140158 Anastasius Grün's gesammelte Werke. Dritter Band. Anastasius Grün s gesammelte Merke. Herausgegeben Ludwig August Frankl. Dritter Band. Berlin, G. Grote'sche Verlagsbuchhandlung. 1877. Der letzte Ritter. Mit der zweiten Auflage. !n unfern weichen, seid'nen Zeiten was soll der Mann in starrem Erz? vielleicht, daß sein voriiberschreiten Noch heute rührt manch deutsches Herz! Seht ihn am Schaft des nun zerfetzten Germanenbanners männlich stehn! wir sahn's als Silberhaar des letzten Der deutschen Aaiser jüngst verwehn. Sein Weckruf dröhnt, der ihm die Bahnen, Ein eherner Johannes, weiht; wer wecken wollte, mußt' es ahnen, Daß zu erstehn es hohe Zeit! Taugt Winterabende zu kurzen, Der Jäger Theuerdank auch nicht, Kann er uns doch die Lehren würzen, wie fich's mit wilden Bestien ficht; 8 Die Ungethllme sind die alten, Noch heut' nicht lassend von der Art, Nur Spiele der Natur entfalten Sich neu in Schnauzen, Tatzen, Bart. Mein Jugendlied hat nicht gepriesen Den Helden, weil's ein Ritter war, Nur darum war's entflammt für diesen, Weil er der Letzte jener Schaar. So rührt gewaltiger im Herzen, Als weicher, üpp'ger, reicher Mai, Vorfrühling mich im stürm'schen Märzen, Wenns Kampfzeit noch, waghaft und, frei! Wenn Halme, die zum Lichte treiben, Als Speere starren kampfbereit, Die Blumen Rottenfähnlein bleiben, Und noch nicht Sybaritenkleid; Wenn Pfeile noch die Sonnenblicke, Singvogel als Proxhete wirbt Und, Märtyrer der Frostestücke, Für schönen Frühlingsglauben stirbt; Der Strom noch nicht als Müßiggänger Durch Berg und Wald behaglich streicht, Nein, mit den Sxolien seiner Dränger, Dem Scholleneis, beladen keucht; Ach, daß ein Herz von Frühlingswonne Stets träumt, wenn ihrer es entbehrt! Getrost! Säumt auch die Weltensonne, Glüht traulich doch manch Nachbarherd. y Sei auch von einst'gen Lenzesreichen Uns noch kein schön'res Pfand zu schaun, Scheint's doch kein übles Frühlingszeichen, Daß schon die alten klater niiaun! kserbstschauer hält mich jetzt beklommen, Lin dürres Blatt spielt mir vorbei; Dieß welke Blatt auch soll mir frommen, Als ob mein Jugendlied es sei. Nimm es, o Windeshauch, du freier, Lntführ's aus liebem Schwabenland Weithin zum schönen Lande Steyer, Dem Freunde dort ein Liebesxsand! Vielleicht bald bring' ich andre Gabe; Doch wenn ich nichts mehr geben kann, Fürwahr, daß man mein Grab mir grabe, Die beste, höchste Zeit ist's dann. Stuttgart, im Spätherbst i8zp. weih Darum schreib, was ich dir sag So kommt die rechte Wahrheit an den Tag." Motto zürn weißkhunig. ser Ruhe keimt, der ruhte schon in des Schlummers Bucht; Ich aber zog noch unstät durch düstre Felsenschlncht, l Die Göttiri nur, der ich weihte mein Herz und Leben gern, Sie schwebte mir zur Seite und über ihr — ein Stern. Im Arm trug sie die Leier, im Haar den grünen Kranz, Im Äug', begeist'rungstrunken, glomm ew'ger Jugend Glanz, Doch in mich selbst versunken, zog ich mit gesenktem Blick Die öde Bahn, und träumte — was Trauer gern — von Glück. Und als dem Licht ich wieder erwacht das Äug' erschloß, Da standen wir inmitten in eines Thales Schooß, Don grauen Felskolossen, gespenstig an Gestalt, War rings das Thal umschlossen und finstrem Eichenwald. Ein Stroischen Abendröthe sah man im West noch sxrühn, Doch auf azurnem Beete den Mond im Gst schon blühn, Rings schwammen weiße Wölkchen in seiner Strahlennäh', Wie unten die bleichen Schwäne im leis bewegten See. 14 Bekränzte Harfen hingen rings an der Felswand Saum, Und halb verrostete Klingen rundum auf manchem Baum. Hebt sich ein West, so schwirren die tönenden Saiten mild, Regt sich ein Ast, so klirren die rasselnden Schwerter wild. Am Strand des Sees, da sieht man dicht Grab an Grab sich reihn. Wer mögen wohl die Schläfer, die unten ruhen, sein? Gin Kreuz nur! vielleicht erhöhet, um morgen zu zerfallen, Zwar ist sein Kranz verwehet, doch blieb es stehn vor allen. Hart dran stand eine Säule, gebaut der Ewigkeit, Die ist nun Schutt, rings liegen zerstreut die Trümmer weit; Wer liest die verwitterte Inschrift, die von Unsterblichen sprach? vielleicht der Schläfer einer! wer rüttelt den Trägen wach? Dort liegen Bischofsmützen, nicht fern ein Schellenhnt, Hier ein gekrönter Schädel, drin nistet des Wurmes Brut, Dort sproßt aus Todtenköxfen manch Röslein lieblich roth: Seht da in einer Schale das Leben und den Tod! Es blinkt ein alter Tempel dicht an der Gräber Rain, An seine Mauer lehnt sich der fahle Ulondenschein, Weit aufgethan die Pforten und Lxheu bis zum Knauf, Darin ein Tisch von Marmor, zwei offne Bücher drauf. Die Schrift im ersien sind Blumen, die ewig wechselnd blühn, Im zweiten Flammenlettern, die ewig bleibend glühn, Des einen Blätter sind locker, drin blättert der luft'ge West, Des andern eh'rne Platten, die liegen schwer und fest. i5 Und blickt cin Narr in jenes, so liest er Närrisches drin, Lin Weiser findet Meises, so Jeder nach seinem Sinn; Doch dieses — Lins ist's Allen! die Züge licht nnd klar, Nie wanken seine Blätter, es bleibt unwandelbar! Dem Ausspruch schlichter Schäfer bei heitrem Liederstreit Scheint jenes Buch wohl ähnlich, der Sage ward's geweiht; Dem festen ernsten Urtheil der heil'gen vehmgerichte Ist dieses zu vergleichen, das Buch der Weltgeschichte! „Doch was soll ich in des Thales verhängnißvollem Raum, Wo Tod nnd Leben ringen, Wahrheit und wüster Traum? Hier duftet Blüthenregen, dort qualmt Verwesungsgeruch, Die Harfen säuseln Segen, die Schwerter rasseln Fluch! Was in den heil'gen Büchern der Weisen soll ich lesen, Der, wenn ihn Lieb' erhörte, gern ewig ein Thor gewesen?! Soll ich den Todkelch nippen, und wandeln an Gräber gebannt, Und fühle noch die Lippen vom Kuß der Lieb' entbrannt! Laß uns von hinnen, o Göttin! mir wallt so bang das Blut, Und muß ich um Grüfte wandeln, so sei's: wo Liebe ruht!" Da schwamm ums Antlitz heiter ein mildes Lächeln ihr Und schwebend zog sie weiter und winkte zu folgen mir. Ich sah nicht, wo wir wallten; kein Ulond, kein Stern in der Lust! Doch stieß ich an mancher: Hügel und athmete Blumendust. Wohl ist's ein Garten? da sank ich an eines Hügels Saum, Und schloß den Schlaf in die Arme, und mit ihn: solchen Traum : — 16 — Dor mir in eh'rner Rüstung stand eines Manns Gestalt, Dom salt'gen Pnrpurmantel die starken Lenden umwallt, Zu Aauxt ihm sah ich winken den dichten Lorberkranz, Draus lugten goldne Zinken, wie einer Arone Glanz. Steht ein sieglust'ger Ritter, ein Aönigsheld vor mir? Gab ihm den Lorber die Arone, der Aranz die Aönigszier? Da hob sich Sturmwindswallen — rasch griff er nach dem Aranz, Als ließ' er lieber fallen die Arone, als den Aranz. Sein Auge sah ich grollen in finstrem Ariegermuth, Doch mocht's auch freundlich rollen, beglänzt von Liebesgluth; Auch deutet die Silberschärpe auf goldigem Panzerhemd, Don zarter Frauenhand wohl, daß er der Liebe nicht fremd. Sein Arm schien gleich behende Iagdspieß und Schwert zu heben, Schon sah ich gewicht'ge Rede auf seinen Lippen schweben, — Da rieselte auf mich nieder der kalte Thau der Nacht, Frost schüttelte meine Glieder und zitternd war ich erwacht. Auf einem Aönigsgrabe halt' ich geruht, geträumt! Schon hat die Berge Dämmrung mit grauem Flor umsäumt, Die Göttin aber kränzte das Grab mit dem eignen Aranz, And mir ini Arme glänzte der goldnen Leier Glanz. „Alas soll die stille Lampe bei goldner Sonne Gluth? Was soll die zage Taube im kforst der Adlerbrut? Wer hört ein Lied, wenn ehern des Schicksals Würfel rollt? Wer sieht durch den Wald von Zeptern der scheuen Leier Gold? -7 Die Gegenwart, die ernste, und die Vergangenheit, Zwei Säulen sind die beiden am Riesenbau der Zeit, Doch einzeln stehn allbeide, geschieden streng und hart; Was hat gemein mit jener der Sohn der Gegenwart?" Sie aber drauf: „Geschieden wohl sind sie streng und hart, Doch sieh: Tpheu, umkletternd die Säule der Gegenwart, Durchrankt in grüner Wölbung den Raum, der Beide schied, vereint und schmücket Beide: das ist des Dichters Lied!" Wenn heim der Wandrer kehrte, der ferne Lande durchreist, Umlagern ihn die Freunde, der volle Becher kreist, Und künden muß er von Sitten und Wundern, nah und fern, Und glauben sie auch nicht Alles, so hören sie's doch gern. viel hab' ich schon gepilgert bei Sonn- und Ulondenscheiu, Und gern will ich der Wandrer, wollt ihr die Freunde sein, Und will euch treulich künden, was mir der Geist des Helden Und in der Thales Gründen die Wnnderbücher melden. verschiednes erzählen Wandrer; drum weist euch meine Bahn Vft weniger als manch Andrer, oft mehr als Andre sahn. Laßt froh die Becher klingen, doch einen sparet noch, Denn geht's nach Wunsch, so bringen zum Schluß mir ein Lebehoch! Anast. Grün's Werke III. 2 Maximilian. Dem begegnet stets Wunders viel." Theuerdcink. es Herrschers Wiege. 1459- ohin, ihr Reiterheere? Wohin, dn trüber Kumpan? Wohin, ihr Schiffer zu Meere? Wohin, du Kriickenmann? Gb schiffend, hinkend, reitend, all' hin ins Todtenreich! Daheim bleib' ich, bereitend die Särge mir und euch." Hart an der Burg zu Neustadt steht eines Schreiners Haus, Dort tönt dieß Lied alltäglich in dumpfem Klang heraus; Der junge Meister singt es, sobald der Morgen glüht, Aus frischem Iünglingsmunde, den kaum noch Bart umblüht. Da trat einst in die Werkstatt in freud'ger Hast ein Mann: „Ein Wieglein sollt ihr zimmern, auf, Meister, frisch daran! Heil unserm Kaiser Friedrich, Heil seinem Herrscherthron! Lenor', die stolze Kais'rin,' gebar heut' einen Sohn!" Der Schreiner baut die Wiege aus Brettern, fest und stark, vom selben Stück gezimmert stand nebenbei ein Sarg; Die Spähne stäubten sprühend und Säg' und Hammer klang; Dazwischen tönt' im Takte des Meisters alter Sang. 24 Ans blankem Marmorbecken dort in der Burgkaxell' Floß heut' aufs Haupt des Rnäblein des Weihbronns heil'ger (lZuell; Da hob der Bischof Salzburgs die Blicke himmelan: „In Gottes Namen tauf ich dich: Maximilian!" — G Leonor' und Friedrich! wohl hat auf euren Bund Rein heitrer Stern gelächelt bis auf die heut'ge Stund'; Doch stolz umschlingt sie jetzt ihn und blickt ihn selig an, Lisboa's stolze Tochter den feigen jdurxurmann. Rings um die Wiege schimmert das Höflingsvolk im Rranz, Daß sich schon früh das Anäblein gewöhn' an solchen Glanz; Lenor' stürzt hin zum Rinde, ha, wie sie's herzt und küßt, vergessend, daß sie Fürstin, weil sie jetzt Mutter ist! Noch sieht mein Äug' zwei Gäste an jener Wiege stehn, Doch Reiner von den Andern vermocht' es sie zu sehn, Ls war der Gäste einer ein kräftig blühend Weib, Der Andr' ein alter Weiser, gebückt und dürr von Leib. Der hagre Alte heißet der Tod bei uns zn Land, Das Weib, so schön und üppig, das Leben ist's genannt; Die Beiden ungesehen stehn an der Wieg' im Rreis, Und also sprach zum Leben nun Tod der blasse Greis: „Sprich, wessen von uns Beiden soll dieser Rnabe sein? Lin Rönig wird er werden, schon darum sei er mein! Lin Rönig wird er werden, all Lins, ob bös ob gut; Rein Rönig starb aus Lrden, der gänzlich rein von Blut. Des süßen Lebensodems ist er noch kaum gewohnt, Drum ivird's ihn jetzt nicht schmerzen, wenn ihn mein Arm entthront ; Wohl ihm, muß nun er scheiden! nie dann erfährt sein Herz Augleich des Rönigs Leiden mit eines Menschen Schmerz. 25 Erlischt jetzt dieses Leben und dieser Augen Licht, Dann welken tausend Leben, die er einst opfert, nicht, Dann lächeln tausend Augen, die er einst weinen macht, Ivo Friedhöf' er einst bauet, glänzt reicher Gärten Pracht. Ivenn jetzt dieß Hirn verdorret, dann briitet's nie davon, Ivie viel der Gräber brauche zum Fundament ein Thron? Stockt jetzt sein Blut, nie strömet des Volkes Blut dann hin, Zu färben seinen Purpur, weil er zu blaß ihm schien. Krank ist die ganze Menschheit, an Kön'gen leidet sie; Ivird dieser auch der Beste, den je der Himmel lieh, Gewiß taucht er doch einmal sein Volk in herbsten Schmerz: Ivenn mitten im schönen Iverke dereinst ihm bricht das Herz." Jetzt schwieg der Tod. Ihn hörte wohl Keiner aus dem Kreis; Doch als er sprach, da rieselt' jed' Herzblut kalt wie Eis, Da welkte und verwehte am Fenster der Blumenstrauß, Des Kindes Aeuglein thautc die erste Thrän' heraus. „G nein, nicht soll erlöschen jetzt dieser Augen Gluth! Lmporbliihn soll die Wange, fortgliihn des Herzens Blut, Aufleg' ich ihm die Hände, mein sei der Knabe, mein, Zum Sohn des Lebens weih' ich mit diesem Kuß ihn ein. Ein König wird er werden, geschmückt mit heil'ger Kron', Der König ist auf Erden des Lebens schönster Sohn! Die Städte, die jetzt brennen, baut er einst herrlich neu, Die Augen, die jetzt weinen, macht er von Thränen frei. Er wird mit Wonne pflücken den immergrünen Kranz, Der Menschheit Haupt zu schmücken mit ihres Werthcs Glanz, Und Dome läßt er bauen und Friedenstempel stehn, Ivo Schädelstätten grauen und Friedhofgräser wehn. 26 Des Volkes Glück ist das Kissen, drauf Nachts sein Haupt sanft ruht, Des Volkes Herzen die Säulen, drauf fußt sein Thron wohl gut, Stets dünkt ihm zu klein das Kissen, zu wenig der Säulen schier, vertrauen ist sein Kanzler und Milde sein Almosenier. Und wie die Sonne sichtbar, so schwebt unsichtbar auch Hoch über seinen Landen des Königs Segenshauch, Und Gluck wohnt in den Hütten, Eintracht im Fürstensaal, Freiheit! rauscht's von den Bergen und: Friede! singt's im Thal. Wie Lerchenschaaren aufwirbeln ins Morgenroth zum Thor, So flllgeln tausend Seelen für ihn zu Gott empor; Und dort auch sprießt noch Segen, wo sein Gebein mag ruhn! Dieß Alles kann ein König, und dieser wird es thun." So sprach das Leben, siegreich, verkläret wunderbar, vernommen hat es Keiner zwar aus der bunten Schaar; Doch draußen schlugen Lerchen, Lenzluft zog durchs Gefild, Des Kindes Mund umschwebte das erste Lächeln mild. Und wie das Kind, so lächeln die Schranzen allzumal, Der Kaiser aber wallte nun sinnend aus dem Saal, Mit Weisen und mit Sehern stieg er zur Sternwart' auf, Des Sohnes künftig Schicksal zu lesen im Sternenlauf.. Doch inniger und wärmer umklammert' und umschloß Lenor' den theuren Säugling und wiegt' ihn sanft im Schooß Und sah ihm sel'gen Blickes ins holde Augenpaar: „Ihr Sterne meines Glückes, o glänzt mir immerdar!" Der jürstenjüngling. Ueborgang. Icpslanzt hat eine Rebe der Winzer vor sein kaus, ! Manch frisches saft'ges Blättlein treibt sie im Lenz heraus, Der Sprößling schüttelt freudig des Laubes üppig Grün, Und grüßet Lenz und Erde, und Erd' und Lenz grüßt ihn; Und Frühling kommt aufFriihling, der Stamm dringt kühn hervor, Und höher, immer höher steigt sein Gezweig empor, Und reicher, immer reicher schwillt seiner Blätter Schaar, Und beut mit grünen Armen die erste Traube dar. Der Winzer setzt ihm Stäbe, dran er sich ranken kann, Doch frei in luft'gem Bogen schlingt er sich stolz hinan, Und Frühling folgt auf Frühling und Laub in Füll' entquillt Und deckt die ganze kfütte, gleichwie ein grüner Schild; Und wölbt sich dicht zur Aupxel, dran Blatt an Blatt sich drängt, Und wölbt sich kühl zur Laube, dran Traub' an Traube hängt; Rings flattern Vögel, die singen ihr Liedlein dort so gern; Denn wo die Reben glühen, bleibt auch kein Sänger fern. Ei, Winzerin und Winzer, wie macht' euch's Wonne sein, Als ihr so schön und kräftig den Sprößling saht gedeih»! Es ruhen Freundschaft, Liebe und Fried' im Laubenhaus, Und Gläserklang und jdsalmton und Jubel klingt heraus! — Zv — G Leonor' und Friedrich, wie mocht' euch's Wonne sein, Als ihr so reich und herrlich den Sohn nun saht gedeihn! Wie er vom Kind zum Knaben, zum Jüngling dann erblüht, Dem Lenz auf ros'ger Wange und Lenz im Kerzen glüht; Und wie der Welt so sorglos der Knab' entgegenblickt, Den an des Vaters Krone nichts als der Glanz entzückt; wie sich des Daseins Räthsel dem Jüngling dann erschloß, Und ihm an jener Krone das Kreuz nicht deutungslos; Wie was ihn: eingepslanzet Schulwitz und Unverstand' Lin unfruchtbares Felsstück an seinem Busen fand; Wie dem, was Licht und Weisheit und Recht in ihm gesät, Sein Herz ein üppig Erdreich, das voller Saaten steht. Bst sah, sein Kahlhaupt schüttelnd, bedenklich Friedrich drein, Gleichwie ein Lahmer beim Tanze muthwill'ger Jugendreih'n; Lenorens Herz doch wogte nun stolz und freudenreich, Dft lispelt sie wohl heimlich: sei nie dem Vater gleich! Wie herrlich, Fürstensöhne, steht ihr im Leben da! Vom Hoffnungsstrahl wird trunken, wer euch ins Auge sah; Die stolze Nkorgenwolke ist euer glänzend Bild, Wenn sie das goldne Frühroth verschleiernd noch umquillt. Lin Lenz seid ihr voll Blüthen, in Knospen noch gewiegt, Lin Kimmel voller Sterne, noch vom Gewölk' umschmiegt, Lin Ulecr seid ihr voll perlen, bedeckt von Fluthennacht, Lin Berg von Diamanten, verborgen noch im Schacht. keil, wenn einst euer Tag ruft! Das Frühroth flammt hervor, Demanten, Sterne, Perlen und Blüthen tauchen empor! Dann streut nicht als Almosen dem Volk eu'r Uiorgenlicht, Sein langes stilles Hoffen schuf euch's zur schönen Pflicht! Oesterreich und Burgund. Karl der Aühne. -47Z- Trier war's,° da saßen zwei Fürsten beim goldnen Mein, !^^^Ä!Äein Schranze lauschte spähend, und nur der Ampel Schein hier eine Arone auf einem narb'gen Haupt Und dort ein lächelnd Antlitz', von Rosen leicht uinlaubt. Der Ein' ist reich an Thaten, ein düstrer Held zu sehn, Der Andre frisch wie Ledern, die jung im Wüchse stehn, Der Eine schien ein Herbsttag, der heim die Garben trägt, Der Andr' ein Frühlingsmorgen, der Saaten der Hoffnung hegt. Der glich dem moos'gen Eichbaum, an dem die Axt schon liegt, Der Andre den: schlanken Sprößling, den GLrtnerhand noch biegt, Der schien die Sonn' im Westen, die blutig untergeht, Und jener der Stern der Liebe, der lächelnd im Gsten steht. Es dünkt dem ernsten Helden sein Lenz aufs Neu' erblüht, Wenn ihm das Flammenauge des Jünglings entgegenglüht; Der aber fühlt sich mächtig vom Fittig der Zeit umrauscht, Wenn er des diistern Genossen tiefernster Rede lauscht. Anast. Grün'; Werke III. Z - 34 — Der Lin' ist reich an Siegen, und rasten möcht' er nun, Den Andern drängt's nach Thaten, um glorreich dann zu ruhn; - Der Line heißt der Kühne im ganzen schönen Burgund, Und Gestreichs Max den Andern nennt jeder deutsche Mund. Sie sahn sich stumm ins Auge und drückten Hand in Hand, Und siillten die Pokale bis an den goldnen Rand; Der Freundschaft Rosenfinger mit Zügen licht und mild Malt tief ins Herz indessen dem Freund des Freundes Bild. Wie'n Gnadenbild Madonncns, dem Lichbaum angeschmiegt. So glänzt das Frauenbildniß, das Karl'n am Busen liegt. Ganz gleicht's ihm selbst, wie der Sonne in Seen ihr Widerschein, Nur sanfter als das Urbild und milder blickt es drein. Die Sonne blendet das Auge, doch nicht ihr Widerschein, Drum blickte Max ins Bildniß so lang und gern hinein; Und wenn mit Karls Pokale der seine zusammenhallt, Weiß selbst er's nicht zu sagen, wem wohl sein Becher galt? Frühmorgens als beim Abschied man sah die Fürsten stehn. Warm Herz an Herz gexresset, da war es schön zu sehn: wie ihre Krieger auch standen, und Hand in Hand sich bot. Und über allen Landen aufglomm das Morgenroth. Karls Tod. 1477. ch)ie Sonne, die gar manche der schönen Länder gesehn, Bleibt, um ihr Äug' zu weiden, gern in Burgund doch stehn; Der Mond, der schon geküsset manch schönen süßen Mund, Küßt nie doch satt die Lippen Mariens von Burgund. — Z5 — Reich ist der Burgunderherzog an Landen hehr und schön, voll Aehren stehn die Flächen, voll Reben glühn die Höhn, Da spiegelt reiche Städte und srohes Volk der Fluß, Und Segen ist hier Schnitter, und Winzer Uebersluß. Reich ist er auch an Schätzen, Gestein und blankem Erz, Ihm hat die Erd' eröffnet ihr warmes, reiches Herz, Ihm winkt in stolzem Baue manch Schloß voll Prunk und Gold, Und aus dem goldnen Schlosse die Tochter blühend hold. Die Lande muß er schirmen mit kampfgestähltem Schwert, Daß nicht ihr Garten welke, von Feindesbrand verzehrt; Die Schätze muß er pflegen, daß sie noch fürder dauern, wenn längst der treue Pfleger hinsank in Todesschauern. „Leb' wohl! und kehr' ich nimmer, dann Tochter zage nicht! Gib deinen Friihlingskeimen ein neues Sonnenlicht; In Bestreich mag's dir glänzen aus Fluren segensreich, Dort blüht die Heldenblume, der keine andre gleich." Wohl sieht in stillen Thränen ihm lang die Tochter nach, Als auf mit seinen Schaaren der kühne Vater brach; wie Donnerruf und Gluthblick des Herrn durch Wolkenritze, So hier aus Staubgewölken Feldruf und Waffenblitze! — vor Nancy ward den Raben ein Festmahl aufgeschichtet, Da ging ins Gericht der Herzog, da hat er blutig gerichtet, Da sanken Stamm und Aeste des Heldenbanms Burgund, Der Schweiz und Lothrings Blume, verwelkt zur selben Stund'. Die erst gegenüber standen, durch Färb' und Zeichen feind, Die liegen jetzt beisammen, durch Färb' und Zeichen vereint, wie Aön'ge in Purpurmänteln von dampfendem Blute roth; wißt ihr, wer so versöhnte? — Der Friedensrichter Tod! 3* l — Z6 — Zu Nancy liegt im Dome ein Leichenstein ganz neu, Es lehnt, gleich einem Denkbild, ein blasses Weib dabei, Aus Äug' und Antlitz dunkelt ein endlos tieses Leid, Alan sieht, daß hier dem Vater die Tochter Thränen weiht. Au Nancy an dem Grabe da ist viel Volk zn schau'n, Geführt an Schmerzensbanden aus nah' und fernen Gau'n. And rann hier eine Thräne, war sie wohl sonder Trug, Der Herrscher Thaten richtet und weckt ihr Leichenzug. Die Botschaft.