Zugang zum Archivgut: Sind Archivsperren noch zeitgemäß? Elisabeth SCHÖGGL-ERNST, Ph.D. Mag. Steiermärkisches Landesarchiv, Karmeliterplatz3, A-8010 Graz, Austria e-mail: elisabeth.schoeggl-ernst@stmk.gov.at Access to Archives: as a Restricted Access to Archival Material Still Contemporaneous? ABSTRACT This article shows the impact of open data policy on access to archives in Austria. It cares with the draft law to change the Constitution concerning elimination of official secrecy and guarantee more open and transparent public policy. A further renewal is the EU Directive for Public Sector Information (PSI) which includes cultural institutions as archives, museums and libraries and which will also have consequences for access to archival material. Key words: access to archives, Austria, official secrecy, transparent public policy, EU Directive for Public Sector Information (PSI) Accesso agli archivi: sono anora appropriate le limitazioni? SINTESI L'articolo mostra l'impatto della politica di libero accesso ai dati sull'accesso agli archivi in Austria. Tratta della bozza di legge costituzionale concernente l'eliminazione della segretezza ufficiale e la garanzia di piu aperta e trasparente politica pubblica. Un ulteriore rinnovamento e la direttiva UE per il Settore pubbliche informazio-ni (PSI), che comprende istituzioni culturali come archivi, musei e biblioteche, e che avra anche conseguenze per l'accesso al materiale d'archivio. Parole chiave: accesso agli archivi, Austria, segretezza ufficiale, politica pubblica di trasparenza, direttiva UE per il Settore pubbliche informazioni (PSI) Dostop do arhivskega gradiva: ali so omejitve še času primerne? IZV^LEČEK: Prispevek predstavlja učinke politike prosto dostopnih podatkov v zvezi z dostopom do arhivskega gradiva v Avstriji. Predstavlja osnutek zakona za spremembo ustave v zvezi z odpravo uradne tajne in zagotavljanjem odprte in transparentne javne politike. Novost predstavlja direktiva EU o ponovni uporabi informacij javnega sektorja, ki vključuje kulturne ustanove kot so arhivi, muzeji in knjižnice in ki bo imela posledice na dostop do arhivskega gradiva. Ključne besede: dostop do arhivskega gradiva, Avstrija, uradna tajnost, transparentna javna politika, Direktiva EU o ponovni uporabi informacij javnega sektorja Zugang zum Archivgut: Sind Archivsperren noch zeitgemäß? A^BSTRA^T Der Beitrag beschäftigt sich mit den Auswirkungen von Open-Data-Maßnahmen auf den Zugang zum Archivgut. Er analysiert den Entwurf zur österreichischen Verfassungsnovelle, der die Abschaffung des Amtsgeheimnisses zum Inhalt hat. Die Novelle soll eine offenere und transparente Verwaltung garantieren. Eine weitere Novelle, die neue Public Sector Information EU-Richtlinie (PSI), schließt nun dezidiert Archive, Bibliotheken und Museen ein und hat daher ebenfalls Konsequenzen für den Zugang zu Archivmaterial. Elisabeth SCHÖGGL-ERNST: Zugang zum Archivgut: Sind Archivsperren noch zeitgemäß?, 141-147 1 Sperrfristen in der österreichischen Archivgesetzgebung Seit 1999 arbeitet das Österreichische Staatsarchiv auf der Grundlage des Bundesarchivgesetzes. Sieben der neun Bundesländer haben Archivgesetze oder Verordnungen erlassen. Im Burgenland sowie in Tirol befinden sich die Archivgesetze in Ausarbeitung. Damit werden die öffentlichen Landes- und Bundesverwaltungen flächendeckend bis spätestens 2015 mit Archivgesetzen versehen sein. Die Archivsperren für Verwaltungsschriftgut wurden in diesen Gesetzen mit 30 Jahren nach Abschluss der Akten festgesetzt. Lediglich im Kärntner Archivgesetz wurde eine Archivsperre von 40 Jahren festgelegt. Die Grundlage für die Archivsperre bildet das Amtsgeheimnis. Dieses ist in Österreich sogar in der Verfassung verankert. Diese verpflichtet alle Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltungsbeamten zur Verschwiegenheit über alle Tatsachen, die ihnen im Rahmen ihrer