Briefe in Kärnten. Oder LcHrsäze für angehende Seelsorger. Von Anselm Abbt zu St. Paul. Gewidmet dem Fürstbischof von Lavant meinem gnädigsten Generalvikar, meinem Wohl- khäter, dem Menschenfreund, einem gebohrnen Reichsgrafen von Schrattenbach. Klagenfurt und Laybach, bey Ignaz Kleinmayer, k. k. inneröst, Gvbernial- buchdrucker/ 1786. Li guaäsm Virtute nite5, ns äekxies c^uem- guam! Lx alia «zuaäem torsan L ixks nitst. ^vr'E. /"aö. i s. Vorerinnerung. Weicht Ver KüHel, Author zu werden, lei- tet mich bey diesem Werke. Die Gleba meines Vaterlandes trug bis nun wenige Schriftsteller. Es genügt uns an Genien, die mehr nach ihren Kenntnissen zu handeln, als solche auszukramen trachten. Es ist so ein Wagestück darum, wenn man seine Gedanken dem Publikum borlegt, und spricht: 2l r da! 4 da ! Richte -- denn das Publikum ist oft Aicht in der beßten Laune, und ich bin der Mn mag, daß es so viele schlechte Kritiker als Aut »' en giebt. Da werden dann manche Narren gelobt, und manche Schriften, die Das G a e des schlichten Menschenver¬ standes haken, durchgezogen. Das macht muthlss, vesonders, wenn schon der Na-- tivnalLaratter des Verfassers Schüchtern¬ heit ist.-. - e - . Seye es aber auch darum zu thun! Ich kann rem Verlangen nicht widerstehen, diese Briefe zwischen mir und meinen Zög¬ ling herauszugeben. Die Religion und der Staat ist zu sehr abey mteressirt , daß man würdige Seel- rger ziehe, als düs nicht em Methoden- d ch für angehende Seelsorger willkommen ftyn solle: und nach meiner Idee sotten Liese Briefe die Summe davon ausmachen. Mit NÄ--—-Ätz 5 Mit Vertrauen, daß hier kein Wort geschrieben ist, was nicht von einem guten Herzen kömmt, dem nicht nackte Wahrheit an der Stirne sitzt, theile ich diese Briefe mit, und welche Wonne für mich, wenn mancher junge Mann bey seiner JugendhiZ den Stand, den er gewählt hat, der von ihm den biedern Volkslehrer erheischt, durch mich besser kennen lernt, W ex ihn bis nun kannte! Die Welt soll sehen, daß wir keine blinden Verehrer unsers Berufs sind, daß es Männer unter uns giebt. Die die Geis¬ sel für ihre Herrn Amtsbrüder schwin¬ gen wollen, um das Vorurtheil zu schwä¬ chen, daß wir alle fast von einem Schlag sind. O wir wissen es zu gut, welch Un¬ glück es für eine Gemeinde seye, wenn sie an der Stelle, wohin sie Seelenangelegen¬ heit ihre Augen wenden heißt, und Ver¬ trauen führen muß, mit einem Stück Men- schenfleisch, in schwarzes Tuch eingehüllt, be- A z dient 6 dient wird- Die Erziehung des Klerus ist ein weit wichtigerer Gegenstand, als selbst die Erziehung der Kinder. Diese werden manchmal Von ihren Erzeugern verwahrlost, aber das Glück führt sie oft in ihren noch zarten Jahren von ungefähr in fremde Hände, und sie nehmen die beßten Grund¬ sätze an; weil sie noch Kinder sind. Nicht so verhält sich die Sache mit Heu Jünglingen, die sich der Kirche widmen. Sind sie ein¬ mal in der Seelsorge warm geworden, so halten sie sich meist für ausgelernt. Die Grundsätze, die sie von der Schule mit sich gebracht haben, sind die Oberfläche an dex sie Herumgleiten. Sie nehmen sich die Mühe nicht, theoretische Grundsätze mit denen, die die Praxis, die die längere Menschen- kermtniß an die Hand giebt, zu kontrolliren. Sind nun diese von der Schule mitge- brachte Grundsätze seicht, fügt es sich noch dazu, daß solch ein junger Mensch einem Pfarrer in die Hände fällt, der es ledig¬ lich um Brod zu haben geworden ist, so wird wird ost das geschickteste Talent vergra¬ ben. Die seelsorgerlichen Verrichtungen wer¬ den zum traurigsten Mechanismus, woben die Seele des Priesters und des Pfarrkin- des übel fährt. Alles ist lau, obenhin ge¬ macht , nicht offenbar zum Aergerniß und Verderben , aber gewiß auch nicht zur Er¬ bauung hergestellt. Eine solche Gemeinde frißt sicher das Bettelbrod im Christenthum. O Bischöfe! Wachet über die Erziehung der jungen Klerisey! Monarchen! Eure Pflicht jsts, die Pflanzschule der Diener der Reli¬ gion so treffend herzuftellen, als es mög¬ lich ist. Hiezu sind keine Kosten zu über¬ flüssig, keine Sorge, keine Aufsicht zu groß. Der Ackersmann vertraut sein Vieh nicht einem sorglosen Schäffer: und die Lämmer der Christenheit sollen von grundsatzlosen, unbesonnenen Hirten irre geführt werden! Nie wird Aufklärung über die Länder ihr wohlthätiges Licht verbreiten, so lang die Wächter der Religion selbst nicht aufgeklärt sind. Ein dummer Bonze kann durch eine A 4 ein- 8 Mi---— einzige Predigt in einer Gemeinde mehr Mönchthum herbreiten , als alle Verord¬ nungen durch ein ganzes Jahr das Volk aufzuheitern im Stande sind. Da mag dann Kaiser, Pabst und Bischof an der Ru¬ derbank sitzen, so kömmt das Schis nicht Vorn Fleck, und bleibt an der Sandbank des Aberglaubens» Erster Brief. Z. S. an A. E. A. zu St. P. M * am iZ. Sept. 1784. Hochwürdiger Herr rc. v^onnte wohl mein erstes Geschäft, so bald ich in M meine Kooperatorstelle antrat, was anders seyn, als Euer Hochwürden zu schrei¬ ben ! Ich bin zwar immer noch über das Unge¬ fähr , oder wie ich das Ding nennen soll, un¬ gehalten , daß ich Ihre Gemeinde verlaßen mußte, von der ich gewiß mit einer Entschlossenheit, so viel sie in einem Jüngling männlich seyn kann, rin Mitglied zu werden wünschte. Nur tröstet mich über diese unbeliebige Entfernung von der Laufbahne des klösterlichen Lebens, daß ich in einer Gegend angestellt ward, wo ich dem Ort, in welchem ich anfieng Mann zu werden, und Euer Hochwürden am nächsten bin. Mit Ihrer güti¬ gen Erlaubniß werde ich Sie, so oft es meine Berufsarbeiten zulassen, besuchen, und ausserdem A s um lo 7— -- -äLV um die Dauer eines für mich immer höchst in¬ teressanten Briefwechsels finde ich um so weniger Anstand zu bitten, als ich weis, wie großmü- thig Euer Hochwürden immer zu feyn gewohnt waren, wenn sie Jemanden glücklich machen konn¬ ten. Das Kloster S. P. ward eben aufgehoben, da Sie Ihren jungen Zöglingen Ihre in der Muts tersprach gesammelte Pastoraltheologie zur Hälfte Vorgelesen haben. Ich dachte dasjenige, was da¬ ran annoch mangelte, im Eenexalseminario vol¬ lends nachzuholen. Dieß geschah auch in so weit: Inzwischen war ich daselbst nur im praktischen Jahre. So viel Leichtigkeit die Praxis über un¬ sere Arbeiten verbreitet, so sind sie doch immer Meines Erachtens auf Gerathewohl verfaßt, wenn wir die Anleitung nicht nach dem ganzen Umfang erhalten haben. Gottes Lohn soll Ihnen dafür feyn hochwürdiger Herr, wenn Sie mir aus Ihren dießs falligen Sammlungen eine Abschrift machen lassen, voer mir solche gar in die Hande liefern, damit ich die Arbeit selbst übernehme. Ich bin mit der vollkommensten Verehrung rc. Zweyter Brief. A. E. A. zu S. P. an I. S. S- P. am i8. Sept. 1784- Mein Bester! >aß Sie in unserer Nachbarschaft der Seel¬ sorge gegeben sind, freut mich herzlich. Ich und und jedec in unserm Haus wird einen Mann gerne hier sehen, an dessen Wille es nicht man¬ gelte , daß er nicht schon unser Bruder ist. Ich will Ihnen glauben, daß es mehr als Kompliment ist, wenn Sie sagen , das Sie mit Mißvergnü¬ gen auf den Austrit von unserer Gemeinde den¬ ken. Wer eben darum, weil ich dieß glaube, hab ich mit Ihnen vor aflen andern darüber eine kleine Abhandlung vor mir. Ich habe in mei¬ nem Leben vieles'vom Beruf gehört, gelesen, und gewiß man schrieb in den vorigen Zeiten so vie¬ les vom Beruf, daß die Jünglinge denselben als einen besonder« Wink Gottes anzusehen hatten« Ich will hier nicht rügen, daß man ordentliche Andachten hielt, um obere Lichter zur Erkenntniß zu erhalten; denn warum soll man Gott nicht bitten, daß er uns erleuchten solle, damit wir ei¬ nen Stand erwählen, in dem wir der Ehre Got¬ tes und dem Staat nützlich seyn können! Aber man übertrieb manchmal die Verufsgefchichte so sehr, daß man meinen konnte, es sey nur ein einziger Stand , zu dem uns Gott bestimmt ha¬ be , und wo wir diesen verfehlten, seye es mit un¬ serer ewigen Glückseligkeit geschehen. Nein der Gott der Liebe will alle, wie der heilige Paulus sagt, selig machen: der Unterschied der Stande hat bei Gott kein Gewicht. Jeder muß vor den Augen des Allmächtigen in einer standesmäffigen Heiligkeit erscheinen: und daran genügt's ihm. Hatte Gott unsere Glückseligkeit nur an diesen oder jenen Stand gebunden: so würde er uns oder ein sichtbares Zeichen seiner Bestimmung angesetzt ha¬ ben, oberer gäbe uns, falls er uns im Finstern tappen ließ, allen möglichen Gefahren preis, Lassen Lassen Sie uns aufrichtig von der Sache re¬ den ! Wenn man in was immer für einem Stand nur durch die Erfüllung seiner Pflichten ein recht¬ schaffener Mann seyn, und Gott und dem Staat gefällig werden kann, so müssen wir denjenigen Stand erwählen, zu welchem wir die sichersten Fähigkeiten, oder den meisten Hang fühlen, denn man kann eben nicht allzeit und fast niemal seine Fähigkeit zu einer Dienstleistung sicher kennen, bis man mit sich einen Versuch gemacht hat. Hier trit also ein nicht flüchtiger, sondern ein ordentlicher, tief empfundener Hang wenigst für Anlage, wo nicht für wirkliche Fähigkeit auf. Sich also zu einem Stand berufen fühlen, heißt in meinen Augen in sich zu diesem oder jenem Stand eine Anlage, eine Neigung, oder ein wirkliches Talent wahrnehmen. An der Auffindung des Berufs, wenn wir ihn so verstehen, ist freylich alles ge¬ legen, weil wir so gewiß in derjenigen Lage, KN der wir Hang, Lust, Anlage, Talent verspühren, wo wir nur anderst nicht alle Verwendung aus- schlüssen, stattlich werden können, wie wir in einer andern, wozu wir gar nichts Anziehendes, gar keine Kräfte fühlen, sicher verlohren sind, und we¬ der Gott weder der Welt Ehre machen werden. Und diese Bemerkung, und diese Ausmessung von Fähigkeit und Nichtfahigkeit, von Anlage und Nichtanlage zwischen zween Standen ist um so wichtiger, je weiter die beyden Stände und ihre Gegenstände auseinander sind , um so minder betäubend aber, wenn die beyden Stände im Grund fast auf eines hinauslaufen. Von dem Beruf zum geistlichen Leben son- berheitlich zu reden, kann man einen zweyfachen Hang Es hat sich aber in diesem Stücke manche grosse Revolution ergeben. Die Religiösen ficngen an den Pflug mit der Litteratur zu verwechseln. Sie wurden bis auf die Wenigsten zum Prie- sterthum erhoben. In vielen Klöstern wurden Pfarreyen errichtet, und viele Mönche wurden auch äusser dem Kloster auf Pfarreyen gesetzt. Sie geriethen kurzum in ein System von gemisch¬ ter Lebensart, sie vereinigten das thatige mit dem beschaulichen Leben. Wer nun den Grundsatz an- nimmt, daß jeder Priester für seine erste Pflicht erkennen muß, sich selbst zu heiligen, eh' er die Hande nach fremden Seelenheil ausstreckt, der wird, was die äusserliche Lebensart belangt, die Klei¬ dung weggerechnet, zwischen Weltprirstern und Qr- densgeistlichen keinen allgewaltigen Unterschied mehr finden. Das ehlose Leben, den Gehorsam gegen seine Obern, die Entäusserung vom Eigenthum schwört zwar der Weltpriester nicht. Aber muß er nicht ebenfalls pfiichtmäffig seinen Vorgesetzten gehorchen, unverheurachet leben und den Uiber- fiuß LVL------rz Hang haben. Es giebt Weltgeistliche und Reli¬ giösen. Der Weltpriester ist unmittelbar von dem Stifter der Religion angeordnet, und der Namen Religiös- war in den ersten Jahrhunder¬ ten der Kirche unbekannt. Einst war der Un¬ terschied zwischen erster« und letzter« groß. Dee Weltgeistliche lag ganz der Seelsorge ob, der Re¬ ligiös führte ein bloß beschauliches Leben, war selten Priester. Und da war's nun freylich so leicht nicht, einen Beruf für den andern zu nehmen, weil diese zwo Lebensarten gleichsam Widersprü¬ che waren. L4 -----ÄH fiuß seiner geistlichen Güter nach den Satzungen der Kirche verwenden? Werden Sie nicht müde über meine Weit¬ läufigkeit ! Ich hatte das so lang schon am Her- Zen. Man hat mit solcher Starke oft um den Rang der beyden Zweige von dem Klerus ge¬ stritten , als ob man in der Schule der Syko¬ phanten zu Abdera prozediren gelernt hakte» Der Mönch war stolz auf seine Kaputze. Der Welt- pricster hielt sich mit seiner E.remption von der Binde für grösser. Beyde vergassen den Maßstab, den das Evangelium aufstellt, vergaffen, daß nicht Einbildung und Ehrbegierde, sondern Geschmei¬ digkeit und Diensteifer in der Religion wahre Grösse ertheile, So gab es Streit zwischen Weltpriestern Und Mönchen - und so kämpften auch Orden gegen Orden. Jeder besondere Abschnitt von Mönchen wollte der Vordere seyn; jeder setzte in seinen Ge¬ brauchen, so winzig und nebcnfällig sie waren, höhere Vollkommenheit; jeder wollte den Mann, der etwas Grosses that, der ein auffallendes Buch schrieb, in seinen Gesichtskreis einschlüsscn. Wer die Kalmukenkriege der Franziskaner wegen der Spitz ihrer Kaputze, wer die gelehrten Allfanze- reyen her Benediktiner und Chorherrn über die Frage, ob das Buch von der Nachfolge Christi von čistem Benediktiner , der Gerfen hieß/oder von dein Chorherrn Thomas dem Kempenfer ver¬ faßt seye, gelesen, und nicht darüber die Er¬ schütterung seines Zwerchfells empfunden hat, mag sehr übler Laune gewesen seyn. Es ist hohe Zeit meine Herren, es ist wirklich hohe Zeit, tz haß nun einmal auch über uns die Duldung ihre Hände ausstrecke, daß wir nicht mehr aus Farbe und Schnitt-Verdienste machen, daß wir in der Laufbahn, die wir einmal «»getreten haben, ehrliche Manner seyen, und Andern die nicht das sind, was wir, ihr beschiedcncs Verdienst gön¬ nen, so viel dessen ihnen zvgehört; daß wir alle, die wir die heiligen Weihen empfiengen, Brüder und Amtskollegen seyn müssen, an denen einst der ewige Richter nicht so viel den Strick um die Senden, die Kapuhe, den Abbeemantel, als das Herz richten wird; daß es unverzeihliche Thor- heit seye, wenn wir einander durch Zank, durch kindischen Rangstreit in öffentlichen Schriften an den Pranger stellen. Ich würde Ihnen, lieber Freund, gar kei¬ ne Gerechtigkeit widerfahren lassen, wenn ich da¬ für hielt, daß Sie allererst einer Erörterung be¬ dürfen , wo ich mit alle dem hinauswill. Ich weiß also, daß Sie künftig über die Absonde¬ rung von unserer Gemeinde ruhiger seyn werden. Ob allen Menschen, ob besonders vielen Mön¬ chen meine Philosophie anstehe, zweifle ich sehr. Aber Sie, die Sie allemal. im Denken die Ober¬ fläche durchstachen, werden darinn richtige Ideen antreffen. Ich bin noch lange nicht am Ende. Es ist noch nicht ausgemacht, ob unsere Gemeinde beste¬ hen soll: und wenn ich sagen soll, so ist unser Kloster seinem Bestand naher als der nochmaligen Auflösung, denn dafür haben wir kaiserlichen Be¬ fehl, wiewohl die Curatieeinrheilung unser ei¬ gentliches Schicksal erst bestimmen muß. Es wä¬ re re also noch immer Aussicht für Sie, sich unse¬ rer Gemeinde einzuverleiben. Ich würde Sie allenfalls, wenn Sie darauf bestünden, allzeit mit offenen Armen empfangen, aber nicht eher, bis ich Ihnen vor der Hand mit allen Kräften diesen Schritt mißrathen würde. Ziehen Sie nur die Stirne nicht zusamm! Sie wissen, daß ich ohne Grund nichts Auffallendes sage: und im nächsten Brief sollen Sie diese meine Gründe HÄen. Leben Sie wohl rc. Dritter Brief. A. E. A. zu S. P. an I. S. S. P- am 2Z. Sept. 1784. Mein Beßrer! ^§^ie mögen mir noch so viele Versicherungen schicken, daß es Ihnen Ernst seye, bey mir noch einmal in den Habit zu steigen, wenn ich wieder Vollmacht habe, Thronen anzunehmcn, so werden Sie mich von meinem Vorhaben nicht abhalten, Ihnen diesen Schritt zu mißrathen. Solang die Klöster so zwischen Himmel und Erde hangen, ohne zu wissen, wie sich ihre Geschichte in unfern Staaten endigen wird, hieß es, sich der Gefahr einer nochmaligen Auflösung ausseßen, wenn man sich entschlösse, neuerdings Novih zu werden: und ich hatte meinen sollen: Sie sollten an der ersten Aufhebung wirklich genug gehabt haben. Glauben Sie denn, daß die Eriaubniß Kandidaten anzunchmen den Stiftern einen Frei¬ brief gegen die fernere Aufhebung gebe? Nein, so lang das Curatiewefen nicht seine völlige Rich¬ tigkeit hat, sind die Stifter immer als ein Oorxs äs ressrve angesehen, wodurch dir Lücken er¬ füllt werden. Und wenn ich Ihnen recht meine Herzensmeinnng sagen sollte, muß ich bekennen: ich denke, daß der Staat schon gar keinen An¬ trag mehr haben kann, die Klöster zu erhalten, und wenn auch heute noch alle Ordensgemcinden die Erlaubnis erhielten, nach Herzenslust sich zu rekroutiren. Ich bin zu sehr überzeugt, wie sehr es der allerhöchste Hof einsieht, daß die einzige Verfassung eines Generalseminariums ge¬ nüge, den endlichen Tod der Klöster herbeyzufüh-' ren. Gehen wir tiefer in das Detail! Da es schon ausgemacht ist, daß jedem Stift die Zahl seiner Jnnsasscn vorgeschrieben werden muß j kann ich folglich nur dann eimn Kandidaten annehmcn, wenn ein Mitglied meines Klosters gestorben ist. Diesen Kandidaten, den ich aus der Philosophie übernehme, muß ich dann auf meine Kösten 6 Jahr in das Generalseminarium liefern. Ich setze den Fall, daß es ein guter Junge ist, der die Lust zum Kloster nicht verliehet, das ihn dm H 6 Jahre in der geistlichen Kadetenschule nährte-, so habe ich doch erst den Ersatz für den verstor¬ benen Geistlichen in 6 Jahren.' Unter dieser Zeit können mir z oder 4 andere Mitglieder gestorben seyn, die Alten werden in 6 Jahren unbrauchbar, und die Mittlern alt. Sehen Sie hier den ganz natürlichen Gang des Klösterverfalls! Wie leicht ist cs auch möglich, daß ein Klosterkandidat nach L Jahren, nachdem er vollkommen zugeschnitten B ist, r8 ist, UM überall angestellt zu werden, eures andern Sinnes wird! Ich habe Ihnen schon gesagt , daß unser Beruf in der Empfindung unserer Fähigkei¬ ten , und der Anlage bestehe. Kann so ein Mensch nicht, ohne eben die Absicht gehabt zu haben, auf Rechnung der Klöster theologisches Brod zu geniessen, vor dem Ausgang aus dem General- semjnarium, suhlen, daß er keine Kräften habe, nm sich nach 6 Jahren, die voll von Anstrengung und Einschränkung waren, in das Noviziat über- schm zu laßen? Hat ein solcher Mensch sich durch Anwendung und Fleiß einen Namen gemacht, so sieht ihm jede Diözes offen, er wird überall will¬ kommen seyn: und dieß muß immer für einen sungcn Menschen, dem so zu sagen die geschwin- . erc Versorgung am Weg begegnet, eine der grossern Versuchungen seyn, sich des Klosters mit 'Nmm Bückling gehorsamst zu entschlagen. Die Verfassungen der Eeneralseminarien sind noch zu neu, als daß diese Erfahrung erprobt seyn könn¬ te. Aber ich sehe vor , was vielleicht vielfältig geschehen dürfte. Mit dem Nachzügel in Klö¬ stern scheint es allenthalben vorbey zu seyn: nichts zu melden von dem, daß auch schon die wenig¬ sten Jünglinge eine Versuchung haben können, den Qrdenösiand zu wählen, der das Stichblatt einer allgemeinen Verachtung so gar des Pöbels geworden ist. Quieun^us umisst cliAiiitutenr prissinum, iZuuvis ermm joeus ess in cuür Aravi, sagt Phädrus. Wollen Sie eigentlich wissen, was ich nun von Klöstern halte, so stel¬ len sie sich ein grosses Spital vor, daß mit Todt- kranken angefüllt ist. Einer wird nach dem an¬ dern in das Veinhaus übertragen. Ich Ich bin also, denken Sie, wohl sehr über ein Generalseminarium erbittert, weil dessen Le¬ ben unser Lod, dessen Bestand unser Sturz ist. — Nichts weniger mein Lieberl Für den Glanz der Kirche, für das Wohl der Religion, für dir Seligkeit des Volks ist ein Generalseminarium üothwcndiger als ein Kloster; denn glauben Sie mir! Niemand bedauert das Landvolk mehr als ich, wenn ich mich erinnere, wie elend manchmal die Sttlsorge von nicht genugsam unterrichteten Priestern verwaltet wurde. Da ich noch Jüng¬ ling war, waren in meinenl Vaterland vielleicht nicht 42 Pfarrer, die eine Dogmatik hätten, denn deren, die auf der hohen Schul in Gratz studiren konnten, waren sehr wenige. Der Schrei¬ nerjung hatte z Jahre zu lernen, bis er freyge- sagr ward; über unsere Seelsorger lernten durch zwey Jahre gobatische oder Rcifenstuelischc Casus zusammfiickcn , über jeden Fall ein quiä pro Puo sagen, und waren Meister in Israel. Wer iinen unmöglichen! Casus hervorbringen konnte - war der Talentirtere, und hiemit Gott befohlen. Der Maßstab seiner Tüchtigkeit war sein Älter. Ohne Dogmatik, ohne Geschichte, ohne Homile¬ tik , sehr oft ohne gesunden Menschenverstand trat er auf, um über die Seelen der Menschen zu urtheilen. Da es nun ausgemacht ist, daß durch ein Generalseminarium die Plantage tüchtiger Seel¬ sorger hergesiellt ist, dir die Gchaafe der Christen¬ heit immer auf saftigere Weiden führen werden, wenn diese Erziehungshaufer anderst mit Obrig¬ keiten besetzt sind, die den Schwarm der Jüng¬ linge mit Liebe und Bescheidenheit zu Fleiß und B - Ver- 20 Verwendung einleiten, und ihre Lehrlinge nicht durch Filzigkeit, Grobheit und Nationalhaß zu mißvergnügten Menschen machen, so bin ich von Herzen allen Generalseminarien gut, und wen« mit diesen die Klöster schon nicht zugleich bestehen können, so müssen diese letztere den erster» tveichen. Ich denke in diesem Stücke sehr phlegma¬ tisch. Es würde der Monarch vielleicht in der Aufhebung der Klöster nicht so viele Vorschritte gemacht haben, wenn ihm nicht manche Kloster¬ verfassungen den Gedanken eingegeben hatten , die Fonds der Klöster zu bessern Absichten zu verwenden. Wir haben uns selbst, lieber Freund, in den Finger geschnitten, und da es jetzt blutet, wollen wir die Blutstropfen an den freydenkenden Staat hinüber schleudern. Aebbte und Vorsteher, da man ihnen weltliche Würden beylegte, vergas¬ sen, daß sie im Grund Mönche sind. Manche lebten locker , und brachten die Klostergüter in Werfall. Manche trugen unter ihrer Insul Ma- mons Hörner, und ihr Geiz war himmelschreyend, sie sind die Taufpathen bey dem Wörterbuch ge¬ wesen, da das Kind mavus mortua entstund. In ihrem häuslichen Rament waren einige De¬ spoten, und es sind vrele solche herrschsüchtige Königlein in manchen Klöstern auch nach vielen Jahren ihrem Namen nach so segenvoll bekannt, als der Name Herostratus. Diese Nichtvater hiel¬ ten ihre Söhne in eiserner Zucht, und Freyheit Athem zu ziehen war nur für jene, die klug ge¬ nug waren, das delphische Qrakul an seinem Dreyfuß mit verstellter Anbetung zu blenden. Mer eine eigene Nase hatte, in die sich der Opfer¬ rauch rauch nicht fügte, ward wie ein Meineidiger be¬ trachtet. Trug das Joch, da schlechtere Kerl« als er unter der Laube fassen. Dieß machte muthlos. Bey einer so sehr asiatischen Regierung konn¬ te also manches Kloster keine andere Innwohner haben, als Gleißner, oder Verzweifelte. Laut ertönten die Seufzer durch die entweihten Hallen, oder das Hohngelachter der Bosheit über unter¬ drückte Unschuld. Es war unmöglich, daß nicht manchmal die gedrängten Klagen die Klausur durchbrachen, und dem Publikum, und den Hö¬ fen in ihrer Blösse dargcstellt wurden. Sie sehen lieber S*, daß ich hier nur Abwege der Obrig¬ keiten, die zmn Verfall des Klosterlebens dienten, schilderte. Ich will es den Untergebenen selbst überlassen, eben so aufrichtig zu seyn, und eine» Beichtspiegel von ihren Handlungen, die zu allen den Übeln Situationen der Klöster ihr Scherflein beytrugen, heraus zu geben. Freylich lieber Freund, waren es einzelne Fakta, und mußten nothwcndig andern braven Ge¬ meinden unbeschadet genommen werden. Aber Sie wissen, wie das die Welt macht. Man ab- strahirt gar zu gerne von Individuen, und nimmt, durch einzelne Falle dazu veranlaßt, von ganzen Standen Notiz; bis zur gelegnen Zeit der Don¬ ner über alle zugleich losbricht. Gewiß nichts anders, als der Stof von einigen Klöstern, war Schuld daran, daß man uns nach der alten Ver¬ fassung als Müßiggänger, als unnütze Glieder des Staats betrachtet, und folglich aus Grund¬ sätzen in eine andere Lage versetzen will, Ich V z zweifle zweifle nicht, daß in wenigen Jahren bewohnte Klöster seltsame Erscheinungen seyn werden. Ich glaube, daß ich Ihnen meine Meinung gewiß unverstellt gesagt habe. Bleiben Sie, was Sie sind! Widmen Sie sich ganz der Seelsorge, die Sie angetreten haben! Ich kenne keine erhab¬ nere Pflicht, als dksi, ich kenne auch keine, die so Viel Trost bringt, wenn man sich mit Würde darauf verlegt. Qb Sie in einem Qr- denskleid die See'en der Gläubigen zu dem Hrm- nrel führen, und sieh neLrnbcy ewig glücklich ma¬ cken, ist einerley. Kann rck durch meine gesam¬ melte Kenntnisse in der Seelsorge Ihnen einen Dienst wist,'N, Ihre Zweifel, die Zweifel eines Anfängers aufdecken, so sieht Ihnen mein ganzer Kopf zu Befehl. Doch dieß muß ich Ihnen sa¬ gen. Meine Schriften können Sie nicht haben. Es sind nur Fragmente, aus denen ein Schul¬ buch werden sollte, da ich vor ungefähr 8 Jah¬ ren Hofnung hatte, in Klagenfurt als Lehrer der Pastoraltheologie in der Muttcrsprach eingestellt zu werden. Ich lasse sie nicht von Händen. Sir wissen , daß man Kinder, die noch nicht weltlau¬ sig sind, nicht gerne in die Fremd schickt. Sir baben mich um die Dauer eines Briefwechsels ersucht. Wohl! Eben dieser Briefwechsel soll ein vollkommener ° Auszug aus der Pastoraltheologie werden; hätten wir uns auch wohl äusser diesem Gegenstand viel zu schreiben? Unsere Freundschaft soll nickt in gedankenlosen Höflichkeiten bestehen, die wir an das Papier Hinkleckfen: nein wir wollen uns mir der wechselseitigen Mitheilung unserer Erfahrungen unterhalten. Unsere Briefe pmchm also ernst nicht schwer auf unserer Brust im EENtz LZ im Todtbett liegen, weil uns die Drohung des Evangeliums nicht trift: Von jedem müßigen Wort, das die Menschen reden, werden sic an jenem Tag Rechenschaft geben. Ich bin rr. Vierter Brief? Z, S. an 2k. E. A. zu S. P. M * am 2z. Sept. 1784. Hochwürdiger Herr re, ^Xicles Schreiben soll die Danksagung für die Wohlthaten seyn, die ich und mein Herr Pfarrer gestern in Dero Stift erhalten haben. Unsere Heimreise war so angenehm, als die Auf¬ nahme, der wir uns kaum versahen. Unsere Un¬ terredung an der Reise, und durch den ganzen Abend hatte nur einen einzigen Gegenstand, und der waren Sie Hochwürdiger Herr! Mein Pfarrer, der auch das Wort Aufklärung nicht hören kann, ohne sich, wie vor dem Teufel zu segnen, sagte selbst. Der Mann har mich eingenommen , und wenn das Aufklärung heißt, wie der Mann es giebt, so werde ich noch bekehrt werden. Ev weiß, daß ich vollkommene Auszüge aus der Pa» storaltheologie erhalten soll, und batt mich, ihm jeden Brief mitzutheilcn , der bey mir eintreffen ivird. Eigentlich hangt es von Ihrer Erlaubnis V 4 ah s 4 A W— ab hochwürdiger Herr, ob der Mann von diesen Speisen kosten soll. Ob es sein Magen vertragen wird? Wrr können es hoffen, denn er ist schon zum Vortheiie ihrer Kenntnisse gestimmt: und dann kann sich viel bey einem Mann ereignen. Der Sieg über einen Menschen , der auf seinen alten Hohlweg versessen ist, ist viel zu schön, als daß man nicht einen Angriff wagen soll. Ich bin mit der vollkommensten Verehrung re. Fünfter Brief. A. E. A. zu S. P. an I. S. S. P. am 7. Okt. 17Z4. Lieber Freund re. Tch danke Ihnen und Ihrem Herrn Pfarrer für den Besuch. Er war eine angenehme Ui- berraschung für mich. Lassen Sie den alten Herrn j'a alles lesen, was von mir kömmt, sehen Sie ihn so weit zu verleiten, daß er wider Grund¬ sätze , die seinem Gaumen nicht anstehen, Ein¬ würfe macht: diese Einwürfe überschreiben Sie mir getreulich ! Eine Wahrheit gewinnt alsdenn erst auseror^entlich, wenn sie mit Gründen be¬ stritten wird, die man aufzulösen im Stande ist. Ich zweifle gar nicht, daß Ihr Herr Pfarrer gleich bey dem ersten Brief eine Verstimmung des Instruments wahrzunehmen glauben wird. Die 25 Die Pastoraltheologie ist eine zufammgefaßte Lehre aller jener Schuldigkeiten und Pflichten des Seelsorgers, die man sonst nur einzeln und zer¬ streut aus verschiedenen Klassen der Wissenschaften holen mußte. Was die Ausspendung der Sakra¬ mente belangt, mußte die Moral das Beste thnn. Die Gegenstände des Kathechisircns gab ihm die Dogmatik an die Hand. Die Art und Weise, kurz den Umsang des praktischen Unterrichts zu predigen sollte er aus der Rhetorik haben, oder in der geistlichen Wohlredenheit erlernen. Man weiß aber wie klein der Geist der Jünglinge war, um in der Rhetorik die Grundlagen eines so schweren Amts zu fassen, und wie groß hingegen die Sorg¬ losigkeit gewesen sey, mit welcber man die geist¬ liche Wohlredenheit in höhern Schulen betrieb. Ob es demnach nothwendig war , daß man für die Pastoraltheologie ein eigenes Fach wähl¬ te , daran können nur diejenigen zweifeln, denen an allen Dingen mehr gelegen ist, als an den ausgezeichneten Tüchtigkeiten der Hirten. Gebt mir den Mann, der in der Physik etwas von der Zergliederung des menschlichen Körpers gehört hat , laßt ihn ein gutes Kräuterbuch gelesen ha¬ ben , gebt ihm ein Dispensatorium dazu, durch das er eine oberflächliche Kenntnis von der Mi¬ schung der Arzney erhalt; laßt ihn kurz alles stück- weis an der Hand haben, was zur Medicin ge¬ hört ! Habt ihr hiemir den nüzlichm Doktor schon beysammen? Nein: stde Wissenschaft muß ihr ei¬ genes Studium haben. Der Arzt und der Ad¬ vokat, der Kameralist und der Feldmesser, alles har sein besonders Fach, seine besondern Lehrer, und warum dann nicht auch die Seelsorge? Nur B 5 der r6 der Seelsorger soll hie und dort stäckweis un¬ terrichtet werden, und den Mantel seiner Wissen¬ schaft aus verschiedenen Flecken und Trümmern zusammensetzen! Das Amt des Seelsorgers ist das Amt ei¬ nes Richters, eines Arztes, eines Lehrers. Dec Hirt iss ein Unterhändler zwischen Gott und dem gläubigen Volk. Seine Würde ist von der grö߬ ten Erhabenheit. Sein Beruf ist Nachfolge Jesu Christi, der gekommen war, zu suchen und selig zu machen, was verlohren gegangen ist. Bey Luk. sm es. Sein Beruf ist der Beruf der Apostel und Jünger Jesu Christi, nur mit dem Unter¬ schied , daß jenen die Sorge weitschüchtiger König¬ reiche weiss am Herzen lag, die sie durchwandern mußten, eh sich einige von ihnen hie oder dort mcderliessen; unsere Seelsorger aber gleich anfangs ihre ausgemessene Kirchcnsprcngel erhalten. Die unsterbliche Seele des Menschen ist der Gegenstand der Seelsorge. Wre wenig darf cs ihm um alle Mühe leid seyn, dem Volkslehrer, wenn es auf die Heilung eines solchen Geschöpfes ankömmt! Man muß nur keine denkende Seele haben, wenn man nicht weis, daß die menschliche Seele'von so vielen innern Verderbnissen zerüttet, von so vielen einheimischen und fremden Feinden angegriffen, immer dem traurigen Schicksal, ihr bestes, ihr größtes Glück zu verliehren ausge¬ setzt scye. Und dieß ist hauptsächlich von jenen Seelen zu verstehen, die in ländlichen Körpern wohnen, wo die Auferziehung , die Lebensart, die Beschäftigung, mit einem Wort alles zusammen¬ hüpft , den Menschen der Unwissenheit zu über- lassen. Ist die Seele des Landmanns nach ihrep Wesenheit, nach ihrer Bestimmung nicht so gut, als die Seele des ersten Monarchen? Jst's nicht die erhabenste Beschäftigung , ein solches Kleinod zu retten, das im Staub liegt, und um so leich¬ ter zertretten wird , je weniger es sich seldst zu verwahren weiß? Sie sehen mein Freund, daß sich aus diesen Sätzen das Resultat von selbst herausnimmt: Die Seelsorge ist der Hauptgegenstand der Pastoral- theologie : aber gewiß nicht der einzige; denn der Sorge für das Heil seines Volkes muß bey dem Priester unmittelbar die Sorge für sein ei¬ genes Hei! vorausgehen. So spricht Gregor der Große in dem Buch der Sorge der Hirten, im zwcyten Theii , im z. Kapitej. Jeden Hirt, sagt Gregor^ ft)kl zu guten Handlungen tha- tig ftpn, damit er seinen untergebenen Gehäusen durch sein eigenes Leben den weg des Lebens weise, und die Heerde, die sich nach der Stimme und den Sit¬ ten der Hirten richtet, leichter durch die Beispiele, als durch Worte in die wah¬ ren s)fade geleitet werde, Soll ich Ihnen sagen, welche Eintheilung der Pastoraltheologie die beßte seye, so muß ich Sie gerade an das Evangelium Ioannis am io. Kap. anweisen. Ein guter Hirt sagt der Heiland, ruft seine Schaafe nach ihrem Namen. Ich bin der gute Hirt, und erkenne me ne Gchaasc. Die erste Eigenschaft emes guten Hirten. Sic 2§ EÄH Gre werden meine Stmrme höre». Die zwote Eigenschaft des guten Hirten. Und er findet für sie gesunde weide, L ftufruu iuvsnist. Die dritte Eigenschaft. Und da er die ihm gehörigen Schaa- fe an die weide führet, gehet er voraus. Die vierte Eigenschaft. Der Miethling, dem die Schaafe nicht zugchörcN/ sicht, daß der Wolf im Am Zuge ift. Er flieht, und der Wolf würgt in der Heerde. Ein guter Hirt giebt für seine Schaafe sein Leben. Die fünfte Ei¬ genschaft. Laßt sich nach diesem Evangelischen Begrif wohl eine andere Eiutheilung der Postoraltheo- logie machen, als folgende: 1. Der Hirt muß seine Schaafe kennen. 2. Der Hirt muß seine Schaafe mit stimm Wort weiden , z. Der Hirt muß seinen Schaafen in jeder Rechtschaffenheit mit guten Veyspielen vorleuchten. 4. Der Hirt muß den Schaafen die Weide der Sakramente reichen. 5. Der Hirt muß feine Heerde, seine Ge¬ meinde vor einreissendm Mißbrauchen bewahren. Dieß HI LY Dreß sind also die schicklichsten Abschnitte in der Pasioraltheologie. Die Art belangend, bm ich der gegründeten Meinung , daß die Pastoral« theologie in der Mutcersprach gegeben werden solle. Es ist sicher, daß die lateinische Sprache von einem weiten Umfang seye, daß man sich durch selbe deutlicher und kürzer als durch die Muttersprache erklären kann. Man darf nur eine Uibersehung in unserer Muttersprache gegen das lateinische Original betrachten. Die Uibersehung wird einen unweit grösser« Band bey gleichen Karakteren ausmachen, als das Original. Man gewinnt also bei einer Pastoraltheologie in der Muttersprach weder Zeit, noch Papier. Allein es zeigt sich die Nothivendigkeit der Muttersprach nicht undeutlich, wenn man einen grossen, und gewiß den größten Theil der Postoraltheologie in Betrachtung zieht. Ich irre keineswegs, wenn ich den praktischen Unterricht des Predigtamts oder der Homiletik einen grossen, oder den grö߬ ten Theil der Pastoraltheologie nenne. Gewiß da bis auf unsere Zeiten in den Schulen keine Pflicht der Hirten so obenhin behandelt wurde, als die Predigtkunst, wird es wohl nicht unbillig sepn wenn man an diesen Unterricht in der Pastoral-- theologie die vornehmste Rücksicht ergreift. War¬ um soll aber dieß Fach eben in der Mutter¬ sprach behandelt werden? Die Antwort ist deut¬ lich. Ein praktischer Unterricht erfordert den Un¬ terricht in Beispielen. Würde es wohl natürlich seyn, wenn man einen Menschen mit lateinischen Beispielen zu einer deutschen Predigtkunst abrich¬ ten wollte? Anderst erfindet der Lateiner seine Pa- go NB Parabeln , anderst kleidet er seine Parabeln em, anderst führt er seine Geschichten an, und anderst bewirkt cs der Deutsche. Wenn ich also bestimmt bin, in der Muttersprach zu predigen, so muß ich ja in der Muttersprach unterrichtet werden, alle diese Manipulationen zu erlernen, sonst ist mein Unterricht zu wenig praktisch. Endlich ist es auch nothwendig, daß dem Lehrling der Pastoral- theoiogie die Granzen gezeigt werden, cur denen sich sein Vortrag halten muß, um dieser Gat¬ tung Zuhörer nicht zu Unverständlich, jener nicht zu pövelmässig zu predigen. Er muß also selbst in der Mundart im Ton seines Vortrags geübt werden, er muß den höhern vom Mittlern, den Mittlern vom platten unterscheiden lernen. Ich sehe also gar nicht ein, wie es möglich ist, daß Man angehenden Seelsorgern eine andere als deut¬ sche Homiletik vorlescn solle« Ist nun einmal der größte Thetl der Pastoraltheologie in der Mutter¬ sprach zu verfassen, warum sollen die übriger! Theilc der Pastoral anderst unisormirt werden. Der größrc Theil zieht die kleinen nach sich. Ei¬ tlem so alten Sprichwort kann man wahrhstiz etwas zu guten thum Sehen Sie lieber Freund, wie mir die Muttersprach in der Pastoral am Herzen liegt. Ich hätte vielleicht nicht so viel sagen dürfen; denn es ist genug, daß der Monarch, der eigent¬ lich öey dem Studium di: erste Stimme hat, nicht nur allein in der Pastoraltheologie, sondern in allen Klassen, die Dogmatik ausgenommen, deutschen Unterricht anbcfohlctt hat. Er ernennt den Nutzen davon, wenn die Muttersprach ein¬ mal aus ihrer Kindheit kömmt, in der sie Key Zr den Deutschen so lang unterdrückt lag. Das ge¬ meine Volk profitirt darum, wenn die Volkslehrer jn ihrer Mundart eine gewisse Nettigkeit beob¬ achten. Zu dieser müssen sie aber angeführt wer¬ den; und der eigentliche Platz dazu ifi die Pastoral- kheologie. Jetzt leben Sie wohl! Ich will sehen, ob Ihr Herr Pfarrer mit meiner Denkungsart zufrieden feyn werde. Ich bin von ganzem Herzen rc. Sechster Brief. I. S. an A. E. A. zu S, P. M * am y. Okt. 1784, Hochwürdiger Herr tc. ^Mhre Menschenkenntniß verlaßt Sie Key keiner Gelegenheit. Ich habe den letzten Brief mei¬ nem Pfarrer vor der Mittagstafel gelesen. Zu spat siels mir ein, wie feindselig das war, als ich sah, daß ihm der Unterricht in der Mutter¬ sprach den Appetit verdarb. Er aß nachdenkend, ohne der gewöhnlichen Munterkeit, die sonst die Speisen würzt. " So sind denn alle unsere s, Professors und Gelehrte Katzcnköpfe gewe¬ sen ? So fragte er wiederholtermalen, murrte et¬ was in den Bart hinein, und rüttelte seine Perü- que que bald rechts, bald links. Daß die Pastoral- theologie ein eigenes Studium seyn soll/ hieß er gut, aber nur keinen Unterricht in der Mutter¬ sprach. Er versprach mir abends einige Einstreu-- un-gen schriftlich zu bringen, und verlangte, daß ich selbe Euer Hochwürden cinliefern möchte. Ich batt ihn, er möchte Ihnen selbst schreiben, und seine Anstande an die Hand geben, versicher¬ te zugleich, daß es Ihnen vorzüglich gefallen würde Nach vielen Einwendungen entschloß er sich- dazu, blieb den ganzen Tag in seinem Zim¬ mer, und als er zu dem Abendmahl erschien, brachte er den Brief mit sich, den ich hier einschliesse. Ich bin mit der vollkommensten Verehrung rc. Siebender Brief. Der Pfarrer zu M an A. C. A. zu S. P. M * am 9. Okt. 1784, Hochwürdig, Hochedelgebohrner rc. ergeben Euer Hochl. daß ich Sie mit meinen geringen Zeilen molestire , und vielleicht in grossen Geschäften auf einige lVIomentu. itttercipi- rc ! Vorzüglich danke ich Euer Hochl. , daß Sie sich so viele Mühe geben, meinen jungen Kaplan in der standesmassigen Erudition zu pcrfektioniren: und ich kontestire, daß auch mein eigener Profit dabey seine Portion -geniesse- Man lernt doch in unserer Profession niemal aus, und cs ist sicher, daß ZZ daß man heut zu Lag neue Lehren hört, die in unfern Tagen mMsris waren. Einige Din- gelassen sich hören, denn ich bin der sogenannten Auf¬ klärung nicht in omni iinsu feind: aber es giebt Neuerungen, die ich wie die muteria xZeeunL in meinem eigenen Ingrweid verabscheue. Ich weiß, daß Euer Hochl. ein gelehrter und gewissen¬ hafter Herr sind / und lieut upis ex üoridus nicht Gift, sondern Honig sammeln: aber gleich¬ wohl machte mir der