^ ^u Maxell, der einsam sinnend in stiller Kammer saß, An Worte der Weisen dachte, von Thaten der Helden las, Still grüßend trat ein Bote gar selt'ner Art heran; Was sagt der wohl für Kunde dem Kaiserjüngling an? Vb Frohes er, ob Schlimmes darbring', errieth man nicht, Er trug der Trauer Farbe, doch lächelt sein Angesicht, Er glich dem Todesengel, der schwarz und düster naht, Doch lächelnd den Dulder küsset und führt zu ros'gem Pfad. „Von einem Mädchen bring' ich viellieben, süßen Gruß, von einem todten Freunde den letzten Scheidekuß: von Nancy bin ich gesendet, manch Roß zu Tod' ich ritt, Dieß weiße Brieflein bracht' ich, mein thcurer Herr, euch mit. So sprach der Bote zu Maxen. Der lispelt in sich hinein: „B kämst du von der Einen, sie denk' ich, lieb' ich allein, An sie nur glaub' ich sehnend, sah gleich mein Äug' sie nicht, Wie Lhristen, was sie nie schauten, an Himmel, Gott und Gericht. — Z7 — Er öffnet still das Briefchen, drin lag ein goldner Ring, Saphir' und Demant inmitten, die blank der Reif umfing, Und eine graue Locke, von Blute roth manch lhaar, viel Arges und viel Liebes im Brief zu lesen war: „Ls weint auf dessen Grabstein mein Äug' in tiefem Leide, Der Freund uns war und Vater, und den wir liebten Beide; Nimm hin die graue Locke und leg' sie an dein kherz, Und denke sein, wie deiner er dacht' in Lust und Schmerz. Dein bin ich durch Wahl des Vaters, durch Wahl des lherzens dein Nimm hin dieß goldne Reiflein, gar werthlos zwar und klein, Doch will ich dich erkennen, nahst du, Geliebter, mir, Am Glanz des goldnen Ringes, an Demant und Saphir." , Und Max küßt Ring und Locke, er fühlt sein lherz so wund: ,,chon schweigen alle Sänger in Lüften und im Wald, Au Gent doch im Palaste noch Saitensxiel erschallt; Und Mond und Stern' meinten allein noch spazieren zu gehn, Doch vor'm Palast im Garten ist noch ein Pärchen zu sehn. Im Saale jubelt die Freude, laut wie des Bergstroms Hall, Im Garten lispelt die Liebe, wie leiser Wellenfall; Der Wald glaubt, jetzt zu flüstern sei ihm allein erlaubt, Das Paar doch straft ihn Lügen, wenn er solch Märlein glaubt. Nur Liner hört ihr wispern, der dort im Aether wohnt, Der blasse Hirt der Sterne, mein alter Freund, der Mond; Jüngst, als ich mit ihm gewandelt zur Liebsten auserwählt, Da hat er aus alter Freundschaft mir's unterweg erzählt: 40 „V wären wir zwei Sterne, die nebeneinander gliihn! Ach, wären wir zwei Wolken, die miteinander ziehn! Wir blickten dann zur Erde, wie Sein auf Oergangenbeit, Wie Freie auf die Fesseln, wie Freude auf das Leid. Wir wollen sein zwei Blumen, die Duft und Blüthen streun. Und Jedem, der vorbeiwallt, das Äug' und Lsorz erfreun, Die sich ins Schwesterauge und auf zur Sonne sehn Und einst, verwelkt, zum Kimmel auf Frühlingslüften wehn; Dann aus dem Wolkenkleide sehn wir zur Welt herab Und blicken lächelnd Beide auf unser eigen Grab!" — So sprachen sie gar Manches, was Liebe sprach und spricht, Wer Liebe kennt, erräth es; wer nicht, versteht'? auch nicht. Da hielt, um nicht zu stören, die Luft den Vdeni an sich. Der Bach floß leiser, stiller, als ob er auf Zehen schlich, Geschwätz'ge Pappeln hielten mit dem Geflüster ein: Nun still, ihr Schwestern, morgen wird auch ein Tag noch sein. Jetzt tritt mit freundlichem Neigen das Brautpaar in den Saal, Da wirbelt lust'ger Reigen bei funkelndem Aerzenstrahl; Wie da manch junger Dame das Mieder höher schwillt, . Wie's da manch feinem Ritter pocht unter'm Goldwamms mild! Doch wer ist dort der Line in jener Lcke verschanzt, Mit Rhein- und Franzenweine und Bechern rund umpflanzt? Mit offnem Maul gelagert liegt Schranzenvolk um ihn, Wie um den Wolf die Gänse, bei jener predigt in Wien." Sein Auge glänzt wie Liebe, sein Mund scheint Spott zu sein, Die Stirn ist alt und runzlig, die Wange Rosenschein, Sein Nam' ist Kunz von der Rosen, bei ksofe Narr genannt, Doch kamen alle Klugen um Rath zu ihm gerannt. 4i Und als er dort sah kommen nun Bräutigam und Braut, Da hob er zwei volle Becher, stand auf uud jauchzte laut: „Heil euch, Burgund und Gestreich! Heil dir, du herrlich Paar! Mas ferne war, ist nahe, und Eins, was Awcie war! So sind zwei Regenbogen nur einer Sonne Bild, So wird's zu einem Strome, wenn Fluß zu Flusse quillt, Awei Blumen in einem Topfe sind nur ein Blumenstrauß, Awei Sorten Mein im Aoxfe erzeugen nur einen Rausch!" verm ählung.s Wie wogt im Dom zu Brügge um Säulen und Altar von vielen tausend Aerzen ein Lichtstrom wunderbar! Mie sind der Priester Schaaren in hoher Pracht geschmückt, Mio glänzt der Aug so herrlich, der gegen die Airche rückt! vorn flattert hochgewaltig des Doppelxanieres Glanz, Da prangt bei Vestreichs Purpur Burgunds Goldlilienkranz; Mohl stark ist solcher Völker und solcher Länder Band, Doch fester noch und stärker der Aranz, den Liebe wand! Herold' aus siebzig Ländern mit Bannern ihres Lands, von Rittern, blank gerüstet, ein herrlich blüh'nder Aranz, Die ritten ernst und schweigend, von Gottes Hauch umlauscht; Die Rosse nur scharr'n und schnauben, nur Mass' und Rüstung rauscht. Ans Helmen und auf Bannern wankt lustig grünes Reis, viel hundert Rosse steigen, wie Guellenschaum so weiß, viel hundert Panzer glänzen, wie Schnee im Vollmondschein, Und Harfenxsalme säuseln wie Mellengeriesel darein; 42 Käm' eine Möve gezogen darüber im lnft'gen Dome, Schnett wär sie herabgeflogen zu baden im Silberstrome; Der Sprosser, dessen Klaglied von jenem Balkone schallt, Der meint, da unten blühe ein junger Lorbeerwald. Seht dort in dreien wagen Schalksnarrn vorüberlenken, Die sitzen still und sittsam, wie Mönch' in Zellenschränken, Selbst Kunzen, ihrem Meister, will nun kein Schwank gedeihn; Dem Narren ist's ein Festtag, braucht er nicht Narr zu sein. Drauf Meister edlen Waidwerks und lust'ger Mummerei'n, — Du ludest selbst zum Feste Bewohner des Kerkers ein; Den Lichthauch Gottes zu schauen, zu saugen, edler Fürst, Eröffnest du ihr Grabthor, und ihre Fessel birst! wie glllhn des Brautpaars Kronen von funkelndem Ldelgestein, wie leuchtet noch viel Heller der Augen lichter Schein! wie sind so still die Lippen, doch sprechend so schön und laut! Nichts weiß von ihrem Schmucke, wer in ihr Antlitz schaut. — Da sprach ein greiser Bischof den Segen im Gotteshaus, Drauf tauschten Braut und Bräut'gam die goldnen Ringlein aus; Da barst der Ringe einer — das deutet Gutes nicht! — And einem der Ministranten erlosch der Kerze Licht. Des Nachts, als Gott den ksimmel mit vielen Lichtern erhellt, Da wurden fast zu Brügge mehr Lichter aufgestellt, Und les't ihr schwer, was Jener schrieb in die Sternentrift, Las sich so leicht am Rathhaus die transparente Schrift: „wenn Andre kriegen, freie glückselig Oesterreich! Dir gibt, wie Mars den Andern, Frau Venus Thron und Reich."' Mariens und Marens Namen darunter in farb'gem Licht; was Leide davon sahen, erzählt die Sage nicht. Adler und 'Lilie. Aufruf. ndeß wir beim Turniere und Tanze hier gedeihn, Trinkt in Burgund der Franzmann gemächlich unfern Mein; lVir kitzeln hier die Vhren mit Märchenlust und Singen, Dort hat vom Büchsendonner gar Mancher das Ghrenklingen. „Ein Narr, wer auf dem Todbett sich Hochzeitskränze flicht! Wer riss' ihm aus den Händen das eitle Sxielwerk nicht? Ts schreit nm Hüls' und Retter der Feuerglocken Gedröhn, Beim Brand des eignen Hauses schwärmt nur ein Thor: ei wie schön! Drum auf, ihr Herrn und Edlen, wohlauf zum Schwertertanz! Dom Haupt den welken Festkranz! Erringt euch neuen Kranz! Auf, sammelt eure Schaaren, dann an die Marken frisch, Dort laden mir uns wieder bei fränk'schen Wirthen zu Tisch!" So tönte Maxens Rede hell durch den hohen Saal, Rings jauchzten lautauf Beifall die Edlen allzumal, And horch! herauf aus dem Hofe, als stimmt' es froh mit ein, Scholl inuthig Roßgewieher in das Gejubcl drein. 46 Da hatten Aller Augen zum Fenster sich gekehrt, An einer Säule gebunden stand unten ein weißes Pferd. „Lin herrlich Thier, beim Simmel! Ihr Herrn, aus wessen Stall?" Da schüttelten die Köpfe und zuckten die Achseln All'. „Seht nur den stolzen Nacken, das Auge muthighell, Bunt und doch ohne Makel, wie Frühlingswolken das Fell! Goldquasten rieseln klingend, wirr durch einander bewegt, wenn mit dem Hufe stampfend es kühn den Boden schlägt. Stolz trägt die Purpnrdecke, wie'n König, das edle Thier; Doch ha ha, ein Liebesbrieflein! — seht, 's ist zum Bersten schier! Geheftet unter dem Schweife trägt es ein weiß Paket, Li geh' doch Liner hinunter und seh', was drinnen steht?" Da machte Liner unten das Blatt behutsam los, Das in sich solche Worte und solchen Sinn verschloß: „Wir Louis der Lilft' in Frankreich, Navarr' et cätera Durch Gottes Gnaden König, Herzog in Burgundia." „„Li, heftet unser Vetter an solchen Grt sein Mandat? Doch fahre fort zu lesen — 's ist lustig in der That!"" So scherzet Max und lächelt, doch glimmt sein Blick voll Gluth, So lächelt fern das Wölkchen, in dem der Brandkeil ruht. „An unfern lieben Vetter, Erzherzog von Mesterreich! Man spricht, Ihr wollt uns besuchen, der Wunsch kömmt unserm gleich; Drum senden wir dieß Rößlein, der Weg ist etwas weit, Und käm't Ihr zu Fuß gegangen, es thät uns wahrlich leid. Auch heißt's, der karge Vater^ zollt' Luch zu erziehn nicht viel, Drum send' ich Luch entgegen Lehrmeister im Waffensxiel, Die edle Kunst' Luch lehren, wie's solchem Ritter frommt, Gott und der Iungfrau zu Lhren; indeß lebt wohl und kommt!" 47 So sprach der Habsburg Sprosse: „Laßt euch den Schwank ergötzen! Der König weiß recht artig Maulschellen zu versetzen, Wir sind zu Gast geladen, nun rasch zu Pferd, zu Pferd! Und sparet nicht das Lehrgeld, sind nur die Meister was werth." Das Lager. 1478. fürwahr, ein friedlich Städtchen das schöne Saint Dinar! Hier junges Grün der Wiesen, dort Flusse silberklar, Ein Spiegelsee nicht ferne, und schwimmende Inseln drin, Drauf schiffen läutende Heerden sanft mit den Fluthen hin. Sankt Audomar's Abteie in blankem Marmorgewand Sieht wie des Friedens Schntzgeist aufs segenreiche Land. Das Wörtlein Krieg war wenig bekannt auf Dinars Flur, Und in des Klosters Chronik stand's halb verwittert nur. Zufriedenheit und Friede schien hier zu ruhn seit lang', Und hörte Erz man tönen, war's nur der Glocken Klang, Und rief um Hülfe Jemand, war's höchstens ein irres Schäflein, Und ärgerte sich Einer, war's auf der Kanzel das Pfäfflein. Doch jetzt! Ein weites Lager vom See bis zur Abtei, Die Glocken übertäubet der Krieger Feldgeschrei, Die Fluthen überglänzet der Zelte weißes Linnen, Ein Geist der Rache blicket der Dom mit seinen Zinnen! Da seht ihr Marens Lager, dicht Zelt am Zelte stehn, Und drüber in den Lüften die bunten Banner wehn, Hoch über allen flattert der deutsche Kaiseraar lind sammelt unter die Flügel der Kriegsgenossen Schaar. - 48 - Geschwader aus allen Landen, so weit man flämisch spricht, Auch Albions tapfre Streiter vermißt das Auge nicht, Und Mancher, um den am Jster ein deutsches Mädchen weint; Derschiedne Banner und Zungen —ein Herz, ein Führer, ein Feind! Doch, traun, ein seltsam Lager! der Schlachten wiege nicht! Rein mürrisch, unwirsch Antlitz, rings freundlich jedes Gesicht; Ist's Wnuderkraft des Bodens, dem Frieden sonst geweiht? Aann sich das Herz nicht entwöhnen verfloss'ner schöner Zeit? — Wenn die Drommete rufet, klingt's fast wie Tanzmelodei; Und manchen Ritters Auge, deß Herz sonst froh und frei, Beinah' wird's feucht, erblickt er am Helm den welken Strauß, Und will er ein Ariegslied brummen, flugs wird ein Brautlied draus! Mar selber, wenn er sinnend durchs Lager einsam wallt, Blickt seitwärts oft, als zöge mit ihm noch eine Gestalt; Bft schwebt' ihm Red' im Munde, wenn er allein sich fand, Und einmal rief er: Geliebte! als der Narr daneben stand. Des Nachts, wenn er gewappnet im stillen Zelte ruht, Und meint den Traum zu träumen von Schlachten, Brand und Blut, Naht ein verklärtes Wesen — längst däucht es ihm bekannt — Und neigt des Friedens Palme auf ihn mit weißer Hand. Der Zweikampf. Allmorgens wenn das Frühroth durch Goldgewölke stob Und glühende Purpurrosen um Berg' und Thiirme wob, Da sprengt' ein fränkischer Ritter zum deutschen Lagerfeld Und trabt' auf stolzem Rosse ringsum von Zelt zu Zelt. 4Y Der zog mit höhnischem Lächeln die bärt'gen Lippen schief lind hielt vor jedem Zelte, schlug an den Schild und rief: „Heraus, du kühner Deutscher, der mit mir wagt den Streit, Zur Ehre seines Landes, zur Ehre seiner Maid!" Sie ließen ihn's so treiben — das waren Deutsche nicht! Tin jeder blieb im Zelte und that, als hört' er's nicht! Drauf sprengte der tolle Ritter in stolzem Satz davon, Und wie zehntausend Teufel scholl ferne noch sein Hohn. Und wieder flammt' im Gsten der lichte Purpurschein, Und wieder brach den Landen der goldne Tag herein, Und wieder sprengt der Franzmann zum deutschen Lager heran, In Lrzgewand gerüstet vom Fuß zum Haupt hinan. Ein rother Helmbusch wogte kühn um sein stolzes Haupt, Mit rothen Federn hatt' er des Rosses Stirn umlaubt, Um seine Schultern spielte ein rothes waxpeukleid, Des Rosses Rücken deckte manch purxurroth Geschmeid. Und eine Schärpe trug er, so roth wie junges Blut, Die Farbe hat er erwählet, die Farbe läßt ihm gut, Denn von des Meeres Borden bis tief ins Franzenland War er der große Würger von Alt und Jung genannt. Und wieder zog er höhnisch die bärt'gen Lippen schief Und sah aufs deutsche Lager, pocht' an den Schild und rief: „Heran, du wackrer Deutscher, der mit mir prüft die wehr, Zur Ehre seiner Dame, zu seines Landes Ehr'!" Dem Vollmond gleich, wenn plötzlich er durch Gewölk sich drängt, Aam jetzt auf schnellem Zelter ein Rittersmann gesprengt, Der hat sein kühnes Antlitz in Gittererz vermummt, Ihn kennt nicht Frank' und Deutscher, und Alles rings verstummt. Anast. Grün's Werke III. 4 5v Auf seinem Helme zeigt sich kein schmucker Federstrauß, Lin goldner Stern nur neigt sich aus blanken Gehrlein heraus; Ist's der Purpurstern der Liebe, der, ach, so schnell vergeht? Ist's der blasse Stern der Hoffnung, der ewig leuchtend steht? Ls wogt um seine Schultern kein schmuckes waxpenkleid, Lin rauher Lisenpanzer ist seiner Brust Geschmeid, Nur eine Silberschärpe wallt um des Busens Mehr, Drauf steht mit güldueu Zügen gar zierlich: Gott die Lhr'! Als könnt' er unterliegen, so zog der Rittersmann, Doch daß er kam zu siegen, das sahn ihm Alle an; Ls war von Gold und Wappen sein Lisenschild nicht schwer, Doch flammt in seinem Herzen gar herrlich: Gott die Lhr'! Schon schaart sich ringsum deutschen und fläm'schen Volkes Troß, Schon wehen all' die Banner, — jetzt tönt Trompetenstoß! Da sprengen an einander die Zwei mit Sturmesmacht, Es klirren laut die Schilde, und Sxeer und Panzer kracht. Dio Speere sind zersplittert! nun blitzet Schwert an Schwort, Jetzt glaubt der sränk'sche Würger schon seine Araft bewährt, Don seines Schwertes Streichen zersprang manch Lisenband, Es barst der Helm des Gegners und taumelt in den Sand. Sieh! nieder auf den Nacken rollt goldner Haare Strom, Zwei klare Augen leuchten blau wie des Himmels Dom, Drin glänzt auch eine Sonne, so blendend rein und licht, Solch eine deutsche Sonne verträgt der Franzmann nicht. Er stutzt und starrt geblendet, das Schwert entsank der Hand, Als sei aus Gcisterlandcn ein Rächer ihm gesandt; Des Deutschen Schwert doch wettert mit mächt'gem Stoß auf ihn, Jetzt schwinden ihm die Sinne, er stürzt zur Erde hin. ZI Da jubeln all' die Deutschen, da jauchzet Mann für Mann: „Heil deutscher Racheengel! Veil Maximilian!" Der aber wirft van dannen die blutbefleckte Mehr, Und sinkt in seine Kniee und betet: Gott die Ehr'! Entscheidung. Ein Nordland gibt's, da dämmert fahl Zwielicht mondcnlang, Für eine Nacht zu Helle, für Tag zu düster und bang, Und dennoch ist's all' Beides! So auch mit diesein Krieg, Geschlagen beide kseere, und keines hat den Sieg. Und wollte jeden Gefallenen inan legen in einen Sarg, Mürd' im Ardennerwalde fürwahr das ksolz zu karg; Die Thränen, die da flössen, wohl geben einen See, In seine Fluthen tauchte trostloses Liebesweh. Seht ihr die blanken Mauern, drauf sauset Blitz auf Blitz? Das sind Terouanne's Mülle und Marens Donnergeschütz. Mas flirrt in blauer Ferne, wie Waffenglanz erregt? Das sind des Ludwig Schaaren von Lrevecoeur bewegt. Es dehnt sich eine Ebne, wie ein See so weit und glatt, Don Terouanne's Wällen bis gegen Guinegat', Da reitet Max tieffinnend, seine Auge schweift ringsum: „Ein herrlich Feld zum Kampfe, weit g'nug für Schmach und Ruhm! Fast dünk' ein Todtengräber ich mir zu dieser Frist; Denn vor dem Kampf der Feldherr, wenn er das Schlachtfeld mißt, Und jener, wenn er schaufelt, sie denken alle zwei: Ukuß sehn, ob Raum zur Gnüge für meine Todten sei! — .52 — Doch seht dort Frankreichs Banner sich ferne glänzend regen, Auf, laßt zum Aufbruch blasen, und rasch dem Feind entgegen! was sitzen wir vor den Wällen, verpuppt in träger Schanz', Indeß dort frohe Boten uns nahn mit dem Ehrenkranz?" Max sinkt auf seine Aniee, das ganze Leer ihm nach, Auf tausend Panzern goldig der Sonne Gluth sich brach, Mie'nStrahldesGlaubens, der aufwärts aus Menschenherzen fährt, wie 'n Strahl der Gnade, der nieder aus Gottes Äug' sich kehrt. Drommetengeschmetter und Feldruf! Drauf Heer anHeeresmacht! Zusammenxrallt's, wie stürzend sich Berg an Berg zerkracht, Der blasse Tod rief Vivat! und in den Lüften sang Lin Thor von schwarzen Raben: viel Müh', schön Dank, schön Dank! Hier fliegender Äugeln Sausen, dort donnernder Mörser Gedröhn, Hier trunkner Sieger Jubel, dort sterbender Arieger Gestöhn, Zähnknirschen dort und Fluchen, hier brechender Lippen Gebet,— Dort Lrevecoeur: vorwärts Memmen! hierNax: steht, Brüder, steht! Dann ward es wieder stiller, nur Schwerter hört man mahn, Rings Staubgewölk, und Niemand kann, wen er trifft, ersehn; Lin Windstoß nur zeigt Einem die Leichen, die er geballt, Doch auch dein Feind des Siegers, wo dessen Herzblut wallt. Ha, drüben wankt's und taumelt's, gelöst sind Frankreichs Reihn, Schon ruft der Deutsche jauchzend: das Schlachtgefild ist mein! Hui, Frankenmacht ist zerstoben, zersprengt dis mächt'ge Schaar, Und mit der gepflückten Lilie steigt auf zur Sonne der Aar! — Zz — Doch Max denkt, als er Abends durchs wüste Schlachtfeld reitet: „Ist nicht die Schlacht ein Wetter, das tödtend vorüberschreitet? Zwei Wolken prallen zusammen, Blitz zuckt und Donner schnaubt, Drauf rasselt kjagel nieder, das Feld steht saatberaubt. Sei dann gereint, verklärt auch des Aethers frisches Blau, Lrschimmre rings im Laube der junge Dcmantenthau, Glänz' auch der Friedensbogen in buntem Farbenlicht, Belebt er doch die Aehren, die sturmzerknickten nicht." Stimmen. Au Gent aus dem Markte wehten erbeutete Fahnen zur Schau, And Siegesbogen erhöhten sich rings in stolzem Bau, Dor dem Palast der Fürstin da hielt der Siegeszug, Inmitten ein schmucker Krieger, der lächelnd ein Knäblein trug. Ls winken seine Blumen dem Gärtner so freundlich nicht, Wie dem beglückter! Vater des Kindes Augenlicht; Der Jungfrau Bildniß spiegelt ein klarer (Duell zurück, Die Mutter sucht's und sindet's beglückt in des Säuglings Blick. D Max, wie schien dir so herrlich des Glückes Sonnenglanz! Dein Rind hängt dir am Munde,'" am kjauxt der Lorbeerkranz! In deinem Arm die Geliebte, manch treuer Freund dir nah, Wo ist ein höher Beglückter, so weit die Sonne sah! Und Siegesfest und Jubel durchziehn das ganze Land, Und widerhallcnd jauchzt es bis an der Marken Rand, In Burgen und in Städten, in kjenn'gau und Burgund, Da sind die Lilien zertreten, da flattert der Aar zur Stund'. — 54 — Da murmelt Frankreichs Ludwig halb lächelnd in den Bart: „Der Aar ist Zugvogel worden, doch ganz besondrer Art, Die Schwalben und Störche kehren im Frühling wieder nach Saus; Doch seltsam ist's, der Adler blieb bis zum Herbste aus." Doch Max zu Gent, der scherzet bei srohem Siegesmahl: „lvas Wunder, daß im Herbste, bei matterm Sonnenstrahl, Nun Rosen, Nelk' und Tulpen und alle Blumen verglühn? Drum däucht mir's auch natürlich, daß nimmer die Lilien blllhn." Der Liebe Trennung. 