©Slovenian Entomological Society, download unter www.biologiezentrum.at LJUBLJANA, JUNE 2004 Vol. 12, No. 1: 73-78 XVII. sieec, Radenci, 2001 DIE ZIKADENFAUNA (AUCHENORRHYNCHA) STÄDTISCHER HAB IT ATE VON BASEL Roland MÜHLETHALER, Peter NAGEL Institut NLU, Biogeographie, St. Johanns-Vorstadt 10, CH-4056 Basel Abstract - AUCHENORRHYCHA OF URBAN HABITATS IN BASEL For the first time, the leafhopper fauna of the Kanton Basel-Stadt was systematically investigated. For this purpose, samples were collected in all types of habitats which occur in Basel. Studies were conducted from April to October 2000 in 43 places. The specimens were sampled with sweep-nets or aspirators. In total, 3281 specimens were determined, belonging to 144 species in 7 families. 12 species are new to Switzerland, one is new to Germany. Key words: Auchenorrhyncha, fauna, urban habitats Izvleček - ŠKRŽATKI (AUCHENORRHYNCHA) MESTNIH ŽIVLJENJSKIH PROSTOROV V BASLU Prvič je bila sistematično raziskana favna škržatkov kantona Basel-mesto. V ta namen smo vzorčevali v vseh vrstah življenjskih prostorov, ki jih najdemo v Baslu. Raziskave so potekale od aprila do oktobra 2000 na 43 mestih. Primerke smo zbirali z mrežo ali sesalcem. Skupno smo določili 3281 primerkov, pripadajočih 144 vrstam 7 družin. 12 vrst je novih za Švico, ena je nova za Nemčijo. Ključne besede: Auchenorrhyncha, favna, mestni habitati Einleitung Im Rahmen von stadtfaunistischen Untersuchungen am Institut für Natur-, Landschafts- und Umweltschutz der Universität Basel wurde zum ersten Mal die Zikadenfauna des Kantons Basel-Stadt (Schweiz) systematisch untersucht. Städtische Gebiete beherbergen trotz, oder gerade wegen der intensiven men- 73 ©Slovenian Entomological Society, download unter www.biologieiAStaifrtlflpniologica slovenica, 12 (1), 2004 schlichen Tätigkeit eine bemerkenswerte Vielfalt an Organismen. Leider liegen für die Mehrheit dieser Lebewesen keine umfassenden Untersuchungen vor. Dies trifft in besonderem Masse auch für die Arthropodenfauna zu. Erst in den letzten Jahrzehnten wurde im Umfeld von stadtökologischen Untersuchungen diese Fauna näher betrachtet (Klausnitzer 1993). Diese Diplomarbeit sollte somit ein weiterer Schritt sein, die immer noch großen Wissenslücken um die Fauna der Stadt Basel und ihrer angrenzenden Landgemeinden Riehen und Bettingen ein wenig zu schließen. Material und Methoden Der Kanton Basel-Stadt liegt im Nordwesten der Schweiz an der Grenze zu Frankreich und Deutschland. Die Stadt wird durch den Rhein geteilt in ein südwestliches und nordöstliches Gebiet. Als kleinster Schweizer Kanton beträgt seine Fläche mit den angrenzenden Landgemeinden Riehen und Bettingen 36.95 km2, etwa die Hälfte der Fläche wird von städtischen Habitaten der Stadt Basel eingenommen. Geologisch gesehen befindet sich das Untersuchungsgebiet am Südende des Oberrheingrabens. Klimatisch gehört die Region Basel zusammen mit dem Schaffhauser Becken zu den trockensten Gegenden auf der Alpen-Nordseite. Da für den Kanton Basel-Stadt bereits definierte Lebensraumtypen (LRT) ausgeschieden sind (Zemp et al. 1996), bot es sich an die SammelStandorte auf diese Biotoptypen zu verteilen. Um einen möglichst vielfältigen Eindruck über die in Basel vorkommende Zikadenfauna zu erhalten, wurde das Ziel angestrebt alle Lebensraumtypen des Naturschutzkonzeptes Basel-Stadt (Zemp et al. 1996) zu berücksichtigen. Insgesamt wurden 43 Standorte