Grundsatz, den ich aus dem letzten gratiostu Zuschreiben an meinen Kapellan verstanden habe, einige Censtderatisnen. Daß dir Pastoraltheologir ihr eigenes Studium haben muß, ist so richtig, als es gewiß ist, daß wir heutr Pen 9. Qktb. zahlem Ich weiß es am besten, in ljuibus suiZuMis ich gewesen seye , als ich Ko¬ operator ward. Auf einmal sollte ich Outstsäraiw besteigen, und habe niemal predigen gelernt. In der sechsten Schule hat uns freylich der Magister die Rede des Cicero wider den Catilina so aus- «inander gesetzt, daß es einer völligen Anatomie gleich sah. Mit dem wars aber auch abgetham Bis ich zur Kooperatur kam, hab ich alle die schönen Figuren vergessen, von Venen Cicero Meister ist: uttd da ich predigen sollte, konnte ich mir hundertmal vorstellen, daß meine Pfarr¬ kinder vielleicht eben so grosse Schurken seyen, als Catilina war, und daß Cicero in allem Ver¬ stand der Redner prirnsa alallm seye, so wüb mit alle deM die Predigt doch nicht fertig. Mein reluZium waren dann, die Bücher. Aber welche Bücher hatten wir in illo tömpore? Wenns nun aber ex lme purte richtig ist, haß man ein eigenes Studium in der Pastoral L ha- L4 haben soll, so bin ich doch ex altern xarts seht? unwillig darüber , daß man dieses Studium, iir Lingua vernneula treiben soll. Ich habe einige vdzsöiiones wider diese Meinung gesammelt, und bin so frey , daß ich sic ssic loei aufiihre, und verspreche eorZitus , daß ich der andern Meinung mauidas pestibus^us beytretten will, wenn mir meine od^eüionss resolvirt werden, l^unc aä nrma! Der Kaiser will freylich, daß alle stuäia, bis auf die Dogmatik , deutsch sollen gegeben werden. Wie aber, wenn der Kai¬ ser unrecht hat? Er will die reine Muttersprach verbreiten. Es Ware in runrum ouantum schon» recht. Aber er denkt nicht, Hualia infortum» daraus entstehen können. Bey dem gemeinen Volk wird mit der Liebe zur reinen Mundart auch die Liebe zum Lesen wachsen. Mit diesem stsücleriv wird nicht nur allein der Häuslichkeit des Bauern vor den Aspf gestossen, sondern auch die Gefahr herbeygrsogen, daß unterschiedliche schädliche uns heillose Bücher unter das Volk verbreitet werden. Was liegt daran, wie das Volk rede, wenn es nur seinen Acker baut, christlich lebt, und feinen Herrn zahlt. Aus eben dieser Urfach kann ich auch die neue Normalschule nicht leiden. Der Dauer ist allzeit grob, aber rin studirter Bauer »st ein doppelts Rindvieh. Bitte wegen meiner kiufrichtigkeit um Verzeihung. Darf ich es sagen ? Das Hauptfundament, welches Euer Hoch!, angezogen haben, um die Pastoraltheologie in die Muttersprach zu bringen, ist nicht stichhaltig. Wenn die Pastoraltheologie, oder wenigst die Homiletik deutsch gegeben werden muß, L5 muß, weil es der praktische Unterricht so for¬ dert , so werden wir auch im Lande eine windi- sche Pastoraltheologie haben müssen, weil viele Lehrlinge in tun vitu niemal deutsch, sondern all¬ zeit windisch predigen werden, ä.rZumsntunr Zravillimi ponäsris. Man quält ja die jungen Leute mit immer neuen Kuäiis usgus uä rnorcsm. In der Anspannung ihrer Talenten muß za endlich eine Loujuüou erfolgen. Eöas wahr ist, bleibt wahr. Man gerathet jetzt auf viele nützliche Dinge. Aber lauter Esel hat eS doch eh in der Seelsorge auch nicht ge¬ geben. Es waren Diele hundert rechtschaffene Hir¬ ten , eh es noch jemanden geträumt hat, eine Pa- sioralthcologie in der Muttersprach aufzubringefl. Eine deutsche Pastoraltheologie wird von al¬ len Menschen gelesen werden. Sogar Weiber werden sich darüber wagen; denn was lesen die Weiber nicht jetzt schon alles! Ltupsnämn erit > wie sich die Ehrfurcht gegen die Klerisey verkeh¬ ren wird. Wozu braucht das gemeine Volk unse¬ re Fehler zu lesen! Man wird die Sache falsch verstehen, und Forderungen an die Seelsorger machen, die aus der Weis seyn werden. Lxxsr- tc» ereeie R.uxsrto! Hat nicht die erste Kirche aus ihren Heilig- thümern Geheimnisse gemacht? Soll dann nun ,dje fcoln LleriLorum so offenbar vor allen Au¬ gen da stehen, und unser Institut, unsere bvaZi- litudSL liumuure nnturL fast unentbehrliche Abq S z wei-° §6 Weichlingen in übilum xopuli wie im öffentli¬ chen LxsäknLulo auftretten? Lseretmn msum vliiii. Wenn ich Nachdenken wollte, so würde ich ohne Zweifel noch mehrere Einwürfe wider die qüastionirte Wahrheit aufbringen. Ich bitte untcrthänigsi mir meine Freyhcir, und die schlech¬ te Schrift nicht übel zu nehmen- Meine Kanzler) ist schlecht eingerichtet; denn wir krutffiei schreiben selten. Ich freue mich wirklich auf den nächsten Brief, den mein Kapellan erhalten wird, denn ich hoffe, daß meine Einwendungen eine Lidnota¬ tion "verdienen. Ich bin mit allem möglichen Re¬ spekt rc. Achter Brief. A. E. A. zu S. P. an Herrn Pfarrer zu M * S. P. am 15. Okt. 1785. Hochwürdiger, Werthester Herr, ^bicht Ihrem Kapellan, Ihnen selbst will ich schreiben , zur Probe, wie sehr mir Ihre Vertraulichkeit gefiel, und wie wenig ich über Ihre Einwendungen beleidigt bin. Glauben Sie nicht Hr. Pfarrer, daß ich den Unterschied der Denkungsart nicht kennen solle, der hier und dort Z7 hort besteht. Die Auferziehung, die Gelegen¬ heit, die Muse, mehr oder weniger zu lesen, mehr oder weniger nachzudenken , die Modifika¬ tion des Talents selbst giebt jedem seine eigene Vorliebe in Meinungen^ feine Busensentenzen. Hie sind bey aller Ihrer widrigen Denkungsart in meinen Augen der ehrlichste Mann, weil Sie phne Uiberzeugung von Ihrer Meinung nicht ab¬ gehen wollen. Sie haben recht: jeder ehrliche Mann macht es so. Die Genien, die wie das Rohr am Ufer von jedem Wind auf eine andere Seite gelenkt werden, sind in meinen Augen kei¬ ne haltbaren, werden njemal gründliche Köpfe. Ich weiß nicht, ob ich Sie von meiner Meinung so vollkommen überzeugen kann, daß Sie beruhigt sind/ aber, was Ihre Einwendun¬ gen betrift, glaube ich, daß ich sie auflössen mag: Ich werde Ihre Satze nach der Ordnung vornehmen , und selbe Wopt für Wort die Mu¬ sterung paffjren lassen. Der Aaiscv will frcplich, daß alle Studia bis auf die Dogmatik deutsch sexn sollen, wie aber, wenn den Raifcr un¬ recht hat? Verzeihen Sie mir mein Herr l Dieß ist ein wenig vom Dreyfuß herabgesprochen. Wenn Sie Ihren Satz nicht gründlich behaupten können, so ist so ein Machtspruch wider den Monarchen immer ein Bißchen Vermessenheit. Ich weiß wohl, daß wir dem Kaiser keine Unfehlbarkeit zutrauen dürfen. Aber so lang die Schädlichkeit seiner Verordnungen nicht ohne Widerspruch da steht, z sind Z o - sind wir ihnen Gehorsam schuldig: und welcher Leusel würde wohl unsere Obrigkeit zu seyn ver¬ langen, wärs auch zum Ersatz für die höllischen Peinen, denen ec entflöhe, wenn er keine Ver¬ ordnung machen dürfte, als eine solche, die jeder Einbildung, jedem Dorurtheil anstünde; Aber er denkt nicht, sagen Sie, yunlis instorLuniL daraus entstehen können. Der Bauer wird be)> Gelegenheit der reinern Mundart zur Lektüre kommen, schädliche Bücher werden cingcstchleppt. Aber Herr Pfarrer! Ist dieß des Kaisers Wille? Nach Ihren Grundsätzen würde vielleicht Joseph am besten handeln, wenn ec alle Schulen abbrachte. Dann würde Niemand lesen lernen, und trotz dann den Büchern, die uns verführen wollen! Wenn jede Censur ihre Pflicht erfüllt, har's mit schlechten Büchern keine Gefahr: und we lche können schon an den Bauer kommen! Wenn alles das, woraus zufälliger Weise durch Mißbräu¬ che Irrungen geschehen, ausgerottet seyn müßte welche Verwirrung würde entstehen, welche gute und unentbehrliche Dinge getilgt- werden müssen? Sagen Sie nicht!-- tVas liegt daran, wie das Volk rede, wenn es nur seinen Acker baut, und seinen Herrn zahlt. Es liegt aber wohl daran, daß das Volk immer mehr aufgeklärt werde. Es ist eigentlich nicht um die reinere Mundart zu thun. Aber sie lauft in der Klaß mit, und macht so einen kleinen Anfang um regelmässiger, um bestimmter L» z, zn denken. Man muß eines thun, und das an¬ dere nicht unterlassen. Der Bauer soll seinen Acker bauen, christlich leben, und seinen Herrn bezahlen, besonders die Herrn Pfarrer für die Stollgebühr, Zulege, und Zehenden; denn dieß ist bey Manchen aus euch über das Evangelium selbst; aber soll's dann gegen diese Pflichten Ir¬ rung verbreiten, wenn yian das Volk aufklart? Nein. Den Schulen sind Sie auch feind lieber Mann r und so lang Sie mit diesem Gegenstand nicht Frie¬ de machen, soll unter uns Krieg bleiben! Dee Bauex ist allzeit grob: aber ein studirtev Lauer ist allzeit ein doppeltes Rindvieh. Nicht so mein Freund! Eben darum, weil der Bauer von Natur aus grob ist, muß er eine Erziehung erhalten, die ihn gesitteter macht. Und diese Erziehung ertheilt die jetzige Schul. Es ha¬ ben sich vormals einige Bauern, weil es deren wenige gab, die etwas gelernt hatten, gegen An¬ dere gebrüstet, und weil die Schulen dazumal sehr roh gewesen sind, mags seyn, daß solche Leute gröber ausgesehen haben als andere, Aber jetzt sind die Schulen allgemein, und in einer solchen Verfassung, daß selbst die Natur in den Kindern verbessert wird. Sie werden gesitteter, nachgie¬ biger , lenkbarer. Wir sind bey dieser Anmerkung ein wenig weit von der Pastoraltheologie wegge¬ kommen. Mein Ihr erster Einwurf hat »ns ganz natürlich da hinaus geführt. Es ist Zeit, daß wir naher zu unserm Ziel rücken. Und sieh! da kömmt uns schon Ihr zweyter Einwurf entgegen. S4 Wrnn 40 AL"" Wenn die Homiletik, sagm Sie, darum deutsch gegeben werden soll, weil es ein praktischer Unterricht fordert, daß ich in jener Sprach abge¬ richtet werde, in der ich meine Kenntnisse Andern mittheile, so muffen wir in ganz Innerösterreich rine windische Pastoraltheologie haben, weil sehr viele in ihrem Leben keine deutsche, sondern lauter windische Predigten machen werden. Ich wurde Ihnen an der Stelle Recht geben Herr Pfarrer! Nur einige sehr kleine Umstande sind mir im Weg. Gedoppelte Schulen von einer Klaffe sind für den Staat zu kostspielig. Aus den Gtudirenden ist kaum der dritte Theil, der win- difch spricht. Wohl aber spricht auch dieser dritte Theil deutsch. Die Schul kann also nur in der Sprache gehalten werden, die alle verstehen. Die windische Sprache wird auch noch lange in Jnner- ösireich unter der Anlage bleiben, die Sprache der Professoren zu seyn, in der man wissenschaftliche Gegenstände erläutert, Glauben Sie nicht, daß die jungen Leute durch dies neue Stück Arbeit blöder werden sollen: es ist sicher das reizendste Studium für einen jun¬ gen Menschen, der für seine Ruh, zu seinem Ruhm, und zum Heil der Seelen ein offner. Kopf bey seiner Seelsorge seyn will; für einen jungen Menschen, sage ich, der nicht den Schlendrian mitmachen wlll, den er allenthalben findet. Frey- lich har es vor der Hand in der Seelsorge nicht lauter Esel gegeben, aber die Pastoraltheologie in der Muttersprache wird machen, daß es von nun Wenn ihr Herr Kollege den Hirten mit seinem Schaaf in kein an¬ deres Verhaltniß zu bringen weis, als in jenes, wo er über die Würdigkeit oder Unwürdigkeit des Schaafes zum Empfang eines Sakraments das Ur- theil zu fällen braucht, so hat er recht, wenn er alle übrige Erkenntniß seiner Schaafe verscheut. Allein nichts davon zu melden, daß oft die vorhergehende Kenntnisse seiner Schaafe in dem Beichtstuhl, besonders bey Kranken, und Schwach¬ sinnigen herrliche Dienste leisten, wovon der Herr Kollege allschon unterrichtet seyn soll, frage ich ihn noch einmal, ob der Lehrer des Volks nicht der Arzt seye, der seine Arzney nach den Bedürf¬ nissen der Krankheiten abmessen soll, ob er nicht vorzüglicher an jenen Vortrag alle Mühe verwen¬ den müsse der den herrschenden Sitten in seinem Kirchspiel entspricht, und ob es folglich nicht un¬ entbehrlich seye, sattsame Kenntnisse von dem Hang, von der Lebensart seiner Pfarrkinder zu sammeln. 2«, 62 iMiE---------NV Ja - sagen Sie drittens -. oder vielmehr Ihr Koüegessagte es — Die Kenntnisse der Vergehungen, der herrschenden Leidenschaften, um darnach seine Leh¬ ren cinzurichten, laufen aufPartikularisiren hinaus, was doch von einem rechtschaffenen Hirten niemal ge¬ nug vermieden werden kann, weil man durch ei¬ nen solchen Vortrag vielmehr beleidigt, als bessert» Ich antworte: Partikularisiren heißt in meiner Terminologie individuelle döse Handlungen, Thatsachen auf der Kanzel erzählen, und einen solch unglücklichen Pinsel Wahlen, der bekannte Menschen zeichnet, und wy das Portrait so auffallend wird, daß der klügere Zuhörer wenigst das Original nicht verkennen kann. So was ist freylich fern von dem Ziel einer heiligen Kanzelrede. Aber wer von einem Laster nicht zu reden vermag , ohne in das Detail von gewissen Personen zu gerathen, wer das Laster nicht schildern kann, ohne den Laster¬ haften sichtbar zu machen, muß im Reiche der Wohlredenhcit der größte Ignorant seyn. Was in ihren Einwürfen fünftens gerügt wird, lauft dahinaus: Es seye wider den Wohl¬ stand des Seelsorgers, den Leuten Gelegenheit zu geben, daß sie die Fehler ihrer Mitbrüder in den Pfarrhof schleppen; der Hirt gebe sich auf diese Art dem Vorwurf einer sträflichen Neugierde preis, und cs seye weit schicklicher, die Bestrafung und Ahndung der Schuldigen den Aeltern, den Hausherrn, den Qrtsobrigkeiten zu überlassen. Antwort: Wenn die Fehler der Menschen auf eine andere , geschwindere, minder schädliche Art verbessert werden können, bin ichs wohl zu¬ frieden , stieben, daß der Hrrt von der Nothwendigkeir, zur Verbesserung der Fehler seines Kirchspiels ei¬ nige Schritte zu Machen enthoben wird. Aber, es giebt Verirrungen, die weder durch gerichtliche Strafen, besonders wenn sie Geldbussen sind, we¬ der durch blosses Ansehen, sondern durch väterli¬ che, geistliche Ermahnungen, worinn dem Schuldi¬ gen die Abgründe eines nicht mehr zu ersetzenden Seelenschadens geöfnet, und die Mittel, die allein noch fähig sind, solch einen Verirrten auf den wahren Weg zurücke zu bringen, gezeigt werden: und wer ist wohl, der hier wichtigere Dienste, als der Seelsorger leisten könne? Ueberhaupt, las ich endlich in Ihrem Schrei¬ ben , findet man die Mühe des Seelsorgers, seine Pfarrkinder zu kennen, und darnach seine Predig¬ ten sowohl als die Privatermahnungen einzurich¬ ten, größtentheils unnütz, größtentheils schädlich. Bey dieser Mühe lauft es im Grunde dahinaus, daß der Hirt vom äusserlichen Betragen, auf die innere Richtung des Herzens schließt, und Men¬ schen vom Hörensagen beurtheilt. Wer weiß es aber nicht, wie sehr der Schein meistentheils trügt, und wie oft man die Menschen beleidigt, wenn man ihnen, von fremder Relazion irrege- fsthrt, Vorwürfe macht. Wie weh muß es einem Pfarrkinde thun, wenn's von dem Seelsorger über Dinge, in denen es unschuldig ist, Verweise er¬ halt! Antwort : Hirten müssen nicht vom Schein zweydeutiger Handlungen, sondern nach dem un¬ verwerflichen Zeugniß offenbar bewiesener Hand¬ lungen auf die' innere Richtung des Herzens schlüf- sen. 64 sen. Nicht das blosse Hörensagen, sondern daS Zeugniß oder die Klage rechtschaffener, glaubwür¬ diger Manner muß den Hirten von dieser oder je¬ ner Aufführung überreden. Dey diesen Vorsichten wird man nicht Gefahr laufen, seinen Kopf mit voreiligen Vorurrheilen anzufüllen , und seine Schaafe mit ungerechten Vorwürfen zu kranken. Setzen wir aber auch den Fall, daß der Hirt oder durch eigene Muthmassung, wozu ihn Handlungen, die er zu bemerken schien, Gelegenheit gaben, oder durch unrichtige Nachrichten betrogen, in ei¬ ner Privatermahnung seinem Pfarrkind Vorwürfe macht, die es nicht verdient: Wer wird dann dar¬ um behaupten wollen, daß der Seelsorger auf der Stelle oder sein Schäfchen in Kleinmuth stürze, oder das Vertrauen desselben verlieren müsse. Ein weiser Htrt pflegt nicht mit Ungcstümm und Raserey, gleich einem würgenden Wolfe, das Schäfchen anzufallen, und die Muthmassung des Vergehens als eine gewisse Behauptung unartig hervorzuziehen. Er wird mit väterlicher Güte, gleich einem Arzte, der eine vermuthete Wunde bey dem Kranken sachte untersucht, sich um den Vorfall erkundigen. Er wird betheuren, daß es ihm schwer falle, dergleichen Vergehungen bey sei¬ nen Pfarrkindern rügen zu müssen. Er laßt dem Beschuldigten Zeit sich zu fassen, sich von dem Vorwurf zu reinigen, und den Verdacht zu ent¬ waffnen. In seinem Auge leuchtet die Freude her¬ vor, wenn der Unschuldige mit Beweisen seiner Schuldlosigkeit in die Höhe kömmt. Ich möchte wohl wissen, ob eine auf diese Art entdeckte fal¬ sche Vermuthung des Hirten demselben die Verach¬ tung tnng seines Pfarrkindes, oder dem Pfarrkinde selbst Kleinmürhigkeit zuziehen könne? Es werden aber nicht alle Hirten mit solcher Gelindigkeit verfahren / nicht alle diese Vorsichten brauchen. Das mag ser-n: aber es sollte nicht. Eben darum haben wir ja eine Pastoraltheologie, damit die Seelsorger ler¬ nen , alles nach der Vorschrift der Wohlanstandig- keit vorzunehmen. Werden darum die Regeln aufhören, weil es Menschen giebr, die solche nicht beobachten? Es wird nicht unnütz seyn, wenn ich vor dem Ende dieses Briefes, dasjenige anzuführcn willens werde, was sowohl das Konzilium von Trient, als Petrus de Soto über diesen Gegen¬ stand geschrieben Haven. Ersteres, da es in der ogsten Sitzung im Neformarionsdekrct am i. Kap. die Abwesenheit der Hirten aus ihren Kirchsprengeln verdammt, beschwert es gleichsam alle und jede, bey dem hei¬ ligen Gehorsam gegen Gott, gegen die heilige Kirche, und gegen den apostolischen Stuhl zu Rom, sich diesfalls nach den sehr eingeschränkten Ausnah¬ men der heiligen Versammlung zu benehmen, und die gesetzwidrige Abwesenheit als eine förmliche Entäusserung von ihren Hauptpflichten anzusehen. Und welche waren dann eigentlich diese Hauptpfiich- Len? Die vorzüglichste wird von der heil. Versamm¬ lung in der nothwendigen Erkenntnis der unterge» ordneten Sehaafe aufgeführt. Du es, heißt der Auf¬ druck, durch ein göttliches Gebot «allen, denen die Seelsorge obliegt, aufgetrugcn jsi, ihre Gchuufe in erkennen — u. s. 5. E Pe- Petrus de Goto schreibt in seinem Werke Von dem Leben der Priester in der 6ten Lesung, wie folgt: Die Erkenntniß der Schaafe,' welche der Grund aller übrigen Handlun- gen des Hrrtens ist, crfodert vieles, und kann ohne grosse Machbarkeit nicht er» langt werden. Besser hinab fabrt er fort: erstlich muß der Hirt von den öffentlichen Sünden und Sündern Wissenschaft ha¬ ben. T^ach diesem muß er auch öffentli¬ che Aergernisse und Gelegenheiten zur Sünde auskundschaftcn. Und so fort. Die Sitten und Fähigkeiten eines je¬ den Schaafes muß er untersuchen, wel¬ ches aus dem ordentlichen Umgang erler¬ net wird. .... Und von mehrern dergleichen Din¬ gen muß er sich eine Lenntniß beylegcn, damit er weis, welchen Vergehungen er auflauern, und was er hauptstchlich nach der Dürftigkeit seiner Schaafe lehren solle. Endlick? soll er auch Fleiß haben, be¬ sondere Sünden, und die Gelegenheit zu stlben zu erforschen. Er muß sich so mit Beispielen und Ermahnungen bei seinem Volk in Lrcdit setzen, damit seine Un¬ tergebene das Vertrauen haben, ihm all jenes bcyzubringen, welches einer beschei¬ denen Nur des Seelsorgers bedarf. Wenn ihr Kollege mit der Erörterung seiner obwaltenden Anstande nicht zufrieden ist; wenn ich ihm AK 6?^ ihm seine Einwürfe nicht sattsam auflößte, wenn er wider die nöthige Erkenmniß, die der Hirt von seinen Schaafen haben soll, noch so lärmt, wie ehedem, so mag er es mit der Versammlung zu Trient, und mit dem Petrus Goto ausmachen.. Sie aber lieber Freund, befolgen meine Lehre! Sie massen wissen, mit wem Sie es zu thun ha¬ ben , so bald Sie in der Seelsorge sind, und dann werden Sie auch wissen, was Sie zu thun haben. Ein Verrichter auf Geradewohl ist ein Taglöhncr, der mit Händen und Füssen, aber nicht mit dem Kopf arbeitet. Leben Sie wohl! In meinem nächsten Schreiben werde ich oen zwey- ten Abschnitt der Pasioraltheologie beginnen. Ich bin vom ganzen Herzen re. Zwölfter Brief. A. E. A. zu S. P. an I. S. S. P. am 2. Iän. 1735. Lieber Freund re. Owo unentbehrliche Reisen in die Hauptstadt, c») und dann gewisse ökonomische Beschäfti¬ gungen , die jeden Hausherrn um das Ende des Jahrs in Beschlag nehmen, sind die Ursach, war¬ um ich zu Verfertigung dieses mir sehr interes¬ santen Briefes erst heute mich ganz verwenden konnte. E 2 Ich Ich fange an, Ihnen die Wicht zu siM dern, die jedem Seelsorger in Absicht auf den Vortrag des Wortes Gottes obliegt. Und hier überrasche ich Sie lieber Freund, mit einem Satz, der so sehr meine Busensentenz ist , so viel vielleicht Manche dawider zu lärmen haben. Mei-- m Meinung ist's, daß jeder Hirt (ich rede von jedembepfründeten Seelsorger) schuldig sey, in ei« ßener Person zu predigen, und seiner Pflicht kein Genügen leiste, wenn er auf den Predigtftuhl, worauf er fein Volk weiden soll, einen Söldner hinstellt, der seine Stelle besetzt. Die Gründe, die mich zu Vertheidigung dieses Satzes bewegen, sind sehr natürlich. Meins Schaafs, spricht der Heiland bcy Luk. sm io., werden meine Stimme hören. So ist dann derjenige nicht der achte Hirt, der seine Stimme den Schaaftn in keiner Lehre zu verneh¬ men giebtt In der That, da der Beruf des Hir¬ ten ein apostolisches Amr ist, wie können jene Seelsorger ihrem Beruf genug gethan haben, die sich von jenem Gesetze ausnehmen, welches der Hei¬ land den Aposteln bey Malchaus gab : Geht hin in dre ganze Welt, und prediget das Evan» gelimn allen Geschöpfen! Die Versammlung von Trient in der fünften Sitzung, im Reformationsdekret, am 2. Kap. be¬ fehlt ausdrücklich allen denen, welchen die Seel¬ sorge obliegt, wenigst an Sonn- und Feiertagen, entweder in eigener Person, oder, wenn sie ge¬ bührend daran verhindert sind, durch Andere ihren snvertrauteu Schaaftn die heilsamen Lehren beyzu- lbrirrgen, und dfts sygestaltig, daß der Bischof die in diesem Stücke Nachlässige durch die Schar¬ fe kanonischer Strafen und durch Dorenthaltunz der Einkünfte zu ihrer Pflicht führen solle. Eia so strenges Gebot setzt doch wohl ein sehr wichti¬ ges Verbrechen voraus: und man kann also wohl behaupten, daß die Unterlassung einer solchen Pflicht, die der allgemeinen Versammlung so sehr am Herzen liegt, höchst ärgerlich seyn müsse. Das Konzilium befiehlt obendarein den Bischöfen, daß sie mit ihren Kirchensirafen wider diejenigen, die den Vortrag des göttlichen Worts, ohne ge¬ setzmässig entschuldigt zu seyn, Andern überlassen, alsdann vorgehen sollen, wenn diese Fahrlässigkeit z Monate wahrt. Ich wenigst finde in dieser Be¬ stimmung auf der einen Seite zwar die mütterli¬ che Güte der Kirche, die einigen Zelanten zuvor¬ kommen wollte, die vielleicht jede Unterlassung, von der die Rede ist, zu hoch aufrechnen dürften: zugleich aber zeigt sich auf der andern Seite di¬ ernsthafte Strenge zur Warnung jener Qberhirten, die etwa für den Nachtheil der Christenheit nach¬ lässigen Seelsorgern zu lange durch die Finger zu¬ sehen möchten. In der That mein lieber Freund, setzen wi» auch den Fall, daß das Konzilium von dieser Schuldigkeit nicht so laut geredet hätte! Meinen Sie nicht, daß ein Pfarrer ohne Ehre in seinem Kirchspiel bestehen müsse, wenn er die Pfründe ganz genießt, aber nicht allen Schuldigkeiten ganz genug thut? Was halten Sie von einem Rath, der mit Tausenden besoldet ist, und sich einen Se- kretaire halt, der ihm alle Referats an die Zunge legt? Was würden Sie von einem Offizier den- E z ken , 70 ME--EÄ-F ken, der seinen Reitknecht in seinem Namen in die Bataille schickt? , Das Predigtarnt ist die wichtigste Schuldig¬ keit des Seelsorgers. Von diesem hangt eigentlich der Karakter des Kirchspiels ab. Dieses verbrei¬ tet unter dem Volk christliche Aufklärung, wahre Entwicklung der Religionswahrheiten , achte Sit« renlehre, unbefangene und vom Aberglauben ge¬ reinigte Andacht. Nur die Kanzel ist es, von der ich sagen kann, daß sie am Land die einzige Schul seye, wo Christen Christentum lernen mögen. Wenns nun einen Pfarrer giebt, dem diese größte unter allen feinen grossen Schuldigkeiten am we¬ nigsten zu Gesicht steht, können Sie so was billi¬ gen , können Sie ihn entschuldigen? Q ich würde Sie verachten, wenn Sie es könnten. Solch ein Mann ist ein Schaafschecrer, der faulste Laglöh¬ ner — Alles ist er, nur Hirt nicht. Ich kenne Sie zu gut, als daß ich fürchten müßte, von Ihnen eines unbescheidenen Eifers be¬ schuldigt zu werden. Wenn ich in Ihren Augen die Wahrheit sage, so bin ich für meinen Brief bezahlt. Haben Sie aber darüber einige Anstande, so rücken Sie damit ins Licht! Wir wollen sehen, wie wir Sie heben. Inzwischen leben Sie wohl! Ich brn re. Drey- Dreyzehnter Brief. Der Pfarrer zu M * an A, L. A< zu S. P. M * am i4. Zän, r^zZ. Euer Hochwürden rc, ^)ur gar zu oft ist das Unglück eines Menschen für einen Andern Glück. Wäre mein Koo¬ perator I. S. nicht an einem hitzigen Kathar tief in sein Bett affigirt, würde ich die Konsolation heute nicht haben seinen Briefsteller abzugeben. Ich und er, er und ich, alle beyde sind wir mit Dero leztem gratiosen Schreiben nicht zufrieden. Bey Gott im Himmel! EuerHochnstrrden predigen eine neue Wahr¬ heit, über die mein grauer Kopf stutzt. Selbst mein lie¬ ber Kooperator, der doch sonst mit allen Ihren Sen¬ tenzen allemal intime konvenirt, stutzte darüber, und brachte zween oder drey Anstände vor, so schwach sein Haupt war. Ich will die seinigen und dir meinigen in einem Bündel zusammfassen, so gera¬ dezu , als ich kann. Es liegt mir sehr viel daran, daß ich in liae lubrica causa extra äubia ge¬ setzt werde; denn, fateor, ich hab« Zeit meinrr pfarrlichen Qccupation sehr oft inerc proptcx (lonciouss einen Kooperator mehr gehalten. Wenn ich damit so kulpabel gewesen Ware, was hatt ich bey dem lieben Gott zu verantworten! Nea cul¬ pa , mea culpa, ruca maxima culpa. -—. Jedoch es kann nicht seyn , uou xotsft eile. Soll's denn nicht alles eins seyn, ob der Peter E 4 oder 72 oder der Paul predigt, wenn das Volk nur eine Predigt hat ? Es leben Seelsorger, die in fua vita keinen Predigtstuhl bestiegen haben: in dieser Lebensart verfahren sie bis in den Tod, und sind doch übri¬ gens eines guten Rufs, wo sie doch, wenn Euer Hochwürden recht haben, taiiezuam publicum zu betrachten waren. Ist in den Rechten der bekann¬ te Spruch vielleicht nur das fünfte Rad am Wa¬ gen : (üuoil HM8 per alium kacit , per 5e ip- tum Lecille eenl'srrätm elk?. Das Gesetz redet hier so allgemein, daß man es auch wohl bis auf Lie Pflicht zu predigen, ausdehnen kann; denn cs sieht wiederum in den Rechten geschrieben: ubi lex non äistinZuit, nec nos clistiu^uere 6e- demus. Gott hat sicher das Predigtamt zum Vorthcil der Elanbigen verordnet. Es kann aber geschehen, daß an einer Pfarrei), wo mehrere Mit¬ arbeiter sind , aus allen, die daselbst die Seelsor¬ ge haben, der Pfarrer selbst an der Kanzel von der wenigsten Bedeutung feye, und da haben wir denn einen Fall, in welchem man, 1ccun6um reejuitacem , zulassen muß, daß der Pfarrer den Uebstgen das Predigtamt nicht nur allein überge¬ ben kann, sondern auch muß. Daß man sich doch sogern contra communcm praxim vergreift! Es giebt cliAmlstmos parocbo8, die von so schwacher Lcibskonstitution sind, daß sie lino pc- rieulo vica: ihre Brust nicht epponircn können. Sollten solche Männer ihrer Dotation nicht genug ihun, wenn sie sorgen, daß andere talemirte Sub¬ stituten an ihrer Stelle predigen? bst tpiist sie- vercmiillimo ! Predigen nicht in allen Stadt- pfarrkirchen des Landes in der Runde herum bald Franziskaner, dort Kapuziner, an einem andern Ort dissolvirte Jesuiten; immer andere, nur die Herren Stadtpfarrer nicht? Ob alle diese Leute immer in xsecAto morrnli leben? Lees, wie weit die Sache geht, wem man Argumente ent¬ fuhrt, die wie ein Bogen zu hoch gespannt sind. Da Euer Hochwürden mit dem heiligen Gre- gorius so sehr bekannt sind, werden Sie in seinem Buch, die Sorge, der Hirten genannt, folgende Worte doch wohl gelesen haben: Da es sehr hart ift, einzusthen, ob inan genugsam ge- reiniget stpe, wie Isaias, da er abgcschicke wurde, den willen Gottes zu verkündi¬ gen, ist es sicherer, dem Aredigtamt aus¬ zuweichen? Wer wird es also jenen Hirten, die, weil sie weniger blloczusutinm besitzen, als ihre Kooperatores, den Predigtstuhl selben kom- mittiren, gleich auf die schwarze Tafel aufschrei¬ ben? Ich habe cum omnilmLsritste geschrieben, und, wie ich schon sagte, in Luusu propriu. Ick) bitte dahero um Vergebung, wenn ich vor- bum fortuNs uarius in meinem Brief erscheinen ließ, ^miei persona sind öfters iuimiei euus«. Ich empfehle mich zu Gnaden : und bin mit voll¬ kommener Verehrung por omiiLL vitX dies Lco. E 5 74 », . .. Vierzehnter Brief. A. E. A, zu S. P. au Herrn Pfarrer zu M * G. P. «m K. Mn. 1715° Mein bester Herr Pfarrer «. ichs doch ehevor, daß ich gleich bey dem Eingang meiner Abhandlung von dem Pre¬ digtamt Feinde meines Satzes finden wurde. Ge¬ wisse Wahrheiten, die am wenigsten zu laugnen sind, verstossen sich den den Menschen darum am meisten, weil sie dieselben gerade in ihrem eigenen Haus an- greisen, und die üble Wirthschast lästern, die da¬ selbst gepflogen wird. Es ist mir leid, daß Sie Ihre Einwürfe von den Einwürfen meines Zög¬ lings nicht unterschieden haben; denn ich möchte wohl wissen , wie tief ihn ein hitziger Kathar in seiner Aufklärung zurückfehen konnte. Es sind un¬ ter diesen Einwürfen einige von Erheblichkeit, andere ganz und gar unbedeutend, und so zu sa¬ gen, Vorspiegelungen von jenem Hinterhalt, wo sich matte Seelsorger so gerne für gesichert halten. Was die Einwürfe selbst betrift, gebe ich nachstehende Auskunft. Sir sagen erstens : Solls denn 'nicht alles eins seM, ob den Peter oder- der Paul predigt, wenn das Volk nur eine predigt hat r* Gewiß mein Herr! Sie haben es gelesen, daß die Versammlung zu Trient es gar nicht für eins halt. Das Volk zwar kann durch jede Pre¬ digt erbaut werden, ob sie der Peter oder der Paul sagt, nur ärgern sich die rohen Leute am Lande manchmal, wenn immer der Peter predigt, und der Paul, den man eigentlich als den Hir¬ ten installirt hat, wie ein stummer Haushund im Pfarrhof sitzt. Es leben Seelsorger', sagen sie zweytens, Vie in ihrem Leben keinen Predigtstuhl bestiegen haben. In dieser Lebensart verharren sie bis in den Tod, und sind doch übrigens eines guten Rufes, wo sie doch, wenn ich recht h^e, wie ostene Sün¬ der zu betrachten waren. Der heilige Paulus, lieber Herr Pfarrer, da er vom guten Ruf spricht, betheuert, daß er das Zeugniß der Menschen dafür nicht annehme. Von den beßten Menschen spricht die Welt oft übel, und von den Meisten redet sie nicht selten gut. Der heilige Augustin ist der Meinung, daß es Menschen geben könne, die da gelobt werden, wo sie nicht mehr sind, und dort ewig brennen, wo sie sind. Der beßte Ruf bey der Welt ist ohne dem Zeugniß des guten Gewissens ein Por- trait, das in der Malerey ein Kunststück seyn mag, aber gewiß vom Original keinen Zug enthalt. Es kann seyn, daß gewisse Ortschaften so gut sind, und den Pfarrer, der an der Kanzel immer einen Sekretaire hält, gebührend verhindert zu seyn glau¬ ben. Aber überhaupt würde man sich sehr irren, wenn man der Meinung wäre, daß das Volk die E s Pflicht Pflicht des Psiwrers, vor allen anderen vorzüglich an der Kanzel zu erscheinen, verkenne. Ich hab« alle mögliche Hochachtung für Sie mein Herr l Aber erlauben Sie mir, daß ich Ihnen sage! -- Wenn Sie das schon für eine Gcwissensberuhigung nehmen, daß das Volk einen Pfarrer, der nicht predigt, für gebührend entschuldiget halt, unk nicht. wider ihn murret, so werden Sie bey vie¬ len sündhaften Handlungen, wenn Sie selben nur einen ehrbaren Umriß geben können, Beruhigung finden, die Ihnen aber linst übel bekommen würde. Ihr dritter Einwurf heißt: Die Rechten sagen: N?as man durch Ändere thut, rjck so viel, als ob mans selbst gethan hätte. Das Gesetz redet hier so allgemein, daß man es auch wohl bis auf die Pflicht zu pre¬ digen ausdchncn kann; denn es fteht wie¬ derum in den Rechten geschrieben: U)o das Gesetz keinen Unterschied macht, mus scn auch wir keinen machen. Diese sicher ge¬ glaubte Regul aus den Rechten mag wohl in je¬ nen Stücken sicher seyv, bey welchen die Rechten anderstwo keine Ausnahme machen, nicht aber in unserm Fall; denn wir haben schon aus den Hand¬ lungen der Versammlung zu Trient, die ohne Zweifel zu den neuern kanonischen Rechten gehö¬ ren, erwiesen, daß jene Hirten, welche, ohne ge¬ bührende Entschuldigung, den Vortrag des Wor¬ tes Gottes vernachlässigen, ihrer Pflicht nicht Ee- nugthuung leisten: oder man wird zulassen müssen, daß man einen Menschen, der seine Schuldigkeit thut, mit kanonischen Strafen belegen könne. Sie sehen also Herr Pfarrer, daß das Gesetz hier wirklich einen Unterschied mache, und daß folglich anch 77 Mr Mschm gebührend verhinderten und nicht ver¬ hinderten Seelsorgern welchen machen müssen. Gote hat sicher das predigtamk, sa¬ gen Sie viertens, zum Vorthcil der (oluubi- gen verordnet. Es kann aber geschehe»/daß an einer Pfarren, wo mehrere Mitarbei¬ ter sind, aus allen, die daftlbsi die Seel¬ sorge haben, der Pfarrer an der Aaüzel von der wenigsten Bedeutung styc: und da haben wrr nun einen Fall, in welchem man billigermaffen zulasten muß, daß der Pfarrer den Uibrigen das predrgtamt nicht nur allein übergeben kann, sondern auch muss. Lieber Herr Pfarrer! Meinen Sie denn, Laß wir, falls es ein anderer besser macht als wir, unserer Obliegenheit schon ledig seyen ? Ob der Kaiser mit seinen Generalen schmollen wür¬ de , wenn dieser seinem Adjutanten das Comando überließ, weil ers besser versteht, und sich dafür in den Schatten einer Hecke setzte? — Wird denn, wenn alle Kooperatores gelehrter find, der Pfarrer gar ohne Nutzen predigen, kann er sich nicht hinaufarbeiten, wäre es denn Schande!, selbst von seinen Kooperatoren zu lernen? Und wenn es wahr ist, daß der Pfarrer darum schwei¬ gen soll, weil alle seine Mitarbeiter bessere Red¬ ner sind, wird nicht selbst ein Mitarbeiter besser reden als der andere: und folglich nur einer al¬ lein predigen muffen? Das Gesetz redet in diesem Stücke viel zu klar, als daß man sich von selbem mit dergleichen Sprüngen ausnehmen dürfe. Zu¬ letzt würden Sie wohl gar eine Todsünde darauf ft- 78 Ätz fetzen, wenn der Pfarrer seiner Pflicht nachkömntt, die von ihm das göttliche und menschliche Recht fordert, weil ein anderer da ist, der die Pflicht, dle ihm nur subdelegirt werden kann, besser ver¬ steht. — Verzeihen Sie mir, wenn ich zur rech¬ ten Zeit auch eum omni imcerituts ein vsr- Lum uorius vorbringe! Ich kenne nichts Unschick¬ sicheres als ihren dießfalligcn Einwurf. Ihr fünfter Einwurf ist viel gründlicher. Es giebt, meinen Sie, recht sehr würdi¬ ge Pfarrherren, die ohne Lebensgefahr ihre Brust an der Lanze! nicht ausstyen können. Sollten solche Manner ihrer Voearion mcht genug thun, wenn sie sor¬ gen , daß andere talcnticte Substistutcn an ihrer Stelle predigen? Jeder Mangel an Gesundheit, mein Herr, der sich mit dem Predigtton nicht vertragt, ent¬ schuldigt den Pfarrer von der Pflicht zu predigen, so lang er anhält. Ich habe schon viele derglei¬ chen Falle angesehen. Aber dleß muß ich Ihnen sagen: wenn ein dergleichen Hinderniß den Mann schon vor dem Antrit seiner Pfründe anwandelt, trit der Rechtschaffene, wie ich es aus Erfah¬ rung bezeugen kann, diese Pfründe nur aus dem Grunde an, weil ihn der Arzt versichert, daß sich seine Umstände bessern können , und säst sicher geben werden. Dann halt er sich einen tüchtigen Seelsorger für seine Person, und er¬ seht das, was er an der Kanzel nicht leistet, durch Ordnung und Auferbauung in seinem Kirchspiel. Erhalt er seine Fähigkeit wiederum, so zeigt.er, haß er nicht aus Nachlässigkeit solange an der Kanzel ein nie gesehener Stern war. predigen nicht, sagen Sie 6tcns, m Men Stadtpfarrkirchen des Landes in der Runde herum bald Franziskaner, bald AapUtziner , bald aufgelöste Icsititen, immer andere, nur die Herrn Stadtpfar- rcr nrchtf E>b alle diese Leute darum in emer beständigen schweren Gunde leben Mein Herr Scharfrichter! Alle diese Leute können nicht dafür, daß die Mendikanten vor un¬ denklichen Jahren sich das eingebildete Recht auf dieser Kanzel erworben zu haben scheinen: aber wohl möchte ich mit denjenigen nicht gleiche Ver¬ antwortung haben, die diesen Mißbrauch wider das Gesetz oder zugelassen haben, oder, da sie können, ihn nicht aus dem Grund zu tilgen be¬ mühet sind. Ich schimpft nicht gerne Herr Pfar¬ rer , aber so viel muß ich Ihnen doch sagen: dieser Mißbrauch ist um so erbärmlicher, da eS eine Gattung von Religiösen giebt, die, so zu sagen, gar keine Anlage überhaupt besitzt, die Kan¬ zel zu versorgen, die statt der gesunden Moral sich vieler Märchen bedient, um ein karakttrisches Zeichen ihrer Unwissenschaft und der geheiligten Vorurrherle aufzustellcn. Der Text, den Sie endlich zuletzt aus dem heiligen Gregor beybringen, gehört nicht hieher. Er spricht von denjenigen, die vor ihrer Sen¬ dung den Mangel der Reinigung an sich wahr¬ nehmen : sonst hätte der heilige Vater das Gleich¬ nis vom Isaias , der vor seiner Sendung gerei¬ nigt so mget ward, übel angebracht. Er will also, daß die, welche fühlen, daß sie weder Wissenschaft besitzen, die belehren, weder Aufführung, die er¬ bauen muß, sich von dem Predigtamt, von der Seelsorge, von der Pfarrey entschlagen sollen: sie dürfen sie nicht annehmcn; es ist sehr unsicher, sehr hart, spricht Gregorins, so was in diesen lUmständen anzunehmen, und dieß billig, weil cS für solche Leute äußerst schwer ist, durch vieles Studiren ihre Unwissenheit zu verbessern, und durch gehörige Einschränkung sich eine neue Form in der Lebensart zu geben; was sie doch heilig ouf der Stelle beginnen müssen, wenn sie, ohne Gott zu beleidigen, das Amt eines Seelsorgers LMretten wollen. So viel hatte ich eigentlich Ihren Anstanden entgegen zu setzen lieber Mann! Ich habe Ihnen den freyen Ton, mit dem Sie mir widerspre¬ chen , nicht übel genommen. Ich hoffe, Sie wer¬ den gegen mich das Nämliche beobachten. Das, was ich in diesem Abschnitte noch zu erwähnen habe, werde ich in meinem nächsten Schreiben an Ihren Kooperator ausführen. Ich wünsche, daß rr sich schon ganz erholt haben möge. Leben Sie wohl! rc. Fünft 8l Fünfzehnter Briefe E. A. zn S, P. an J. S. S- P. am 26° Aän. 785- Lieber S /D^s war mehr als Freude eines Freundes/ es war Vaterfreude, da ich in Ihrem schönen Brief las , wie schlecht Sie waren, und wie mun¬ ter Sie jetzt wiederum geworden sind. Sie haben also Meine Erläuterungen über die Einstreuungen des Herrn Pfarrers gelesen, und sind damit zufrieden. Gut! Auch dieß freut mich ausserordentlich, und wenn ich es sagen soll, so hat mich Ihre Versicherung, daß der Herr Pfarrer von nun a'n alle zweyre Sonntage predigen will , recht herzlich stolz gemacht. Gott sey gepriesen! So hatten wir durch unfern