amtlichen Tätigkeit bekannt geworden sind und deren Geheimhaltung im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen ruhe, Ordnung und sicherheit, der umfassenden Landesverteidigung, der auswärtigen Beziehungen, im wirtschaftlichen Interesse einer Körperschaft öffentlichen r^echts, zur Yorbereitung einer Entscheidung oder im überwiegenden Interesse der Parteien geboten ist. Gleichzeitig werden diese Verwaltungsorgane dazu verpflichtet, über die Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskunft zu erteilen, soweit die Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht (Österreichisches Bundesverfassungsgesetz in der letztgültigen Fassung, Artikel 20, Abs. 3 und Abs. 4.). Die Auskunftspflicht ist in der österreichischen Verfassung in Artikel 20 Absatz 4 b verankert. Sie kann als gesetzlicher Vorreiter auf dem Weg zur Informationsfreiheit betrachtet werden. Die Bestimmungen dieses Artikels wurden durch einfache Gesetzgebung des Bundes und der Länder spezifiziert. Das Auskunftspflichtgesetz des Bundes für wurde am 15. Mai 1987 novelliert (BGBl. Nr. 287/1987). Es verpflichtet die Organe des Bundes dazu, Auskünfte insoweit zu erteilen, als die Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht. Auskünfte sind nur in einem solchen Umfang zu erteilen, als dadurch die übrigen Verwaltungsaufgaben nicht beeinträchtigt werden und die Auskünfte nicht offensichtlich mutwillig verlangt werden. Das Gesetz regelt auch den Instanzenzug. Denn wird eine Auskunft nicht erteilt, muss die auskunftswillige Person einen Antrag auf Ausstellung eines Bescheides stellen. Gegen diesen Bescheid kann Einspruch erhoben werden. Mit diesem Gesetz wird das Recht auf Auskunft gegen Antrag geregelt, wobei das Erteilen einer Auskunft nicht mit Akteneinsicht gleichzusetzen ist. Eine solche kann aber gewährt werden. Es gibt aber Informationen nicht ab seiner Entstehung für die Öffentlichkeit frei und verpflichtet den Aktenbildner auch nicht, von sich aus Daten zu veröffentlichen. Was alles unter das Amtsgeheimnis fällt, ergibt sich grundsätzlich aus der Interpretation des Einzelfalls. Um der Amtsverschwiegenheit Genüge zu tun, ist der Zugang zum Verwaltungsschriftgut für 30 Jahre oder 40 Jahre gesperrt. Ausnahmen werden für die wissenschaftliche Forschung und publizistische Tätigkeit gewährt. Für personenbezogene Quellen wurden die Sperren zum Schutz der Personen erweitert. Die Grundlage für die in den Archivgesetzen verankerten Schutzfristen für personenbezogenes Schriftgut bildet das Datenschutzgesetz. 2 Das Recht auf freien Zugang zu Informationen Wissen ist der Treibstoff der modernen Informationsgesellschaft (Schaar, 2012, S.8), stellte der Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit in Deutschland treffend fest. Als eine alte Weisheit gilt auch der Machtfaktor, der mit Wissen verbunden ist. Ein Teil der Gesellschaft kämpft daher für einen einfacheren und gerechteren Zugang zu Wissen. Die internationalen Bestrebungen nach mehr Transparenz in Bezug auf Verwaltungshandeln wie auch bei politischen Entscheidungen führten zu einem freieren Zugang zu Informationen. Das Recht des Volkes auf freien Zugang zu Informationen wurde in Schweden bereits 1766 verankert. Die USA hat ihr Informationsfreiheitsgesetz im Jahr 1966 festgeschrieben. Mittlerweile haben knapp 90 Staaten Gesetze zur Wahrung des Rechts auf freien Informationszugang erlassen. Die österreichische Bundesregierung hat in ihrem Regierungsprogramm für die Jahre 2013 bis 2018 das Thema Informationsfreiheit und Amtsgeheimnis aufgegriffen und sich zu einem Aufgabenbereich für die nun laufende Regierungsperiode gemacht. Dem Ruf nach mehr Transparenz und Offenheit im öffentlichen Bereich soll nun entsprochen werden, indem das Amtsgeheimnis in seiner bisherigen Form aufgehoben werden wird. An die Stelle des Amtsgeheimnisses soll die Informationspflicht treten, die verfassungsrechtlich