst. Von Cap bis Rug findet sich mit geringen Abweichungen dieselbe Bauart der Boote. Rug und Nuguor haben eine andere Sprache als die westlicher gelegenen Inseln, die ebenfalls mchi alle gleichredeud sind. Die Ehen werden ohne besondere Feierlichkeit geschlossen und gelrennt. Der Mann macht dem Vater des Mädchens, das er heimführt, ein Geschenk von Früchten, Fischen und ähnlichen Dingen, und schickt, so wie die Verbindung ihm nicht mehr zusagt, die Frau wicder zurück. Während der Dauer der Che herrscht wenigstens von Seiten dcr letzteren unverbrüchliche Treue. Die Mehrheit der Weiber ist gebräuchlich, doch mögen wohl nur Häuptlinge wegen der Schwierigkeit eine größere Familie zu unterhalten, dieses Vorrecht genießen. Der Vornehmheit der Geburt wird wie überall in Polynesien vom Volke gehuldigt, wenn auch der „Tamol" bei den Seeleuten der niedern Inseln weniger zu befehlen hat als der „Iros" auf dem ackerbautreibenden Ualan. Die Häuptlinge scheinen nach eincr Art Lehnssystem einander untergeordnet zu sein, und zuweilen gehorchen mehrere Inselgruppeu einem gemeinsamen Oberhaupte, wie vor ^0 Jahren Lamurcck, Elath, Sug, Bu-luath u. s. w. dem weithcrrschenden Toua, Fürsten von Ulea, nach dessen Tode aber daß kleine neptunischc Reich sich in seine einzelnen Glieder wieder auflöste. Im Angesicht der Insel Mogmog, wo das Oberhaupt der Gruppe dieses Namens wohnt, lassen die Boote ihre Segel herab. Diese Verehrung dcr adeligen, vielleicht göttlichen Abstammung scheint in rcin menschliche 501 Verhältnisse nickt einzugreifen, welche unbeschadet der Rangverhältnisse, denen il)r Recht geschieht, zwischen Häuptling nnd Mann statt finden. . Gesang und Tanz meist unzertrennlich machen überall die Hauptlustbarleiten aus, doch werden sic von keinem musikalischen Instrument begleitet, und sogar die Trommel ist auf den Carolinen unbekannt. Die kleine Insel Fcys ostwärts von der Hauptcorallcngrupve Mogmog oder Uluty ist besonders in geologischer Hinsicht merkwürdig, da sie unzweideutige Zeichen der Hebung aus dem Schooße des Oceans an sich trägt. Vrst arbeiteten Lithophytcn an ihrer Bildung, dann schob Vulkan sie in die Höhe. Jetzt steigt der ssorallenfelsen, aus dem sie besteht, und der einst von der Sturmfluth überbraust wurde, beinahe 100 Fuß hoch mit senkrechten Wänden über dem Wasserspiegel; er ist oben wie gewohnlich flach, vertieft sich aber nach innen und zeigt so aufs deutlichste die ehemals mit Wasser gefüllte jetzt emporgehobene Lagune, deren hufeisenförmiger Rand den höchsten Theil des Ganzen ausmacht. Ein außerhalb der Wände, wenigstens thcilweis umherlaufender schmaler Strand gehört sichtbar zu dem späteren Anbau der Corallen, der noch jetzt als Untiefe die Insel umgibt. Bei der Kleinheit des Eilandes, dessen Umfang wenig mehr als eine halbe deutsche Meile beträgt, ist die Bevölkerung ungewöhnlich stark, wie man schon an den nahe bei einander liegenden Häusern sieht. Diese werden durchweg von zahlreichen Cocoöpalmen beschattet, an denen es auch auf den emporgehobenen Rändern der ehemaligen Untiefe nicht fehlt, außerdem bauen die Einwohner schr sorgfältig den Taro und die Banane. Unter allen niederen Inseln erfreut sich Feys des reichsten Bodens und der reichsten Flora. Der vielfach nützliche Vambus ist aus Eap dorthin verpflanzt worden und gedeiht. Die Menschen aber und ihre Wohnungen gleichen der Hauptsache nach denen des weit nach Osten liegenden Ualan. Die hohe beträchtliche Insel Cap, westwärts von Mogmog verdient eine besondere Erwähnung. Wir finden unter ihren Erzeugnissen die Arekapalme, den Bambus, den die andern Inselgruppen von hier beziehen; drei in den Bergen wachsende Baumarten, aus deren Holz man Boote baut, wozu auf den niedern Inseln nur der Brodfruchtbaum gebraucht wird; die ^.wnito» tillodil, den Würznelkenbaum, der nach Chamisso nicht blos nicht geachtet sondern sogar verachtet wird, und nebst zwei andern Bäumen, die nutzlos und bitteren Geschmackes sind, der Schlechtigkeit und Häßlichkeit zur Vergleichung dient; den Orangenbaum, das Zuckerrohr und endlich den Curcuma 502 der freilich auch auf Mea und den niedern Inseln vorkommt, aber in größerem Reichthum auf Eap. Der Ackerbau auf dieser Insel soll in ganz Oceanien seines Gleichen suchen. Schwimmende Tarogärten (^i-um; ^.^^ ä!liin L»eu1snwm) werden da auf den Wassern, auf Holz- und Bambusflöhen künstlich angelegt. Auch die Thierwelt ist auf Eap reichlicher vertreten als auf den 'niedern Inseln. Eine große Art Eidechse, Kalui genannt, kommt dort wie auch auf Pelli vor, geht zwar in das Wasser, wo sie Menschen gefährlich werden tann und frißt Fische, halt sich aber meist auf dem Lande auf und kriecht auf die Väumc, wo sie während der Tagcshitze schläft. Delphine steigen zuweilen in dir Flüsse von Eap hinauf, man versperrt ihnen dann die Rückkehr mit Netzen und tödtct sie mit Harpunen. Eap bringt Schleifsteine hervor, welche die östlicheren niederen Inseln von dorther beziehen. Sie sind ein freundlicheres Geschenk der Natur als das Silber, welches auf Eap sich vorfinden sollte, und .gewiß, wenn sich die Sage als wahr erwiesen, schon lange zum völligen Untergänge des Volkes geführt hätte. Obgleich ohne hohe Gipfel und ansehnliche Berge ist Eap eine Stätte vulkanischer Kräfte. Die Erdbeben sind häusig und so stark, daß sogar die leicht gebauten Häuser der Eingeborenen davvn umgestürzt werden. Die Korallenriffe von Mogmog und Ulca werden, wcnn auf Eap die Erde bebt, erschüttert, jedoch mit minderer Gewalt. Dem Unglück, welches die Zwietracht der Elcmentarträfte über den Menschen verhängt, fügt dieser noch die Gräucl der eigenen Entzweiung hinzu. Früher war Friede auf Eap, so lange es unter einem Ober^ Haupte stand, in neuerer Zeit waltet Krieg zwischen den Häuptlingen der verschiedenen Gebiete, deren von Kadu 4l> gezählt wurden. Wo eine Ueber-tretung, eine Beleidigung geschehen, wird das Tritonshorn geblasen. Beid»' Parteien rücken in Waffen gegen einander. Man unterhandelt. Wo Ge-nugthuung verweigert wird und lein Vergleich zu Stande kömmt, wird gc-kämpft. Der Krieg dauert, bis von jeglicher Seite einer aus der Klasse der Häuptlinge gefallen ist, und die der Gegenpartei von seinem blutigen Fleische gekostet haben. Nach Kadu sollte zwar ein Jeder eben nur ein Stückchen zum Munde führen, doch wer weiß ob nicht seitdem, nnter dem Einfluß der alle thierischen Leidenschaften erweckenden Fehden, der Appetit mit der Morr-luft gestiegen ist. Eap hat eine eigene Sprache, die nur noch auf der tleinen Gruppe Ngoli, die in geringer Entfernung gegen Süden und auf dem Wege nach 503 Pelli gesprochen wird. Die malaiische Sitte deß Vetellauens ist bis Eap vorgedrungen' das auf Ualan gebräuchliche Kavatrintcn hier dagegen wie am allen niederen Inseln unbekannt, Seit 1ft5l! haben sich spanische Missionar auf ssap angesiedelt, deren Eingeborene als gutmüthig, arbeitsam und lernbegierig geschildert werden. Die Pelew Gruppe, die man auch Palaos und Westliche Caro« linen nennt, besteht aus einer von Rordost nach Sürwcsten laufenden itcttc langer und schmaler Inseln von mittelmäßiger Hohe und von Wal« düngen reichlich gekrönt. Der kleine Archipel wird ringsherum von einem <5orallrnriss umschlossen, welches sich an einigen Stellen 5 bis 6 Seemeilen weit vom Lande entfernt und auf der Westseite nirgends demselben näher als auf 2 oder A Seemeilen kommt. Die Inseln sind also wahrscheinlich, wie so viele andere oceanische Gruppen, nur die über dem Meere noch auftauchenden Rücken eincs bedeutenderen versunkenen Gebietes, dessen Umfang wenigstens dem des einschließenden Niffcs gleichkam. Mit Gap genießen dic Palaos die Porrechte eincs hohen Landes und besitzen eine Menge Erzeugnisse, die dem dürftigen Boden der niederen Eorallemnseln ewig fremd bleiben. Zwar ist noch kein Naturforscher auf ihnen gelandet, keine wissenschaftliche Expedition hat sie auch nm im Fluge berührt, doch lassen uns die verschiedenen nutzbaren Palmen der Philippinen sl'nlmn lirnva, I^Im», ä« Olvbello neßro), die unter den Gewächsen, der Pelew Inseln angeführt werden, den Reichthum ihrer Flora ermessen. Die Einwohner nähren sich grWcntheils vom Taro, den sie in ver« schiedcncn Spielarten anbauen, von denen etliche zu einer außerordentlichen Größe gelangen, und von den Früchten der Kocospalmc, die in üppigem Wachsthum die Inseln umrandet. Außerdem liefert ihnen das Meer eine große Mannigfaltigkeit von Fischen und nebst anderen Muscheln auch die riesige 1>iclnona, die oft von geübten Tauchern aus einer Tiefe von N bis 7 Faden heraufgeholt und roh gegessen wird. Der merkwürdige Dußo,,^ des indischen Oceans, ein nun fast ausgestorbenes Thier, welches den Uebergang von den Walen zu den Robben bildet, wie jene einen kräftigen wagerechten Schwanz besitzend, aber wie diese mit beweglicheren Vorderfüßen versehen, worauf es sich beim Weiden der Tange an den seichten Ufern stützt, kommt in den Gewässern der Pelew Inseln wie in denen der Philippinen vor. Aus dessen Knochen pflegen die 504 Häuptlinge Armbänder zu tragen. Cin weniger harmloser Gast ist eine Art Krokodil, l'N-'lt genannt, die sich beständig im Wasser aufhält und einen zusammengedrückten Schwanz hat. Die Kinderstimmen ähnlichen Töne, die dieses gefährliche Thier hervorbringt, muckten Unkundige verlocken. Der (ill-ut wird nicht wie die Kalui-Eidcchsc auch auf Cap angetroffen. Nach dem Zeugniß Kadu's hat sich nur einmal einer da gezeigt und ist getödtet wor-den, nachdem er cin Weib verschlungen hatte. Die Pelelv Inseln wurden zwar schon im 17. Jahrhunderte von den Spaniern entdeckt, doch erst der Schissbruch der „Antilope" im Jahre 1783 machte Europa näher mit ihncn bekannt. Der Cavitan Wilson rettete sich mit der ganzen Mannschaft, die aus 33 Europäern und 16 Chinesen bestand, und da es ihm glückte seinen ganzen Vorrath von Schießpulver und Gewehren unbeschädigt an'3 Land zu bringen und die meisten Gegenstände aus deM Wrack zu retten, tonnte es ihm wohl nicht schwer werden die Erlaubniß des Königs der Insel zum Bau eines neuen Schiffes zu erlangen, Welches gros; genug wäre ihn nach der nächsten europäischen Niederlassung zu führen, besonders da er ihn auch noch bei seinen Kriegeil unterstützte. Nach drei Monaten war das Schiff vollendet, mit welchem Wilson glücklich nach Macao zurückkehrte, wo aber der junge Prinz Lee Boo, den sein Vater, der König Abba Thulle dem Vapitän anvertraut hatte um ihn nach England zu führen, an den Pocken starb. Mit Hülfe der Tagebücher und mündlichen Nachrichten Wilson's schrieb ein gewisser Herr Keate cin dickes Vuch über alle diese Begebenheiten, welches damals viel Aufsehen erregte und von Georg Forster in's Deutsche übersetzt wurde. Die Insulaner werden dabei als die liebenswürdigsten, mit allen Tugenden ausgestatteten Menschen geschildert, doch stimmen diese Nachrichten so wenig mit den Benckten späterer Schiffbrüchigen überein, die ohne Pulver und Blei und in keiner so impo-nirenden übermächtigen Anzahl an's Ufer trieben, daß man den Berichten des guten Capitans Wilson wohl nickt Unrecht thut, wenn man sie in's Gebiet des Romans verweist. Am 15. Januar 1839 segelte Dumont d'Urville längs der Osttüste des kleinen Archipels, wo er weder Bewohner, noch Häuser, noch Pirogen, noch irgend eine Spur des AnbauZ sah. Als er jedoch Nachmittags um die Süd^ spitze der Insel Pillilew bog, stießen drei Pirogen vom Lande und eilten mit vollen Segeln auf ihn zu. Er ließ anhalten und bald kamen 15 bis 29 Insulaner an Bord. Sie glichen den Carolinern, ihre Zähne waren vom 505 Betelkauen schwarz gefärbt, und einig? trugen einen Menschenknochcn auf dem Kopf nach Art eineZ Dammes. Die Pirogen waren tlein und schmal aber niedlich gebaut und schmus auch für längere Reisen tüchtig zu sein. Während D'Urville mit diesen Wilden einige Gegenstände ihres Kunst-fleißcs — Dosen, Knochentäimne, irdene Gefäße — tauschte, trat ein Mann auf ihn zu, der ihn malaiisch anredete und ihm sagte, daß er zu einer Barte gehöre, welche vor 11 Monaten auf diefcu Inseln Schiffbruch gelitten hatte. Der arme Malaie zitterte anfangs vor Furcht und snchtc den Blicken seiner Begleiter auszuweichen, doch als D'Urville versprach ihn nebst einem Camrraden, den er ihm vorstellte au Bord zu behalten, faßte er Muth und erzählte, daß sich siebcu Mann auf der Barke befanden, als sie vom Etnnn nach Pelew verschlagen wurde, dessen Einwohner den Capita« erschlugen und die audcrn zu Sclaven machten. Als sie an Bord der Corvette stiegen, wurde in den Malaien die Hoffnung wach ihre Freiheit wieder zu erlangen, und die Spannung womit sie D'Urvillc's Entschluß erwartet hatten, war um so größer als sie nach diesem Versuch des Entrinnens von Seiten ihrer erzürnten Herren die gröbsten Mißhandlungen zu befürchten hatten. Es zeigte sich auch bald, daß'ihre Bcsorgniß nicht ohne Grund war, dcnn ihre Erzählung war noch nicht zu Ende, als schon ein Wilder mit einer wahren Heukcrtzphysionomie auf die beiden Malaien losging, und ihnen mit barscher Stimme befahl das Schiff zu verlassen. Auf ihre Antwort, daß sie dieses durchaus nicht thun würdeu, sondern vielmehr das Schiff benutzen wollten um in ihr Vaterland zurückzukehren, stieß er furchtbare Drohungen aus, die jedoch weiter lcine Folgen hatten, als daß auf D'Urvillc's Befehl ein paar handfeste Matrosen ihn am Arm packten und sofort mit dem übrigen Ge-sindel auf nicht allzusanfte Weise in seine Piroge warfen, worauf die Cor-vetten ihre Fahrt fortsetzten und die Gruppe bald wieder aus den Augen verloren. Die Malaien tlagtcn bitterlich über die schlechte Behandlung, die sie b^i den Wilden erduldet hatten, und schilderten deren Zustand als ho'chst erbärmlich. Sir gaben die Volkszahl auf 100 für die Insel Earatong, 400 für Pillilew und vielleicht 1000 für Babelthuap an, welche die größte und volkreichste ist, reich au Schweinen und sogar an Rindern. Auf der Insel Coror hatte einer von ihnen einen Amerikaner gesehen, drr vor vier oder fünf Jahren Schifsbruch gelitten hatte und dessen Unglucks-gefährten sämmtlich ermordet worden waren. 