Brief¬ wechsel wirklich schon was Gutes gewirkt? Nun ja : lasten Sie uns also darinn fortfahren. Unter den Hindernissen, Welche die Ver¬ sammlung zu Trient von jenen Pfarrern fordert / die nicht in eigener Person predigen, ist vorzüg¬ lich der Fall, da der Hirt rim einen anverweitern Vortheil des Kirchspiels, oder seiner Dtözes, oder endlich der allgemeinen christlichen Kirche zu be¬ fördern, mit der Erlaubnis seines Bischofs ab¬ wesend ist. F Von 82 Von dem Umstand einer anhaltenden Kra߬ heit hab ich bereits in dem Brief an Ihren Herrn Pfarrer Meldung gemacht. Nur will ich noch hinzusetzen, daß jeden gewissenhaften Seelsorger die Sorge für sein eigenes Heil erinnern wird, seine Unpäßlichkeiten nicht langer zu affektiren, als sie real sind, und bcy der ersten Lhunlich- kcit zu seiner Pflicht zurücke zu kehren. Es scheint unumgänglich zur Zucht junger Leute nothwendig zu seyn, daß an den Pfarrcyen, wo mehrere Mitarbeiter sind, die Kooperatorcs zu Predigten verwendet werden; denn in solchen Fallen ist der Pfarrer wirklich verhindert, allzeit selbst zu predigen, weil er darob seyn muß- daß seine Gehilfen in der geistlichen Beredsamkeit eine ergiebige Uibung Haden, um dereinst selbst wür¬ dige Pfarrherren zu werden. Hier kann also die Abwechslung der Prediger Platz greiffen, wird aber doch inzwischen unnöthig seyn, daß der Pfar¬ rer die Austheilung nach dem Apothekengewicht macht, damit keiner mehr als der andere auf sich nimmt; denn er selbst muß immer das Meiste übernehmen, wenn er's mit Gott und seinem Volk ehrlich meint, damit seine Pfarrkinder nicht Ur- sach zu klagen haben, und mit Grund sagen kön¬ nen : wir Horen die Stimme unstrs Hirten öfter, als die Stimme seiner untergcord» ncten Schäferknechte. Nicht so tolerant kann ich seyn, wenn ich den Pfarrer von seiner Pflicht lossprechen soll, der öfters fremde Prediger einladet, um in sei¬ ner Einbildung die Feste seiner Kirche glanzender zu machem Wir sind nun schon zu weit in der Auf- z; Aufklärung fortgeschritten , als daß wir nicht wis¬ sen sollten, daß alle diese Gastpredigten oder aus der Faulheit der ordentlichen Hirten, oder aus Ehrgeiz gewisser Mönche entsprungen seyen, und oder Eitelkeit, oder ungründliche Andachteley, oder wohl gar Verbreitung der Vorurthcile und des Aberglaubens zum Gegenstand haben. Lassen wir das Gepränge, und bleiben wir in der Ord¬ nung ! Jeder Hausvater sorgt für sein Haus; und und jeder Pfarrer soll selbst seinen Gottesdienst mit seinen Gehilfen besorgen! Da daS Konzilium von Trient es erlaubt daß an Sonn - und Feyertagcn , da der Pfarrer selbst gebührend verhindert ist, das Wort Gottes durch andere Tüchtige vorgetragett werden solle, würde ein Pfarrer wahrhaftig seine Pflicht mit Füssen rretten , der solche Kooperatoren unterhielt, die weder dttn, der uns gesandt hat, weder her Kanzel, an der wir lehren, Ehre machen können. Ich weiß es gar zu gut, daß in manchen Diö¬ zesen die Kapellane vom Bischof amtshalber ge¬ stellt werden, Und mancher arme Pfarrer biswei¬ len mit verlegNcr oder verfälschter Waare versehen wird, mit Leuten, die nichts als starke Knochen, und einen hitzigen Magen besitzen. Was soll der geplagte Hirt in solchen Umstanden anfangen? Seine Rechtschaffenheit wird ihtt lehre« , einen solchen Idioten äusserst selten predigen zu lassen, und alle mögliche Hindernisse, das Wort Gottes selbst vorzutragen, zu vermeiden. Sie wird ihn lehren, den ihm aufgedrüngenen Mitarbeiter mit allen erdenklichen Beweggründen anzuhalten, daß er sich iu die Rolle eines wenigst erträglichen Seel¬ sorgers hmeinspielt. Sie wird ihn lehren, um 84 A«--— den rohen Menschen, dem seine Unwissenheit zur halben Natur geworden ist, alle erforderliche An¬ strengung zu erleichtern, mündliche Unterredun¬ gen zu pflegen, in denen man vieles spielend erler¬ nen kann, Bücher vorzustrecken, die für Anfän¬ ger geschaffen sind, endlich mit guter Laune alles zu versuchen, was einen Menschen mittelmässig zu machen im Stand ist. Sagen Sie Ihrem Herrn Pfarrer von mir alles Erdenkliche! Es ist eine gewisse Auflage von den Predigten des seligen -Tschupik zu haben, der Jesuit war, und durch viele Jahre die Kan¬ zel am kaiserlichen Hof versorgte. Es ist ritt Werk, das ich von Herzen gerne allen Land¬ geistlichen in die Hande geben möchte. Das Ein¬ fache des Vortrags, die vorzügliche Wahl der Materien, die netten Behandlungen, und die originale Kunst, die wichtigsten Beweisthümer in geliebter Kürze zu verfassen, machen das Werk höchst interessant, und man muß den Herausgebern dieses Werkes verbunden bleiben. Auch höre ich, daß eine wohlgerathene Übersetzung dieser Tschu- pikspredigten ins Windische dermal wirklich unter der Presse ist, davon der erste Theil bis Ende künftigen Monats sicher zu haben seyn wird. Ein ungemeiner Vortheil für diejenigen Seelsorger, die dem Volke in dieser Sprache das Wort Gottes vor- zutragen haben. Leben Sie wohl, und erkranken Eie ja nicht wieder! Wir haben einen strengen Winter. Seyen Sie vor Erkaltungen auf Ihrer Hut! Wir wagen oft alles, weil wir jung sind, und verderben uns in das spateste Alter. Ich bin rc. Sech- 85 Sechzehnter Brref, A. E. A. zu S. P. an I. S, S. P. am Zv. Jän. 1785. Lieber Freund rc. /S-^o bald wir in das Innere der Homiletik ein- dringen wollen, haben wir vorzüglich von dem Gegenstand der geistlichen Beredsamkeit zu sprechen. Dieser Gegenstand ist zweyfach. Die Lehren, die man an der Kanzel vorzutragen hat, sind oder Glaubenslehren, oder Sirtenreden. Das eigentliche Geschäft des Predigers ist folglich, den Verstand zu unterrichten, und das Herz zu bewegen Was der Hirt in Betref der Glaubenslehren eigentlich leisten soll, geben folgende Grundregeln an die Hand. Der Begrif von der Hochheit Gottes , dir der menschliche Verstand beiläufig nach seinen Kräften faßt, wenn man ihm die Unabhängigkeit, die Ewigkeit, die Allmacht, die Allwissenheit, die Vorsichtigkeit, die Barmherzigkeit und Gerechtig¬ keit aus den wahren Quellen schildert, wirkt alles mögliche. Furcht und Liebe müssen die Folgen einer warmen Erkenntniß jenes Gottes seyn, der so liebenswürdig in seiner Barmherzigkeit, als furchtbar in seinen Gerichten ist. F 3 Es 86 Es würde Unsinn seyn, wenn man von den Vollkommenheiten Gottes predigt, in die innere Wesenheit eindringen zu wollen, und die Gläubi¬ gen mit einer unverständlichen Metaphysik zu be¬ dienen. Gehr oft laust es auch auf Unschicklich¬ keiten hinaus, wenn man die Vollkommenheiten Gottes zu erklären, Gleichnisse vorbringt, die zur Erklärung der Sache gar nichts bcyttagen, manch¬ mal den Vollkommenheiten Gottes, die sie schil¬ dern sollten, zur Schande gereichen, nicht selten dem Volk, das eigentlich nicht weiß, worin» es die Vergleichung zu beschränken hat, zu schiefen Begriffen anlaß giebt. Man muß also, wenn man von diesen Vollkommenheiten spricht, die Wahrheiten mit Thathandlungen, mit Wirkungen, deren uns das Evangelium und überhaupt die Schrift eine Menge an die Hand giebt , belegen. So kann der Hirt die Unabhängigkeit, die All¬ macht, die Vorsichtigkeit Gottes und der Erschaf¬ fung alles dessen, was in die Augen fallt, aus der ordentlichen, und unwiderstehlichen Regierung der Welt, wider welche alles Mächtige ohnmäch¬ tig ist, herholen. So kann er die Barmherzig¬ keit Gottes aus so vielen geistlichen und körper¬ lichen Wohlthaten, mit denen wir überhäuft wer¬ den; aus feinen unendlich gütigen Absichten mit uns, aus keiner Langmukh mit den Ungehorsam- men verständlich machen. Er kann seine Gerech¬ tigkeit nicht nur allein aus so vielen sichtbaren Strafen, die Gort über das Lastco auch auf dieser Welt verhängte, sondern auch aus der ewi¬ gen Strafe , wozu die Schrift die schicklichsten Stellen enthält, beweisen. Erlauben Sie mir hier anzumerkcn, daß cs billiger Tadel seye, wenn man gewissen Seelsor¬ gern 87 gern vorwirft, daß sie immer mit Strafpredigen vorgehen, immer einen Lärm an die Kanzel brin¬ gen , der aus der Weise ist, immer von Gott so reden, als ob man ihn nur fürchten müßte, als ob er ein rachgieriger König seye, der nach Blut schnaubt, als ob's seine Freude seye, Menschen zu verdammen; die von der Religion immer so sprechen, als ob sie die schrecklichste, die schwerste, die fast unerreichbare Pflicht des Menschen seye; eine Pflicht die das Schreckenbild der Natur, die Verfolgerin jeder unschuldigen Menschenfreude ist; denn durch solche Vortrage werden beyden Gattun¬ gen der Menschen alle guten Entschlüsse schwer ge¬ macht , den Gerechten, und den Sündern. Der Gerechte wird kleinmüthig, und der Sünder ver¬ zweifelt vollends. Man muß dem Volk die Ge¬ rechtigkeit Gottes so vorstellen, daß die Menschen lernen, auch sie selbst, die furchtbare, zu lieben. Überhaupt muß man Gott und seine Religion so schildern, daß die Menschen cs für ihr größtes, für ihr einziges Vergnügen halten, Gott zu die¬ nen , und Religion zu haben, und daß sie dahin nicht soviel durch eine sinnliche Furcht, sondern durch Hochschatzung eingeleitet werden. Gewiß hat man es aus der Erfahrung, daß jene Kinder zu gesitteten Menschen heranwachsen, die mit Liebe auferzogen werden, als jene, die in einem eisernen Joch sind, und durch eitle Strengheit geleitet wer¬ den. Sie thun nicht mehr, als daß sie die Straft fürchten, und wo sie dieser zu entwischen hoffen, ist keine Ausschweifung, der sie sich nicht völlig ergeben. So geht es mit den Kindern in der po¬ litischen Erziehung: und so verhalt sichs mit der Zucht, die der Hirt seinen Schaafen giebt. Die¬ jenigen , die von den reizendsten Schilderungen, F; welche 8S welche uran ihnen von Seiten Gottes und dex Religion macht , angestammt werden , bestreben sich immer, mit einem rechtschaffenen Betragen ihr Glück in der Ewigkeit zu machen. Jene Hingegen/ die man nur durch die fürchterlichsten Wirkungen, mit denen Gott hin und wider in der Schrift droht, zur Pflicht führen will, werden manchmal wohl erschüttert, und erkennen mit Thranen in den Augen ihr Unglück, dem sie durch ihre Laster ausgesetzt sind. Aber ob sie schon wissen , daß sie jn dem Zustand ihrer Sündlichkeit dem ewigen Verderben nicht entlaufen mögen, so pflegen sie sehr oft, eben darum , weil sie nur erschüttert, nicht aber herzlich gerührt sind, die furchtbaren Eindrücke fahren zu lassen, und ihr Heil, indem sie noch lange zu leben hoffen, in eine spate Buß zu versetzen; um den ewigen Strafen zu entweichen. Der Artikul von dem Fall des Menschen be¬ darf einer oftmaligen Erklärung zur heilsamen De- müthignng des Menschen j denn , wie sollte die menschliche Gerechtigkeit, wenn sie sich bis auf diese Zeit in einem noch so hohen Grad erhalten hat, ihren Kräften trauen, wenn sie öfters durch die Geschichte des ersten menschlichen Falls, ihrer Gebrechlichkeit erinnert wird; wenn sie hört, daß die ersten Menschen, die Gott in dem Stand der Heiligkeit, jn dem Stand der Unschuld erschuf ; Menschen / die keine Finsternissen jm Verstände , keine zuvorkommende Begierlichkeit im Herzen hat¬ ten , vor deren Augen keine bösen Beyspiele zum Muster da lagen; Menschen in einen Wohnsitz ver¬ setzt , dcr sie auch, irrdischer Weise , so glücklich Machte, daß ihnen nichts mehr zu wünschen übrig hlreb, daß , sage ich, diese Menschen gleichwohl schimpf- RV—z-- schimpflich gefallen stnd, und dem Geschwätz ei¬ ner Schlange mehr, dann der Warnung eines Gottes Gehör gaben I wie könnte sich die mensch¬ liche Natur in ihrer eigenen Hochschatzung verir¬ ren, wentz sie oft belehrt wird/ wje tief sie nach dem Fall des ersten Menschen herabgefunken, und wie sehr sie am Sprung war, bis auf das lezte Glied der manchfaltigen menschlichen Nachkommen- . schäft ewig unglücklich zu werden; wenn sie ost belehret wird, wie viele Gefahren, der geleisteten Rettung ungeachtet, uns von Seiten der durch den Fall des ersten Menschen angeerbten Sünde ankleben, und welche schlimme Wirkungen dieser bedauernswürdigen Erbsünde man noch heute zu Tag in allen Ständen, in allen Altern, in allen Geschäften der Welt zum Entsetzen wahrnehmen müffel Gewiß, wenn diese Glaubenswahrheit mit Schriftstellen beleuchtet, von unnützen Beschreibun¬ gen und Zusätzen gereinigt , dem Volk an das Herz gelegt wird , sie muß Eindrücke machen, muß dem Menschen Erkcnntniß seiner selbst, und Vorsichtigkeit beybringen. Der Verfolg von der Lehre des ersten Men- schenfalls besteht natürlicher Weise in der Geschichte Unserer Erlösung , und der Gnade Jesu Christi, wie nicht weniger in der Erklärung der heiligen Sakramenten , die diese Gnade in uns wirken Welch ein fruchtbares Feld für den Seelsorger, um die Zuhörer zu belehren, und zu rühren! In¬ zwischen "ist es doch nicht rathfam, in das Inne¬ re der Gnade eindringcn zu wollen, wenn man diesen Gegenstand behandelt. Das System der Gnade auf der einen oder andern Seite der Schui- fragen vorstellen wollen, wäre jetzt selbst in den -e> Schulen eine strafmaffige Kontrebandwaare. Man muß überhaupt von der Gnade immer so sprechen, daß das Volk belehret werde, es seye die Gnade ein Geschenk Gottes, das mit der Wahl des freye« menschlichen Willens vereinigt, die Quelle Ver- hiensilicher Handlungen ausmacht. Ich muß meinen Brief schliessen, um ihnen keine Abhandlung geschrieben zu haben : wiewohl unser ganzer Briefwechsel mehr einer Abhandlung, als einem Briefwechsel ähnlich ist. Leben Sie wohl, und werde« Sie nicht müde, meine Briefe zu lesen! Ich bin rc. Siebenzehnter Pries. A. E. A- zu S. P. an I. S. S. P. am 20. Horn. 1785. Mein Beßter rc. ^Weitläufiger ist allerdmgs der Gegenstand des Predigtamtes, in so weit es die Sittcnlehre betrift. Die allgemeinen Schuldigkeiten der Menschen nehmen den ersten Rang ein; und zwar vorzüglich die Schuldigkeiten gegen Gott. Soll ich sie Ih¬ nen der Ordnung nach nennen? Warum nicht. Sie nehmen ja alles so gütig von mir auf, als ob Sie noch gar nichts wüßten. Die ersten allgemei¬ ne« Pflichten sind also innerliche und äusserliche An- NL-E-EÄJ yr Anbetung Gottes; daun folgt der Abscheu vor allem, was nach Aberglaube, Götzendienst, und Keßerey riecht; diesen kömmt die Heiligung des göttlichen Namens, und seiner Feste, kurz der Um¬ fang aller der Gebote, die sowohl unmittelbar die Hochheir Gottes angehen, als auch mittelbarer¬ weise zu Verherrlichung des allerhöchsten Monar¬ chen von der allgemeinen Kirche gegeben sind. Die Schuldigkeiten gegen stch selbst, die man dem Volke hauptsächlich vortragen soll, find die Erhaltung seines Lebens, seines guten Rufes, sei¬ ner Gesundheit, seiner Güter, in so weit sie noch- wendig sind, sich und die Angehörige, deren Sor¬ ge uns Gott anferlegt hat, zu ernähren ; und vor allen andern eine beständige, wahre, gründ¬ liche körnichte Sorge für feine Seeligkeit. Schuldigkeiten gegen den Nebenmenschen beste¬ hen in der Liebe überhaupt, die sich selbst auf die Feinde hinaus erstreckt; in der Geschäftigkeit, sei¬ nen Mitmenschen zu nützen , seinen Schaden zu verhindern; in der brüderlichen Bestrafung nach allen ihren Umstanden, in dem guten Beyspiel, das man ihm zu geben schuldig ist, in der wah¬ ren Entfernung alles des Verhältnisses, indem man der Sünde seines Bruders Gelegenheit, Vor¬ schub geben kann: kurz um in der Erfüllung der Werke der Barmherzigkeit, der geistlichen sowohl als der leiblichen, die der ewige Richter, wie es das Evangelium lehrt, am lezten Gerichtstag zum Fond ergreifen wird, die Auscrwahlten und die Verworfenen zu unterscheiden. Diese Hauptpflich¬ ten gegen Gott, gegen sich selbst, gegen den Ne» ben- -L benmenschen sind die Quellen, aus denen alle mög¬ liche Gegenstände zu Sittcnlchren herrühren. Es wird gewiß nicht zwecklos ftyn, wenn ich für einen jungen Mann, der das Scelsorgeramt am Lande antrit, eine Bemerkung mache, die ihm Key verschiedenen. Gelegenheiten gute Dienste lei¬ sten kann. Nämlich es ist noch der Begrif von der wahren Andacht zu erörtern, die eigentlich zu jenen Schuldigkeiten gehört, wo ich die inner¬ liche und äusserliche Anbetung Gottes genannt habe. Man muß dem Volk am Lande, das sehr am Sinnlichen hangt, in Vorurtheilcn schwimmt, und in seinen althergebrachten Mißverständnissen schwerlich irre gemacht wird, machtiglich an das Herz legen, daß nicht jeder Schatten von Andacht wahre Andacht ftye; weil man hier zu wenig oder zu viel khun kann. Es muß also dem Volk zu der christlichen Andacht so ein Mittelweg gezeigt werden, daß cs so leicht nicht aus dem Geleise kömmt. Hiezu ist dem Seelsorger unentbehrlich, sich mit allen jenen Büchern bekannt zu machen, die ein Pendant von dem Werke des unsterblichen Muratorius sind. Zum Hauptgrundsah aller in dieser Sache vorkommen mögenden Lehren wäre dem Volke oft einzuprägen, daß die wahre Andacht eine ehrerbietige Bewegung des Herzens ftye, die sich theils in innern Affekten gegen Gott übt, theils in religiösen Handlungen, die der Hochheit Gottes würdig sind, die dem Sinn der wahren Kirche entsprechen, und von denen uns die gerei¬ nigte Vernunft das Zeugniß giebt, daß sie Gott angenehm ftyn müssen. Da 9'? Da die wahre Andacht für ihr leztes Ziel die Verherrlichung Gottes erkennt, folgt von sich selbst, daß alles das, was mir Gott in Verbindung steht, ein Gegenstand unserer Verehrung seyn könne. Wir dürfen also die allerseligste Jungfrau Maria, uud die Auserwahlten Gortes verehren da sie die wirkliche Glückseligkeit geniesten Freun¬ de Gottes zu seyn. Eben dieser Karakter macht es, daß wir berechtiget werden, ihre wirksame Vorbitte bey Gott nicht vergeblich zu hoffen; und eben dies ists auch, was Misere Andacht zu der heiligsten Jungfrau und den Auserwahlten gewis¬ sermassen interessant für uns macht. Aber bey Gott! der Seelsorger, der diese Wahrheit über¬ treibt , solls mit dem Ewigen zu thun bekommen! Man muß dem Volk den wesentlichen Unterschied zwischen der Anbetung, die wir dem lebendigen Gott allein, und zwischen der Verehrung, die wir den Heiligen widmen, mit Hellen Farben schildern; man muß ihm beybringen, daß Gott wegen sich selbst aller Anbetung würdig seye, die Heiligen aber einzig und allein, weil sie Freunde Gottes sind, und weil durch die Ehrenbezeugungen, die wir ihnen erweisen, die Wunder des Höchsten,^ die er an ihnen gewirkt hat, verherrlicht sind/ von uns verehret werden können; daß es ein ent¬ setzlicher Jrrthum seye, wenn man in der Meinung stünde, daß die heiligste Jungfrau oder andere Heilige uns aus ihrem Eigenen Gnaden und Wohl- thaten erweisen mögen, und daß alle die Hoffnun¬ gen, die wir auf sie setzen, dahinauslaufen, daß sie unsere Vorbitter bey einein Gott sind, der aus seiner unendlichen Milde und Barmherzigkeit sich unser auf ihre Vorbitt erbarmen kann; wemr's uud wie's ihm Kefällig ; daß es endlich rin eben so 94 so grosser Irrthum seye, wenn man glaubte^ daß nicht jeder Heiliger Key Gort in dieser oder jeder Noch unser Interesse besorgen könne, und daß es im himmlischen Vaterland wie bey einer Hofstelle gehalten werde, wo jeder Rach sein be¬ stimmtes Referat auf sich har. Die wahre Andacht hat keinen grösser« Wi¬ derspruch , als damal, wenn die Christen ihre wesentliche Pflichten in zufälligen Dingen zu erfül¬ len trachten. Wir hgben nieinal so genau bemerkt, daß die Andacht des Volks am Lande manchmal ein heiliges Steckenpferd seye, als, da der Mo¬ narch unsere so vervielfältigten Wahlfahrten be¬ schnitt Es schien, als ob man fast überhaupt auf den Einfall gerathen wäre, daß hierdurch dem Christenrhum Tort geschähe: und — o daß ich es nicht sagen dürfte >— das Volk würde in diesen Umstanden nicht so gepoltert haben, wenn nicht manchmal selbst blödsinnige Seelsorger wider diese heilsame Verordnung losgezogen waren. Gewiß ist, daß Abgang an vernünftiger Belehrung die Schuld war, daß das Volk wider alle neuere Ver¬ ordnung in eLLleüufrieo - poliricm die Sturm¬ glocke anzog. Glauben Sie wohl, daß ich zu viel sage, wenn ich behaupte , daß alle die Vor- urtheile, die das Volk in Rücksicht der Bruder¬ schaften hatte, da es öder glaubte, daß man ohne dieser oder jener Bruderschaft einverleibt zu seyn, sein Glück bey Gott nicht machen könne, oder da man der'Mcinung war, daß ein Bruderschaft¬ zeichen j das genau beobachtete Bruderschaftgebet dem Teufel am Gerichtstag den Rachen stopfen werde; daß aller der Aberglauben mit einem Wort, den der Monarch durch Aufhebung der Brudebs schäften tilgen wollte, eine natürliche Folge jener Ehrenrcdcn war, die noch heut zu Tage in dicken Foliobanden unsere Bibliotheken verunehren ? Man kann freylich an der Kanzel nicht jede Privatandacht, jedes einzelne Vertrauen der Chri¬ sten , jede Wohlfahrt die Musterung paffiren las¬ sen. Man muß mit Mässigung zu Menschen sprechen, die nicht aufgeklärt sind. Aber dieß hindert nicht, daß man das Volk nicht nach und nach in vollem Masse belehren und aufklaren kön¬ ne. Man muß also dem Volk getreu beybringen, daß alle die zufällige Andachten und selbstgewahltL Andachtshandlungen zur Seligkeit nicht nothwen- dig seyen, daß man ohne ihnen in den Himmel kommen könne, wenn man nur im Uibrigen die Hauptschuldigkeiten der Christen vollzöge; daß knan mit allen möglichen selbsigewahlten Andachten ein Kind des ewigen Verderbens schn werde, wenn uns das thatjge Christenthum nachdem Sinn des Evangeliums mangelt. Wenn wir alle Dinge nach ihren Früchten beurtheilen müssen, wohin muß man gerathen seyn, Wenn man eine Andacht nicht für unnütz hielt, die ohne guten Werken bleibr? Die wahre Andacht muß also Tugenden erzeugen, Demuth, Liebe, Glaube, Hoffnung, Gehorsam, Mässigung und Sanftmuth. Es ist also dem Volk nachdrücklich an das Herz zu le¬ gen, daß alle Betschwestern, die ebenso oft Bö¬ ses von den Nebenmenschen reden, als sie zu allen umliegenden Marienkirchen wahlfahrten , daß alle nassen Brüder, die so lang in Wirtshäusern pras¬ sen und schlemmen, als sie vormittag alle Seiren- aitare in ihrer Pfarrkirche abgelaufen sind, daß alle die jungen Dirnchen, die so viele Galanen ha- h6 haben, Son denen sie nächtlicherweile besuche wer den, so viel sie Patronen zählen, denen sie ihre Lichter anzünden', daß mit einem Wort alle An¬ dächtler, die nicht thatiges Christmthum besitzen, keine wahre Andacht besitzen; daß sie eben das waren , was die Pharisäer gewesen sind, und wo¬ mit sie der Sohn Gottes feierlich verglich, über¬ tünchte Graber, die vor dem Altar reines Feuer der Seraphinen, und glanzende Weise der Un¬ schuld zu zeigen schienen, in ihren sonstigen Hand¬ lungen aber sich als wahre Behältnisse der stin¬ kenden Faulniß finden lassem Leben Sie wohl! Ich bin rc. Achtzehnter Brief. A. E. A. zu S. P. an Z. S. P. am 2l. Horn. 17F5. Mein Beßker S liegt mir zu Nahe an dem Herzen, als daß mich die von Ihnen so genannte grosse Mü¬ he abhalken sollte, Ihnen alle meine Ideen von der wahren Seelsorge mitzurheilem Sie fragen, womit Sie es verdient haben, und ich antworte- Ihnen: durch die Bereitwilligkeit, mir der Sie jederzeit alle meine Warnungen und Lehren ange¬ kommen hab em Lassen 97 Lassen Sie mich also ungestört meine Bahne verfolgen' Die Verwendung an diesen Brief¬ wechsel mit Ihnen ist für Sie und mich eine Schul. Ich erwecke bey dieser Gelegenheit in mir gewisse in meinen Studierjahren gesammelte Kennt¬ nisse, die unter dem Gewühl von unangenehmen Beschäftigungen, in die mich die Sorge für das Zeitliche nach meiner Erwählung versetzt hat, zu verschlummern anfiengen. Ich habe Ihnen gewisse besondere Standes- pflichten zu schildern, von denen der Seelsorger öfters zu seinem Volk zu reden gezwungen ist. Obrigkeiten und Richter Dieser Stand hat grosse, weitaussehende Pflich¬ ten, deren Unterlassung nicht nur allein ganze Gemeinden unglücklich macht, sondern auch die Urquelle entsetzlicher Sünden und Lastern bey den Unterwürfigen werden muß. Em Seelsorger muß in seiner Belehrung den Richtern zuruffcn, daß sie sich über die Granzen ihrer erhaltenen Voll¬ machten nicht hinauswagen, sich nicht in Dinge mischen, die ihr Forum nicht berühren, sich nicht mit Unterdrückung der Kleinen fürchterlich und ansehnlich zu machen trachten ; müssen sie belehren, cs seye ungerecht gegen die Menschheit, die Vor¬ theile des Richteramts zu beziehen, ohne sich die Mühe genommen zu haben, alle Schuldigkeiten zu begreiffen; durch eine sträfliche Unwissenheit seiner Pflichten bürde man sich alle jene Fehler auf, die mit geringer Müh vermieden würden, wenn man auch nur mittelmässige Kcnntniß ge¬ habt hatte. Lnftet euch belehren, ihr die 98 ihr auf Erden Rechter seyd ' Muß man ihs- nen mit David im aren Psalm zuruffen: Glauber nicht, daß euch bey euern Unwissenheiten einr Entschuldigung zu statten komme! Das Unrecht, das wegen Mangel eurer Pflichtt-nkmmniß an dein Dritten vollzogen worden ist, schreyt um Rache gegen euch, ihr müßt dieses Unrecht mit eurem Nachtheil gutmachen, ihr müßt ersehen. — Die eingebildete Leichtigkeit eueres Amts macht euch in der Durchsuchung eurer Schuldigkeit schläfrig, ihr ftyd in euren Urtheilen, eben darum, weil euch Grundsätze mangeln, unbeständig, und eben darum, weil euch die Seichtigkeit eurer Kenntnisse nicht ganz verborgen ist, zu schwach, um auch al¬ lemal nach erkannter Wahrheit zu sprechen. Ihr seyd euch bewußt, nicht allemal eure Schuldigkeit gethan zu haben, und lassest euch von mächtigen Partheyen, die eure schlechten Thaten aufdecken können, zu ihrem Vortheil und zur Parthcylichkeir verleiten. Suche nicht, sagt der heilige Geist im Buch LcelsliussiLUZ am 7ten Kap. Suche nrcht Richter zu werden, wenn du nicht die Stärke hast, wider die Bosheit zu^Feld zu zichn, und das Gesicht der Mächti« Sen nicht Zu furchten! Habt ihr einmal das Richteramt angenom¬ men, so zeichnet euch durch Handlungen aus, die offenbare Zeugen von eurer Gerechtigkeit, Aufrichtigkeit und Bescheidenheit sind! Eure Pflicht ist es, keine gerichtliche Abhandlung iu das Un¬ endliche zu verlängern; ferne von Langweiligkeit müsset ihr eure Ürtheilsprüche nicht verschieben , wo es nicht die Nochwendigkcit räth, laugern Auf¬ schub Zu gestatten. Seyd in euren Urtheilen klar, redet redet nicht orakelmaffig! Die Partheyen müssen beschieden werden, damit sie wissen', woran 'sie sind. Zweideutige Gerichtssprüche geben zu ver¬ schiedenen Auslegungen Gelegenheit, und nicht sel¬ ten werden die Prozesse auf diese Art, anstatt beygelegt zu seyn, über kurz oder lang wütender als jemals. Vorliebe zu einer Parthey, die in euren Augen nach den Gesehen der Billigkeit of¬ fenbar Unrecht haben muß, darf eures Schuhes nicht geniessen; minder die offenbar siegende Par¬ they unter der Vorspieglung eines ungewissen Ausgangs zu einem schädlichen Vergleich beschwa¬ tzet werden. Zhr seyd gerade das Eegentheil von eurem Amt, alles seyd ihr, nur nicht Richter, so bald ihr partheyisch werdet. Eure Hände müs¬ sen rein seyn, die Geschenke, die ein Richter nimmt, sind Gift: und ihr mögt ein gerechtes oder unge¬ rechtes Urtheil sprechen, so habt ihr euch dazu nicht mit Geschenken verleiten lassen können, ohne eure Würde zu entheiligen. Der Herr und sein Unterthan — Q da giebt es viel zu sagen, viele Gelegen¬ heit seinen Eifer in Ausübung zu bringen. Den Menschen, die zu gebieten haben / ist's gedeihlich, wenn sie oft die Pflichten der Herrschaften hören, damit sie nicht ihre Vortheile höher stimmen, als es das Recht der Natur und des Evangeliums gestatten. Welche sind dann die Pflichten der Herren? Jene die jedem Fühlenden mit dem ersten Blicke auffallen. Die Pflicht der Herrn ist, ihre Unterthemen zu lieben, ihren Nutzen zu beför- G 2 Hern, !Ü2 dern, sie wider unrechtmässige Antastungen frem¬ der Herrschaften! sowohl, als wider die Bedrü¬ ckung anderer Mituuterlhanen zu schützen; in Koi- liswnsfallen mit dem Recht des Herrn eher die Entscheidung andern zu überlassen, als ein Ur- theil zu fallen, das für den Unterthan nachtheilig Ware; die Armen zu versorgen, den Unglücklichen beyzuspringen, üble Aufführung zu ahnden, Zucht und Ordnung zu behaupten. Schmeichelet) kann ich zwar nicht leiden; aber vorsichtige Politik liebe ich an jeden! Seelsorger um so mehr, da man ohne dieser auch feinen beß- ren Absichten in Erfüllung seines Amtes die gute Folge benehmen würde. Wenn ich einem Seel¬ sorger den Stof für Obrigkeiten und Herren vor¬ ige, kann ich die Warnung nicht unberührt las¬ sen, daß es Unbesonnenheit feyn würde, auf dem Land, wo oder der Herr, oder der Beamtt, oder der Richter zugegen ist, eine Predigt ganz von dieser Materie zu verfassen, weil es zu unnatür¬ lich wäre, einen Stof zu erwählen, an dem eine oder höchstens zwo Personen allein ihren An- theil fanden. Es würde auch bey Leuten von geringer Uiberlegung das Ansehen gewinnen kön¬ nen , als ob man partikularistren wolle. Da ich nun tu einer Predigt nur denjenigen Stof erwäh¬ len kann, der oder den größten, oder doch einen beträchtlichen Theil meiner Zuhörer angehen kann, so muß ich die Pflichten der Richter, der Her¬ ren , der Beamten, so zu sagen, nur zufälliger Weise an den Mann bringen. Ich würde zum Beyspiel eben bey der Gele¬ genheit, da ich dem Unterthan seine Pflicht zu vcr- verstehen gebe, aus der grossen und strengen Schul¬ digkeit, die die Obrigkeit, die Herrschaft, der Beamte hat, einen Beweggrund aufstellen, vermög welchen der Unterthan seinen Respekt, seinen Ge¬ horsam gegen dieselben zu beobachten hatte/ und um so leichter beobachten könnte. " Ihr se- ,, het, würde ich meinen Zuhörern sagen, welche „ strenge Rechenschaft Gört und die Wett von „ euren Herrn, von euren vorgesetzten Obrigkei- „ ten fordert, wie sehr es ihnen von dem Staat „ und der Religion an das Herz gelegt wird, daß „ ste für euer Wohl wachen: Erfordert es also „ nicht schon die menschliche Dankbarkeit, daß ihr „ sie mit aufrichtigen Herzen verehrt und liebet , „ daß ihr eure Abgaben mit Willfährigkeit und „ Genauigkeit erleget, selbe weder in den Zehen- „ den, weder in der Robbat hintergeht, selbe- „ nicht durch verstellte Armuth, nicht durch er- „ dichtete Verunglückung vermöget, euch zu ih- „ rem größten Schaden einen Nachlaß zu machen; „ erfordert es nicht schon die menschliche Dankbar- „ keit, daß ihr euch weder wider die Verord- „ nungen, die sie selbst verfassen, weder wider „ jene, die ihnen von höherer Behörde zugeord- „ net werden, auflehnet? " — So würde ich meines Erachtens die Pflichten beydrn Partheyen schildern, und beyde würden mit meiner Schilderung zufrieden ftyn. Hausvater und Hausmutter müssen dem Seelsorger sehr oft zum Gegenstand des Unterrichts dienen. Die Lehren, die man ihnen einzuflössen hat, sind manchfaltig unnöthige Strengheit, grau¬ sames Verfahren gegen ihre Dienstboten, Der- G z kürzung IOL kürzung des denselben zugesicherten Liedlohns und Unterhalts sind mit den häßlichsten Farben zu schildern. Sorge über die gute Aufführung ist ihnen nachdrücklich einzuscharfen, und sie sind oft darauf zu erinnern, daß Gott sie wegen den Sünden ihre'- Untergebenen, die sie hatten ver¬ hindern können, zur Rede stellen werde. Väter und Mütter — Q wie viel hat da der Seelsorger zu lehren! Wenn ich cs dieser Gattung Menschen viermal im Jahre zu verstehen gebe, wie sehr sie ihren Kindern, nachdem sie ihnen das leibliche Leben erthcilt haben, auch das bürgerliche, auch das christliche geben sollen, kann das zu viel seyn? Welche weitläufige Abtheilungen in dieser einzi¬ gen Materie! Sicher mein Bester, ist die Erzie¬ hung , daran cs den meisten Gemeinden fehlt. Auch die belehrresten Erzeuger haben Müh, ihre Kinder im wahren Geleise zu erhalten. Stellen Sie sich vor, welche Anweisungen das rohe Volk am Land bedarf, um diesfalls nur das höchst, rröthige zu begreiffen und zu erfüllen! Düs Ehsdölk — Giebt einem geistlichen Redner ebenfalls nicht wenig zu thun. Dieses. nou xlu8 ultra der menschlichen Verbindung ist die Würze der mensch¬ lichen Gesellschaft, wenn die Verbindung durch Klugheit eingegangen, und in gehöriger Eintracht der Gemächer erhalten wird, so, wie die Ehe das wahre Portrait der Hölle wird, wenn die Ein¬ verständnis wegfallt. Ein Missethater Mut seine Stra- ISZ Grrafe kaum so, weun man ihn an die Leiche des erschlagenen Bruders anklammert, als Mißver¬ gnügte Eheleute die bittere Noth , beysammen zu leben. Das End der Freundschaft zwischen Mann und Weib macht oft das zeitliche, oft das ewige Verderben einer Menge Menschen aus, die mit dem unglücklichen Paar in Verhältnis sind. Um also diesfalls Früchten der Wohlreden- heit cinzusammeln, muß der Hirt alles auf dje Bahn bringen, was ein Herz zu Fried und Ei¬ nigkeit bewegen kann. Er muß dem Ehcvolk die Quellen entdecken, woraus größtentheils ihre Miß- Helligkeiten entspringen. Er muß sie vor Übeln Rathgebern warnen, die die Wuth des Teufels spornt, in dem häuslichen Unglück ihrer Nachbarn Unterhaltung und Freude zu suchen. Er muß ih¬ nen die Folgen ihrer Unzufriedenheit in der gar¬ stigsten Gestalt zeigen, in der sie sich auch ge¬ meiniglich aussern. Er muß ihnen die Mittel an die Hand geben, wie sie bey so manchfaittgen Ereignissen dennoch die Standhaftigkeit nicht ver¬ lieren , ein Herz und ein Sinn zu seyn. Er muß sie lehren, in dem Mitleid, in Ertragung der Gebrechen, in der Dienstfertigkeit einander zuvorzukommen, die eigene Laune einer fremden aufzuopfern, und in einer ganz gleichen Denkungs¬ art ihr Glück zu suchen. Ihnen darf ich es wohl nicht empfahlen, daß von jenen Pflichten, die dem Ehevolk hinter den Gardinen obliegen- auf der Kanzel auf kci- nerley Weise die Rede seyn darf; denn so was könnte, ohne Aergernjß zu geben, auch mit den unschuldigsten und behutsamsten Ausdrücken nicht ' G 4 ° ge- 104 geschehen. Sorgen Sie sich nicht, doch es in die¬ sem Stücke Sünden der Unwissenhsir gebe! Die Natur ist mehr a!s zu lehrreich: und wer wird es mir absprechen, wenn ich behaupte, daß ge¬ sittete Menschen, wenn sie in diesem Stück einige praktische Zweifeln haben, von dem Seelsorger nicht einmal die Fähigkeit, hicrinnfalls aufgeklärt zu werden, erwarten sollen? Es ist uns zur Eh¬ re, wenn man nicht jeden von uns für einen Gauche; halt. Es giebt noch unzahlbare Gegenstände der Sittenlehre, von denen an der Kanzel Gebrauch gemacht werden mag, von denen ich nicht son- derheitlich reden kann. Dieß will ich Ihnen nur gerathen haben, daß man nach genommener No¬ tiz von den Fähigkeiten und den Sitten seines Kirchspiels die Gegenstände, die vorzüglich den Schaafen angemessen sind, manchfaltiger vortragen müsse; daß unter den verschiedenen Abteilungen einer Materie diejenige vor allen andern zu neh¬ men seye, die ich mit mehr Nachdruck an das Herz zu legen im Stand bin; und von der ich die mei¬ sten Wirkungen hoffe. Wenn Sie von einem La¬ ster insonderheit reden, Hütten Sie sich vor vie¬ len Ausruffungen, halten Sie sich nicht so viel bey Drohungen als Beweisen auf! Man muß den Verstand erleuchten, und dann erst das Herz zu rühren suchen. Hierzu ist ein sanfter Zu¬ spruch, der die Seele in Empfindungen versetzt, geschickter, als eine donnernde Stimme, die bloß erschüttert. Ich null diesen Brief beschlüffen. Daß er dicht geworden ist, müssen Sie mir verzeihen. Ich ver- roz Versichere Sie aber, daß ich Ihnen nicht für die Zukunft stehe« kann, ob ich mich bessern werde, denn, wer von weitläufigen Dingen zu schreiben hat, muß oder unendlich viele ober lange Briefe schreiben. Leben Sie wohl! Ich bin rc. Neunzehnter Brief. A- E- 2l- zu S. P. an I. S. S- P. am i. Marz 1785. Lieber Freund rc. -2tHut Ding braucht Zeit. Die Werke der Mcn- schen können nicht vollkommen seyn, wenn sie nach der Oberfläche behandelt werden. Fleiß und Pünktlichkeit müssen die Hebammen seyn, wenn der Seelsorger am Predigtstuhl ohne Mißgeburt entbunden werden soll. Ohne Vorbereitung giebrs keine Wohlredenhcit. Diese Wahrheit den Men¬ schen beweisen zu wollen, wäre eben soviel, als ih¬ nen Vernunft absprechen. Alle menschlichen Hand¬ lungen , die mit dem Kopf ein Verhältniß haben, müssen vorbereitet werden. Das erste, was ich zur würdigen Vorberei¬ tung des Seelsorgers, der die Kanzel zu besteigen har, fodere, ist eine reine Absicht. Wenn die Versammlung zu Trient in der sten Sitzung am 2ten Kap. des Reformationsde- G s kret kret den Seelsorgern das Predigtamt anempfiehlt, seht es ausdrücklich dazu, daß man selbes einzig aus der Absicht antretten müsse, daß das christli¬ che Volk erlerne, nach welchen Tugenden cs zu trach¬ ten, welche Laster es zu fliehen habe. Das erste folglich, worauf man denken soll, wenn man eine Predigt zu verfassen hat, ist der Vorsatz, ohne Menschenfurcht oder Schmeicheley das zu sagen, was den Zuhörern am meisten gedeihen wird. Obs ihnen gefallt, oder nicht gefallt, darüber hat der Prediger sich nicht zu bekümmern. Der Arzt fragt keinen Patienten um Rath, wenn er das Rezept schreibt. Fern von allem Partheygeist, fern von jener Leidenschaft, die dieses oder jenes Pfarrrind im Privatleben bey dem Hirten etwann rege gemacht haben kann, muß der Hirt an den Predigtstuhl nicht den Richterstuhl hinstellen, wo¬ selbst er in seiner Angelegenheit spricht. Es giebt manchmal zwischen dem Hirten und Schaafen im Kirchspiel kleine Streitigkeiten, die sich auf das bürgerliche Verhaltniß gründen. Man kann von Unbesonnenen beleidigt worden seyn / man kann darüber keine Genugthuung erhalten haben. Alle diese Umstande muß man aus seinem Gedachtniß verbannen, wenn man zu Entwerfung seiner Pre¬ digt die Feder ansetzt. Wer den Predigtstuhl be¬ steigt , muß nicht denken, in das Feld zu ziehen, er muß ein Both des Friedens seyn. Glauben Sie mir mein lieber Freund ! Das Sticheln, wo¬ mit manche Prediger Angelegenheiten berühren, die in das Gerichtshaus und nicht auf die Kanzel gehören , hat niemal eine gute Folge gehabt. Die Gemüther werden erbittert. Nicht nur allein die, welche so gezeichnet werden, daß man mit Aingern Mif sie deuttn könnte, werden dadurch 107 erbittert , sondern alle, die mit ihnen, auf welche Art es seye, in Verhaltniß stehen, nehmen sich ihrer an. Es wird eine allgemeine Fehde, wozu der Prediger das Signal gegeben hat. Die Selbst¬ verteidigung auf der Kanzel ist ein trauriges Uiberbleibsel von Faustrecht. Wann die Predigt nicht Wort Gottes ist, wie kann sie fruchten, und wie kann sie wohl nur ein Schatten von Wort Gottes seyn, wenn die Leidenschaft das Work führt. Weh denen, die nicht nach dem Geist des Evangeliums predigen! Da, wo der Seelsor¬ ger einzig das Seelenheil seiner Untergebenen su¬ chen muß, soll sein zeitliches Interesse schweigen. Auch eine Dosis Ruhmsucht zu viel muß von dem Seelsorger vermieden werden, wenn er sich anschickt, seine Predigt zu verfertigen. Ich läugne es nicht, daß das Vorurtheil, welches das Volk von der Gelehrsamkeit seines Pfarrers hat, sehr viel beytragekss könne, seine Lehren wirksamer zu machen: und das Lob wird einer guten Predigt, wie der Schatten dem Licht, folgen. Man ist auch berechtigt gegen dieses Lob gar