angeordnet wird. Damit sollen alle Staatsorgane verpflichtet werden, Informationen von al- Elisabeth SCHÖGGL-ERNST: Zugang zum Archivgut: Sind Archivsperren noch zeitgemäß?, 141-147 Igemeinem Interesse der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen, wobei schutzwürdige Interessen berücksichtigt werden und das Grundrecht auf Datenschutz bewahrt werden muss. Gleichzeitig hat sich die Regierung die Aufgabe gestellt, den Datenschutz zu modernisieren. Man ist zur Einsicht gelangt, dass das geltende Datenschutzgesetz nicht mehr den aktuellen Anforderungen entspricht. Insbesondere soll das aufwändige und bürokratische Registrierungsverfahren vereinfacht werden (siehe Arbeitsprogramm der österreichischen Bundesregierung 2013-2018). Mittlerweile wurde vom österreichischen Nationalrat ein entsprechender Gesetzesentwurf beschlossen. Der Text soll den Zugang zu Informationen von allgemeinem Interesse gewährleisten sowie die Transparenz staatlichen Handelns sicherstellen. Demnach sollen Absatz 3 und 4 des Artikels 20, die die Amtsverschwiegenheit enthalten, in ihrem bisherigen Wortlaut entfallen und durch Regelungen für Unternehmungen, die der Kontrolle durch den Rechnungshof unterliegen, ersetzt werden. Der neue Artikel 22a enthält die Informationsfreiheit. In Artikel 22a, Absatz 1 wird festgestellt, dass die Gesetzgebungs- und Verwaltungsorgane sowie jene der Gerichtsbarkeit, der Rechnungshöfe und der Volksanwaltschaft alle Informationen von allgemeinem Interesse zu veröffentlichen haben, sodass sie jedermann zugänglich sind. Zu solchen Informationen zählen allgemeine Weisungen, Statistiken, Gutachten und Studien. Absatz 2 beschreibt das Recht auf Zugang zu den Informationen der oben genannten Organe, verzeichnet aber auch die Ausnahmen. Die Geheimhaltungspflicht soll weiter bestehen bleiben, wenn es sich um Informationen handelt, die sich aus außen- und integrationspolitischen Gründen ergeben, die im Interesse der nationalen Sicherheit, der umfassenden Landesverteidigung und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit liegen sowie zur Vorbereitung von Entscheidungen dienen oder im wirtschaftlichen oder finanziellen Interesse einer Gebietskörperschaft oder eines sonstigen Selbstverwaltungskörpers stehen. Außerdem sollen Informationen, die zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen dienen oder zur Wahrung anderer gleich wichtiger öffentlicher Interessen durch Bundes- oder Landesgesetz ausdrücklich angeordnet sind, weiterhin nicht frei zugänglich sein. Wohl aber sind die gesetzlichen beruflichen Vertretungen gegenüber ihren Angehörigen zum freien Zugang zu Informationen verpflichtet. Die Regierung will damit einerseits aktive Informationspolitik betreiben und andererseits den Zugang zu Informationen auf Antrag gewähren, was als Informationspflicht und als Recht auf Zugang zu Informationen unter Wahrung des Datenschutzes zum Ausdruck gebracht wird. Das Recht auf Zugang zu Informationen soll unabhängig von einem rechtlichen Interesse gewährt werden. Als Konsequenz daraus sind Informationen von allgemeinem Interesse ohne Ansuchen im Sinne des Grundsatzes von "Open Government" zu veröffentlichen. Detailliertere Regelungen haben in den einfachen Gesetzen zu erfolgen. Den Zugang zu diesen Informationen sollen Bundes- und Landesdienststellen sowie Kommunen gewähren. Von Archiven ist hier nicht die Rede, sondern nur von Informationsbildnern. Wo die Entscheidungshoheit liegen soll, ob eine Information nun frei verfügbar und daher allgemein bekannt oder nur auf Anfrage zugänglich gemacht werden darf, wird nicht erwähnt. Der Entwurf wurde zur Begutachtung ausgesandt. Die Begutachtungsfrist endete am 7. Mai 2014. Das Gesetz soll 2016 in Kraft treten. Mit der Gesetzesnovelle wird wohl das Auskunftspflichtgesetz obsolet werden (siehe Entwurf des Bundesverfassungsgesetzes). Die eingelangten Stellungnahmen begrüßen durchgehend