bestimmt, lediglich zwei Lebensraumtypen (LRT D und LRT K) konnten nicht berücksichtig werden. Zusätzlich wurde für Pro Natura Basel eine Studie zur Zikadenfauna der Kiesgrube "Käppelin" und des neuangelegten Kiesreservates "In den Weilmatten" durchgeführt (Mühlethaler 2001). Einen Überblick der Lebensraumtypen des Kantons Basel-Stadt gibt die Tabelle 1 wieder. In dieser Arbeit wurden die gleichen Abkürzungen für die Lebensraumtypen verwendet wie im Naturschutzkonzept von Basel-Stadt (Zemp et al. 1996). Die Standorte wurden an jeweils drei verschieden Terminen besammelt, um einen Frühjahrs-, Sommer- und Herbstaspekt der Zikadenfauna zu erhalten. Begonnen wurde die Feldarbeit Anfangs April 2000, die letzten Sammlungen wurden im Herbst Anfangs Oktober 2000 vorgenommen. Gesammelt wurde mit einem Kescher. Einzelne Tiere wurden auch direkt mit dem Exhaustor von Pflanzen gesammelt. Zur Bestimmung wurde folgende Literatur verwendet: Dlabola (1954), Giustina (1989), Haupt (1958), Le quesne (1960,1965, 1969 und 1981), Melichar (1896), Ossiannilsson (1978, 1981 und 1983), Ribaut (1936 und 1952). Überprüft wurden die determinierten Tiere von Dr. P. Lauterer (Brno). Ausserdem war er mir behilflich beim Bestimmen unsicherer Arten. 74 R. Mühlethaler, P. Nagel: Die Zikadenfauna (Auchenorrhyncha) städtischer Habitate von Basel Lebensraumtypenkomplex der Siedlungen A Historische Altstadt-Quartiere, Dorfkerne und Gebäudegruppen B "City-Typ" C Gründerzeitliche Quartiere mit Blockrandbebauungen D Neuere Wohn- und Geschäftsquartiere E Ein- und Zweifamilienhausquartiere F Blockbebauungen, Reihenhäuser G Gewerbe- und Industriequartiere, Werkhöfe H Bahnareale I Urbane Grünflächen, städtische Parks und Anlagen, Friedhöfe, Zoologischer Garten, bedingt auch Schulareale, Baumreihen und Alleen K Sportplätze, Rasenfelder Lebensraumtypen mehrheitlich außerhalb der Siedlungen L Gartenland, Familiengartenareale und Rebberge M Ackerland, Fruchtfolgeflächen N Wiesen und Weiden 0 Streuobstbestände P Wälder in Siedlungsnähe Q Wälder R Gewässer (Quellen, fließende und stehende Gewässer mit ihren Sohlen und Ufern) Tab. 1: Die Lebensraumtypen des Kantons Basel-Stadt nach Zemp et al. (1996) Resultate Faunistische Resultate In der vorliegenden Studie wurden 3281 adulte Tiere determiniert und es konnten insgesamt 144 Arten aus 7 Familien nachgewiesen werden. 12 Arten konnten neu für die Schweiz (nach Nast 1972, 1987. Günthart 1971, 1974, 1987, 2000), eine Art neu für Deutschland (nach Nast 1972, 1987) gemeldet werden. Es handelt sich um folgende Arten: Schweiz: Agallia consobrina Curtis, Asymmetrasca decedens Paoli, Arthaldeus striifrons (Kirschbaum), Circulifer haematoceps (Mulsant & Rey), Edwardsiana smreczynskii Dworakowska, Euscelidius variegatus (Kirschbaum), Japananus hyalinus (Osborn), Kybos lindbergi (Linnavuori), Psammotettix striatus (Linnaeus), Stictocoris picturatus (C. Sahlberg), Synophropsis lauri (Horvath), Zygina lunaris (Mulsant & Rey), Deutschland: Kybos digitata Ribaut. Viele der gefundenen xerothermen Arten waren bislang nur aus der Südschweiz 75 ©Slovenian Entomological Society, download unter www.biologieiAStaifrtlflpniologica slovenica, 12 (1), 2004 (Wallis und Tessin) bekannt. Besonderheiten waren zum Beispiel Asiraca clavicor-nis (Fabricius), Dictyophara europaea (L.) sowie Zyginella pulchra Low. Drei Arten gehören zu den eingeschleppten Zikaden Mitteleuropas. Es handelt