nicht gleichgültig zu seyn, man muß es zu verdienen suchen, aber massig muß diese Absicht seyn, sonst führt sie den Seelsorger irre. Das Verlangen gelehrt Zu schei¬ nen, wird ihn selten was nützliches sagen lassen. Da einem Ruhmsichtigen nichts erhaben genug ist, wird er sich in seinem Ton so versteigen, daß er denen, die er belehren soll, unbedenklich wird. Man wird ihn anstaunen, aber so wie ein Wun- derthier, das zur Schau ausgestellt wird. Das Verdienst einer Predigt ist die Auswahl des Satzes, die Bündigkeit in den Bewcisthümern, die Zu¬ dringlichkeit an das Herz des Zuhörers, und dir Ord- 108 Ordnung , mit der man hierinnfalls zu Werke geht. Wer äusser diesen Stücken seinen Ruhm in Spitzfindigkeiten, in gelehrtscheinenden Anekdoten, an überflüssigem Wörterkram sucht, würdigt sich zum Charlatan herab, den die Klugen auslachen, und von dem der Unwissende nichts lernt. Was ich zweytens von dem Seelsorger in der Worbcritung zum Predigtamt fodere, ist das Ge¬ bet zu Gott nm Beistand. Wenn jemand un- tcr euch, spricht der heilige Apostel Jakob im ersten Sendschreiben, Weisheit bedarf, der soll sie von Gott begehren! Und wahrhaftig da bey aller möglichen Erkeimtniß der Schaafe, die der Hirt behauptet, die wahre Lage, das wah¬ re Bedürfnis der menschlichen Herzen nur dem All¬ wissenden allein bekannt ist, da nur er allein weiß, Weiche Grade von Uiberzeugung, welche Grade von Rührungen diesem oder jenem sterblichen Zu¬ hörer angemessen sind; da nur er es ist, der nur die Lichter giebt, um zu überzeugen, und die Wärme, um zu rühren, was übrigt dem Seelsor¬ ger , als eine Zuflucht zu Gott, was übrigt ihm, als sich und seine Zuhörer demjenigen zu übergeben, der der Urheber alles Heils ist I Ihn also muß man, wie Mopses, da er zu dem egyp- tisthen König die Gesandfchaft übernehmen sollte, fragen: was soll ich reden:' Zn ihm muß man mit dem gekrönten Propheten aufrufen: Acre eröffne meine Lippen! Und mein Mund wird dem Lob verkündigen. Da viele Dinge sind, spricht der heilige Augustin im Ztcn Buch von der christlichen Lehre, von de» nen man reden kann, und da auch die Art, mit der man das, was man weiß, sirgeu ?nag, rnarrchfaltig ist , wer weiß es, was gegenwärtig nur Nutzen gcsrgt, oder angehört werden könne, als der» jenige, der alle Herzen sicht? Und wer ift, der cs am füglichstcn -nachen kann, daß alles , wie cs M, und was da soll gesagt werden, herausgesrgt werde, als derjenige, in dessen Hand wir und un¬ sere Reden sind. Gleichwie cs endlich alle Seelsorger von ihren Schaafen erwarten, daß sie Gott um Beystand anruffen, um mit gelernigen Herzen das Wort Gottes aufzunrhmen, also wird es wohl auch unsere Pflicht seyn, uns um den Beystand Gottes zu bewerben, damit wir fähig werden, unserm Volke Lehren des Lebens vorzu¬ tragen. Urbrigens müssen wir weit entfernt seyn, uns blindlings an die Vorsicht und die Eingebun¬ gen des Geistes Gottes anzulehnen. Das dritte Stück der zum Predigtamt gehörigen Vorbereitung ist das Studium. Der Seelsorger muß seine Re¬ de ausarbeiten, und Gott, den er um seinen Bey¬ stand ersucht hat, wird ihn dabey leiten. So wie sich jeder vorbereitet! wird, der an eine Standes- person, der vor Gericht, der kurzum von einer bedeutenden Sache einen Vortrag zu machen hat, muß es der Lieblingsgedanke des Seelsorgers seyn, sich gefaßt zu machen, damit er im Namen Got¬ tes würdig zu einem Volke spreche, über dessen Heil er einsmals zur Rechenschaft wird gezogen werden. Wie muß aber der Seelsorger an feiner Pre¬ digt studiren? — Man wird oft die lezten Tage der I 10 der Woche von andern Geschäften in Beschlag ge¬ nommen , die ein Pfarrer nicht abschütteln kann. Man soll also seine Predigtstudien nicht bis an die lezten Tage verschieben, Um nützlich zu reden muß man mit allerhand Wahrheiten genährt, inan muß berathen seyn, wo man schöpfen kann, wenn die eigene Erfindungskraft nicht in der gehörigen Stim¬ mung ist. Jeder Telemach muß seinen Mentor haben. Wir haben manchmal von einer Materie schon zu ost gepredigt: oder matt ist zu manchen Stunden eben nicht in der Laune, über jeden Ge¬ genstand die gehörigen Beweisthümer zu verfassen. Um also nicht das Alte, um etwas Zweckmässiges zu sagen , muß man Hilfsmittel haben, seine An- tciter, seine Lieblingsauchoren. Dies setzt eine be¬ ständige Lektüre voraus, damit man weiß, wo man in dieser, wo man in jener Angelegenheit No¬ tiz haben kann. Die göttliche Schrift hat den ersten Rang unter den Büchern, die man einem Seelsorger in die Hand geben muß. Ein klassischer Ausleger wird ihm dienen , um von den Aussprüchen der Schrift den rechtmässigen Gebrauch zu machen. Die Geschichte, wie sie zu allen Dingen gut ist, bildet sie auch den Prediger; denn die Wahrheit gewinnt immer, wenn sie aus dem Alterthrnn be¬ leuchtet wird. Unter der Geschichte verstehe ich keinen Pexenfelder, keinen Abraham a sankt« Cla¬ ra, sondern die allgemeine Zivil- und Kirchenge¬ schichte, aus der man immer etwas- aber sehr we¬ nig anführen darf, um eine Predigt, nicht aber einen Roman verfaßt zu haben In Hi In der Wahl der Predigtbücher muß man be¬ hutsam ftyn. Die Menge macht hier nichts. Ei¬ nige wenige genügen, wenn sie gut sind. Aus den Franzosen lernt man die regelmässige Struktur, und die Kunst aus dem innern Moral seine Be- weisthümer herzuholen. Die Watschen bieten uns die Art an, dringende Affekten zn machen. ES mag der Genius der Nation erheischen, daß man das Herz mit Ausbrüchen und Änmuthungen über¬ schwemmt, um es in eine Rührung zu versenken. Ich bin der Meinung, daß es keinen grossen Lärm bedarf, um zu rühren, wenn die Gründe einer Wahrheit von dem Verstand selbst, der sie aner¬ kannt hat, an das Herz gelegt werden. Eine kleine Anwendung, eine einzige Frage, ein einziger, in guten rührenden Ausdrücken ge¬ machter Apostroph wirkt, wenn er mit derjeni¬ gen Lheilnehmung des Redners ausgesprochen wird, der die Zuhörer überzeugt, daß derselbe sei¬ ne Wahrheit empfindet- Deutsche originale Werke von Mustern haben wir nur seltene. Mosheim, Lavatcr, Heckel, Tschupik, die Sammlung von Hallersfeld re. kann ich Ihnen empfehlen. Doch aufrichtig zn reden , man muß sich an keinen halten. Man muß, wie die Bienen überall Honig zusammtragen, um sei¬ nen Korb zu füllen. Man wird bey jedem was Gutes lernen , und von keinem allein gebildet wer¬ den. Dieser wird uns in Auswahl der Materien belehren. Jener wird uns zeigen, wie natürlich man seinen Satz abtheilen, und die Abtheilung, wenn man will, untertheilen könne. Ein anderer macht 712 macht uns verständlich , wie man seine Sätze mit den angemessensten Beweisen erhärten soll. Von einem andern proflriren wir die natür¬ lichen Wendungen von einem Abschnitt zum an¬ dern. Ein anderer wird uns zum Muster, in der Nettigkeit der Sprach: und wiederum ein anderer i.r den geschmeidigen -Perioden, in welchen sich eine Liede an das Herz des Zuhöres schmiegt. Einem andern Lehrling würde ich die Warnung geben , keinen Author auszuschreiben, weil so was nicht Predigten machen, sondern abschreiben hieß. Für Cie wäre die Warnung überflüssig. Ihre Ehrliebe läßt es ohnehin nicht zu, mir fremden Federn zu prangen. Ich habe Leute gekannt, die die Vermessenheit halten, eine Lobpredigr so ganz aus dem verdeutschten Flechier auszuschreiben, daß gar kein Wort der Veränderung unterlag; und was noch vielmehr ist, solche zum öffentlichen Druck zu befördern und doch waren damal Zei¬ ten, wo man wegen kleinen Diebstählen gestäupt und gebrandmarkt ward. Sollten solche Predigt¬ verfasser nicht in gerader Linie von dem unglückli¬ chen Author abstammen, den Blumauer in seiner travestieren Aeneis auf seinem eigenen Grabe mit Ruthen peitschen laßt, um die arme Seele zu er¬ lösen ! Die Prcdigtbüchcr müssen uns, die wir wirklich Innhaber unserer Predigtprodukten seyn wollen, bey der wirklichen Verfassung zu nichts anders als zur Stimmung unscrs Talents, zur Sammlung der Ideen dienen. Daß der Fleiß in der Vorbereitung zum Pre¬ digtarnt .nicht vollständig seyn könne, wenn wir un¬ sere HZ sere Reden nicht vollkommen schreiben, versteht sich von selbst. Die alten Herren, denen die Verwen¬ dung des Papiers Unwirtschaft scheint, mögen dagegen sagen, was sie wollen: Sie mögen ihr Gedächtnis ihre vieljahrige Uibung anführen, wie sie wollen, so wird man ihren Reden, die sie sich nur im Kopf zusammsioppeln, allemal die Auszehrung ansehen, die sie bey sich führen. Dünkt sich doch mancher Pfarrer eben darum ein Meister in Israel zu seyn, weil er so manche schöne Jahre wohl über eine Stunde jeden Sonn¬ tag gepredigt hat, ohne auch nur eine einzige Predigt geschrieben zu haben. Die elenden Hech¬ ten ! Ich hab oft blödsinnige Menschen den gan¬ zen Tag ununterbrochen schreyen gehört. Unter Predigen und Unsinnsagen ist diel Unterschied- Es gehört freylich Anwendung dazu , um sich solchergestalten zur wichtigsten seiner Pflichten an¬ zuschicken. Aber jede saure Müh, der Würde des wesentlichen Gegenstandes angemessen, belohnt sich selbst. Wenn man nur so viel Ehrgeiz hat, als der natürliche Hang dazu an die Hand giebt, wird man sich schämen ein fauler Taglöhner zu seyn; der seine Sache so schlechtweg macht, als es ihm mit Vermeidung der Stockschlage möglich ist. Einem Seelsorger, dem das Nichtsthun, oder der seinem Stand widersprechende Umgang; oder der Trunk, oder das Spiel nicht unentbehrlich geworden sind, wird bey der pünktlichen Verfas¬ sung seiner wöchentlichen Predigten sogar Unter¬ haltung zuwachscn. Welche Freude für ihn, wenn er nach einer Reihe von Jahren das ganze Feld übersehen kann, das er mit seinen eigenen Han- H den H4 den baute; die Verschiedenheit des Stofs besieht, den er bearbeitet, die Gründe überschaut, mit denen er den Herzen der Gläubigen die Wahrhei¬ ten des Glaubens und der Sittenlehre einflößte! Es ist mir gar nicht bang für Sie, daß Sie diese Freude nicht hundertfach fühlen sollen! denn Ihre Anlage zur Pünktlichkeit ist mir so be¬ wußt , wie meine Freundschaft gegen Sie, mit der ich immer seyn werde rc. Zwanzigster Brief. I. S- an A. Sl. zu S. P. M * am zten März 1783- Hochwürdiger rc. AAcine Seele hat sich bey Ihrem letzten Schrei- ben wohl befunden. So kurz meine Praxis noch ist , so lehrt sie mich doch, daß man in un- serm Carriere ohne Ihren Grundregeln unmöglich mit Ehren bestehen kann. Manche Woche quake mich schon die Versuchung, die Ausarbeitung mei¬ ner sonntäglichen Predigt an die letzten Tage zu verlegen. Aber Dank sey Ihren Erinnerungen! Ich bin nun ferne von der Gefahr, dieser Ver¬ suchung zu unterliegen. Wenn man in der Gele¬ genheit ist, die Fehler mit seinen eigenen Augen zu sehen, dis nach Ihrer Theorie die Folgen ei- ' ner HZ mr versäumten Predigtpflichk seyn müssen, kann man der Warnung gar nicht widerstehen. Es ist nicht schimpfliche Schmächfucht, nicht der Hang, mich auf fremde Kosten zu vergröffern, sondern aufrichtiges Bekenntniß des .Lehrlings ge¬ gen seinen Meister, daß man das Gepräge der lichten Wahrheit an seinen Lehrsätzen anerkenne, wenn ich sage, daß ich jedesmal fleißiger zu seyn entschlossen bin, so oft ich einer Predigt meines Pfarrers oder meines Kollegen beywohne. Mik einem fingerlangen Blatchen, woran einige Schrift¬ texte , einige Gemeinplätze auS der Moral mit we¬ nigen Worten angemerkt sind, besteigen sie den Predigtstnhl mit einer Entschlossenheit, die den Feldmarschall auszeichnet, wenn er vor der Schlacht sein Pferd besteigt. Man möchte meinen, De- mosienes werde seinen Mund aufthrm, und end¬ lich ist alles, was heraus kömmt, zehnmal wider- holtes Einerley, schiefe Anwendung des Texts, zweckloses Bestreben , die Wahrheit aus einander zu fetzen, bäurische Vorwürfe, manchmal eine Schnacke mit unter. Ich fühle es im Innersten, baß ich mit s» wenig Vorbereitung an der Kanzel am Pranger zu stehen glauben würde: und doch, was man noch alles erlebt, werden die beyden Herren an mir in Betref meiner ewigen Schreiberey zu Rit¬ tern. Sie wissen aber schon Hochwürdiger Herr, was die Aufklärung solchen Zumurhungen entgegen setzt — Mitleidm. Mein Triumpf über sie war das frappante Gesicht, und das ehrfurchtvsüe Stillschweigen, H 2 was tl6 was zum Desert gestern Key unserm MittagmahD wurde, als ich am Ende der Tafel Ihren letzten Brief vorlas. Ich erwarte mit einem Heißhut* ger den Verfolg dieser Materie, und bin mit der vollkommesten Verehrung rc. Ein und Zwanzigster Brief. A. zu P. an I. S. S. P. am riten Mar; 1785» Mein Beßker rc» dAohl dem geistlichen Jüngling, der so, wie <<,^7 Sie alles am rechten Flecke zu nehmen weiß! Ihre bendeu Herrn Feldmarschalle mögen immer muthig zu Pferd steigen! Mit ihren seich¬ ten Plänen werden sie jede Schlacht verlieren. Oder ist es vielleicht keine Niederlage, wenn der Verstand der Zuhörer blöde und das Herz unge¬ rührt bleibt? 'Einsweilen mag das Stillschweigen dieser Herren zum Bürgen stehn, daß sie unsere Wahrheiten nicht laugnen mögen. Desto schlim¬ mer für sie, wenn sie dadurch nicht geändert wer« den. Lassen Sie mich in meinen Grundsätzen foktfahren! Ich habe dcrnialen mit Ihnen von der Ver¬ fassung der geistlichen Beredsamkeit, oder von der innern Beschaffenheit des Wortes Gottes nach der Regel der Rhetorik zu sprechen: und da kömmt uns «Ns vor Men andern der allgemeine Begrif vor» der rednerischen Verfassung entgegen. Es giebt eigentlich zwo Gattungen der Ho¬ miletik. Die erste Gattung besteht m der Ausle¬ gung des Evangeliums. Nachdem der Redner mit kurzen Worten ei¬ nen Eingang gemacht hat, sagt er zum Beysp-iel: Das heutige Evangelmm hat z oder 4 oder 5 besondere Wahrheiten in sich. Der Evangelist sagt erstens rc. Er setzt hier den ersten Tert an, erläutert ihn seinem buchstäb¬ lichen Verstand nach, und verbindet ihn alsderm mit einer Glaubens-oder Gittenlehre. So schrei¬ tet er von einem Punkt zu dem andern, bis er das ganze Evangelium zergliedert hat. Wenig oder nichts verändert, bleibt diese Gattung von Predigt die eigentliche Methode der Katheches in den Normalschulen, woselbst, wie Sie wissen, der Lehrer alle Wochen das Evangelium zerglie¬ dern muß. Man würde unsinnig seyn, wenn man dieser Gattung von Kanzelreden das Sy¬ stematische absprechen wollte. Ich würde mich auch selbst verkennen, wenn ich eine Lüsternheit fühlte, einer sogestaltigen Kan¬ zelrede ihren Nutzen abzulaugnen. Auf diefe Art predigten die Väter, wie man,es in ihren Ho¬ milien unendlichmal findet; so predigen auch an gemeinen Sonntagen überhaupt die Franzosen. Nur eine Anmerkring sey mir erlaubt. Wer's eine Phantasie nennen will, hem erlaub ich's: nur soll er mir eingestrhen, daß nicht jede Phantasie Traum ftye, daß sich manche Phantasie von der Hz be- -k! L M-Et-E bekanntsten Wahrheit dadurch unterscheide, wci^ ste fremd, weil sie nicht oft vorgctragen worden ist. Die Wahrheit selbst, wenn sie überaschend erscheint, steht oft wie eine Lüge aus. Richtig ist, daß die verschiedenen Sähe man¬ ches Evangeliums nicht auf einerley Stof verwen¬ det werden können. Sicher also bleibts, daß bey der beschriebenen Zergliederung des Evangeliums in einer Predigt die manchfaltigsten Glaubens - und Stttenlchren zugleich Vorkommen müssen, daß sich also der Stof einer solchen Predigt sehr ver¬ vielfältigt. Eben dieß verursacht, daß die Wahr¬ heiten nicht am besten behandelt werden können. Die Materie wird zu weitschweifig. Die Beweis- thümer werden abgekürzt, und durch die Aneinan- derstossung der Materien wird eine vor der an¬ dern verschwinden; der schwache Verstand des Landmanns wird überhäuft, und die offenbarsten Erläuterungen werden wegen ihrer eigenen Kürze solchen Köpfen unverständlich: und endlich scheint eben dadurch, weder der Wohlredenheft, weder dem Vedürfniß des Volks genuggethan zu werden. Die zwote Gattung der Homiletik besteht in regelmässig formieren Predigten; da man sich aus dem Evangelmm eine einzige Sittenlehre wählt, über die man eine vollständige Rede aus- arbcitet. Es wird ein gewisses Ganzes, das aus Thülen besteht. Es wird durch den Eingang er¬ öffnet, durch einen Satz bestimmt, und der Satz selbst in Abschnitte gebracht, so viel man deren will, oder, so viel deren der Satz selbst zuläßt. Diese Abschnitte werden durch Beweisthümer er¬ probt; durch diese Proben hex Verstand erleuchtet und srrd sodann die Wahrheit auf das Herz gelegt , wodurch jene Rührung entsteht, die das letzte Pro¬ dukt einer Sittenlehre seyn sollte, weil eigentlich nicht soviel die Erkenntniß der Wahrheit, als die Awendung derselben das Ziel und End der Pre¬ digten ausmachen soll» Qb man auch regelmässige Predigten verfas¬ sen sollte; darüber kann wahrhaftig kein Zweifel bestehen. Vorausgesetzt, daß man dem Vblk am Lande in einer faßlichen Muttersprach, in Aus¬ drücken, die sich im Verhältnis mit dem Gehirn dieser Leute nicht versteigen, predigen soll, sehe ich gar nicht ab, wie einem solchen faßlichen Vor¬ trag ein regelmässiger Bau der Rede entgegen seyn solle. Nachdem die Ordnung, die Nettigkeit, die Auseinandersetzung bcy allen Gelegenheiten ei¬ ne Rede nur verständlicher macht, weiß ich nicht, warum auch die deutlichste Wahrheit darunter verlieren solle. Jeder, auch ver dümmste Mensch, wird meine Befehle leichter behalten, um sie aus¬ zuüben, wenn ich ihm selbe aus einander setze, wenn ich ihm selbe in Absätzen vorrrage, als wenn ich ihm ohne Ordnung eine Menge zu rhun schaf¬ fe. Wer weiß es nicht aus der Erfahrung, daß die gemeinsten Leute einem Menschen mit viel grösserer Aufmerksamkeit zuhören, wenn er seinen populären Vortrag ordentlich vornimmt? In je¬ der Menschenseele liegt der Keim einer natürlichen Philosophie, die zu dem Regelmässigen eine ange- bohrne anlage enthält. Da mau dahero eben darum jeden Unterricht in der Welt in einer ge¬ wissen Ordnung giebt, warum soll denn das christ¬ liche Volk allein das Rindvieh seyn, das mit Mischmasch bedient werden müßte? Ja mein lie- H 4 der 120 ber Freund! Unsere Landlcute, nachdem sie ein¬ mal auf einen gründlicher» Vortrag seit 15 Jah¬ ren beylaufig gewohnt zu werden ansangen, han¬ gen an keinem Prediger mehr, der ihnen mit ei¬ nem unzusammhangenden Gerede die Stunde stiehlt, die sie dem Wort Gottes schenken wollen. Man kann ihre Lauigkeit mit Händen greifen, wenn man sie unter einem Predigtstuhl erblickt, wor¬ auf der Seelsorger keinen andern rechtsstandigen Beweis anführt, als den einzigen, den das Chaos seiner Rede selbst über die Wahrheit liefert, daß er ein Idiot, oder ein Poltron seye. Und in dec That wie sollte auch eine Menschenseele dabey warm werden, wenn sie mit einem Gemisch von Saßen, deren einer wie der andere lautet, wenn sie gleich aus verschiedenen Quellen zitirt werden, zur Langenweile geführt wird, wenn Mß oder jenes Histörchen, das seine Unzuverlässigkeit an der Stirne tragt, mit einer Mattigkeit, ohne Anwendung erzählt wird, daß man, ohne der größten Gewalt sich des Gähnens nicht enthalten kann! Kurz ich weiß keine Grundursach, warum die Landkanzeln zu demStandpunkt elender Schwatze- rer-en verdammt werden sollen; keine Grundursach, warum das gemeine Volk an dem Ort mrt weni¬ ger Fleiß bedient werden solle, wo eigentlich alles in der nämlichen Gleichlinie steht, alles Christ ist, wo der Unterschied alles Ranges, wie am Gc- richtsplatz, wie im Lehrsaale anfhöret. Welche Verwegenheit wäre es zu glauben, daß für die Bauernseelen jede Rede gut genug seye! Ich möch¬ te siuchen, wenn ich manchmal einen Seelsorger gewahr werde, der die Seelen seiner Psarrkinder geringer schaßt, als der Teufel selbst. Leben Sie Wohl w» Zwey 12! Zwey und zwanzigster Brief. I. S. an A. A. zu S. P. M * am zv. Mär; 178z. Hochwürdiger rc. ^Zerflossenen Diensttag führte mich ein Zufall nach S* in der Nachbarschaft, Es war ein Zusammenfluß von mehrern Geistlichen, eine nette Tafel, und sogar, Gott sey bey uns! — Ein ge¬ lehrter Diskurs. Ich wußte nicht, daß einige Tage vorher der Pfarrer von S. M. bey uns war, und von meinem Kollegen, der den lezten Brief von Euer Hochwürden in seinem Zimmer hatte, des ganzen Inhalts verständigt worden sey. Man setzte sich zum Ziel vor mich herabzumachen, und avanzirte in zweyen Treffen gegen mich. Das erste bestund in einigen vorläufigen An¬ merkungen wider die heutige Predigtart. Das zweyte in einem wilden Geschrey über junge Leute, die noch hinter den Ohren naß seyen, und doch alles refyrmiren wollten. Euer Hochwürden können sich vorstellen, mit welcher philosophischen Beruhigung ich bey dem ganzen Auftritt schweigen müßte, um ein Spekta¬ kel zu verhindern. Ich konnte das Ende der Ta¬ fel nicht erwarten, um mich von der hohen Schule des Meins zu entfernen; Henn die Peweisthümer Hs wur- ILL — -ÄiF wurden immer handgreiflicher, je nachdem die Zahl der ausgeleerten Glaser sich vermehrte. " Chrsi „ stus, hieß es, die Apostel und die Vater Haven „ in ihren Predigten weder Eingang, weder Theis „ lung, noch all das affektirte Zeug gehabt, was „ man jetzt bey den sogenannten regelmässigen Pre- „ digten verlangt. Der heilige Paulus sagt, daß „ die apostolischen Reden nicht in der Verzierung „ menschlicher Weisheit, sondern in gläubiger Ein- „ falt aogefaßt werden müßten. Denkt nicht „ viel, ermahnet der Heiland seine Jünger, was „ und wie ihr neben sollet! Es wird euch /, in der damaligen Stund gegeben rver-- „ den, was ihr reden Met! denn nicht „ ihr sepd es, die ihr redet, sondern der ,, heilige Geist ist es , der in euch redet. „ Es warm so viele tausend gelehrte Prediger „ in vorigen Zeiten, gegen die sich die jetzigen „ Schöngeister verbergen müssen. Und woher müß- ,, te man wohl die Zeit nehmen, wenn man seine „ Predigten so nett ausarbeiten wollte ? Das Vre- „ vier, die Qekonomie, das Meßopfer, andere „ pfarrliche Verrichtungen nehmen die meiste Zeit „ her Woche mit sich. Soll man vielleicht bey „ einer Nachtlampe seine Gesundheit ruiniren? „ Und wozu ? Um vor dem Bauer als ein Cicero „ aufzutreten, um einen regelmässigen Schnick- „ schnack aufzustellen, von dem der Bauer den „ Teufe! versieht? kilum ceiieutis umiei! — hieß das allgemeine Motto. Das hämische Lächeln meines Herrn Pfarrers, und meines Herrn Kollegen, als ich Ihnen Abends von den gelehrten Heldcnthatm unserer Nachbarn einen Abriß machte, fuhr mir wie der Blitz durch den rrz den Leib; denn ich sah leider, daß die ganze Land- klerifty um mich herum noch so bald von ihrem Schlendrian nicht kurirt werden könne. Ich wünschte dahero, daß Euer Hochwürden in ihrem künftigen Schreiben diesen Punkt noch einmal berühren, und die alte Wasche in die schärfste Laugen tauchen. Ich werde die Schrift in der ganzen Nachbarschaft her¬ umgeben, um alle, die der Gerechtigkeit einer so aufi- Uegenden Sache widersprechen, zu beschämen, Ich empfehle mich in Ihre Gnade und bin mit der vollkommensten Verehrung re. Drey und zwanzigster Briest A. A° zu S. P. au I. S. S. P. am 28. März 1785° Lieber Freund rc. ^)aum konnte ich von mir den Entschluß erhal- ten, noch einmal jene Wahrheiten zu wieder¬ holen , die ich Ihnen jüngst vortrug. Ich hasse die aufgewarmtcn Speisen ; denn glauben Sie mir, ein hierarchischer Dümmling ist ein Dümm¬ ling über' alle Dümmlinge: und eh Sie einen faulen Pfaffen über die Pflicht, fleissiger zu seyn , überweiü» , werden Sie zehn Mohren weißgewaschen haben. Sie holen ihre Grund¬ sätze, nach welchen Sie handeln, diese tragen Last- threre, nicht aus dem Gesetzbuch, sondern aus der Skarteke ihrer Leidenschaft her. Ich würde lieber Holz ,U»4 Holz hacken, als für solche Insekten eine Pastorat thrologie schreibe». Ich bitte Sie! behalten Sie meine Schrif¬ ten für sich, und geben Sie sich mit dem Volks nicht mehr ab, das Ohren hat, und nicht höre» will! Um Ihnen aber das Lächerliche, was Sie selbst in den Einwürfen der hochwürdigen Zecher gefunden haben, noch lächerlicher zu zeigen, will vH doch ein wenig darüber raisomren. Wollen Sie in den Reden Christi Jesu Ord¬ nung und Eintheilungen finden, so schlage» Sie nur das Evangelium nach! Man hat uns zwar keine vollständige Rede von dem Heiland nach ih¬ rer ganzen Ausdehnung geliefert, und dennoch fin¬ den wir in den kleinsten Bruchstücken Ordnung und Absätze. Das Evangelium am Sonntag Sexa- grsima und Septuagesima sind offenbare Beyspiele von Ordnung und Eintheilung. Dann ist es aus¬ gemacht, daß der herrschende Geschmack der Menschen in Palästina, da Christus Jesus predigte, in Para¬ beln bestund. Dieser bediente sich auch der Heiland meist. Schon also dieß war die Regelmässigkeit damaliger Predigten. Wir müssen aber bekennen-, baß der Heiland, indem er sich nach dem damaligen Geschmack richte¬ te, um seine Lehre, die er zu verbreiten hatte, angenehm zu machen, in seinem Vortrag die net- kest? Ordnung und Auseinandersetzung beobachtete. So, wie von dem Heiland, haben wir auch von den Aposteln keine vollständigen Predigten. Weit es läßt fick aus den kleinen Auszügen, die uns —SI ILZ »ns Lir Apostelgeschichten liefern , gar nicht zwei¬ feln, daß sie mit aller Nettigkeit gepredigt haben sollen. Wir wissen, was der Apostel Paulus, als er zu Athen predigte , durch seine Reden wirkte: und wir können wohl vermuthen, daß er durch eine Rede, die weder Kopf, weder Fusse gehabt hatte, kein Aufsehen gemacht haben würde. Die Vater endlich hielten sich an die erste Gattung der Homiletik. Ich wünschte, daß die kahlen Herren> die wider mein System schreyen, wenigst diesen nachfolgtem Wie gerne wollte ich an sie keine an¬ dere Foderung zu machen haben. Paulus der Apostel untersagt uns freylich in Len christlichen Reden menschliche Gründe der ein¬ schleichenden Weisheit; aber er will damit weder Nettigkeit und Ordnung, weder Vernunftschlüffe untersagt haben; sondern, wie der Verfolg seiner Rede zu verstehen giebt, er fodert, daß der Glau¬ be die erste Stütze der Wahrheit seyn muß. Schön ist es allerdings, wenn man einen Schrifttept so bey dem Aermel herumzieh't, daß er sich jeden Orts brauchen lassen soll. Christus sagte semen Jüngern : " Wenn ihr vor den Königen und „ ihren Ministern zur Rede gestellt werden sollet, „ lasset euch nicht bang seyn, was ihr vorbringt! „ in dieser Stunde wirds euch gegeben werden. „ Der heilige Geist wird durch euch reden. Es war nothwendig, daß Christus Jesus sei¬ nen Jüngern bey dem weitausschenden Predigtamt, bey der Verbreitung des Glaubens durch alle Welt, in so warmen Gelegenheiten, wo es eigentlich dar¬ an anstund , daß die christliche Wahrheit siegen mußte r-6 mußte, vor dm Thronen der Monarchen die Ver¬ sicherung von unmittelbarem Beistand deS Himmels gab, um ihren Muth kräftig zu machen. Es wäre aber freylich schade, daß solch ein gelegenheitlicher Ausspruch nicht besser benutzt werden sollte. Was rhut der Landpfarrer? Er , der schon weiß, wie man eine Gleba urbar macht, wenn er zu faul ist, um auf seine Predigt zu studieren, bedient er sich des Evangels, lehnt sich auf den heiligen Geist an , mit dem er ganz vertraut zu seyn scheint, und denket sich: hat der Geist Gottes für die Apostel studiert, warum denn nicht auch für unser einen? Rilum wueaüs amiei 2 Die sehr viele tausend gelehrten Prediger in der Vorzeit lassen wir im Frieden ruhen. Es hat in allen Jahrhunderten Gold und Stroh gege¬ ben. Unsere Vorgänger in der Redekunst haben die Anleitung nicht gehabt, die sich uns jetzt von allen Seiten anbietet. Sie predigten wie sie's fanden, wie sie's lernten, wie sie's konnten. In diesem Punkt blieb die ganze Vorzeit im Trüben. Man betrachtete die Predigten nicht mit jener Kunstmassigkeit, wie dermalen. Selbst unsere Mutersprach, die sich langsam und mühsam aus ihrer Verdorbenheit empor hob, war schon gleichsam ein wesentliches Higderniß der Regelmässigkeit. Aber soll denn alles so bleiben, wie es einst war, meine Herren? Einst haben die Pfarrer keine herrliche Gebäude, keine einträglichen Pfründen gehabt, sind nicht mit zwey stolzen Pfer¬ den herumgefahren, haben keinen Ausbruch getrun¬ ken. Ob's auch bey dem hätte bleiben sollen. Aber L27 Aber die hochwürdigen Herren haben Mange! an Zeit. Gewiß dieser Einwurf mußte kommen, sonst würden wir nicht gewußt haben, daß es in unserer Nachbarschaft Seelsorger gäbe, die sich von einem Dauer blos durch einen schwarzen Rock un¬ terschieden. Zn der Lhat, wenn der Seelsorger bey seiner Qekonomie selbst Knecht oder Magh seyn muß, denn wird freylich seine dießfällige Ar¬ beit alle Predigtstunden verschlingen: wenn er aber nur einen Kopf haben muß, mir dem er fähig ist, sein Gesind zu der gehörigen Arbeit anzuweisen, wenn er nur manchmal nachzuspühren hat, ob je¬ der seiner Schuldigkeit genugthut, dann werden noch jedes Lags welche Stunden übrigen, um sei¬ nem Dortrag obzuliegen. Was die Herren doch alles erfinden, um sich aus dem Umgang der Musen herauszuwickeln! Lassen wir sie lieber Freund ! Ein geweihter Tau¬ genichts wird einst sehen, wie er sich bey dem all¬ wissenden Richter nicht so tuns entschuldi¬ gen mag, als bey der Welt, die sogerne die Tau¬ genichts in ihren Schutz nimmt. Leben Sie wohl w» Vrer I2A Vier und zwanzigster Brief. A. A. zu S- P. an I. S. S. P. am 5. April 1785. Mein Traum rc. A^er Ordnung nach harte ich dermalen mit Ih- nen von der Erfindung des Stofes zu han¬ deln. Wekherlin hat recht. Er sagt zweymal zwey macht nicht allzeit vier. Die sichersten Re¬ geln in der Predigtkunst sind manchmal diejenigen, die der eigene Geschmack an die Hand giebt. Es heißt: man soll in seiner Pfarrkirche der Ordnung nach durch das Jahr hindurch die Glaubens- und Eittenlehren so Vorträgen, wie es der Katechismus an die Hand giebt. Obenhin genommen, scheint es, daß man so was nicht ohne Grundsatz sagen könne, weil die Ordnung in jeder Sache sich von selbst empfehlt: und gewiß, was die Karhechcsisbe- trift, bleibt dieser Grundsatz unerschüttert; aber nicht so, was die Sonn- und Feyertagspredigren belangt. Man mag mir noch so oft wiederholen, daß es kein Evangelium gebe, das nicht irgend einen Text enthielt, der auf jede Materie paßt, so werde ich immer behaupten, daß man zwar Lurch jedes Evangelium auf seinen Stoff kommen, aber oft dftrch solche Umwege kommen müsse, daß der Text des Evangels wie eine Spalier dastehr, welche keinen wesentlichen Theil des Zimmers aus¬ macht. Wer die Schrrfttexte bey den Haaren her- 129 beyzieht - macht sich allemal mehr Müh bey seiner Arbeit, und am Ende herrscht der Zwang durch alle Lheile, wenn mau schon einmal mit Zwang beginnt. Die wahre Praxis ist folgende: Ich lese das Evangel aufmerksam. Ich studiere den na¬ türlichen Sinn desselben. Ich nehme einen Aus¬ leger an die Hand, und wenn ich denn alles recht begreife, hebe ich mir eine Wahrheit heraus, die mir der natürliche Verstand des Evangels an die Hand giebt. Diese Wahrheit wird also der Satz meiner Predigt. Was ich vortrage, bis ich die¬ sen Sah in meiner Predigt aufstellen kann, das nennt sich der Eingang. Der Eingang ist das künstlichste, folglich auch das schwerste Stück bey einer Predigt. Er muß kurz seyn, er muß nicht zu allgemein klingen, folglich nicht jenen Arbeiten zum Verkauf gleich sehen, die für alle Falle fer¬ tig sind. Man muß die Materie, durch die man seinen Satz einleitet, nicht zu weit herholen. Man muß aber auch nicht mit ^iner lakonischen Zudring¬ lichkeit alsogleich an feinen Satz greifen. Dieß giebt oft Gelegenheit, den Satz sammt seiner Abtheilung bey den ersten Worten zu errathen: und das, wo¬ mit man hernach zwischen dem Anfang und der ei¬ gentlichen Eintheilung den Platz ausfüllt, lauft auf rin elendes Wortspiel hinaus. Der Plauderer ist nirgends so an der unrechten Stelle, als auf dem Predigtstuhl. Da der Eingang in seiner Wesen¬ heit eine Einleitung, eine Vorbereitung zu irgend einer Hauptwahrheit ist, folgt von sich selbst, daß nichts dastehen muß , was eigentlich eine Probe dessen abgeben könnte, was ich in dem einen oder andern Theil vorzutraqen haben werde. Es Ware eine sträfliche Wiederkauung, die dem Zuhörer Eckel erwecken müßte. Der Eingang zur Rede muß I nicht rzs nicht vorläufig zu viel entdecken, aber auch nicht alles vorcnthaltcn. Er muß mit dem , was gesagt werden soll, in Verbindung stehen, vollkommen an die Rede anpassen. Man muß in dem Eingang cine gewisse Ordnung in den vorkommenden Wahr¬ heiten aufstellcn. Vermög dieser Ordnung seht man das Weitläufigere voraus. Dem Weitlaufi- gern folgt das Bestimmtere, bis man unmittelbar an den Hauptsatz der Rede Herabkömnit, der das Interesse des ganzen Stücks ist. Es ist also die Art und Weise einen Eingang zn machen zum LH eil allemal die nämliche, nur muß man sein Augenmerk zugleich auf das Evangel und auf fei¬ nen Stoff richten. Aus der Lage dieser beydeir Gegenstände muß die Einleitung mit einer Ge¬ schicklichkeit hergrholt werden, die freylich im Grun¬ de nur die Uibnnz verschaft. Man muß sich sorg¬ fältig hüten, aus dem buchstäblichen Verstand ei¬ nes Schrifttexts auf den allegorischen zu verfallen, und in diesem durch den Verfolg der Rede zu ver¬ bleiben, weil dadurch die natürliche Situation des Evangels gehemmt wird. Die Evangelien sind zu reich an geradem Moral, als daß man nicht cm dem gebahnten Weg bleiben soll. Endlich muß ich Ihnen bey dieser Gelegen¬ heit auch noch eine Anmerkung von den Eingän¬ gen zu Lobreden vorlegcn. Es ist der gewöhnliche Fehler aller Lobredner, daß sie an Festtagen das Evangelium verlassen; mit fremden Schrifttepten aufzieheu, so, daß das Evangelium des Tags nicht mehr und nicht weniger, als lediglich eine Zeremo¬ nie wird. Sicher streitet so was wider die Ab¬ sicht der Kirche, die die Verbindung der vorzutra- gcnden Lehren mit dem betreffenden Evangelium Atz- -—-r-—SZ IZI wünscht. Freylich erscheint hier die Folge, daß nach diesen Grundsätzen die Ehrenredcn sehr ver¬ mindert, und an den Festtagen der Heiligen nur Sittenlchrcn vorgetragen werden müssen. Dieß ist es aber auch eben, wobey die Religion, den Hei¬ ligen unbeschadet, gewinnen würde; denn in sol¬ chen Sittenlehren würden immer die Tugenden der Heiligen als Muster der Tugenden zur Nachahmung dastehn, und cs giebt gar keine Heiligen, die sich zu ihrem Ruhm mehr wünschen. An den Hauptsatz der Predigt graust unmit¬ telbar die Eintheilung. Die Eintheilung ist nichts anders als eine Auseinandersetzung des Hauptsatzes, der sich in mehrere bestimmtere Satze hinausläßt, die meine Veweisthümer nach der Hand auffordern. Man kann seiner Rede zween oder drey Thcile ge¬ ben , je nachdem mein Hauptsatz sich mehr oder weniger hcrunlnehmen laßt. Viele Regeln können hier nicht gegeben werden. Natur, Erfoderniß, -Belesenheit, Geschicklichkeit müssen auf diesem Weg unsere Führer seyn. Aus den Umstanden eines Gegenstandes, die sich auf das wer, was, Ws, mit welchen Hilfsmitteln, Warum, wie , Wann be¬ ziehen, entwickeln sich die natürlichsten Eintheilungen. Wer. Dieser Umstand giebt die Eintheilung, wenn die Frage ist, wohin sich eine Pflicht bezieht, wenn ein Gebot hauptsächlich anliegt. J L Was. IZ» AS«-°---s--chrry Was. Dieser Umstand dient zur Einteilung, weM man eine Wahrheit, ein Gebot, eine Tugend, ein Laster, und ihre guten oder schädlichen Wirkun¬ gen erklären soll' Wo. Dieser Umstand thut das seinige, wenn man von verschiedenen Verhältnissen , oder von den manchfältigen Verfassungen, in welchen der Mensch sieht, zu reden hat. Wenn man Gegenstände und Gefahren erörtert, worinn der Feind auf die Tu¬ gend laurct; wenn man die Quellen aufdeckt , worinn man Hilf, Rath und Rettung suchen soll. Mit welchen Hilfsmitteln. Ein Umstand, der zu den manchfaltigsten Ab- theilungen siihrt, wenn man die Werkstatte der Lugenden, die Mittel wider die Lasier schildert. Warum. Dieser Umstand führt zu Festsetzungen der Vewegursachen, der Gründe, die man für eins etwas fremdere Wahrheit anzieht. Die Einthei- lungen, welche aus diesem Umstand cingeleitet wer¬ den , sind niedlich, stiessen natürlich, und sind die schicklichste Anlage, etwas zu beweisen. Wie. Wie» -VI tZZ Dieser Umstand liefert die Eincheilungen, die sich auf die Art und Weife einer Sache beziehen, die den Kunstgriff aufdecken , mit welchem man hieß oder jenes leichter unternimmt, oder ver, meidet. Wann. Ein Umstand, der die Eincheilungen an die Hand giebt, die einen Bezug auf gewisse Zeiten haben, da oder das Gebot bindet, oder das Ver¬ bot untersagt, re. Aufrichtig zu reden, ist es um die Erfindung einer Abtheilung keine so schwere Sache, wenn man anderst Lektüre hat; wenn man anderst zum Nachdenken nicht verloren ist. Die Abheilungen in Widersprüchen find sehr niedlich, wenn sie gut angewendet werden. Sie sind sehr gut brauchbar an den Festtagen des Herrn und der Heiligen, wenn man nämlich den Voll¬ kommenheiten Gottes und den Tugenden der Hei¬ ligen unsere Fehler entgegen halt. So bald ich meine Abtheilung angebracht ha¬ be, muß ich ohne vielem Gepränge meine Zuhö¬ rer zur Aufmerksamkeit ermahnen , und zur Aus¬ führung schreiten. Ich hätte von jedem Umstand einige Beyspiele anführcn können. Aber ich Wilk Ihrer eigenen Denkungsart etwas überlassen, um nicht zu weitläufig zu seyn. Leben Sie wohl rc. IZ4 Fünf und zwanzigster Brief. Sl. A. zu S. P. an I. S. S. P. am 15. April 1785. Lieber Freund rc. ^Meder Theil wird in der Predigt mit der namli- chen Art ausgeführt. Einen Theil der Rede ausführen heißt, den Satz mit Beweisen belegen, damit der Verstand die Wahrheit desselben begreift, und den Willen bewegen, damit der Mensch sich entschließt, der anerkannten Wahrheit gemäß zu handeln. Die Beweise nennt man auch sonst Pro¬ ben. Sie müssen aber in einer Predigt nicht dialektisch, sondern rednerisch angebracht werden. Mehrere Proben, die man, um eine Wahrheit zu erweisen, vorbringt, müssen mit einer natürlich fliessenden Verbindung an einander hangen. Es soll auch zwischen den Beweisen selbst eine gewisse Ord¬ nung herrschen. In der Schul ist es gewöhnlich, daß man die dringendste Hauptprob vorausschickt, dann die minder dringende nachfolgen laßt, und zulezt erst die Konvenienzcn aufführt. Wenn ich mich nicht betrüge, so foll's an dem Predigtstuhl gerade umgekehrt seyn. Durch Kouvenienzen be¬ reite ich den Verstand vor; durch die mittleren Be¬ weise locke ich ihn an die Wahrheit: und wenn ich dann am Ende mit meinem Hauptbewcise her¬ vorrücke , giebt sich der Verstand gefangen. In kem nämlichen Augenblick, wenn der Mensch nun von tzon der Wahrheit voll ist, greift ffh mit dem Affekt auf sein Herz. Wie kann's mir fehlen? Ich muß gewirkt haben. Die Art, mit der ich meine Beweise vor¬ bringe , heißt Figur. Sie haben in der Rhetorik viel davon gehört. Aber wer behalt wohl das, was er als Knabe in der Rhetorik hörte, solang, bis er als Mann davon Gebrauch macht; Man darf aber einswcilen in der Pasioraltheologie nicht mühsam darüber abermal in die Schul gehen. Man macht hundert Figuren in seinen Predigten, ohne sich dabey zu besinnen, daß es eine Figur ist. Wir wollen aber nichts ausschliessen, waS wesentlicher Weift zur geistlichen Beredsamkeit ge¬ hört. Rangstreit soll es unter den verschiedenen Redensarten oder Figuren, die ich anzuführen ha¬ be , keinen geben. Da ich Ihnen bey jeder Figur ein Beyfpiel hinzuzusehcn denke , soll Ihnen das Gewicht dex Rede selbst anzeigen, welche Figur in der Predigtkunst vor andern mit Nachdruck gebraucht werden könne. Ich glaube berechtigt zu seyn, alle jene Figuren gar nicht zu nennen, die in einem blossen Wortspiel bestehen, keine Perioden ausma- chcn, und im Verfolg der Rede nicht als ein aus- führender Beweis zu stehen kommen. Nun zur Sache! Figuren sind folgende» i, Bilderaufstellung (karubolu) Diese Figur war, wie ich schon oben sagte, die Liebiingsredensart des Erlösers, und das Fest der Palastiner. Diese Redensart macht die Wahr¬ heiten begreiflich, indem sie uns in dem Bild der Ausübung vorgestellt werden. Das Feuer, wel- I 4 ches z6 M—-------HI ches in der Erzählung herrscht, erweckt Aufmerk¬ samkeit, und die Anwendung wirket richtig. Bey- spiele will ich Ihnen davon keine geben, nachdem das Evangelium Jesu Christi davon voll ist. Die Parabel hat ihre Regeln. Man muß ihr nicht mehr zu thun geben, als sie braucht, um an die Wahrheit zu passen, um daraus zu folgern, Ih¬ re Beflündtheile müssen nicht langweilig, und fer¬ ne von unnützer Ausdehnung seyn. Wie gezwun¬ gen es laßt, wenn man eine Parabel zu einem mächtigen Märchen mit hundert Umstanden, die alle nichts taugen, aufpuht, und am Ende mit einem schallen Gemeinplatz den Faden abreißt, können alle die bezeugen, die bey dergleichen Ausführun¬ gen schon ost das schädliche Opium erfahren ha¬ ben, das sie einschlaftrte. 