506 Auch Kadu, Chamisso's Freund, der auf Pelew gewesen, fällte ein sehr ungünstiges Urtheil über deren Bewohner, und rügte besonders ihre schamlose ^ittenlosigkcit. Ein Spanier, den Chamisso in Kavite sprach und der neun Monate auf den Palaos zugebracht hatte, gab den Insulanern sogar Schuld Kannibalen zu sein, und gönnte ihuen von Menschen kaum die Gestalt. Da seit Wilson die Engländer, Spanier und Amerikaner die Palaos unausgesetzt besuchen, und der Trepang fortwährend auf den Riffen für den Markt von Canton gesammelt wird, schreibt Chamisso die spätere Vcrderbt-hcit der Insulaner, im Gegensatz zu ihrer früheren Gastlichkeit, dem häusigeren Verkehr mit Europäern zu; da abcr schon der Pater Cantova 60 Jahre vor Wilson sie als nackte Kannibalen schildert, welche von den östlicheren Carolinern mit Abscheu als die Feinde des Menschengeschlechts bezeichnet wurden, scheint es sehr wahrscheinlich, daß nicht viel mehr an ihnen zu verderben war. EiuunddrcisiWes Kapitel. Dic MiN'iiNM». Glinjan. — Wuchernde Vermehrung der I^monia trifoliatu — und des eingeführten Hirsches. — Gmhciimsche Vögel. - Fische. — Der Nicsenroche. — Die alten Ma^ riancsen oder sshamon'os. — Nnstokralcn "nd Plebejer. — Vcmkmist. — Münzen ^ aus Schildkrot. — Töpfcrkunst. — Erbfolge. — Die Oulitaos. Nie vulkanische Gruppe der Marianen besteht aus dreizehn Inseln und einige FarallonZ, wie die rcichc spanische Sprache kleine Eilande mit senkrecht abschüssigen Ufern nennt. Von Norden nach Süden in langer Reihe verlaufend, und mcistentheils durch weite Meeres strecken von einander getrennt, sind sie offenbar nur die über die Fläche des Oceans emportauchenden Culminationspunkte einer gewaltigen Bergkette, die in unvordenklichen Zeiten der gespaltenen Erdrinde entstieg und durch fortgesetzte Ausbrüche und Hebungen zu ihrer jetzigen Gestalt gelangte. Nur noch im Norden der Kette, auf Guguan kämmt das unterirdische Feuer zum Vorschein, sonst sind 507 überall die Krater erloschen, und auf Guaian oder Guam, der südlichsten und zugleich der größten und wichtigsten der Mariancn erinnert nur noch von Zeit zu Zeit ein leises Beben der Erde au die drohenden, tief unten verborgenen Mächte. Diese Insel, deren Oberfläche nach Freycinet etwa 153 Quadratsecmeilen beträgt, besteht in ihrem nördlichen Theil au« einem mäßig hohen, ebenen, gehobenen Corallenplatcau mit schroff abstürzenden Ufern- steigt aber in ihrer südlichen Hälfte zu wohlbewasscrten Gcbirgsmassen empor, deren hervorragende Gipfel eine Höhe von 1200 bis 1500 Fuß erreichen. Es gab eine Zeit, wo üppige Wälder den größten Theil des Landes bedeckten, die Verheerungen des Feuers haben jedoch den Urforst bis auf die höherliegcnden Gegenden ausgerottet, und die ursprüngliche Vegetation durch eine neue ersetzt. Wo nun einförmige Steppen übcv die sonnverbrannten Ebenen und Hügel sich hinziehen, hat namentlich die stachlichie I^'mom-l trisoliatll, der nicht mehr Ginhalt zu thun ist, da die Vögel, welche deren saftige rothe kirschgroße Beeren lieben, überall die Samenkörner zerstreuen, sich wuchernd vermehrt, und bildet mit andern größtentheils eingeführten Pflanzen, wie der Guayave, die auch hier wie auf Tahiti sich breit macht, ein undurchdringliches Gestrüpp. Im Urwalde kommen unter andern vier wilde Abarten des Brodbaums vor, die dem östlichen Polynesien unbekannte Kohlpalme, f^reoa oloraosa) verschiedene Wolfsmilch-, und Npoctnenarten, cine Daphne, die den einheimischen Namen Diebessirick führt, weil ihre zähen, um die Fußknöchel gebundenen Aeste zum Erklimmen und Berauben der Cocospalmen benutzt werden, eine Eugenia, deren eisenhartes Holz zu eingelegten Arbeiten sich gut verwenden ließe, und drei Feigenarten, an deren Früchten Menschen und Vögel sich laben. Die Ulinoln 8«ivnäL!,5 mit ihren holzigen oft armsdicken Stengeln, die stachlige Dioscorea, die namentlich der trockenen Bergabhänge sich bcmeistert, und eine Menge anderer Lianen schlingen sich um die Bäume des Waldes, auf deren Zweigen Orchideen und andere Parasiten sich anklammern. Ueberall wo die natürliche Fruchtbarkeit des Bodens durch die belebende Kraft des Wassers begünstigt wird, ist die Vegetation der Marianen nicht minder üppig als auf den bevorzugtesten polynesischen Inseln. Wie reichlich würde hier die mütterliche Erde oen Fleiß des Menschen lohnen, wo der Mais t5 Fuß hoch wächst, und das Reiskorn sich verhundertfacht; wo das 508 Zuckerrohr in fünf einheimischen Arten von selber sprießt, und die Baum^ Wollenstaude sich so wohl fühlt, daß sie auf Tinian ganze Berglehnen mit ihrem weißen Flaum überzieht, wo die Hanfbananc (^.l^en) sich so schnell vermehrt, daß der einjährige Stamm über zehn Pfund Fasern liefert: wo der Brodbaum und die Cocospalme, die Igname und der Taro auf'ö herr^ lichste gedeihen; und der einheimische Sagobaum ((^ca-z eii-ciüallL) dem Menschen fast ohne alle Arbeit die Gabe seines nahrhaften Markes spendet? Aber ein träges nachlässiges Geschlecht, durch Despotismus und Ader glaube gedrückt, läßt die Gaben der freigebige» Natur unbenutzt verkommen, und verbringt in fauler Gleichgültigkeit ein Leben, welches durch einigen Fleiß und von einer besseren Regierung begünstigt, sich so leicht verschönern und veredeln ließe. Außer der auf allen Inseln der Südsec so allgemein verbreiteten Ratte ist ein fliegender Hund (kteropu« Kslnuäroln,) das einzige ursprünglich einheimische Säugethier. Man staunt diesen Flatterer, der gewöhnlichen Nacht-und Dämmerungsliebe seines Geschlechts ungetreu, bei hellem Tage in vollem Sonnenschein umherfliegen zu sehen. Er scbwevt nach Art der Raubvögel und hakt sich, wenn er ausruhen will. an Bäumen oder Felsen. Die Ma-rianesen essen sein Fleisch, trotz dessen unangenehmen Geruchs. Die Spanier haben außer unsern gemeinen Hausthieren auch noch aus den Philippinen eine kleine Art Arishirsch eingeführt, die sich auf den Savannen unr im wilden Gestrüpp unglaublich vermehrt hat, so daß die bei Guajan anlegenden Schiffe fast kein anderes Fleisch genießen. Dieser Hirsch hat ein wenig entwickeltes Geweih nnd ein schwärzliches rauhes Fell. Wenn er bis zum Strande verfolgt wird, wirft er sich in's Meer und schwimmt mit außerordentlicher Schnelligkeit und Kraft, den langen Hals bis zur Brust über dem Wasser haltend. In seinem Schrecken stürzt er sogar in die wüthende Brandung hinein, die ihn mit ikren gewaltigen Fluthen übergießt. In den Wäldern wird das Leben des armen Thieres durch eine Legion von Insekten verbittert, welche ihre Larven in dessen Haut niederlegen, und sie mit ekelhaften Geschwüren bedecken. So sehen wir auch hier Widerwärtigkeiten und Plagen an ten Genuß der ungebundenen Freiheit geknüpft. Die friedlichen Vogel sind um so zahlreicher ans diesen kleinen Inseln, da der Mensch sie nur selben verfolgt. Besonders bemerkbar macht sich die schöne Kmukuru Taube, die wegen ihres grünen mit gelb gemengten Ge- 509 fieders und purpurner Haube für einen Papageien gehalten werden könnte, der aber nirgends auf dcn Inseln lebt. Sie kommt in erstaunlicher Menge in den Wäldern vor, wo ihr melancholischer Ruf dem Wanderer wie ein menschlicher Klagelaut ertönt, oder wie die Stimme des Genius der Inseln, trauernd und seufzend über deren trübseligen Verfall. Außer einigen anderen Taubenarten bewohnen auch noch Fliegenfänger und Amseln den Forst. Zwischen den breiten Blättern der Palmen halten slch rothe und schwarze Suimanga auf und pumpen den zuckerhaltigen Saft der Blüthen, während in den dichten feuchten Gründen die Tiklinralle ein-herschreitct. Der den Marianen eigenthümliche huhnähnliche Saffeguiat, (^lo^po^Iuk I^ I^roulio) zu derselben Vogclfaimlie wic der prachtvolle australische Leier-Vogel gehörend, aber ohne dessen herrlich geschmückten Schwanz, lebte früher in großer Menge auf Guajan und Nota, wo er sogar als Hausvogel gehalten wurde. Jetzt ist er jedoch auf diesen beiden Hauptinseln völlig verschwunden, und kommt nur noch höchst selten in den Dickichten Tinians vor. So hätten wir auch hier ein interessantes Beispiel von den Umwälzungen, welche der Europäer auch in der Thier- und Pflanzenwelt der Länder hervorbringt, die er seiner Herrschaft unterjocht, und wie sein Erscheinen auch noch für andere Geschöpfe außer dem Menschen verderblich wird. Außer der eßbaren Schildkröte, die häufig die unbewohnten Gestade anfsucht, und der selteneren lestuäo imbri«»^, welche das kostbare Schildpatt liefert, erzeugt das marianische Meer eine Menge vortrefflicher Fische. So wic an unsern Küsten der Sprott, so erscheint hier in unzähligen Legionen, doch nur für wenige Tage, der dritthaib Zoll lange Magnahak^m^llacaiitlll^ui^cittoul,) Man beeilt sich die flüchtige Erscheinung zu benutzen und einen Vorrath zu sammeln, der entweder an der Sonne getrocknet oder gesalzen wird. Ferner gehört der unserer Maknle sehr ähnliche Iiluolwm^n zu den beliebtesten Seefischen, und die Bäche sind reich an Aalen, Karpfen und Barben, welche letztere auch im Meere gefischt werden. Nin ungeheurer über 100 Pfund wiegender Rochen ^IlHm s^um^o aou-Iclltll) dessen dunkel braune Haut mit runden himmelblauen Flecken übersäet ist, zeichnet sich durch die fünf laugen widerhakig gezähnten und nach den Seiten hervorstehenden Stacheln aus, welche rie furchtbare Waffe seines Schwanzes bilden, und deren Stich für todlich gehalten wird. In den Lagunendssnungen und in den Häfen hält sich der gefährliche Alou auf, 510 der eine Länge von 5 Fuß erreicht, und dessen Zähne scharf wie die einer Katze sind. Man kann sich denken, daß ein solcher Geselle das Bade» nicht minder bedenklich macht wie der Hai, dcr ebenfalls diese Gewässer beunruhigt. An eßbaren Nrustaceen sind die Marianen reich, denn außer einer riesigen Meerkrabbe und mehreren wohlschmeckenden Flußkrebsen, kommen dort auch noch der Ranglao, eine sehr große Landkrabbe, und der berühmte ostindische Beulelklcbs (Lü'gn? latro) vor. Wenn diese Inseln sowohl im Thier- als im Pflanzenreich eine größere Mannigfaltigkeit von Formen als die östlicheren polyncsischen Gruppen dar^ bieten; und in dieser Hinsicht bereits an Malaiien erinnern, so werden sie dagegen auch reichlicher von Insektenplagen heimgesucht. Die große schwarze Ameise mit ihrem schmerzhaften Biß, die sowohl ihrer Menge als ihres Stiches wegen als Haueplage berüchtigte rothe Ameise, die widerlichen Schaben, die in unglaublicher Anzahl vorkommen, die Moskitos, der giftige Tausendfuß, der in das Ohr des schlafenden Menschen kriecht und