die Stärkung der Transparenz von Verwaltungshandeln. Allerdings werden die Kostenfrage und der Verwaltungsaufwand aufgeworfen, die durch die Aufbereitung der Daten für ein "Open Data Government" anfallen. In welcher Form die Daten von allgemeinem Interesse der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden sollen, ist nicht konkretisiert, weshalb der Aufwand dafür nicht abschätzbar ist. Kritisiert werden auch die fehlenden Definitionen von Informationen „von allgemeinem Interesse" und von jenen, die laut Art. 22a Absatz 2 dennoch geheim gehalten werden müssen. Ebenso sei der Unterschied zwischen veröffentlichungspflichtigen Informationen zu jenen mit Recht auf Zugang festzulegen. Da sowohl der Datenschutz als auch die Informationspflicht verfassungsmäßig geregelt sind, stellt sich die Frage, ob es zukünftig eine Interessensabwägung zwischen diesen beiden Grundrechten geben wird. Überdies wird die Verschwiegenheitspflicht, die im Beamtendienstrecht verankert ist, im Zuge dieser gesetzlichen Änderungen revidiert werden müssen. Seitens des österreichischen Rundfunks wird angemerkt, dass mit dieser Gesetzesänderung das verfassungsrechtlich geschützte Redaktionsgeheimnis gefährdet sei. Der öster- gshofes unterliegt. Daher akteursrat wünscht daher reichische Rundfunk ist ein Unternehmen, das der Kontrolle des Rechnun zählt er laut Gesetzesentwurf zu den informationspflichtigen Stellen. Der Red eine Bewahrung des Redaktionsgeheimnisses, das in diesem Gesetz berücksichtigt werden muss (Internet 1). Elisabeth SCHÖGGL-ERNST: Zugang zum Archivgut: Sind Archivsperren noch zeitgemäß?, 141-147 Aus der Sicht der Archive ist dieser Gesetzesentwurf grundsätzlich zu begrüßen. Es stellen sich jedoch eine Reihe von Fragen, die unmittelbar mit dem Zugang zum Archivgut und der Stellung der Archive verbunden sind. Die im Artikel 22a Absatz 1 beschriebenen Informationen von allgemeinem Interesse können wohl wie jene Daten betrachtet werden, die auch seit längerer Zeit grundsätzlich frei zugänglich sind. Diese werden, sofern sie als archivwürdig gelten, auch in Archiven ohne Schutzfrist bleiben. So ist beispielsweise das österreichische Grundbuch für jedermann ohne Beschränkung zugänglich und unterliegt keinen Archivsperren. Rechtlich zu prüfen ist allerdings, ob Gutachten, die im Auftrag einer Behörde erstellt wurden, im Sinne dieser Bestimmung frei veröffentlicht werden dürfen oder doch im Sinne des Urheberrechts geschützt sind. In den Erläuterungen wird eine Information als jede amtliche bzw. unternehmerischen Zwecken dienende Aufzeichnung, ausgenommen Entwürfe oder Notizen, unabhängig von der Art ihrer Speicherung definiert. Nur gesichertes Wissen soll als Information gelten, nur Tatsachen, die bereits bekannt sind und nicht solche, die erst - aufweiche Art auch immer - erhoben werden müssen. Der Zugang zu Informationen darf also keinen weiteren Erhebungsaufwand nach sich ziehen. In den einfachgesetzlichen Bestimmungen ist aber noch zu klären, ob es sich bei dem in Art. 22a, Absatz 2 beschriebenen Recht auf Zugang zu Informationen um das Recht auf Akteneinsicht handelt oder um das Recht, Daten aus Verwa tungsakten zu erhalten, nicht aber zwingend Akteneinsicht selbst. Die Form einer Datenübermittlung ergibt sich aus der Datenart - ob als analoge oder digitale Kopie - sowie aus den Möglichkeiten des Bürgers. Der Entwurf lässt offen, wer die Entscheidung zu treffen hat, ob eine Information frei oder sogar von allgemeinem Interesse ist oder nicht. Dies kann wohl nicht der Sachbearbeiter sein. Sollen die Dienststellen selbst die Frage der Zugänglichkeit für ihren Zuständigkeitsbereich klären müssen oder wird eine bestimmte Stelle, wie etwa eine Präsidialabteilung mit dieser Aufgabe betraut? Eine solche Vorgehensweise würde eine größere Verwaltungsbehörde bedingen. Bei Kommunen oder Unternehmungen, die der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegen und deren Personalkapazität knapp bemessen ist, würde eine solche Zusatzaufgabe wohl Probleme aufwerfen. Allerdings geht man im Entwurf von einem geringen Aufwand aus, der die Stellen treffen wird, da das Interesse der Bürger an den Daten nach Einschätzung des Gesetzgebers kaum ins Gewicht fallen würde. Ein weiterer Umstand, der konkretisiert werden muss, ist die Frage, ob ein Akt abgeschlossen sein muss, damit der Bürger Einsicht erhält, oder ob in laufende Verfahren Einblick gegeben werden darf. Sollte durch die Weitergabe von Informationen ein behördliches Ermittlungsverfahren gefährdet oder damit eine Entscheidung beeinflusst werden, wird kein Zugang erlaubt, wie in den Erläuterungen ausgeführt ist. Der Umkehrschluss dazu würde lauten, dass unter allen anderen Umständen die Informationen auch bei nicht abgeschlossenen Akten weitergegeben werden dürfen, sofern dies nicht in den einfachen gesetzlichen Bestimmungen ausdrücklich untersagt wird. Der Entwurf trifft keine Aussagen darüber, ob die aktenbildende Stelle die Informationen bereitstellen wird oder eine andere Institution, wie ein Archiv. Nimmt man das Beispiel Großbritanniens, so laufen dort alle Anfragen der Bürger bei den National Archives ein. Diese liefern die Informationen von auch noch nicht abgeschlossenen Akten an die Bürger weiter. Ein eigene Institution, der Information Commissioner, prüft die Daten nach schutzwürdigen Interessen. Liegen solche nicht vor, werden die Daten gegen Kostenersatz durch das Archiv übermittelt (Cook, 2010, S. 117-122). Diese Aufgabe einer zentralen Anlaufstelle für Informationen aus der Verwaltung stärkt die Stellung und das Ansehen der Archive, wie Michael Cook eindrücklich ausführt. Wenn sich Archive bei dieser Aufgabe nicht selbst ins Spiel bringen, wird sie jemand anderer übernehmen. Die Archive werden weder im Gesetzesentwurf noch in den Stellungnahmen erwähnt, sie wurden nicht einmal zur Stellungnahme aufgefordert. Archive sind in Österreich so wenig präsent, dass ihre Existenz und ihr Aufgabenbereich selbst in Verwaltungsbereichen, die eigentlich Unterlagen an Archive abgeben, nicht bekannt sind. Archive sollten sich aus eigenem Interesse an der Diskussion um dieses Thema aktiv beteiligen. Zumindest muss der Kontakt mit jenen Stellen gesucht werden, die für den Zugang zu den Informationen zuständig gemacht werden. Elisabeth SCHÖGGL-ERNST: Zugang zum Archivgut: Sind Archivsperren noch zeitgemäß?, 141-147 3 Informationsfreiheit und Archivsperren - ein Gegensatz? Wenn mit dem Inkrafttreten der Novelle der freie Zugang zu einer Reihe von Informationen aus der Verwaltung und aus verwaltungsnahen Institutionen gewährleistet ist, muss dies wohl Änderungen in den Archivgesetzen nach sich ziehen. Das Amtsgeheimnis ist eine der wesentlichen Grundlagen für die allgemeinen Sperrfristen. Fällt nun das Amtsgeheimnis, muss dies Auswirkungen auf die Zugangsbestimmungen zum Archivgut haben. Denn warum sollen Informationen, so lange sie von den Behörden bewahrt werden, frei zugänglich sein, sobald diese aber von Archiven übernommen werden, für 30 oder 40 Jahre gesperrt sein? Dies kann weder im Sinne der Archive noch im Sinne der Informationsfreiheit sein. Die Lösung dieses Problems könnte im freien Zugang für alle archivwürdigen Daten, die ab Gültigkeit der Novelle frei gegeben werden, liegen. In Deutschland wurden die Stelle des Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit und parallel dazu ebensolche Länderinstitutionen als unabhängige Kontrollinstanzen für den Datenschutz und die Informationsfreiheit eingerichtet (Schaar, 2012). Das Informationsfreiheitsgesetz, das in unserem Nachbarland am 1. Jänner 2006 in Kraft getreten ist, hat bereits Auswirkungen auf die Archivgesetzgebung gezeigt. §5 Absatz 4 des deutschen Bundesarchivgesetzes legt fest, dass Unterlagen, die bereits bei ihrer Entstehung zur Veröffentlichung