1482. Die Reigerbaize. Lenz die Erde wieder im ersten Ruß umschloß, aus Brügge's Thoren ein bunter Jägertroß, viel schmucke Falkoniere sah man zu Rosse ziehn, Und an des Gatten Seite die schöne Herzogin. Ain Arm saß ihr ein Falke. Gb seinem weißen Gewand Ward er bei Hofe scherzweis der Dominikaner genannt, Ein schwarzes Aäxpchen bedeckt' ihn, er trug ein silbern Lollar, Darauf das Wörtlcin: Aufwärts! in Gold zu lesen war. Weit dehnt sich ein Haide, da grünt kein schatt'ger Baum, Nur Dorngestrüppe wuchert zerstreut im öden Raum, Zur Linken lag ein Meiher, des Reigervolkes Bad, Da wäscht es sein Gefieder, sich selber zum verrath. Jetzt rauscht es in den Wellen, es kreischt aus dem Schilf hervor, Dnd rechts und linkshin stiegen verscheuchte Rsiger empor, Vom Arm der Jäger steigen die muth'gen Falken hinan, Gleich wünschen der Menschenseele, so schweben sie himmelan. 58 Und jedes Jägers Auge will mit den Falken ziehn, wie die irr Lüften, stoßend, zur Rechten und Linken fliehn, So sprengen flink da unten die Reiter kreuz und quer, Ls dröhnt die bebende Haide, Staub wirbelt drüber her. Doch sieh, mit flatternder Mähne läuft dort ein lediges Roß, — Wie s schnaubt, wie scheu es blicket! nun sprengt's durch den wirren Troß, kalt an, erfaßt den Zügel! wo sank der Reiter hin? G Gott, dort liegt im Blute die edle Herzogin. Ls lehnt ihr bleiches Antlitz sanft in des Gatten Schooß, So blaß wie Abendwolken, wenn Spätroth längst zerfloß; Ach wie in rother Strömung der Lebensqucll versprüht, wie reich die blut'ge Rose ihr aus dem Herzen blüht! Lin Kinderpaar an der Leiche," das weinenden Lngcln glich, Beugt zärtlich über die bleiche, entseelte Mutter sich; So neigen zwei Rosenknospen, an einem Stamm erglüht, Sich über die Mutterrose, die stnrmentblättert verblüht. Mit traurig gesenktem Köpfchen, im blutgetünchten Gras, Als Tröster ihr zur Seite der Dominikaner saß; Wollt ihr sein Sprüchlein wissen? sie selbst hat ihn's gelehrt, „Aufwärts!" so heißt's und glanzet in Goldschrift unversehrt. Deutung. A)ie eines Mörders Seele, so schwarz und bang war die Nacht, Da ward die Klosterpforte zu Spanheim aufgemacht, Lin Mann, verhüllt im Mantel, trat schweigend über die Schwelle, Schritt durch den Kreuzgang und pochte dann an des Abtes Zelle. 59 wo immer sich Herr Trittheim," der fromme Abt, ließ sehn, Da blieb in scheuer Demut baarhäuptig der Laie stehn, In stummer Ehrfurcht neigten die ersten Doctoren sich, Und unter mancher Kutte pocht' es ganz sichtbarlich. Bei mitternächt'ger Lamps saß nun der heil'ge Mann Und las in Büchern der weisen und betet', schrieb und sann; Da trat herein der Fremde, fast Jüngling an Gestalt, Doch schier ein Greis an Kummer, und so sprach er alsbald: „Ehrwürd'ger Herr! ein König steht flehend nun vor euch, An Ehr' und Land vor Kurzem, so wie an Liebe reich, Doch nun, Vasall auf ewig! Schmerz ist mein König genannt, Schwer ruht auf Haupt und Schultern mir des Tyrannen Hand. Entstehn, ach, ist die Liebe! die Krone nur blieb mein Und bohrt die spitzen Zacken mir nun ins Herz hinein! B Vater! ruft sie hernieder, ruft sie, die ich verlor, Ihr wallt als Freund und Bekannter ja durch der Geister Chor." Da glänzt des Priesters Auge, wie Lieb' und Ernst gepaart, Auf den Talar hin rollet in Fülle sein schwarzer Bart, Auf steht er nun voll würde, ergreift des Gastes Hand Und blickt ihm sauft ins Auge und hat ihn wohl erkannt. Durch stille Klostergänge, wo Echo nur noch wacht, Echritt mit dem Abt der Fremde hinaus in schwarze Nacht, wie 'n Pilger, der sich verirrte in weiter Fürstengruft, Graun schließt sein Äug', die Fackel erlosch im Leichenduft. — In schwarzes Bahrtuch hüllten die Berge den Riesenleib, Der Nordwind ächzt und wimmert, wie 'n altes Leichenweib, Ts rauschen Blätter und Wellen, doch sehn kann sie kein Blick, Manch flücht'ger Hirsch prallt blutend vom Stamm der Eiche zurück. 6o Jetzt standen still die Beiden. Der Abt kniet betend nieder, Urplötzlich flammt's am Himmel, und rasch verglüht ist's wieder, Doch auf dem schwarzen Grunde der sternelosen Nacht Erglänzen licht zwei Zepter in blanker Goldesxracht. „Sieh hin, mein Fürst, und wähle! Vernichtung und Schöpferkraft, Das Grab, so wie das Leben, trägt solch ein goldner Schaft; Mit diesem bewegt der Weise den ganzen Lrdenwall, Mit jenem schlagen Thoren ihr Volk als Federball. Als schlichter Stab strahlt einer, auf daß er zu stützen diene, Fast spitz wie 'n Dolch ist der andre, Blutstropfen seine Rubine, Die Hellen Diamanten versteinerte Thränen nur, Und eingedrückt dem Griffe der Wiithrichskrallen Spur. In jenem Garten, wo reifend der Zeiten Saaten wehn, Wird dieser als dürrer Baumstamm, wohl gar als Schandxfahl stehn, Doch jener als Palme grünen, verschont von Mittagsgluth, Mit blätterreicher Krone, worunter sanft sich's ruht." So sprach der strenge Priester. Die Aepter sind verschwunden! Und wieder, doch nicht lange, hält Nacht das Äug' umwunden; Denn plötzlich flammend steiget ein Stern, gar licht und groß, Ein lächelnd Antlitz neiget hervor sich aus seinem Schooß. — „Sieh, thränenlos und selig glänzt der Verklärten Blick, Denn Schmerz und Thränen ließ sie ja in der Gruft zurück, Die blühn als bleiche Rosen und als Erpressen am Rain, Doch lächelnd blickt von oben ihr selig Äug' auf den Stein. Dich ruft ein kräftig wirken, That heißt des Herrschers Lauf! Aus Thaten bau' ihr Denkmal! ans Werk nun, rüstig, auf! Denn darf ein Blick voll Thränen sich auf zur Sonne wagen? Kann eine Hand, die zittert, wohl einen Zepter tragen? — 6i — Die Zähren euch zu trocknen, zum Handeln euch zu stärken. Die Gluth in euch zu zünden zu menschlich edlen Werken, Das sind die Zauberkräfte, die Gott uns Priestern verliehn. Lei stark, mein Fürst, sei weise, und zieh' gesegnet hin!" Lo sprach voll Ernst der Abbas; der Fürst erfaßt sein Wort, Drückt ihm die Hand und eilet durch Nacht und Nebel fort. Er langte nach der Arone, — wen hat sie schöner geziert? Er faßte kühn das Zepter, — wer hat es besser regiert? Es weinen alle Blumen, wenn Ulorgenroth erglänzt, Es springen alle (Duellen, wenn Lenz ihr Ufer kränzt, Und immer wenn man Ularen Mariens Namen genannt, Barg er sein Äug' und die Thräne, die glänzend drinnen stand. Max und Flandern. 148z—1485. Das Erwachen. Aönigsleue schlummert auf einem Grabe stumm, L Die Mäuse halten Fastnacht und Hüpfen lustig herum. Li, wag' dich nicht zu nahe, du luftiges Gezücht! Entfliehe, denn es schlafen die Löwen lange nicht. SelbstLeu'nsindschwachimSchlummer, drum, Löw', erwache bald! Schon schnaubt der grimme Lber aus dem Ardennerwald," Der sich auf deine Blumen, in deine Saaten warf, Und wetzt an deinen Palmen die blut'gen Hauer scharf. Mach' auf! — hat Rolands Glocke" dich nicht vom Schlaf geschreckt ? Hei, wie zu Gent sie dröhnet und Brügg' und Lüttich weckt! Das deutet Brand! die Flamme des Aufruhrs ist erwacht; Sieh, wie der Franzos die Funken zur Hellen Lohe facht!'° Mach' auf, o Max, und schreite ins blutige Gericht! Und wecken Flanderns Rebellen und Frankreichs Meuchler dich uicht, So krach' es dir in die Ghren mit greller Po^aunenkraft: wach' auf, dein Sohn ist gefangen, dein Sohn ist in enger HaftU" Anast. Grün's Werke III. 5 66 Erwacht ist der Leu; ein Satz nur, sein Ziel hat er erreicht! wie ihm die Mähne lodert, wie rings das Leben erbleicht! Li, du gewaltiger Lber, der Löwe packt doch gut Und düngt jetzt seine Saaten mit deinem schwarzen Blut. Li, Gent, die Mörser donnern doch lauter als dein Roland, Gelt, Franzmann, hast beim kseizen die Finger dir verbrannt? Gelt, meuterisches Flandern, der Aar holt doch sein Lind, Zum sichern Felsenhorste trägt er's durch Sturm und wind! Max vor Dendermonde. wie freundlich winkt dem Wandrer die Festung Dendermond', Wenn sie die blanken Zinnen im Abendgolde sonnt! Dir, Max, winkt sie nicht freundlich, dir sperren Meuter das Thor Und pflanzen ihre Fahnen auf Nauer und Thurm empor. Der Abt von Dendermonde mit seinen Mönchen saß Beim kargen Ulostermahle und leerte Glas auf Glas: „SurZLwus jetzt, Brüder in Lhristo! laßt uns nie müßig stehn, Stets thätig in der Pflicht sein, drum laßt uns spazieren gehn!" Zu Dendermoud' die Aebtissin, das Äug' von Thränen naß, Sankt Abelards Legende mit ihren Nonnen las: „Schön ist der Abend, laßt uns chorsingen heut im Frei'n, Da heulen doch keine Doggen in heil'ge Psalme drein." Die Nonnen und die Mönche, mit Rosenkranz und Brevier, Die wallen hinaus zum Stadtthor, ins grünende Revier. Die Nonnen singen: „G Lhriste, du Bräut'gam süß und traut!" Die Mönche seufzen: „Maria, o komm', du süße Braut!" 67 Und als sie kamen selbander in einen grünen Wald," Da rauscht es in den Zweigen, da brüllt es donnernd: halt! Cs brechen gewappnete Krieger durchs struppige Gesträuch, Den Mönchen klappern die Zähne, die Nonnen werden bleich. Und muthig durch das Dickicht wühlt sich ein schnaubend Roß, Der Reiter, hoch und edel, hält mitten im Kriegertroß: „Ei, Gottwillkommen!" rief er, „habt weiten Weg gehabt. Gott grüß' euch, Fran Aebtissin, willkommen schön, Herr Abt. Euch grüßet Mar von Bestreich; — bin jetzt zwar selbst im Feld; Doch räum' ich gern zur Herberg' heut' Nacht euch Zelt an Zelt. Zwar halt' ich karge Tafel, für Durst und Hunger genug, Doch dampft noch manche Schüssel und blinkt manch voller Krug. Mir geht's nicht grad' zum Besten, drum niöcht' ich mich zerstreuu, Doch lust'ge Mummereien vor Allem mich erfreun; Jetzt kommt mir just so 'n Schwank ein, drum hab' ich mir gedacht: Ihr leiht uns Kaxuz' und Kutten und Schleier für heut Nacht." Den Mönchen wackeln die Bärte, die Nonnen werden roth, Und leis im Thore lispelt's: „Herr, hilf uns aus der Noth!" Doch Max spricht zu den Kriegern: „Ihr Treuen auf und theilt Euch in Kapuz' und Schleier; dann rasch in die Stadt geeilt! Es fahr' in des Abtes Kutte mein Barbanson hinein, Mein luft'ger Rath, Freund Kunze, du sollst Aebtissin sein. Es ist ein närr'scher Feldzug, drum gibt's zu thun für dich; Will's Gott, so seht ihr balde in Dendermond' auch mich!" Echon stehn in Kutt' und Schleier jetzt Mönch' und Nonnen gereiht. DKe läßt so stattlich Kunzen das falt'ge Nonnenkleid! kiud als die schöne Aebtissin den Schleier ihm umgehängt, Da dackt' er sich so Manches, was so ein Narr sich denkt. 5* 68 Zu Dendermond' auf dem walle, da steht ein Mann zur wacht, Der lehnt am Speere, singend hinaus in die Vollmondnacht: „Line Affe und ein Pfaffe, der Reim paßt gut und fein, Ls liebt ja Pfaff' und Affe die Dirnen und den wein." „„Ho, ho, verbrenn' dir der Donner den ungewaschnen Schlund' Ist das dein Nachtgebetlein? — Schließ' auf, du Lästermund!"" So rief der neue Abbas vor Dendermonde's Thor, And ungeduldig brummten die Nonnen rings im Thor. „Verzeihung! ah, Herr Abbas! — Doch seltsam, traun, ist das: Heut flucht der Abt wie 'n Mörder, die Aebtissin spricht im Baß." Der Wächtersmann, kopfschüttelnd, der lispelt still die Worte; Die eh'rnen Angeln knarren, und offen steht die Pforte. ,,Li, willst dein Sperrgeld, Bursche? du singst gar schön und rein, Drum will ich ein Lied dich lehren, es klingt zwar eben nicht fein, Doch ist's ein frommes Liedlein, bringt flugs dich ins Himmelreich." So rief die Frau Aebtissin und schwang das Schwert zum Streich. Hei, wie die Schwerter sausen, wie's durch die Straßen eilt! wie Sturmgcläut' und Feldruf wild durcheinander heult! Nie führten Nonnen, wie heute, so derben kräft'gen Streich, Nie warben so viele Seelen die Mönche dem Himmelreich! Vor'm Thor dröhnt die Drommete, es scharrt wie Rossehuf, Ls schmettern und wirbeln die Trommeln. Ha, Max, das ist dein Ruf! willkommen in Dcndermonde! Laß hoch dein Banner wehn Und siegverkündenS hernieder in alle Lande sehn! Am Morgen ruft der Sieger zu sich der Meutrer Haupt: „Willkomm'! hält' euch zu sehen so bald noch nicht geglaubt! Merkt euch's: wir kamen als Priester, als Rächer nicht, herein, Und Amt des Priesters ist ja versöhnen und verzeihn!" Guter Ausgang. Was schmettert die Trompete? Das ist der Fritz von Horn: „Nein Fürst, ich habe gebändigt des grimmen Ebers Zorn." Wer naht mit fliegenden Fahnen? von Nassau Herr Engelbrecht: „Nein Fürst, die Banner nahm ich dem Franzmann im Gefecht." Was deutet der Ruf der Glocken, der von den Thürmen klingt? Stadt Gent auf sammt'nem Rissen die goldnen Schlüssel bringt. V Max, was glüht dein Antlitz, was zittert dein starker Arm? Dein Sohn hängt dir nun wieder an Mund und Busen warm! Glück auf! Wie reich vom Auge der Freudenqnell ihm springt! Wie er das Rnäblein küsset, wie froh er's herzt und schwingt! „Ei, Bube, sag', was glänzt dir am Haupte wie Heiligenglanz? Sind's deines Vaters Thränen? ist es dein Perlenkranz?" „Lin Narre darf nicht weinen!" denkt Runz im Hintergrund; Doch eine salz'ge Thräne rinnt ihm dabei in den Mund. „Singt einst von unfern Thaten ein Sänger sein Gedicht, Fehlt's doch dem Gauch an Thränen und Rührung inind'stcns nicht." Maximilian, römischer König. 1486. chwer auf dem morschen Haupte liegt mir die goldneKron'; Duwirstsie leichter tragen, mein Max, mein starker Sohn! Das Zepter, zitternd in meiner, ruht fest in deiner Hand. So dachte der alte Kaiser, — so dachte das ganze Land. Zu Aachen irr dem Dome, da wogt's in Seid' und Sammt, In Infuln und in Helmen, beim ersten Krönungsamt, Da troff vom heil'gen Gele die Stirne Maxeus verklärt, Da trug er in würd'gen Händen des großen Larols Schwert. Don Köln der greise Bischof vor dem Altäre stand; Wie '71 treuer Freund, so schüttelt ihn: sonst das Alter die Hand, Doch fest und ohne Zittern faßt er die Krone jetzt, Er weiß ja, daß noch Niemand auf bessern Drt sie gesetzt. Die Drgel ist verklungen. — Im hohen Kaisersaal, Da sitzen die Herren und Fürsten beim heitern Kröuungsmahl; Aus Silberurnen rieselt der kühle Mein hervor, Und blaue Wölkchen kräuseln aus goldnen Schüsseln empor. 74 Der Pfälzer schwang den Becher und scherzend bub er an: „hoch, Vater Rhein! Ihr Herren, wer ist's, der's rühmen kann, Er seh' solch edles Kleinod in seinem Lande stammen, Das so, wie meine Reben, die Herzen mag entflammen?" Da priesen in der Runde die Fürsten Thron und Reich, Der alte Kaiser Friedrich pries hoch sein Besterreich, Von Köln der greise Bischof rühmt seinen Riesendom, Der Baier seine Fluren und seinen blauen Strom. Aus Sachsenland Herr Albert,^ der nahm nach ihm das Wort: „Ls blitzt als Gold und Eisen in dunklem Schacht mein hort, Das Gold lehrt unsre Weiber, so lauter und so rein, Das Eisen unsre Manner, so stark und treu zu sein." Drauf sprach der würtcmberger, Graf Eberhard im Bart:^ „Zwar sprießt in meinen Gauen kein Kleinod solcher Art; Doch kam' im tiefsten Walde mir Lust zu schlummern an, wär' jeder Schooß mein Kissen, drauf sanft ich schlafen kann." Einst hätt' in solchem Wettstreit Max auch ein Wort gebracht, Jetzt hüllt die schwarze Erde, ach, all sein Glück in Nacht; Drum blieb auf seine Lippen ein düstres Schweigen gebannt, Doch leis und innig drückt' er des würtembergers Hand. Thron und Dreifuß. - Die Zünfte. Brügge's saßen bei Karten, Wein und Lied, Da saß der braune Schiffer, der Färber und rußige Schmied, Der Genterschnster Kopp'noll gesellt als Gast sich zu, Er sprach im Rath am laut'sten und machte schlechte Schuh'. Der Schuster rief: „Ihr Herren, wißt ihr das Neu'ste nicht? Zu Lichtmeß kommt der König; Gott geb', cs werde Licht."' Indeß der Färber heimlich guckt in die Karten dem Schmied, Und murmelt dabei halb leise das alte schöne Lied: „Lin Königlein gab's einmal — wollt' sagen ein Mnrmelthier — Geschäftlos war es keinmal, schlief Nachts und Tages schier! Des Nachts, weil's Mod' im Leben zu schlafen bei der Nacht, Und Tages, weil dieß Schlafen es miid' und matt' gemacht." Ls sprach der Schmied inzwischen: „Den Mar, den Haff' ich nicht, Lin wackrer Kerl ist's immer; — doch ach, sein Hofgezücht! Mit derben Lisenhufen beschlagen sind die Herrn, Und auf des Volkes Leichdorn spazieren und tanzen sie gern!" 78 Der Schuster, pfiffig schmunzelnd, klopft'auf die Achseln dem Mann: „Lin Pärlein neue Stiefel! gern maß' ich's ihnen an!" Jetzt schlug auf den Tisch der Färber und brüllte jubelnd drein: „ka, Vivat Lichelkönig! der Schellenbub' ist mein!" Da schmiß im Zorn der Schiffer die Karten an die Wand: „Tin gotterbärmlich Leben ist's doch bei euch zu Land'! verdammt! sticht doch den Buben der König immer wieder!" Aufsprangen All', es tobten die polternden Stühle nieder. Ls ries der Schmied: „So 'n Zepter ist doch ein elend Ding! Zum Meisterxrobstück wär' mir solch Machwerk zu gering!" Der Färber sprach: „Mir modert manch rother Fetzen zu Haus; Hing' er auf des Schusters Dreifuß, nähm' gut als Thron er sich aus." Sein Haupt bedächtig schüttelnd, mit hochgewichtigem Sinn Stand Koppenoll, der Schuster, und murmelt vor sich hin: „Resxublica stieß jüngsthin sich in den Schuh ein Loch, Doch Meister Kopp'noll denket, es sei zu flicken noch. Ihr Herrn! wer gibt das Zepter den Königen in die Hand? Der oben im Himmel herrschet, denn er schuf auch ihr Land! Das Niederland doch schufen wir selbst durch Menschenkunft, Drum wählen wir auch den Herrscher aus eigner Macht und Gunst." „„Bravo, du wackrer Meister! du sollst uns Führer sein!"" So fielen jetzt im Thore die Andern brüllend ein, Und taumelten aus dem Thore, und stürmten auf den Thurm, Und rifien an allen Glocken, und lärmten heulend Sturm. Schon sieht man auf dem Markte der Zünfte Fahnen wehn, Und unter ihnen versammelt die Aunftgenossen stehn! Lrst dumps begann's zu murmeln, bis endlich laut es scholl Vom Mund des Volks und der Häupter: „Sei Führer, Koppenoll!" 79 Drauf tobt's dürch Platz' und Straßen und singt und beult und droht, Und wirft die Königssäulen zertrümmert in den Koth; Da flog manch eisern Zepter, manch Haupt mit zerschlagener Stirn', Manch steinerne Herrschernase, manch hölzern Königshirn. Warnung. AufFlanderns Fluren liegt noch des winters Mantel von Schnee. Drauf glänzen wie Silberverbrämung Kanäle, Weiher und See. Und Briigge's Thiirme und Zinnen erschimmern in blauer Fern', wie auf dem weißen Mantel ein goldgestickter Stern. Da ritt ein Zug von Männern, tief in die Wämser verhüllt, Die Bärte vom Reife perlend, durchs knisternde Schneegefild. An König Maxens Seite trieb Kunz manch lustigen Scherz, Ihm weinte vor Frost das Auge, ihm lachte vor Wärme das Herz. Da schaute gerührt der König die Flur, die vor ihm lag: „Seht, welch gewaltiger Zeuge, was Neuscheukunst vermag! Da liegst du wie im Brautschmnck, mein liebes Flandernland, Im weißen Schlummerkleide, umgiirtet vom Silberband." Drauf Kunz: „Ja, ja, da liegst du wie eine Dirne der Stadt, 2o ohne reizende Hügel, so flach, so glatt und platt, Den Gürtel etwas locker, geschmückt bei Nacht und Tag, Und findest doch deinen Buhlen; Beweis, was Knust vermag! All' jene Seen und Lachen hast du zu Spiegeln da, Die alten Jungfern brauchen gar viele Spiegel ja! Zum Glück sind sie gar winzig, von etwas trübem Glanz, Denn sonst erschräk'st du selber, sähst du dich treu und ganz. 8o Und eine Sprache lallst du, wie ein wälscher in Deutschland spricht, Sein WLlsch hat er vergessen, und Deutsch erlernt' er nicht; — Als gute Hausfrau segst du stets Speicher und Scheuern rein, Und, sie nicht zu bestäuben, führst du kein Korn hinein. Und ach dein Keller, o Jammer! wie ein wäss'rig Trinkgcdicht, vor lauter Wasser findet heraus den Wein man nicht. Mein Derr und König, ich dächte, ihr ließt die Dirne sein, Ls heißt, wen sie umarme, dem krache Ripp' und Bein. Denkt nur des alten Recken — die Mähr' ist euch bekannt — Der schlief bei einer Dirne einst im Philifterland, Da stahl sie ihm bei Nachtzeit den schönen goldnen Zopf! Bei Jungfer Flandria, däucht mir, gilt's gleich zum Schopf den Kopf." Darauf ihn schalt der König: „Li laß den Grillenfang! Dem eidgetreuen Fürsten sei vor Gefahr nicht bang; Dann strahlt sein Wort und Glaube als Leuchte durch die Nacht, An seinen goldnen Pforten steht dann die Treu' als Wacht." „Narr bin ich und Junggeselle, so trug ich nie die Kron', Drum ward solch hohe Lrkenntniß bis jetzt mir nicht zum Lohn; Doch, denk' ich, sei's wohl besser, ein freier Narr zu sein, Als ein gefangner Weiser, und König obendrein. Item, es lebt ein Sprichwort auf jedem Mund im Land: Laßt kochen der Mönche Keuschheit,, verliebter Leute verstand, Als Brüh' gießt Junkerdemnt und Flämmlingstreue drauf, Gobt's einer Milbe Zum Imbiß, so steht sie nüchtern auf. Nicht lustet's mich, Genosse im Kerker euch zu sein, Darum lebt wohl, mein König, und denkt der Warnung und mein! Mein lieber Max, o höre den Ruf, den Treue spricht, Noch einmal fleh' ich, wandle durch Brügge's Pforten nicht!" 