dadurch die gefährlichsten Zufälle hervorbringt, die Wanze, die vielleicht von europäischen Schiffen eingeführt worden ist, aber jedenfalls in den schmutzigen Hütten der Marianescn eine ihr höchst zusagende neue Heimath gefunden hat, und noch andere scchsbeinige Quälgeister belästigen oder berauben die Insulaner auf vielfache Weise und stören sie im süßen Genuß ihres geliebten Nichtsthuns. Ein zahlreicheres, lebensfrischeres Volt, zur weitausgedehnten malaiischen Nace gehörend, bewohnte zur Zeit ihrer Unabhängigkeit die Gruppe der Marianen. Der gegenwärtige Zustand dcr Inseln spricht ein hartes Ver« dammungömthcil über die spanische Regierung aus, die während cincr Herrschaft von fast zwci Jahrhunderten eine nicht unbegabte Nation bis zum tiefsten Elend herabdrückte, und unvermögend das Gute zu schassen stets nur als Zerftörerm sich erwies. Zwar haben auch die Engländer sich manchen Frevel gegen die uneivilisirten Stämme zu Schulden kommen lassen, die ihrer Macht sich beugen mußten' zwar find auch bci ihrer Annäherung manche UrVölker dahingeschmolzen, doch aus den Ruinen die sie machten, ist überall ein neues schöneres Leben entstanden, während nur Trümmer den Pfad des Spaniers bezeichnen. Die Vergleichung der Marianesen, wie sie warcn, mit dem wozu Un fähigkeit und Despotismus sie gemacht haben, wird, wie wir sehen werden, 511 nur zu sehr den Ausspruch Chamisso's rechtfertigen, der ihre Geschichte eine düstere nennt. Dieselbe aristokratische Verfassung oder Kasteneintheilung, die noch gegen^ wältig in ganz Polynesien obwaltet, herrschte auch bei den altcn Marianesen. Eine tiefe unüberschreitbare Kluft trennte den Adel vom Volk, und Wie auf den Sandwich Inseln zeichnete sich jener durch eine höhere Statur und bedeutendere Körperkraft vor der weniger atlethisch entwickelten niedrigeren Vottsklasse aus. Den Plebejern (zilln^HtoKou^) war das Fahren auf dem Meere mtter sagt -, den Adeligen lMtuu^) und den kleinen Landcigenthümern oder Halb-adeligen (^wii.-wtL) gehörte das ausschließliche Recht des Schiffsbaues, des Secsischfanges, der Theilnahme am Kriege. Der iVlanßllwKan, der an einem klatoug, vorbeigegangen wäre, ohne ihn zu grüßen, würde schon dadurch den Tod verdient haben, da solches als eine Herausforderung zum Kampfe gegolten halte, zu der der Nicdriggeborene sich nimmer versteigen durfte. Der Aal, den die Adeligen verabscheuten, war der einzige Fisch, der den kllm^atoklli,^ überlassen blieb, doch auch diesen durften sie nur mit d'er Hand ergreifen, nachdem sie ihn bei Fackelschein mit Stockschlägen betäubt hatten, denn der Gebrauch der Angel und des Netzes kam nur den privilegirten Ständen zu. Die Frauen der Nawua» flochten eigenhändig aus Pandanusblättern die Wiegen ihrer Kinder und die feineren Matten, die zu ihrer Bekleidung dienten, auch behielten sie sich die Zubereitung gewisser Speisen vor, die keine gemeine Hand berühren durfte: während es den Weibern niedrigeren Standes überlassen blieb, das Tauwcrl für die Pirogen, dic Matten für die Seegcl und eine Menge anderer zu gröberem Gebrauch bestimmter Gegenstände zu verfertigen. Doch auf den Marianen wie überall besiegte zuweilen der allmächtige Amor alle Vomrtheile der Geburt. So entfloh einst ein Jüngling höheren Standes mit einer reizenden Tochter des Volkes und suchte, von seiner Familie verfolgt, eine Zuflucht in rcn Wäldern und Höhlen des Gebirges. Endlich beschloß das Paar sich durch dcn Tod vor dcr Grausamkeit der Menschen zu retten, knüpfte sich an den Haaren zusammen und stürzte sich von einem schroffen Vorgebirge, welches durch seinen Namen „Oxd« do 1o» .-inland« (Cap der Vicbenden) noch immer das Andenken ihrer treuen Anhänglichkeit bewahrt, in das darunter wo« gcnde Mcer. 512 Eine Folge der Erniedrigung des gemeinen Mannes waren die gewöhnlichen Laster der Unterdrückten — Verstellung, Rachsucht, Feigheit — während Edclmuth und Wahrheitsliebe dem Adel nachgerühmt werden. Er war menschlich nach dem Siege, hielt strenge sein gegebenes Nort, und schenkte dem ebenbürtigen Gefangenen so viel Zutrauen, daß er sich mit dessen einfachem Versprechen, nicht zu entfliehen, begnügte. Weder die unerbittliche Grausamkeit im Kriege, noch der scheußliche Kannibalismus, der in höhcrem oder geringerem Grade säst alle Volker der polynesischen Welt besteckte, noch der weit verbreitete Kindermord, der sogar den Vätern und Müttern Tahiti's zur Last gelegt wurde, werden den ursprünglichen Marianesen vorgeworfen, während sie in keiner guten Eigenschaft ihren Brüdern nachstanden. Mit amphibischer Schwimmfertigkeit spielten auch sie in der rollenden Brandung, und auf steilen Pfaden legten sie schnell und sicher lange Wege mit schwerbeladenen Schultern zurück. Nach der alten Sitte mußte der heiratslustige junge Mann erst seine Geschicklichtcit im Erklettern eines Baumes, im Lenten eines Bootes oder ähnlichen körperlichen Uebungen darthun-, es galt für eine Schande in dieser Beziehung hinter den Andern zurückzustehen, und so entstand ein allgemeiner Wetteifer sich durch Kraft oder Gewandtheit auszuzeichnen. Ferner verbanden die Marianesen eine große ^ernbegicrdc mit glücklichen Geistesanlagen, und besaßen großes Geschick in allen Handwerken und Kunstfertigkeiten, die sich bei der polynesischen Race herausgebildet haben. Sie waren in der Schissfahrt den tüchtigsten der Carolincr wenigstens gleich, und die noch bestehenden Ruinen auf Tinian und Saypan bezeugen, daß sie in der Baukunst den übrigen überlegen waren, da ihre Wohnhäuser auf gemauerten Säulen ruhten und aus verschiedenen Abtheilungen bestan« den, während man sonst in Polynesien nur einfache Hütten findet. Die Erfindung der Münze scheint einen unermeßlichen Schritt in der Civilisation zu bezeichnen, den sie allen Inselbewohnern des großen Oceans vorausgethan hatten. „An einer groben Schnur von Eocosbast", sagt Chamisso, der diese Gegenstände nach eigener Anschauung beschreibt und nach der befugtesten Autorität, nach den bereits im vorigen Kapitel erwähnten Don Lui de Torres, dem Freunde der Indianer und dem Kenner ihrer Sitten erläutert, „sind Scheiben von Schildkröte von der Gestalt einer Knopfform über dünn wie Papier, dicht an einander gepreßt, eingefädelt und durch H13 Reibung äußerlich geglättet. Das Ganze bildet eine biegsame Walze von der Diete eines Fingers und von der Länge einiger Fuße. Diese Schnüre sollen als ein Mittel des Handels im Umlauf gewesen sein, und sie zu verfertigen und auszugeben war das Recht nur weniger Häuptlinge. „Schildlrötenfelder von der großen Seeschildkröte sind verschiedentlich in der Mitte von einem größeren und an dem breiteren, dünneren Rande von mehreren tleineren Löchern durchbohrt oder haben nur ei» einziges Loch in der Mitte. „Wer vermuthlich im Schwimmen eine Schildkröte getödtet halte (wohl ein schweres Wagestück) brachte ein Feld ihr'es Panzers dem Häuptlinge, der nach den Umständen der That und der dabei erhaltenen Hülfe die Löcher darein bohrte; je weniger derer, desto größer der Werth. Solche Trophäen sollen dann dem Eigner ein gewisses Zwangsrecht gegeben haben, sie nach hergebrachten Bräuchen gegen Anderer Eigenthum auszutauschen und in gewisser Hinsicht als Mittel des Handels und Zeichen des Werthes gegolten haben." Nur ein einziges Dorf auf Tinian hatte das Recht'diese seltsamen Münzen, die zugleich'auch als Zierrath dienten, zu fabriciren. Sie gehören gegenwärtig zu den größten Seltenheiten, weil die ersten europäischen Händler, die sich auf den Marianen niederließen, sie sorgfältig sammelten um sie den Chinesen zu verkaufen. Die Verfertigung des Tapatuches scheint unbekannt gewesen zu sein. Außer dem dürftigen Maro wurde in der Schlacht oder auf dem Meere ein Mantel oder Uebcrwurf aus Pandanusblättcrn getragen, und ein zugespitzter Hut aus demselben leichten Material schützte den Kopf gegen die Strahlen einer übermächtigen Sonne. Beim Fischfang auf den> spitzigen Corallenriffen wurden die Füße durch Sandalen aus Palmblättcrn geschützt, von ähnlichem Gewebe wie diejenigen, die in den uralten ägyptischen Monumenten aufgefunden worden sind. Matten aus Pandanusblä'ttern wurden zum Nachtlager ober bei den Mahlzeiten statt eines Tischtuches auf dem Boden ausgebreitet; zum Kaue» oes Betels, dessen Gebrauch bis hierhin vorgedrungen war, dienten zierlich geflochtene Dosen, und die verschiedenartigsten Körbe zeugten von der Gc-fchicklichteit der Frauen. Calebassen oder Flaschentürbisse von allen Größen spielten hier eine nicht weniger wichtige Rolle als im Haushalt des Hawaiiertz, und die Glieder des diesem unbekannten Bambus waren nicht minder nütz- 514 lich, sei es zum Aufbewahren verschiedener Gegenstände oder zum Trausport des Wasscrvorraths auf Reisen. Vor den übrigen Polynesiern hatten die Marianesen die Töpfertunst voraus, die wir unter den in diesem Werke betrachteten Völkern nur bei den Fidschi Insulanern antrafen. Ohne gefirnißt zu sein, waren ihre irdenen Gefäße feuerbeständig und dienten zum Kochen verschiedenartiger Gerichte. Wie bei den Chinesen wurde die Zeit in Tage, Monate und Jahre eingetheilt. Erstere hatten wahrscheinlich ihre besonderen Benennungen wie jetzt noch bei den Carolinern, doch sind die alten Namen gegenwärtig unbekannt. Das Jahr wurde in dreizehn Monate eingetheilt. Das Maas der früheren astronomischen und nautischen Kenntnisse der Marianesen ist ebenfalls in Vergessenheit gerathen, doch da sie verschiedene Sternbilder zu nennen wußten, läßt sich vermuthen, daß in dieser Beziehung ihr Wissen hinter dem der Caroliner nicht zurückstand. Ihre Sprache hatte kein Wort für die Gottheit, doch beteten sie die Antis oder Geister ihrer Vorfahren an, denen sie eine große Macht zuschrieben, und die den Beschwörungen der Makahnas, ihrer Zauberer oder Priester, günstige Winde, glücklichen Fischfang, reichliche Ernten oder die Heilung von gefährlichen Krankheiten gewährten. Dir Gebeine und namentlich die Schädel der Väter wurden sorgfältig in Korben, entweder in den Wohnungen oder in besondern Gebäuden aufbewahrt. Eine monarchische Verfassung wie auf Hawaii oder Tahiti hatte sich auf den Marianen nicht ausgebildet, sondern eine jede Insel theilte sich in eine gewisse Anzahl von einander unabhängiger Staaten, an deren Spitze stets der älteste Häuptling stand. Beim Tode des greisen Herrschers folgte ihm nämlich der älteste Bruder, Vetter oder Neffe nach, und nicht der eigene Sohn, der jedem älteren Verwandten in feinen Ansprüchen weichen mußte. Die Frauen, die in hoher Achtung standen und im Hause unumschränkt regierten, hatten auch einen großen Einfluß in Staatsangelegenheiten, so daß eigentlich nichts ohne ihren Rath und Einwilligung geschah. Auch hierin zeigte sich der Vorrang der Frauen, daß beim Tode des Mannes sein Vermögen der Wittwe zufiel, während beim Tode der Frau deren Verwandten sich nicht nur der Güter des Mannes bemächtigen, sondern auch der Kinder, die sie ihm geboren hatte. Die verhcirathcten Frauen zeichneten sich durch ihre Sittlichkeit aus, der Ehebruch kam sehr selten vor; die Mädchen dagegen genossen eine un- 515 gebundene Freibeit, und die geheimen Gesellschaften der Oulitaos erknntt-ten durch ihre Zngellosigfcit an die ebenfall? verschwundenen Arreois auf Tahiti. So wie die Marianen durch ihre Vegetation theils an das ostlicke Polynesien, lheilS an die malaiische Insel sich anschließen, so finden wir also auch bei der Vetracktung dc» vormaligen Zustandes ihrer Bewohner zahlreiche Antlange an ferne Nationen nach Ost und West. Zweinnddreiftigstes Kapitel. Geschichte der Mari ane«. Entdeckung durch Magellan. — Can Vitores, rci ?lvclftl r?r Marian«». — Der Chinese l5boco Ean^lai.' — Hlirlnäckiq? Empörungen der Mariancsen. — Don Jose dc Quiro>ia. — Unteljochnng der Rebellen auf Nota 10^(1. — ^ctzte v?rMe!fcl nal'mc der Bevölkerung. — Ein edlei Gouverneur. — Schrankenlose Macht der Statt Halter. — GegrlNrärliger Zustand der Mananesen. — Halmenkämvsc. — Die See! sorger. — Der Aussah. — Der Fisckschuvpenausschla^. — Dcr Pian. — Das Sank» Lazarus Feuer. <>l,'N der Entdeckung der I«Il« 60 llll, Vcw« i-,tina« oder dcr Ladronen durch den unsterblichen Magellan, l15?l) ist bereits im Kapitel die Rede gewesen, welches ich der ewig denkwürdigen Reise des großen Seefahrers gewidmet. Noch in demselben Jahrhundert wurden die Inseln lifters von spanischen, englischen und holländischen Seefahrern besucht; von Loyasa l152K). Saa-vedra s15?.