2, Gleichmß. (Amilituäo.) Da der Mensch einmal sinnlich ist, empfehlen sich ihm die Wahrheiten immer, wenn sie ihm in Gesellschaft der Dinge aufgestellt werden, die er empfindet, fühlt, genießt- Sowohl der Schrift, als den Vatern war es eigen, Wahrheiten durch Gleichnisse zu unterstützen. Man muß aber diese Art, Wahrheiten zu erleuchten, nicht mißbrauchen. Es giebt zwo Gattungen von Gleichmß. Die er¬ ste besteht darin», daß man das Gleichmß unmit¬ telbar mit der Wahrheit herstellt, wie die Schat- tirung um den Hauptzug; zum Beispiel: wie der Wolkenbruch die Felder nicht fruchtet/ sondern verwüstet/ also wird die Heftig¬ keit bep dcx Ermahnung des fehlenden Bruders ihn mehr verderben/ als bessern, Odert L leine Wunden wenn sie vcrnach- läs- lassiget werden, gehen oft in tödliche Ge¬ fahren über. Eben so fuhren uns kleine Verbrechen, die wir gering schätzen , end¬ lich in die Todsünd. Da die Gleichnisse auf diese Art eingekleidet die Wahrheit nur beleuchten, nicht beweisen, müs¬ sen unsere Reden davon nicht strotzen. Manchmal eingestreut überraschen sie, und machen die Rede angenehm. In der Uiberhaufung angebracht ennui- ren sie, wie ein Mittagmahl von lauter süssen Speisen. Manzadors Verdienst in seinen Predig¬ ten sind seine Gleichnissen nicht, weil er damit den Verlag im Grossen trieb, wohl aber, indem wir von ihm lernten, wie wir gute Gleichnissen machen. Die änderte Gattung vom Glcichniß ist treff¬ licher. In dieser wird das Glcichniß nicht blos angeführt, es wird zum Vordersatz, der sich von sich selbst empfiehlt, und von dem Verstand ange¬ nommen wird: dann folgt die Wahrheit wie eine Schlußfolge, und der Zuhörer wird dadurch bey seinem Herzen angegriffen. Die Ausführung wird so eingerichtet, daß man das Gleichniß fast nicht merkt. Ich gebe Ihnen hier ein Beyspiel aus ei¬ ner meiner Reden in der Stadtpfarr zu Klagenfurt. Ishr seyd Aeltern, die die Vorsicht! mit Lindern segnete, wenn sie sichs zum Vergnügen machen, euch zu gehorsamen, euch jedesmal mit Verehrung zu begeg¬ nen , so würde euch jedes Gluck, das ihr nicht mit ihnen theüen könnet, brttcr wer¬ den. wenn ihr aber an ihnen bereits erstes gethan habt, ikm sic glücklich zu ma¬ chen, und wenn von ihrer Gelte Beleidi¬ gung , Mangel an Ehrfurcht, schandbares Betragen der Lohn eurer wohlthatcn ist, dann entzieht ihr ihnen eure Hilfe/ ihr über¬ lasset sie ihrem Schicksal, ihr enterbet sie. Menschen, o lernet dre gerechten Urtheile Gottes kennen! Menn Gott uns-mit jedem Behuf zu der ewigen Seeligkcit versehen hat r wenn die Behelfe der Tugend uns im vollen Maaß gegeben sind: wenn wir «her alles äusser Acht lassen / niemal mit der Gnade wirken, den Vater, der im Himmel iss, in allen unfern Handlungen verkennen, wer soll sich darüber verwun¬ dern, wer soll Gott als ungerecht betrach¬ ten , wenn er uns endlich seine Gnade ent¬ zieht, und unser» zügellosen Leidenschaf¬ ten überlasst, mit denen wir uns in den Abgrund stürzen! Z» Bemthschlagung. (6ommmllcatio OoniM) Wenn man überzeugt ist, daß eine Wahr¬ beit eben nicht viel bewiesen werden darf, daß sie den Menschen zu tief in das Herz geschrieben ist, so greift der Redner seine Zuhörer unmittelbar bey ihrer eigenen Empfindung an, indem er sie in dieser Angelegenheit zu einem offenbaren Zeug- mß, zum Gestandniß der Wahrheit, zu Ausfer¬ tigung eines bewahrten Rathes auffordert. Zum Beyspiel. Gesteht es offenherzig, daß selbst die Werktäglichsten Leiden in euren Augen kleiner I.n kleiner werden, daß euer Herz bep den uncrwarresten Lallen einer Erhohlung fähig scpe, so bald ihr euch die Lektion aus der Schul Jesu Christi aufschlaget, daß ihr nicht einzig für die Freuden die¬ ser Welk gemacht sepd; daß ihr mit all mögliAer Wissenschaft nicht im Stande sepn könnt, einem Bedrängten ein beruhi¬ genderes Mittel an die Hand zu geben/ als die Beherzigung seines letzten Ziels. rc. 4. Vorbsuung. skll-olsxlm) Nach noch so richtigen Beweisen einer Wahr¬ heit ist dieser oder jener Anstand bey den Zuhö¬ rern eine nicht seltene Ereigniß. Diesen mög¬ lichen Einwürfen begegnet die Vorbauung. Es versteht sich hiemit, daß diese Figur nur am En¬ de aller übrigen Beweisrhümer anwendbar sche. Zum Veyspiel. Bc)> aller Richtigkeit meiner Beweise für die lTlothwcndigkeit der christlichen Standhaftigkeit höre ich doch einige mei¬ ner Zuhörer bey sich selbst sagenHaben wir wohl allemal unsere Scelenkrasten in unserer Gewalt;' Es ist leichter/ die christ¬ liche Standhastigkeit zu schildern/ als auszuübcn. Jeder Zweifel über die Freiheit eu¬ res Willens, meine Christen, wäre Un¬ gerechtigkeit gegen den Schöpfer. Soll¬ tet ihr nicht so viel Gnade von Gott ha¬ ben, daß cs möglich wäre, diesen Ver¬ druß Zu überwinden/ jene Schmach zu über- übertragen, jenen Mangel zn erdulden , diese Unpäßlichkeit auszuhalten? Es wür- de Unsinn von mir styn zu läugnen, daß die Ausübung der christlichen Stand¬ haftigkeit ein beträchtliches Stück Ar¬ beit stpe. Aber ist denn nicht auch die Belohnung groß, die der Allmächtige sti¬ eren muthtgen Kämpfern vorbereitet r' re, 5. Die Heraushebung (8ubjsWo.) Die Deutlichkeit ist die Seele der Beweise- Um demnach eine Rede recht eingreifend zu ma¬ chen, hebt man aus den schon gesagten Wahrhei¬ ten die auffallendsten Satze hervor, und zwar meistens, indem man feine Frage sich selbst aus Len Prämissen beantwortet. Zum Beyspiel. was heißt also eine hartnäckig an¬ haltende Ungeduld bep harten Fallen Sie ist eine sthrepcnde Gleichgiltigkeit ge¬ gen ewige Belohnungen, eine ungebärdi¬ ge Hostart , vermög welcher wir besser, als Gott, wissen wollen, was uns bchagt; ein Stolz, der's nicht zugiebt, daß wir Gott ein freiwilliges Opfer machen re. 6. ZugebttNg (6oucessw, xeimiüo.) Man muß seine Zuhörer manchmal menagi- ren, um sie anderweitig besser zu fassen. Diese Figur ist manchmal auch nothwendig, um die Gra'nzen eines Gebotes zu bestimmen. Zum Verspiel. Ich Ich werde euch nicht hindern, euer» Beleidigern die Empfindlichkeit, die sie in eurem Herzen rege gemacht haben, zu erklären: ja ihr könnt, wenn die Bele¬ gung eure Rechte angctasiec hat, bej> dem Richter gegen euren Beleidiger Hilf und Schutz suchen; ihr könnet, ja ihr müsset: es so gar manchmal. Aber werde ich euch wohl entschuldigen können, wenn ihr aus blosser Rache wider eure Feinde auf allen Platzen herum lärmet, wenn lhr selbsi vor Gericht alles vergrößert, und kein Urtheit für hinreichend erkennet, als jenes, das mit euch nach Blut schnaubt? rc. 7. Schilderung his zur Anschauung. (Ll^xotlreüs.) Die Zudringlichkeit in der Schilderung schmilzt bas Herz. Wenn man die Gegenstände so leb¬ haft malt, daß sie in ihren glücklichen oder elen¬ den Verhältnissen gleichsam vor den Augen da¬ stehn , werden die Phantasien und mit ihnen die Seele der Zuhörer in das Gemälde versenkt, fort¬ gerissen: und wenn man dann zu rechter Zeit, da das Herz von dem höchsten Grad des Glücks oder Elends verschlungen wird, die Anwendung macht, bringt man den fühlbaren Zuhörer, wohin man will. Zum Beyspiel. Der Graufirme! Zm Seide und Pur¬ pur gekleidet sitzt er täglich bey wohllüfti- gen Tafeln, da Lazarus vor Hunger schmachtet. Seht ihn doch, diesen ver¬ trauten des letzten menschlichen Elends! Lrank- t4L Lrankheit nagt an all seinen Gebeinen. Mit Entsetzen erblickt unser mitleidiges Aug die glanzenden Geschwüre an seinen Gliedern! wie sich die Brust mühsam hebt, um die Empfindung seines Schmer¬ zens auszudrücken! Mie er selbst sture Seufzer unterdrückt, um seiner Empfin¬ dung , um seines Elends Meister zu fern! Jerze hebt er feine Hande empor — Eure schwache Stimme erschallt, die der rasen¬ de Hunger weder seinen Millen heraus- stößt. — Er bittet — Moh! nicht um ei¬ ne Sperse von des Prassers Tafel wo je¬ de Lraftsuppe täglich eure ganze Familie erhalten könnte t Nein, so lüstern ist die menschliche Noth nicht. Er brttct nur um die Brosamen, die von der Tafel des Prassers hcrabfallen. — Hört man ihn, bewegt sich jemand, um dem Elenden diese unnützen Uiberbleibscl Zuflüssen zu lassen:' Nein — Der reiche Mohllüstling hat mit seinem ganzen Anhang memal ein Ohr für die Bedürfnisse der Manschen gehabt. — Menschen entziehen dem La¬ zarus auch das Leyte, was man Menschen geben kann! — Gehet ihr hier, wie der Prasser über den Armen ausspuckt, wie sich seine Dienerschaft Mühe gicbt, ihn zu übersehen; wie endlich in dem Hause des hliberflüsscs sich sturer Niemand er¬ barmt , als lediglich dre Hunde die an seinen Geschwüren lecken! — Ha — Es sind also Thiere gutherziger als gewisse Menschen! Go ist endlich dicß der Zauber/ der in den Reichen herrscht, daß sie versteinert werden! Ja so Menschheit«- lost Menschen verdienen mit dem prassex eine Hott. — rc. 8. Vorühergehwg (?rLtsi-iüo ) Um alle seine Beweisthümer knrz anzufüh- ren, und bey seiner Hauptprobe um so mehr zu verweilen, ist diese Figur erfunden worden. Zum Veyspiel. Ich könnte ihnen zeigen diestn ver¬ steinerten Gcizhaistn/ wie sehr sie sich durch diest Hartherzigkeit allen klugen Men¬ schen zum Abscheu machen; wie sehr im Falle eines über sie einbrechenden Un¬ glücks alle Veit an ü mn durch ihre Ver- lasiung sich rachen wird. Ader nern: sol¬ che Nachthette rühren sie rncht. Ich will ihnen Vahero mir das Aerrsserste androhen; sic sollen lernen/ wie shr ihnen am leg¬ ten GerichtdLag der Weg zur Barmher¬ zigkeit Verschlossen scyn wird. In dem Evangel des heil. Math, schildere Lhri- stus sich selbst/ wie er als Richter erschei¬ nen w:rd / und giebt uns den Maßstab , nach welchem er die Auserwählten und die Verworfenen behandeln wird. Es sollte fast scheinen, daß es nach diesem Richtcr- spruch keine andere Tugend als die Nach- stenllebe/ kein anders Laster als die Hartr Herzigkeit gebe; denn rc. z. Wi- ,44 ME-— ÄV 9. Wiederruffung. (Oorreäkio.) Eine Sache zu vergrössern, und sie den Zu¬ hörern recht abscheulich, oder recht angenehm zu machen, bringt man einen mittelmässigen Beweg- gungsgrund, oder wenigst einen aus den ordent¬ lichen Bewcisthümern an. Man giebt sich aber selbst durch eine schnelle Erholung die Erinnerung, Laß man viel zu wenig gesagt habe, und erhebt sich zu einem unerwartetem Beweisthum. Zum Seyspiel. Durch das Laster der Trunkenheit beraubt sich der Mensch seiner Mensch» hcit, indem er in den Trinkgeschirren sei¬ ne Vernunft ersauft, weicher Unterschied ist noch zwischen ihm und dem Vieh? Ich irre mich meine Zuhörer l Ach ja der Un¬ terschied ist noch gross. Die Unmassigkeit erniedrigt den Trunkcnpslt noch tief un¬ ter das Vieh hinab. U)ann hat jemal ein Vieh seiner Viatur so viel Tort ge- than? rc. io. AttstaNö. (vubitstio.) Wer viel zweifelt, sich selbst aber seine Zweifel glücklich auflößt, gelangt endlich an einen Grad der Wahrheit, wo er stillstehn muß und hier giebts Helle Uiberzeugung. Dieses Kunst- grifs bedient man sich in der Redekunst manch¬ mal, und lauscht unter allen häßlichen Ausdrücken eines Lasters, unter allen schönen Schilderungen einer Tugend herum, bis man das Häßlichste oh¬ ne 145 ne Nachahmung, oder das Schönste ohne Ver¬ gleich gefunden hat. Hier verharrt man, und macht die Anwendung an das Herz. Zum Beyspielt wer ist im Stand, für Die Vcrrä- therey eines Judas den wahrett tarnen zu finden ? Geiz ist viel zu wenig sür dell Verkauf eines Gottes uin zo Silberlinge Thorheit — wird dieß wohl klecken den Dummkopf auszuzeichnen, der stinen Gott mir einem Ruß betrügen will? Undank — diestr lT^amen ist viel zu schonend für einen Jünger, der alle die Wohltha- ten seines Meisters so vergessen könnte! Aber wie soll man auch den gottlosen Men¬ schen mit dem wahren lIamen treffen, nach¬ dem der Teufel selbst mtt all seiner Bos¬ heit in Vergleich mit einem Judas ein Engel zu sezm scheint l Teufel von einem Menschen, wie konntest du ?c. Und ihr meine Fuhörer! W^e oft begeht ihr das gegen euren lTlebenmenschen, was Judas an seinem Merster, an seinem Gott ver¬ übte l rc. ii. Satyre. (Irouiu.) Unter allen Gattungen von Beschämung ist keine so eingreifend, als eine manierliche Satyre. Sie trifft den Menschen im Innersten. Wer dem Mann ohne Merit ein so affektirtts Löb spricht, daß es die Dummheit selbst mit Händen greift, wie sehr man ihn tadelt, stürzt ihn mit aller Macht in seine Selbstkenntmß herab. Nur muß K fick 146 sich der Redner bey dieser Gelegenheit in Acht neh¬ men, daß er den Pasquillantentoll vermeidet ; denn Sottisen gehören einmal nicht auf den Pre-- digtstuhl. Satyre auf der Kanzel muß massig seyn. Aum Beyspiel. Sie sind sehr wohl daran, die Weich¬ linge. Sie allein besitzen die Klugheit, die neue Wahrheit Zu erfinden, daß der Eingang, wodurch man in den Himmel klettert, nicht so eng seye, daß dre Er¬ werbung der ewigen Glorie leichtes Lin- derspiel seye. Der Herland muß sich in seinem Evangel mit seiner Rede verstossen haben, da er sagte: das Himmelreich lei¬ det Gewalt, was weiß der herlrge Gre¬ gor , wie man das ewige Leben erobert! Wie konnte er die Lühnhew haben, zu sagen: zu grossen Belohnungen kömmt man nur durch grosse Arbeiten! Ist es nicht lächerlich, daß so viele Heilige durch Abtodtung und Vcrlaugnung ihrer Lei¬ denschaften den Himmel zu erhalten trach¬ ten , den man mit Uippigkert und Müssig¬ gang eben so leicht erhalt? rc. i2. Verzögerung. (LustemAtio.) Diese Figur kömmt mit der Redensart über¬ ein, die ich besser oben, den Anstand nannte. Man zeigt sich nämlich in der Schilderung einer Sache, in der Beantwortung einer Frage so lang verlegen, bis man durch gleichgiltigcre Wahrhei¬ ten endlich an die bedeutenste gelangt, und diese mit mit einer unterwarteten Warme und dem rüh¬ rendsten Ausdruck beschlüßt. 1Z° Fremde Sprache. ( kroso^o^a. ) Man führt manchmal abwesende > verstorbene Menschen an, oder auch wohl unvernünftige, leb¬ lose Geschöpfe, und laßt sie reden. Wenn diese Redensart natürlich und ausgesucht ist , macht sie keinen kleinen Ausdruck. Ein Beyspiel davon fin» den Sie im Buch der Weisheit am sten Kap. wo die Boshaften über das Schicksal der Gerech¬ ten am Gerichtstag ihre fruchtlosen Jeremiaden hersagen: O wie unsinnig re. So viel mein lieber G habe ich Ihnen von den Figuren zu sagen: nun muß ich Ihnen noch dieses meiden, daß die Affekten in den Predig¬ ten von manchen Figuren unzertrennlich, ja, daß sie selbst Figuren feyett. Man verabscheut eine Sache. Imprscutio. Man bittet seine Zuhörer/ die Sache zu beherzigen^ die Grundsätze zu befolgen. OdlLLimcio. Man beschwört sie auf ihr Gewis¬ sen. IiitsiwoZacio. Man überrascht sie mit schnel¬ len Uibergangen. ^pofttoplis. Man macht Ausrufungen zu Gott. LxeMmmio. Affekten müssen niemal lang üNhalten. Em Vorüberschnurrender Feverstrahl erschüttert mehr als. eine Flamme , die lang vor unfern Augen lodert. Nichts zu melden, daß ein ausgedehnter Affekt ins Langweilige übergeht, und wie ein Mensch aussieht, der in wahrender Rede entschläft. WaS kurz ist, bleibt meistens güt, und gut und ein¬ dringlich z und von ausserordentlichen Ausdrücken K 2 M- 148 Zusammgesetzt muß ein Affekt seyn, der wirken soll. Man muß in seinem Bitten, Wünschen, Ausru¬ fen , Anreden , Fragen auf nichts Geringes an¬ tragen. Endlich gehört zur Starke des Affekts auch eine unerwartete Entstehung. Der Affekt muß die Zuhörer überraschen, und wenn der Vor¬ trag mit solcher Warme geschieht, daß der Zuhö¬ rer von dem Selbstgefühl des Redners überzeugt wird, fo ist diese Überraschung das Meisterstück einer geistlichen Beredsamkeit. Ich kann diesen Brief unmöglich schliessen , ohne an die obigen Maßregeln auch noch das an¬ zuknüpfen , was zu einem wahren und nützlichen Beschluß einer Predigt gehört. Wenn ich es auf¬ richtig sagen soll, so haben war von diesem lezten Theil der Rede nicht viele, und keine gewisse Re¬ geln. Was sich mit Gewißheit sagen laßt, ist dieß, daß der Redner am Ende seine ganze Rede kurz zu« sammfaffen soll. Die Gründe dieser Wahrheit sind manchfältig. Es ereignet sich, daß einige Zuhörer zu¬ fälliger Weise zu spat eintreffen. Diese holen das¬ jenige am Ende nach, was sie vielleicht ohne ihre Schuld versäumt haben. Die Aufmerksamen werden belohnt , indem sie am Ende überzeugt werden, daß sie den Zusammenhang der ganzen Rede gefaßt ha¬ ben. Die Unaufmerksamen werden menagirt, oder wenn sie es wollen, bestraft. Sie freuen sich, daß die Rede ein Ende hat , und müssen noch einmal die ganze Predigt hören. Der Beschluß einer Predigt darf memal lau ftyn. Er muß sich oder mit einem saftigen Denk» spruch, oder mit einem kräftigen Affekt auszeich¬ nen, 149 ne» , der alle gesagten Wahrheiten bekräftigt, und der gemachten Rührung das Siegel aufdruckt. Meinen Sie wohl lieber Freund, daß ich Ih¬ nen einen genügsamen Auszug aus den Regeln der Homiletik geliefert habe? Ich wünsche es we¬ nigst, und ich dachte, die Hauptsachen berührt zu haben, und braucht es wohl mehr in einer Wis¬ senschaft, wo man die Regeln alle meist erst in der Praxis selbst studiert? Jetzt leben Sie wohl! Ich bin rc. Sechs und Zwanzigstes Schreiben. A. A. ru S. P. an I. S. S. P. am LZ. April 78L. Lieber S A^och gehören einige Kleinigkeiten zur Homiletik, die man nichr unberührt lassen kann. Und wer sich schon einmal auf die Sammlungen von Ideen verlegt, wie Sie, dem ist auch mit Klei¬ nigkeiten gedient. Diese Kleinigkeiten beziehen sich auf den Vortrag. Vom Auswendiglernen muß ich Ihne» sagen, daß eben die Regelmässigkeit, mit der man seine Predigt verfaßt, der größte Behuf für das Gedachtniß des Hirtens stye. Eine planmässige, K z tabell- IM tabellmaffige, mit Abtheilungen und Unterabthei- lungen ausmeublirte Rede drückt sich von sich selbst schon zur Zeit, da man sie ausarbeitet, so in das Gehirn, daß sie zugleich verfaßt und auswendig geiernr ird. " Die Ehre, spricht Rudolph Gras¬ ser , D . von Kremsmünster, in der Vor» „ r . - mer Lchrarr, die ein jeder Prediger dem L r Gottes schuldig ist, und die Hoffnung „ lunftig folgender Leichtigkeit wurden mir zu einem „ stärken Antrieb, meine Predigten fleifftger und ,, genauer zu verfertigen, als Anfänger im Pre- „ digten insgemein zu thun pflegen — Ich ge- „ wann nach und nach eine solche Leichtigkeit im „ Predigten, die mir mit allem meinen angewand- „ ten Fleiß noch immer sehr wohlfeil erkauft zu „ ferm scheint rc. ' Lassen wir also das Auswendiglernen jenen über , die nicht Vater ihrer Kinder sind, denen die Predigten, welche sie sagen, die Authores von Wort zu Wort geliefert, und so zu sagen, vor die Thüre gelegt haben l Wir, die wir bey der Verfassung unserer Reden unfern eigenen Kopf, zu Rath zogen, dürfen uns mit Uiberlescn und nach¬ holen begnügen: und dicß ist wahrhaftig eine Leich¬ tigkeit, die mir mit allem meinen angewandt ten Fleuß noch immer sehr wohlfeil erkauft zu sepn scheint. - Von der Gcbarhung Regeln gehen wollen, wäre überflüssig. Die Gebardung kann verschiedent¬ lich, und doch jede in ihrer Art gut seyn. Jeder Mensch hat feine eigene Bewegung, und jede Bewe¬ gung ist gut, wenn sie nur natürlich ist. Zween Red¬ ner können die nämliche Rede mit verschiedenen Stel- . lun- rži lungen gut vortragen , weil dec Vortrag eben keine individuelle Gebärdung, sondern nur Natur erheischt. Man kann also hier nur obenhin über das Schick¬ liche und Unschickliche Bemerkungen machen. Die Augen des Predigers müssen Menschen¬ augen seyn. Man redet mit seinen Zuhörern. Man muß sie also ansehen. Sie immer verschlos¬ sen halten, sie immer an einen Pfeiler, an ein Bild richten, kleidet den Prediger beynahe so, als ob er seine Lektion in der Schulbang rezitiren wollte. Sie dürfen darum eben nicht leichtfertig seyn, und können sich übrigens zum Nachdruck der Rede viele Ehre machen. Mit den Augen drückt man Bewunderung, Freude, Traurigkeit, Ab¬ scheuen und Mitleiden aus. In ihren Richtungen folgen sie den Gegenständen, von denen die Rede ist. In der Rede vom Himmel und zu Gott erheben sie sich; sie senken sich, wenn die Rede an das Audito¬ rium zurückkehrt, sie wenden sich weg, wenn es Abscheu heissen soll, sie schliessen sich, wenn man Schamhaftigkeit ausdrückt. Sie vergrössern sich, und werden feurig, wenn man in Eifer verfallt, sie ziehen sich zusamm und werden sanft, wenn man in Mitleiden verfällt re. Kurz cs giebt eine bedeutende Sprache der Augen. Auch die Hände reden. Bewunderung, Dro¬ hung , Zweifel, Mißtrauen drücken sich so im Ge¬ bärdenspiel aus, daß man der Rede dabey entbeh¬ ren kann. Da ich aber für einen Prediger, und nicht für einen Akteur schreibe, muß ich anmerken, daß die Gesten eines geistlichen Redners sehr massig seyn sollen, weil er im Namen seines Prinzipalen spricht. Beyde Hände sollen sehr selten zugleich K 4 ar- -5- arbeiten, sollen me über das Haupt erhoben werben, und die Bewegungen der Aerme können auf der Kanzel unmöglich gut lassen, wenn sie ununterbro¬ chen sind. Polter», mit den Fausten an die Kanzel schlagen kleidet keinen Abgesandten Jesu Christi. Der D-mer verscheut es an seinem Nachbar sogar in der Schenke. Man darf die Kunst , seinen Eifer zu zeigen, nicht dem Pöbel ablernen. Überhaupt muß der ganze Körper an der Stelle, wo man als Mittler zwischen Gott und dem glaub gen Volk stehet, mit jenem Anstand erscheinen, der vom Tölpischen wie vom Leichtferti¬ gen, vom Uibertriebcmn, tnie vom Hölzernen gleich entfernt ist. Zuvist Steifigkeit und Affektion von Würdst und Ansehen würde mehr einen pharisäi¬ schen Großsprecher, als christlichen Redner bilden. Inzwischen wäre der steifste Prediger, und wenn ihn das Volk für eine redende Bildsäule hielt er¬ träglicher , als ein Pflastertretter, der alle Winkel des Predigtstuhls durchlaufen wollte, um zu zei¬ gen, wie wenig Ruh und Rast er habe, weng er auf einige Minuten Mann seyn soll, Die Aussprache, oder Modifikation der Stimme macht eine Rede nicht nur allein zierlich, sondern auch eindringlich, wenn sie gehörig aus- sallt. Regeln thun hier nichts. Der Ton des Redners muß in der Natur liegen. Wenn dann auch folglich hicrinnfalls Information was vermag, so kann doch solche von jener genommen werden. Sagen Sie jedem Prediger! Wenn du gut pre¬ digen willst, rede mit deinem Volk auf der Kan¬ zel so, wie du reden wurdest, wenn du ihm das , wss dm jetzt predigst, im Privatunterricht zu ver- ' . - stehen CWE-EÄ-V !5Z stehen geben wolltest. Diese Regel ist die sicherste; denn wir sehen ja Seelsorger, die im Umgang al¬ les, was sie vortragen, mit dem gehörigen Ton sagen», die recht angenehm zu hören sind: so bald sie die Kanzel betretten, verfallest sie in eine mo¬ notonische Aria, und deklamiren so gezwungen, daß dem Zuhörer der Arhem benommen werd. Wer sich in diesem Stücke bessern will, dem bann ich mit einem kleinen Rath aufwarten. Man lese seine Predigt zwey oder dreymal, wie, wenn man sie jemanden mit Affekt vorlesen wollte, und ge¬ wöhne sich so zu deklamiren, wie man liesst Wie, wenn man aber auch nicht gut lesen kann? — Dem ist freylich nicht anderst zu rathen, er muß also lesen lernen. Hier würde ich meinen Brief, und mit ihm die ganze Abhandlung der Homiletik schliessen können, wenn ich nicht besorgt fcyn müßte, von Ihnen den Vorwurf zu erhalten, daß ich Ihnen noch nichts vom Katechismen insbesondere gesagt habe. Auch davon wollen wir also sprechen lieber Freund! Was das Katechismen äusser der Schul an¬ belangt , dieß ist lediglich hier der Gegenstand; denn das Katechismen in der" Schul lehrt das nor- malikche Methodenbuch so vollkommen, daß man es nicht, besser wünschen mag: und , aufrichtig zu reden, das Katechismen in der Normalschul muß auch zum Grunde daliegen, wenn man äusser der Schul katechisirt; wenigst kann ich das Ausfragen, welches mit dem Katechismen jedesmal zusammtrift, in der Kirche oder wo immer nicht vorteilhaft vornehmen, wenn ich mich nicht genau nach dem K s Mu- 154 Muster benehme, das in der Schul vorgeschrieben wird. Die Regeln des Katechismen sind von "jenen einer Predigt zum Theil verschieden, zum Theil mit ihnen einerley. Zum Beyspiel die Hauptabsicht ist bey dem Katechismen eben so, wie bey den Predigten, Unterricht und Bewegung. Es muß bey dem Katechismen wie bey dem Predigen eine Ordnung herrschen; die Rede muß planmässig seyn, muß Bestandtheile haben, muß sich vom Uiberflüs- srgen entfernen. In soweit grunzen beyde zMmgn. Hingegen wird bey dem Katechismen yrehr Bedacht auf den Unterricht als auf die Bewegung genommen. Die Verbindung der Rede mit dem Evangelium ist nicht nothwendig. MM muß die Materien des Katechismus fortsetzen , wie sie fol¬ gen : Die Christenlehre bindet sich nicht auf den Fingerzeig des Evangels. Man schrankt sich nicht auf zwo oder drey Theile ein. Man behandelt so viele, als die Materie an die Hand giebt. Es braucht keine kunstmässige Wendung von einem Theil auf den andern zu kommen. Der Vortrag ist viel einfacher, die Beweisthümer sind kurz zu- sammzuziehen , und auf die einfachste Art vorzu- fragen. Man kleidet seine Abhandlungen meist in Fragen und Antworten ein. Es ist der Mühe werth, Ihnen ein praktisches Beyspiel zu geben. Ich habe am lezten Sonntag zum Exempel von dem dritten Gebot Gottes gehandelt. Nun trette ich heute an die Kanzel , und nachdem ich das gewöhnliche Gebet verrichtet, erinner ich meine Zuhörer mit oder ohne Eingang, und folglich auch mit 153 mit oder ohne Text, wovon ich letztmalig gehan¬ delt habe. Nun folgt also, fahre ich fort, das vierte Gebot, welches den Gegenstand unserer heu¬ tigen Betrachtung ausmacht. Hier bin ich an mei¬ nem Satz, ich bestimme das vierte Gebot nach dem wörtlichen Inhalt, und sage: wie heißt das vierte Gebot? Es heißt: Du sollst Vater und Mutter in Ehren halten, damit du lang auf Erden leben mö¬ gest. Alsdann theile ich die ganze Abhandlung in folgende Fragen: 1. Wer muß, und wer kann unter dem Wort Vater und Mutter verstanden werden? 2. Was sind wir vermög diesem Gebot dem Vater, der Mutter, und allen denen, die unter diesen Wörtern verstanden werden, zu er¬ weisen schuldig? Was bestehlt dieses Gebot? z. Durch welche Handlungen überschreiten wir die Verehrung, die wir dem Vater der Mut¬ ter und allen denen, die darunter verständen wer¬ den , schuldig sind? Was untersagt dieses Ge¬ bot ? 4. Giebt es. keine Ausnahme bey diesem Ge¬ bot? Sind wir in allen Fallen schuldig, dem Vater, der Mutter, und allen denen, die dar¬ unter verstanden tvLrden, zu gehorsamen? 5. Welche sind die Vortheile, wenn wir dieses Gebot beobachten? 6. Welche sind die Strafen , die den Uiber- tretttm angedroht werden? Diese rzS Diese Fragen wiederhohle ich nun einzeln, und beantworte sie, bekräftige meine Antwort mit einer Grundurfach, bestattige sie mit einer pas¬ senden biblischen Geschichte, und schlüsse mit einer Ermahnung, die die Natur der Materie fordert, jeden Unterricht, so wie am Ende der Christen¬ lehre mit einem Hauptmora! auf das Ganze, das ich abhandelte. Auf eine ähnliche Art läßt sich der ganze Kathechismus in Christenlehren bringen, wenn man sich Mühe giebt, die Sache ein wenig zu überdenken: und dies ist immer nicht viel von ei¬ nem Menschen, der seinen Hmiptpflichten nichts schuldig bleiben will: und glauben Sie mir! Es Ware Spott für einen Seelsorger, auch in jenem Fall, wo man die Christenlehre in den Häusern, besonders zur Winterszeit vornimmt, wennn man sich nicht Mühe gäbe, ordentliche Christenlehre zu halten. Etwas daher klappern, es sey, was will; ob's hernach taugt oder nicht, ob's kalt oder warm feye, ist selbst vor dem Pöbel Prostitution, Das unansehnliche Volk kennt es zu gut, wenn man es selbst da, wo es so viel fordern kann, als der erste Adel, niederträchtiger traktiren will. Diese Geringschätzung ist unverzeihliche Tyraney von einem Seelsorger, die Gje wohl niemal be¬ gehen werden mein Bester! Ich habe Ihnen ledig¬ lich Mchts mehr zu sagen, als daß Sie, wenn Sir sich zur Christenlehre vorbereiten, Ihre An¬ leitung dazu aus dem römischen Kathechismus neh¬ men. ' Leben Sie recht wohl! Ich bin re. Eie- M--—-—SI iz? Sieben und zwanzigster Brief. I- S, an A. A. zu S- P. M * am rten May 1785. Hochwürdiger rc, ^^ehmen Sie meinen innigsten Dank für Jh- re Bemühung, die Sie sich gewiß für ker¬ nen Unwürdigen geben! Nun hab ich, was ich wünschte, den Auszug der Homiletik von einem Mann, der nicht lediglich lehrt, sondern ausübt. In den wenigen Predigten, die ich noch als No-^ viz von Denselben abschrieb, und manchmal auch vortragen hörte, liegt für mich der Beweis, daß die Praxis bey Ihnen der Theorie vollkommen entspreche. Mochte ich auch so glücklich seyn wie Sie, um alle Regeln, die ich weiß, bey der Aus¬ arbeitung anwenden zu können. Es soll so wer¬ den, wenn meine Kräften zureichen; denn am Fleiß soll's nicht mangeln! Ich bin zur Faulheit wirklich Zu kommod ; denn ich werde ängstig, wenn ich nichts zu thun haben soll. Man brachte mir eine Neuigkeit Ich sollte das Schicksal erleben, eine ruhigere Kapellancy zu erhalten , da ich hier noch kaum warm bin. Es wäre wahrhaftig nicht das , was ich wünsche; wohl aber ist das, was mich dabey freut, der Eifer, mit welchem meins Pfarrkinder diese Neuigkeit lästern. Ein sicheres Zeichen, wenn ick mich nicht irre, daß man mich liebt. 158 liebt» Ich will lieber die Helfte meiner Einkünf¬ te verlieren, als diese Liebe. Es ist nicht Stolz, weiß Gott, wenn ich mir selbst auf die Zunei- nung des mindesten Menschen zu guten thu: Mir ist allemal ein Stein am Herzen, wenn mich auch nur ein Verdacht anwandelt, Jemanden beleidigt zu haben. Mein Pfarrer nennt das kindisch, aber ich wciß's Hochwürdiger Herr! Sie wissen für diese Schwachheit gewiß einen leidlicher« Namen. Q sagen Sie mir diesen Namen; denn kindisch möchte ich nicht gern scyn. Man ruft mich in die Sakristey. Ich muß abbrechen, rc. Acht und zwanzigster Briest A» A. zu S. P. an I. S. S. P. am 9ten May 1785° Lieber S sind eben so kindisch., als ich. Ich kann kein finstcrs Gesicht ertragen, und wenn mir's der verworfensti Mensch macht. Je gerin¬ ger die Person ist, um so mehr fürchte ich sie zu beleidigen. Der Arme, der Unglückliche, der Niedere hat ohnehin viel zu ertragen. Er ringt mit tausend Bedürfnissen. Es ist gar nicht schön, daß ich mich auch unter die Wesen zahle, die ihm am Nacken liegen. Ich nehme diese Eigen¬ schaft für Gutherzigkeit: Ihr Herr Pfarrer mag !AY sie nennen, wie er will! Er ist doch in der Ter¬ minologie kein Klassiker. Daß Ihre Pfarrkind r Ihren Verlust, da er doch nur ein Gerede ist, so hart nehmen, freut mich um Ihrentwillen. Es ist das legalste Attestat für Ihre Rechtschaffenheit. Lassen Gie sich dieselbe empfohlen seyn! Es ist nichts als Schuldigkeit. Da wir den Stand der Layen ver¬ lassen, und durch die Weihe zu Priestern gewor¬ den sind, haben wir nebst der Gnade des Sakra¬ ments noch andere Gnaden erhalten, die uns zum Behuf unserer Standspflichten dienen sollen. Wir sind also auf die sonderbarste Art verbunden , un¬ ser Volk durch einen angemessenen Lebenswandel zu erbauen. Das Volk ist berechtigt, von uns eine Aufführung zu fordern, in der es den Spiegel christlicher Tugenden sucht. Unsere Verantwortung würde das Entsetzlichste seyn - was man sich den¬ ken mag, wenn wir in unserm Kirchspiel Aerger- niß verbreiteten, da uns der Allmächtige mit seiner Gnade ausgerüstet hat, um an ukffcrm Firmament als eine Sonne zu erscheinen. Sehen Sie mein Freund, wie unvermerkt ich in den dritten Theil der Pastoraltheologie meinen Eingang nehme! Ja lieber S ! Der Hirt muß seine Schas¬ se auch mit seinem Beyspiel weiden. Der Hirt, der in seiner Lehre seinem Betragen widerspricht, hat seine Lehre unfruchtbar gemacht. Go wahr es ist, daß Christus Jesus die Menschen in dem Evangel auf die Lehren und nicht auf dir That- handlungen der Priester verwiesen hat, da er sagte: sägte: " Handelt nach dem, was sie euch lehren, „ nicht aber geradezu nach ihrem Beyspiel! — " So wenig also auch ein gottloses Volk in seinen Vergehungen dadurch entschuldigt wird, wenn sein Hirt gut gepredigt, aber übel gelebt hat, so sehr fallt doch die Schuld der Verführung auf den Hirten, der bey aufgezogenem Vorhang sich die infamen Rollen erlaubt. Das üble Beyspiel ist allemal gefährlich, an den Hirten ist es ansteckend, und vernichtet die Grundlage aller Tugend, die man durch Lehren gepflanzt Hat- Das gemeine Volk macht sich oft von ge¬ wissen Tugenden, von Amtspflichten, von Ab- tödtungen in verschiedenen Gelegenheiten zu schwer¬ fällige Ideen, und kann die Möglichkeit ganz rechtschaffen zu seyn, die man manchmal auf der Kanzel schildert, nicht genug fassen- Wenn nun der Herr in seinem Betragen das Beyspiel auf¬ führt, ein Beyspiel in Lebensgrösse, daß Abtöd- tung, Eifer, Duldung und so fort nicht blosse Figuren seyen, daß der Mensch alles kann, wenn Sehet die Lilgen am Feld, „ und die Vögel in der Luft! Sie säen nicht, sie „ ärndten nicht: und Gott verpflegt sie. Wie „ viel mehr wird er das an euch thun, Klcinglau- „ bige ! „ Verstumme Niederträchtiger! Du la¬ sierst das Wort Gottes mit einer Wahrheit, der dein Herz keinen Beyfall giebt l Du der Apostel seyn, der das Vertrauen zu Gott predigt, und schwadronirst in deinen Haderlumpen mit dem lez- ten Bettler im Dorf, weil du fürchtest erhungern zu müssen / wenn dich ein ehrlicher Rock kleiden soll! — Du dein Volk auf die Vögel in der Lust anweisen , und machst den ersten Knecht im Haus, um nicht etwa um einen Heller armer zu werden! Du deinen Zöglingen die Bemerkung um das Reich Gottes als die erste Sorge anempfehlen, und du forderst deine Zulage, deine Stolle, deinen Zehcnd von dem Aermsten, den der Zufall drückt, mit solcher Grausamkeit, als obs Vrandsteuer wäre, das der Feind in der Gegend eintreibc! Fordern magst du, was dir gehört, Unbarmherziger! aber erinnere dich, daß jede Forderung seine Gränzen hat, und daß es nur so einem Barbar wie du's bist, möglich ftpe, da zu fodern, wo nichts ist! Lassen Sie mich jetzt noch von dem Geist der Unverträglichkeit sprechen, der so manchen Pfarrer M vor vor seinem Volk erniedrigt l Em rechtschaffener Kurat, der sich nicht zum Acrgerniß ausfetzen will, muß den Geist der Einverständnis unterhalten. Aus seinem Betragen muffen die Pfarrkinder Lie¬ be gegen ihre Untergebenen, Subordination gegen die Obrigkeiten, und Einigkeit gegen ihre Nach¬ barn lernen. Mit seinen Kooperatoren muß er ein Herz, und eine Seele habem Er ist ihr Vorge¬ setzter , aber in den Augen der klugen Welt so¬ wohl, als vor Gott darf er ihnen sein Ansehen in keiner andern Einkleidung zeigen, als in der eines vernünfitgen Vaters, der der erste Busen¬ freund und der Vertraute seiner erwachsenen Kin¬ der ist. Sind sie im Fach der Wissenschaften schwa¬ cher als er, so muß er ihnen mit jener Güte, die bey den Lehrlingen allzeit Fortgang verspricht, sei¬ ne Kenntnissen mitthcilen: und er wird, was die Ausübung der Seelsorge belangt, sollten ihm auch seine Kapellane in der Theorie überlegen feyn, ihnen allemal was zu sagen haben, was sie Nichtwissen. Er muß mit ihren Schwachheiten Geduld haben; denn sie sollen erst für den Klerikalstand die lezte Erziehung unter ihm erhalten. Man erzieht aber kein vernünftiges Geschöpf mit Heftigkeit. Er muß in feinem Betragen so was Angenehmes, und zugleich Ernsthaftes zu haben trachten, daß ihnen in seiner Gesellschaft wohl feye, und daß sie sich unendlich fürchten , bey ihm die Achtung zu ver¬ lieren. Wittert er bey ihnen Ausschweifungen, so findet er Gelegenheit, sich als Vater auszuzeich- men. Verfangt ferne Güte nichts, sind sie weder durch die erste, weder durch die zwote evangelische Bruderbestrafung gebessert worden, so zeigt er sie dem Officio an. Alles dicß geschieht ohne Getöß, ohne daß im Kirchspiel darüber ein Lärm entsteht. Moh! Wohl Ihnen lieber Freund ! Es scheint mir, das Schicksal habe Sie einem Pfarrer an die Hand gespielt, der im Wesentlichen hier nach seiner Pflicht geschildert ist. Kein kleiner Antrieb für Sie, Gott dafür zu danken! Man fallt unter manchem Pfarrer in eine türkische Sklaverey. Man wird von ihren Launen wie mit Skorpionen gegeiselt, und in jeder Rubrike erhalt man schlechtes Trak¬ tament. Uneingedenk, wie wohl es ihnen rhat, da sie als Kooperatoren in jedem Stücke leidlich gehalten wurden, scheint ber> ihrer Installation, wie bep deut Judas am lezten Abendmahl, Sa¬ tan in sie gefahren zu seyn. Mit einem herri¬ schen Aug sehen sie in ihrem Gehilfen ihren Haus¬ knecht, und behandeln ihn in jedem Ding so tumul- tuarisch, daß der Pfarrhof vom Geschrey und vor Mißhelligkeiten bersten möchte. Die Kapellane lasten sich auch ungerachet nicht immer auf den Köpfen herumtanzen, sie machen Fakttonen, der Pfarrer hat die seinigen ebenfalls. Nehmen sie, was das im ganzen Pfarrbezirk für Beyspicke gebe! Die Hölle kann keines ausbrüten, das fähiger wäre, den Namen des göttlichen Worts zu ersticken. Was können jene Boten des Friedens mit dem Evangcl in der Hand Gutes wirken, da das Volk den Gei¬ fer an ihren Lippen erblickt, mit welchem sie eben aus dem Haus gelaufen kamen, um die Kanzel zu besteigen , und noch von dem häuslichen Zanke glü¬ hen , den alle Welt bis in den Kirchhof'hinab ver¬ nahm ! Der Pfarrer muß mit seinem Patron, mit seiner Landesstelle, mit dem Officium, mit seiner Herrschaft, mit dem Beamten, in besten Gerichts¬ barkeit er liegt, in sichtbarer Freundschaft und Ein- M 3 mr- i8o M— verstandniß leben , wenn die Gemeinde nicht geär¬ gert se^n soll. Schmäht der Pfarrer selbst über alle ne/ien Einrichtungen, welchen Respekt wird der Unterrhan gegen die Generalien haben ; ist es Wunder, wenn das Volk die Abstellung der Feyer- tage, die Verminderung der Wohlfahrten, die Aufhebung der Bruderschaften als Vorboten des einzuführenden Lutherthums betrachtet? Lebt der Pfarrer mit dem Beamten in Feindschaft, so darf man gar nicht darüber erstaunen, wenn das Volk die politischen Gesetze nicht beobachtet, und den Gerichtsherrn als einen Unterdrücker haßt! Nie¬ mand ist bey dem Volk ein gefährlicherer Herold der Empörung, als der Volkslehrer. Mit dem benachbarten Seelsorger muß der Pfarrer sichtbare wechselseitige Freundschaft unter¬ halten. In den Gelegenheiten, wo man sich mit seinen Pfarrkindcrn über ein zeitliches Gut, über eine Gerechtigkeit, die ins Eigsnthum einschlägt, zerfällt, muß man den Pfarrer, als den Mann kennen lernen, der das Seinige sucht, ohne jeman¬ den darum weh zu thun, als den Mann, der nicht aus Leidenschaft, sondern aus unentbehrlichem Interesse vor Gericht tritt; als den Mann, der der erste zum Vergleich die Hande bietet, und selbst einen kleinen Vortheil aufgiebt, um einen früher» Frieden zu stiften; als einen Mann , der des Sei¬ digen willen eine Gegenparthey macht, ohne dabey aufzuhören, ein guter Freund der Person zu seyn, mit welcher er den Nechtshandcl führt. Ich bin hier am Ziel mit dem dritten Theil der Pastoraltheologie, und folglich auch am Ende mei, nes heutigen Schreibens, Der Allmächtige erhalte in !8r m Ihnen den Geist Ihrer Grundsätze, damit Sir das werden, was ich von jedwederm wahren Seel¬ sorger fordere! Und wohl mir, wenn ich durch mein Verhältnis mit Ihnen zu Ihrer Starke und Entschlossenheit das Mindeste beygctragen habe? Ich bin mit der Völle menschlicher Hochachtung rc. Zwey und dreyßigster Brief. A. A. zu S. P. an I. S. S. P am lZ. Jun. 1785. Freund rc. d^ie schwingt sich mein Herz empor! Wie wer- de ich gegen meinen eigenen Karakter mit Hochachtung belebt, wenn ich von meiner Pflicht, das Volk mit dem Sakrament zu weiden, zu reden beginne! Wir sind Schatzmeister des ewigen Kö¬ nigs. Die Sakramenten sind die Schatze der Chri¬ stenheit: und unsere Sache ist cs, sie auszutheilm. Lassen Sie uns vor der Hand von der Zubereitung des Seelsorgers sprechen, die die diesfallige Wür¬ de seiner Amtshandlungen von ihm fordert: und vor allem den, was von den Sakramenten über¬ haupt vorlausig gemeldet werden soll! Da der Seelsorger immer auf dem Sprung ist, zur Reichung der Sakramenten aufzerufen zu werden, muß das Handbuch seines Gewissens im¬ mer in Richtigkeit seyn. Der Beamte, der stünd¬ lich eine Kassevisitation vermuthen kann, schließt M rag- ! 