8i So sprach der von der Rosen. Max schüttelt die finstern Brau'n, Doch als durchs Thor er einritt, faßt ihn ein heimlich Grau'n; Die Ahnung rasch bekämpft' er und trat ins Fürstenhaus, Der Kunze aber sprengte zum andern Thor hinaus. Die Kran en bürg. Isterr Koxpenoll im Rathhaus schrieb sich die Finger matt, Dann rief er seinen Buben: „Komm', Bursche, nimm dieß Blatt, Zu Herren Maren trag' es, dazu noch meinen Gruß." Der Knabe neigt sich in Ehrfurcht und eilt auf schnellem Fuß. „Dieweil zwei Sonnen am Himmel zugleich nicht können stehn, Muß, weil jetzt steigt die eine, die andre nntergehn; Und ist der Aar in Freiheit, raubt er nach Adlerbrauch, Drum sorgten wir Volk von Brügge für einen Käfig auch." So stand es in dem Blatte, das Max nun lächelnd las, Drauf, wie ein rother Meerkrebs, der Zünfte Siegel saß, Darunter Kopp'nolls Name in krummen Schnörkeln stand, Umkränzt von schwarzen Molken, den Spuren der Schustcrband. „Es ist just Larnevalszeit, drum freut cu'r Schwänkchen mich." 2o sprach der Fürst zum Boten, doch still spricht er für sich: „Stellt nur an euren Himmel kein thranig Lampenlicht! Gebt Acht, daß nicht der Adler des Käfigs Stäbe bricht!" Drauf zog er in seinen Kerker, die Kranenburg heißt das Haus, Des Gstens Gewürze feilschte sonst hier ein Krämer aus. von Balsam, Myrrh' und Ambra qualmt Kammer noch und Luft; Hier lernte der junge König zu würd'gen den Meihrauchduft. Anast. Grün'; Werke III. 6 82 Jetzt herrscht das Volk zu Brügge. Still stehen die Gewerbe, Der Gerber mutz regieren, wann bleibt ihm Zeit, daß er gerbe? wie soll der Kreimer vereinen den Zepter und Lllenstab? Der Todtengräber nur wetzet, wie sonst, den Spaten am Grab. Der treue Diener. Einst als in tiesem Linnen Mar durchs Gefängnitz schritt, Pocht's an die Pforte schüchtern und naht mit leisem Tritt; vermummt in die braune Kapuze, den Rücken gebückt und krumm, Stand jetzt ein Mönch im Zimmer und sah sich bedächtig um: „Gott ist ein Brillenschleifer, hat Gläser hell und blaß, wir Menschen sind die Käufer; der Eine sieht trüb durchs Glas, Den Andern kneipt's in die Nase, rein zeigt's dem Dritten und klar; Die grüne kioffnungsbrille bring' ich, sein Knecht, euch dar. " „„Macht's kurz, kserr Pater! — Doch seltsam, verzeiht, und zürnet nicht, Mir dünkt, die Kutte passe zu eurem Schalksgesicht wie Lenz und starrer Winter, wie Lachen und Weinen zugleich, wie eine Rose, blühend am Pfaffenkäxpleingesträuch."" „Lrrathen, mein lieber Mare, der von der Rosen ist da, Lu'r Kunze steht euch rettend im Mönchsgewande nah!" „„willkommen, Bursche, willkommen, du edles, treues Blut! Doch sprich, wie um die Kapuze gabst du den Schellenhut?"" Da fliegt an den ksals des Königs der lust'ge Pater jetzt, Li, wie er ihm Brust und ksände mit warmen Thräncn netzt! Sein Antlitz frisch und fröhlich aus der Kapuze nickt, wie ein rothes Alpenröslein aus schwarzer Lrde blickt: - Sz - „Was Wunder? Lin Mönch und Schalksnarr kein selten Paar ist dieß, verspürt ein Mönch das Jucken, kratzt sich ein Narr gewiß; Sie trinken aus einem Glase, und theilen Bett und Gemach. Ihr folgtet nicht dein Narren, gebt nun dem Mönche nach. Ich kam, euch zu befreien. Schon jüngst bei kalter Nacht Schwamm ich durch das Gewässer, das diese Mauern nmwacht, Da klatschten die Schwäne die Flügel und schnatterten so grell, Als wäre jeder aus ihnen ein flämischer Rebell. Drauf in Francisci Kloster sprach ich beim Prior ein, Der trinkt euch zu Ehren täglich ein halbes Fuder Wein, Er hat, nebst Gruß und Segen, euch dieses Kleid bescheert Und einen gesattelten Frater und ein psalmirend Pferd. Nach Middelburg nun reitet zu Kaiser Friederich, Dieß Brieflein euch zu bringen sandt' er von dannen mich; Sein Heer fliegt euch zur Rettung mit Sturmesungestüm, Die Herren von Baiern und Sachsen und Brandenburg mit ihm. Wir tauschen Rock und würde, das Haupt scheer' ich euch glatt, Einstweilen nehmt die Haarkron' an goldner Krone Statt. Wie sollen die Flämmlinge schauen, wie will ich vor Lachen mich winden, Wenn sie den König suchen und einen Narren finden!" Da sprach gerührt der König: „„Dank dir, du treuer Kumpan! Ich weiche nicht von hinnen. Gar klug zwar ist dein Plan, Doch ziemt wohl einem König solch Fastnachtsmummenkleid? Als Segel dien' ihm Klugheit, als Ruder Frömmigkeit!"" „Gemach, mein lieber König! da fällt mir ein Märchen ein: gingen Fromm und Klug einst in eine Schenke hinein; Der Fromme schenkt manierlich in Beider Gläser den Wein, Der Kluge aber xossirlich säuft beide Gläser rein. b* 84 Du bist zu fromm, mein König, für dieses Flämmlingsgezücht. Komm, nimm die Kutt', ich wette, sie läßt dir so übel nicht! Schnell, Frater Maximiliane, zeigt der Tonsur euch werth, Auf, tapfrer Franciseaner, wohlauf, zu Pferd, zu Pferd!" „„Spar' deinen Athem, Bursche!"" so brauste Mar jetzt drein, „„Das Wort, das ich gesprochen, steh' fest wie Marmclstein! Ich schwur den Lid, zu bleiben, es ist ein Königseid! Leb' wohl, getrost mein Treuer, die Rettung ist nicht weit."" Noch flehte Kunz, — vergebens! sein Blick bat flehentlich, Darauf verzog's ihm die Lippen, halb bitter, halb weinerlich, Und zwischen den Zähnen murrt' er: „Ach, ahnt'.ich doch den Sparren! Wer nun hier sucht den König, der findet wohl einen Narren." Frühlingsbotschaft. 2^1ar steht am Gitterfenster. Weit über den Zinnen der Stadt Lag wieder im Friihlingsxrangen die Ebne grün und glatt, Da setzte sich aufs Gitter ein freies vögelein Und sah zum gefangenen König sorglos und ruhig herein. „G Mar, siehst du's in der Ferne dort schimmern weiß und licht? Das sind des Lenzes Blumen und seine Blüthen nicht! Das sind Paniere und kselme! Dein Vater Friederich Bringt sie von fern für Flandern, als Frühlingsgabe, mit sich. Was taucht dort aus der Fläche wie junge lhalme hervor? Das sind nicht schlanke Aehren, die Frühling trieb empor! Die lhalme heißen Speere, und ihre Blüth' ist roth, Zur Ernte an jeder Aehre hängt einst als Frucht der Tod." 8Z Der König aber errieth nicht, ob so das Vöglein sang, Gb tief im eignen Kerzen das süße Trostlied klang. Doch wie ein Kranz von Rosen sinkt auf ein düstres Grab, So sank jetzt Ruh' und Friede mild auf sein kserz herab. Am Marktplatz standen die Zünfte; da stürmte vom Thnrme nieder kerr Kopp'noll, bleich im Gesichte, ihm zitterten alle Glieder, Nach ihm der Thürmer brüllend: „Lauft, wer noch lausen kann! Zahllos wie Fliegen im Sommer rückt Deutschlands kseermacht an! Die Kerle sind von Brügge kaum eine Meile weit, Und haben Knochen wie Gäule, und Schwerter wie Ruder breit, Und Bärte wie Tannenäste. Für uns bringt jeder Mann B weh, einen hohen Galgen! Drum laufe, wer lausen kann!" Da rannten die Zunstgenossen und rannten einander nieder, Und liefen nach den Waffen, und standen und liefen wieder, Und murmelten durch einander, bis endlich laut es scholl vom Mnnd des Volks und der ksäupter: „Laßt hängen den Koxpenoll!" Der König und der Schuster. „5iehda,kjerrMeister, willkommen! ksätt'euch bald nicht gekannt, Denn seit mit Kron' und Zepter ihr obherrscht diesem Land, Ist eure Nase röther, gewölbter die Augenbraun Und euer Antlitz blutig, wie Sturmgewölk, zu schaun." So scherzte Mar gen Kopp'noll, der halb noch im Prachtornat, kalb schon im Zunftgewande, in das Gefängniß trat. Erst schweigend stand der Meister und seufzte still und tief, Doch endlich hob er kühner das Angesicht und rief: 86 „„Manch Herrscher Roma's tauschte das Zepter um den Pflug, Den Mosler im Goldxokale um Wasser in irdenem Krug, Das edle stolze Schlachtroß um Ackergaul und Schwein. Soll minder groß als der Römer, der Genter Aopp'noll sein!? Mein Fürst, zu euren Füßen leg' ich nun Thron und Reich, Und euer treu'ster Diener steh' ich, wie sonst vor euch. So wie der singende Rogel seid frei der Haft ihr wieder, Nur blick' auch euer Auge auf uns verzeihend nieder."" „Herr Meister, wenn ihr Vögel sperrt über Winter ein, Dann singen sie zur Lenzzeit wohl doppelt schön im Frei'n; Doch sang' ich euch das Liedlein, gelernt in eurer Lehr', Beim Himmel, ihr sängt und hörtet kein andres Liedlein mehr! Seht, Freund, des Schusters Arbeit ist nur für Fuß und Bein, Drum muß, wo Schuster herrschen, das Reich getreten sein; Ihr wollt Verzeihung? Ihr sagt ja, ihr seid ein edler Mann, Drnm streb' auch Max, daß bald er mit euch sich messen kann." „ „Habt Dank, mein Fürst! Noch bitt' ich, daß Eins gewährt mir sei: Braucht ihr einst Lederarbeit, geht nicht an mir vorbei; Denn wieder kehr' ich zur Ahle, zu Gent seht ihr mein Haus, Und eine zerbrochene Rronc hängt dran als Schild heraus."" „Wohl, Meister, ich will's gewähren; erst aber zum Probestück Macht einen langen Riemen, doch sei er fest und dick, Aus gutem starkem Leder, und daß er ja nicht sprengt, Wenn man in Zukunft einmal vielleicht daran euch hängt." Jetzt schritt an Aopx'nolls Seite der Aönig ans dem Haus, Da brach das Volk auf den Straßen in lauten Jubel aus. Mar aber sah noch einmal zu seiner Haft empor, Und eine Marmortafel erblickt' er ob dem Thor. 87 Drein hatten jüngst die Meutrer gegraben ein Spottgedicht, Mar las es laut, drauf sprach er mit lächelndem Angesicht: „Warum schriebt ihr's lateinisch? Das ist für Mönch' allein, Und so was, lieben Leute, soll doch für Alle sein." Willkomm und Abschied. ^m deutschen Lagerfelde sprang Max vom schäumenden Roß, Mit glänzenden Augen grüßt' ihn der Krieger bunter Troß. An seinen Busen flogen die Fürsten im Kriegsgewand, Wie that so wohl ihm wieder ein Druck von deutscher kand! Ausbreitet der alte Kaiser nach ihm den zitternden Arm, Ha, Friedrich, schließ' ans Kerze den Sohn nun fest und warm! Ei was zerdrückst du die Thräne, die aus dem Ang' dir gewollt, Bist du so geizig mit Thränen, so wie du's bist mit Gold? Da sprach nun Mar zum Ureise: „Mein Vater und ihr Herrn, Eins bitt' ich: Laßt ob Flandern erglänzen des Friedens Stern! Wie einst der Frevel, pilgert jetzt Reue durch das Land, Und Reue windet der Rache das Schwert ja aus der Hand." „„Mein Fürst, ihr seid zu müde, gerächt muß Deutschland sein! Wir stehen All' für Einen, wie Einer für Alle ein!"" 2o brauste Albert der Sachse. Wie's ihm vom Auge flammt! Hätt's allen deutschen Fürsten stets so vom Äug' geflammt! „Wohlan!" ries Mar nun düster, „ihr Freunde lebet wohl! Auf, meine Getreuen! wir ziehen ins freundliche Tyrol, Zwar heißt's ein Bauernkittel, doch lernte schon mancher Mann, Daß in den rauhen Falten man's Herz recht wärmen kann. — 88 — Denn nicht zerstampfe die Saaten des eignen Lands mein Pferd, Don meines Dolkes Blute sei rein mein gutes Schwert! So zieht denn hin, ihr Fürsten! Doch schont die Bürger im Land! Denn wahrlich, sie sind die perlen in meinem Kronenband." „„Ja wohl, mein Akar; doch Perlen sind jetzt ein theurer Kauf, Drum knüpft' ich diese Perlen an einem Schnürlein auf."" So rief nun Kunz und guckte im Kreis der Fürsten heraus, Als ob's: „vergiß-mein-nicht!" riefe aus vollem Tulpenstrauß. Die Martinswand. illkommen, Tyrolerherzen, die ihr so bieder schlagt, Willkommen, Tyrolergletscher, die ihr den Himmel tragt, Ihr Wohnungen der Treue, ihr Thaler voller Duft, Willkommen, CZuellen und Triften, Freiheit und Bergesluft! Wer ist der kecke Schütze im grünen Jagdgewand, Den Gemsbart auf dem Hütlein, die Armbrust in der Hand, Deß Äug' so flammend glühet wie hoher Aönigsblick, Deß Herz so still sich freuet an kühnem Jägerglück? Das ist der Max von Habsburg auf lustiger Gemsenjagd. Seht ihn auf Felsen schweben, wo's kaum die Gemse wagt! Der schwingt sich auf und klettert in xfeilbeschwingtem Lauf! Hei, wie das geht so lustig durch Aluft und Wand hinauf! Jetzt über Steingerölle, jetzt Uber tiefe Gruft, Jetzt kriechend hart am Boden, jetzt fliegend durch die Luft! Und jetzt? Halt ein, nicht weiter! jetzt ist er festgebannt, Aluft vor ihm, Aluft zur Seite, und oben jähe Wand! Y2 Der Aar, der sich schwingt zur Sonne, hält hier die erste Rast, Des Fittigs Rrast ist gebrochen und Schwindel hat ihn erfaßt, wollt' einer von hier zum Thale hinab ein Stieglein bann, Müßt', traun, ganz Tyrol und Steyer die Steine dazu behaun. Wohl hat die Amm' einst Maren erzählt von der Martinswand, Daß schon beim leisen Gedanken das Äug' in Nebeln schwand. Jetzt kann er's sehn, ob dem Bilde sie treue Farben geborgt, Daß er's nicht weiter xlaudre, dafür ist schon gesorgt. Da steht der Kaisersprosse, Fels ist sein Throngezelt, Sein Zepter Moosgeflechte, an das er schwindelnd sich hält; Auch ist eine Aussicht droben, so schön und weit zu sehn, Daß ihm vor lauter Schauen die Sinne fast vergehn. Tief unten ein grüner Teppich, das schöne Thal des Inn, Wie Fäden durchs Gewebe ziehn Straß' und Strom dahin; Die Bergkolosse liegen rings eingeschrnmxft zu kraus Und schaun, wie Friedhofhügel, zu Maren mahnend auf. Jetzt stößt er, Hülfe rufend, mit Macht hinein ins Horn, Daß es in Lüsten gellet, als dröhnte Gewitterzorn; Tin Tenselchen das kichert im nahen Felsenspalt: Ls dringt ja nicht zu Thals des Hülferufs Gewalt. Ins Horn nun stößt er wieder, daß es fast platzend bricht. Ho, ho, nicht so gelärmet! Da Hilst das Schreien nicht, Denn liebte ihn sein Bolk nicht, was er auch bieten mag, Herr Max, er bliebe sitzen bis an den jüngsten Tag! was nicht das Ghr vernommen, das hat das Äug' erkannt; Die unten sahn ihn schweben auf pfadlos steiler wand. Gebet und Glocken rufen für ihn zum Himmelsdom, Bon Uirchc zu Kirche wallfahrt der bange Menschenstrom. yz Jetzt an dem Fuß des Felsens erscheint ein bunter Lhor, Ein Priester inmitten, weisend das Sakrament empor, Mar sieht nicht das bunte Wimmeln auf ferner Thalesflur, Er sieht das blitzende Glänzen der Goldmonstranze nur. „Fahr' wohl nun, Welt und Leben! Schwer fällt der Abschied mir. G unerforschlich Wesen, du winkst, ich folge dir! Ich schien ein Baum voll Bliithen, dein Blitz hat ihn erschlagen; Ach gerne hätt' er srüher noch süße Frucht getragen! Ich schien ein Bauherr, thürmend den Dom zu deinem Ruhm. Nicht durst' er ganz vollenden der Liebe Heiligthum! Ein Priester, plötzlich stürzend todt an des Altars Stufen, Er hätte gern erst Segen noch übers Volk gerufen! So mag dieß Herz denn brechen, von Lieb' und Segen voll, 5o modre nun mein Busen, der thatenschwauger schwoll, verwelke, Hand, denn nimmer krönt' deine Müh' Gedeihn! Nur Gottes bester Engel kann hier mein Retter sein!" Er spricht's und hebt zum Himmel nun Angesicht und Arm, And in die Knie sinkt er und betet still und warm, Da klopft's auf seine Schulter, er fährt erschreckt empor, „Komm heim, du bist gerettet!" so ruft es an sein Ghr. And einen Bergmann sieht er froh lächelnd vor sich stehn, Der faßt ihn fest beim Arme und winkt ihm fürder zu gehn; Mit Leitern, Stahl und Seilen wird kühn ein Pfad gebahnt, wo Maxens Fußtritt strauchelt, stützt ihn des Retters Hand. Der lädt ihn auf den Rücken, wo Klüfte schwindelnd dröhn, Wohl sind der Treue Schultern des Fürsten schönster Thron! Rasch geht's zn Thal, wo jauchzend Tyrol empfängt die Zwei, Kein Spötter kann belächeln die seltne Reiterei. 94 Wohl kündet uns die Lage aus grauer Ahnenzeit von einem lhimmelsbotcn, der schützend ihn befreit. Ja, wohl ein Engel war es, ein Schutzgeist stark und kühn, Des treuen Volkes Liebe, so nennt zu deutsch man ihn. Lin Kreuz auf hohem Felsen blickt nieder in das Land And zeigt den Grt, wo bebend einst kiabsburgs Sprosse stand. Noch lebt die edle Kunde und jubelt himmelwärts Aus manchen Sängers Alunde, durch aller Tz'roler bferz! 2Nax vor Wien? Das Wiedersehen. eines Hügels Fläche, genannt der Wicnerberg, Steht eine graue Säule mit krausem Schnörkelwerk; Die Spinnerin am Kreuze heißt sie seit alten Tagen, Die heut nach sie umrauschen in alten, dumpsen Sagen. Noch heut zu Tage fühlet der Wandrer, der hier steht, Don süßen, heil'gen Schauern sich zaubervoll umweht, Und wie ein goldner Adler mit klingendem Gefieder Senkt sich vom hohen Aether Begeisterung auf ihn nieder. Denn herrlich, unermeßlich in Pracht und Größe lag Die alte Stadt der Kaiser mit einem Zauberschlag, Rings grüne Höhn und Wälder, Strom, Auen, Saatengold, Wie Gottes Segensbulle vor ihm nun aufgcrallt! Rund um das Meer von Steinen, hier sanft durchs Thal gedehnt, Ruf Bergen, grünen Flächen, an Hügel dort gelehnt, Rapellen, Dörfer, Schlösser, zerstreut im grünen Rasen, Wie weiße Lämmer, die seitwärts der großen Heerde grasen. Anast. Grün's Werke III. 7 — y8 — Und reges, frohes Murmeln, dumpf rasselnder Karren Klang Und Glocken von hundert Thiirmen, Gejauchz' und Iubelsang, In tausendfält'gem Echo klingt's plötzlich auf zu dir, Als rief ein einz'ger Hymnus: ein glücklich Volk lebt hier! Leis' zitternd unter den Zohlen fühlst du die Grde beben, So kräftig stampft den Boden dort unten Freud' und Leben! In leiser Schwingung rieseln ums Haupt die Lüfte dir, Zu deinem Herzen flüsternd: ein glücklich Volk lebt hier! Nicht so zu Muth war's Maren, als er auch hier einst stand Und feuchten Auges blickte hinab auf Stadt und Land, Mit ihm zu Fuß und Rosse ein hochgewaltig Heer, Mert strahlend Helm und Panzer und Banner, Schild und Speer! Wohl sieht er jetzo wieder den hohen Riesendom, Die Mauerkoloss' und drüben den blauen Donaustrom, Der um die Stadt der Treue die schimmernden Fluthen schmiegt, Wie eines Magus Schlange zur Wacht vor'm Schatze liegt. Fern sieht er jetzt auch wieder die graue Burg der Ahnen, Wohl macht' es, sie erschauend, ihn bessrer Zeiten mahnen, Doch wo die Fahne Habsburgs dem Frieden einst geweht, Das Kriegesbanner Ungarns wildslatternd nun sich bläht. Und rings die weiten Felder, — jetzt stehn sie wüst und leer, In vollen Saaten rollte sonst hier ein goldnes Meer: Fand schnell noch Zeit der Schnitter, der Aehren Frucht zu schneiden? Ha, oder ließ der Ungar sein stampfend Roß drauf weiden? Sieh, Hügel grünt an Hügel, den blauen Strom entlang, Sonsthängtdort Traub' an Traube, sonst hallt dort Sang und Klang: Kein Winzer will jetzt lesen, und wenn er's heimlich thut, Ist's still bei Nacht, denn stehlen muß er das eigne Gut. — yy — Ringsum auf allen Hügeln stehn Kirchlein blank und weiß, Geläut' und Lied verstummten, nur drinnen wimmert's leis; Dank, Dank allein klang sonst hier zu lust'gem Glockenwehn, Frei war das Volk und glücklich, es brauchte nichts zu erstehn. Lmporsteigt Jammer auf Jammer und rauchend wölk' auf Wolke, Als rief's hinan: (!) nahe, Erlöser, deinem Volke! Und flammend klingt die Antwort aus Ukaxens Brust zurück: „Bald soll Erlösung werden und Freiheit dir und Glück! Mein Bestreich, herrlich Bestreich, wo gleicht dir noch ein Land? Du trägst als Schild die Treue, — halt' fest den Schild von Demant! Und Segen ist der Aether, der über'm Haupt dir rollt, Und Silber deine Straßen, und deine Berge Gold! Sei mir gegrüßt, mein Bestreich; doch ach, welch Wiedersehn! In deinen Thälern Elend, und Elend auf den Höhn, Der Dörfer Rauch dein Aether, und deine Ströme Blut, Dein einzig Lied Verzweiflung, doch Treue dein einzig Gut! Und du, Stadt meiner Väter, mein Wien, welch Wiedersehn! Sieh blutgetränkte Banner von deinen Zinnen wehn! Und ach, ich selbst, statt lächelnd des Friedens Kranz zu bringen, Uiuß wild um deine Thürme den prasselnden j)echkranz schlingen. Du littest und wirst viel leiden, doch fallen wirst du nicht. Der Leiden Kerker wölbt sich zum Frendendom' einst licht. D daß dich Lohn bald kränzen für Kraft und Treue mag, Und aus der Nacht dir glänzen ein langer Frühlingstag!" 7^ lOO Die Belagerung der Hofburg. Aort wo die Burg der Kaiser aufragt in alter Pracht, Dort lagert König-Maxens gewalt'ge Heeresmacht; Denn drin hat der Magyare die letzte Kraft verschanzt Und in die gewölbten Fenster sein Donnergeschiitz gepflanzt. Hier sandten Fürsten und Schranzen einst Gnadenblicke heraus, Und wem solch einer gegolten, der eilte froher nach Haus; Mit wem es jetzt liebäugelt aus diesen Fenstern nieder, Auch der kehrt flugs zur Heimat mit pochendem Herzen wieder. Mo seid ihr, Kaiseradler, was hat euch fortgeschreckt? Nur einer blieb, — der oben am Stephansthurme heckt; Auch dieser wär' entflogen, wenn nicht sein Leib von Stein. Ha, oder ahnt er Friihroth nach nächtlichem Wetterschein? Horch, Trommeln und Trompeten! Wie Marens Faust sich ballt! „„Hei, drauf und dran, ihr Brüder!"" wie's kracht und rast und knallt! Dicht an die Burg schlägt Feldruf und mordender Kugeln Macht; Menn drin ein Kaiser schliefe, jetzt wär' er wohl erwacht. Auf Leitern klimmen aufwärts der Krieger kühnste Reihn. Li, meint ihr einzusteigen zu Liebchens Fensterlein? Schon harrt das Schätzchen und windet aus Rosen xurpurroth Um euer Haupt ein Kränzlein; — wie läßt so schön das Roth! Ls kämpft an Maxons Seite ein Rittersmann, der spricht: „Mein Fürst, ihr werdet plötzlich so bleich im Angesicht." „„Laß, Freund, und werd' ich blaß auch, wie könnt' es anders sein? von Schild und blanken Massen ist's nur der Widerschein. 