bestimmt waren, keiner Schutzfrist unterliegen. Gleiches gilt für Archivgut, soweit es vor der Übergabe an das Bundesarchiv oder die Archive der gesetzgebenden K^örperschaften bereits einem Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz offen gestanden hat (Bundesgesetzblatt, 1988, 2013). Das Bundesarchivgesetz geht damit nicht von der Archivsperre ab, sondern beachtet die Informationsfreiheit insofern, als diese vor der Datenübergabe von den aktenbildenden Stellen gewährt worden ist (Vgl. Johannes Beleites, 200). Als Konsequenz daraus hat das Archiv evident zu halten, für welche Daten bereits von den Behörden Einsichtsgenehmigung erteilt wurde, denn diese müssen in der Folge auch im Archiv frei zugänglich bleiben. Damit verwaltet das Archiv gleichwertige Daten, gewährt aber unterschiedlichen Zugang zu diesen. Eine -zufällige - vorherige Einsichtnahme ist entscheidend für den Entfall der Schutzfrist. Diese Vorgehensweise scheint schwer administrierbar zu sein und erweckt auf den ersten Blick möglicherweise den Eindruck, dass vor den Toren der Archive die Informationsfreiheit ende. Allerdings hält das Bundesarchivgesetz auch fest, dass alle Daten grundsätzlich auf Antrag frei sind, sofern keine schutzwürdigen Interessen dagegen sprechen. Wenn Bürger also um Einsichtnahme ersuchen, erhalten sie diese auch von den Archiven. 4 Informationsweiterverwendungsgesetz (PSI-Richtlinie) und Archive Im Zusammenhang mit dem Informationsfreiheitsgesetz muss auch die geänderte EU-Richtlinie über die Weiterverwendung von Informationen vom 26. Juni 2013 betrachtet werden (Amtsblatt der Europäischen Union, 2013). Die Richtlinie, deren Bestimmungen in der Folge auch in die nationalen Gesetzgebungen einfließen müssen, unterstützt die weitere Öffnung und damit breitere Verfügbarkeit von Daten des öffentlichen Sektors für private und gewerbliche Zwecke. Man geht davon aus, dass ein solch freier Informationszugang eine wichtige Rolle spielen kann für die Entwicklung neuer Dienstleistungen und folgert daraus einen Nutzen für das Wirtschaftswachstum und das soziale Engagement. Die Novelle der Richtlinie bezieht nun dezidiert Archive, Bibliotheken und Museen ein und verpflichtet diese, ihre besonders durch zahlreiche Digitalisierungsprojekte gemeinfreie gemachten Unterlagen des kulturellen Erbes samt den dazugehörigen Metadaten zur Weiterverwendung für auf digitalen Inhalten beruhende Produkte und Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen. Hier könnten vor allem die Bereiche Tourismus und Bildung profitieren. Natürlich würden auch Internetdienste von diesen Daten Nutzen ziehen. Aufgrund der unterschiedlichen Zugangs- und Nutzungsbestimmungen dieser öffentlichen kulturellen Daten in den einzelnen Mitgliedsstaaten soll die Richtlinie die Grundlage für einheitliche Regelungen schaffen. Man will die kulturellen Dokumente grenzüberschreitend nutzbar machen. Dazu müssen diese in allgemein gültigen Formaten und nach den internationalen Standards folgend leicht zugänglich sein. Dabei sollen schutzwürdige Interessen nicht beeinträchtig werden. Eine Vereinheitlichung der Vorschriften in den Mitgliedsstaaten soll Rechtsunsicherheiten über die Weiterverwendbarkeit von Informationen verhindern. Absatz 22 beschäftigt sich mit den Gebühren, welche die Behörden zur Weiterverwendung einheben. Diese sollten auf Grenzkosten beschränkt sein, wobei man jedoch die Notwendigkeit dieser Stellen, Einnahmen zu erzielen, berücksichtigt. Die Gebühren sollten nach objektiven, transparenten und Elisabeth SCHÖGGL-ERNST: Zugang zum Archivgut: Sind Archivsperren noch zeitgemäß?, 141-147 überprüfbaren Kriterien festgelegt werden. Absatz 23 gesteht auch den Bibliotheken, Archiven und Museen die Einhebung von Gebühren für die Weiterverwendung der Daten zu. Auch diese Gebühren sollen die Knasten der Erfassung, Erstellung, R^eproduktion, Verbreitung, Bewahrung und der R^echte-erklärung