^), Legaßpi (1565), Cavendish (1588), Mendana N596) und Olivier Van Noort (1600); auch pflegten schon frühzeitig die silberbeladenen Gallionen auf ihrem Wege von Aeapuleo nack Manilla in Guajan an^u halten', doch diese fluchtigen Erscheinungen, obgleich nicht selten von Ran^ und Mord begleitet, ließen im allgemeinen da3 SckMal der Marianen un berührt, ßrst nachdem der fromme Pater Don Diego Louis de Tan 33» 516 Vitorcs, dei aus einem alten ruhmreichen Geschlecht geboren, der glänzendsten Laufbahn entsagt hatte, um sich dem Dienste der Kirche zu widmen, auf dem „San Damian" die Ladroncn besuchte, und sofort von heiligem Bekehrungs-eifer erglühte, stieg die dunkle Sturmwolke an ihrem Horizont empor, die sich bald mit verheerender Gewalt über das unglückliche Land entladen sollte. Doch hatte San Vitorcs noch manche Hindernisse zu besiegen ehe er sein Apostelwert beginnen konnte. Von Manilla abgewiesen, reiste er nach Spanien, wo er die Königin für feinen Plan gewann, doch trotz eines höchsten Handschreibens, welches dem Gouverneur der Philippinen befahl ihn mit allem Nöthigen zu versehen, konnte er auch dicßmal nichts erlangen, und sah sich genöthigt nach Mexico zu reisen, wo endlich nach sechsjährigem vergeblichen Ringen der dortige Vicekönig ein Schiff mit Soldaten zu seiner Verfügung stellte. Als der Apostel mit den fünf Padres, die er zu seinen Gefährten gewählt hatte, im Juni 1(>88 auf Guajan landete, gab er der Gruppe den neuen Namen der Marianen, seiner Gönnerin, der Königin Maria Anna oon Oesterreich, der Gemahlin Philipp des Vierten zu Ehren. Von den Eingebornen freundlich empfangen, war seine erste Sorge in Agania, der Hauptstadt des Landes, eine Kirche zu bauen und das Bekehrungswert unverzüglich zu beginnen. Das erste Hinderniß, worauf er stieß, war der Hochmuth der Adeligen, die durchaus nicht mit dem gemeinen Mann auf gleicher Stufe stehen wollten, und es kostete große Mühe ihnen begreiflich zu machen, daß das höchste Wesen, welches allen seinen Geschöpfen Licht und Wärme gleichmäßig spendet, es auch will, daß alle ohue Unterschied des Ranges sich des religiösen Segens erfreuen. Bald trat auch ein gefährlicher Widersacher im Chinesen NKooo s-i^lox auf, der 1648 von einem Sturm nach den Ladroncn verschlagen, seinen heimischen Götzendienst dort predigte. Schon hatte er sich einen bedeutenden Anhang erworben, als die Antunst der spanischen Mönche seine Pläne durchkreuzte. Es ereignete sich, daß einige Kinder bald nach der Taufe starben, und schnell verbreitete der listige Choco das Gerücht es sei die heilige Ceremonie weiter nichts, als eine heidnische Beschwörung, die mit vergiftetem Wasser vollzogen werde. Die Verläumdung trug ihre Früchte, man verweigerte die Taufe und ergriff die Waffen gegen die Spanier, die nur mit Mühe die Aufregung der Gemüther beschwichtigten. Trotzdem konnte San Vitoreö in einem Briefe vom 15. April 166^ der Königin verkündigen, baß bereits 13000 Insulaner getauft seien. 517 Vis dahin hatten die Bestrebungen der Missionare nur die Inseln zwischen Guajan und Saypan umfaßt, doch nun schiffte sich Pater Morales nach dem Norden ein und entdeckte Anatajan, Sarigouan, Alamagouan, Pagon und Grigan. Schon nach einem halben Jahre hatte er 4000 Kinder und Erwachsene getaust, die freilich von der Ceremonie nur wenig verstehen tonnten. „Das Verständniß wird wohl mit Gottes Hülfe nachkommen!" mochte der gute Vater denken. Ihm folgte San Vitores und entdeckte Assongsong und Mang. Nach Guajan zurückgekehrt fand er die Früchte durch eine anhaltende Dürre zerstört. Die Makahnas oder Zauberer benutzten die dadurch hervorgebrachte Noth um den Dienst der Ahnen (mm^) wieder hervorzurufen und die reuige Menge vom neuen Glauben abtrünnig zu machen. Doch gelang es dem feurigen Apostel die verirrten Schafe zur Heerde zurückzuführen, und als bald darauf 9. Juni 1071 eine sehr willkommene Verstärkung von Soldaten und Mönchen aus Acapuleo eintraf, richtete er sogar 4 neue Kirchspiele ein. Unterdessen fuchten die Makahnas das Volk gegen die Fremden aufzuwiegeln, und der Häuptling Homav, ein erbitterter Feind der Spanier, der sich bereits im Geheimen mit dem Chinesen Choco verbunden hatte, wartete nur auf die erste günstige Gelegenheit um die verhaßten Eindringlinge zu vertreiben. Sie fand sich als einige Marianesen vom ersten Statthalter der Insel, Don Juan de Santiago, wegen eines an einem jungen Spanier verübten Mordes verhaftet werden sollten und bei dem dabei entstehenden Tumult einer der Vornehmsten erschlagen wurde. Ware rer Angriff unverzüglich geschehen, so hätten die Spanier, die noch keine Festungswerke be^ saßen, ihm wohl schwerlich widerstehen können, dvch lies; das Zögern des Feindes dem Statthalter, der zwar nur ^l Soldaten bei sich hatte, aber durch verwegenen Muth seine numerische Schwäche ersetzte, alle Zeit sich zu verschanzen und fogar den Hourao gefangen zn nehmen, wodurch indessen die Wuth der Emporer nur verstärkt wurde. Am ti. September 1<^71 griffen 2000 Marianesen unter Choco's Anführung die Spanier an — die Gebeine ihrer Väter vor sich hertragend — doch eine mörderische Musketensalve zeigte ihnen wie wenig sie sich auf diesen Schutz verlassen konnten. Dennoch ließen sie den Muth nicht sinken, hielten die verhaßten Fremden dicht umschlossen und beunruhigten sie Tag und Nacht — bis endlich eine Verstärkung zur rechten Zeit eintraf, und ein verzweifelter Ausfall die Insurgenten völlig in die Flucht schlug. 518 Hierauf wurde am 21. October 1671 der Friede unter den scheinbar mäßigen Bedingungen geschlossen, daß die Eingeborenen cm Sonn- nnd Festtagen regelmäßig der Messe beiwohnen und ihre Kinder taufen lassen sollten, doch war die Ruhe nur von kurzer Dauer, denn schon im folgenden Jahre ward San Vitores aus einer Missionsreise erschlagen, und noch einmal sahen sich die Spanier auf oen engen Naum der Festung Agania beschränkt. Diese Wiederholten Empörungen beweisen wie unerträglich die Tyrannei der Spanier schon in diesen Anfaugsjahrcn ihrer Herrschaft gewesen sein muß. Erst nach einer Belagerung von 6 Monaten erlaubte ihnen die Ankunft des neuen Gouverneurs Don Juan de Salas mit einer Verstärkung von 30 Soldaten zum Augriff überzugehen. Siegreich drangen sie vor und trotz ihrer geringen Anzahl, warf die Uebcrlegenheit der Waffen, der Taktik und der Mannszucht ihre Feinde nieder, die theils nach Rota flohen, theilß auf Gnade und Ungnade sich ergaben. Don Jose de Quiroga aus einer altberühmten gallieischcn Familie, der wie Loyola seine Laufbahn als Soldat begonnen und wie jener beschlossen hatte sich der strengsten Ausübung der Religion zu widmen, schiffte sich, so wie er den Märtyrcrtod von Sau Vitores erfuhr, uach Guajan ein, welches er für den passendsten Schauplatz seines Wirkens hielt, und im Juni 167N erreichte. Diesem ausgezeichneten Manne überließ Don Juan de Salas, den Familienangelegenheiten gebieterisch nach Spanien zurückriefen, die Statthalterschaft, doch nur nach vielen Bitten und unter ocr Bedingung, daß der König ihm unverzüglich einen Nachfolger ernennte, vermochte er ihn zu deren Annahme zu bewegen. Nnn erließ Ouiroga Gesetze um die Insulaner vor der tyrannischen Willkür seiner Soldaten zu schützen; theilte Guajan in 6 Distrikte, ließ Kirchen und Dörfer erbauen, wo er die bis dahin zerstreute Bevölkerung versammelte, und legte Straßen durch früher unzugängliche Gegenden an. Die Rebellen, die sich nach Rota geflüchtet hatten und deren Sendlingc noch immer den Geist des Aufruhrs nährten, suchte er dort auf s1<>80), nahm eine Menge derselben gefangen und bestrafte sie mit einer nach spanischen Begriffen wohlverdienten Strafe. 1681 erschien der neue Gouverneur Don Antonio dc Earavia und wurde nach seinem zwei Jahre später erfolgten Tode von Don Damian de Esplana ersetzt. Dieser schickte 1684 den unermüdlichen Quiroga mit dem größten Theil der spanischen Besatzung nach den nördlichen Inseln um das Unterjochungsweri zu vollenden und gab dadurch Veranlassung zu einem 519 letzten verzweifelten Aufstande, der die Kolonie bis an den Rand des Verderbens brachte. Am 23. Juli ziehen 60 Wohlbewaffnete entschlossene Männer unter dem Vorwand die Sonntagsmesse zu hören in Agania ein. Nach beendigtem Gottesdienst vertheilen sie sich über verschiedene vorher bestimmte Punkte um überall mit einem Schlage die Spanier zu vernichten. Der Gouverneur, der nichts Böses ahnend auf dem Hauptplatze des Städtchens auf und ab geht, wird plötzlich von Djoda, dem Anstifter der Empörung, überfallen und schwer verwundet, andere dringen in die Häuser, wo sie etwa 50 Soldaten todten, oder eilen nach dcm Seminar, wo sie die Jesuiten Solorzano und Dubois erdolchen. Da erscheint ein Diener des Gouverneurs, welcher verkündet, daß sein Herr noch lebt und einen Beichtvater verlangt, und die Bestürzung der Verschworenen nimmt noch zu, als sie erfahren, daß Djoda selbcr seinen Verrath bereits mit dem Tode gebüßt habe und Don Damian von den ihn rächenden Soldaten nach der Citadelle gebracht worden sei. Hier sucht man in aller Eile sich zum Widerstände zu rüsten, und die Gefahr scheint um so dringender, da man erfährt, daß eine bedeutende Anzahl Meuterer von den Bergen herabsteigt, doch bald kommen auch treu gebliebene Insulaner zu Hülfe. So gab es auch zu Herrmann's Zeiten Deutsche, die es mit den Römern hielten, doch der Fluch der Geschichte und die Verachtung der Guten lastet stets und überall auf allen, die auf vaterländischem Boden mit Wort oder That der Fremdherrschaft dienen. Nach Djoda's Tod stellte ein anderer Häuptling sich an die Spitze des Aufruhrs, schickte Boten nach Nota, um ihn auch dort zu verbreiten, und rückte zum Angriff der Festuug vor. Pater Strooach, der es übernommen Quiroga einen Brief zu bringen, ward auf Tinian erschlagen, und ein gleiches Loos traf den Pater Boranga auf Rota. Sechs Pirogen, die von dieser Insel zur Aerstättung des Aufruhrs nach Guajan kamen, verbreiteten hier das Gerücht von Quiroga's Tode, so daß die hartbedrängten Spanier auf keine Hülfe mehr rechnend schon alles für verloren hielten. Quiroga, der sich unterdessen auf Saypan in völliger Unwissenheit deß Vorgefallenen befand, sah sich bald ebenfalls von den steigenden Wogen der Empörung bedroht. Die Corvette, die ihn herüberbrachte, wurde bei Tinian verbrannt und deren Mannschaft ermordet, während er selbst plötzlich überfallen, mit nur . August 1694 erfolgten Tod, wodurch Quiroga, dessen Festigkeit und Gerechtigtcitslicbe auf's höchste Noth thaten, wiederum an's Ruder kam. Dieser veranstaltete schon im folgenden Jahre eine Expedition nach Saypan, welche die gänzliche Unterwerfung der Insel bewirkte. Dann zog er nach Tinian, welches er von den Bewohnern verlassen fand, die sich nach der kleinen Insel Aguijan zurückgezogen hatten. Diese erhebt sich hoch und steil aus dem Meere, von allen Seiten völlig unzugänglich bis auf zwei enge fast uncrsteigtiche Schluchten. Dort hatten die Tinianeser sich befestigt, entschlossen sich bis zum Tode zu vertheidigen. O-uiroga theilt seine Soldaten in zwei Parteien, da aber die östliche Schlucht zu steil war, befiehlt er einen allgemeinen Angriff von der andern Seite, und muntert durck sein eigenes Beispiel den Eifer seiner stürmenden Krieger an. Die Insulaner lassen Steine regnen und Fclsblöcke herabrollen, die Angreifer wanken, aber der feurige Muth des Sergeanten Juan Perez Vello und des Hauptmanne Pablo de la struz lennt seine Hindernisse-. sie erklettern die Felswand, die andern durch das Beispiel fortgerissen, folgen, die Vcrschanzungen werden erreicht, genommen, und die Besiegten flehen um Gnade, die ihnen unter rer 522 Bedingung einer Uebersiedelung nach Guajan gewährt wird. ANe nach ?lorden liegenden Inseln unterweisen sich auf diese Nachricht, und anch ihre Bewohner müssen auf O.uiroga'3 Beseht nacb Eaypan auswandern, um dort unter militärischer Aufsicht den Religionsunterricht zu empfangen. Nun stand das Christenthum auf fester Grundlage da, und das Be^ kehrungswerk schritt rüstig vor, so daß noch vor Ende des Jahrhunderts m den allein noch bewohnten