101 Sturm! drauf und dran, ihr Brüder!"" — Staub hüllt die Mauern ein, Bon Schwertern und Feuerschlllnden blitzt rother Flammenschein; kseim treibt ein ksirt in der Ferne die lfeerde rascher fort: Bon Men her rückt ein Gewitter, schon wetterleuchtet's dort. Der Ritter an Maxens Seite, der sieht ihn an und spricht: „Ihr seid so roth an den Schultern, mein Fürst, ist Blut dieß nicht?" „„Ei guter Freund, laß roth sein; dich trügt der Augen Schein, Es wird wohl nur ein Lappen vom jdurxurmantel sein. lsa bravo, Brüder, vorwärts!"" — Me von den bebenden Mauern, Gleich Blüthenslocken im Lenze, die Angeln niederschauern! Allmächt'ger Gott, laut krachend finkt dort das Bollwerk ein, Und niederpoltert donnernd das rauchende Gestein! „'„lfinan! hinan!"" — Sie stürmen durch Schuttgeröll' empor, ksa, lustig wirbeln die Trommeln, laut jauchzt der Siegeschor! Den Todten Friede! — Jetzt stürzen vom Walle Ungarns Fahnen, Und ksabsburgs erstes Banner grüßt von der Burg der Ahnen. Als eingestürmt die Sieger, sehn sie in weiten kfallen Die Leichen magyar'scher Krieger, wie kiügel an lfügel sich ballen, Die Lebenden stehn daneben, den Säbel im Arm gezückt, Ein Seraphchor, der schützend auf thenre Gräber blickt. Mar trat zu ihrem Führer und drückt ihm sanft die ksand: „„Zieht hin, ihr edlen Streiter, in Frieden in euer Land, Wenn Feinde gleich, doch ehr' ich solch kräftiges Geschlecht. 2) kämpsten einst vereint wir für ein Land und ein Recht!"" IO2 Er sxrach's; da faßt ihn Fieber, Blut aus der Wunde bricht, Er sinkt in Freundesarme mit bleichem Angesicht; Auf einer Bahre trugen sie ibn ins stille Gemach, Doch Preis dem Herrn! bald ward er aus schwerem Schlummer wach. Bald stand an seinem Lager Genesung, das schöne Weib, Küßt ihn aus Äug' und Wange und feit ihm den wunden Leib. Da klang einst eine Zither heraus beim Abendschein, Und duft'ge Weste trugen die Klänge zu ihm herein: „vor manchem Pfeile schirmet das Weib des Geliebten Herz, Erst wenn es ausgestiirmet, weint sie dem eignen Schmerz; So winkt zu Siegesbahnen dem Heer des Helden Hand, Erst die ersiegten Fahnen sind seiner Wunden verband. So gleichen Beide dem Baume, der, wenn es hagelt und stürmt, In seinem schatt'gen Raume den bangen Wandrer schirmt; Erst wenn die Stürme schweigen, die Lüfte wieder blau, Dann schüttelt er von den Zweigen den eignen Thränenthau." Deutscher Brauch." 1495. Gruft sank Kaiser Friedrich. Gott geb' ihm sanfte Ruh! Max faßt sein gülden Zepter, — ei, Sonnenaar, Glück zu! Zu Worms nun hielt er Reichstag. Auf, Fürsten¬ schaar, herbei, Zu rathen und zu fördern, daß Recht und Licht gedeih'! Einst in dem dumpfen Rathsaal sprang Max empor in Hast, Der Staub der Pergamente nahm ihm den Vdem fast, Die spitzen, klugen Reden, die machten toll ihn schier, Da rief er seinen Narren: „Freund Kunze, komm' mit mir!" Den Treuen liebt er vor Allen, wohl einem Gärtner gleich, Der jeden Baum mit Liebe pflegt in dem Gartenreich, Doch einen sich erkoren, in dessen Schattenhut Nach schwüler Tagesmllh' er am liebsten Abends ruht. Es wallten nun die Beiden die Straßen ein und aus, Dort auf dem großen Marktplatz sahn sie ein stattlich Haus, Da rief der Kunz: „Mein König, schließt eure Augen schnell! Denn, traun, schon las manch einer sich blind an dieser Stell. — io6 — Französisch ist';; ihr wißt ja, wie's Frankreichs Löhne treiben, Die anders schreiben als sprechen und anders lesen als schreiben Und anders sprechen als denken und anders setzen als singen, Die groß in allein Kleinen und klein in großen Dingen." Lin Rittersmann aus Frankreich wohnt in dem stolzen Haus, Lein Wappenschild, hell glänzend, hängt hoch zur jdfort' heraus, Ukit Schnörkelzügen zierlich in blankem Goldesschein Schrieb rings er diese Worte ums bunte Wappen ein: „Erst Gott zum Gruß, wer's liefet! Auf, Deutscher, kühn und werth, Hier harrt ein Schild des deinen, wenn kampfesfroh dein Schwert, Und magst du mich bezwingen nach Ritterbrauch und Recht, Will ich mich dir verdingen als letzter Rlldenknecht." Stumm schritt der König fürder; doch an des Ritters Schild Hängt bald ein Ldelknappe der Habsburg Wappenbild; Und mit dem Frühroth harrend auf sand'gem Kamxfesrund, Der König gegenüber dem fränk'schen Ritter stund. Und säug' ich, wie er geschwungen das Schwert, sein breites, treues, Wie flink gelenkt den Kampfspeer, so sang' ich euch nichts Neues; Und sagt' ich, wie nimmermüde er Hieb und Stoß gesellt, Ihr wißt ja, wie s der Deutsche genüber dem Franzmann hält. Und höher stieg die Sonne; der Franzmann lag im Sand, Das Siegesschwert hell leuchtend ragt hoch in Marens Hand, „So schlägt ein deutscher Ritter!" er sxrach's und stand verklärt, Wie Sankt Michael der Sieger mit seinem Flammenschwert. „Ihr habt euch mir ergeben als letzter Rüdenknecht, wohlan, ihr sollt erfahren nun meines Amtes Recht!" Sein Schwert nun schwang er dreimal: „Steht auf, mein Ritter werth! So schlägt ein deutscher König, seid brav wie euer Schwert!" — io7 — Singt's allem Land, ihr Sänger, des Fürsten That und Wort, Neigt euer Schwert, ihr Ritter, vor eures Kreises Hort, Bekränzt des Siegers Schläfe, ihr schönsten deutschen Fraun, Jauchzt aus, ihr deutschen Herzen, in allen deutschen Gaun! viel saft'ge Trauben schwellen ringsher um Worms am Rhein, „Milch unsrer lieben Frauen," so heißt dort jener Mein; Saugt jene Milch, ihr Greise, sie macht euch wieder zum Rind, B Herr, gib unsrem Lande viel Milch so süß und lind! Aus Goldgefäßen quoll sie an Maxens Abendtisch, Gleichwie aus goldnen Eutern, so labend, klar und frisch; Wie zecht' an Maxens Seite der sränk'sche Rittersmann! Wie wärmend da der Glühborn durch Aunzens Rehle rann! Der Franzmann hob den Becher, begeistert stammt sein Blut: „Heil Max dir, edler Deutscher, so tapfer und so gut!" „„Hoho!"" ries Runz hcklb grimmig, „„jetzt bindet mit mir an, Wer auf dieß Wohl herzinn'ger und besser trinken kann!"" Und fang' ich, wie er das Relchglas geschwungen, sein tiefes, treues, Wie stink die Rrüg' entsiegelt, so säng' ich euch nichts Neues; Und sagt' ich, wie nimmermüde er Glas zu Glas gesellt, Ihr wißt ja, wie's der Deutsche genüber dem Becher hält. Wie Schilder klangen die Humpen zusammen hell mit Macht, Die Blicke blitzten genüber wie Lanzen in der Schlacht! Wer fiel, wer stand im Wettkampf? Wohl kam es nie ans Licht; Frng man am Morgen die Beiden, sie wußten's selber nicht. Ritter und Freie. 1499- Die Schweiz. IVdktzAas treibt euch wohl, ihr Fürsten, stets in die Schweizergaun ? Wollt einmal doch im Leben ein sreies Land ihr schaun? ihr das Zepter tauschen um einen Hirtenstab? Ha, oder wollt ihr finden in freier Erd' ein Grab? Seht auf das Land hernieder von hoher Alpenwand! Da liegt's, gleich einem Buche, geschrieben von Gotteshand, Die Berge sind die Lettern, das Blatt die grüne Trift, Sankt Gotthard ist ein Punkt nur in dieser Riesenschrift. Wißt ihr, was drin geschrieben? B seht, es strahlt so licht! Freiheit! steht drin, ihr Herren; di e Schrift kennt ihr wohl nicht, Es schrieb sie ja kein Kanzler, es ist kein Pergament, Drauf eines Volkes Herzblut als rothes Siegel brennt. Seht dort den macht'gen Felsberg, der Mönch heißt er im Land, Der freie Aar umkreist ihm der kahlen Stirne Rand, Fels ist die graue Kutte, Schnee seiner Scheitel Zier, Das Weltall seine Zelle, das Sternzelt sein Brevier. Ist wo ein Mönch, bleibt sicher die predigt auch nicht aus. Der spricht im Lavinendonner, im rauschenden Vuellengebraus; Freiheit! das ist sein Spruchtert; will's euch nicht sreun, ihrHerrn? Der Pater ist ein Ketzer, Zeit wär's ihn einzusperrn! Seht dort im weißen Schleier aufragt der Jungfrau Haupt, Als Bräut'gam hat ihr der Morgen mit Rosen die Stirn umlaubt, Sie hat mit bunten Blumen gestickt das grüne Gewand, Dran spielen rauschende Vuellen, ein flatternd Silberband. Gb ihr wölbt sich zur Kuppel der Lüfte blauer Strom, Der spitzen Gletscher Reihe rings scheint die Vrgel im Dom; Fürwahr, mich däucht, wo Jungfrau und Vrgel zusammenkam, Blieb da Musik und Sang aus, das wäre wundersam. Horch, wie ihr Lied an Kerzen so herrlich, kräftig pocht! Freiheit, Freiheit! so singt sie, daß jeglich Herzblut kocht. Beim Himmel, niemals sangen der Erde Töchter so schön, Mitsingen wohl Gottes Engel in Thören auf den Höhn! IhrHerrn, will's euch nichtmunden? Ihrhört wohl keinen Klang, weil kein Kastrat, kein Säbel euch's um die Ghren sang, Im Schwcizerland doch liest man gern jenes Riesenbuch And horcht dem Lied der Jungfrau und merkt des Pred'gers Spruch. Im Schweizerland da springen die Vuellen frei empor, Frei schweben die segelnden Wolken und singender Vögel Thor, Frei blickt vom Firn die Gemse auf krachende Wetter herab, And freie Weste flüstern nm freier Helden Grab. viel tausend Schweizer stehen auf hoher Alpenwand, Sie schaun ins Land hernieder und drücken Hand in Hand And schwören, in Tod und Leben zu stehen kühn und treu, And schwören, in Tod und Leben zu bleiben stark und frei! Zwei Helden. ^m Kloster Königsfelden, da steht's gehaun in Erz: Hier traf der Dolch des Mörders einst König Albrechts Herz. So sieht man's oft im Denkbuch der Astrologen stehn: Ein blutiger Komete ward dieses Jahr gesehn. Im Kloster Königsfelden, da spricht ein Marmelstein: Hier harrt der frohen Urständ des Herzog Leuxold Gebein. So zeigt ein greiser Landmann dem Enkel eine Säule: Hier sank ein schöner TemxeH verzehrt vom Donnerkeile. Es liegt an Leuxolds Grabe nun Aönig Max auf Knien: Als Habsburgs Sohn muß rächend durchs Schweizerland er ziehn, Als Aönig bringt er Ketten dem freien Schweizerbund, Als Mann drückt' alle Freie er gern an Herz und Mund! „V edler Ahn, wohl kämpftest, wohl starbst du als ein Held, Aus einer« Thron von Leichen zu Sempach auf dem Feld, Mohl könnt' ich kämpfen und sterben, wie du so kühn und gut, Doch will mein Schwert ich färben nie mit der Freiheit Blut." Er sxricht's und winkt; da schreitet ein Mann aus dem Ritter¬ schwarm, Sein Mund so ernst wie Sargtuch, wie Amboß stark sein Arm; Doch daß der Arm auch tändeln, der Mund auch küssen kann, vertraut daheim manch Mädchen der Freundin lächelnd an. Im Frieden kann er weinen ob einer Blume Tod, Da mundet ihm kein Becher, den nicht sein Liebchen bot; Mn Kriege aber tränk' er aus Schädeln bleich und hohl, ^uf Leichenbergen sitzend, auf seiner Dame Wohl. Anast, Grün's Werke III. 8 — ii4 — Um seinen Schild rings glänzet der Spruch der Ritterschaft, Bewährt durch all sein Streben, durch seines Armes Kraft: „Des Königs soll mein Leben, die Seele Gottes sein, Mein Herz den Fraun ergeben, die Ehre bleibe mcin!"^ Es reicht der Fürst dem Ritter den Feldherrnstab nun dar: „Mein Fürstenberg, statt meiner führt Deutschlands Kriegerschaar, Geleit' euch mild der Himmel und stähle eure Wehre, Sieg sei euer-Fahnenjunker und euer Panier die Ehre! Ei/Freund, mich däucht, der Ruhm euch nicht sonderlich erscheint, Wo Kühhorn ist Drommete, und Bauernvolk der Feind; Doch diese Bauern holen im Schlachtfeld Purpur und Kron', Manch stolzes Heer schon bebte bei ihres Kühhorns Ton." 5chon ruht auf Uri's Thälern des Vollmonds Friedensblick, Noch einmal sieht im Scheiden das Sonnenaug' zurück, Sankt Gotthards Haupt doch glühet lang in des Thales Nacht, Ein Riesenaltar, drauf noch die Gxferflamme facht. Im Ursernthal, wo schäumend die Reuß um Felsen schlägt, Da wallt ein Aug von Mannern, der hoch ein Banner trägt, Ein schwarzer Ur im Goldfeld, ha, Uri's Wappenzier! Nie bog den freien Nacken zum Joche dieser Stier. Ls ragt ein hölzern Häuschen im Thal aus grüner Trift, Rings ums Gesimse steht es gehaun in grober Schrift: „Ich bin ein freier Schweizer, Heinz Wohlleb zubenannt, Dieß Häuschen und sein Sasse stehn beid' in Gottes Hand." — uz — Lin Greis sitzt vor dein Thore; das Haar auf seinem Haupt, Das scheint ein fahles Saatfeld, vom Schnitter Zeit entlaubt; Sein Töchterlein, so blühend und schön, sitzt nebenan, So blüht oft an Ruinen ein Rosenstrauch hinan. Jetzt naht mit dem saniere der ernste Männerkreis, Der Aelt'ste aber reicht cs mit warmem Gruß dem Greis: „Freund Wohlleb, nimm dieß Bannerund führ's mit treuem Muth, Me sein's geführt vor Sempach der Schultheiß Niklas Gut." Der Alte faßt die Fahne, sein Blick zum Himmel steht, Sonst bebt sein Arm, wenn leitend er Hinterm Pfluge geht; Wie hoch und kräftig jetzo den starken Schaft er hebt! Wie ihm, gleich Sonnenadlern, vom Mund die Rede schwebt! „Sieh nieder, Herr, und höre dein Volk und deinen Knechr, Wir heben kühn die Wehre für Freiheit und für Recht; Willst du's, dann hält so sicher, ein fester Felsenthurm, Mein schwacher Arm die Fahne, und es zerschellt der Sturm. Du willst nicht, daß sich beuge dem Purpur unser Knie, Deß Knie vor dir sich neiget, der kniet vor Menschen nie. , Soll unsrer Däter Gräber der Fremdling frech entweihn, Des Ritters Roß, drauf weidend, zerstampfen ihr Gebein? Soll unser Enkel hungernd einst kämpfen mit dem Tod Und mit des Ritters Hunden nm weggeworfnes Brod? Soll frech sein Troßbub schlagen in unsrer Greise Gesicht, Am Boden zerrn ihr Schneehaupt? (!) Gott, das soll er nicht! Heraus nun aus der Scheide und bleib' mir treu, mein Schwert, So treu wie sich die Sense dem Schnittersmann bewährt! Erst zweimal hast du mähend dein Tagewerk bestellt, Uoch Murten hieß und Granson der Doppelernte Feld. 116 Du heilig Banner, flattre stets nur um freie Stirnen, Und weh' als Siegesbote einst von den weißen Firnen! G steig' in unsre Thäler, Freiheit, du himmlisch Weib! Du bettest ja auf Alpen so gern den Wonneleib." So sprach der greise wohlleb. wie jung sein kferz er fühlt! wie ihm die rauschende Fahne die heiße Stirn' umkiihlt! wie haucht mit lauerm Gdem der Abendwind darauf! lfa, oder legt Teils Schatten die ksänd' ihm segnend auf? Uorch, wie die Reuß im Sturze ins Thal jetzt niederklingt, Und wie ein Gemsenjäger von Fels zu Felsen springt; Sieh, wie der Vollmond drüben aufglüht so roth wie Blut, Und auf dem Gotthard mählich erlischt die Gpfergluth! Zwei Tage. Vor Frastenz auf dem Felde, da stand ein deutsches bfeer, Im weitem ksalbmondkreise, vorstreckend Speer an Speer, Wit Schildern und mit bfochmuth die Busen kühn umballt, Ein undurchdringlich Bollwerk, ein starrer Lanzenwald. Ei, Schwcizervolk, was steigst du von deiner Alpen Wand Wit Aerten und mit Kolben hernieder in das Land? „Den neuen Wald bei Frastenz, den woll'n wir niederhaun, Um aus den Stämmen UUtten der Freiheit zu erbaun." Jetzt stürzt in die deutschen Lanzen der Eidgenossen bfeer, Ohnmächtig prallt's zurücke, allüb'rall Speer an Speer! Der Schweizer knirscht die Zähne, der Deutsche spöttelnd spricht: „Seht, wie sich des Windhunds Schnauze am Igelbalg zersticht!" — ii7 — Da scholl ein Ruf urplötzlich, wie ein Auferstehungslied: „Dank dir, verklärter Schatten, Arnold von Winkelried!" Du winkst, ich hab's verstanden! Auf, Schweizervolk, mir nach!" So klang die Stimme wohllebs, der aus den Schaaren brach. Dom Schaft reißt er sein Banner und windet's um die Brust, Stürzt an der Ritter Speere, durchglüht von Todeslust, vorleuchten seine Augen, ein flammend Fackelpaar, Voranweht statt des Banners im Wind sein weißes Haar. Sechs Ritterspeere faßt er zusammen mit starker Hand, Drein taucht er seinen Busen, gesprengt ist die Lanzenwand! Eiustürmt zur Bahn der Rache der Schweizer rüst'ge Schaar, Doch Heinrich Wohlleb's Leiche dazu die Brücke war. Da prasseln Schweizerhiebe, wie Hagel auf Saaten fährt, von Schildern sprühten Funken, wie von des Schmiedes Herd; Der Schwerter Streiche sausten mit tosender Gewalt, wie's oft im Forst von tausend derb treffenden Aexten schallt. Sonst wenn im Wald gehaun wird, schont man der jungen Bäume, Daß mit der Zeit der Nachwuchs gesund und kräftig keime; Nicht also thaten die Schweizer bei Frastenz im Lanzenwald, Die schonten keines Stammes, gleich galt's, ob jung ob alt. Anöring, der greise Eichbaum, sank hier durch Schwertesstreich, Jlsiug, die junge Leder, so schön und hoffnungsreich! Sieg! rief verröchelnd wohlleb, Sieg! rief der Seinen Schaar Fumitten der blut'gen Ebne, die erst ein Hochwald war. Es deckt die weite Fläche ein Teppich von rothein Blut, Gleichwie auf Aönigssärgen der Purxurmantel ruht, Drauf lag statt welker Blumen verblichner Ritter Glanz, Wohlleb, der greise Schweizer, als Lilie in dem Aranz. ii8 Als Priester aber betend stand an der großen Bahr' Mit hocherhobnen Händen der Sieger freie Schaar, Draus als sich All' im Illstrom vom Blute die Lände gersint, Begruben sie mit Thränen im Feld so Freund als Feind. ^hr saht wohl einst Schloß Dornsck, die Riesenlind' am Thor, Im Schloß die frohen Leute, am Baum den Sängerchor; Seht fetzt die öden Hallen, — kein Arm, der Becher schwingt! Seht jetzt die stille Linde, — kein Sänger, der Lieder bringt! Doch unten in dem Thale des Fürstenbergers Heer Mit Schwertern und Hellebarden, wie Halme im Aehrenmeer! Und drüben am Berg die Schweizer im Sichel- und Sensenglanz, Und singend und jubelnd, als zögen die Schnitter zum Erntetanz! Der deutsche Feldherr lächelnd dem Anaxpentroß gebot: „Bringt doch den Schnittern drüben ihr Stückchen Morgenbrod!" Ei doch, ihr stolzen Ritter, spart Müh' und Sendung euch, Der Schweizer holt's wohl selber und bringt den Dank zugleich. Seht, lang läßt er nicht warten und zahlt mit Erze blank, Wohl rieft ihr jetzo gerne: G Schweizer, laß den Dank! Zwar rauh ist das Gepräge der Münze, die er bringt, Doch seht, wie blank sie glänzet, und hört, wie rein sie klingt! Ha! Schwert, du bist die Münze, die für Tyrannen gilt, Lin freies Volk der Wechsler, Zahltag das Schlachtgefild'! Du Schweizervolk auch spartest die Münze heute nicht, Manch deutscher Träger stürzte wohl unter des Erzes Gewicht. — IIY — "Wer ist's, der dort vor Allen durchs Schlachtgedrängc braust, Me die gewalt'ge Windsbraut an stöhnende Fichten saust? Es kämpft so kühn begeistert ein Freier nur! (!) nein! Das ist der Fürstenberger, der ficht vor seinen Reihn. Im flatternden schwarzen Mantel, mit einem Kreuze weiß Stürmt wie ein wandelnd Sargtuch ein Mann aus der Schweizer Kreis; Das ist von Zug der Dechant. „Gelobt sei Jesus Christ! Willkommen, Ihrs Hochwürden, willkommen zu dieser Frist!" Sonst schwang er nur den Wedel, geweihten Wassers voll, Daß jedes Haupt der Gläub'gen im Dom von Weihbronn quoll. Ha, wie er's Schwert jetzt schwinget, wie's Blut dran niederlaust, Das ist der Wedel und Weihbronn, womit die Freiheit tauft. Dort steht ein blutender Krieger auf Leichenhügeln muthig, wie auf dem Fels die Eiche, vom Morgenrothe blutig! Ein Schweizer nur kämpft also, ein Schweizer ist es nicht! Das ist der Fürstenberger; hei, wie so gut er sicht! Horch, wie das Horn so gräßlich des Auger Hirten schallt! Sturm, Sturm! ruft wilden Tones der Schiffer aus Unterwald; Ha, Schützenvolk aus Uri, du zielest weit und gut! Ei, Solothurner Winzer, die Traube gibt schon Blut! was weht da für ein Banner vor Allen hoch daher? In, purxurrothen Felde ein grimmer schwarzer Bär! Ja, biedres Bern, du wähltest dein Banner klug und gut, Dein grimmer Bär, der watet jetzt tief im rothen Blut. Dort mit gespaltnem Haupte sinkt Einer auf den Grund, Seht, selbst im Tod schwebt Lächeln noch um des Helden Mund; Bur Freie lächeln sterbend: ein Schweizer ist's! (!) nein! Der Fürstenberg ist's, lachend in Schmerz und Todespein. 