8 s täglich ab. Hören Sie darüber ^as römische Ri¬ tual , aus dem ich nachfolgende Lehre wörtlich über¬ setze! " Da in der Kirche Gottes nichts heiligers, nühlichers , vortreflichers , ja göttlichers ist, als „ die Sakramenten, die Jesus Christus zum Heil „ der Menschen eingesetzt hat, muß der Pfarrer „ oder jeder andere Priester, dem die Ausspendung „ derselben zukömmt, erstlich denken, daß er Hei- „ ligthümer behandle, und alle Augenblicke zu die- „ fer heiligen Handlung ausgerüstet seyn müsse. „ Darum wird ex zu allen Zeiten trachten, rein, „ fromm Und gerecht zu leben; denn, wiewohl „ die Sakramenten von Unreinen nicht verunreinigt „ werden können, weder der Vortheil derselben von ,, den übelgesitteten Priestern verhindert werden „ mag, so verfallen doch diejenigen, die sie unrein „ und unwürdig ausspmden, in die Straft des „ ewigen Todes, Der Priester also, der sich, was ferne seyn „ soll, einer schweren Sünde bewußt ist, soll sich „ nicht ehvor zu Ausfpendung der Sakramente^ „ anschicken, als er herzlich Buß gethan, und, x, wenn es möglich ist, wenn es Ärt und Zeit „ verstaften, gebeichtet hat ! „ Im nämlichen Ton spricht auch der römische Katechismus, wie folgt : „ Sie.fdte Priester) sollen sich allzeit erin- „ nern, daß die Sakramenten ihre göttliche Kraft „ zwax niemal verlieren, denen aber, die bey ih- „ W Ausfpendung unrein sind, den ewigen Tod und „ und den Untergang bringen; denn heilige Din- „ ge , was man ihnen ein für allemal einpragen „ muß, sind heilig und gottselig zu behandeln! „ Dem Sünder hat der Herr bey dem Propheten „ gesagt: Warum verkündigest du meine „ Gerechtigkeiten, und nimmst mein Te- „ stament in deinen Mund? Du aber hast „ stst die Fucht? -- Wenn jedem Menschen, „ der sündhaft ist, nicht erlaubt seyn kann, gött- „ liche Dinge zu behandeln, welches Laster muß „ es seyn, wenn sich derjenige vieler Verbrechen „ schuldig weiß, der die heiligen Sakramenten mit „ einem unverschämten Munde verfertigt, in die „ mit Sünde chemackelten Hande nimmt, und an- „ dem austheilt! Wir lesen schou bey denr heili- „ gen Dionys, daß den Boshaften nicht erlaubt „ seye, die Geheimnisse zu berühren. Mit dem Ritual und den Rubriken muß ein Seelsorger, wie der Kaufmann mit seiner Mustw- karte bekannt seyn. Die Unwissenheit in der Aus¬ spendung der Sakramente, sosss auch nur die Ze¬ remonien betreffen, ist ein Brandmark für den Priester. Es giebt zwo Gattungen von Feierlich¬ keit bey Ausspenduug der Sakramente. Einige werden überall gleich beobachtet. Andere sind in Verschiedenen Diözesen verschieden. Jeder Priester richtet sich nach seinem Ritual, nicht nach seinem persönlichen Eigendünkel. Sie sind dem Sakra¬ ment nicht wesentlich. Aber man ist seiner Vor¬ schrift nachzuleben verbunden. Fertigkeit und Willen fordere ich bey jedem Seelsorger,, so bald er zur Ausspmdung des Sa¬ kraments bernste» ist. Wenn uns die Pstrchr auf- M 4 fo-- 784 fodert, müssen wir weder an die Strasse, noch an den Barometer denken. Tag und Nacht muß demjenigen gleich viel sssn, der sich der Gefahr nicht aussehen will, eine mir dem Blut Jesu Chri¬ sti erkaufte Seel zu versäumen. Der Seelsorger, der sich des Rechts auf seine Bequemlichkeit nicht begeben hat, ist noch ein Embrio in der Hierar¬ chie, und wird vermuthlich niemal zeitig werden. Die Freude muß den Priester ftchtbarlich beleben, wenn er in die Gelegenheit versetzt wird / feinem Bruder in Absicht aus den Himmel einen Dienst zu erweisen. Wenn die äusserste Nothwendigkcit einen Pri¬ sser nicht hinreißt, wenn es Zeit und Gelegenheit erlauben, muß seiber von einem zeitlichen Geschäft nickt so gerade zu Aubssendung der Sakramente hintretten, ohne sich vor der Hand versammelt zu haben. UibnmM des Glaubens, der Hofnung und der Liebe' werden machen, daß er das Sa¬ krament zur Auferbauung der Anwesenden, und mit Vorteil für sich selbst Essende. Eine Meinung, das Sakrament nach der Vorschrift der Kirche auszutheilcn, muß der Hirt nothwcndig haben , denn ein Sakrament muß eine menschliche zweckmässige Handlung seyn, wenn cs gelten soll. Eben darum wird es dem Hirten so unentbehrlich , sich, wie ich oben sagte, vor der Aussscndung des Sakraments zu versammeln. Wer sich selbst das Zeugniß geben kann, daß er bey der Aussscndung" des Sakraments sich seiner Handlung bewußt war, soll sich nach der Hand nicht ängstigen, ob er eine erkleckliche Meinung hatte! Wir wollen allerdings gewissenhafte Seel- 185 sorger, aber keine Narren: und so was ist der Skrupulant allemal. So, wie der Priester, ohne sich seiner Rei¬ nigtest bewußt zu seyn, zur Aussperrung der Sa¬ kramente nicht vorschreitten darf, eben so sind auch alle, die sich durch Sünden infam gemacht haben, vom Empfang derselben auszuschlüssen, bis sie Busse gethan haben. Das Römische Ritual be¬ nennt uns diese Gattungen der Menschen. Die Exkommunizirten, allgemeine Töchter der Freude, Beyschlaffer,' Wucherer , seyn wollende Zauberer und Hexenmeister, Gotteslästerer, und andere der¬ gleichen offenbare Frevler sind keine Gaste bey dem Lisch des Herrn, können und' müssen von dem Seelsorger, Trotz ihrer Dreustigkeit, mit der sie sich der Kommunion nähern, abgewiesen werden. Ganz ein anderer Fall wäre jener, wo der Seel¬ sorger von der Unwürdigkeit eines solchen Men¬ schen für sich allein Notih genommen hat. Man ist nicht befugt einen Menschen , der auf die öffentli¬ che gute Meinung der Menschen das volle Recht hat, vor den Augen aller Welt zu entlarven. Wenn ich aufrichtig bekennen soll, so würde ich sagen müssen, daß ich es immer als einen hä߬ lichen Mißbrauch unserer Kirchspiele betrachte, in¬ dem man es leidet, daß die Pfarrkinder dieser Kirche in andern Pfarrkirchen die Sakramenten empfangen. Es war, sagt von Espen, durch meh¬ rere Jahrhunderte eine herrschende Meinung, daß man das Sakrament der Buß nur bey seinem Pfarrer empfangen konnte. Allererst dazumal , als die Mendikanten entstunden, fieng man an, von seinen Sünden in fremden Kirchspielen gerer- M s nigt r86 nigt zu werden. Die Papste haben ihnen das Privilegium dazu gegeben; sie selbst haben es mit Vorwiffen der Papste andern mitgethcilt: und dieß hat endlich ein solches Durcheinander verur¬ sacht, daß sich die allgemeinen Versammlungen her pfarrljchen Rechten annehmen mußten. Es gedieh endlich dahin, daß der Pfarrer das Recht haben soll, im Jahr einmal seine Pfarrkinderlos¬ zusprechen, oder die Erlaubniß hiezu einem andern zu überlassen. Heut zu Tage scheint es aber un¬ ter benachbartey Seelsorgern gar keiner Erlaubniß mehr zu bedürfen. Man ist froh, wenn jeder selbst um hje österliche Zeit in bas nächste Kloster lauft, weil man dadurch einer Bürde los wird. So lang noch Klöster sind, werden dir Konkurs« nicht aufhören. — Sie müssen nicht denken, haß ich etwa darum wider diese Konkurse so bitter böse scheine, weil ich etwa nicht glaube, daß der wiederholte Em¬ pfang der Sakramente den Gläubigen gedeihe: Ich weiß das so gut, wie jeder Met. Ich werde auch die Unbescheidenheit niemal haben, meinem Vojk den gegentheiligen Rath zu geben. Aber ich fordere, daß man die Leute von der Zubereitung zu diesem Empfang so nachdrücklich unterrichte, daß ihnen diese Handlungen keine Rcinigkeit zu seyn scheinen, daß sie es für kein Werk achter Andacht halten, wenn sie der Gewohnheit, oder des Gesellschaft damit ein Opfer machen , daß sie Sakramente empfangen, zu denen sie nur nach.der Oberfläche ausgerüstet sind: und dieß, eben dieß lie¬ ber Freund, ist der alltägliche Fall Key Konkursen. Wir gersrhen auf diesen Stof noch ein andermal. Einsweii-« wollen wir hier ad brechen. Ich bin rc. 18? Drey und dreysigfter Brief. A. A. zu S. P- an I. S. S. P. am i. Jul. 1785° Mein lieber Freund rc. die Taufe das sichtbare Zeichen der Wie- dergeburt ist, unumgänglich nothwendig für alle Menschen, um durch die Gnade den Fluch zu tilgen, der an der Nachkommenschaft Adams haftet, muß dem Volk nicht verstauet werden, daß es die Beförderung der Gcbornen zur Tau¬ fe verzögere. Die Hebammen des Kirchspiels sind manch¬ mal im Jahre vorzünehmen, und über die Pra¬ xis der Nothtaufe zu könstiruireü und zu unter¬ richten. Besonders sind sie zur Machbarkeit an¬ zuleiten , daß die unreifen Geburten nicht verwahr¬ lost werden. Eben dieser Umstand, und weil eben manchmal ganz zeitige Kinder ohne sichtba¬ rem Zeichen des Lebens auf die Welt kommen, oft. auch der Fall da ist, daß Händchen und Füs¬ se in eener schweren Geburt zum Vorschein kom¬ men, sind solche Weiber mit der Art unter Ve- dingnip zu taufen innerst bekannt zu ' machen. Diese zwo Bcdingnissen: !Vcmr du lebst, oder wcim vu noch nicht getauft bist, sind ihnen einzupragen , und sie müssen vollkom¬ men lelehret werden, wann und wie sie eine oder ,88 die andere, oder vielleicht auch beyde zugleich an¬ bringen muffen. Aller dieser Vorsicht ungeachtet werden in unserer Diözes alle von den Hebammen getaufte Kinder bedingnißweis noch einmal ge¬ tauft. Uibelberüchtigte und Unwissende Menschen müssen von der Pathenstelle nach Verordnung der Kirche ausgeschlossen werden. Man darf nicht mehr als eine Mannsperson und eine Weibsper¬ son zu Pathen annehmen» Den Pathen ist die zweyfache Pflicht, hie getauften Kinder im Fall der Noch im Glauben zu unterrichten, und such körperlich zu ernähren, so oft einzuprägen, als man vermuthen kann, daß Sie es etwa nicht wissen dürften; denn Leuten von Kondition, Key denen sich die Unwissenheit gar nicht vermuthen läßt, mit unnöthigem Moral den Kopf waschen, ist immer eine Sottise, die auf den Pfarrer zu- rückprcllt. Zwar am Lande unter den Bauern dürfte diese letzte Anmerkung überflüssig seyn; denn die Leute sind oft bey dem beßten Anblicke den¬ noch herzlich dumm. Das bey der Taufe vorgeschriebene Geprän¬ ge wird mit aller Genauigkeit beobachtet. Es ist nichts an der ganzen Zeremonie, was unbedeu¬ tend wäre. Die Hochheit dieses Sakraments und alle dabey vorkommende Handlungen waren in der Kirche Gottes so wichtig, daß es anfänglich nur Bischöfen, und diesen nur in gewissen Zeiten zu taufen oblag. Erst nach Vermehrung der Gläubi¬ gen und der Kirchspiele erhielten Priester das Vor¬ recht, die Laufe auszuspenden. Der i89 Der Ort, wo der Taufakt vorzunehmen ist, bleibt nach der Vorschrift des Konziliums zu Tri¬ ent ordentlicher Weise immer die Kirche. Nur mit grossen Herren wird hier ein Unterschied ge¬ macht. Wer diese grossen Herren seyen, laßt sich nicht so leicht entscheiden. Vielleicht darf es bey den Adelichen durch die Dank angewandt werden, ungeachtet das wienerische Ritual es bey ansehn¬ lichen Fürsten bewenden laßt. Aber wie man schon jedem Menschen zu gefallen, bey den mittel¬ mässigsten Leuten aus der Kinderstube eine Kirche machen kann, verstehe ich gar nicht. Da die Ri¬ tualen ausdrücklich hinzusetzett, daß die Bestim¬ mung des Orts nur äusser dem Fall der Noth- wendigkeit besiehe, wird es auch in der strengsten Kalte, wo für die zarten Kinder eine Gefahr zu besorgen wäre, davon abgegangen werden können. In Rücksicht der Findelkinder herrscht die allgemeine Praxis, selbe noch einmal bedingniß- weise zu taufen , sollte auch auf einem Stempel- bogcn ein Attestat beyliegeN, daß das Kind ge¬ rauft seye; denn da man einerseits einem Atte¬ stat den die Publizität mangelt, keine Glaubwür¬ digkeit schuldig ist, wird an der andern Seite dem Sakrament durch die Dedingniß kein Tort zuge¬ fügt. Uiber die Falle mit den Kinder.n, welche von Ungläubigen abstammen, ob sie, und wie sie wider den Willen der Aeltern getauft werden kön¬ nen, belieben Sie die Kaiserlichen Verordnungen vom z. Qkt. 1768, vom 28. Marz 1782, vom Ziten Marz 1782 nachzulesen. Von den Vorschriften, nach welchen Erwach¬ sene zur Taufe ausgenommen werden sollen/ will ich ich Ihnen nichts sagen. Es gründet sich alles auf die Wesenheit des Sakraments , das von ei¬ nem Menschen, der seiner mächtig ist, nur durch freye Wahl erkiesen werden kann. Eben so ver¬ lautbart sind die Generalien, wie man die Tauf¬ bücher zu führen hat- und wie man sich allen¬ falls mit Aufmerkung jener Vater zu betragen ha¬ be, die ihren Kindern wider das Gesetz ihr Daseyn gegeben habem Es ist dem gläubigen VE nicht zu verstär¬ ken , daß es bey einem so heuigen Sakrament oder mit dem Taufwasscr, oder nut der Zeit, in der die Taufe vor sich gehen soll, oder endlich mit dem Namen, den das Kind bekömmt, Aberglauben un¬ terhalte. Da die Gastgebote und eitlen Feierlich¬ keiten bey Gelegenheit gottesdienstlicher Handlun- lungen den Geist des Christenthums meist zerstreuen, muß man seine Pfarrkinder lehren , bey Ge¬ legenheit der Taufe von allen diesen Mißbrauchen ferne zu seyn. Da ich Sie mit Kleinigkeiten nicht unterhal¬ ten will, die Sie ohnehin in jedem Moralisten finden, will ich diese Materie fahren lasten, und mich Ihnen mpfehlm re. Vier i9l Vier und dreysigster Brief. A. A. zu S. P. au I. S. S- P. am io. Jul. 1785. Mein Beßter rc.- der heutige Brief hält keine Wichtigkeit in sich s nicht als ob das Sakrament des Firmung unwichtig wäre, sondern weil man sich mit Gemeinplätzen nicht lange abgeben kam. Dir wesentliche Absicht dieses Sakraments ist die Bestättigung des Laufbundes, eine werkthatigr Erinnerung der uns daselbst gemachten Verheis¬ sungen, und endlich eine himmlische Befestigung des christlichen Mmhes gegen die Versuchungen , denen der vernünftige Erdwurm unterliegt. Das dumme Volk hat nicht nur allem gegen die ver¬ schiedenen Zeiten, in denen dieses Sakrament aus- grsvendet wird, sondern airch in Rücksicht der we¬ sentlichen Wirkung manche abergläubische Meinung, von welcher die Hetzen der Gläubigen zu kerni¬ gen sind. Unmittelbar vor der Zeit also, da die¬ ses Sakrament, dessen Aussprndcr unmittelbar der Bsschot ist, erthcilt zu werden pflegt,- muß de? Pfarrer über diesen Gegenstand predigen. Ordentlicher Weise, denn Key Kirchspielen, die an den äussersten Granzen eines VißthrrmS liegen , nimmt man es nicht so genau, werden nur nur jene Kinder gefirmt, die Hon ihre Vernunfts- jahre erreicht haben, und nichts ist billiger. Da die Kinder noch nicht im Stand sind zu sündi¬ gen , wozu eilt man bey ihnen mit einem Sa¬ krament, welches sie weder mit Verdienst empfan¬ gen , noch begreiffen und in Ehren halten kön¬ nen ! Za das Sakrament der Firmung, wie die Taufe einen unauslöschbaren Karakter der mensch¬ lichen Seele eindrückt/ darf solches nicht wicder- hohlt werden. Man hat dermalen in unfern Diö¬ zesen mit ordentlichen Firmungsattestaten solche Vorkehrungen gemacht, daß wenn anderst die Ael- tcrn und Vormünder ihre Schuldigkeit in Ver¬ wahrung der selben aüsüben, die Gefahr der aus Unwissenheit entstehen mögender Wiederhohlung ganz getilgt wirb» Im Belang der Taufpathen ist in gewisser Maß das nämliche zu sagen, was oben bey der Taufe vorgekommen war. Ich weiß nicht, ob die Ge¬ wohnheit die Kinder, die man als Pathe zum Sakrament der Firmung führt, zu beschenken, nicht ein blätter Mißbrauch seye, der mit Recht in öffentlichen Predigten gerügt zu werden verdiente. Nichts zu melden von dem , daß diese Gewohnheit schon manchmal gewinnsichtige Menschen angelockl hat, sich öfter sirmen zu lassen, um beschenkt zu werden, Menschen, denen es zum Scherz wird, ein Sakrament um seine Wirkung zu betrügen, um dabey einen schnöden Gewinn zu machen: wie dann das erste Concilium zu Mayland 1765 aus eben der Ursach allen Pathen auftragt, ihren geist¬ lichen Kindern keine Geschenke zu geben. Genug I9Z ist. es , daß durch diese Gewohnheit, die allent- halben bekannt und angenommen ist, die Kinder viel mehr, als in Anbetracht der Gnade des. Sa¬ kraments zur Firmung angclockt werden, und daß dadurch der feierliche Eindruck, der von Seiten des Sakraments an sie gemacht werden sollte, ver¬ hindert wird. Kinder sind ohnehin sehr dazu aufgelegt, bey jeder Sache nur an dem Neben- drng zu hangen, und sich durch jede Kleinigkeit von der Hauptfach abffchrm zu lassem Was ein Seelsorger noch bey dieser Gelegenheit mit Wär¬ me erinnern könnte, ist meines Erachtens der Un¬ fug , den ich ost mit meinen Augen gesehen habe. Wenn die Pathen mit ihren Firmlingen vom Bischof abgeftrtigt sind, und da mit Versamm¬ lung und in Dankbarkeit, in die Betrach¬ tung des Sakraments vertieft abziehen sollten, ist der erste Weg in die Schenke, wo man die Gefirmten im Wein ersauft, und dann wie wil¬ de Kalber. auf einen Wagen zusammpacktt Freylich bleibt den Kindern dieser Tag dann aufviele Jah¬ re, vielleicht auf allzeit unvergeßlich, weil sie sich dieses Tages allemal als des Tages, erinnern, an dem sic den größten Rausch hatten, mit welchem sie ihre geistlichen Vater regalirten; die sie un¬ mittelbar nach den: Sakrament der Firmung, das uns Starke gegen Versuchungen ertheilt, praktisch unterrichtettu, wie man dem Wein unterliegen/ und vom Christen zum Schwein werden soll. Sie werden sagen, daß man bey den stand- Völkern manchmal einen Fehler dem Unverstand zu- schreiben müsse. Sie paaren das viel zu wenig N zu- 194 — EÄtz zusamm, Vorbereitung, Sakrament und Folge. Freylich ist's eben das im Grund. Man muß ih¬ nen aber ohnehin so viel durch die Finger sehen. Mir scheint es zu viel Nachsicht, daß man ihnen diese Trunkenheit bey der feyerlichsten Gelegenheit als einen Spaß verzeiht. Leben Sie wohl re. Fünf und dreyßigster Brief. A. Sl. zu S. P. an I. S. S. P. am 22 Irch. 1785. Lieber Freund rc. dolles, was in Rücksicht des Altarsakraments der Gegenstand der Pastoraltheologie seyn kann, laßt sich durch folgende Abschnitte bestim¬ men. 1. Die Kommunion der Kinder. 2. Die Kom¬ munion der Kranken, z. Die österliche Kommunion. 4. Die öftere Kommunion. 5. Die Herumtragung des Hochwürdigen. 6. Die Aussetzung des Hoch- würdigen. 7. Das Meßopfer. Wir berühren von allen diesen nur das Nothwendigste. Da nur diejenigen, die sich der Erkenntniß der Hochheit dieses Sakraments rheilhaftig ge¬ macht haben, dasselbe zu empfangen würdig schei¬ nen , hat die Katholische Kirche den manchmal sichtbaren Gebrauch, auch kleinen Kindern die Kom¬ munion zu reichen untersagt. Soll ich Ihnen meine Meinung sagen, so glaube ich nicht, baß dir- M—.. "ÄH; »95 dieser Gebrauch jemal den Beyfall der allgemeinen Kirchenzucht haben konnte, wie einige Skribenten dafür zu halten scheinen; denn die allgemeine Kir¬ che war allzeit zu voll von Grundsätzen für einen verdienstlichen Empfang des Abendmahls, als daß sie solchen bey kleinen Kindern gebilligt haben soll. Es zeigt sich dieß gär zu wohl in den Akten deS Konziliums zu Trient, woselbst die Vater diesen Gebrauch der Vorzeit vielmehr entschuldigen, als gut sprechen. Man erwählt mit Vorsicht daselbst den Ausdruck: die. Alten mögen derbey ihre Ursirchen gehabt haben: welches, im Ton der Höflichkeit so viel gesagt ist, als: wie hat¬ ten aber niemal welche, und haben sie noch nicht. Wie dem also seyn mag, für uns ist's genug, daß dermalen , man mag mehr oder weni¬ ger Kind, man mag in Jahren zurück oder vor seyn, die Erkenntnis des Geheimnisses allein der Passeport zu dem Tisch des Herrn seyn müsse. ES ist demnach nicht die kleinste Pflicht des Hirten, die Kinder seines Kirchspiels besonders vorzuruf- fen, und diejenigen herauszuheben, die der Kom¬ munion fähig sind; jenen, bey denen die Begrif¬ fe dünke! und schwach sind, durch Lehren nach¬ zuhelfen , und alles anzuwenden, daß sie nicht als ein Qvftr seiner Trägheit länger von der Wohl- that ^cr Christenheit ausgeschlossen seyene Wie- wohl übrigens Kinder , die einmal des Genusses vom göttlichen Abendmahl fähig erklärt Wörden sind, öfters im Jahre, dahin zugelassen werden können, muß doch der Seelsorger, weil ihre Ideen sehr flüchtig sind, bey selben allemal eine Zeit anwen¬ den, um die Erklärung des Geheimnisses in ihnen zu erneuern, und den Degnf von der Hochheit dieses Sakraments zu verstärken. Selbst der übcr- N r rriebe- triebenen Andacht der Aelttrn ist nicht allzeit zu trauen. Man zwingt die Kinder öfters zum Tisch des Herrn. Gutwillig würden sie nicht dazu ge¬ kommen ferm. Laßt man sie in diesem Fall ohne andere Vorbereitung, als derjenigen, welche in dem Stocke des Vaters bestund, zu dem Tisch des Herrn gehen, so giebt man sie geradezu der Gefahr preis, daß sie das Brod der Engeln wie das Brod in dem Haus ihres Vaters speisen. Ihr fluchtiges Alter reizt sie nur zu ungewöhnlichen Dingen. Das, wozu ste ost gelangen, verbrei¬ tet über ihr Herz Eckel und Gleichgiltigkeit. Sie find also nur dazumal zur Kommunion zu lassen, wenn sie zu dem hohen Begrif des Geheimnisses gestimmt sind, und dieß kann nur selten seyn. Selbst bey Erwachsenen, lieber Freund, muß der Scilsorger über die öftere Kommunion wa¬ chen. Man muß den Gläubigen den öftern Ge¬ nuß der Sakramenten niemal verleiden; denn in sich selbst was kann heiliger seyn? Aber man muß ihnen auch die Vorbereitung dazu jedesmal so schil¬ dern , daß sie davon zurückgeschreckt werden, wenn sie oder die Gewohnheit, oder das Beispiel ande¬ rer, oder selbst die Eitelkeit, und Ruhmsucht, das Verlangen für fromm zu gelten anciferu sollte, mit schlechter Vorbereitung am Tisch des Herrn zu erscheinen. Man kommnnizirte freplich in der ersten Christenheit fast so oft, als man bey der Messe war: aber das waren andere Zei¬ ten, und das waren ganz andere Leute, die, weil sie so oft in der beständigen Gefahr des Todes lebten, und von dem ersten Eifer des Christen thumi 197 thums beseelt waren, keiner zweifelhaften Vorbe¬ reitung unterliegen konnten. Die Pflicht in der österlichem Kommunion zu erscheinen ist allgemein. Das allgemeine Gebot der Kirche und^die unterbrochene Ausübung dieses Gebots bestattigen sie. Man könnte demnach mit hundert Kommunionen zu andern Iahrszeiten die österliche nicht ersetzen. Diese österliche Kommu¬ nion soll vermög den Absichten der Kirche, wie wir es in dem Kapitel aller beiderlei» Ge¬ schlechts rc lesen, in der Pfarrkirche geschehen. Indessen hat der Pfarrer auch das Recht, von dieser Forderung abzugehcn. Dahero geschieht es, daß die Seelsorger von benachbarten Klöstern, auch von andern Pfarreyen die Attestaten der österli¬ chen Kommunion in Betref ihrer Pfarrkinder an- «ehmen. Ich bin vollkommen der Meinung, daß man nütz der Erlaubniß in diesem Stücke viel zu gnädig sey; ich bin der Meinung, daß dieser Mangel an Vorliebe gegen seine Pfarrkirche, ge¬ gen seinen Pfarrer das Pfarrkind übel kleide. Aber ich will mich nicht zum lästigen Reformator eines Gebrauchs aufwcrfen, der bereits zu sehr Wurzel geschlagen hat, und den Seelsorgern so zu behagen scheint. So schwer übrigens dieses Kirchengeboe ist, so sind doch von dem Tisch des Herrn alle Un¬ würdige auszuschliessen, weil man unmöglich dem Kirchengcbot durch einen Eottesraub genugthun kann. In einein solchen Fall wäre es alko das Meisterstück des Pfarrers: aus einem Unwürdi¬ gen den Würdigen zu machen. Doch dieß auf ein andermal! Nz Vor 198 EÄ-V Von der Kommunion der Kranken sind alle Moralisten voll. Man betrachtet sie als Wegzeh¬ rung, und als Kommunion aus Andacht. Der Unterschied braucht auch Formalien, unter denen man den Leib Christi Jesu reicht. Der Kranke, wenn er die Wegzehrung einmal erhalten hat, darf noch oft das Abendmahl empfangen, auch, wenn er nicht nüchtern ist, weil man nicht von der Kirche denken kann, daß sie die Andächtigen, die nicht nüchtern bleiben können, des einzigen Labsals berauben wolle, das sie tröstet. Aufer¬ baulich ist es allerdings, wenn's der Pfarrer da¬ hin bringt, daß das nahe gelegene Volk dem hei¬ ligen Abendmahl, wenn's zu Kranken getragen wird, wenigst auf einige Strecken, aus dem Dorf, und so weiter, das Geleite giebt. In Städten und Markten, wo die Leute weniger beschäftigt sind, ist die Unterlassung solch eines Geleites gar ein beträchtliches Aergerniß. Es versteht sich von selbst, daß man dem Volk öfters beybringe, die Hochheit des Gasts- den man zu den Kranken in die Wohnungen tragt,' erfordere die Herstellung aller möglichen Reinigkeit, die in der Macht der gemeinen Leute steht. Man tragt das Hochwür¬ digste Gut nicht zu den Kranken, die es nicht ge¬ niessen, sondern nur anbeten können. Die Schuldigkeit Messe zu lesen ist keine kleine Pflicht für den Pfarrer. Es ist gar keinem Zwei¬ fel mehr unterworfen, ob der Pfarrer alle Sonn¬ tage, und gebotene Feste schuldig seye, sein Me߬ opfer für die Gemeinde aufzuopsern. Nicht einmal der Mangel an der Congrua entschuldigt; denn diese hat er bey seiner Gehörde zu suchen, so wie seine Ge¬ meinde das Recht, an ihn die Forderung des Opfers r» zu machen. Ordentlicherweift soll der Pfarrer so oft Messe lesen, als das Volk verbunden ist, eine zu hören. Allein er kann, ohne in den Augen seiner Pfarrkinder als ein fauler Knecht zu erscheinen, auch an gemeinen Lagen das Meßopfer nicht oft unterlassen. Da die Ordnung in allen Sachen einen Glanz giebt, wird der Pfarrer sich viess Ansehen ver¬ schaffen, wenn er auch an gemeinen Tagen seine Messe zur bestimmten Zeit liest. Nur möchte ich nicht im Fall, da es Unbescheidene giebt, die For¬ derungen darauf machen. Was man zum Behuf der Andacht thun kann, ist man der Unbescheiden¬ heit nicht schuldig. Es giebt in den Pflichten der Seelsorger gegen seine Schaafe, wie in allen an¬ dern Schuldigkeiten, gewisse Granzen. In der hei¬ ligen Handlung, die wir Messe nennen, muß die Inbrunst des Seelsorgers nicht zweifelhaft erschei¬ nen. An ihm muß die Gemeinde ein praktisches Muster haben, mit welchem Anstand der Christ das Brod der Engeln empfangen soll. Ich will hier nichts von dem Meinigen zusetzen; sondern den heil. Gregor von Nazianz in seiner Rede über die Priesterwürde folgendes sagen lassen: Eine andere hsrsach meiner Flucht war diöse, daß ich sthr erschreckt ward, da ich eine Menge Leute sich, die ohne Ver¬ dienst, ohne Talente, unordentlich und verdorben, sich getrauen, mir ganz befleck¬ ten Händen und einen, ganz unheiUgcn Geiste die erhabenen und fürchterlichen Verrichtungen des göttlichen Dienstes zu unternehmen. Sie sollten zittern, wenn sic die Fiche an den heiligen rc siegen. N ' LOS Ob sie aber gleich unwürdig sind / sich dem Hciligthum Zu naheru, so sind sie doch verwegen / daß sie hmemgehcn. Der Geiz , der sie nagt, der Hochnruth , der sie aufzehrt / verleitet sic / dass sie , so zu sagen einander um den geheiligten Tisch hcrumsiosien. Ihre Verblendung hrndert sic/ daß sie niHt s den/ was der Altar schreck¬ liches hat. rc. Kann man mohl solche Worte von einem heiligen Vater lesen, ohne zu begreifen,- baß es schon dazumal Seelsorger gab, die das Meßopfer wie eine zunstmaffige Profession trieben! Es giebt Priester, die mir der Messe , wie im Taschenspicl manipulircn, die über das Ende der heiligsten Handlung so froh scyn können, als über das Ende der Stund, die sie am Pranger zu stehen haben dürften. Welche Sottise sind solche Priester der Religion, und wie sehr würden sie, wenn's möglich Ware-, die Gottheit ennuiren, der sie opfern! - Hueber, der Pfarrer zu Gindelburg, hat so viel von dem Allmoftn für die Messe geschrieben, daß man alle Seelffrger billiger an ihn, als die Juristen an Justinians Kodex anweisen rann. Mir haben in Rücksicht dieses Allmosen keine eigentlichen Verordnungen. - Rechtschaffene Seelsorger haben sich aber von jeher gewisse Grundregeln gemacht, und sich hiemit die Gesetze selbst gegeben. Sie betrach¬ ten dieses Stipendium als ein wahres Allmosen, und treiben damit keinen Handel. Miethsinge hin¬ gegen , denen das Aljerheiligsie nur aus Interesse willkommen ist , behandeln es als einen Preis, und fcheeren ihre Schaafe um Jesu Christi willen. Noch andere giebt es, die diesen Artikel als eine Speku- Hss-E- -- L0l Gpeftstarion verwenden. Sre häufen die Messen- beider, und können in der längsten Zukunft allererst der Obligation Genüge leisten. Wenn aber dich nicht Menschen betrügen, und das Vertrauen schän¬ de» heißt, das die Gläubigen gegen den Priester haben, so weis ich wahrhaftig auf Gottes Erdbo¬ den keinem Ding den wahren Namen ferner zu geben. Fragen' Sie mich nicht lieber Freund, wie yiele Messen der Seelsorger also im Lörrach haben darf! Denn ich kann ihnen nicht anderst antworten', als daß er wenige haben dürfe. Aber die Leute sind oft zudringlich — Je nun! Man muß es ihnen sagen, daß man ihre Intention al¬ lererst um diese oder jene Zeit befriedigen könne. Sie mögen dann selbst urtheilen, ob ihnen damit gedient sey-e. ' ' ° Von den öffentlichen Umgangen mit dem Hochwürdigen haben wir jetzt Verordnungen, auf die wir uns bmden müssen. So, wie van Espe» dafür halt j ist der feyerljche Umgang am Frohn- lcichnamsftste, wozu der heilige Thomas schon un¬ ter Papst Urban dem Vierten im Anfang des drei¬ zehnten Jahrhunderts die Tagzeitcn ordnete, nut An¬ fang des i sten Jahrhunderts allererst zum Be¬ stand gekommen. Die Kirchenversammlunz von Trient macht in der izten Sitzung am sten Ka¬ pitel von diesem Umgang Meldung. Wir sehen daraus, daß es dazumal nur diese- Prozession allein war, die sich in der Kirche ihr Ansehen erwarb, und daß es erst später dahin kam, dap jeder Kir¬ chenvorsteher aus seinem Kopf nach eigenem Belie¬ ben solche Feyerlichseitcn veranstaltete, che das glau- bigeVolk aus Mangel der'Selteuheit dahin verleiteten, daß es solchen Feierlichkeiten ohne Herz beuwohn- N s te, 20L te, wie wir cs leider, häufig sehen mußten. War es nicht billig, daß wir mi gegenwärtigen Jahr endlich bis an die Frohnleichnamsprozession wie¬ derum herabgesetzt wurden? Das nämliche ist von dem Aussehen, und von 3cm Seegengeben mit dem Hochwürdigsten zu ver¬ stehen. Die Vervielfältigung solcher Gebrauche scha¬ bet dem Geist der Andacht bey den Lauem Der eifrige Christ hat an der Gegenwart Gottes, die ihm der Glaube schon im Tabernakel voxstellt, ge- uug, um Feuer und Zerknirschung zu werden. Die Aussetzungen und das Seegengcben hangt nicht von der Wilikuhr des Pfarrers, sondern von Diö- zesangeschen , und von den bestehenden Verordnun¬ gen in politico ecclostasticis ab. — Leben Sie wohl, und lieben Sie mich! Ich hin :c. Sechs und dreyßrgster Brief. Ss. A. zu S. P. an I. S- S. P. am l6. Aug. 785. Mein Bester rc. ^Arsthrecken Sie nicht über die heutige Depesche! Es ist ein voluminöses Aktenstück, was ich Ihnen zu überliefern habe. Und könnte man wohl auch über einen Gegenstand einen kleinen Brief schreiben , der so viele Folianten zum Opfer hat, so 2OZ so viel es Moralisten giebr! Das Sakrament der Buß ist heute der Stoff unserer Abhandlung. Es ist das Sakrament des neuen Testaments, worüber den Priestern Jesu Christi unzählige Schul¬ digkeiten obliegen. Vor allen andern Dingen ist die Gerichtsbarkeit, die man über die Gläubigen von einem prüfenden Bischof erhalt, die wesentli¬ che Ausrüstung dazu : und ob man schon im Fall der Noch, bey obwaltender Gefahr des Todes, um einen Sünder loszusprechen mehr nicht bedarf, als Priester zu seyn, so würde doch jede Losspre¬ chung äusser diesem Fall in einer Diözes, woselbst man die Erlaubnis loszusprechen nicht erhalten hat, ein schandbares Attentat für den Priester seyn, weil der Sünder in der Sach selbst nicht losgespro¬ chen wäre. Seelsorger von benachbarten Diözesen haben es zur Gewohnheit gemacht, einander gleich¬ sam die Gerichtsbarkeit zu subdelegiren/ wenn Leute von einer Pfarre zur andern kommen, um daselbst ihre Beicht abzulegen, oder wenn in Manchem Kon¬ kurs mehrere Mitarbeiter von verschiedenen Kirchen- sprengeln zusammtreffen. Die Bischöfe wissen das, und, indem dieser Gebrauch gewissermassen unent¬ behrlich ist, geben sie ihren Beyfall dazu, wiewohl ich immer wünschte , daß diese Sache in engern Schranken blieb. Daß man , um im Beichtstuhl seine Pflicht nicht zu verlassen, oder von seiner Geschicklichkeit nicht verlassen zu werden, kein Feind der Lektüre seyn dürfe , ist so offenbar, daß man gar keines Beweises bedarf. Beichthören ist die importantste Sache von der Welt: und diejenigen, die sich da- bey keinen Schwierigkeiten ausgesetzt zu seyn rüh¬ men LOH men , sind Charlatane von der ersten Klaß, die wie ein übelberathener Arzr sich mit Kuriren groß machen, aber über die Tausende, mit denen si-e die Kirchhöfe füllen, keinen Katalog führen. Der Seelsorger, der sich rühmt, an einem Tag so viele Hunderte losgesprochen zu haben, weiß nicht, daß er sich vor den Augen deH geprüftem Kenners brandmarkt. Bereitwillig muß der Seelsorger allerdings seyn, wenn die Leute zur Beicht kommen; denn er ist darum da, daß er seiner Gemeinde in chen Bedürfnissen dienet. Ihr Gewissen ist das Buch , das er nicht Zuschlägen soll, wenn man bittet dar¬ aus zu lesen. Aber hüten Sie sich vor gewissen Leuten, die pur pluilir zur Beicht gehen , hie kei¬ ne andere Gelegenheit mit dem Pfarrer zu spre¬ chen ergreifen wollen, als diejenige, die sich im heiligen Gerichtsstuhl darbietet! Eine Beicht, die bey andern Absichten als Nebensache da steht, kann nur eine verhunzte Vorbereitung haben. Der Grund wahrer Andacht, und die Beruhigung der Seele liegt nicht in einem übereilten Oftbeichten. Andere Verhältnisse müssen in dem Beichtstuhl keinen Eingang haben. Hier muß nur das, was zum Sakrament gehört, Platz greifen, lknparthei- lichkeit muß den Marm beleben, der anstatt Got- -es zu Gericht sizr. Man muß also im Beicht¬ stuhl das menschliche Ansehen aufgcben, keiner Lei¬ denschaft und keinem Nanz schmeicheln. Alle Klas¬ sen der Menschen müssen hier gleich feyn. Der Beichtstuhl darf kein Tummelplatz oder unftrs Ei¬ gennutzes, oder unserer Eitclketten werden, am min¬ desten soll er zur Gelegenheit diene», Verbindun¬ gen / L0Z gen und Bekanntschaften zu machen , die nach der Hand oder unserm Rns, öder unserer Ruhe nach¬ theilig werden können. Ich werde ihnen nicht erst sagen dürfen, daß die Lossprechung eines Gehilfen Key der Gattung von Sünden, die zum sechsten Gebot gehören, un- giltig seye, denn die geistlichen Rathsversammlun¬ gen wachen zu sehr darüber, daß den Seelsorgern diese Wissenschaft nicht ausgehe: und es giebtz Gründe dazu. Mit der Anklage des Priesters, der unter dem Deckmantel des Beichtstuhls Jemanden zu Ungebührlichkeiten gereizt hat, ist es allerdings eine schwere Angelegenheit; denn einen Menschen um seinen guten Ruf bey der Stelle, wo er am besten angesehen zu ftyn wünscht , zu bringen, ist in der Thar keine Kleinigkeit, und wenn matt vor- ausseht, daß die sogestaltig gereizte Person die er¬ ste Pflicht hat, die Anklage zu führen, und daß die Anreizung Folgen gehabt hat, was heißt dieß anders, als eine Person zu obligiren, daß sie in der Versammlung des Konsistoriums die Anklägerin fremder und eigener Schande werden muß? Ich weis es wohl, daß man in dergleichen Fallen be¬ hauptet, das Beichtkind habe Vie Pflicht, im Falt es den Klager nicht selbst spielen will, dem Beicht¬ vater die Wissenschaft aus der Beicht zum Gebrauch zu überlassen. Inzwischen wer weis es nicht, daß man nach menschlichen Kräften trachten soll - alle Falle sorgfältig zu vermeiden, wo man in die Noth- wLttdigkeit verseht wird, den Gebrauch dieser Wis¬ senschaft auf sich zu nehmen; dann man betrachte die Sache , wie man well, so wird die Beicht da¬ durch in den Augen der Schuldigen wenigst er¬ schweret, indem sie sich in der fatalen Nothwendig* kcik 2O6 !--— .-..'