zuzüglich einer angemessen Gewinnspanne nicht übersteigen. Die Aufgabe der Mitgliedsländer ist es nun, in der Umsetzung dieser Richtlinie die Kriterien für die Erhebung der Gebühren festzulegen, die über den von der Richtlinie festgelegten Obergrenzen liegen. Artikel 9 der Richtlinie ermuntert die Mitgliedsstaaten, praktische Yorkehrungen für die Suche nach Dokumenten zu schaffen. Konkret sind Metadaten über solche Dokumente online zur Verfügung zu stellen, um Recherche zu ermöglichen. Das Einpflegen dieser Daten in Internet-Portale wird präferiert. Um Datenrecherchen grenzüberschreitend anbieten zu können, sollen auch die Metadaten sprachübergreifend gestaltet sein. Der Verband österreichischer Archivarinnen und Archivare hat eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich mit der Erstellung gemeinsamer Kriterien und Standards für die von Archiven angebotenen Leistungen aus dem Kernbereich der Archive beschäftigt. Als Ergebnis soll ein Leistungskatalog entstehen. In der Folge wird die Arbeitsgruppe die Bemessungsgrundlage für Entgelte möglichst standardisiert regeln. Mit dem Leistungskatalog soll die Grundlage für eine gemeinsame Ausgangsbasis einer einheitlichen Archivnutzung in Österreich gemäß der PSI-Richtlinie geschaffen werden. Mit dieser Novelle der PSI-Richtlinie unterstreicht die Europäische Union einmal mehr ihr Bekenntnis zu Open Data Government. Die zahlreichen Digitalisierungsprojekte, die von den Kulturinstitutionen in den letzten Jahren großteils mit öffentlichen Geldern umgesetzt wurden, sollen nun auch der Wirtschaft und dem privaten Bereich zum weiteren Nutzen zur Verfügung stehen und als Grundlage für eine neue Wertschöpfung, für kreative Innovationen und Dienstleistungen dienen. 5 Resümee Sowohl das Informationsfreiheitsgesetz als auch die Umsetzung der Novelle zur PSI-Richtlinie haben unmittelbare Auswirkungen auf die Arbeit der Archive. Die Einbeziehung auch der Archive in die PSI-Richtlinie bedingt die Diskussion über einheitliche Gebühren in Archiven. Sie hält die Archive aber auch an, standardisierten Zugang zu Daten des gemeinfreien Materials zu schaffen. All jene Archive, die bisher einer standardisierten Erschließung aus dem Weg gegangen sind, müssen sich zumindest dann damit beschäftigen, wenn sie Digitalisierungsprojekte, die mit öffentlichen Geldern finanziert wurden, durchführen. Der Zugang zu Informationen auch in Archiven wird offener gestaltet werden müssen. Ob die Ausführung der gesetzlichen Grundlagen eine Vereinfachung des Zuganges oder eine Verkomplizierung des Verwaltungsaufwandes bringen wird, werden die endgültigen Bestimmungen und Umsetzungsrichtlinien zeigen. Die Frage der Archivsperren wird in diesem Zusammenhang diskutiert werden und vielleicht zu Novellierungen der österreichischen Archivgesetzgebung führen. Zu wünschen ist eine pragmatische Lösung zur Umsetzung der gesetzlichen Neuerungen, welche weder die Archivarbeit erschwert noch den Zugang zum Archivgut durch größeren Verwaltungsaufwand erst recht behindert. Literatur Arbeitsprogramm der österreichischen Bundesregierung 2013 - 2018. Eingesehen am 5.1.2014 auf http://www. bka.gv.at/DocView.axd?CobId=53264 Auskunftspflichtgesetz des bundes. Bundesgesetzblatt Nr. 287/1987 Beleites, Johannes (2006). zwei Grundrechte im streit. Das Archivrecht im Bpannungsverhältnis von Datenschutz und Informationsfreiheit. Vortrag gehalten auf dem 2. Workshop Archiv- und Bibliothekswesen in Kronstadt am 14. Juni 2006 Cook, Michael (2010). Freedom of Information: Legislation that has Radically Changed Archival Practice. In: ATLANTI Vol. 20, S.117-122. Trieste: International Institute for Archival Science Elisabeth SCHÖGGL-ERNST: Zugang zum Archivgut: Sind Archivsperren noch zeitgemäß?, 141-147 Entwurf des Bundesverfassungsgesetzes, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird. 19/ME XXV. GP-Ministerialentwurf-Gesetzestext. Zugänglich