120 „Ihr schweizerischen Schnitter, ihr schneidet bis aufs Blut! Ihr schweizerischen Drescher, ihr dreschet derb und gut!" Er stöhnt's und stirbt inmitten der Leichen seiner Schaar, Im Tod noch treu ihr kscrzschild', wie er's im Leben war. Me Garbenbünde liegen gefällt die Ritter schon, Ihr Führer in der Mitte als xurpurrother Mohn; Aufs öde wüste Saatfeld blickt still das Abendroth, Die Schnitter aber schweigend verzehren iht vesxerbrod. Seht dort das graue Beinhaus, das ist der Freiheit Scheune, Da häufte sie als Aehren die bleichenden Gebeine; Menn einst der erste Morgen des ew'gen Lenzes naht, Ersteht in Füll' auch wieder, o Freiheit, deine Saat! V Dorneck, schönes Dorneck, wie bist du mir so werth! Der Sänger ist nun wieder so gern zu dir gekehrt. Du selig Pärchen unter der schattigen Lindenwand, V sieh noch lang so selig aufs schöne, freie Land! Zwei Leichen. ^wei theure Leichen liegen im Schweizerland zumal, Die ein' im Feld bei Frastenz, die andr' in Dornecks Thal! Allbeide edel, doch haben sie sonst wohl nichts gemein Als blut'ge kserzenswunden und ew'gen Schlaf allein. Der eine schien gesunken als starker Felsenthurm, Der kühn im Sturm gestanden, doch auch gestürzt im Sturm; Sein Perz, nun welk und fühllos, ein ausgebrannter Vulkan, Linst herrlich, flammenstrahlend! Tod dem, der's wagt zu nahn! 121 Der Andr' ein uralter zertrümmerter Altar/ Drauf einst die Gpferflamme gelodert rein und klar; Sein Herz das milde Abbild der Sonn', ein Regenbogen, Der Bogen ist erloschen, die Sonne hinüber gezogen. Dem schließt ein Weib das Auge, und ihre Thräne rinnt; Dieß Weib, ist's nicht die Freiheit? Ls ist des Greises Kind! Die Herzen seines Volkes, die sind sein Todtenbuch, Die freie Heimaterde, die ist sein Leichentuch. Doch Jener, unbetrauert, verlassen und allein! wer drückt ihm zu die Augen, wer wird ihm Thränen weihn? Blieb nichts ihm treu? G sehet, sein traurig Schlachtroß dort Scheucht ihm vom Haupt die Raben, die ungeduldigen, fort. wie Uön'ge stolz war dieser und war doch nur ein Unecht, Frei jener wie kein Uönig, doch eben schlecht und recht; „Dort liegt wohlleb!" Der Schweizer zeigt's, ruhmerröthend, euch, „And hier der Fürstenberger!" Da bebt er und wird bleich. Lin Uästlein, drein die Freiheit gern ihren Brautring legt, Das scheint der Sarg des Linen, der solche Worte trägt: „2ch bin ein freier Schweizer, Heinz wohlleb zubenannt, Dieß Häuschen und sein Sasse stehn beid' in Gottes Hand." Der Sarg des Andern aber schien eines Fürsten Schrein, voll bluterkaufter Juwelen, drauf grub dieß Wort man ein: „Dein Uönig war mein Leben, die Seele Gott allein. Mein Herz den Fraun ergeben, die Ehre nur blieb mein." B Ehre, Fürsten, Frauen! ha, gebt ihr solchen Lohn? Speist selbst auf Grabessteine, o Welt, du deinen Hohn? Schlaft sanft, ihr Zwei! Ihr aber, die ihr noch jetzo wacht: Au wessen Stelle lieber schlieft ihr die ew'ge Nacht? 122 Freiheit. Mer ist's, der Maxen bringen die blut'ge Runde mag Von all der Seinen Tode am unheilschwangern Tag? pirkheimer^ ist's, der muthig als kühner Streiter ficht Mit Schwert und scharfer Feder für Wahrheit, Recht und Licht. Wie nahm der Fürst die Runde? Wohl war's ihm herbe Pein? Wohl wird er weinend klagen, verzweifeln gar? — B nein! Die Tule kreischt wohl wimmernd, wenn sie der Pfeil durchdringt, Der Rönigsschwan, auch todtwund', der ächzt nicht, sondern singt. Au Rostniz stieg der Rönig zu Schiff um Mitternacht, Vor ihm der See so ruhig, ob ihm der Sterne Pracht! Der Mond blickt sanft ins Äug' ihm, als sprach' er ihm ans Perz: Ich habe schon belauschet viel größern bittrern Schmerz! Die Wellen spielen ums Schisflein, als flüsterten sie ihm zu: Wir trugen schon so Manchen, der elender als du! Ums pauxt ihm kosen die Lüste, als weht' es im Schmeichelwind: Wir haben schon getrocknet manch herbe Thräne lind! Und als der Fürst des Morgens zu Lindau stieg ans Land, Da schmiegte sich das Frühroth um seiner Wangen Rand, Als rief's zu ihm hernieder vom hohen Aetherthron: Ich habe wieder geröthet viel bleiche Wangen schon! So hell und licht wie Mondschein, und wie die Lüfte klar, Und wie der See so ruhig nun Marens Seele war; In seinem Perzen tagt es wie lichte Morgenstund', Er neigt sein Panpt am Strande und küßt den deutschen Grund. — I2Z — vor sich die Schweizerberge sieht glanzverklärt er stehn; So hat manch Fürst und Sänger sie seither noch gesehn. Heil jedem edlen Fürsten, Heil seinem Volk auch dann, wenn er der Freiheit ruhig ins Antlitz schauen kann! Wo aber sind die Sieger, die Schweizer hingeflohn? Mo lagern jetzt die Helden? was ward ihr Siegeslohn? Mo bleibt das Lied, das brausend dem Preis der Freiheit brennt? Mo bauten sich die Taxfern des Ruhmes Monument? Seht dort den melkenden Sennen, den Fischer hier im Rahn, Den Pflüger und den Schnitter, den Jäger auf felsiger Bahn; Ihr braucht nicht weit zu schauen, ihr seht die Helden schon! Rings freie Luft und Erde, das ist ihr Siegeslohn. Horch, Becher klingen beim Mahle, die Büchse kracht im Mald, Die Sensen klirren im Thale, des Aelxlers Horn erschallt, Dort Läuten der Alxenheerden, fern Abendglockengetön! Das ist das Lied der Freiheit! Klang je ein Lied so schön? Muth, Wahrheit, Treu' und Liebe und Einfalt, Glaub' und Recht, Das ist die heil'ge Sieben im lichten Farbengeschlecht, Das ist der Regenbogen, deß Leuchten ewig brennt Hoch über den Schweizerbergen als Freiheitsmonument! Der streit am Grabe/' 150z —1505- Der Schatz zu Burghausen. er Herzog Jürg von Baiern lag auf der Todtenbahr', Kein Fürstenhut lag höhnend auf seinem greisen Haar, Kein Sohn hatsegenflehend dem Kranken ins Äug'geblickt, Kein treues Weib dem Todten die Wimpern zugedriickt. Wem sollen nun die Lande die Huldigung ernenn? Wer wird sich zu Burghausen des Fürstenschatzes sreun? Horch, Schild und Schwerter rasseln! Ist das sein Todtensang? Seht, erzgewapxnete Schaaren! Ist's der Leidträger Drang? Albrecht von Baiern faßte des Todten Fürstenhut: „So war's wohl auch sein Wille! wem ftünd' er auch so gut?" Rupprecht der junge Pfalzgraf stürmt gen Burghausen an: „Und hab' ich nur den Pelz erst, — hol' ich den Hut auch dann." Doch König Alarens Herold, der rief den Streitern zu: „Legt nieder eure Waffen! Stört nicht des Todten Ruh! Richt gab die Friedenssatzung zum Spielball ich dem Reich, Drum ruf' ich vor den Thron euch zum friedlichen vergleich!" 128 Zu Marens Füßen senkte Albrecht den Fürstenhut: „vor euren Thron, mein Richter, leg' ich mein Recht und Gut." Doch Rupprecht zu Burghausen lacht in den Bart hinein: „Laß doch die eitlen Schwänke, du armes Röniglein!" Im Schatze zu Burghausen steht gülden Schrein an Schrein, Drin blitzen Goldgeschmeide und farbig Edelgestein, Und rings aus lautrem Silber steht, gleichsam wie zur Wacht, Der Thor der zwölf Apostel in riesenhafter Pracht. „willkommen, ihr edlen Herren!" sprach zu dem Thor Rupprecht, „Doch däucht mir, eure Sendung erfüllt ihr ziemlich schlecht; Der Herr gebot euch: Ziehet in alle Welt hinaus! Ihr aber hütet seit Jahren gemächlich schon das Haus. Drum will ich jetzt euch senden, treu eures Meisters Wort, Zu pilgern und zu xred'gen hinaus nach Süd und Nord!" Zum zweiten Märtyrtode, in flackernd Flammengebraus Ließ er die Zwölfe werfen und prägte Münzen draus. Er sandte dann die Blanken hinaus in alle Ferne, Li, wie sie kräftig pred'gen! Wie hört man sie so gerne! Als sie an Auffsteins Pforte nur leise pochten an, Gleich hatte Pinzenauer sie gastlich aufgethan. Der Veste goldne Schlüssel sandt' er Herrn Rupprecht dar: „Mein Fürst, ihr seid mir wahrlich ein Schlösser wunderbar!" Da sandt' auch starke Mannen Böheim, das Land der Araft: „Für dich schwirrt unser Degen und unsrer Lanzen Schaft!" Da kam der Henneberger: „Nein Arm gehöre dir!" Da nahn die Leuchtenberger: „Dir flattert unser Panier!" Und wie zu Petri Zeiten in Zions heil'gen Schooß, von nah und fern wallfahrtet es jetzt in Rupprechts Schloß. — I2Y — „Heran nun, Mar und Albrecht, ihr Streiter kühn und gut! Den warmen Pelz hat Rupprecht, nun holt er sich den Hut!" Ei, trotz'ger Graf, ob sicher auch heut vor Marens Macht, Aommt doch ein andrer Feldherr, an den du nicht gedacht! In allen Landen Sieger, blieb unbesiegt er noch, Sein Schloß ein hölzern Häuschen, unüberwindlich doch, Er blickt dich an, er küßt dich, und du bist nimmer roth; Der Feldherr, der dich fällte, der Feldherr heißt der Tod! wer ist an Rupprechts Sarge der Mann mit grauem Haar? Man möchte meinen, er selber knie' an der eignen Bahr', So grimm und trotzig blickt er und ballt die Faust mit Macht; Nur scheint's, als hab' ihn Rümmer gealtert über Nacht. Das ist des Pfalzgrafs Vater. Jetzt sprang er auf und wand Das Schwert dem todten Sohne rasch aus der kalten Hand: „Ach! nimmer deine Wangen, dein Schwert doch färb' ich roth! Auf, auf, mir nach, ihr Krieger, der Rupprecht ist nicht todt!" Die Böhmerschlacht. Es sank im fernen Westen die Sonne allgemach, Da sah sie stehn zwei Lager im Feld vor Mengesbach; Da sah sie auch zwei Gletscher ein schönes Thal umstehn, Die rollend, donnernd morgen als Lavinen niedergehn. Still wie Aarthäuserklausen lag eins der Lager dort, Gerüstet stehn die Schaaren, doch tönt kein hörbar Wort. ei Männer wallen prüfend ernst durch die stillen Rechn, Mar scheint der Männer einer, der andr' Albrecht zu sein. Anast. Griin's Werke III. 9 IZV Im andern Lager drüben, da ging's gar lustig her, Da sang es, und da klang es, als ob's just Fastnacht wär'; Der Line schleift am Schwerte, der Andre schnarcht dazu, Der Dritte kos't sein Schlachtroß: o wärst mein Schätze! du! Der Pfälzer saß beim Weine, der Böhme lag beim Bier, Da sah durch schwarze Wolken der bleiche Mond herfür; „Wie der heut blinzelt droben, der weichliche Aumpan, Fast wie ein zartes Mägdlein, das Blut nicht schauen kann!" „Ja, Blut gilt's morgen, Brüder!" — „Stoßt an, auf Böh¬ mens Heil!" — „Drei deutsche Memmen fress' ich!" — „vier nehm' ich auf mein Theil!" — So schrien die wilder; Zecher und stießen an mit Macht, Ls klirrten laut die Becher weit durch die ernste Nacht. Und höher wallt' im Vsten der Mond nun allgemach Und sah die beiden Lager im Feld vor Mengesbach, Sah fern auch ruhn zwei Brüder in süßer Schlummerlust; Des Linen Dolch steckt morgen dem Andern in der Brust. „Ihr böhmischen Musikanten, wohlan, spielt auf zum Tanz!" Da drehten sich die Zecher im lustigen Wirbelkranz. „Horch, horch! Trompet' und Trommeln!" — „Ihr Narrn, was fällt euch ein? Wer krächzt da mit Trompeten so läppisch zum Flötenreihn?" Und wieder, horch! Lin Mörser, laut donnernd, kracht im Feld! Da sprang der alte Pfalzgraf empor in seinem Zelt: „Wohl kenn' ich diese Stimme, 's ist Marens Nachtigall; Die singt ihr Lied im Vollmond! Das weckt mit schmetterndem Schall!" — IZI — Die Mörser donnerten lauter, und Schwerter prasseln drein: wir wollen euch Lins singen und musiziren fein! Und „Max und Albrecht" ruft es, und immer tiefer bricht's Herein ins wirre Lager, wie Schrecken des Weltgerichts. Drin strömt cs aus den Zeiten und rennt nach Schwert und Schild; Sankt Nepomuk, zu Hülfe! j Sankt Wenzel, sei uns mild! Der Line statt des Helmes nimmt rasch vom Herd den Topf, Der Andre zerschlägt die Geige am ersten besten Kopf. Doch wüthend socht der Pfalzgraf, für Zwei hieb er im Ureis! Führt wohl des Sohnes Schatten den Arm dem Heldengreis? Jetzt sammelt rings sich wieder sein kühnes Kriegsvolk dicht, wo Böhmen se noch kämpften, fehlt's auch an Hieben nicht. wer liegt dort unterm Rosse, umras't vom Lärm der Schlacht? Hilf Gott, das ist der König, von Speeren rings umwacht! wer bahnt, ein Rettungsengel, zu ihm sich mit dem Schwert? Herr Lrich ist's von Braunschweig, von Kampf und Sieg verklärt! Die Mörser schweigen mählich, Staub wirbelt durchs Gefild, Da schlug der Fürst gerettet empor die Augen mild; Albrecht und Lrich stände,i jetzt frohentzückt vor ihm, „wir siegen!" riefen Beide mit freudigem Ungestüm. Da drückte seinem Retter der König mild die Hand: „Siehst du den Stern des Morgens dort fern am Himmelsrand? Ihm gleich, als holden Boten, sah ich dich rettend kommen, Drum mag im Mappenschilde sein leuchtend Bild dir frommen." Der Morgenstern stieg höher im Msten allgemach, Die Lager sah er nimmer im Feld vor Nengesbach, Doch wohl zwei Gletschertrümmer, die ein schönes Thal verheert, Dnd auch zwei Bruderleichen, gefällt durch Bruderschwert. " IZ2 — Max vor Ruffslein. Es blickte Pinzenauer von Auffsteins Riesenwall Mit Hohn und sichrem Trotze auf Naxens Heeresschwall, Wie ein Alpengeier sorglos auf den Oerfolger blickt, Der fern im tiefen Thale auf ihn die Büchse zückt. Ls blickte Mar gen Auffsteins Hochtrotzende Felsenwand, Voll Zuversicht und Ruhe, so kühn und muthentbrannt, Gleichwie zum Horst des Geiers der Schütze blickt empor; Erreicht ihn auch sein Fuß nicht, erreicht ihn doch sein Rohr. Aus hundert Mörsern aufwärts flog donnernd Ball an Ball, Ghnmächtig, spurlos prallen zurück die Äugeln all, Gleichwie wenn Blüthenflocken auf einen Panzer sielen, Gleichwie wenn Schaumestroxfen um einen Felsblock spielen. Da sah man Pinzenauern hoch auf der festen Wand, Lin tüchtig Ruthenbündel hielt er in seiner Hand. Wo Maxens Äugeln schlugen, da bückt' er sich hinab Und fegte die Stellen höhnisch mit seinem Besen ab. „Li, ei, du spöttischer Vogel, sieh dich nur weislich vor, Daß dir aus deinem Bündel ein Beil nicht springt empor!" So rief nun Max, sein Auge zuckt wie ein Wetterschlag; Hohn schlägt viel tiefro Wunden, als es ein Schwert vermag. Den Pechkranz ließ er prasselnd jetzt auf zur Feste fliegen; Umsonst, unschädlich blieb er auf breiten Mauern liegen! Der Pinzenauer kochte dabei sein Mahl in Ruh. „Geduld!" rief Max, „ich send' euch als Gast den Hunger zu." — IZZ — Drei Wochen schon entschwanden. — Mar hielt im Zelte Rast, Schon lud zu seinem Mahle der Hunger sich als Gast, versprach er nicht, zu senden den Gast an Kuffsteins Thor? Man muß ja selbst erst kennen, wen man zum Boten erkor. Da brüllt es vor den Zelten, — hoho! was soll es sein? Sieh, Hirt' und Heerden ziehen ins Lager drängend ein: „Hans Piuzcnau läßt grüßen und schickt, was er vermag, Auf daß auch ihr euch einmal macht einen guten Tag." Da wurde König Maxen die Zeit wohl etwas lang, Daß pochend schow sein Herzschlag bis durch den Panzer klang; Da saudt' er gegen Innsbruck hinauf ins Waffenhaus: „Schickt doch einmal den Weckauf mir und den Purlexaus!"^ Der König statt des Zepters faßt nun den Luntenbrand, Wie führt so gut er beide mit sichrer Meisterhand! Zu Throne saß kein König, an Macht und Pracht ihm gleich, Im Schlachtfeld focht kein Kriegsknecht, an Muth und Kraft so reich! Die Mauern Kuffsteins wanken, wo seine Kygel traf, Der Weckauf, statt zu wecken, singt Manchen in den Schlaf, Der Purlepaus schlug grimmig ins starke Bollwerk drein; Hurrah! die Riesenwände laut donnernd stürzen ein! Sieh, blank im Sammtgewande, mit grünem Friedensreis Ziehn aus der Burg zwei Knäblein, so zart und blendendweiß, Me die zwei ersten Blüthen, entkeimt dem Frühlingsblick, Doch ernst und finster weiset der König sie zurück. Und wieder, sieh: hernieder wallt aus der Feste Thor In feierlichem Zuge ein ernster Männerchor, Ein Heldenbild, ein düstres, der pinzenau voran, Umwallt vom schwarzen Barte, in schwarz Gewand gethan. — IZ4 — Ha, wie auf Maxens Stirne sich finstre Wolken thürmen! Sein Antlitz glühet furchtbar, wie Abendroth vor Stürmen, Sein Auge zuckt und flammet, wie Wetterleuchten wild, Weh dem, nach dessen Haupte des Blitzes Keil nun zielt! Die ält'sten Krieger bebten, so sahn sie ihn noch nie, Mit scheu gesenktem Auge und schweigend standen sie. Sein Wort hallt jetzo dröhnend im bangen Kreise nach, Wie tief im Forst das Echo von einem Wetterschlag: „Auf, wetzt das Beil, ihr Henker! Tod sei der Schurken Lohn! Wie steht das Bußkleid schmählich dem aberwitzigen Hohn! Wer für sie sieht, ich schwör' es, dem schreibt es meine Faust Wohl hinter's Ghr, daß ewig die Antwort drin ihm saust!" „„Mein Fürst, nicht will ich betteln um meinen nicht'gen Leib, Längst modern meine Schätze, mein Bater, Kind und Weib. Mein Kleid und Herz, sie deuten mir beid' ins Grab hinein; Um Lins nur wollt' ich bitten: um einen Becher Wein."" So sprach der jdinzenauer, nicht bebte seine Hand, Nicht bleichte sich sein Antlitz, als er vor Maxen stand, Gleich einem eh'rnen Kreuzbild auf einem Marmorsarg, So traurig und so düster, doch auch so fest und stark. „„Auf euer Heil, mein König! G daß ihr's tief erwägt, Wieviel es heißt, wenn Liner, deß Haupt zum Block ihr legt, Aus voller Lust des Herzens noch zecht auf euer Heil!"" Lr sxrach's und beugte nieder sein Haupt dem rothen Beil. Zehn der Genossen folgten ihm treu in Tod und Leben. Schon sah man mild Erbarmen des Königs Blick umschweben, Schon will sein Herz begnad'gen, sein Lid verwehrt ihm's nur, Und insgeheim verwünscht er den argen, bösen Schwur. — iZ5 — „Halt, halt, mein Fürst!" rief Erich von Braunschweig unverzagt, „Nag euer Zorn mich treffen, doch sei dieß Wort gewagt! Hinweg, ihr blutigen Schergen, und wahrt die Beile fromm, Die roth vom besten Blute, das je durch Adern glomm. Für Schurkenxack, doch nimmer für Heldenvolk der Schlacht Ist jenes Beil geschliffen, der Schandblock ausgedacht; Wenn Tapferkeit und Kühnheit ihr so zu lohnen glaubt, Nein Fürst, dann beugt zuvörderst dem Block das eigne Haupt!" Nax, treu dem Schwur, gab leise ihm einen Backenstreich, Drückt ihm die Hand und stürzte ihin an die Brust zugleich: „„Gepriesen sei, mein Erich, dein edles biedres Wort! Ihr Andern aber ziehet in Ruh' und Frieden fort!"" Nächst Kuffstein steht ein Kirchlein, Ainleffen heißt's noch heut, Weil's den gerichteten Eilsen zum Grabmal Nax geweiht. Einst, als in Tyrol er wieder, erzählt' ein Bauernknab', Er habe jüngst den König gesehn dort knien am Grab. Als Nax zur Heimat siegreich mit Sang und Klang zog ein, Stand mit gekrümmtem Rücken vor'm Thron ein Dichterlein And bracht' in tiefster Ehrfurcht, in einem Lorberstrauß Ein zierlich Klinggedichtlein an Weckauf und Purlepaus. Das Friedensfest. Iu Köln, da bot der Pfalzgraf Albrechten friedlich die Hand, And König Nax als Mittler vereint das Friedensband; Genügen will's nun Jedem, was früher ihm zu schlecht, Burghausen nimmt der Pfalzgraf, den Fürstenhut Albrecht. — iz6 — Des Abends gab der König ein Lustbankett den Herrn, Denn er vermählt dem Truste die heitre Freude gern, Gleichwie man Trauermale mit Rosen gern umheckt Und aus den ernsten Altar viel lust'ge Ampeln steckt. Da gab es Tanz und Lieder und schalkisch Mummenspiel Und Possen sonder Ende und Jubeln sonder Ziel. Die zwei versöhnten Fürsten, verschlungen Arm in Arm, Durchwallten, fröhlich scherzend, den buntbewegten Schwarm. Hervor nun zu den Beiden trat aus dem Mummenzug Lin flinker Ganymedes, der zwei Pokale trug; Ls war die eine Schale von Golde, rein und klar, Lin hohler Todtenschädel jedoch die andre war: „Ihr Herrn, mag euch ein Becher vielleicht nach Wunsche sein? Lin Naß füllt beide Schalen: Wein, klarer süßer Wein! Nur das Gehaus ist ungleich, doch euer ist die Wahl!" Da faßten beide Fürsten zugleich den Goldxokal. „Li, hätt' ich fast gewettet, ihr wählt den Schädel euch! Sonst ist's doch eure Art so!" Lr sprachs und verschwand sogleich. Und wollt ihr's nicht verrathen, sei's im vertraun gesagt: Aunz war es, der vor Fürsten solch kühnes Wort gewagt. Daraus im Heroldsschmucke zu ihnen trat ein Ukann, Der König war es selber, wohl sah man's bald ihm an, Mit einer farb'gen Schärpe schmückt er die Fürsten beide, Drauf stand ein Doppeladler und solcher Spruch in Seide: „Nicht ist mit zweien Häuptern begabt der deutsche Aar, Auf daß ein Haupt das andre zerfleisch' und morde gar! Daß er schon fern erschaue die nahende Gefahr, Dazu hat Deutschlands Adler sein Doxpelaugenpaar!" Der letzte ^ieg. 151Z- Der Fürstenbund. AbWwei Bundesheere lagern bei Terouanne im Feld, hat ihre Zelte Franzosenhaß gestellt; ^»»Olha, wie da Englands Banner die Lüfte züngelnd leckt, Und Deutschlands Doppeladler die mächt'gen Flügel streckt! Der Rhein trennt Deutsch' und Franken. Ei, Deutscher, welch Wunderpferd Trug kühnen Sprungs hinüber dich und dein Racheschwert? l?aß war der kühne Springer, das schwarze Flügelroß! Und weiter fliegt nur Liebe, die Taube mit grünem Sproß. Lin Meer trennt Franken und Britten, wer hat die Brücke gespannt, Drauf Englands eh'rne Heere hinziehn ins Franzenland? haß nennt sich der Brückenmeister, der bändigt Strom und Belt, Und Größ'res baut nur Liebe, seht ihren Dom, die Welt! vor's Lager hinaus lustwandelt der Völker Fürstenpaar, Heinrich, der junge Britte, und Mar,.schon grau von haar; vor ihren Blicken dehnt sich, wie 'n See, so weit und glatt, Die Ebne von Terouanne sernhin bis Guinegat'. 