Inseln — Guajan, Rota und Saypan — auch tein einziger Heide, freilich aber auch fast keine Bevölkerung mehr übrig blieb. Denn traurig waren die Früchte, die San Vitores' Frömmigkeit und Quiroga's eiserne Thatkraft dem armen Volke brachten, und Tacitus' Wort über die Römer: „Sie machen eine Wüste und nennen es Friede", konnte auch hier mit vollem Rechte angewendet werden. „Ihre Freiheit liebend", sagt Fray Juan dc !a Conception, „konnten die Marianesen kein fremdetz Joch erdulden, und es ward ihnen so drückend, daß unvermögend es abzuschütteln sie lieber sich erhängten, oder auf andere Weise sich verzweifelnd um das Leben brachten. Die Weiber warfen ihre neugeborenen Kinder in das Wasser, überzeugt, daß sie durch solchen frühen Tod, der sie. von Mühseligkeiten und Elend erlösete, sie glücklich und selig machten. So hielten sie die Abhängigkeit für das äußerste und erbärmlichste Elend. Eine epidemische Krankheit rassle im Anfange des Jahrhunderts die Uebriggebliebenen fast gänzlich hinweg. Der Wellumsegler Gentil de la Barbinais, der erste Franzose, der auf Guajan landete, schildert aus dem Jahre 171l> den trostlosen Zustand der Marianesen. Trotz aller königlichen Verordnungen zu ihren Gnnsten wurden ihnen von dem unersättlichen Statthalter ohne alle Vcrgütnng die härtesten Frohndienste auferlegt. Physisch und moralisch gedrückt, nahm ihre Anzahl mit jedem Tage ab, so daß die Bevölkerung, die ursprünglich auf wenigstens 45,000 sich belief, und sogar noch zur Zeit der Eroberung auf 20,000 geschätzt wurde, 13 Jahre später auf 15)00 zusammengeschmolzen war. Um der steigenden Entvölkerung Einhalt zu thun, wurden von 1743 an alle zwei Jahre 5 oder 6 Familien aus den Philippinen nach Guajan übergesiedelt und mit allen Privilegien versehen, welche bis dahin nur spa^ nische Kolonisten genossen hatten, doch war im Jahre l?5!> das Elend so groß, daß viele Marianesen sich verzwciflnngövoll das Leben nahmen, und andere sich durch Mord an ihren Unterdrückern rächten. 523 Nach so vielen raubsüchtigcn und gransamen Statthaltern freut man sich die Regierung der Inseln im Jahre 1771 dem edlen Don Mariano Tobias anvertraut zu sehen. Dieser führte nebst andern nützlichen Pflanzen den Mais ein, und beschäftigte sich selber mit dem Ackerbau, um den Fleiß des trägen Volkes zu wecken. Er bemühte sich auf jede mögliche Weise, ohne den dummen Stolz der Creolen zu beleidigen, dcn Zustand der Eingeborenen zu bessern, indem er alle Verordnungen aufhob, welche sie in ihrem Selbstgefühl kränkten. Um ihren Produkten emeu Markt zu verschaffen, erwirkte er ihnen die Erlaubniß rie Gallionen, die jährlich auf dem Wege von Aca-pulco nach Manilla in Umata einliefen, zu deren Transport nach den Philippinen zu benutzen. Leider war die Regierung dieses Menschenfreundes nur zu kurz, dcnn schon 1774 ward er durch einen andern Statthalter ersetzt, der das Beispiel seiner Vorgänger dem seinigen vorzog. In seiner Geschichte beider Indien weihte der Abb6 Raynal den edlen Tobias auf seine Weise zur Unsterblichkeit ein; Lap«rouse fand ihn bald darauf zu Manila in den Händen der Inquisition und maß dies den Lobreden des Philosophen zu. „Mit besserer Ortskenntnis" sagt Chamisso „bezweifeln wir jedoch, daß die'Schuld dieses Unrechts lediglich dem französischen Aufklärer bcizumessen sei. Die Inquisition trifft gleich dem Znfall unter den Hohen und Reichen Jeden, den nur Angaben bezeichnen, und cs ist Brauch, daß die Weiber in häuslichen Mißverhältnissen dcn Arm des heiligen Gerichts für ihre eigene Sache bewaffnen. Die Güter der Verurtheiltcn fallen dem Gericht anheim und nur der arme und obscure Mensch genießt Sicherheit." So traurig war es noch immer trotz alle» Bemühungen Don Tobias' mit dem Ackerbau beschaffen, so sehr war alle Thätigkeit erlahmt, daß die schönen Inseln nur so viel hervorbrachten als für den Bedarf der Bewohner nothdürftig hinreichte, und Mangel entstand als l77ä das Scheitern einer Kriegsfregatte mit Landungstruppen die Anzahl der Consumenten plötzlich um ein paar hundert Mann vermehrte. Ein so tiefer Verfall scheint fast unglaublich, aber der Schlüssel des Räthsels liegt darin, daß dem Gouverneur jenes entlegenen Theils der Welt sein sechsjähriges Amt als eine Pfründe verliehen war. Er hatte den alleinigen Hantel der Colonie, und stellte willkürlich die Preise. Seine Macht war schrankenlos und so groß feine Bedrückungen auch sein mochten, hatte er feinen Nichter zu fürchten. So zeichnete sich Pereira, der von <5Mi bis 1K12 regierte, durch seine unersättliche Habgier aus. Als er „ach Manilla 524 zurückkehrte, folgten ihm t9 Criminalantlagen nach, doch statt der verdienten Strafe wurde der schamlose Verbrecher seiner treuen Dienste wegen mit Verdienstorden geschmückt. Als Freycinct 1315 anf den Inseln verweilte, war der Verkehr mit Europa so selten geworden, daß mehr als ein Statthalter während der ganzen Dauer seines Amtes kein anderes europäisches Schiff zu sehen bekam als dasjenige, welches ihn brachte und wieder abholte. Im Jahre W8 wurde endlich das Monopol aufgehoben, welches so lange wie ein schwerer Alp auf den Marianen gelegen; einem jeden stand es nun frei zu verkaufen, wem er wollte und an der billigsten Quelle zu laufen. Doch fand Dumont d'Urville 183!) den Zustand Guajan's noch so wenig verändert, daß alle früheren Beschreibungen desselben noch vollkommen paßten. Auf der ganzen Insel gab es keinen einzigen Kaufmann, und der einzige Vortheil, den bis dahin die Erleichterung des Ver-kehrs ihr brachte, bestand im Austausch ihrer Produkte gegen die Waaren der selten einlaufenden Walfänger. So schwer hält es das eingeschlafene Leben wieder zu erwecken, wo Menschenalter hindurch der Despotismus alle Keime des Fortschrittes erstickte. Ein stilles gutkatholisches Völklcin, deffeu Faulheit und Unwissenkcit den äußerst denkbaren Grad erreicht, das ohne alle geistige Regung, von einer üppigen Natur in seiner Trägheit begünstigt ein reines Pflanzenleben führt — so stellen sich die jetzigen Marianesen dar. Sie kennen nicht mehr die Thatkraft weckende See, sind keine Schisser, keine Schwimmer mehr, sie haben aufgehört Boote zu bauen. Kaum höhlen sie noch Baumstämme ungeschickt aus um innerhalb der Brandung auf den Fischfang zu gehen. Der Nachen, der D'Urville 1839 am Nrujahrstagc entgegenfuhr, deutete weit eher auf eine wilde Horde als auf eine europäische Colonie. Ein mit einem Ausleger versehener langer Trog, dem kleine Schaufeln an langem Stiel als Nuder dienten — stellte die spanische Marine im Hafen von Umata dar. Er enthielt die ersten Notabilitäten des Ortes — den spanischen Padre, und den Alcalden, dessen dunkelbrauner Teint den Eingeborenen verrieth — ward aber so schlecht geführt, daß er die Schisse nicht eher erreichte, als bis sie bereits im Kafcn ihre Anker hatten fallen lassen. Auch die alte Baukunst ist verlernt-, die Häuser des Volkes sind auf Pfosten getragene Käsige von Bambusrohr mit einer Bedachung von Palmcn-blättern. In diesen elenden Hütten, deren schmutziger Anblick traurig absticht 52b gegen die Pracht der umgebenden Natur, genießt der Marianese die volle Seligkeit des t.nniontc, aus welcher nur der beliebte Hahnenlampf ihn zur Leidenschaft erweckt. (5in guter Strcithahn ist der Stolz und die Lust seines Herrn, der ihn überall mit sich auf dem Arme trägt, und ihn im Wohnhause an einem Fuße gebunden, auf das sorgfältigste hält. Diese Hahncntämpfe sind ein Vergnügen für Sonn- und Festtage von 5 Uhr Morgens bis zum m,^!^. Die Sporen der Streitenden werden mit eisernen Spitzen bewaffnet. Man hält sie Kopf gegen Kopf, sucht erst ihren Zorn durch Aufhetzen und Schnabelstoße gehörig zu erwecken und läßt dann die Wüthenden auf einander losgehen. Die Cigarre im Munde verfolgt der Marianese mit ängstlichem Blick die Wechselfälle des blutigen Kampfes, seinen Hahn, auf dessen Erfolg er seinen letzten Heller gewettet, flehentlich aufmunternd wann er ihn Wanten sieht, feurig beklatschend wann er siegt — dann zieht er sich seelenvcrgnügt mit seinem Liebling zurück um dessen Wunden zu verbinden und ihn so bald als möglich in den Stand zu setzen neue Lorbeeren auf dem Wahlplatz zu erringen. Wenn auch noch so sehr in Trägheit versunken, kann der Mensch ohne Aufregung nicht bestehen; irgend ein Ziel muß erhaben, das die Einförmigkeit des Lebens unterbricht und wo sein Streben keinen edlen Zweck verfolgt, verfällt es leicht anf den grünen Tisch der Spielhölle oder den Streithahn dcs Marianesen. Nach dem Volte wollen wir nun auch dessen Seelsorger betrachten. Vier Priester verrichten den Gottesdienst der ganzen Insel, die etwa 7000 Bewohner zählt; der Pfarrer der Hauptstadt Agania mit 3500 Einwohnern hat zugleich den Titel eines apostolischen Präfecten und eines Directors des Seminars. In den Gemächern des verfallenen Gebäudes fand jedoch D'Ur-ville keinen einzigen Schüler, wohl aber eine Menge vortrefflicher Streithähne, welche die ungethciltc Sorgfalt des hochwürdigen Padre Bernardo in Anspruch nahmen. Diese Priester sind nur da um das unwissende Volk auf vielfache Weise auszusaugen, nicht um es auf irgend eine Weise zu belehren. Die Eitelkeit des einfältigen Indianers verlangt, daß bei allen religiösen Ceremonien — Taufe, Heirath, Vegräbniß — der möglichste Pomp entfaltet werde; und statt unnütze Prunksucht zu bekämpfen, welcher die armen thörichten Menschen oft das Letzte ihrer Habe opfern, sucht Die gesunde Luft erweckte einen fabelhaften Appetit, doch hielt die Ver dauungskraft der vermehrten Zufuhr so gut die Wage, daß keine Unpäßlich, keit daraus erwuchs, und die geschwächten Invaliden sich zusehends zu kampfbereiten Löwen umgestalteten. Nachdem ich alles Gute, was die Engländer auf Tinian genossen, geschildert, darf ich auch dir Unlx'auemlichkeitcn und Sorgen nicht verschweigen, welche jene glücklichen Tage störten. Sie hatten vicl von Mosquitos und Zekcn, dcn unlcidlichcn Insektenplagen der Tropen-Welt auszustehen, und der zn gewissen Jahreszeiten unsichere Anlnplatz hättc fast zu ihrem Verderben geführt, denn am !?2. September, wahrend Anson und der grofUc Theil seiner Mannschaft am Lanr warm, wurde der „Cen- 34" 532 turion" in die See getrieben und verschwand bald gänzlich aus dem Gesichtstreis. Man denke sich die Verzweiflung der Zurückgelassenen über eine Catastrophe, die sie vielleicht zur ewigen Verbannung verurtheilte, oder fast wehrlos ihren Feinden überlieferte; die stets abnchmrndc Hoffnung, als Tag auf Tag verging, ohne daß das erwünschte Segel am Horizont erschien; man denke sich aber auch ihre Freude als am 11. October der weit weg verschlagene „Centurion" am Mcercssaum wieder auftauchte, und mit ihm die schönsten Aussichten auf Ruhm und Vaterland! Lebe wohl Tinian! mit dankbarem Herzen sagen rir am 22. October Anson und scine Helden Lebewohl! Noch oft in fernen Welttheilen werden sie deiner grünen Fluren gedenken, doch jetzt lichten sie freudigen Herzens die Anlcr, denn so gern der Seemann nach langer Meercsfahrt die feste Erde betritt, so sehr sehnt er sich nach kurzer Rast wieder nach dem hin und hcr-wogenden Gebiete zurück, welches durch Leiden und Kampfe und die Gewohnheit eines ganzen Lebens ihm zur eigentlichen Heimath geworden. Nachdem er in Macao sein schadhaftes Schiff ausgebessert und seine Mannschaft durch einigen Zuwachs verstärkt hatte, treuztc Anson über einen Monat am Cap Espiritu Santo, um die Manilla Gallionen aufzufangen. (5r hattc erfahren, daß es starke Schiffe seien, jedes von 44 Kanonen und mit mehr als 500 Mann an Vord, doch obgleich er erwarten durfte, daß beide zugleich ankommen würden und cr selbst nur 227 Mann hatte, hielt ihn doch die Ueberlegcnheit des Feindes nicht ab, ihm auf's emsigste nachzuspüren. Endlich am 2. Juli 1745! erschien die Gallione „Nucstta Sennora de Cabadongo" und bald entspann sich ein wüthendes Gefecht. Wohl feuerten die Spanier eine Breitseite nach drr aildern in den „Cenlmiou" hinein, daß die alten Nippen ihm trachten, aber noch besser trafen die englischen Kugeln; wohl schössen ihre Schützen vom Mastkorb herab, abcr die briti° schen Büchsen fegten das Verdeck, und Castilien mußte dießmal wieder wie so oft zuvor, die Flagge vor dem stolzen Albion streichen. Man denke sich die Freude, ^- doch mitten im Triumphe flüstert der Lieutenant, der sich Ansvn mit Glückwünschen zu seiner Prise nähert, ihm in's Ohr, daß ein gefährliches Feuer in der Nähe der Pulverkammer ausgebrochrn sei. Ohne eine Miene zu verziehen, und sich wohl hütend seine Leute zu erschrecken, gibt der Commodore dic nothwendigen Bcfehlc zum Voschen, welches auch bald gclingt, obgleich anfangs das schlimmste zu befürchten stand. 