.S B keit sehen, durch die Deicht, oder in der Person der Pönitentin, oder des Beichthörenden verrathen zu werden. M s dicß will ich lediglich gesagt ha¬ ben , um zu zeigen, welche Strengheit sich in die¬ ser Kirchenordnung sinde. Wenn ich auf der an¬ dern Seite die Grösse des Lasters an dem Priester übersehe, dem nichts zu heilig ist, wenn es der Sättigung seiner Wollustliebe behagt, kann ich den Stuhl zu Rom nicht verdenken, wenn er zu Ver¬ hütung dieses Brandes brennt und schneidet. Da ich hier eben von dem Sigill der Beicht schon Meldung gemacht habe, will ich damit auch auf der Stelle fertig werden. Das Stillschweigen über das, was man im Sakrament der Buß ver¬ nommen hat, gründet sich so sehr im Recht der Natur, daß alle menschliche Gebote, die uns dazu auffordcrn, überflüssig scheinen. Es scheint auch die göttliche Vorsichtigkeit über die Beobachtung dieser Pflicht besonders zu wachen, um das Sakra¬ ment in Ehren zu erhalten. Bey so vielen Gat¬ tungen von Ausschweifung, die gewissenlose Prie¬ ster begehen , wird man vielleicht keine, oder doch gewiß so seltsame Fakta von Verratherey aufwei¬ sen können, daß es sich der Mühe nicht lohnt, davon zu reden. Unbescheidenheiten in diesem Stü¬ cke sind doch nicht ganz zu laugnen. Es giebt Seelsorger, die manchmal zu laut mit ihren Beicht¬ kindern zu Werk gehen. Man hört zwar die ei- gcutlichcn Materien nicht, über die der sanftmü- thige Hirt sein Schäfchen brntalisirt. Aber es giebt doch eine Heftigkeit, die man merkt, und blödsinnige Leute kommen in Versuchung zu glau- gcn, daß der Priester an dieser Statte nicht un¬ gehobelt ftyn werde: und daß es also kein Lärmen um ---E-Stz 207 UM nichts, und wider nichts seye. Lassen Sie uns jetzt in däs innere Heiligrhum des Sakraments treuen , nachdem ich bis hieher nur an der Ober¬ fläche herumirrte » Was ist hier die eigentliche Pflicht des Seelsorgers? Er muß Richter, Leh¬ rer , und Arzt seyn. Nach diesen Aussichten muß man ihn behandeln. Als Richter muß er den Zustand seines Schuldigen erkennen. Diese Erkenntniß hat kei¬ nen unermessenen Last von Beschwerlichkeiten. Man darf sich nur im Katalog menschlicher Handlungen, und in den Grundregeln der Moral jemal umge¬ sehen haben, so wird es, ohne sich den Kopf vor Nachdenken auszütröcknen, eine leichte Kunst seyn zu bestimmen, welche Abweichungen vom Gesetz ihrer Natur nach grosse oder kleine Sünden scyen. Gleich wie aber eine Handlung, die vermög ih¬ rem nativen Abstand vom Gesetz zur Klaß der schweren Sünden gehört, eben darum, weil sie es in den Augen des Pönitenten keineswegs war, oder weil demselben zur Zeit, da er handelte, vollkommene Ulbersicht und Freyheit mangelte, in eine kleine Sünde verändert wird, also gehört zu dem Maßstab, nach welchen der Seelsorger den Grad des Verbrechens bestimmt, wesentlicher Wei¬ ft die Untersuchung des BewußrseynS, das dem Pönitenten zur Zeit der Handlung beywohnte. Es ist indessen möglich, daß man selbst mit der ErforschnnH des BewußrseynS von dem Sünder noch nicht mit moralischer Gewißheit bestimmen kann, ob ihm bey der Handlung so viel Uiberle- gung, so viel Freyheit, als zu einer schweren Sünde unenthehrlich ist, eigen gewesen seye. In solchen Fallen giebt mm dir übrige Conduite des rog LNE— Pönitenten mehr oder weniger Behelfe zur mora¬ lischen Gewißheit, daß er schwer oder nicht schwer gesündigt habe, je nachdem er zu schweren Verbre¬ chen aufgelegt, oder minder in seiner gewöhnli¬ chen Aufführung aufgelegt zu seyn pflegt. Da es endlich weder die Fähigkeit, weder die Pflicht des Hirtens mit sich bringt, Herzen und Nieren zu prüfen, kann man und muß es ost in einem zwei» felhaften Fall bei) dem Zweifel selbst bewenden jassen; denn so, wie der Pönitent seiner Pflicht genugthut, wenn er den zweifelhaften Fall als zweifelhaft vor das heilige Gericht bringt, kann es auch dem Seelsorger nicht zur Last fallen, wenn er verhindert ist, mehr Gewißheit in seiner Erkennt- niß zu . schöpfen, als die Umstande an die Hand ge¬ ben. Es ereignet sich am Lande nicht selten, daß man Leute von schwerem Gehirne in die Wasch bekömmt, hie die Fertigkeit nicht besitzen; manchmal unbesonnen Verschämte, die die Starke nicht haben, sieh gehörig anzuklagen. Man muß beyden Theilen forrhelfen, wenn man sieht, daß die Anklage zurückhaltend oder unbestimmt ist; denn nach der Vorschrift der . allge¬ meinen Versammlung zu Trient muß die Beicht vollständig sehn ; vollständig an der Gattung, v,oll- siändtg an der Zahl. Man muß aber in Absicht auf das Leztere die Deicht nicht zur Tortur machest, lind die Sünden für alle Fälle mit einer Eme¬ tischen Genaüigkeit festsehcn, die manchmal unmög¬ lich so einzuleiten ist, daß der Pönitent sich nicht seblst täuschen, und zu viel oder zu wenig bestim¬ men soll. Ist es aber nun schon einmal die Schul¬ digkeit , manchmal Fragen an die Pönitenten zu stellen, so frage man sie nicht zur Unzeit, da sie eben in ihrem Bekenntniß begriffen sind! Schüch¬ terne werden auf solche Art in Verwirrung ge- . Lracht. 209 bracht. Man frage nicht mit Unbehutsamkeit! Der Richter muß seine Partheyen nicht im Laster unterweisen. So bald es bey dem Sünder auf das gemeine Sprichwort kömmt, Praxis sst mul- riplex; so bald es auf oie Art und Weise ankömmt, mit der man eine Sünv verschiedentlich begehen kann, mag der Scelenrichter zusehen, wie er es herausbringt, ohne sein Beichtkind mit einer neuen Manipulation bekannt zu Machen, die seiner Zeit angewandt werden dürfte. Wenn Sie es 'nicht selbst schott erfahren haben, so kann ich es Ihnen nicht bergen, daß ich diesfalls oft bis zu Vergiessung des Schweifes in Verlegenheit war. Es haben mir manchmal unschuldige Kinder die ungcheurcsten Sünden gebeichtet« Es mußte ein Meisterstück in der Untersuchung Vorgehen, um endlich, ohne den Kindern über die Werke der Finsterniß die Augen zu öffnen, die Kleinigkeit herauszubringen, der sie den Namen des abscheulichsten Lüsters gaben Nach erkannter Sünde folgt bey deM Richter die Noth- wendigkeft , sich zu dezidirett, ob der Schuldige loszusprechett, oder nicht loszusprechen seye. Die Versagung oder auch der Aufschub der Absolution ist in den Augen eines Gläubigen keine Kleinigkeit, von Seiten des Priesters aber eine schreyende Un¬ gerechtigkeit , wenn Man mit dem Pönitenten ohne zureichenden Grund sogestaltig prozedrrt. In kei¬ nem Dinge Muß Man nach meiner Meinung die beyden Ertremen, zu viel Scharfe, zu viel Gelin¬ digkeit so sehr vermeiden, als hier, weil Man un¬ möglich bestimmen kann, welches von beyden die Mutter Mehrerer und grösserer Mißgeburten seye. Von der einen Seite droht die zu leicht gebahnte Strasse Freyheit, Ausgelassenheit, und Aufenthalt in der Gewohnheit. Von der andern Seite süh- O ren Lio ren die felsenartigen Bußsteige, wo jeder Schritt erschwert wird, Haß gegen die Heilmittel, und Verzweiflung. Wo also jemal, so ist man hier be¬ rechtigt einem Mittelweg nachzuspühren, wo weder Zu viel, weder zu wenig geschieht. Ich werde Ih¬ nen die Grundsätze, so wie sie in meinem Herzen sind, entwerfen; jene Grundsätze, nach welchen ich mich zu Ertheilung oder Nichtertheilung der Los¬ sprechung bestimme. Ich habe diesfalls niemal in die Hande eines Meisters geschworen: aber ich habe Regeln aus bewahrten Schriftstellern gesam¬ melt , je, nachdem mir mein Herz sagte, daß ich reine lichte Wahrheit fand. 1. Die Ertheilung oder Nichtertheilung der Lossprechung muß die Folge von der Verfassung des Pönitentm seyn. Es ist keine Sunde der Welt, die nicht ausgestrichen werden könne, wo der Sün¬ der in jener Lage steht, die die Gerechtigkeit Got¬ tes von ihm erwartet. Priester würden Ba starten der Novatianer seyn, wenn sie in dem Sündenka- lender gewisse Verbrechen mir rothen Buchstaben geschrieben hätten , die in ihren Augen an und für sich der Verzeihung unwürdig schienen. 2. Eine nach Menschenkraften sicher glaub¬ würdige Hoffnung, daß ich die Lugend, und die Seelenruh des Pönitenten befriedige und verstärke, verleitet mied allzeit zur Lossprechung. So oft ich gründlich fürchten muß, dem Lasier zu schmeicheln, der Seele eine falsche Sicherheit zu verschaffen, spreche ich nicht los, und soll ich mein Todesurtheil unterschreiben müssen. Z. 21L Die Zeichen der Reue sind das erste Merkt des Sünders , nach welchem ich ihn beurtheile- Schon aus seinen: Vortrag erforsche ich seinen Ge- müthskarakter, die Trockenheit, mit der er alle möglichen Schandthaten erzählt, die offene Stirne, die Frechheit seiner Ausdrücke, die Gleichgültig¬ keit , die mir an ihm viel besser einen Geschicht¬ schreiber, als den Ankläger seiner selbst zeigt, macht mich gegen seine Rührung mißtrauisch ; nicht mehr als mißtrauisch; denn es giebt Menschen, die sehr geradezu sprechen, die einen steifen Karakter haben, die im Ausdruck der Freude so, wie des Schmer¬ zens lakonisch sind, die mit einem starren Tiefsinn/ der ordentliche Unempfindlichkeit zu seyn scheint, bey dem größten Unfall dasitzen, wenn ihnen auch der Gramm wie eine fressende Hyene im Herzen wühl!. Zn der Uiberzeugung, daß gegenwärtiger Pönitent zur Klaß solcher Menschen gehören könne, erwarte ich ruhig das End seiner.Anklage, und harre auf den eigentlichen .Ausdruck seiner Reue, die er mir zu verstehen giebt. Menschlicher Weise kaim Man . in dem ,Augenblick, wo der Pönitent sicher weiß , daß er mit seiner Verstellung, mit ei¬ nem affektieren Schmerzen nur sich Und mich, nicht aber den Allwissenden betrügt , nicht vcrmuthen, baß die Reue nicht ernsthaft sepe, wenn sie herz¬ lich scheint. Wiewohl. die Thranen manchmal blyffe Wir¬ kungen der Weichherzigkeit, oder der natürlichen Schande sind, so geben sic doch / wenn die übrige Gcmüchsbcschaffenheit des Sünders keinen Wider¬ spruch an sich hat , Bürgen der Reue ab; und dieß besonders dazumal, wenn das Beichtkind von dein Laster, mit welchem es sonst nicht im Bind- Q L niß 212 .'-E-AV niß lebte , überrascht worden ist: nm dürsten in solchen Gelegenheiten kurze Versuche, ob nicht etwa lediglich der Verlust des guten Rufs hier im Spiel scye, nicht überflüssig werden. Hier tritt also der Seelsorger als Lehrer auf, und schildert dem Beichtkind seinen Zustand nach der allgemeinen Grundlage der schweren Laster über¬ haupt , nach der individuellen Bösartigkeit, und den Folgen dieses oder jenes Lasters. Er steigt von einem Beweggrund der Reue zum andern hin¬ auf, und trachtet die sinnlicher« anfangs , die geistiger« spater anzubringen, damit er der Schwach¬ heit aufhclfe. Er sucht bey dem Beweggrund, der sich auf die Liebenswürdigkeit eines belerdigren Got¬ tes stützt, sich zu erhalten, und das Herz in das Feuer zu bringen. Er beobachtet Schritt für Schritt dre Regungen des Sünders, stellt ihm unter der Lehre manchmal eine kurze Frage zum Bekenntnis seiner Empfindung, und schöpft aus der Antwort und aus ihrer Einkleidung das Urrheil über die Gemüthsverfassung und den Grad der Reue, das ihn selten betrügen kann. s. Schwerer sind allerdings die Vorsatze, nicht wieder zu sündigen als richtig anzunehmen, wenn sie auch dem Anschein nach warm sind; denn es ist bequemer, über erkannte Sünden zu weinen, als sich mit der Gewalt zu behandeln, die unentbehr¬ lich ist, um künftigen Versuchungen zu wiederste¬ hen. Ist es allem Anbetracht nach ein seltener Fall, daß mein Pönitent diese oder jene schwere Sünde begierig, so erweckt bey mir sein theures Verspre¬ chen , daß er diesen Handlungen entsagen wolle , gar bald Mitleiden und Vertrauen. Finde ich hin- SI 2IZ hingegen, daß diese Sünden nur eine Fortsetzung eines nicht mehr seltsamen Luderlebens sind, har der Pönitent die sichtbaren Merkmahle eines alten Siechthums, der Gewohnheit an sich; dann sind seine Verheuerungen, die er so oft/chon frucht¬ los gemacht, bey mir an und für sich von gar kei¬ nem Gewicht. Glauben Sie aber nicht , daß ich hiemit schon in der vollkommenen Stimmung bin, ihm die Lossprechung aufzuschieben, oder gar zu versagen. Ich erforsche in ihm die Zauer der Ge¬ wohnheit , die verschiedenen Zeiten , in denen er das Sakrament der Buß suchte; alle die Erin¬ nerungen , die ihm die Seelsorger machten, die Mittel, die man ihm an die Hand gab. Zeigt sich's, daß er in Händen eines Meisters war , der an ihm nicht wie ein Zahnarzt pfuschte, hat er alle Behelfe gehabt, um zu genesen, und hat er die Medizin oder durch das Fenster geschleudert, oder nicht mit der Vorschrift gebraucht, die man ihm gab, so mag er mich mit Vorsätzen erdrü¬ cken: ich werde taub bey seiner Betheurung seyn. Ich werde ihn üb er weisen, daß meine Lossprechung Gift für seinen Zustand seye. Ich werde ihn be¬ scheiden, daß crhingchen, und sich prüfen solle, daß er nach dem fleissigen Gebrauch aller ihm vor¬ geschlagenen Mittel wieherkehren solle, um mich ei¬ nes thatigen Vorsatzes zu versichern. Ich leite ihn nichtsdestoweniger zu einer vollkommenen Reue ein, nm seine Seele auf jeden Fall, so viel als mög¬ lich , zu retten. Finde ich , daß mein verwöhnter Pönitent zwar mit Arzney wider seinen Zustand versehen war, davon auch den Gebrauch machte, und dennoch nicht genas, weil er zu schwach an¬ gegriffen wurde, so verwandelt sich bey mir der Richter in den Arzt, ich verschreibe ihm andere " Q z Mir- ri4 8WEE---ÄV Mittel, dis nicht auf geradewohl heilen, dis sich auf das unverfälschte Dispensatorium der achten Sittenlehre gründen. Hab ich keinen Grund zu zweifeln, ob er diese Mittel anwcndett werde, so getraue ich mich, ihn loszusprechcn, unter der Be- dingniß, daß er in dieser oder jener Zeit zu mir Wiederkehre', oder, falls dieses nicht gesehen könn¬ te , bey einem andern Seelsorger zuspreche, dem er seine'ehmalige Gewohnheit , meine vorgeschlägenen Rettungsmittel, und endlich seine in der Besserung gemachte oder nicht gemachte Vorschritte aufdecktt Ich bin so billig, daß ich Mein andern Seelsor¬ ger zutraue , er werde seine Schuldigkeit nach sei¬ ner Einsicht thun. Nach meinem Urthcil kann ich ritten solchen Pönitenten alsdann sicher loösprechen, wenn er sich merklich gebessert hat. Und was heißt dann ergentlich in Lüsein Fall eine merkli¬ che Besserung ? Es heißt mit den Mitteln, die ich dem Pönitenten vorgeschncben habe, in der näm¬ lichen Zeit, in den nämlichen Gelegenheiten, bey gleich starken Versuchungen ungleich und beträchtlich seltner gefallen seyn; denn in solchen Fallen be¬ trachte ich seine Sünde nicht mehr gls eine Fort¬ setzung seiner Gewohnheiten, sondern als einen ein¬ zelnen Zufall, in den ihn, wie jeden andern Men¬ schen ,' die natürliche Schwachheit verwickelt hat. Eben diese merkliche Besserung crgrciffe ich dann für einen Beweisthum, um ihn zu überführen, daß es ihm , indem er einmal so merkliche Schritte zu¬ rückgemacht hat , endlich möglich seyn werde, sti- ner Gewohnheit vollständig loszuwerden. Ich hab cs aus der Erfahrung, daß ein solider Zuspruch, womit man den Muth durch eigenes Gefühl sei¬ ner bewiesenen Standhaftigkeit einhetzt, vey einem Sünder so viel Tapftrkeit rege macht, als ein > ' Mar- -SZ 2IF Marschall bey feinen Truppen , wenn er sie mit der lebhaften Erinnerung ehemaliger Siege in das Feuer führt. * Ich weiß, daß der Rigorist meine Mani¬ pulation tadeln werde; denn er besteht darauf, daß man keinen Sünder lossprechen könne, er ha¬ be dann wirkliche Besserung werkthatig bewiesen. Thut würdige Früchte der Buß, dieß ist das Sig¬ nal, womit sie mir uns Menschenfreunden den Krieg rröftten. Aber ich fühle keinen Beruf zu zanken: ich will diesen Scharfrichtern nur einige Folgen ihrer Lehre zeigen. Wenn es wahr ist, daß die werkthätige schon wirklich erfolgte Besserung dem Sakrament der Buß wesentlich seye, so wesent¬ lich, daß inan den Sünder ungeachtet aller Vor¬ sätze, die ich für kräftig ansehen muß, vor der Hand nicht lossprechcn könne, so folgt erstlich, daß der Mensch nach einer schweren Sünde niemal alsogleich sich durch das Sakrament reinigen könne, daß Leute, die nach einer schweren Sünde ak- sobald in ein,e Todeskrankhcit fallen, niemal los¬ gesprochen werden können, daß die Leben,sbesse- ruug, die alle klugen Theologen für eine Folge des Sakraments halten, eine Prämisse zur Losspre¬ chung werde, sich selbst vorgehen, und nachfolgen muffe; daß Treu und Glauben im Beichtstuhl auf¬ hören, und jeder Mensch, der mir auch die red¬ lichsten Versicherungen giebt, für einen Schurken angesehen werden müsse, dem nicht zu trauen ist. Welche Absurditäten! — Aeuffevt sich hingegen nach allen möglichen Behelfen keine', oder doch keine merkliche Besse¬ rung, so setze ich mich auf den Grundsatz fest, Q 4 den ti6 den verwöhnten Unglücklichen so lang nicht loszu- sprechen, bis er zurück kömmt. Ist mein Pönitent in dem Fall, daß eine nächste Gelegenheit sein Stein des Anstosses wird, und hat er auf mein oder eines andern Priesters Ermahnung diese Ge¬ legenheit nicht verlassen, oder wenigstens nicht ge¬ macht , daß die Verhältnisse aufhörten, in denen diese Gelegenheit die nächste ward, so wird er meiner Lossprechung eher nicht cheilhaftig, dis er dießfalls alle nöchigen Vorkehrungen ergreift. Eben so benehme ich mich mit demjenigen, der mit der Obliegenheit ein fremdes Gur zurück zu geben be¬ haftet ist. Hat er fern schon einigemal gemachtes Versprechen nicht gehalten, wie wohl cr's konnte, so zeige ich ihm tharig, daß das Lösegcld, wofür er meine Lossprechung erhält, kein eitles Verspre¬ chen , sondern lediglich die Erfüllung seiner ehmal betrüg-erischen Verheissung sehe. Was sonst noch in der Eigenschaft des Seel¬ sorgers , als Lehrer, Rechter und Arzt mgt, will ich ln das Kurze zufammziehen. Der Lehrer muß oft gute Räche erthcilen, wie diese oder jene Schuloigreit in Ausübung zu bringen sche. Die Fälle können oft so verworren ftyn, daß sie der Seelsorger unmöglich auf der Stelle dezidiren mag. Ich bin nicht der Meinung, daß der Fall sich ost ereigne. Aber wenn er sich schon ereignet, ist es für den Seelsorger und den Pönitenten Vorth ei lh aster , den Rath auf einander- ma! zu verlegen, als mit einem seichten O.uid- xroquo sich und seinen Klienten der Gefahr eines groben Irrchumß auszusetzen. Der Der Arzt muß, wie ich schon wiederhohlter- malen sagte, kernhafte zuverlässige Mittel vor¬ schreiben. Dann aber sind diese Mittel kernhaft und zuverlässig, wenn sie sich so wohl im Ver- haltniß mit der Sünde, als in Rücksicht der Fä¬ higkeiten und des Standes des Pönitenten vorzüg¬ lich herausnehmcn ; dann sind sie's, wenn man ihre Bewährtheit aus lautern Quellen geschöpft hat. Schwärmerische Vorschläge taugen nichts. Allgemeine Mittel sind wie die berussenen Arkana der Quacksalber. Man muß den Gang der Leiden¬ schaften kennen, und ihm am Wege mit dem an¬ passenden Gegengift begegnen. Die regcimassige Arzney liefert durchdachte rsicht solche Mittel, die, wenn sie nicht helfen, auch nicht schaden. Daran genügt es lediglich dem interessieren Charlatan, der sich damit zu trösten im Stand ist/ daß der Kran¬ ke, wenn er gestorben ist, nicht ohne Rezept und folglich methodisch seinen Geist anfgegeben hat. Dazu, lieber Freund, gehört Lektüre'und Men¬ schenkenntnis Beyde werden ohne Anwendung nicht erworben. Jede Anwendung fordert Unver¬ drossenheit, Kann aber wohl für denjenigen, der über theuer erkaufte Seelen Rechenschaft zu geben hat, kann für denjenigen eine Forderung zu stark seyn? Den Richter trift endlich die Pflicht dem Sünder zur einsweiligen Genugthuung ein Buß- werk aufzulegcn. Ich bin der Meinung/ daß in diesem Stück sehr viele und sehr erhebliche Ab¬ weichungen von Recht und Billigkeit geschehen. Das Bnßwcrk muß der Absicht des Sakraments entsprechen, und diese Absicht beruht darauf, daß der Sünder durch das Bnßwcrk in dem Absehen Q s vor 218 NtzEE-k-SZ Vse der Gand, und in seinem Vorhaben sie nicht mehr Zu begehen, bestärkt werde: kurz di; Strafe muß größtentheiltz zugleich Arzney werden. Ich hoffe, Sie verstehen mich. Schon der Tridenti- msche Kirchenrath hat den Priestern die Lehre ge¬ geben, daß sie das Schrammt der Buß nicht zum Kinderspiel machen sollen, indem sie die Pönitenten für die größten Sünden mit einigen Paternostern abfertigen. Wer die alten Kirchenbusscn bey einem Allexander Natalis liest , und die Manipulation heuriger Beichtvater betrachtet, die ihre Sünder so gelind behandeln, soll geradzu in Versuchung kommen zu denken, daß die Sünde heut zu Tage weniger Sünde scye. Jene Menschen, denen für eine empfangene grosse Beleidigung mit einem kur¬ zen Complmente gewiß keine Genugthung geschä¬ he , sind unendlichmal freigebiger gegen den belei¬ digenden Menschen als gegen Gott, in dessen Ra¬ inen sie die Genugthung bestimmen. Ich weis es, daß die Genugthuung, wäre sie auch noch so groß, gegen die Hochheit des beleidigten Gottes, allemal einen unübersehbaren Abstand leidet: aber es muß doch gewissermaßen sedes Ding auf der Welt ver¬ hältnismässig sehn. Geyu das Bußwerk, daß der Priester auflegt, Strafe oder Arzney , ' oder Ge- nugthuung, so fordert schon die natürliche Propor¬ tion aller Dinge, daß cs bey Kleinigkeiten klein, bey grossen Fehlern grösser seye. Dieß mir will ich noch anmerken, daß eine ausserordentliche Rc-ue den Priester veranlassen dürfte, die Buß zu mil¬ dern, da die Zerknirschung des Herzens die eigent¬ liche , die wesentliche Genugthuung für die Sünde schon an sich selbst ist. Allein dicß sind eben die Menschen, denen mir der Milderung der Buß am wenigsten gedient wäre. Sie würden ihr Blut berqeberr, wenn sie die sündhafte Handlung zu- rücknchmen könnten. Was kann solchen Menschen zu viel seyn? Ich weiß nicht, lieber Freund, was es ist, daß ich bey jeder Gelegenheit Ihnen meine Pra¬ xis aufdringen will. Stolz ist es gewis nicht. Am wenigsten werde ich irren, wenn ich glaube, daß Ihr Vertrauen zu mir, von dem Sie mir so viele Proben geben, mich dazu berechtigt. In der Verordnung meiner Bußübungen be¬ nehme ich mich folgendermassen: Für kleine Sün¬ den schreibe ich oder ein kurzes Gebet, oder, was am öftesten geschieht, die Bemühung, die drey göttlichen Tugenden zu üben vor. Ich weiß gar nicht, wie einige Priester dahingekommen sind, den Pönitenten zur Bußübung vorzuschreiben, daß derselbe jenes Gebet verrichte, das zu Erlangung des Ablasses am nämlichen Tag vorgesthrieben wird.' Man muß aus zwo Pflichten nicht eine machen. Der Ablaß wird ohne Erfüllung des Bedingnisscs nicht erhalten, und das Sakrament der Buß bleibt ohne Genugthuung unvollkommen. Weder dem Geist des Evangels, noch dem Sinn der Kirche ent¬ spricht diese Qekonomiel Für grössere Sünden ver¬ ordne ich sehr selten ein Gebet auf einmal, son¬ dern nach dem Verhältniß des Sündenzustandes das Geber auf längere Zeiten, und größtentheils en Compagnie mit einer andern Handlung, die jener Leidenschaft, die meinen Sünder gestürzt hat, einen Lorr anrhüt. Bußübungen,, die den Buffer der Gefahr ausfetzen könnten , nach seiner wahren Gestalt vcrrathen zu werden, verordne ich niemai- auch bin ich Hin Freund von lang anhaltenden Buß- 220 AL---!!-— Bußübungen, weil mir mit Erkaltungen des Geists bey meinen Bussern nicht geholfen ist. Kurz ich bemühe mich nach der Vorschrift des Konziliums zu Trient, meinen Beichtkindern, je nachdem mir es mein Eifer und meine Bescheidenheit rath, nach der Lage der Sünden, und nach der Fähig¬ keit meiner Klienten heilsame und angemessene Ge- migthuung anzubefchien. Leben Sie wohl mein Bester und bitten Sie Gott um die Gnade, daß Eie sich im Beichtstuhl so betragen, damit er für Ihre Beichtkinder keine Schlachtbank, für Sie aber kein Gerichrßhaus seye, wo der Subalterne des höchsten Priesters sich prostituirt! Ich bin rc. Sieben und dreyßigster Brief. ?l. A. zu S. P. an I. S. G. P. am 2Z. Aug. 1785. Mein Beßrer :c. 1 I »möglich konnte ich in meinem letzten Schrci- ben alles von dem Sakrament der Buß fo berichtigt haben, daß nicht noch ein Bündel An¬ merkungen zum' Nachtrag übrigen sollten- Vor allen andern Dingen muß ich Ihnen meine Philosophie besser erläutern, mir der ich, wie Sie wohl aus meinen Briefen wiederholtcr- malen sahen, wider alle Konkurse eingenommen bin. Sicher ist, daß der Mensch, der die Gna¬ de de des Sakraments der Buß erlangen will, sollte er auch nichts, als geringe Sunden in seinem Dusen finden, eben so, wie der größte Sünder mit einer übernatürlichen Reue und mit einem fe¬ sten Vorsatz vorbereitet senn muß : denn ausserdem kann ich ihn nicht lossprcchcn; und von mir los- gesprochen begeht er einen Gottesraub, dessen ich, wenn ich von ihm nicht unschuldiger Weise be¬ trogen bin, theilhaftig werde. Meinen Sie nun wohl lieber Freund, daß eß eine solche Leichtig¬ keit seye, sich wegen geringen Fehlern so oft und widerholtermalen gehörig vorzubcreiten? Gewiß meinen Sie dieß nicht. Sie sind mit mir einverstanden, daß Viele vermög ihrer tägli¬ chen Gebrechen (denn auch der Weise fallt des Tags siebenmal) würdig waren, zum Tisch des Herrn zu gehen; die aber, weil sie sich vor der Hand in den Beichtstuhl wagen, ohne gesetzmässig vorbereitet zu seyn, sich der Kommunion durch ei¬ ne ungiltige Beicht, der sowohl Reue als Vorsatz mangelt, unwürdig gemacht haben. Ich will nicht sagen, daß diejenigen, welche uns kleine Sünden in den Beichtstuhl bringen, und von denen sie sich niemals loswickeln, niemal bessern, mit denen sie allemal wieder zurück kommen, folglich in der Gewohnheit dieser kleinen Sünden sind, eben so als muthwillige Sünder betrachtet werden müssen, wie diejenigen , die die Gewohnheiten grosser La¬ ster in Beschlag genommen haben; denn in Absicht auf kleine Gebrechen ist unsere Schwachheit viel grösser. Inzwischen seye die Sünde, die du mir beichtest, so klein, als sie will, so hast du ohne kräftigen Vorsatz kein Recht auf meine Lossprechung und wie kann ich von dir urtheilen, daß du mit 2 2L einem kräftigen Vorsatz ausgerüstet bist, lvenn du mir immer in der alten Gestalt erscheinst? — Gehen Sie lieber Freund l Es ist nicht so viel Jansenismus an der Kirchenzucht der benachbarten Diözes, wo so selten losgesprochen wird, als man obenhin glauben könnte. Ich bin aber doch nicht der Meinung, daß man jemal im Fall seye, ei¬ nen Menschen nicht lossprechen zu können, der mir mit kleinen Sünden kömmt. Die kleinen Sünden sind kein nothwendiger Gegenstand der Beicht. Ich kann jene beichten, diese verschweigen. Ich kann über jene eine Reue machen, weil sie oder freiwilliger waren, oder wider alle meine sonstigen Maßregln Mich überraschten, ohne daß ich eben andere mei¬ ner Reue unterwerfe. Ich kann alfo ebenfalls über diese oder jene kleine Sünde vorzüglich einen Vorsatz machen, der kräftig genug seyn soll, ungeachtet ich vorsche, daß ich andern kleinen Gchwachheitssünden unterliegen werde; denn nur- was die schweren Sünden betriff die mich, wenn mein Affekt von ihnen nicht ganz gereinigt ist^ von der Gnade trennen, muß der Vorsatz allge¬ mein seyn. Sind es also kleine Sünden, in die der Pönitent nicht allemal fallt, so oft er versucht wird , in die er nur selten freywillig fallt, in die er seit seiner letzten Beicht weniger gefallen ist, für die ich ihm neuere Mittel vorschreiben kann, die er anzuwenden verspricht , warum soll ich ihn nicht lossprechen? Zweifle ich, ob er ge¬ rade von der kleinen Sünde, die er nur beichtet, und sich bis nun gar nicht gebessert hat/ genug gerührt, genug wider sie mit einem Vorsatz be- wafnet seye, kann ich rhn nicht einleiten, daß er mir andere kleine Sünden beichte, wobey seine Gemüthsverfassrmg mir weniger zweydmtig West L-2Z MN wird ; kann ich ihn nicht einlerten, daß ex mir sogar eine oder die andere schwere Sünde, die er in seinem Leben begangen hat, vorlegr, über dir er ieicht in Bewegung und Reue, kurz in die gehörige Lage zu bringen ist, um ihn ohne Üsefahr losgesprochen zu haben? Sehen Sie ! so viel kann man thun, wenn man will. Und so leicht kann man in blatte Feh¬ ler fallen, wenn man das Sakrament nicht mir der äussersten Wichtigkeit behandelt. Der Minister der Buß soll und darf kein Taschenspieler seyn, der mit Hilfe der Geschwindigkeit sein Meisterstück macht- Man kann seine Beichtkinder in kein Schwihbaad werfen, aber man soll auch nicht mit Hudeleyen alles über den Kopf auswerfen. Durch¬ dacht müssen die Grundsätze seyn , nach welchen man jeden Pönitenten in seiner Art behandelt. Um nicht zu viel und nicht zu wenig zu thnn, braucht es Ernst und Bescheidenheit. Beyde erfor¬ dern Zeit. Ich habe ihnen in meinem vorigen Schreiben gesagt, daß der Priester als Lehrer, um seinen Pönitenten zur Empfindung zu befördern, selbem seinen Zustand nach der Grundlage der schweren Sünden überhaupt , und nach der individuellen Bösartigkeit dieses oder jenes Lasters insbesondere schildern solle. Hier muß ich allo nothwendig bes¬ ser ins Detail gehen, um eine so wichtige Sache nicht obenhin gesagt zu haben. Das Mitleid mit seinem eigenen Elend ent¬ springt sicher verhältnismässig aus der mehrer» oder wenigem Erkenntnis der Mel, denen man uu- unterliegt. Die Schilderung, die man also seinen Pönitenten über ihren Zustand giebt, muß warm seyn. Sie muß, wie ich schon am angeregten Ort sagte, gradweis steigen, vom Kleinern zum Grös¬ ser» , zum Behuf der menschlichen Sinnlichkeit. Uioerhaupt also muß ich dem grossen Sünder vor- stcllen, wie thorrecht seine eigene Vernachlässigung seye, indem er sich aus der Zahl der Kinder Got¬ tes losrcißt, und ein Knecht des unerbittlichsten seiner Feinde, em Leibeigener des Leusels wird; der Glaube lehre einmal/ daß es in der Ewigkeit und durch die ganze Ewigkeit Strafen für die Un bußfertigen gebe, aus welchen man keine Rettung hoffen dürfe; wir könnten nicht einmal den Ge¬ danken richtig ertragen, aus unserer Fahrlässigkeit ein bedeutendes zeitliches Glück versäumt zu ha¬ ben, wie würden wir alsdann der unsinnigsten Ver¬ zweiflung unterliegen, wenn uns der niemal be¬ ruhigte Gewissenswurm ohne Ende vorwerfen wür¬ de : Du hast um Nichts und wider Nichts deine ewige Secligkeit verscherzt, die du sehr oft, und um viel geringere Mühe hattest erkaufen können, als wirklich die war, die du dir gabst, um ewig verdammt zu werden; ob es sich der Mühe lohne, um einen ungerechten Gewinn, um eine augenblick¬ liche Wollust, alles, was Gnade heißt, zu ver¬ schleudern, und alles, was Strafe genannt werden kann, über seinen Kopf zu ziehen? Von diesem Bild reißt man sich mit einer Wendung los, die gerade die Dankbarkeit berührt, die der Mensch seinem Gott für so viele zeitliche als ewige Wohlthaten schuldig ist. Man schildert hier die Güte Gottes von der Erschaffung bis zur Erlösung. Man zeigt dem Sünder das Merkmal der L2Z der Grösse einer einzigen Todsünd am Kreuz Jesu Christi. Man erhebt die Barmherzigkeit des All¬ mächtigen durch die eigene Erfahrung des Sün¬ ders, der es nicht laugnen kann, wie ost er in seinem SÜlldcnprotökoU die Lücke findet, wo dct ewigi Richter den Sentenz von ewiger Verfassung mit Recht hatte niederschreiben können, wenn die Lang- rnnth des Liebevollen den Streich nicht aufgehalten hatte» Alsdann erst kömmt man ," wie ich am ange¬ regten Ort zeigte, an die Grösse der Eigenschaf¬ ten Gottes an und für sich, und zieht sich Mü¬ he , durch Erweckung einet unmtcreffirken Liebe die Reue auf den Grad der Vollkommenheit zu brin¬ gen. Gleichnisse thün hier oft den bestell Dienst» Mau muß die Pönitenten im geheimen Gericht, so, wie die Zuhörer am Predigtstuhl nur in ih¬ rem eigenen Herzen aufiuchcn, wenn man sie rich¬ tig finden will. Ich habe die Meinigen oft mit der Erinnerung an alle die, welche ihnen lieb sind, und die sie sich nicht ohne empfindlichster Reue, als von ihnen beleidigt vorstellen können, sehr weit gebracht. Das Herz verkennt seinen Gott nie, wenn cs durch jene Grundtriebe aus dem Schlaf geweckt wird, derer Keim eben so gewiß in uns liegt, als Uns Gott stur für sich allem erschaffest hat. Ilm für di,e besonder» Sünden besondere Be¬ weggründe .aufzustellen, die den Sünder gegin seine Laster erbittern können, muß man mit der Schrift bekannt seyn, und in den bolen Früchten die Verderblichkeit des Baums zeigen. Die Unbild, hie der Mensch seinem Schöpfer macht, wenn e? P sich 226 sich zum Vieh sauft; die Gefahr eines gähen Todes, dem sich der Betrunkene aussetzt, wenn er jeder Hilfe, sogar seiner eigenen Einsicht beraubt, allen Zufällen auf einsamen Wegen und Stegen unter¬ worfen ist, demüthigt und erschüttert den Trunken- bolt. Die Beyspiele Christi Jesu , der seinen Feinden überall mit Wohlthaten entgegen kam, und der in uns auch den Schatten eines Christen verkennt, wenn wir unversöhnlich sind, greift den Nnfricdlichen tiefer in das Herz, als man oft hof¬ fen kann. Die Nothwendigkeit zurückzustellen, oder zu verderben, treibt den Ungerechten in die Enge, wenn er hört, daß ihn die Liebe eines Sera¬ phs» , ohne Wiederherstellung des verursachten Scha¬ dens von der Verdammniß nicht retten kann. Die Beschwerlichkeit nach so vielfältigen Rückfällen, die mit jeder neuen Sünde zunimmt, und eine in lez- rcn Augenblicken unternommene höchst zweydeutige Duffe schreckt auch den verwöhntesten Wollüstling. Ich darf nicht weitläufiger davon reden. Wer kein Feind vom Lesen ist, wird immer über jedes Ding so viel Vorrath haben, daß es ihm an Zu¬ sprüchen nicht gebrechen kann, um über ein sündi¬ ges Herz Abscheu, Schmerzen und Entschliessungen zu verbreiten. Es bedarf alsdann nut eines vä¬ terlichen Nachdrucks, einer liebvollen bescheidenen Art, solche Znsprüche anzuwendcn, und die Herzen werden lenkbar, wie man fichs wünschen kann. Grobheit taugt an die Stelle gar nicht, wo der gerührte Vater den vcrlohrncn Sohn erwartet. Die Wahrheit selbst, wenn sie mit Sottisen ge¬ kleidet ist, findet kein Gehör, und der verständigste Beicbtvater macht nut Unbescheidenheiten und Un» art sich und seine Beichtkinder zu Narren. Man er- 227 erinnere sich, wie Jesus Christus einem Zachaus, einer Magdalena, einer Ehbrecherinn begegnete, und man wird lernen, Sünder zu behandeln! In der Belehrung der Unwissenden giebt es zwo Hauptregeln. Erkläre keinem mehr, als er zu wissen braucht; denn jeder bedarf nur einer stan- desmassigen Wissenschaft! Wer in einer Unwissen¬ heit lebt, die er überwinden kann und soll, den unterrichte! denn nur dein Unterricht kann ihn vom Verderben retten ! Wenn du überzeugt bist, daß dein Unterricht aus einer unüberwindlichen Unwis¬ senheit einen förmlichen Sünder machen würde, sey behutsam, und bahne dir den Weg vor der Hand zur Folgbarkcit , eh du mit einer raschen Voreiligkeit den Unwissenden ohne Frucht erschüt¬ terst! Die Fälle sind äusserst seltsam, wo du gar schweigen müßtest ! Wer für seine Zweifel Licht begehen, den kannst du ohne Verbrechen nicht in Finsternissen lassen, solltest du auch vorsehen, daß er schwerlich gebessert wird, denn seine Unwissen¬ heit, die überwindlich ist, entschuldigt ihn ohnehin nicht mehr. Die Kleinmüthizen, Skrupulösen, wie man sie sonst nennt, sind die Henkersknechte ihrer selbst, und ihrer Beichtvater. Es ist ihnen aber leichter zu helfen, als man meistens denkt. Hat man ih¬ nen einmal beygebracht, daß es blatte Unmöglich¬ keit seys, allemal zu bestimmen, ob man durch diese Handlung, bey diesem Gedanken schwer oder nicht schwer grsündiget habe, und daß cs vor Gott genug scye, seine Sund als zweifelhaft vor dem Priester zu bekennen, und folgen sie dsisim wohl¬ gemeinten Rath , so sind sie auf allezeit kurirk P 2 Äiuss 228 Ausserdem giebts keine Rettung. Man muß ihnen also das Vorurtheil benehmen, vermög dem sie glauben, daß sic sich zu wenig erklären, daß sie dec Seelsorger vielleicht zu wenig verstanden habe. Man muß ihnen berchringen, daß die Hauptsache der Buß nicht so viel in dem Dckenntniß seiner Sünden, sondern in der Zerknirschung des Herzens bestehe, daß jene Sünden, die man ohne sein Ver¬ schulden, oder gar nicht, oder nicht so, als es seyn mußte, vorgelegt hat , en Compagnie mit andern bey einer wahren Vorbereitung nachgelassen wür¬ den ; daß es Stolz seye, Gewißheit in allen Fal¬ len haben zu wollen, wo menschliche Kräfte nicht zurcichen ; daß sie nicht schuldig waren zu wissen, ob sie hie und dort schwer oder nicht schwer gesün¬ digt haben, wohl aber, dem Seelsorger, blindlings zu gehorchen, daß es nicht ihr, sondern sein Feh¬ ler seyn würde, wenn er ihnen etwas wider besse¬ res Wissen auszureden trachten würde Und so weiter. Leben Sie wohl! Ich bin rc. Acht und dreysigster Brief. I. S. an A, A. zu S- P. M * am 4ten Sept. 1785. Hochwürdiger rc. ^rch habe aus Ihrem vorlezten gütigen Schreiben vollständig? Uiber,Zeugung erhalten, daß sie sich in Ihren Grundsätzen in Absicht auf das Sakra¬ ment SLI ment der Huß den Ton des Mittelwegs zu geben bemühen. Darf ich ihnen aufrichtig meine Mei¬ nung sagen, so glaube ich, daß Ihre Moral noch weit strenger ist, als sie es Ihnen scheint. In Ihrer Manipulation mit deni verwöhnten Sünder, mit dem Sünder in der nächsten Gelegenheit kön¬ nen die Falle, worin» sie, die Menschen ohne Los¬ sprechung entlassen, unmöglich selten sevn. Und dieß , hochwürdiger Herr, hangt eben so wenig mit Ihren anderweitern Grundsätzen, als mit Ih¬ rem guten Herzen zusamm. Aufdiese Art nqmlich können wenige Menschen losgesprochen werden: und eben dieß muß die Beicht zum lästigsten Dinge der Christenheit machen. Ist es denn nicht ein mög¬ licher Fall, daß solche nicht absolvirte Menschen ei¬ nes gahen Todes sterben? Wer hatte sie wohl vor den Riß hingestellr ? Soll dann Christus bey Lukas am 17. umsonst gesprochen haben: Und wen» dein Bruder siebenmal im Tug wi¬ der dich gesündigt hätte, und wieder zu sich gekommen wäre, dir seine Reue be¬ zeigte , so verzeihe ihm Gerechter Gott! Wie vielmal hast du in der Schrift deinen Kin¬ dern die Verheissung gemacht, daß du ihnen in dem Augenblick, da sie ihre Sünde verabscheuen, verzeihen würdest: und deine Priester könnt n sie, wenn sie auch zerknirscht sind: ohne Lossprechung fortschicken? Nur Gott allein durchforscht die Her¬ zen. Warum überlaßt man es nicht ihm, zu ur- thcilen, wie viel Gewicht die Betheurungen des Sünders haben? Verliere ich was dabey , wenn mich der Sün¬ der durch seine Heuchelet) betrügt? M>rne Kräfte erlauben mir nicht weiter zu sehen, als mich sein P z Aus- 2Z2 Auffenwerk führt. Ich bin niche Schuld daran, daß das Sakrament unwirksam bleibt. Der Sün¬ der tragt die Schuld, und ich habe meine Oblie¬ genheit erfüllt. Christus Jesus hat in dem Haus des Simons Magdalenen losgefprochen. Er zeigte, nach welchen Grundsätzen die Sünder losgesprochcn werden müssen. Nicht die schon lange bestehende Besserung leitete ihn dahin ein; denn Magdalena gab sich eben erst den Schwung dazu; denn, Ware thre Besserung bereits berichtigt gewesen, würden die Gaste Simons das Weib nicht für eine Sün- derinn erklärt haben. Ihre Zerknirschung allein war der Rinnsaal, worinn" ihr die Lossprechung des Erlösers zufloß. Diese Gedanken beschäftigten mich gestern Abends, als ich Ihr vorleztes Schreiben am zwcy- tenmale mit Bedachtsamkeit durchgelcftn habe. Nach Ihren Grundsätzen, hochwürdigcr Herr, hatte ich schon mchrmalen im Beichtstuhl meine Schuldigkeit nicht gcthan, an der mir doch unendlich viel ge¬ legen ist. Ich bitte Sie um alles in der Welt um die Auflösung meiner Zweifel , um Ihrer Praxis in Zukunft unaufhaltbar folgen zu können. Ich bin rc. Neun- Neun und dreyßigster Brief. A. Sft zu S. P. an I. S. S. P. am 7. Sept. 785. Mein lieber S s§^o müssen denn auch wirzwee» eine Lanze mitem- ander brechen! Je nun! Ich hätte meynen sollen, meine Grundsätze, in der Art die Sünder zu be¬ handeln, wären soweit vom Rigorisme eütfernt, als mein Herz vom Hang, ohnehin