sich um die Rhododendron-Zikade (Graphocephala fennahi Young), die Büffelzikade Stictocephala bisonia Kopp & Yonke sowie Japananus hyalinus (Osborn, 1900). Vergleich der verschiedenen Lebensraumtypen Die grösste Artenvielfalt mit 72 Zikadenarten wies der Lebensraumtyp der Gewässerränder auf. Dieser ist entlang des Rheines sehr divers strukturiert und kann deshalb viele verschiedene Kleinhabitate vorweisen. Die niedrigste Diversität mit jeweils nur einer Art wiesen die Lebensräume der städtischen Hinterhöfe sowie die Obstgärten auf. Diskussion Die Angaben über die Zikadenfauna von Basel müssen als vorläufig angesehen werden, da diese Studie nur als Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen gedacht ist. Durch das gezielte Suchen nach bestimmten Arten wird sich die Artenzahl sicherlich noch erhöhen. Außerdem muß man im städtischen Umfeld immer wieder mit neu eingeschleppten Arten rechnen. Für Basel konnten viele mediterrane Zikadenarten nachgewiesen werden, dies ist aber nicht unbedingt auf das wärmere Stadtklima zurückzuführen. Der Oberrheingraben gilt schon seit je her als klimatischer Gunstraum, in dem sonst nur aus der Südschweiz bekannte Pflanzen- und Tierarten vorkommen. Die vielen Neumeldungen für die Schweiz sind vor allem der nur geringen Aktivität von Zikadenforschern zuzuschreiben. Eine Schwierigkeit beim Erfassen der Zikadenfauna stellt die zeitliche Komponente dar. Einige Gruppen erscheinen nur kurzfristig in ganz bestimmten Biotopen. Verpaßt man das Adultstadium, ist es extrem schwierig eine Art nachzuweisen. Dadurch dürften viele vermeintliche Lücken im Verbreitungsmuster einzelner Zikadenarten erklärbar sein, da es praktisch unmöglich ist an allen Standorten zeitgleich zu sammeln. Ausserdem ist die Definition eines Lebensraumtypes nach dem Naturschutzkonzept Basel-Stadt (ZEMP et al. 1996) relativ grob. Ein solcher LRT kann sehr unterschiedliche Habitate aufweisen. Deswegen ist es möglich, daß Standorte aus unterschiedlichen Lebensraumtypen eine ähnlicherer Zikadenfauna beherbergen als Standorte innerhalb eines Lebensraumtypes. Deshalb variieren die Zikadenzönosen innerhalb der unterschiedlichen Lebensraumtypen zum Teil beträchtlich. Auf Grund all dieser Tatsachen liegt die Vermutung deshalb nahe, daß die Zikaden eine stärkere Abhängigkeit zu den Nährpflanzen aufweisen als zu den definierten Lebensraumtypen. Das heißt, wenn eine bestimmte Pflanzenart oder Pflanzengattung an einem Standort vorkommt, wird sie mit größter 76 R. Mühlethaler, P. Nagel: Die Zikadenfauna (Auchenoniiyncha) städtischer Habitate von Basel Wahrscheinlichkeit auch von den entsprechenden Zikadenarten besiedelt. Die Verbreitung der einzelnen Arten im Untersuchungsgebiet dürfte sich also mit der Verbreitung der jeweiligen Wirtspflanzen decken. Deswegen ist es bei zukünftigen Untersuchungen besonders wichtig die vorhandene Vegetation genauer aufzunehmen um mögliche Korrelationen zwischen den Pflanzen- und Zikadenzönosen zu untersuchen. Danksagung An dieser Stelle möchte ich mich bei Dr. Pavel Lauterer, Brno, für die Überprüfung der determinierten Tiere und für die Hilfe bei der Bestimmung von kritischen Arten; Dr. Roland Achtziger, Freiberg, für die Benutzung des Statistik-Programmes Ökostat 1.5 sowie Frau Heidi Günthart, Dielsdorf, für die fachlichen Hinweise und Auskünfte zur Schweizer Zikadenfauna bedanken. 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