533 Die Gallione hatte 1,313,843 Dollars und 35,682 Unzen Silberbarren an Bord, so daß ihr Werth sich auf nicht viet weniger als 400,000 Pfund Sterling belief, eine ungeheure Summe, namentlich für die damalige Zeit, wo das Geld noch so viel hoher im Werthe stand als jetzt. Die Hälfte davon fiel dem glücklichen Befehshaber zu, die andere wurde unter die Officiere uno die Mannschaft je nach dem Range vertheilt. Das Glück, welches Anson bisher so hart auf die Probe gestellt hatte, schien ihn von nun an eben so entschieden begünstigen zu wollen, denn auf der Rückreise um das Cap der guten Hoffnung, segelte er mit seiner Prise vom Nebel begünstigt mitten durch die im Canal kreuzende französische Flotte und landete im Juni 1744 in Spithead. Seine thatenreiche Weltumsegelung ist ein glänzender Beleg zur bedeutenden Wahrheit, daß, obgleich Vorsicht, Muth und Ausdauer'den Verfolgungen eines feindlichen Geschicks durchaus nicht immer entgehen können, sie dennoch auf die Dauer sich gewöhnlich siegreich über die Macht der launenhaften Glücksgöttin erheben und nur selten das angestrebte Ziel verfehlen. Die Siegcslaufbahn des englischen Seehelden hat uns weit weg von Tinian verschlagen, wohin die Betrachtung einiger höchst interessanter Ruinen uns zurückruft. Etwa eine Kabellänge vom Ufer sieht man die Ueberreste eines Gebäudes, welche eher die Vergangenheit einer civilisirten Nation als eines wilden Voltstammes verkünden: ll) Pyramidalische Säulen, merkwürdig durch ihre Größe und die Regelmäßigkeit ihrer Stellang, 7 noch aufrecht, 3 auf den Boden hingestreckt. Sie bilden zwei Reihen, und stehen in jeder ungefähr li Fuß von einander, während der doppelte Raum die Mitte des Säulcnganges einnimmt. Die Säulen ruhen auf viereckigen Pcdimcnten, haben einen Umfang von 5 Fuß an der Basis und sind etwa 13 Fuß hoch: auf der Spitze trägt jede eine Halbkugel mit der stachen Seite nach oben. Sie sind aus Stein und Sand zusammengekittct und mit einer Art Mörtel übertüncht, noch immer genau wie Anson sie beschreibt, doch nach hundert Jahren geben die zahlreichen Gewächse, deren Wurzeln in die Fugen des Gesteins gedrungen sind, und welcke das Ganze mit einem grünen Mantel bedecken, diesen Denkmälern der Vorzeit ein ganz anderes Aussehen wie damals. Nicht weit davon sieht man noch viele andere ähnliche Ruinen, doch sind tie Säulen bei weitem kleiner. An einer Stelle bilden letztere einen 200 Klafter langen Gang. Auf den Bergen, in den Ebenen, mit hinein Wort, wohin man die Schritte nur wendet, findet man überall eine 534 Menge ähnlicher Ueberreste, welche den augenscheinlichsten Beweis von der Größe der ehemaligen Bevölkerung liefern. Die Säulen dienten offenbar zum Tragen eines Daches, unter welchem cine Familie wohnte, oder die Gemeinde sich versammelte, oder auch wohl, wie man es jetzt noch auf Tonga und anderwärts sieht, die Piroge, das kostbarste Eigenthum cines Schiffer-volles vor den verderblichen Einflüssen der Witterung geschützt lag. Die Insel soll 30,000 Einwohner gehabt haben, ehe Spaniens fluchbeladenes Banner sich dort entfaltete', als das Kreuz den Antisdienst auf den Marianen verdrängte, Waid es zur menschenleeren Wüste, und erst in neuerer Zeit haben wieder einige Amerikaner und Hawaiier sich dort angesiedelt um den selten einlaufenden Walfänger mit Proviant zu verschen. Seit 1856 sind die Mariancn zum Deportationsort für Verbrecher bestimmt worden. Schließlich sei noch erwähnt, daß neuerdings die bescheidenen Spanier auf ganz Micronesien von den Palaos bis zu den Marshall- und Gilbert Gruppen Anspruch machen. Als Rechtsgründe geben sie die Nachbarschaft ihrer Kolonien (Philippinen und Marianen) an, die erste Entdeckung, und weil zu wiederholten Malen von den Philippinen verunglückte Pckchrungs-versuche dorthin gemacht wurden. Nach den Proben ihrer Negierungskunst die sie auf den Marianen abgelegt, wollen wir indessen hoffen, daß sie diese letzteren weit eher verlieren als jemals ihre lächerlichen Ansprüche auf die kleine Carolinische Inselwelt verwirklichen werden. Vicrunddreißinstes Kapitel. Die Bonin Inseln. Lütkc auf Vonin. — (5m echter deutscher Robinson. — Romantische Einsiedelei. — Gastliche Vewirthung. — Thicr- und Pflanzenwelt. — Furchtbare Stürme. - Die klrinc Kolonie. — Gegenwart und Zukunft. ^nclia o-vi^-n, mit dickbuschigem, hellgelblich-grünem Laubwerk und feiner hellotergclben Rinde, zeichneten sich untcr den höheren Gestalten des lieblichen Wäldchens aus, während im Unterholz die Pftanzenformen der heißen Zone mit denen der nördlichen gemäßigten sich malerisch vermählten, denn dort sah man zierliche Fächerpalmen ^m-^gka M^onieu) neben schönen Hollundern stehen, im Wuchs unserem Attich auffallend ähnlich. An Vögeln zur Belebung des Haines fehlte es keineswegs; an Tauben, Drosseln und Raben, und großen, mit prächtigem Roth bezeichneten Kernbeißern, die unter allen bekannten Arten dieser zahlreichen Familie den stärksten Schnabel haben (l<>inM», I^a, KinM-ii). Nun aber lud das aufgetragene Abendessen zwar zu gröberen, aber durchaus nicht zu verachtenden Genüssen ein — denn außer den bereits erwähnten schmackhaften Speisen dampften die vortrefflichsten Pfannkuchen der herbeigerufenen Gesellschaft entgegen. Sie bestanden aus den Eiern einer großen Seeschildkröte, dem feinen, wohlschmeckenden Fette dieses Thieres und gutem Weizenmehl, welches sich noch aus den geborgenen Vorräthen des „Williams" vorfand. Ein aromatischer Thee aus den Blättern des hier häusig wachsenden Sassafras Port Noyd zur Ausbesserung seines lecken Schiffes zu verweilen beschloß, denn er fand hier alles vereinigt, was 541 cin Seefahrer in solcher Lage nur wünschen lann, hatte Nittlitz volle Zeit sich mit der belebten Schöpfung der romantischen Insel bekannt zu machen. Außer den mannigfaltigen Vögeln, vom Falken des Gebirges bis zum Pelican des Strandfclsens, beschäftige ihn besonders die Thicrwclt der unterseeischen Gefilde. Reizend waren namentlich die Ufcrstcllen, von welchen man auf die seichten Corallenbänte hinabschauen tonnte, deren weißgelber Sand durch dcn flüssigen Krystall des llaren Scewassers durchschimmerte. Zwischen den einzelnen, mit lebenden Polypen versehenen Stämmen sah man in buntem Gemisch Holvthurien, Secsternc und Seeigel von wunderbarer Größe und Schönheit sich langsam am Boden bewegen, wahrend das etwa 12 biö 14 5uß tiefe, volltommen dursichtige Wasser darüber in aUen seinen Schichten von den prachtvollsten Fischen und Doridcn vom schönsten Scharlachloth, mit glanzend weihen Mantelsaum, durchkreuzt wurde. Das fortwährende Kommen und Gehen dieser in allen Farben des Prismas glänzenden, metallisch schimmernden Lebensformen,' der beständige Wechsel dieser stets neu sich gestaltenden Wasserwelt erhöhte die wunderbaren Reize des lieblichen Schauspiels. Kitililz kam einst auf der Vogcljagd bei einer solchen Stelle vorbei, blieb trotz seiner ^ile, durch den herrlichen Anblick gefesselt, stehen und ward erst als er weiter ging mit Erstaunen gewahr, daß er im An« schauen verloren, zwei volle Stunden dort oerlraumt habe! Einige dieser Fische waren überaus schmackhaft, sowie auch die Krebse lind Krabben der mannigfachster. Art, die nicht allein in den unterseeischen jtlüflen des Felscnufers sich versteckten oder auf den Corallenbänten auf Raub ausgingen, sondern auch die durch die Waldthäler rieselnden Vächc belebten. Tagegen fehlten aus der Insel die Formen der Eidechsen und Schlangen, und auch die einheimischen Saugelhiere waren nur widerwärtig oder unheimlich durch die Ratte und einen ziemlich großen Flatterer vertreten, der wegen der Älehnlichteit der Gestall „der fliegende Pär" (l^ro^ul, ui-»I»u!,) genannt wurde. Dieses Thier, welches bei einer Korperlänge von 8—9 Zoll mit ausgebreiteten Flügeln etwa c! Fuß in die Breite maß, lebte vorzugsweise auf den Fächerpalmeu, wo es sich ftcdermausarlig, mit dem Kopfe nach unten gelehrt, anhing und »nit pfeifendem Geschrei paarweis und zu dreien umherflog. Toch nicht, wie unsere Fledermaus, zog eo zu dieser Bewegung die Abenddämmerung dem hellen Tage vor, sondern flog am lebhaftesten im rollen Lichte der Mittagsstunde umher. Im Magen wurden stet«? nur Vegetabilien, namentlich Trümmer von Früchten gefunden. 542 Das Klima der Insel wurde von den Einsiedlern als tresslich geschildert, selbst im Winter war die Kalte so wenig bedeutend, daß sie nie das Bedürfniß einer Fußbekleidung empfunden hatten; und die Hitze des Sommers ward stets dnrch die herrschende Seeluft gemildert. So hatte die Natur hier alles vereinigt, um diesen Ort zu einem wünschenswcrthen Aufenthalte für den Menschen zu machen, wenn sie ihn nicht bisweilen durch furchtbare Stürme und Erdbeben erschreckte. Die Orkane, die bekanntlich in den japanischen und chinesischen Meeren eine furchtbare Wuth entfalten, rasen auch bei den naheliegenden Bonin-Inseln in ihrer ganzen entsetzlichen Kraft. Sogar im Innern der Bai gerathen die Gewässer alsdann in solchen Aufruhr, daß sie den Anblick einer einzigen Masse weißen Schaumes darbieten. Bei der verhältnismäßig geringen Ausdehnung dieses von steilen Höhen fast ringsum eingeschlossenen Beckens hätte man ein dort ankerndes Schiff für völlig sicher halten können', doch verursachte gerade hier ein Novembersturm (1325) den Schissbruch des „Williams" und ein zweiter zertrümmerte bald nachher das Wrack. Namentlich ist der südöstliche Theil der Bai, der trotz des schmalen Einganges zu viel von der Brandung der hohen See empfängt, zum Ankerplatz ganz ungeignct, während sich im nördlichen glücklicherweise ein gesicherter Hafen befindet, dem Beechey den nicht sehr poetischen Namen ^on üulwms Iwle" lZehnklafter^ loch) gegeben hat! Trotz ihrer Heftigkeit waren diese Stürme doch nicht zu vergleichen mit einem späteren, der im Januar 1827 wüthete. Er war von einem Erdbeben begleitet, das die Insel bis in ihre Grundfesten erschütterte, und dabei stieg die Sturmftuth zu einer solchen Höhe, daß sie alle Flächen und. Thäler weithin unter Wasser setzte, die erste Wohnung, welche sich unsere Schiffbrüchigen erbaut hatten, vollständig verschlang, und sie selbst, die schon den Untergang der ganzen Insel befürchteten, nöthigte auf die Berge zu fliehm. Wittrin, der alte, erfahrene Seemann, versicherte, nie etwas Aehnliches erlebt zu haben! Diese oft sich wiederholenden Stürme sind freilich nicht sehr ermuthigend für Solche, die geneigt sein möchten, auf diesen durch Fruchtbarkeit und Klima so sehr begünstigten Inseln sich anzusiedeln — und erkläre» vielleick't, daß sie bis auf dir neueste Zeit unbewohnt geblieben sind. Denn lange bevor Europäer in jenen Gewässern erschienen, soll die Gruppe den benachbarten Iapanen bekannt gewesen sein. In den Reichs-annalrn, sagt Kaempfer, wird unter 1675 von einer Erpedition dreier Ein- 543 wohner Nangasaki's erzählt, welche die Lage der Gruppe mathematisch bestimmten und sic gänzlich unbewohnt fanden. Run herrschte aber seit den frühesten Jahrhunderten die Sitte auf den benachbarten, schwer zugänglichen Inseln Perbrechercolonien anzulegen, sowie heutigen Tages noch auf dem steilen, in der Richtung der Benin's Gruppe sich hinziehenden Eiland Fat-sisio. Die ncuenircckten Inseln wurde» alsbald zu demselben Zwecke verwendet, doch war die Ansiedlung von keiner langen Dauer, und nach fünfug Jahren war Vonin so menschenleer als je. Uebrigens zweifelt Beechey, daft unsere Inseln mit denen von den Japanern entdeckten übereinstimmen, und jedenfalls ist es auffallend, daß von iener früheren Kolonisation keine Trümmer, kein verwildertes Hausthier übrig geblieben. Später findet man zwar dje Gruppe auf einer spanischen Karte mit genau angegebener Lage als Isl«? 