auf www.parlament.at Gesetz über die Sicherung und Nutzung von Archivgut des Bundes vom 6. Januar 1988 Gesetz zur Änderung des Bundesarchivgesetzes vom 27. Juni 2013. Bundesgesetzblatt I S. 1888 Internet 1: Eingesehen am 5.1.2014 auf http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/ME/ME_00019/in-dex.shtml Österreichisches Bundesverfassungsgesetz in der letztgültigen Fassung, Artikel 20, Abs. 3 und Abs. 4 Richtlinie 2013/37/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Änderung der Richtlinie 2003/98/EU über die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors. Amtsblatt der Europäischen Union am 27.6.2013 Schaar, Peter (2012). 3. Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit in Deutschland zur Informationsfreiheit für die Jahre 2010 und 2011, S. 8. Bonn summa^ry In December 2013 Austria's new government was installed. The new Austrian government program mentions freedom of information insuring data protection. The aim is a more open and transparent public policy. In Austria official secrecy is anchored in the Constitution and it is the basis for restricted access to archives. Regarding the aim freedom of information official secrecy becomes obsolete. Instead of that the opening of information with public interest should become compulsory for all administration bodies and should be constitutionally granted. Even data protection law in valid version is regarded as outdated and should be renewed. In March 2014 the Austrian National Council passed the draft law to change the Constitution. Official secrecy is going to be replaced by freedom of information. Records of all administration bodies should be divided into common free records, records with free access, records with data protection and such records to which open access is denied because of reasons of foreign policy, of integration policy, national security, national defense, the maintenance of peace, public order and security and similar reasons. The national and federal administrations should have the duty to inform the citizens about common free records. Free access to information has to be guaranteed regardless of a legal interest. In the meantime statements of different bodies and institutions were sent to the National Council. Central points of criticism are question of costs, maybe a high level of administrative effort and a lack of definitions. It is not obvious who will decide which information should be free or not. Archives are not mentioned. If the amending legislation comes into effect it will have consequences for archives especially for archival legislation. Official secrecy is one of the main reasons for the restricted access to archives. So if official secrecy will be abolished the question of restricted access in archives has to be discussed. In June 2013 the EU Directive for Public Sector Information (PSI) was revised. This amendment includes cultural institutions as archives, museums and libraries. The aim of this amendment is to extend the free access to data of public administration for commercial and private purposes. Cultural heritage information from these three institutions is seen as potential material for innovative commercial use. It should be made available in a machine readable way by using open formats and open standards and with necessary metadata. As national legislation widely diverges it has to be adapted to this EU Directive. So the European Union expresses the clear commitment to open data policy. The following years will show which consequences this amendment will have for archives especially for archival legislation. One of the points in the Directive is to standardize fees in archives, museums and libraries. The Austrian archivists are on the way to work out new regulations for fees in archives. Typology: 1.01 Original scientific research Submitting date: 10.01.2014 Acceptance date: 07.02.2014