140 Talbot schritt neben Heinrich, als hätt' am Himmelszelt Sich Mars, das blut'ge Sternbild, zum hehren Mond gesellt; Kunz von der Rosen wallte zur Seite seinem Herrn, Ivie mit dem Sonnengotte der heitre Morgenstern. Max blickte ringsum sinnend; da ward sein Herz so weich: „Ivie ist im Leben Alles so alt und neu zugleich! Hier kämpft' ich vor dreißig Jahren, — es war mein erster Sieg! Hier führ' ich morgen die Schaaren, — wohl wird's mein letzter Sieg! Seht dort der Veste Bollwerk, die Ivarten, Thurm und Thor Und hier die weiten Fluren, noch ist dieß Alles wie vor; Der Luft und Erden Antlitz ist noch wie's damals war, Nur größer ward der Kirchhof, und bleicher ward mein Haar. Und doch, wie anders Alles! Manch neu Geschlecht entstand, Der Herbst hat oft gemähet, der Lenz besät das Land, Die Luft hat gestürmt und gesäuselt, die Sonn' erlosch und schien, Der alte Haß nur schreitet noch durchs Gefilde hin!" Da fiel ins Wort ihm Heinrich: „„Vergiß die Liebe nicht! Sie ist's, die unsre Arme zu festem Bunde flicht; B lasse sort ihn dauern in ferne ew'ge Aeit!"" Da drückte Max ans Herz ihn: „Ja, Bruder, in Ewigkeit!" In feierlichem Schweigen stand jetzt das Fürstenpaar, Ls schwieg der ew'ge Aether, so tief und blau und klar, Es schwiegen rings die Fluren, so eben und so weit, Gleichwie ein stummes Echo des Wortes: Ewigkeit! Denkt euch in den Dom, wo leise des Hochamts Grgel verhallt Und feierlich beim Sanctus wie Frühlingssäuseln wallt. Nun nies't dazwischen Einer, daß tief der Dom erbebt! .Wohin ist die Verklärung, die zu den Sternen schwebt? — i4i — So zuckt jetzt Aunz und blinzelt und zieht die Stirne kraus, Gern drängt' er's noch zurücke, umsonst, es muß heraus! Da schüttelt er laut klingend den Schsllenhut am Haupt: „Ihr Herrn, laßt mich doch hören, wie alt ihr mich wohl glaubt!" , „,,Zu alt, zweibein'ge Thorheit, um je zu werden klug, Und doch zu jeder Stunde zum Hängen alt genug!"" So schnarrte Aunzen grimmig der derbe Talbot an, Doch freundlicher und milder sprach Aönig Heinrich dann: „Auf das Geweih dem Hirsche, dem Gaule auf den Zahn, Dem Menschen schrieb aufs Antlitz Natur sein Alter an; Aind! schrieb sie auf die Stirne, Mann!.auf die Mange dir, Liegt Wahrheit in der Mitte? Sprich, Freund, wem glaub'ich hier?" DraufLaiserMax mit Lächeln: „„Spricht unser Sprichwort wahr, 2o soll der Mensch sich ändern nach jedem siebenten Jahr; Doch du, feit ich dich kenne, bist immer Narr geblieben, Drum mein' ich stets, du zählest der Jahre noch nicht sieben."" „Ei, wie ihr schmeichelt! Ich zähle mehr als zweihundert doch! Die Bünde von Blois und Eambrap, die überlebt' ich noch! Geschlossen ward doch jeder auf volle hundert Jahr'! Und jetzt macht ihr mir Hoffnung auf Ewigkeiten gar!" G u i n e g a t e. öchon stehn die Bundesheere in Schlachtenreihn gestellt, Und Frankreichs Macht genüber auf Guinegate's Feld. Da schnallt sich Max vom Haupte des blanken Helms Gewicht Und tritt mit raschem Schritte vor seine Schaar und spricht: 142 „Rennt ihr noch dieses Antlitz, ihr Krieger unbesiegt? Zwar hat's die Zeit gebleichet, und Sorg' in Furchen gepflügt. Fragt aber diese Fluren, bekannt ist's ihnen doch! Fragt jene Männer drüben, bei Gott! sie kennen's noch. Noch wird vor ihrem Anblick dieß Antlitz nimmer blaß, Noch sieht dieß Äug' in ihres mit altem Muth und Haß; And wenn der Kranz des Sieges dieß greise Haupt belohnt, Schmückt er das Haupt gleich herrlich, sei's grau nun oder blond. In der Unsterblichkeit Denkbuch schreibt, Brüder, heut euch ein, Des Feindes Blut soll Dinte, euer Schwert die Feder sein! Bleib du, mein Schlachtschwert, heute auch treu und unbesiegt, wie du schon oft als Pflugbeil das Feld des Ruhms gepflügt! Und du, mein treues Kampfroß, du treuer Streitkumxan, Bst hast du mich getragen auf Heller Siegesbahn, Hab' Dank, und trag' noch einmal, zum letztenmal den Greis Ans Ziel der blutigen Rennbahn! Schon glänzt und winkt derpreis!" Und als der deutsche Kaiser sich schwang zu Roß hinan, Jauchzt rings im Heer Begeist'rung: Heil, Maximilian! Sieh da, empor am Himmel zieht düstres Wolkengran, Umschattend rings die Lrde und bergend des Aethers Blau. „Ha, Brüder, seht, der Himmel gibt selbst das Zeichen euch, Vertheilend zwischen den Kämpfern so Licht als Schatten gleich; Drum auf! Ls frommt der Schatten bei schwülem Kampfesmühn, Zieht heimwärts einst der Sieger, mag wieder die Sonn' ihm glühn !" Trompeten schmettern jauchzend, und vorwärts stürmt das Heer, Die Fahnen flattern drüber wie Möven über'in Meer, Das Reitergeschwader stürmet, eng an einander geballt, Und Fußvolk, wohlgeschirmet vom Hellebardenwald. -45 6a, wie der Arm des Kaisers herumsaust nimmcrmatt, Gleichwie der Tänzer zur Fastnacht des Tanzens nie wird satt! Me hoch den Mähnennacken sein Roß empor da wirft! Me, gleich des Tigers Zunge, sein Schwert vom Blute schlürft! Und vorwärts, immer vorwärts strömt unaufhaltsam das Heer, Die Franzosen spornen die Rosse und schleudern weg die Wehr Ti, wehrt ihr Söhne Frankreichs euch doch um euren Balg! Hat euch das Schwert in die Scheide geleimt vielleicht ein Schalk? Zuschauend stand Herr Kunze auf einem Hügel fern: „Einmal im Leben säh' ich doch eine Schlacht so gern! Drum bin ich hergeklettert; doch ach, Gott sei's geklagt, Denn seh' ich recht, ist's wahrlich nur eine Hasenjagd!" Die Mörser donnern seltner, es schweigt der Waffen Klang, Anstatt des Schlachtrufs jubelt der Hörner Siegesgesang, 5taubnebel hüllt den Franzmann und seine Schande ein, Und jauchzend ruft der Deutsche: Glückauf, der Sieg ist mein! Das war der Tag, wo Deutscher und Britte die Hand sich bot Und Frankreichs stolzen Nacken trat in den blutigen Koth! Die SchlachtdochheißtdieSp ornschlacht nochbiszumheut'genTag, U?eil, statt des Schwerts, der Franzmann da nur der Sporen pftag. Als Max sich schwang vom Sattel, stürzt todt dahin sein Pferd, Und als er's fügt zur Scheide, zerbirst sein altes Schwert, Als sprächen Beide mahnend: das war dein letzter Sieg! Und auch das Herz ries ahnend: das war dein letzter Sieg! Da lächelt Max in wehmuth: „Die treue pflngschaar brach, . Der Ackergaul verröchelt, des Pflügers Arm ist schwach; Den Acker blutigen Ruhmes pflüg' ich wohl nimmermehr, -ei nur am ewigen Lenztag mein Feld nicht saatenleer!" 144 Als heim die Schaaren ziehen mit Sang und Siegeslust, Sinkt Maxens Haupt, tief sinnend, sanft nieder auf die Brust, Da bricht aus Wolken wieder der Sonne Strahlenglanz, In seinen grauen Locken nickt still der grüne Kranz. Die Wallfahrt. Glicht fern von Terouanne hebt sich ein stattlich Schloß, Da saß nun Max beim Mahle, mit ihm manch treuer Genoß, von Dendermond' der Abbas, des Kaisers alter Freund, Und Hofmann, Narr und Krieger saß da gar sroh vereint. Die waren just gekommen vom heitren Jagen heim, Da ward erzählt manch Waidstück, da klang manch Waidmannsreim, Mit lust'gen Iägerschwänken ward reich das Mahl gespickt, Auf längst verdautes wildpret aufs Neu' der Spieß gezückt. Horch! horch! da tönt ein Liedlein vom Grund des Thalesstegs, Wie Wallfahrtspilger pflegen zu singen unterwegs, Dazwischen klingt ein Glöckchen zum Schlosse sanft herauf, Daß Mar von seinem Sitze fuhr leise horchend auf. Da stieß Herr Kunze ängstlich am Arm den Nebenmann: „Stoßt schnell, um Gotteswillen, die Gläser zum Vivat an, Damit es iibertäube dieß Tsufelspsallnodoin, Denn hört Herr Mar solch Glöcklein, gleich treibt's ihn hinterdrein." Da klangen die Becher zusammen so hell und grell mit Macht: „„Hoch lebe der tapfere Sieger in Guinegate's Schlacht!"" Den drohenden Finger lächelnd hebt Max gen Kunz empor, Sein Antlitz still verneigend dankt er dem Iubelchor: -45 „Ihr ehrt den Lieg im Lieger, jedoch vergeßt drob nicht Des Starken, der ihn spendet und für uns Schwache ficht: Seht, Pilger ziehn fromm singend dort gegen Sankt Alban, Drum meint' ich, Freund und Brüder, wir schließen dem Zug uns an." Da sprach Kunz von der Rosen: „verzeiht, ich kann kaum gehn! Als ich von jenem Hügel der Schlacht jüngst zugesehu, Lab' ich vom langen Stehen das rechte Bein verstaucht, Auch hat der Dampf des Pulvers mein Ang' fast blind geraucht." Stallmeister Lmershofen hob nun halb grämlich an: „Erlaubt nur, daß ich früher die Pferde satteln kann; Denn wenn zu Fuß wir gehen in Iägerstiefeln und Sporn, verwickeln wir uns schmählich in Buschwerk, Gras und Dorn." Aus seiner rechten Tasche zog draus der Abt ein Buch: „Die Wallfahrt widerrath' ich! kes't hier den weisen Spruch; Da heißt's: post praurlium pausa: nach Mittag sollst du ruhn, dlec sta, uec mea sine causa: und höchstens ein Schläfchen thun." „Ihr Herren," sprach der Kaiser, „ei, laßt doch euren Schwank! Hat man denn je vernommen, daß wer vom Beten krank? Wer trabte je zu Rosse ins Gotteshaus hinein? Dir, Kunz, frommt just die Wallfahrt, da heilt vielleicht dein Bein." Entblößten Hauptes wallte Mar aus der Schlosses Thor, Mit herbverzognen Mienen folgt der Genossen Thor Und schließt den flatternden Fahnen der Prozession sich an Und wandelt xsalmodirend zum Dörfchen Sankt Alban. Manch schönes Goldstück hatte dem Psarrherrn Mar verehrt, Ms aus der Kirche wieder er vom Gebet gekehrt, Der Alte lallte dankend: „Bei Gott, nie ward gesehn Solch hohes Fest, so lange Sankt Albans Mauern stehn." Anast, Grün's Werse III. 10 146 Schon glomm am Abendhimmel der Mond mit bleichem Strahl, Da ging es in die Schenke zum würzigen Abendmahl, Da drehte sich manch Pärchen im bunten Wirbelreihn Bei Dudelsack und Fiedel, bei Zither und Schalmei». was gab's da schöne Mädchen, hei, hei, und dreimal hei! wie flogen da die Schürzen, wie guckten die Bursche dabei! Trotz seiner Sporen tanzte der Einershof, daß es stob, kfa, wie sein Arm der Dirnen geschlanke kfüften umwob! Trotz lahmen Beinen poltert Kunz mit dem Fuß den Takt, Trotz böser Augen schielt er nach mancher hübschen Magd Und trinkt Bescheid dem Abbas: „Hui! Pater, trinkt doch aus!" Der aber brummt sein Sprüchlein und schreitet aus dem ksaus: „ksm, hm, post coeuam stadis: des Abends sollst du stehn, Lut mille Passus lueadis: wohl auch dich sonnen gehn." Aus seiner linken Tasche zieht er den Rosenkranz Und wackelt auf und nieder im fahlen Mondenglanz. Max aber lehnt dort sinnend in einer Eck' allein, Ins lustige Leben und Treiben sieht lächelnd er hinein Und denkt in stiller Sehnsucht zurück, gar weit und fern, Am klaren Iugendhimmel steht hell sein Liebesstern. 2Nax in Augsburg. 1518. IO Einzug. das Herz des Menschen ganz eigne Länderkarten! Vie stelle, wo ihm Liebes begegnet auf seinen Fahrten, Bezeichnet ihm schon ferne ein heitrer, Heller Stern, Wie ihn gesehn die Meisen einst ob der Krippe des Herrn. Wie bist du, Stern, so funkelnd ob Augsburg mir zu schaun, Wie Treu' im Blick der Männer, wie Huld im Ang' der Fraun, Wehmüthig Leuchten sendend den Tagen, die verglommen, Ein süß verheißen streuend auf Tage, die noch kommen! Max sxrach's zum Kreis der Treuen, die mit ihm fröhlich ritten, Das Lechfeld lag vor ihnen, die liebe Stadt inmitten. „Was blinkt dort durchs Gehölze, als ob's ein Lager wäre? Wohl gar der Eg^pterherzog mit seinem Aigeunerheere?" Herr Kunze darauf erwidert: „Wenn recht mein Auge sah, Wohl lagert Herzog Amors Aigeunervölklein da; Doch scheint's nicht fest im Wandern, die Füßchen sind schon wund, Was Wunder? Fahrende Fräulein sa lagern dort im Grund. — izo — V seht das seltne Lager! Die Lanzen sind Nadelspitzen, Als Schilder, gehängt an Bäume, rings Spiegel und Spiegelchen blitzen, viel Pfeile in braunen, blauen und schwarzen Löchern der Augen, Als grob und leicht Geschütze die Zungen und Züngelchen taugen! Und hat das kserz des Menschen ganz eigne Länderkarten, Mußt' ihnen zum Lometen dein Heller Stern entarten Als des Profoßen Ruthe, im Zorn ob Augsburg lohend, Unsüßen Abschieds mahnend und böse Rückkehr drohend!" Da faßt der Fräulein eines des Kaisers Zügel leise: „Gestatt' in deinem Schutze, kserr, uns die kfeimatreise, kseimführe die Töchter wieder dem weisen Magistrat, Die Schwestern seinen Söhnen, die Linder der Vaterstadt!" Da klammerten sich die Mägdlein an Bügel ihm und Zaum, An Mähn' und Schweif des Rosses und an des Mantels Saum. Der Laiser läßt's geschehen, er denkt nur still bei sich: Luch wird mein Purpur schützen, mein graues Lsaar schützt mich! So ritt der Zug von dannen, bserr Lunz ritt hinterdrein Und trieb ein buntes Denken, zu laut fast macht es sein: „C> Max, du seltner Jäger! Sieh, was sich für Vöglein fingen, Dir, lustig zappelnd und flatternd, in Garn und Roßhaarschlingen! G Max, du seltner Gärtner! Schmückst du zum Rosenturnei Des Zelters Schweif und Mähnen mit Blumen bunterlei? G Max, du seltner Laiser! Welch Prachtgewand ist dein! Das wird ein Balgen der Pagen nur um die Schleppe sein!" Am Thor stehn Volk und Rathsherrn. Seltsam Gefühl beflog Sie All', nun mit den Mägdlein einher der Laiser zog: Es wallt um sie, wie schirmend, sein Mantel faltig, weit, Wie All' uns hält umschlungen die Allbarmherzigkeit. Max und Dürer. ^ürst, Troßbub, Ritter, Gauner dnrchwimmeln Augsburgs Gassen, Im Saal die Rathsherrn zankend und zankend Volk auf den Straßen, Hier doppelt volle Schenken, doch Armut rings im kand! Wie mögt ihr solches heißen? Reichstag war's deutsch genannt. Mar sah vom Fenster düster auss tolle Gewühl im Frei'», Da trat in schlichtem Mammse ein Mann gar schüchtern ein; „Gott grüß' dich, Meister Dürer!" rief Mar so freudig schnell, „lvie kommt die Kunst zum Reichstag, nach Babel mein Axell?" „Nur eine Gnade wollt' ich, o Herr, von euch erstehn," Erwidert draus der Meister, „laßt freundlich es gescheh»! Ach, gerne malt' ich einmal noch euer Konterfei; Hell strahlend wie sein Urbild, doch auch so wahr und treu." Der Kaiser faßt wehmiithig des Künstlers Hand und spricht: „Bei mir will's Abend werden; drum, eh' die Nacht anbricht, UAllst du die Landschaft zeichnen, vom Spätlicht karg verklärt! Gelt, Freund, so magst du meinen? lVohlan, gern sei s gewährt." Der Maler nimmt den jdinsel, Leinwand und Farbenschrein: „Noch bitt' ich Eins, mein Kaiser, seht nicht so finster drein." Starr auf die graue Leinwand ist Marens Blick gebannt: „Ich denk' an Staub und Asche, auch grau wie diese lVand/ Der Maler zeichnet weiter, Mund, Mange, Nas' und Blick, Der Kaiser sinkt vor Lachen jetzt in den Stuhl zurück: „Ho, ho, da droht sie wieder, als ob sie der Spiegel wies, Die ungeheure Nase^ die sich so oft schon stieß!" lZ2 Und Färb' auf Färb' entlodert, wie Friihlingsblüthenglanz, Und Leben, Frühlingsleben, durchschwillt den Farbenkranz, Aufblüht die Färb', umkosend als Lächeln hier den Mund, Als Ernst gar finster thronend dort aus dem Stirnenrund. „Seht da den ganzen Menschen, dieß alte treue Haus, Schmerz sieht zum einen Fenster wehmüth'gen Blicks heraus, Die Freude steht am andern und nickt und lächelt mild, Nur hängt an diesem kaufe die Kron' als Aushängschild! Leb' wohl nun, Bruder Albrecht! Ja, Bruder nenn' ich dich, Lin König heiß' ich, König bist du so gut als ich; Ein Stückchen Gold mein Zepter, mein Reich ein Stück grün Land, Dein Zepter Stift und Kohle, dein Reich die Leinewand. Die Heere bunter Farben sind Unterthanen dir, Wohl treuer dir ergeben, traun, als die meinen mir! Und Leben ist das Endziel, dem unsre Kraft geweiht, Und Beider Müh' und Arbeit gilt der Unsterblichkeit. Und doch, ist's einst gelungen, und glauben wir's vollbracht, Wonach wir treu gerungen Tags über und bei Nacht, Kommt, unser Werk besehend, manch nüchterner Gesell Und meint: das Bild sei leidlich, der Thron steh' schief zur Stell'. Behüt' dich Gott, mein Albrecht! Kehrst du nach Nürnberg heim, So grüß' mir den Hans Sachse, den Mann mit Pfriem' und Reim; Macht er ein Liedlein wieder, so sei's ein Leichenlied, Bald hört er, daß ein König, der lieb euch war, verschied." — IZZ — So sprach der Fürst. Ins Auge schaut er dem schlichten Mann Und sieht ihn milden Blickes wohl lang und schweigend an, Blickt dann aufs eigne Bildniß, geschmückt mit Aron' und Gold, Und lächelt still, wie Einer, der lieber weinen wollt'. Abschied. ^Hax wollt' aus Augsburg reiten. Doch ist's bestellt nicht gut, Wenn auf die Fahrt dem Reiter Sxornstiefel fehlt und lsut, Die stahlen ihm Augsburgs Frauen, daß er noch bleiben sollt'; Er löst mit einem Tänzlein sie aus dem GefLngniß hold. Max ritt aus Augsburgs Thoren. Doch ist's bestellt unlieb, Wenn aus der Stadt du rittest, dein lserz doch drinnen blieb! Eo zog er traurig die Straße durchs weite Lechfeld fort Bis zu der grauen Säule, Rennsäule heißt sie dort. Da hielt er an die Zügel und wandte rasch sein Pferd, Zur Stadt noch einmal blickend, die ihm vor Allen werth: „Mein treues, schönes Augsburg, da liegst du im Norgenlicht! Die Trauer meiner Seele ahnst du, die kfeitre, nicht. Du ahnst nicht, daß ich segnend zu dir noch niederblicke, Und kannst ihn nicht erwidern, den Gruß, den ich dir schicke, Gleichwie das Aind im Schlummer wohl nimmermehr cs ahnt, Daß erst an seinem Bette der Vater segnend stand." And feierlich dann schlug er dreimal das Areuz vor sich: „Lebwohl und Gottes Segen, mein Augsburg über dich! Er lohne deine Liebe und deinen treuen Sinn! Er schütze deine Mauern und all' die Frommen drin! 154 Wir sehn uns nimmer wieder, so leb' denn ewig wohl! viel Treue harren meiner im schöne,: Land Tyrol! Drum traure nicht, mein Auge, erhell' dich, Angesicht: von Freunden gehn zu Freunden ist, traun, so übel nicht! 5o möcht' ich einst auch wandeln ins stille Geisterreich And, heitern Muthes scheidend, ihr vielgeliebten, von euch, Aum Ureis der Lieben wallen, der dort, mein harrend, spricht: von Freunden gehn zu Freunden ist ja so übel nicht!" Der Fürst. M Uebergang. uf eines Berges Rücken hoch steht ein Lederbaum, Rein zweiter zeigt den Blicken weitum sich in dem Raum, Es schaut fern in die Lande des Riesen Kraftgestalt, Sein Stamm: ein Berg am Berge, sein Laub: ein ganzer Wald. Tief in den Aether greift er mit grünen Armen empor, Als wagt' er's anzupochen kühn an des Pimmels Thor, Als Schleier nimmt er Wolken, die er im Flug geraubt, Und setzt die goldne Sonne als Krone sich aufs Paupt. Das Frühroth, seinen Diener, sieht man zuerst ihm nah», Um mit dem Purpurmantel den Leib ihn zu umfahn; Und erst, wenn's mild beim Scheiden den letzten Gruß ihm bot, Des Purpurs ihn zu entkleiden beginnt das Abendroth. 5o stehst auf deinem Berge, du stolzer Lederbaum, Gewaltig, herrlich, aber — allein im weiten Raum! o, Fürst, anfragst im Leben du kronumglänztcr Mann! o standst auch du im Leben, peld Maximilian! - lZ8 - Horch, majestätisch rauschen der Leder Zweig' empor, So hehr ift's zu belauschen, wie ernster Geisterchor, wie eines Jahrhunderts Runde so mächtig rauscht's weitum, Daß feierlich in der Runde jed' andres Lied nun stnmm. So möge nun auch schweigen, o Mar, mein Lied davon, wie du dein Volk gelenket von deinem Raiserthron. Denn wer auch wollte lauschen dem schüchternen Gedicht, wenn eines ganzen Volkes Gejubel jauchzend spricht? Die Saiten mögen verschweigen manch hohe Herrscherthat, wie sich die Völker neigen vor dir im Völkerrath, wie herrlich stolz du glänztest in der Juwelenkron', Und wie doch stille Demut das schönste Juwel davon; Und wie auch dein Haupt nimmer verschont des Sturms Geschoß Und doch kein Blättlein krümmte vom Rranz, der es umschloß; Denn oft mag mehr cs wiegen, erworbne Lorbeern wahren, Als zu den alten Siegen noch neue Rränze paaren. Nicht bat'st du uni die Rrone zu Rom nach altem Brauch, — Ha, sollte Ledern stützen der Pfasfenkäxpleinstrauch? — Du hast, den Blick nach oben, sie selbst aufs Haupt gepreßt, Der Himmel sprach den Segen, und sie stand schön und fest. Doch, Bischof Roms! fest halte die eigne Tiar' am Haupt, Denn sieh, schon tos't der Windstoß, der sie gar leicht dir ranbt, Im Staub wird er sie rollen, nicht fern ist mehr die Zeit, Und dem verlornen Hiitlein nachlänft die Heiligkeit. IZY V Nar, dir hieß nicht Ketzer der Nann aus Sachseuland, Der derbe Ritter der Wahrheit, der Held im Mönchsgewand, Der kühn aus Roma's Frohne befreit der Christen Heer! Der Tod ist Papst uns Allen, unfehlbar ist nur der! Die stolze Lilie Frankreichs hat sich vor dir gebückt, Den Schuh hat dir als Schnalle des Barbaren Nond geschmückt, Und wie ein Len der Wüste im Schatten der Teder liegt, So hat sich dir zu Füßen Sankt Narcus Leu geschmiegt. Der Herrscher Schläfen kränzte nun wieder des Friedens Band! Das Demantschwert erglänzte dem Recht in mächtiger Hand, Der Kunst erhobst du wieder den halbverfall'nen Altar, Und um den Lorbeer schlangst du den Delzweig dir ins Haar. Dieß Alles muß verschweigen wohl meines Liedes Ton, Denn horch, es tönt gewaltig ein andres Lied davon! Du singst dieß Lied, dieß hohe, dieß Lied der Ewigkeit, Auf deiner Riesenharfe, Gigantenmutter Zeit! Als Schrauben dieser Leier nahmst Demantkronen du, Wohl tausend Köuigssärge, die gaben das Holz dazu, Dran hast du Zepter an Zepter als goldue Saiten gespannt, Und purxurmäutol flattern daran als Lautenband. So singt die Zeit zur Leier manch uralt ewigen Sang, Der leiseste der Töne Lavineudonnerklang! Tlio sitzt ihr zu Füßen und schreibt, was jene singt, Und eins der schönsten Lieder ist, Nar, das von dir erklingt. — i6o — Dir, königliche Leder, nah' ich mit stillem Grnß Und lege meine Harfe an deines Stammes Fuß; Da soll sie ruhn und schweigen, ein todter Liederschwan, von deinen grünen Zweigen umrauschet und umsahn. Doch wenn der Blitz einst wetternd in deine Wipfel fährt, Und, deinen