6sl ^rxodi^x) sErzbischofsinseln) verzeichnet; für die Wissenschaft wurde sie aber erst von Beechey entdeckt, wenn auch Walfänger sie schon früher besuchten. Nachdem Wittrin und Petcrsrn mit der russischen Expedition ihre reizende Einsiedelei verließen (sie mögen es wohl später bereut haben», blieb Vonin nur auf kurze Zeit den verwilderten Schweinen und fliegenden Bären überlassen, denn zwei unternehmende Männer, Richard Millichamp aus Devonshire in England und Mateo Mozaro von Ragusa, die schon viele Wal-stschfahrten in der Südsee mitgemacht, faßten um diese Zeit den Entschluß, dort eine Niederlassung zu gründen, und segelten am 2t. Mai Iftlll), mit zwei Amerikanern, einem Dänen und einer Anzahl Sandwich-Insulaner sfünf Männer, zehn Frauen), die sie für ihre Zwecke gewonnen hatten, von Honolulu nach den Vonin's Inseln. Die kleine Kolonie vermehrte sich bald durch drei Ausreißer, und erhielt im folgenden Jahre frischen Zuwachs durcb neun Matrosen, die einem englischen Walfänger entlaufen waren. Ein anderes cnglisches Schiff scheiterte unfern der Bonin-Inseln und 12 Mann retteten sich nach Port Lloyd, wovon vier zu bleiben sich entschlossen. Die rasch zunehmende Kolonie lief dennoch Gefahr, bc>ld in der Blüthe erstickt zu werden, als ein englischer Walfänger, trotz aller Widcrede, vierzehn meuterische Matrosen, wahre Galgenvogel, dort zurückließ, welche die Häuser in Brand steckten und allerlei Unfug trieben, bis endlich durch einen glücklichen Zufall die Hälfte der Bande umkam und die andere nach Botany-Bay, dem passendsten Aufenthalt für solches Gefindel, transporiirt wurde. 544 Als im August 1837 die englische Kricgsbrigg Raleigh in Port Lloyd anlegte, bestand die Kolonie aus 42 Personen, deren Anzahl der amerikanische Kommodore Perry im Jahr 1853 auf 31 vermindert fane, denn der Wandertrieb läßt solchen abenteuerlichen Naturen keine Ruhe. Sie bauten süße Kartoffeln, Mais, Kürbisse, Tarowurzeln, Bananen, Ananas u. s. w. so reichlich an, daß sie die ziemlich zahlreich dort eintreffenden Walfänger damit versehen, und nach Herzenslust Branntwein, leider ihren einzigen geistigen Genuß, dafür einlauschen tonnten. Ihr Tabak war von ausgezeichneter Güte und außerordentlich üppigem Wüchse, da er eine Höhe von l> Fuß erreichte. Die zahmen Schweine, mit Mais gefuttert, wurden je nach der Große mit 4 bis 9 Dollars bezahlt, rie zahlreichen Mltschweine mit Hunden aus den Sandwich-Inseln gejagt. Seit dem 28. August 185)3 besitzt die einstweilen fich selbst regierende Kolonie eine Konstitution, die nothwendig war, nm dem ans dem Mangel an Obrigkeit entspringenden beständigen Hader ein Ende zu machen. Der Regierungschef und zwei Rathsheneu werden auf zwei Jahre gewählt, die auferlegten Geldstrafen zum Besten rer Kolonie verwendet. Zwei ^ootsen sind ausschließlich damit beauftragt, die ankommenden Schisse in den Hasen zu führen. Alle neuen Anordnungen bedürfen der Zustimmung von Zwei-dritteln der Ansiedler. Für die Dampfboote, die ill nächster Zukunft zwischen China und Kalifornien fahren sollen, wird Port ^loyd eine der wichtigsten Kohlenstationen sein, da es fast in gerader Anie zwischen Schanghai uno den Sandwich-Inseln nngesähr ein Drittel des Weges von ersterem entfernt liegt. Eine der großen Hantelsstraßen der Welt wird diesen Punlt berühren, der seit Jahrtausenden nnbekannt und unbewohnt in der romantischen Abgeschiedenheit eines unbesuchten Oceanes verborgen lag, wird ihm Bevölkerung, Reichthum, Berühmt hcit schenken. Aber der poetische Zauber der einsiedlerischen Ruhe ist schon ieyt von ihm gewichen, und vergebens würde man sich nun in jener malerischen Bucht nach dem ungestörten Naturfrieden und der herzlichen Gastfreiheit eines deutschen Robinson's umsehen, welche vor dreißig Jahren die Weltumsegler dort so freundlich begrüßten! ÜUlUl^DSrtKW^ElIK OÜIW 111 SMS» tit] § 0 Wiesbaden. C.W lüMDEL'S VerUg. J Lehnhardt.Lirh. Von demselben AnsMr sind die folgenden Bücher in G. W. Kreidel's Verlast in Wiesbaden erschienen nnd durch alle Vuchhandlnngen zu beziehen: Der hohe Norden, im Natur und Menschenleben dargestellt. - Bon Oi-. G. Ciartwig. Mit einer karte. Preis Gchcftet Rchlr. 2. 12 Ngr. — In elegantem Leinwmidbünd Nthlr. ?. 24 Ng,>. Dcr hohe Norden in seinen allgemeinen großen Zügen; der Einfluß drs polari-schcn Climas cnif Pflanze, Thier und Mensch; der Kampf dcs Letzteren gegen cine furchtbare Natur, sei es als Bewohner der eisigen Einöde, sei es als Forscher, nm vercn Geheimnisse zu ergründen — dies sind die Hauptgegenstände, welche der Verfasser in lebendiger nnd wahrer Schilderung giebt. T'as Inhaltsvcrzeichnih wird am Pestrn ric reiche Fülle der interessantesten Einzelheiten nachweisen. Inlialtverzeichniß iibcr die 33 Kapitel. I) Di« Polarlander im Allgemeinen. Die Tundra oder die daumlccre Wusle. Ihre Grcnzcn. )hr (ihar.Mt'!, Tlüerlede» >iuf oer Tundra in, Sommer. Schützende Schneedecke, Tuulnivcget,U>on. Ucberg^nig der Tundr,, in den Wald, D>eW,Udregion. ?hr allgemeiner «h.n.ilter. Die hauptsächlichsten Vaumarien re« ychen Nordens. Die nördlichen Grenzen des Gctrcide- u»d G.nttnbaus. D>>» Ncm, ihier. Dac« Elcl', Dcv Pis.imsticr. D^'s wilde Lcl,„f. Icr >n,ici'ifiinisä'c Stcinbvck, Die Wui^clmaul«, Dic ^cmniiiig?. Slicifzügc tc<> bcli^illiscl'en Ti^clö »ach siciren. Dcr Tllnnpelcrsä'w.ni. Oansc u»v !i,uc,>, 3ä!i!<,'o>,!,l)ncs. Der Bisl'n in lc» Piaiiicu dce S>ii!ta!chcr>i», D,w 'Lcinnnc.in. 2> Das Nord-Posainirer. Dn<< dc,n >,'ffc,^'n Ucc,, (iiöfclrc,, ^i^-s,^. ^hrc Naclulicil^ unh Borthcilc si',,' re» Schiffer. Dcr l>!inf, Ncbcl. K.me'ö Ulbciwlntnun»! i»> Pillt'lil'c ^^md, Ee!ts,nm' Hmisctl.mfhcil, WiescrN'hr rc> «^luie, Dc> Sc^ldut. Dic T,iuschl!»gc» der,N!„u»>l»>,. D^s stl'iritchs. >'>l'cn i»> 4!^l,nnnc!>', Die Vaiifiscke, D>" W.'llr^,!. Die ülobben. T«v^,e!. E«,p'wächs». 3) Spitzbergen. Värenlnsel. Jan Manen. Romantische Küste, Oiül! gcf.ihr>,'>,'IIc Nn^bcNcigu,!^ 3c>,'!^>l'i''ö, ^!0i!'Nii,,lö P,!!N' r,i>»^. ^l'stb^ircr. Fund emes tollen Waüfijchce. Die Nl>igda!c,. Ihierlel'cü, Svi^i,'erg!sä,c Osc!säc>, ^in'rmc Ciostürzo, Entdeckung ^',l Tpchdcrgcn. Krohc E>/'>!)-ücl'Mi »>ttcr dcii sruhcleu W^!Ifijc!'i>i,ier>i, Dic erste Ueberivinteiling .n>f Bl'iijbcs^en, Die lusm'liien W>>!lco,!schl>'!>cr, Sch,n>,'s!i,i. Norwe,,,,c!'e. und t,nnsä'o i!n'nen nach Svitzbcigcn, Mi»cr,i>isckcr !»cicht>,!,,». SU.UIrl'hj^ocn ,n,f 'vä^n^iland, M.umitr'ö Bcsuck. )>in M^«cn, 4) Nowaja Temlja. D,is lyrische Mcer. Klimalischei,' Unlcrscln^d zwischen ocr vst° u»d Westfuste Aow^j^ Sc,n>ia'«. P.,chtt>ssl'N''«! Ehrten längs rer Osttüste, Verhilngcrtc S^un'jedcn, l'^'n B^'cr s n'ijscnich^stlichl' !'!>ise nach Nowaia Bcmlj^. Pr.ichti^c Nivvcnqli.iüen im frischen M«r, ?U'ente>,e>- in 2)l,u^tschin 3ch>n, TN,r,» in Kofim Tchar. Tect'^d uno »Ul'livtvcuz, Glückliche Nückfc!>,, Botamschcs, Uin'.'i.ttlirgarien ,iuf Non'^j.i Ecnilja, ^hrc Ocsühlc dcr Eins.nittcit. ^.uitlose Stille. Ävgcld.isar. Russen v«- V.ncnli ^uf Nl,'w^i>> Sn»li,i, Zhre i^l'ilichcn <5^veti!i>,'ncn dorthin. G0»seia>>dcn ^uf K>,'lgujen'. 5) Die Lappen. D,i? Trr>»Zi',n, ütine :1!cnnthic>1)ccldo mit ihvcm lappländischen ,M)>er^a>ir. ^,,wlandischcZ L^nmell^ei'. (iine H^icge, Zwcigccnglc». Nenn,l,ie>mt!fcn, Die Oamnn'. («ertn^e'.'!nz,ihl sci v.n'rc», ,^,ln ,Ulmäli»,ecl '.>l»^ster>,"'!i. Ihre Geschichte und BclVhinn^, tt»tl,'ehrun,ien der Mclstlichcn in ^^n'rland. ^!t'erss>>,ubische «Kcl'räuche der ^>iv;'e„, Gel'irg»-, Wald- unl,' zischerk,v>,",'n. Winlerreisen ^us Schneeschuhen »nd i>n Echütten, Bärenia,,d. ^el'cn!jwci>e des Fischeilappcn >in, !fn>n^i-See, ste «tudicn. Reise n>,ch V>n'pl.ind I^!!^. Gll',!,nti,,e R„>Ul ^m ^w^I.,j>,'ti Der ^.n,i>a°Tee, >fin Spazier. a>in>1 dnrch lic Sumpfe. ^'i,',f>>b,! o^'N !i!l'w,i»ie,>li naäi Kemi. Zwciie Reise 1^4l, ^ine lapl'lä»b,sche «chiittenfiihrt. Dil' tcmischcn R,isfolnifcn, Elunn uno veilcn >n,s dein 'Weilini Mec>'. Berlinische Zischcr, Pluluo lächelt. Die mesensche Tundra. «Ü^'meine Tronfenhei! in Sl>msa, Winterf.ilnl n,,ch Pustl,'scr«f, Ein samojedischcr Sprachlehrer. Iu!id>.ist!,,m. >>lileln und r'crl,,ssen. Pustoser^f, Veifl'l-^nngen in Us!jl,l,ni>k und 7,l>hemsl, (jinc vl^^enreiche vültc. Der ssü»^ deO Ur^l> Qddorsf. ^wc!,e sit'i-rische Reise 1»;7> 18,8, Dcr 0l,'i. Tinuchmisk. .^,ihrl zu Th.ile ^uf dem Icmssei. Slutlenzimmer in Plachiini. Äm> Dudinf.1 n.ich Tolstoi Ncs,, Verfrorene Füsze. Rückkehr nach de„i Süden, Festgefahren >iuf dem 7'cnissei. Wunderh.n'« Rettun,,, D,ii< sajanische Gebirge, Die S^ioien. ,«',>,»,issin>>en, Niöhne < Udinst, Kr>i»fhett, Bei den Buriälcn, Weisheit der ^>im^»<, Niend^f i'.in^l'lon', Berichl, vorgelnigen in der »I'ttersl'urger A^dcmie, Professor in «xlsingfo«, Tod. 7j Di« Samojeden, B,nl',nei der ^^»loieren. üch>nnanentl,um, Haul'erornat nnd ^niberlrvminel, Götze,! der S.nxoieden, ^dole >n,f der W,u,,at^ 7msel. Die Tadebt„os oder Geister. Eine Oeisterdeschn'örung. Der Tch>nn,me >1»> Kr.infen-dcltc. Wie ,n>in ^um Tch>im,inen wird ? feierlich« «tdc>'leistunz!, Ocst,Nl und lUi.n^kter dt« D^mojedcn. .'Ueidun,,, «ine ,,'moiedische Hochzeit, Nmstere ^'ebens.nischauüni, der S.nin'jcden. Ihre Zahl, 8) Die Dstjaken, Ä>aü >st der Qdi? Fi,ch,eicht>,nm, Ucberschwemmunnen, «Ane ost^fischc Gommeriuite, 'iir> mutt) der osti^lischcn ssischer, Russischco <>relitsysssm. Die Wintci i.u,!e. Mißtraun! und Haünäckigsei! der Ostiaten, (fine ^Malische ssurstenfamile, Pfeiisäneiien, Riedere Sleüung de» Wett'e.v Pbnsiognl'mie und li,l,arakte> der O,tiake,r, Unreinlichkeit. <7bdorsl. Zahl der Ostjaken. 0) Di« Groberuna Ti° blritNs durch hie Nüssen, Entdeckungsreisen, Iwan der 0,rausa,ne, ;yermat der iNauber, Sen, Zu,! nach Sibirien. Schlacht von Tobolsk, (lrl'beviUlg Kibi,''v. ^erniak's Tod, Forischriüe der Nutten l,'i« zum ochotzkischrn Meere, <5xpedi>ion des Semen Dehsncw/ Zustand der (Zingeborncn Sivi-rien s unter der russischen Herrschaft. Pi^ntschischtschew. Eine aretische Seefal'reriü. Die (Gebrüder!i!av tew. Schalaurow. Entdeckungen im Behring'o Meer und Stillem Ocean, Die ^.'ächmvV Inseln, Bil!,ng'i,, Hel«c Quellen im Tschxltschen ^ande. Hedenftrö,n's Reise naä' 3leu«Sibi,ien, Die hölzernen Berge. Ein Nlicl auf die Vergangenheit. 1«> Gibiiien, Das g'oiNe Va,id der Erl>e, l^eriugc Bevölkerung «ein Mangel Vl'n Produkten. Die Verl'anmeii MeiUjclulof,, Dolgor^nti. Munich, Die Verbrecher, Der freie sibirische Bauer. Sibirische Kalte. Wie ertrag' ,ic re> Mensch> Dc,^>n^,i,,^v N) Der sibirisch« Pelzhandel, Dc> ^odel, Dao Hc,„'^un Das ,ä>niscl'e Wicscl. Dcr Scertt^i. Dc> lchw,i,ze Fucho Der ('l,cho, D.is (,fic!'!n'!Nä'c,!, Das <«>»,!r.,^>n>l,ich>'n Der H,i,'e. D^>> Zics.',. WiaUjglei! ve? Pe,z, yanrcii, flu oic i^iolicheltü wegendcn, Dic M! seines Bctticl,?ö. Pc!zl)>,„ec! mil >, De> ^.Unnnnft zu Ki'ä,!.,, 12) Das TaMurland Middenborss, Wcßb.N!, reis'ce Mü'l'endl'iff »,1^ e.,n T>iim>,>> lande? Ta'wievigkciic» uno Hi,tternisse. Das (kismler wiro cil^äu. Stlu„i a>,f re,n T>ii»nn-Tee Das B^cl verloren. Mirdeneoisf l'^iassen und alll'in miter 7'> <«>ad 3l, V. üicilun,, i'lilcl' ?anfl'ai>' S^»n'icde,i, Neise »ach v>.-,n ^'chokliiä'cn M^cie uns >ä»a.5 dcr chinesischen «renz^ zurücl. Klima m>o Vegei.ui^!! res HaimuNansce, 13) Die Jakuten ^>'> zä>'^'!atil'na!iläl, Al'sta,„,»u!,g. H^m,ne>- l,nd Wlni^wohnun^en. Das jakittische Pferd. Un,,laui>llch>' ','ibl'ärlung der .^afulen, Ihre sierttafeit i» H.,ndardt!!cn. Dl'Iä'e i ^?er i Tcvl'iche. ^alulijchc lv,;fi>nstiei. Adcralaübigc «urchi v« de„i Beraqciftc. El,« iafittische Standn'sc. D^> Uf^iakul. 14) Wränget. (!r,,cl,>ni,se seiner leisen, Vl'n Pettrsduig nach V^kutsk. Schönheiten der Lena, ssahrt durch die ssüchs^'nellün. Uw,»a>iac^ (5ch>,', Iafuzf Ertrc,,,^ der Kalt« und Hitze, «ll'üarüge ^»werdölciien de> ^aluirer jtausseuto. Da^ »i^irischc Krälnriittel.' Die Vavarany, Nishne jl>'!li,!,i!f, Schilderung des einstachen KlimaVx M^nsä'cn uno Hmive. Hungers, in'th, Nenilthiern!>,dcn der ^»fahuen. ?!nn'r am fl»renen M«re (l^Hl), Tchrecken^volie ^a^', Maüuichlin'ü Vrv^üil'n nach dein ^i? !nccr(ls<2H). Letztes >l^e,tteue> auf ve,n P^'Ia!,»^^ i,><23», NücflVhl' nach Petel^liür^, 15) Die osssibiri» schen und uralische» Goldwiische», NMme TagUsk. Die Taiga, Die erslen cik'lsfindtt, Kl'üc!l und Beschwerden d« G^lriilchene, Betiiedott'stcn euier Goldwäsche, Schöne Noldernte,! cunger ^,',,. ladl'lc, Die i!1l> Pud d« !1iikita llilaconüow, wcsa,n,!Ue>>>a,, dcr sidinschen «^olliraschc», U!