Unglückliche dort zu drücken, wo sie nur Hilfe suchen. Lassen Sie mich Ihre Uibcrlegungen zergliedern! Viel¬ leicht bin ich glücklich genug die Mittel zu zerstreuen, die wider eine Wahrheit im Anzug sind, die bey mir so ausgemacht ist, als sich immer ein wissen¬ schaftlicher Satz erhalten kann. Mit Freuden will ich wider Sie schreiben, weil Ihre Zweifel nicht die Einstreuungen eines Menschen sind, der nicht, um von seiner Meinung abzugchen fragt, indem er keiner Uiberzeugung fä¬ hig seyn will. Gott Lob! Ich war äusserst selten in dem Fall, einen verwöhnten Sünder nicht loszufprechen, weil ich mit meinen Maaßregeln, mit meinen vorge¬ schriebenen Mitteln beyuahe allemal nach dem ersten Versuch glücklich war. Ware ich aber auch in dem Fall gewesen, meine Lossprechung kürzer zn P 4 Hal- LZL hasten, so würde ich es niemal geachtet Haben, wem dadurch die Heuchler und diejenigen , die nicht wohl öey Muthc sind , sich zu bessern ,' meinen Beichtstuhl gemieden hatten. Was gewinnt die Religion, was gewinnt selbst der Büsser, der eben so oft in seine Sünde zu- nückfallt, als er losgcsprochen wird? Muß man, kann man mit Heiligthümerst spielen? Was tragt zur Verminderung der Sunde mehr bey , die ge¬ wisse Lossprechung ohne Auönahm, oder mancher Aufschub derselben ? Sie haben recht mein Herr! Ein solcher nicht Losgefprochencr kann gatz sterben, kan ewig unglückselig seyn. Wer hatte ihn in diesem traurigen Fall vor den Riß gestellt ? Ich? — Da haben sie unrecht. Er selbst tragt die Schuld fernes Verderbens. Hatte ich ihn wohl auch durch meine Lossprechung, die er nicht verdiente, gereftet? Was ich thun kann, wenn ich. in diesem Fall bin, hahe ich Ihnen schon ein andermal gemcldet- Wcnn ich den Sünder wirklich nicht losspreche» weil ich mich praktisch nicht bestimmen kann, daß ich seinem Vorsatz trauen dürft, so werde ich doch alles anwenden / um ihn in den Grad der Zerknirschung zu bringen, in dem ich jeden zu sehen wünsche , den ich losspreche. Heißt dieß den Sünder vor dett Riß hinstellen ? Wohl hat Christus Jesus bcy Luk. am 17. seinen Jüngern befohlen, ihren Brüdern siebenmal die erlittenen Unbilden zu ver¬ zeihen, bey Matth, am 18. heißt es gar, siebenzig siebenmal. Was folgt daraus? War da wohl die Rede vom Sakrament der'Buß? Q lieber Freund! Sic müssest 'als Christ ihrem Bruder verzeihen, wenn er Sie hundertmal beleidigt, ohne Ihnen ein ein¬ ziges MrÄua! /einer Reue votzulegen: werden LZ? Sie daraus auch etwa folgern, daß es zum Mo¬ del dienen muffe, wo von der Lossprechung die Rede ist, die mqn im Namen Christi Jesu cr- theilt, der nur jenes Her; nicht verachtet, das zer¬ knirscht , und verdemüthigt ist? Ja Gott nimmt solche Herzen zur Stunde an, und sollten sie ihn tausendmal beleidigt haben. Aber sie müssen wirk¬ lich zerknirscht, wirklich verdemüthigt seyn, und wirklich den männlich starken Vorsatz haben, ihrem Sündenleben ein Ende zu machen. Kann ich aber, trauter Freund, kann ich denjenigen in dieser Ge- müthsverfassung vermuthcn, der mir nach so vie¬ len Beichten, nach so ost wiederholtem Zutritt zu dem Sakrament die alte Liste seiner Sch'andthaten vorzeigt , aus denen er sein Haupt niemal empor hebt , was ich ihm auch für Behelfe gegeben habe ? Wenn ich es Gott, der die Herzen erforscht, allein überlassen muß, ob der Sünder des Abfo- lutoriums würdig seyc, wozu hatte mich'Christus Jesus zu seinem subalternen Richter gemacht, wozu hatte er mir gesagt: die Sünden desjenigen, dem du sie nachlasscst, sollen nachgelassen seyn, die Sün¬ den desjenigen hingegen, dem du sie nicht nochläßst, sdllen nicht nachgelassen seyn? Fröhlich verliere ick nichts dabey, wenn mich die Heucheky des Sün¬ ders wirklich betrügt. Allein ich lasse mich nicht trügen. Ich handle nach meinen Grundsätzen, und wenn rch urtheile, daß ich ihm vermög seiner Ver¬ fassung nicht trauen darf, spreche ich ihn nicht los, was er mir auch sagt. Et kann mich wohl mir heuchlerischer Reue betrügen, denn sein Herz ist nstr unsichtbar, aber er tauscht mich nicht mit seinem Versprechen von Besserung, weil seine immer aleich- starke Abweichung vom Gesetz , seine mit aller Warm: fortwährende Gewohnheit das Urthcst über P s ' ihn 2Z4 ihn spricht. Das Beyspiel Jesu Christi in dem Hause Simons beweist wohl wider den Rigorisme alles, für den Laxisme nichts. Magdalene ward losgesprochen, ohnerachtet sie das Aergerniß noch nicht ganz qutgemacht hatte. Ein Beweis, daß die wirklich schon erfolgte Besserung nicht nothwcn- dig seye, um von der Sünde losgesprochen zu wer¬ den , und daß es Borsatze gebe, denen man trauen darf. Aber sagen Sie mir! war Magdalene vielleicht von denjenigen, die sich schon einigemal, und zwar oft zu den Füssen des Erlösers warfen, die Spe¬ zifikation ihrer Sünden in Thronen verlegten, kosgesprochcn wurden, und nachhin ihr altes Lied¬ chen an der Leycr singen? Für den allwissenden Erlöser kann es freylich der Fall seyn, daß er solch ein Weib losspricht, weil er weis, was es wirk¬ lich thun wird: aber nicht für mich , der ich nur muthmassen kann, und dem bcy aller Zerknirschung annoch der gegründete Zweifel übrigt, ob das Ver¬ sprechen einer Person, die es noch niemal gehalten hat, aufrichtig seye. Ich bitte Sie, studieren Sie meine Antworten, suchen S^e alles auf, um mich zu widerlegen! Ich werde Ihnen Dank wis¬ sen , sofern Sie fähig sind, mich "aus einem Irr- xhum zu reissen. Ich bin re. Vier LZ5 Vierzigster Brief. A. A. zu S. P. an I. S. S- P. am r-?. Sept. 1785- Mcin Beßrer rc. ^tz^as Sakrament der letzten Salbung muß der Seelsorger seinem Volk so anzuemfehlen wis¬ sen, daß die Vorurtheile, die dem Pöbel dieß- falls ankleben, darüber verlohreu gehen« Da dieses Sakrament seine nutzbare Folgen in der Seele nicht verbreiten kann, ohne daß der Kranke dazu, wie zu jedem Sakrament der Leben¬ dingen nut der Gnade ausgerüstet seye, waren die Gläubigen einzuleiten, in ihren gefährlichen Krankheiten den Priester zeitlich ruffen zu lasten, damit er sie, was sehr oft geschieht, nicht in je¬ ner elenden Verfassung antrift, die die Sinnen- verlassung mit sich bringt, wo sie die Beicht nicht mehr ablegen, die geheiligte Hostie nicht mehr nehmen, und die letzte Salbung beynahe auf Ge- rathewohl erlangen können. Der dumme Pöbel sieht die letzte Salbung für fein Todesnrtheil an. Man muß ihm also beybringen, daß sie vielmehr zu Beförderung der Gesundheit diene. Und den Hern wird den Brunken erleichtern sagt der heilige Jakob in seiner Epistel, wo er von der letzten Salbung spricht. Gewiß so, wie die Seele des Kranken sich der grössern Beruhigung na'hcrr, die der Genuß der Sakramente in ihr wirkt, so sehr nimmt die Kraft des Körpers zu. Der Geist erhalt manchmal den Leid, und nur Seelen¬ traurigkeit ist oft der gefährlichste Umstand bey Kranken. Ich will mich übrigens hier nicht bey Kleinigkei¬ ten aufhalten, die von diesem Sakrament annoch gesagt werden könnten, und davon Ihnen jeder Moralist weitläufig sagt. Ich nehme vielmehr hier die Gelegenheit, von der Schuldigkeit des Seelsorgers in Absicht auf die Kranken zu reden. Wo jemal die Schaaft dje Sorgfast des Hjrtens erheischen, so find es die schwachen, die kranken, die sich in der Gefahr des Tods befin¬ den. Diesen beyzufpringcn, fo bald sie ruffcn lassen , und dabey keinen Anstand zu nehmen, nicht zu zaudern, halte ich für eine so schwere Pflicht, daß das Widcpspiel eines Seelsorgers sel¬ ben in meinen Augen zum verrachtstchsten Geschöpf .auf Gottes Erdboden machen würde. Da ich eben oben besftr sagte, daß die Seeleu- traurigkeit oft den stärksten Äntheil an einer rödt- lichen Krankheit hat, muß der Seelsorger dein Kranken allen möglichen Trost cinsprechen , den er ihm in seinen Leiden immer geben kann. Er muß für arme Kranke, denen jede Nothwendig- keit mangelt, sorgen, damit sie nicht ohne Nah¬ rung, nicht ganz ohne Arzney bleiben. Nestern, denen der Tod oft njcht so unerträglich ist, als hie Erinnerung, unversorgte Kinder verlassen zu müssen, muß er verheissen, daß er sich ihrer an- yehmen wolle, und daß es einen Vater im Him¬ mel ' 2Z? mel gebt , der für jeden Wurm / und für jedes Feldblämchen sorgt. Jenen, die von einem schmerz¬ haften Umstand behaftet, grosse Aengsten leiden, kann er die Todangst Jesu Christi zum Muster vorlcgen / und die Gelegenheit schildern, die sie haben, die Uiberbleibsel ihrer Sünden hier noch abzubüffen. Er muß sie im Glauben auf einen Gott/ der niemanden mehr leiden laßt, als er kann, in der Hofnung auf einen getreuen Vater, der die Geduld krönt, und in der Liebe zu ei¬ nem allmächtigen Wesen, das uns durch Leiden prüft , um uns ganz an sich zu zichn, bestärken. Inzwischen kann er auf Linderung und Stillung der Schmerzen Bedacht nehmen. Sehr oft fühlen die Kranken ein gedoppeltes Leiden, weil sie übel bedient werden, und fallen in Ungeduld, weil ihre Wärter kein Mitleiden haben, und die Last des Kranken gerne vom Hals hatten. Einem solchen Unfug muß sich der Hirt entgegen sehen, und diesen Leuten wohl einpragin, wie viel Einfluß ihr gutes oder übles Betragen, auf die Herstellung des Krankest und auf seine ewige Glückseligkeit habe; daß Gott die Tyran¬ nei; , die man an hilflosen Menschen ausübt, un- nachsichtlich zu strašen pflege, daß sic über lang oder kurz den nämlichen Bedürfnissen unterliegen würden, daß sie foglich dasjenige, was sie sich für die Zukunft wünschen, gegenwärtig an andern vollziehen sollen. Ob es wohl sehr zu wünschen Ware, daß die Kranken, besonders jene, derer Genesung ver¬ zweifelt ist, den öftern Besuch des Seelsorgers hoffen könnten, so weiß rch doch, daß dieser Wunsch 2Z8 A L- Wunsch am Lande meistentheils unbefriedigt blei- ben muß. Inzwischen bin ich versichert, daß^ ein Seelsorger, dem das Herz am rechten Fleck sitzt, es wenigstens nicht unerträglich finden wird, einen Kranken, sofern er auch aus einer weitern Entfer¬ nung um seine Gegenwart bittet, war'S auch bloß um einen Trost zu haben, und äusser der Noch- Wendigkeit einer nochmaligen Beicht, nicht ver- verschmahen werde. Ich fordere es aber für blat¬ te Pflicht von icnen Seelsorgern, die im Dorfe wohnen, daß sie ihre Kranke in der Nachbar¬ schaft öfters besuchen; denn, da diese Handlung nicht Mühe, vielmehr Unterhaltung für den Pfar¬ rer ist, und sogesialttge Besuche ihn an seinen cmderweitern Verrichtungen gar nicht hindern mö¬ gen , bleibt es lediglich Hartherzigkeit eures Gro* bians, wenn man seinen Kräften die Unglücklichen zu trösten, seiner Kommlichkeit zu Lieb, Einhalt thut. Ein und vierzigster Brief. A. A. zu S. P. an I. S. S. P. am 24. Sept. Lieber Freund re. s^^ie haben mir durch die Versicherung, daß ich Ihnen Ihre Einwürfe in Bctref meiner Art die verwöhnten Sünder loszusprechen, glücklich aufgelöst sind, keine geringe Freude ge¬ macht. 2Z9 macht. Ich bin dadurch nicht auf meine Wissen¬ schaft stolz geworden: sondern es ist Beruhigung für den ehrlichen Mann, wenn er selbst von den¬ jenigen , die mir ihm nicht einerley Meinung heg¬ ten , daß Zeugniß erhall, daß er recht daran seye. Gott Lob! Ich glaube, daß ich mir die nöthige Wissenschaft in meinem Beruf zu verschaffen nicht saumselig gewesen scze. Die Gelehrsamkeit, mitt¬ lere oder höhere, je nachdem das Feld den Gaa- men faßt, ist immer der einzige Trost, und dir einzige Zuflucht des Priesters. Da ich Ihnen eben in Absicht auf das Sakrament der heiligen Weihe sonst nichts erhebliches zu sa¬ gen habe, was zur Pastoraltheologie gehörte, lassen Sie uns ein wenig von der Gelehrsamkeit plaudern, mit der ein Seelsorger sich vor seinem Volk Ansehen zu verschaffen, und dem Karakter, den er von der heiligen Weihe hat, Ehre zu machen schuldig ist. Glauben Sie nicht, daß die Bauern so dumm sind, daß sie unter Schwarz und Weiß keinen Unterschied zu machen wüßten. Ein Pfarrer, den man am Land niemal in der Gemeinschaft mit einem Buch sinket, macht sich gewiß keinen guten Namen; daß man ohne Lek¬ türe kein Gelehrter werden kann, weiß jeder Idiot, und der Idiot beynahe besser, als der Gelehrte, weil er an sich die deutliche Erfahrung sammelt Sie werden vorwitzig seyn zu wissen, wel¬ chen Gattungen der Gelehrsamkeit ich den Prie¬ ster zuzuführen wünsche. Ich behaupte, daß ein mittelmässiges Talen: der Arbeit genug habe, wenn es sich im Gewicht jener Kenntnisse zu erhalten trachtet , die unumgänglich erforderlich sind, um auf dem Predigtstuhl kein Possenreisser, und im geheimen Gericht kein Ignorant zu seyn. Dem Gott mehr Talente gegeben hat, der muß sich höher hinaufarbeiten. Es sind die Rechten, es ist die Polemik, es ist die Kirchengeschichte, in der sich ein offener Kopf umsehen soll. Ich er¬ warte von dem Seelsorger dieser Art, daß ihm die landesfürstlichen Verordnungen so geläufig sind, wie einem Äurialisten, und daß er die Data, un¬ ter denen ihm Schuldigkeiten befohlen werden, besser weiß, als die Tage, und die Minuten., in denen ihm seine Kühe mit Kalbern erfreuten. Ich kenne Seelsorger, die in ihrem Leben nichts lesen, als das Brevier und die Zeitung. Es war wahrhaftig nicht der Mühe werrh, daß sie blind geworden sind, denke ich allzeit, so oft ich sie mit einer Brille bey dem Augsburgerblatt finde, in dem sie buchstabircn. Ob's solchen Leu¬ ten niemal einfallt, daß sie ihre Verwendung an eine standesmaffige Gelehrsamkeit unter jenen Punk¬ ten finden werden, die man ihnen einst zur Ver¬ antwortung vorlegen wird? Ich will darum nicht, daß man sich um die Geschichte der Zeit, in der man lebt , nicht bekümmern solle, wie ich es dann vielmehr an jedem Priester hochachte, wenn ich ihn in der weltlichen Geschichte, in der Mathema¬ tik, in der Gcopraphie, kurz in allen schönen Wis¬ senschaften beschlagen finde. Aber ich will nicht, daß man sich, an einen unbeträchtlichen Theil der Kenntnis so verlegt, daß man ausserdem von kei¬ nem Dinge Notiz nimmt. Lassen Sie uns ein¬ mal recht eitel seyn , und die Frage aufwerfest, ob man das Geschöpf wohl schön finden könne/ an dem ein einziges Stü-F auffallend ist, und fol¬ gern -SI 24 r gern wir dann, ob ein Priester, der dm engli¬ schen Wahrsager ganz auswendig hersagt, sich mit Wissenschaft prüfen dürft- . Manchfaitige Kennt¬ nisse sind das, was man an dem Priester Reiz nennen kann. Ich kann mir vorstellen, mit wel¬ cher Höhnerey mir mancher, Pfarrer bey seiner Abendsuppe die Gesundheit trinken wird, wenn er hört, daß ich alle Priester gradircn wolle. Bleibt aber wohl bey alle demz was ich Ihnen hier schreibe, nicht achte Wahrheit, fern von Schwar- merey? So glaub ich's wenigst. Lassen wir also die alten Herren, bey denen ohnehin der Frühling und der Sommer ihrer Jahre vertrunken ist, bey den Produkten des Herbst» sich ihrer Dummheit und Unwissenheit freuen, und über unsere Auf¬ klärung lachen! Sie sind die Gleba nicht mehr, wohin Gelehrsamkeit verpflanzt werden kann. Du aber junger Mann, der du deine Safte noch voll¬ auf hast, dem das Mark in den Nerven noch nicht vertrocknet ist, der du die Verehrung deiner Weihe nicht der Einfalt jeder Bethfchwester, son¬ dern dem Merit deiner innern Würde anrechnen willst, widme dich den Musen, und glanze durch Weisheit! Sie wird die Lehrmeisterin» deiner Jugend, die Gefährtin« deiner Mannbarkeit, und die Trösterin» deines Alters werden; du wirst der Stufe würdig feyn, an der du stehst, und Ehr¬ furcht der Gläubigen und Ruhe deines Geists wird dich für die Nachtstunden belohnen, die du bey dem massigen Schein deiner Lampe den Wissen¬ schaften geopfert hast! Leben Sie wohl lieber S ^! Lassen Sie diese Apostrophe nicht für Hude- ley eines Hofmeisters, sondern für warmen Zu¬ spruch jener Freundschaft gellen, mit welcher, ich bin Ihr rc. S Awen 242 Zwey und vierzigster Brief. A. A. zu S. P. an I. S. S. P. am z. Okt. 1785. Lieber Freund rc. es geschehen ist, daß die Ehesachen durch so lange Zeit der Gerichtsbarkeit der geistlichen Konsistorien unumschränkt unterlagen, das kann ich zum Theil nicht, und zum Theil will ich es nicht bestimmen. Um recht manierlich zu seyn, laßt sich sagen, daß die Ehe in katholischen Staten allzeit für das hauptsächlich angesehen ward, was sic ist, für ein Sakrament, wozu der Erlöser den bürger¬ lichen Ehekontrakt erhoben hatte: und dieß war der Grund, warum von dem Staat die ehelichen Angelegenheiten der geistlichen Gerichtsbarkeit über¬ lassen wurden. Sicher ist's, daß das Sakrament der Ehe sich auf jenen bürgerlichen Kontrakt bezieht, welcher nach den Rechten der Natur, und nach den Gesetzen einer rechtmässigen Gesetzgebung als giltig besteht. Ich kann mir nicht vorsiellen, daß Jesus Christus, der eigentlich nicht gekom¬ men ist, die Gesetze zu tilgen, sondern zu erfül¬ len, seine Sakramenten, die er zum Heil der Menschen eingesetzt hat, als gelegenheitliche Veran¬ lassungen habe aufstellen können, die Gesetze der Fürsten und die Gesetze der Kirche in einen Wi¬ derspruch, in eine Verwirrung zu bringen. Ich 24Z Ich muß also annehmen, was auch der Pa¬ ter Thomas von Charmes und andere Theologen dawider sagen, daß nur ein gütiger bürgerlicher Kontrakt nach den .Gesehen der Natur uftd der Landesmachr eigentlich die Materie des Sakraments der Ehe seye. Es kömmt demnach.die Vollmacht, Ehehinderniffe aufzustellcn dem Landesfürsten im vollen Maas zu, nachdem er zum Wohl seiner Völker dieß oder festes zur Giltigkeit des Ehekon¬ trakt zu fordern berechtigt ist: und ich laugne es, daß die Kirche kein trennendes Hinderniß an der Ehe in Absicht auf das Sakrament anerkennen dür¬ fe, wo der Landesfürst eines in Absicht auf den bürgerlichen Kontrakt festgesetzt hat. Dabey bleibt nichts desto weniger der vierte Kanon in der 24ten Sitzung des Konzilium zu Trient vollkommen ge¬ rettet. Die Kirche hat allemal trennende Ehehin« dcrnksse anfstellen können, hat auch in deren Auf¬ stellung nicht gefehlt. Selbst die katholischen Für¬ sten schützen, die Kirche diesfalls. Unser kaiserli¬ ches Ehepatent , mein lieber Schh! — ist wahr¬ haftig den Rechten.der L'irche weniger nachtheilig, als dr.e Schriften heutiger Theologen! Aus die¬ sen scheuen sich Einige nicht, den Satz aufzustellen, daß es keinen Sinn habe , wenn man sagt, die Kirche habe das Recht, trennende Ehehinderniffe in Absicht der Ehe, als Sakrament, aufzustellen, weil jeder gütige bürgerliche Ehekontrakt schon an und für sich ein Sakrament seye. Ich weiß es wohl, daß die Kirche keine Sakramente einsehm kann. Aber wer darf laugnen , daß die Macht, Sakramente zu crtheilen und auszuspenden nicht lediglich ein Vorrecht der Kirche seye. Es ist ei¬ ne Schmeichel«) für den Landesfürsten in dieser Sage, die wenigst unser Monarch in seinem Ehe- O, 2 patent 244 patent zurückweist. Im Nachtrag zum Ehepatent vom i6ten Jen. 178 Z erklärt sich der Kaiser, daß in solchen Fallen, wo es lediglich um einen Lafum Confcientia zu thun seye, von Seiten der Ordinarien kein Anstand ob- walte , die Dispens zu erthcilen. Wer hin¬ dert mich, daraus folgende richtige Anektoden zu ziehn: also erkennt der Monarch der Kirche das Recht zu, in solchen Fallen die Ehe vollziehen, oder nicht vollziehen zu lassen. Also erkennt der Monarch, daß cs in der Kirche das Recht gebe, trennende Ehehindernisse aufzusiellen. Also, weil es schon kein Sakrament der Ehe giebt, das sich nicht auf einen giltigen bürgerlichen Ehekontrakt bezieht, erkennt der Monarch, daß, wenn die Kirche in einem solchen Eulu EonleiLntlre die Dis¬ pens erkheilt oder nicht ertheilt, die Giltigkeit des bürgerlichen Kontraks in Absicht auf das Sa¬ krament ihr Daseyn oder Nichtdaseyn aus dem Ur- theil der Kirche zu schöpfen habe. Der i6te § des eben angeregten k. k. Ehepatens enthalt Fol¬ gendes : lVofcrne jedoch in irgend einem besonder« Falle sehr wichtige Ursachen vorhanden waren, welche eine Ehe zwischen Personen vathlrch machen, deren Verwandt¬ schaft oder Gchwagerschaft die Verbin¬ dung hindert, dann muß der Fall allzeit vorläufig uns angezeigt, und nur erst nach von uns erhaltener Erlaubniß, mag sich weiters darüber an das geistliche Ge¬ richt gewendet werden. Jene Verwand¬ ten und verschwägerten Personen hinge¬ gen , die wir zur Gchlüssung einer Ehe unter sich in diesem Gesetze nicht für un¬ fähig erklären, können sich lediglich bc)> 245 ihrem Bischsfe dießfalls melden. Ob die¬ se Stelle nicht zur Bekräftigung aller der Folgen diene, die ich vorhin aus dem Nachtrag gezogen habe, kann nur jenem zweifelhaft seyn, dem an der Herabsetzung der Kirchenrechte mehr, als an der täglichen Wahrheit gelegen ist. Ich bestehe folglich darauf, daß das Recht, trennende Ehe¬ hindernisse zu verordnen, dem Staat und der Kirche gemeinschaftlich seye. Da aber der Staat unmittelbar die Gerichtsbarkeit über die Giltigkeit des bürgerlichen Kontraks besitzt, die Kirche aber nur mittelbar dahin einflüssen kann, ergrebt es sich, daß die Kirche sich einverstandlich nach den Ma߬ regeln des Staates zu achten hat, und nur dort nach ihren beliebigen Anordnungen an und für sich vorschreiten kann, wo die politische Gesetzgebung den Fall mehr berührt; allemal aber in Prapi die Dispens ertheilen solle, um das Sakrament keiner Verachtung auszuschen: was vermuthlich sehr oft erfolgen würde, sofern die Bischöfe in den Fäl¬ len, in welchen es chen Katholischen vermög Ehe¬ patent frey steht, den bürgerlichen Kontrakt ein¬ zugehen, mit Ertheilung der Dispens Schwierig¬ keiten machen wollten: und so glaube ich endlich, daß ein wahrer .Kanonist heut zu Tage sagen kön¬ ne: Es ist möglich, daß es einen leibhaften bürger¬ lichen Ehekontrakt gebe, der auch unter Katholi¬ schen kein Sakrament seye; daß es aber im Ge- gentheil kein Sakrament der Ehe unter katholi¬ schen Unterthemen geben könne, ohne daß man einen gemäß der politischen Gesetzgebung von allen Seiten bestehenden bürgerlichen Kontrakt habe. Dieses k. k. Ehepatent, von dem wir jetzt sprachen , muß das Lieblingswerk des Pfarrers Q z seyn, 246 seyn, um nichts zu begehen, wodurch er sich einer graulichen Verantwortung aussetzen kann, und die Gläubigen am Altar betrügen dürfte. Wenn man zum Beyspiel den zrten und Zgten § des Ehepa¬ tents znsammhalt, scheint es, daß die Unterlasi sung eines dreimaligen, nur an Sonn - und Fei¬ ertagen, unter der Predigt, oder, wenn sonst das Volk hinlänglich versammelt ist, zu geschehen ha¬ benden Aufgebotes, die geschlossene Ehe gänzlich m- giltig und nichtig mache. Und dennoch hörte ich von den Seelsorgern, die ihr Brautpaar kypulirten, welchem das Kreisamt die Dispens des Aufge¬ bots versagte. Wie behalfen sich die Herren? Man verkündigte das Brautpaar an einem Werk¬ tag in eir. r Seitenkirche, wo sehr wenige Ander wandte gegenwärtig waren, drcymal, nämlich vor der Messe, zwischen in Messe und nach der Messe. Go durchkreuzt man kam. br Verordnungen auch in den wichtigen Gegenständen, wo die Frage von der Giltigkeit oder Nichtgiltigkeit eines Kontrakts jsch der zum Sündenleben erwachst, wenn er nicht legal ist. Zn vorigen Zeiten, wo das Aufgebot nur noch eine kirchliche Verordnung, und ein blosses aufhaltendes Hinderniß war, konnte es wenigst nicht so schädliche Folgen haben, wenn man dem Gesetz eine kleine Schelle anhieng. Aber nun meine Herren! Darf man sich der Gesaht aussetzen, ein illegales Brautpaar einzusegnen? Wir haben wenigstens noch keine Erklärung vom Hof, ob die Feyerlichkeit des Aufgebotes nicht zur Wesenheit der Giltigkeit gehöre, nachdem sie sicher zur' Absicht des ganzen Gesetzes wesentlich zu gehören scheint. ' ' Ewig L47 Ewig wird die Religion und der Klerus dem Kaiser für seine Verordnung vom 26ten August 1782 verbunden seyn; denn die Vernichtung der sogenannten Eheversprechungen ist eine Wohlchat für das weibliche Geschlecht. Durch diese Kniffe trat der Wohllüsiling so unzählige Kronen der Un¬ schuld unter die Füsse, und unglückseliger ward die Geschwächte, wenn sie ihr Recht an seine Hand durchsetzte, als, wenn er ihr's durch einen künst¬ lichen Prozeß unthunlich machte, ihn zum Schuld¬ ner zu bekommen. — Eine Wohlthat für den Klerus, der in diesen Angelegenheiten in die ver¬ wirrtesten Geschäfte gesprengt, und sehr oft, da er sich elender Mädchen von Rechtswegen anneh- men mußte, den übeidenkenden zum Gespött ward. Ich will Ihnen nichts von andern Hinder¬ nissen, die annoch bestehen, sagen; denn das Ehepa¬ tent ist klarer, als eß mancher Zweifler glaubt. Mit diesem und mit den Verordnungen der Ordinariate, die in Gemäßheit des crstern ergangen sind, ist jeder Seelsorger auf alle Fälle genug versorgt, um seine Pflicht zu wissen. Ich bin darum aber doch noch nicht am Ende. Ich will Ihnen meine Gesinnungen in Anbetracht dieses lehten der Sakra¬ mente unverhohlen erzählen» Äusser dem, daß ich von jedem Seelsorger erwarte, er werde zu gewissen Zeiten, da eben das Evmgclium daran paßt, dem Volk heilsame Erinnerungen in Betref des heiligen Ehebindniß geben, verlange ich annoch von jedwcderm, daß er den Brautleuten: dazumal, wenn sie sich zu dem Aufgebot melden, ihre Pflichten mit einer anstän¬ digen Bescheidenheit melde, und endlich will ich, O, 4 ' daß 248 M--—---BV -aß er selbst am Altar vor der Einsegnung, wie es ohnehin jedes Ritual bedeutet, den Neuver¬ lobten eine kraftvolle Ermahnung mache. Es ist glaube ich, nicht zu viel begehrt, wenn ich von einem braven Pfarrer erwarte,'daß er es Key die¬ ser Gelegenheit bey ' dem gedruckten Formular, das die Rituale liefern, buchstäblich nicht bewenden lasse, sondern nach den Umstanden der Zeit , und der Gegenstände selbst eine saftige, kurze Rede verfasse. Ich will nicht sagen, daß die Formu¬ lare, die wir in den Ritualen haben , zwecklos seyen: aber wer findet das Trokne, das Herzlose nicht darinn! Eben so wenig kann ich es gut heis¬ sen, daß man die Einsegnung, die die Braut einbeinig betrift, und die so viel Rührendes und Auferbarliches har, so'nervicht Gebet mit Unter¬ richt vermengt, in - einer Sprach ablese , in wel¬ cher die Braut keine Sylbe versteht. Ich wunde¬ re mich sehr, daß man nicht schon lange auf den Gedanken kam, diesen geschmackvollen Segen in die Muttersprach zu übersehen, und bey der Ehe- feyerlichkeit anzuwenden-. ' - Schicklich wäre es allerdings, daß die Braut¬ leute an dem Lag, wo fie die Gnade des Sakra¬ ments der Ehe empfangen , sich durch das Sakra¬ ment der Buß und des heiligen Abendmahls dazu gehörig üusrüstenf Aber ich weiß, wie imprak¬ tikabel die Erfüllung dieses Wunsches bey den Gebrauchen des Landvolks seye. Man muß sich damit begnügen, wenn die Brautleute kurz vor der Feyerlichkeit ihre Andacht verrichten. Es wäre überflüssig zu ordentlicher Pflege der Trauungsbücher jemanden aneisern zu wollen, - - . . ..... da L4Y La ohnehin den Kreisamtern die Pflicht aufgetragen ist, den Seelsorgern dießfalls auf die Finger zu sehen. Gewisse Klassen von Menschen dürfen am Al¬ tar kein Paar "werden, so fern sie von ihren Iu- risdizenten kein schriftliches' Erlaubnißinstrument äufzuweisen haben. Der Pfarrer hat sich da nicht darein zu mischen , und es ist ein Fehler, wem man, im Fall der Iurisdizent die Erlaubniß nicht ertheilt, seine Stimme mir der Stimme der In¬ teressenten vereinbart, um dem Gerichtsherrn Übeln Nachklang zu verschaffen. 'Doch wozu verleitet der Entgang der Stvllgebühr nicht manchen Kuraten k Leben Sie wohl! Ich bin rc. Drey und vierzigster Briest A. A, zu S. P. air I. S« S. P. am i° Nov. 1785. Mein lieber, ehrlicher S ! ^kch beginne heut den sten und letzten. Theil der Pastoraltheologie. Der Hirt muß seirje Schaafs kennen. Er muß sie rmr dem Wort, mit seinem Beyspiel, mit den Sakramenten weiden. Alles dieß' hatten wir abgchandelt. Nun muß er aber auch, nachdem er alles Gute in seiner Gemeinde auf diese Art gestiftet hat, seine Heerde verwah- Q 5 reu. xen. Die Wölfe , die er mit seinem Gchaferstab abzutreiben hat, sind Mißbrauche, Verführungen, öffentliches Aergerntß- Wir wollen sehen, was sich von allein dem sagen laßt. Die offenbare und weltkundige Entzweyung zwoer verlobten Personen stiftet nicht selten in ei¬ tlem Kirchfprcngel bedeutendes Aufsehen. Die Nachbarschaften stoffen sich. Das Wohl und die Erziehung der Kinder leidet darunter: und hat es dem Teufel geglückt, daß diese Auftritte mehr als vocbeyfiiegende Szenen werden, so hat er al¬ les gethan, um ganze Gegenden mit Unruh zu erfüllen. Des Seelsorgers Psiicht ist, diesen Un¬ rath wegzuräumen. Er laste sich's angelegen seyn, die kriegenden Partheyen zum Friedenfchluß zu be¬ wegen ! Er hüte sich sorgfältig durch Anhänglich¬ keit an einen Theil das Spiel zu verderben, und das Uibe! arger zu machen! Ungeachtet in solchen Fallen ein Theil vor dem andern sträflicher ist, so ist doch keiner ganz unschuldig. Man muß also beyden die Wahrheit sagen, man muß ihnen den Gräuel des Spektakels, das Hohngelachter der Leute, die Verwüstung in dem Haus, die Marter ihrer Unruh , das Mißfallen Gottes über sogestaltige Trennungen der Herzen, die vermög der Gnade des Sakraments der Ehe die Vereini¬ gung Jesu Christi mit seiner Kirche vorzustellen fähig gemacht worden sind, endlich den sichtbaren Schaden ihrer Wirtschaft schildern. Er muß die Grundursachen dieser Irrungen erheben, er muß ihre gegenseitigen Vorwürfe gelassen anhören , jedem Theil Recht geben, wo er's verdient, jeden tadeln, wo es erforderlich ist: er muß ihnen un- g, 'gründete Vorureheile benehmen. Es sind oft 2ZI Seifenblasen die diese Leute für Kometen halten. Uibrigt nun" kein anders Mittel, so find solche Leute vielmehr abzusöndern, als unter einem Dach zu lassen, wo sie durch ihr Gebrüll eine leibhafte Löwengrube vorstellen: und alsdann hat sich der Seelsorger nach dem 4.6ten und 47ten §» des k. k. Ehepatens zu verhaften Ein gleiches versteht sich verhaltnißmaffig von jenen Pfarrkindcrn, die in einer offenbaren Feind¬ schaft leben, Wer soll da das Aergerniß aus dem Weg raumen, als der Hirt? Der Trost und datz Verdienst, entzweyte Leute ausgesöhnk zu haben, bezahlt die AMe reichlich, die man in diesem Geschäft anwenden muß. Der Seelsorger muß beiden Theilen in's Besondere zusprechen. muß einen und den andern langsam zu gewinnen suchen. Die Leute können nicht ohne hinlänglicher Vorbereitung zusgmmgebracht werden, um sich zu versöhnen/ denn großtentheils macht ein voreilige^ Zusammrritt die Feindschaft aufbrausender. Dir Ansprüche, die der Pfarrer anwendet, müssen be¬ scheiden, durchdacht, unpartheisch seyn. Ein un¬ geschickter Vermittler verhindert nicht nur keinen Raufhandel, sondern kömmt in die Mitte, und tragt die beßre Portion Schlage davon. Die Schcnkhauser und der Tanzboden, wo die Vorsteher des Hauses nicht christliche Qbsicht tragen, sind wahrhaftig die reichhaltigsten Werb- plafte der Ungezogenheit, und die Aerndtezeit der Sünde. Ein znfammengerastes Gesinde von Trunkenbolten, und jungen, unerfahrnen, erhrhteN Leuten , spat' in der Nacht —- ha welche Anlage zu allem, was der Unschuld die Augen auskraht ! Es ist yjchr in din Kräften des Pfarrers, vrele L^r MEEEÄ-V Platze zu tilgen. Politische Gesetze erlauben eine Ergößlichkeit. Aber da eben diese Gesetze Maaß, Zeit und Ordnung vorschreiben, so hat der^Pfar- rer das Recht darauf zu dringen, daß das "Ge¬ setzmässige nicht äusser Acht gelassen werde. Eben Harum wünsche ich herzlich daß jeder Seelsorger freundschaftlich und emverständig mit dem Qrts- beamten lebe, und sich seines ganzen Beystands in Abstellung solcher Mißbrauche zn erfreuen habe. Es befinden sich manchmal in einem Kirch¬ sprengel berüchtigte feile Weibspersonen, unver¬ schämte Zufluchtsstätte für den Muthwillen. Es irren manchmal Dümmlinge oder Schurken herum, die in ihrem Kopf abergläubische Geschichten aus- breiten, falsche' Wunder erzählen, und das Volk mit läppischen Erscheinungen betäuben. Es kön¬ nen selbst boshafte Religionsverführer mit Zureden oder verführerischen Büchern in einer katholischen Gemeinde Gift verbreiten. ' Golchen Kanälen muß der Hirt nachspühren , und selbe auf alle mögliche Weise aus seiner Peripherie zu verbannen, wie nicht weniger alle etwa ausgestreüte Behelfe solcher Verführungen aufzusammeln trachten. Was die Verführungen in Religionsfachen besonders belangt, findet der Seelsorger' in dem Toleranzpatene so viele Vorschriften, daß er mit keinem zweydeuti- tzen Fall in Verlegenheit seyn kann» Die Schulen und die Schullehrer verdienen ein ybachtsames Äug' des Seelsorgers. Unter der Leitung eines Menschen, der nicht von guter Sitte ist , und der sich vom Schulfond für seine Faul- keit bezahlen läßt, werden jene Kinder, die noch feine Erziehung haben, in eine ordentliche Unfä- -ZZ higkeit, jemal eine zu erhalten gestürzt, und jene, die sonst von ihren Erzeugern gebildet sind, müs¬ sen ausarten. In der Versammlung vieler Kinder wird es immer ein kleines stinkendes Aaß geben. Wenn nun noch vollends auch der Lehrer ein Tauge¬ nichts ist, so giebt es keine Untugend, die man da nicht lernt, und keine Frömmigkeit, die man Sicht vergißt. Der Seelsorger, der jetzt ohnehin vermög bestehenden Generalien Direktor der Land¬ schulen ist, muß auf den Schullehrer so gut, als auf seine Lehrlinge seine Augen richten, und bey- de Theile in Zucht und Ordnung erhellten. Sie sehen mein lieber Freund! welch weites Feld es hier giebt, um Wahrheiten an den Mann zu bringen. Allein da ich Ihnen nur einen Aus¬ zug von der Pastoraltheologie liefern konnte, will ich mich einschranken. Ich glaube, daß ich Ihnen so ziemlich alles/ wenigst summarisch vorgelegt ha¬ be , was zur Pastoraltheologie gehört. Und was kann ich Ihnen am Ende bessers rächen, als daß Sie sich den Leitfaden zu den Vorlesungen der Pastoraltheologie anschaffen, der aus der sehr net¬ ten Feder des Hrn. Franz Eiftschütz gefloßen ist, ein Werk, das sich von selbst empfiehlt, und eine rei¬ ne Quelle seelsorgerlicher Gelehrsamkeit ist. Ich habe in unserm Briefwechsel manche kühne Wahr¬ heit gesagt, manchen launigten Einfall nicderge- schrieben. Vor Freunden scheut man sich nicht. Ich weis, Sie nehmens am rechten Fleck, wo's zu nehmen ist, Ich bin rc. Vier 254 Vier und vierzigster Brief. I- S. an A- A. zu S- P. M * am rz- Nov. r?85. Hochwürdiger Herr m d^enti ich Euer Hochwürden auch alles sage, was man aufbringen kann, um zu danken, so kann ich lange nicht alles sagen, was ich em- psinde. Sie haben mir den vollkommenen Auszug einer Pastoralrheologie geliefert , nicht nach den mühseligen Regeln der Schulen, die nur für den Verstand sind, sondern durch selbst gefühlte/ und mir in's Herz gelegte Grundsätze , die — Gott weis es — keimen sollten; wenn mich seine Gna¬ de Nicht verlaßt. Aber sehen Sie hochwürdiger Herr! Wie viel Eitelkeit ein junger Mensch besitzt, wenn er auch sonst ein gutes Herz hat! Ich finde in mir. daß ich seit unserer Korrespondenz mir auf meine Kennt¬ nisse mehr einbilde, weil ich nach ihren Grundre¬ geln wirklich an der Kanzel sowohl als im Beicht¬ stuhl erleichtert zu seyn scheine, und ich bin nun mit mir vollkommen zufrieden, und mit Ihnen, hochwüroigtr Herr, bin ich es auch,, und wie schon? — Es ist auf künftige Woche der Kon¬ kurs um die Pfarrey ausgeschrieben. Ich habe Versuchungen / mich auch dabey einzusinden, aber ich werde, glaube ich, Starke genug haben, dis^ ftr Eingebung zu widerstehen; denn vorausgesetzt, daß ich im Stande wäre, mich besser als andere auszuzeichnen, und die Pfarrey wirklich zu erhal¬ ten , so möchte ich nicht altern und versuchtem Kuraten dasjenige entziehen, wozu ein langwieri¬ gerer Kirchendienst keines der kleinsten Verdienste ist. Äusser dem aber möchte ich herzlich gerne ein¬ mal mit in die Wasche kommen, und wenn ich vorsehen könnte, daß man es mir nicht zum Stolz anrechnete , so würde ich sicher darauf losgehen. Nach Ihrem Rath , hochwürgigcr Herr, will ich mich richten. Ich verharre rc. Fünf nnd vierzigster Brief. A. A- zu S. P. an I. S. S. P. am 17. Nov. 1785. Mein lieber Freund rc. ^hr lezter Brief obligirt mich. Sie geben mir Gelegenheit von einer Sache zu reden, die ge¬ rade der Pendent zur Pastoraltheologie ist. Eilt Konkurs Ja wahrhaftig: der hat seine Schwie¬ rigkeiten , und gut, sehr gut ist es, wenn man einige Anleitung erhalt, um dereinst die Sache am rechten Fleck anzugreifen. Sie sind zwar in der Seelsorge noch kaum warm geworden, und ich denke, wie Sie. Ael- tere Seelsorger, die ihrer Laufbahne Ehre gemacht haben, sind die Verdientem. Mer so, wie Sie, kämm 256 kaum die Schule verlassen hat, ist geübter in ei¬ ner theologisch- theoretischen Prüfung , und wird auch einen Uiberfluß von frischen Ideen haben, um sie auf die Praxis, in so weit sie beym Konkurs vorkömmt, anzuwenden. Sie sollen also die Pfar- rey nicht erhalten, sollen sich aber doch im Kon¬ kurs stellen! In der Bittschrift, die dießfalls mit Len Attestaten an den Bsschof eingereicht werden muß, dürfen Sie nicht um die Pfarrer), wohl aber um die Erlaubniß bitten, sich zeigen zu kön¬ nen , und zugleich die Verfassung eines Konkurses kennen zu lernen, damit Sie dereinst nicht in ein unbekanntes Land reifen, wenn es Zeit seyn wird, thatig zu kompetircn. Sie müssen nichts destowe- uigcr darauf antragcn, daß Sie es besser als je¬ der andere machen wenn Sie es im Stand sind. Und damit Sre es so hoch treiben, als möglich, gebe ich Ihnen folgende Erinnerungen auf den Weg. So, wie Sie alles geschrieben haben, was von den Examinatoren vorgelegt wird, überlesen Sie es, und prüfen Sie sich, ob Sie alles be¬ greifen und cinsehen, wovon hier die Rede seyn soll. Dann wenden Sre sich an denjenigen Gegen¬ stand, der Ihnen schwerer vorkömmt. In Ihren Antworten sagen Sie nichts, wovon Sie nicht ge¬ fragt sind! Sagen Sie Ihre Meinungen mir Deut¬ lichkeit, und nichts, was nicht mit seinem Vcweis- thum vergesellschaftet wäre. Die allgemeinen Grün¬ de, die man von einem Satz rm Vorrath hat, sind die natürlichste Probe der Antwort, die man ertheilt. Sind Sie von einem Gegenstand fertig, so vergessen Sie ihn, und nähern sich an den zwcyten. Es Es geht in unftrm Kopf wie mit unfern Händen. Zwo Arbeiten können nicht füreinander. Wenn in der Prüfung ein Casus vorliegt, entwickeln Sie ihn gut, studiren Sie seine Wen¬ dungen ; gehen Sie nicht tiefer in das Detail des¬ selben, als es die nebenstehenden Quäsiten erfodern. Was die Predigt belangt, lassen Sie sich nicht bang werden. Sie haben kein Buch, aber Ihren schlichten Menschenverstand mit sich. Wählen Sie den Stoff, den das Evangelium auf die schreyendste Art darbietet ! Zerlegen Sie Ihren Satz in zwo Theile! Erfinden Sie für jeden Theil zween Be¬ weise , nicht weit hergesuchr, aus dem innern Moral, oder aus der Schrift! Seyen Sie kurz, bindig, klar! Es muß gut ausfallcn, wenn der Mensch anderst das Jahr hindurch mit seinen Bü¬ chern nicht in einer tödtlichen Feindschaft gelebt hat. Ich hoffe, Sie werden sich Ehre machen, und der Antheil, den ich daran nehme, ist so groß als die Achtung, mir welcher ich bin, und Zeit meines Lebens seyn werde w.