>ü»!!!,,e> ^Ulue de> reiche» Goldwäscher, Ihre Älülielie si,, b!,amo,'aner, i5>ste iintdechuna. dei» Ooldcs i„> Ural. Ian'wlew uud Demidow, Nishne Tagil>,t. 1N)Dic Tungusen. Zlne Verwaxdlsä'af! mit den ÜXandfchl!. Ntn»Uhie>', Huude», Vieh., Pferde-, Wald- und U Tungusen. «in tunesischer iijliickl'jager, Nl>ma° den init >!eil,' und See!,', (vhavaclei der T»n,,uscn. Kleidung, Sch,recschul,e. Wl'I>ni!N^. Sreise, Hchamaneuthuin, Bcalälinißfeier. Strafe einer Verirrten, !5m Tunalise,Nal,er, Gewanotl^-it in torvev-lichen Uebungen, Schauspiel. Och^'tzt. 1?i Georg Wilhelm Tteuer, Keine Geour» und Jugend. Trin als ?lrzi in russische Dienst«. Wijs^isch,,^^^,^. ^>,,>> ,l,,ch Ka,,Nsch ,ra. Begleitet Vehrina auf seiner zweiiei, Entdeckun^öfal'rt. Seiue beiden auf der Reise, ^a,>r>i>,< a>,f der '^>,c! ilaiaf. Wa? er dl'ri sindet > Oranasaie der Heimfahrt. llel,'erwinl«rung auf oer wüste,, ^ehrina ^ 7'»sel, Blhriog's Tl'l>, Oefaln-v«,'!!e Ucderfaftrt nach Kamtschala. Verlorene« Vermb»,e„, >.>lus der Neisc nach Nuhland zur zweimaliaen Uinleh,' gezwungen. Slirvt dei Tjuuen. 18' Kamtschatka, M» ^escgneteo ^,'aud. Pi'äcwizler Wicien-n'uch^, Uebl'rflus! an ,>isch?n !^eu»^e Bevölkerung. 2.^ Vuilaue. Neiä'ilmm an Quellen, Herrliche Hase», PeM'l'awlowöt. Die Kaintschasalen. Wie ihnen eic Fischkos! zusagt? <>'i^enthü,nliche ve^eiäl'ilische Nahrunasmittcl, Kiepiei. Vilieuk,lallen. Der ssliegenschwainm ein Ver,N!schun,ie,uil!cl. ««eiich! au? See-ian^, «i^enlhüinlicl'er Wallsischfan^. Die Baren in Kamtschatka. Originelle, ^ischfan,,. Der lamls ch.u-fische vund, Seinc unschätzbaren Dienste, («eistl^e Beschaffenheit der Ka,n"schadalen, IN) Die Tsckuk-tscht», !>harak!er de? Tschuttschen ^a»dci>. Die Tschuktscher, da»> einzige freie sil'iriscl^e Url'^lk. 3l!ali,,cr Handel>a,elst, Del )ahr»>artl zu OstrowNl'je. besuch in eine,» Tschnklschcnzeli^. wladame V<'>ut >,ud Fll. Tochter. Oule Bewinhun.». Ein Wettrenne», Tschuktischc Bajaderen. Die Tenn»! oder Nenn-thiertichuktscheu. Die Onliwn l'der ansässige Tschuktichen, ^lue >.'ei'en^weise. 7'!ne Anzai'l. 2V> Das Nelirina s Meer Die russlsch-amecitanische «pelzcompagnie Die Aleuten, Naturchaiaktcr deo Beln ing l> Äicervv Äev^lcichun,; der Älöutcn mit den Farmern, Ilnal ischka, ')Ujvn'!nie der «ettiml>o. 5l're i>t,< lur. ztlcieung. Wunderbare Vishutten, i'lne !^i!fi»!^!l'l'dnun>, am Kvvcbne Sund. Der Karak ^'der oie Vasadare, Der Omiak oder das Frauenl'^,'!,'!. Waffen und «Yeräthschaftcu, Ha« der rothe,! Indianer gegen die l^ki,»l's Vebenskreis ter (iein>ale<» in PruVlu'e ^and. Bärenjagd. 22) Der Pelzvandel und «pelzthiere in den Hubson«>Vay »»ändern, Waidläiiserlcl'e». Dao birken' rindencanoe. Der V«,ageur. Der canadische Peljl»anpel i>n v^r>,,e,i Iay,ln,nlert. B!ut,ge ssel'de der Nordwestc^'mvastnie und der Hudsonö' Bav> («esell,chaft. ^!evsch,»elzun,, z»r liegenn'artigen Oellschafi. Geschäfts betrieb derselben. Trübe Auösichien. Character der Hudsons^al'.^ander. Der schwarze Bar, Der Nacol'N, Der Edelmarder, Das canadische Stinkihier. Fuchse, Der amerikanische Biber. Die Visamratte, De, Wa;'i!i. 28» Die ^oucheuxIndlaner, Ihr Wohnsitz, Kleidung. Vorliebe für Ma?' rerltn. Der Zovs. .'lnch a,n Waclensie sind seine lagc gezählt. Unsinnige« (finwickeln der Füfte bei den Kindern. Bchwahhafiigkeit. Merkwürdiger Kamvs zwischen Esiinn's und Kulchins. 24) Die Tinn«, Die verschiedenen zu, Tinne Hamilie geborigen Völker, Die Hundliiwindianer. Unsauberkeil, Elender Zustand 0e> Weiber, Kleidung und Verzierung, Tanz, Socialismus, ssaulheii, Mcistersä'af! >,n ^ü,,en. Oeisterfurcht, Vorstellungen vom künftigen 5!ebcn, fforlschritt. i!cich!s,nn. 25) Die Erect! ober Kni-stinaui-Inbianer, Hchicksalswechsel der Crees, Die Legende des Wolverine. Jammer der Indianer, kriege. Das Tätinre», Vrlksrecht.» Schlechte Behandlung der grauen. Spiele. Hüttenbau. Der ma-licidse Oeisl Kl'^uä'ile,,. Sage von der Lündfluth und Bildung einer neuen Erde, Ewssum und Tariarus. 2s) Die nordwestliche Durchfahrt /vrovisher. Daois. Geine drei Neisen, Hudson. Baffin, John Roh. Erste verfehlte Reise. Edward Parn» cnldeckie Melville Insel», Seine großen Eigenschaften als Befehlshaber, Uct'erwinterung. Parry al>! Thcalerdichter, ssrauklin's erste ^andreise. Parry's zweit' Neise (l«2l), Igl^lik ^l8H4), Parru's dritte Neise. ssianklin's zweite ^andreise nach dem Eismeer, Beecheu. Parip's vierte Meise. John Roh' zwciie Reise. Äiermaliges Ueveiwintern. Ba,t'? Reise nacl' dem grauen Fychflusse. Seine Seereise mü tem Terror, Dasc's und Sumpson's l.>andreise nach dem Po° larmeer. Gimvson'» Ermordung. Sir I^hn Franklin's letzte Reise Richardson's Vandreise zu seine, Aufsuchung, S,r 3ame>> Roh. ?!ustin. Pern>. De Haven. Franklin's erstes Winterlager von v>n-maneu entdeck». Kenned« und Balloi. Iaglefield. Bir Edward Belche,, Kelle! M, Llaoe s Entdeckung d« n^!lw>-si!,c^,i Durä'favvt, (>>,>Utt>!^!i i^ Meise, Bellol's 3rd. D'Iill« finde! Vpuicn v^'ii ssranflm. Kane. 27) Grönland, Grönländische Natliscl. Erich NauVa. Die alten ssiVmIandischcn llulrnie,!. (^nfubruug dco lassunsse», Lvlunli^ungeis nach il're», Llvicks,U. H!a«^ue Hcins^n, !>!indn>,'w, Han? (Z^cde. Ncinc Vvüsungen, wrdt!,,>av ,eil>nng eines 7"U,rc? in Di^ccdnchi, 28) Island, Inland i,n Winlcl' und >,» Hoinmerflcide. Gletscher und Levastrl>!ne, Arniut!» an nuhbavcn Mineralien, Die Tch,vcf?Idna,c >)ci Kvusan'ick. Dc> ,nos!c Ocus^r, Dc^ Vtrnttcv, Flüsse »nd ^anvsccn, Linfln»! dl'r V!ecrc^st!o,!NlNssc,! auf dao (llima, !lin Sturm auf Island, «havallti dcr Veaclali^,,, RuvDan' pflanzen. Vil'bznchl, !vinl'ci,»ii^t Saugcthieic, VM'äl'cnl'csull'. Die Ü^'gcln'sü. Fischrciä'ihnni, 29) Weschlchte Islands, (fnlr^ckun^n de> ^nsel dxich Naooud im Iah« «ul. «N.n'da,. Flrti und sc,„c drci N>N'?n, ^»^olf i!>it> ^cis. Il'lant'üä'e Uvvei'fass»»»,, Einsüdiung des Christe!,tlium«, Thv^n'alV d?» Ncijenoc, !a,i,,d>and, ^'itcrarischl' l^lanzpl'riodc, Sn>,'rri, Stuvvloi^ü. Bcrlxs! do Uüal'I,a„^iglc>!. ssüi'cwdav?! >.>N,l»c!' d» Sta^i^v '^>tui im ?>i!n 1783. VcivcN'Ii^fe HanVclsmr'N'rol, gy) Die Isländer, Ekalb^tt, ?I,in,n'>UIc Neitiavit, Dil jctziqe bauvtltadt. IslanViscl'c^ FischcNebcu. Dor ^icisi^^ifci ^alninaik! Henüiaä'en, ?5!>nidis Diä'tci ^l'hn Tl'l'Uaticn, ^^lanoischor m^ttc^dil'nst, v.nisüä^ Erzichling dcr Islander, ^lne Viebe zur Literatur, Dic ieüäüdische Spracln'. z7cfscn!Iiän' Bil'li^'thct in Neikiavik, ssl'arakM' del ^<Üä,^>'>. Dcl 'Aussatz, Nelscstclc>,cnliciten nacl> belaud. I1> Die Westmann's>Fnse>n, U»zu,,an,,lickfcit rcr rl>manusä'en Inseln, Wi? famcn sie zu Bewohnern? Hc>,nan>, Gef>Uu>u1'n Tccv^lfa»,,. U»gc>)c!,,!t Sterdlichtt'il untcr rcn Kindern. (sn,i!iscl'e und al^ierisän' Sccranl'ss. A2) Flirötr, Phi'si^n^'nie der Farmer TIn>>»hawn. (tine saii,'^ sä>e Hntle, Viel>,,,cht. «l'crglanl'rn, Dao ,'>n>^ef^It. Die ^ita>, Etürmiscl'eo Meer, «lima. Traungc ^olqen le? Ha,ieeli,>Nl'p>,'Ii!. 33) Von Dionthelm nach dem Vlordcap, Mildew !»>i>na der Nl'idwessUc!,en Küste Scandinamen». ^inftl!,; see <«ol< Noiwc^crs, Vandee^ veriassung, Vl'lföunterriä't, Nomainischc Seefahrt, Drontlieini, ^«^«-vili^ ,,'der Eierinfeln, Der Vec-adler, Haringefan,, l'ei Allsten, Die 7 ^'weilern. Die S^'nne um Mitternacht, Die nördlichsten Auster», ssischf.ma l,>ei den Voffl'de,l. Vaage-Oarnsischcre!. Trmnsöe, Alienssi^rd, Kilpfermincn, Ha,n» »lerfess, Dae NlNtc.N', Die Tropenwelt im Thier- und Manmilebm Dr. Georft Hartwig. Mit srchs ?ll>bil0unncu in ^liM'uck. Calt. Weis Rtl'lr. 3. — In elegantem LnlNvaiiddand Rthlr. 3. Ü2 Ngr. W»hl schmücken sich auch dei uns m dl>r schonen Iahrcszeit Wald und Flur mit mannigfaltigem Laubc lino h^rrlichm Blüthen', wohl grnicßen auch auf unseren Tristcn nnd Feldern zahlreiche Thiere und Vögel ein erfreuliches Dasein; aber ungleich reicher, ungleich mannigfaltiger, seltsamer und schöner ist das Leben, welches die kräftigere Sonne im heißen Erdgürtel erweckt. Dort erst entwickelt sich die Thierwelt zu ihren riesigsten Gestalten, zu dem auf mächtigen Säulen cinherschreitenden Elephanten, zum unförmlichen R h inoc e r o s, zum colossalen Nilpferd; dort erst erreicht das Ncchen-geschlecht den gewaltigen Gliederbau des Löwen und Tigers, des Puma und des Jaguars; dort schwillt die Fledermaus zur menschrngefährlichen Form des Vampyrs an; und so wie in unseren Forsten das muntere Eichhörnchen von einem Ast zum andern springt, führen dort zahllose A ffenarte n ein lustiges Zweigleben unter den hohen Kuppeln der Waldriesen. Wo wären unsere heimathlichen Vögel, die sich an Größe und Macht mit dem langhalsigen Strauß, dem hochflicgmden Condor oder dem Flamingo messen könnten? Welcher käme an Seltsamkeit der Form dem Toucan oder dem Calao, an Pracht des Gesieders dem schillernden Colibri, dem brasilianischen Cotinga, dem malaiischen Leiervogel oder dem Paradisier von Reu-Guinea gleich? Und so wie unseren Wäldern das possierliche Affengeschlecht ewig fremd bleibt, so fehlt ihnen auch das bunte Papageienheer, welches in den tropischen Forsten mit lärmender Zunge die Morgendämmerung begrüßt. Auf minder erfreuliche Weise hat sich in der heißen Zone anch das scheußlichste Geschlecht der Reptilien zn einer furchtbaren Große entwickelt. Dort wuchern in der dumpfen feuchtwarmen Atmosphäre der Urwälder die giftigsten und riesigsten Schlangen— dcr Busch in ei st er und die Cobra, der Python und die Boa, dort wimmeln Flüsse und Seen von scheußlichen Caimanen und Crocodile,,. Mit Recht zählen auch wir die Insecten zu den Plagen unseres Daseins, doch wie unschuldig erscheinen unsere sechsbeinigrn Ruhestörer gegen die zahllosen Legionen von Ameisen und Termiten, Stechfliegen und Mosquitos, Schaben und Heuschrecken, welche in der Tro-pcnzone das Leben des Menschen verbittern, und sein Eigenthum räuberisch angreifen und vernichten. Wenn in den Äquatorialgegenden der Erde das Thierreich in allen seinen Formen die höchste Entwicklung erreicht, so sehen wir auch dort die Vegetation zur riesigsten Größe sich entfalten, mit der üppigsten Vlüthenfülle prangen. „Am glühenden Sonnenstrahl des tropischen Himmels", sagt H u m boldt, gedeihen die herrlichsten Gestalten der Pflanzen. Wie im talten Norden die Baumrinde mit dürren Flechten und Laubmoosen bedeckt ist, so beleben dort (Iymbidium und duftende Vanille den Stamm der Anacardien und der rirsen-mäßigen Feigenbäume. — Gesellschaftlich lebende Pflanzen, welche die europäische Vegetation so einförmig machen, fehlen am Aeqnator beinahe gänzlich. Baume fast zweimal so hoch als unsere Eichen, prangen dort mit Blüthen, welche groß und prachtvoll wie unsere Lilien sind." Der Verfasser hat in feinen Thicrschildrrungen den Affen und Katzen der alten und neuen Welt, den Dickhäutern, dem Dromedar, der Giraffe, den Fledert Hieren, dem Ameisenbären und dem Faulthier; den Schlangen, Crocodilerr u^d Schildkröten; dem Condor und dem Strauß, den Papageien und demColibri, den Ameisen und Termiten :e. den Ehrenplatz eingeräumt; und znm Pflanzenreich übergehend, dem Kaffe und dem Zucker; der Coca und rein Cacao; der Baumwolle und dem Kautschuck; den Gewü rzb äum e n und dem Indigo; und außer der himmelanstrebenden Familie der Palmen und den häupsächlichsten Nahrungspflanzen -- den Bananen, dem Neis, dem Mais u. s. w. ^ auch noch den charakteristischsten Formen der tropischen Vegetation oom Baobab zum Cactus und vom Drachenbaum zur Mimose eine ausführlichere Besprechung gewidmet. Zur Vollständigkeit seines Planes schien es ihm außerdem durchaus erforderlich, nicht nur die einzelnen Formen des eigenthümlichen Tropenlebens dem Leser vorzuführen, sondern auch die verschiedenen Nalureindrücke des heißen Erdgürtels — im s u mpfige n M angrove - U f e r; im U rwalde; in der a frikanische n W ü st e; an der sandigen, regenlosen perua-nischen Küste; in den Llanos oder grasigen Steppen; im Hochlande der Anden, wo der eisige Norden bis unter den Aequator vorrückt, und endlich im Riesenfluffe der Tropenzone - dem mächtigen Amazonenstrom zn schildern. Die Ausführung dieses WerkcS, in welchem der Verfasser das Belehrende mit dem Unterhaltenden zu verflechten sich bemüht, wird anch dießmal dem Leser gefallen, der ihm vielleicht schon früher nicht ohne Befriedigung in die gestallcnrriche Welt des Oceans, oder in die großartigen Ginöden der Polarländer gefolgt war. iu Vmuoind!,