Stamm zerschmetternd, dein Haupt zur Erde kehrt, Dann auch beginnt's zu dröhnen durch alle Saiten bang, Der Harfe letztes Tönen singt deinen Grabgesang. Heimkehr. Anast, Grün's Werke III. Todesahnung. och über Innsbrucks Thalgrund, auf einem Felsenstück A Saß Kaiser Mar ganz einsani, mit still gesenktem Blick, Die Armbrust an der Seite, im grünen Iagdgewand, Und auf dem leichten Hütlein Gemsbart und grünes Band. Horch, alter, wackrer Schütze, und hört es nicht dein Vhr? Der Iagdgenossen Rufen, des Trosses Iubelchor! Auf, auf! und siehst du's nimmer, wie dort der Gemsbock springt, Daß von den Lisenklauen der harte Felsen klingt! Wie regungslos und ruhig der greise Jäger sitzt! Die grauumlockte Stirne sanst auf die Hand gestützt, Das Auge bald hinunter starr auf die Stadt gebannt, Bald wieder fernhin schweifend durchs weite Tyrolerland. Die Gemsen kommen näher und weiden rund um ihn, Bald lagern sie als Heerde sich rings im weichen Grün Und sehn mit schwarzen Aeuglein ihn traut und furchtlos an: Du thust uns wohl kein Leides, du alter kranker Mann! ii» — ik>4 — Max xslückt von seinem Hute Gemsbart und Seidenband Und läßt die schmucke Armbrust entsinken seiner Hand: „Leb' wohl, du lust'ge Zierrath, verweh' nun durch die Luft! Leb' wohl, du treue Büchse, ruh' in des Thales Gruft! Du Wonne meiner Jugend, kiihnkräft'ge Weidmannslust, Auch du kannst mir jetzt nimmer erfreun die welke Brust; Denn ach, ich fühl's, ich selber bin ein gehetztes Wild, Der Tod der grimme Scharfschütz, deß zielend Rohr mir gilt." Und als der Kaiser wieder heim in die Hofburg kam, Da streckt' er aus das Sammtbett die Glieder, müd' und lahm: „Heda, Freund Kellermeister, und schenkt mir hurtig ein Dort den kristallnen Becher mit bestem Rheinfallwein." Mar nippt am vollen Kelchglas mit herbverzognem Mund: „Hinweg dieß saure Tränklein! den Gaumen beizt mir's wund! Am Blocksberg scheint's gewachsen, doch nicht am lauen Rhein; Füllt mir den zweiten Becher mit allerbestem Wein." Max nippt am zweiten Becher und wirft ihn, zornerglüht, Au Boden, daß er splitternd rings goldne Tropfen sprüht: „Ha, leb' ich euch zu lange, wollt ihr mich todeskrank Und schnell mein Blut vergiften mit solchem Höllentrank?" Schon blinkt der dritte Becher voll Weines hell und klar, Daß jedem Zecherherzen schon Lust der Anblick war, Wie hell in duftigen Perlen der Born im Glase schwoll Und leuchtend durchs Kristallhaus gleich flüssigem Golde quoll. Der Kaiser faßt das Kelchglas und nippt zum drittenmal. Und stellt gleich vor sich nieder verdrießlich den Pokal: „Der Trank ist herb und schneidend wie bittres Schierlingskraut, Als hätt' aus giftigem Unkraut ihn Satan selbst gebraut." „Beim Himmel!" rief kopfschüttelnd der Kellermeister drauf, „Kein edleres Gewächse sproßt' je am Rheinstrand auf; Lebt nur den Mein, wie duftig! Wie hell er blinkt und blitzt! Der ist vom besten Fasse, darauf die Katze sitzt." Mar aber murmelt leise: „Der Mann hat wahrlich recht, Der Wein ist gut und edel, der Trinker nur ist schlecht! Kein Trank mehr will mir munden, kein Brod behagt mir gut, Mir frommt nur eine Nahrung, nur Christi Leib und Blut!" Und sinnend schritt der Kaiser nun aus der Burg hinaus; Nicht ferne läßt er bauen ein prächtiges neues Haus, Nun will er sich's besehen, ob schon das Werk gedeih', Wie weit vom wackern Meister der Bau gefördert sei. Und ringsum wallt er prüfend und ruft dann scheltend aus: „Ihr Männer, ei was baut ihr da für ein Schneckenhaus! Die Säulenschaar wie winzig! wie enge Hall' und Saal, Und dunkel wie ein Kerker, gemieden vom Tagesstrahl!" Der Meister zog das Käppchen: „Erhabner Herr, verzeiht, Kein schöner Hans, Gott straf' mich, steht in der Christenheit! Die Säulen hoch wie Cedern, der Saal hell wie der Tag, Die Wölbung fest wie Felsen und leicht wie Laubendach." Da lispelt still der Kaiser: „Der Mann hat wahrlich recht, Es ziemt ein winzig Häuschen dem winzigen Geschlecht; Den Bau doch eurer Hände kann ich mit Lust nicht schaun, Drum eine bessre Wohnung will ich mir selber baun." Drauf winkt er einen Schreiner ganz insgeheim zu sich: „Auf, Meister, auf, und zimmert siink einen Sarg für mich, Schließt wohl in eine Truhe den Cichensarg dann ein, Und bringt zur Burg mir heimlich den fertigen Todtenschrein." i6b Den Sarg stellt Mar zum Bette, wenn Schlaf sein Äug' beschlich, Und znußt' er auf die Reise, den Sarg nahm er mit sich; Gft lispeln leise fragend die Höflinge sich zu, was wohl für Schätze berge die seltne Lichentruh'. Linst saß im Abenddunkel Mar vor dem Sarg allein Und sprach mit dumpfer Stimme ins dunkle Haus hinein: „Ei, vielgereister Ritter, die Herberg' winkt dir schon, Ei, thronenreicher Kaiser, sieh hier den letzten Thron! In dich, du Haus des Todes, begraben und versenkt Sei'n all die eitlen Flitter, die mir die Welt geschenkt!" was rings an edlen Schätzen manch schmucker Schrein verbarg, Faßt er nun bitter lächelnd und senkt es in den Sarg. Den reichen jdurxurmantel und Aron' und Edelstein, Und goldne Aett' und Zepter versenkt er tief hinein; Da flog von rückwärts plötzlich ein Schellenhut dazu, Der schwere Eisendeckel fiel donnernd auf die Truh'. Aufsprang ergrimmt der Kaiser und wandte sich zurück, Da stand Kunz von der Rosen vor ihm mit fleh'ndem Blick, Doch Ulax stand slammenäugig und rief in Aorneshast: „Fort! hebe dich von hinnen, langweil'ger, blöder Gast!" G armer, treuer Kunze, wie brach dir jetzt das Herz, wie schnitt dir dnrch die Seele der größte, herbste Schmerz! Ach, wie dein altes Auge von bittren Thränen quillt, Und wie dem grauen Burschen die Brust von Seufzern schwillt! Der Kaiser sieht ihn weinen, er sieht's mit innrer 2)ual, Durch seine Seele leuchtet der Reue milder Strahl, Sein jähes Wort verwünscht er und rief's nun gern zurück Und stürzt an Kunzens Busen mit feuchtem Wehmutblick: 167 „vergib! Jetzt fühl' ich's doppelt, bald mach' ich ew'ge Rast! Demi Alles, was mit Freude, mit Lieb' ich sonst umfaßt, Ein Weltmeer voller Trümmer liegt's jetzt mir ausgespannt, Selbst deiner Treue Anker schien morsch in meiner Land. Der Baum, der nicht den Boden, der ihn gebar, mehr liebt, Die Erde, die ihm Nahrung, der Thau, der Trank ihm gibt, Die Lüfte, die des Mittags ihm sanfte Kühlung wehn, Ein solcher Baum, beim Himmel! kann nimmer lange stehn." Da schlich der Mond ins Zimmer und sah, wie Hand in Hand Mit Kunz, dem vielgetreuen, der alte Kaiser stand, Und sah zwei edle Häupter, ergraut allbeide schon, vom Schellenhut das eine, das andre von der Kron'. Abfahrt von Innsbruck. Am Jnnstrand harrt ein Schifflein beim ersten Frührothschein, Da stieg, verhüllt im Mantel, der kranke Kaiser ein, Die treue Eichentruhe lehnt düster neben ihm, Fort schießt im raschen Strome das Schiff mit Ungestüm. Am Strande murmelt fragend nun Innsbrucks Volk im Kreis: Wohin so schnell und eilig, du düstrer Kaisergreis? Da schien von Maxens Lippen das Wort zurückzuwehn: Lebt wohl, lebt wohl! Nach Oestreich will ich nun sterben gehn! Es lehnt am Eichensarge sein Haupt, von Sorgen schwer, Zum Himmel blickt er düster und düster rings umher: „Du schönes Land, dich liebt' ich so treu und inniglich, O müßt' ich nur, ob glücklich mein Volk auch sei durch mich!" i68 DicFluth umrauscht das Schifflein, und schnell vor Marens Blick Flieh» Thäler, Berg' und Flächen, Gehöft' und Stadt zurück; Wohin er blickt, sprießt Leben und Segen, Araft und Fleiß, Wohin er horcht, klingt Freude und Iubelsang und Preis. Auf Wiesen klirrt die Sense, in Wäldern knallt das Rohr, Gewaltige Hämmer stampfen durchs Thal im Donnerchor, Und aus dem Schlund der Schlöte qualmt's riesig, dicht und grau, Da schien auf schwarzen Säulen zu ruhn des Himmels Bau. Und weiterhin dann Felder, die dicht voll Saaten stehn, Und Heerden, die fröhlich blökend auf grünen Alpen gehn, Und Mühlen klappernd im Thale, von Fluthen rasch getrieben, Die, sprühend, an den Rädern als Sternenregen zerstieben. Und rings auf allen Straßen lebendiges, heitres Drängen! Da stänbt's von flinken Reitern, die rasch zum Ziele sprengen, Da knarrt des Fuhrmanns Achse, von Fracht des Segens schwer, Und Wandrer wallen singend die sichre Bahn einher. Mit lustigem Ruderschlage, nut flatternden Wimpeln zieh» Im Strom viel rüstige Schiffe, wohl kreuzend her und hin, Don Schätzen voll und Waaren, reich bis zum tiefsten Raum; Doch Maxsns Schiffer grüßen, nun stolz, die Brüder kaum. Sieh dort vor dem Gehöfte, in frischer Trift gelegen, Spricht heitern Blicks ein Landmann just über sein Rind den Segen Und lehrt's, in Drang und Nöthen sein Herz zu Gott zu wenden Und beten für gute Fürsten mit aufgehobnen Händen. Und Städte stehn am Ufer mit Mauern, schmuck und weiß, Glück wandelt durch die Straßen, in Häusern rauscht der Fleiß, Manch blühend, nickend Antlitz grüßt aus den Fenstern hervor, Und läutende Glocken tönen wie Dank an Marens Ohr. — i6y — Noch lehnt am Eichensarge sein Haupt, von Alter schwer, Doch selig blickt er aufwärts und selig rings umher; Wohl tief hat er verstanden der Antwort stummen Ruf And fragt nicht mehr, ob glücklich sein treues Volk er schuf? Das Vermächtnis '5-9- A)ie's durch der Hofburg Gange zu lVels geschäftig wallt von Ariegern und von Rittern und Edlen mannigfalt, In Wappenschmuck und Goldwainms, in Seidenrock und Stahl, All' auf den Zehen schleichend zum hohen Fürstensaal! Da liegt im Krankenlager der Kaiser hingebeugt, Zum welken, zitternden Arme sein greises Haupt geneigt, Vom Auge karg beleuchtet das bleiche Angesicht, lvie Trümmer eines Altars im fahlen Mondenlicht. Gleichwie in Fürstengrüften Standbilder still und stumm, So steht an Maxens Lager der Edlen Kreis ringsum; Auch Kunz bei solcher Trauer? die lustige Rose da? Im Herzkelch froher Rosen lauscht manche Thräne ja!^ Da stand der kühne Freundsbcrg, vom Schlachtenrauch gebräunt, Da stand, die Stirne furchend, Pfinzing, der Weisheit Freund, Auch Karl, des Kaisers Enkel, stand schön und blühend da, Lein finstrer Blick schon jetzo stets nur zu Boden sah. Da stand der Dietrichsteiner/» das Herz von Trauer schwer, Don Max aus voller Seele geliebt, wie Keinen mehr, Deß Geist, gleich Awillingssternen, gewallt mit Marens Geist, Deß Herz, ein heiliger Tempel, nur Marens Bildniß weist. i7o Der Kaiser, warm und innig, faßt nun des Freundes Hand: „was laß' ich deiner Treue als meiner Treue Pfand?" „V Herr," so klingt die Antwort, „rief einst der Tod mich ab, Sei mir zu euren Füßen vergönnt ein einsam Grab!" Aufrichtet sich der Kaiser und lächelt mild und nickt Und fühlt von Kraft noch einmal sein innerst' Mark erquickt, Noch einmal flammt sein Auge in alter Gluth empor, Und kräftig aus dem Busen tönt nun sein Wort hervor: „Fried' ist's in allen Landen, dem Lw'gen Dank und Preis! Ls sehnt sich nach dem Frieden nun auch der müde Greis; Bald werd' ich trunknen Auges vor seiner Wohnung stehn Und durch kristallne Pforten zu Licht und Frieden gehn. Nicht Zexterglanz noch Purpur, nicht eitle Kronenzier, Nicht stolzer wapxenflitter prang' auf dem Sarge mir; Lin weißes Kreuz, ganz einfach, auf schwarzem Grund allein, Das ist der Menschheit Wappen, das soll mein Sargschmuck sein! Nach Neustadt führt die Leiche dann still im Trauerwagen, Den frommen Bürgern sollt ihr mein letztes Grußwort sagen; Dort stand einst meine wiege, dort soll mein Sarg auch stehn, Im Schooß der Mutter ruht ja das todte Kind so schön! In Neustadts Burgkapelle, hart unterm Altarstein, Soll dann, bestreut mit Asche, versenkt mein Leichnam sein, Daß grad' ob meinem Herzen die Priester opfernd stehn, Und meines Volks Gebete noch meinen Sarg umwehn. Des Schicksals Drang und Sehnsucht trieb mich von Süd zu Nord, Gen Bstcn und gen Westen durch alle Lande fort, Jetzt kehr' ich fröhlich wieder zur heimatlichen Flur, All meine Fahrten waren ein weiter Umweg nur! — — i7i — Du aber, Aarl, mein Enkel, o trete näher mir, Horch, aus dem Mund des Todes spricht Wahrheit nun zu dir; Denn weh der argen Lippe, die im Erblassen lügt, Und weh dem schnöden Antlitz, das noch erlöschend trügt! Des Bluts, der Liebe Bande zerriß der Tod mir schon, Dir, Nächstem meines Stammes, leg' ich aufs Haupt die Aron'; (!) denke, daß du wieder dem Tod sie überbringst, Wie du sie aus den Händen des Todes nun empfingst. Wohl Mancher hat's vergessen, vom tollen Wahn erfaßt, Weh ihm! auf wundem Schädel drückt's ihn wie Lentnerlast! Wohl meint der Thor, ihn presse die plumpe Wucht der Aron', Doch schwereres Gewicht ist's: der Menschheit Fluch und Hohn! Leicht trug ich meine Arone, sie ließ kein Wundmal mir, Und wär's auch, sie bedeckt es mit grüner Lorberzier; Denn Araft und Recht und Glaube war Losung meiner Zeit, Mein Schwert und Herz, die standen als Aämxfer treu im Streit. Dich rufen andre Aämpfe, die Schwerter rosten ein, Ein Aampf wird's der Gedanken, der Geist wird Aämpser sein; Ein schlichtes Mönchlein predigt zu Wittenberg im Dom, Da bebt auf altem Thronsitz der Mönche Fürst zu Rom. Ein neuer Dom steigt herrlich in Deutschland dann empor, Da wacht mit Lichteswaffen der heiligen Streiter Thor, An seinen Pforten möge der Spruch des Weisen stehn: Ist's Gottes Werk, wird's bleiben, wo nicht, selbst nntergehn! Am Altar weht ein Flämmchen, die Flamme wächst zur Gluth, Zur riesigen Feuersäule, rothlodernd fast wie Blut! (!) fürchte nicht die Flamme, hellprasselnd himmelan! Ein himmlisch Feuer zündet kein irdisch Haus euch an. 172 Geläutert schwebt aus Gluthen dann der Gedank' ans Licht Und schwingt sich zu den Sternen! B hemm' im Flug ihn nicht! Frei wie der Sonnenadler muß der Gedanke sein, Dann fliegt er auch wie jener zu Licht und Sonn' allein. Doch auf des Lebens Höhe wirst du dann selig gehn, Wirst ruhig schaun, wenn leuchtend die Gpserflammen wehn, Wirst ruhig schaun, wenn Herzen und Welten Nacht umstrickt, Und vor sich selbst das Leben im wilden Aamps erschrickt. Und nun, mein Karl, die Hände leg' ich aufs Haupt dir ans Und rufe Gottes Segen auf deiner Tage Lauf! Das Blut in deinen Adern, das Mark in deinem Gebein, Dein Blick, dein Hauch, dein Pulsschlag, dein Wort soll Segen sein! Gesegnet sei durch Stärke, gesegnet sei durch Araft! Sie, die als Arm der Gottheit im Sturm die Meere rafft, Im Sturz Lavinen auffängt, des Himmels Wölbung hält, Sie sei's, die menschlich edel auch deinen Busen schwellt! Gesegnet sei durch Milde! Sie, die als Blum' entzückt, Als Lüftchen Thränen trocknet, als Frucht dem Pilger nickt, Als Thau den Frohnschweiß kühlet, als Mond um Gräber schwärmt, Sie sei's, die menschlich edel auch deine Seel' erwärmt! Gesegnet sei durch Weisheit! Sie, die gebaut die Welt, Dieß morsche Riesenbeinhaus, und es zusammen hält, Daß es zugleich als Wiege noch schaukl' ein nen Geschlecht, Die Weisheit strahle leuchtend ins Haupt dir Licht und Recht! Gesegnet sei durch Liebe! Sie, die als Taub' im Flug Als grünen Zweig vom Himmel den Lenz zur Erde trug, t-ie, die als Rosenketts von Herz zu Herz sich schwingt Und als demantne Fessel Menschheit und Gott umschlingt; — i7Z — Sie, die als blauer Gdem das Rund der Welt umhegt, Im Mittelpunkt des Erdballs als Puls des Lebens schlägt Und auf dem Schutt des Weltalls einst steht mit Gott allein, Die Liebe zieh' auf ewig ins Herz dir flammend ein! Und dein Geschlecht erblühe, gleich dir, an Segen reich, Ein Himmel voller Sterne, an Zahl und Licht zugleich, Ein Frühling voller Blüthen, der Hoffnungen beschwingt, Lin Herbst voll goldner Früchte, der die Erfüllung bringt! Und nun, lebt wohl ihrAlle! Dank euch, ihr Treuen und Frommen, Laßt nun, mein Haupt zu salben, den frommen Priester kommen! Einst ward's gesalbt, daß minder die schwere Aron' es presse, Und jetzt, daß es ertrage den leichten Kranz der Lyxresse." Held Theuerdank." ^>chon strahlt auf alle Lande das Frühroth hell und warm, Da lehnte Mar im Sammtstuhl, ein Buch hielt er im Arm; Das Buch war's seiner Thaten, genannt der Theuerdank, Der Spiegel seines Lebens, sein eigner Schwanensang. Er liest in seinen Thaten! — Der Engel, der gesandt, Die Augen ihm zu schließen, schwebt schon gen Gestreichs Land. Er liest in seinen Thaten! — Ihr Fürsten, blickt nun her, Lernt, was kein Mönch euch lehret, zu sterben so wie der. Er liest, wie Junker Fiirwitz oft an des Abgrunds Rand, In Flammen und in Fluthen zur Kurzweil ihn gesandt, Und wie der Meuchler Unfall aufs Sturmmeer ihn gesetzt, Den Fels auf ihn geschleudert, den Leu ans ihn gehetzt. 174 Lr liest es, sieht nach oben und preist der Gottheit Kraft, Die Noth, Gefahr und Drangsal so siegreich weggerafft, Die ihn aus hartem Kampfe mit Element und Natur Gesund und glorreich führte, ja doppelt kräftig nur! Er liest nun fort, wie Neidhart, der arge böse Greis, Ihm gern vom Haupt gerissen so Kron' als Lorberreis Und Heere gen ihn sandte, gewaltig zu Roß und Schiff, Den Gifttrank für ihn mischte und Meucheldolche schliff. Er liest's, greift an den Busen und preist des Menschen Kraft, Die herrlich sich bewährte im Kampf der Leidenschaft, Sie, dis im Streit der Herzen sein großes Herz ließ siegen Und in dein Streit der Schwerter sein Schwert nicht unterliegen. Fort liest er; blühend liegt nun vor ihm die ferne Zeit, Es nahn der Jugend Bilder in Schaaren, dicht gereiht, Die alten Kainpfgenossen entsteigen froh der Gruft, Und Morgenroth umhancht sie, Freiheit und Bergesluft! Im weißen Brantgewande, mit grünem Myrthenzweig, Steht vor dem Kaiserjüngling Prinzessin Ehrenreich; Da glänzt das Antlitz Marens hell wie des Morgens Strahl, „Maria!" schluchzt er leise, — „Maria!" verhallt's im Saal. Ls glüht ein mildes Lächeln auf seiner Wang' empor, Und eine Helle Thräne bricht aus dem Äug' hervor; Ls hat sich still zum Busen sein Haupt herabgebengt, Und zu den Knieen mählich nun Buch und Hand geneigt. So sanden ihn die Seinen; so saß er regungslos, Das Denkbuch seiner Thaten lag offen in seinem Schooß. Mild glomm das letzte Lächeln, das um den Mund ihm stand, Klar hing die letzte Thräne an seiner Wimpern Rand. -75 Und feuchten Auges knieten jetzt nieder All' im Kreis In feierlichem Schweigen um den entseelten Greis. — Seht, wie ein Fürstenleichnam so herrlich sich verklärt Und leicht des Schlachtentodes und Trauerpomxs entbehrt! Der Tag, da Mar gestorben, ist Nacht sür Vesterreich, Gebrochen alle Nerzen, jed' Äug' an Thränen reich! Und doch glüht kein Komete, kein Sturm verheert das Land, Kein Todtenvogel wimmert, kein Städtchen steht in Brand. Nein! glänzend strahlt der Himmel, und Frühlingslllfte wehn, voll Reben glühn die Hügel, voll Segen dis Thäler stehn, Frisch grünen Wald und wiese, die (Duellen sprudeln klar, Im Aether jubeln Lerchen, zur Sonne steigt der Aar! ^art an der Burg zu Neustadt steht eines Schreiners Naus, Da tönt ein Licdlein täglich in dumpfem Klang heraus, Der greise Meister singt es in früh'ster Morgenstund', Uralt und silberhaarig aus welkem zitterndem Mund. Mehr denn ein halb Jahrhundert ist wohl seither verrauscht, Seit diesen Sang der Morgen zum erstenmal belauscht; Zwei Leben hat zum Ziele seither geführt die Zeit, Der Bürgerpflicht war eines, dem Thron das andre geweiht. Bunt war die Bahn des Königs, kein Tag dem andern gleich, Nun sonnenhell, nun stürmisch, bewegt und thatenreich; Einförmig sieht die eigne der Meister vor sich schweben, Kennt wer sein heutig Handeln, der kennt sein ganzes Leben. . Da trat herein zur Werkstatt ein trüber düstrer Mann: „Auf, Meister! Marens Leichnam kam beut aus Wels hier an Horch, wie ihn Glockenläuten und Hriestersang begrüßt! Rasch für die Kirche bauen sollt ihr das Tranergerüst." Der Schreiner thürmt die Balken als Leichenbiihn' hinan, vom selben Holz stand fertig ein Wieglein nebendran, Die Späne stäubten sprühend, und Säg' und Hammer klang, Dazwischen tönt im Takte des Meisters alter Sang: „Wohin, ihr Reiterheere? Wohin, du trüber Kumpan? Wohin, ihr Schiffer zu Meere? Wohin, dn Krückenmann? Gb schiffend, hinkend, reitend, All' hin ins Todtenrcich! Daheim bleib' ich, bereitend die Särge mir und euch!" Lpilog. 1829. Anast. Griin's Werke III. I 2 Ausgenommen die Lbr bleibt stät." Theuerdank. Abendroth glüht herrlich Tyrols Gebirg und Flur, Ein Hochamt hier zu feiern scheint heute die Natur, Als Ehor smaragdner Säulen seh' ich die Berge ragen, Die ans den Silberhäuptern die blaue Nuppel tragen. Des Stroms, der Duellen Rauschen, Geläut' und Iubelsang Scheint durch den Dom zu brausen als heiliger Grgelklang Des Gluthgewölkes Purpur als Baldachin zu beben, Und hell als Strahlenhostie der Sonnenball zu schweben. Gen Innsbrucks blanke Mauern halt' ich den Schritt gewandt. Jetzt trat ich in die Kirche, zum heiligen Kreuz genannt, Dor mir stand Maxens Grabmal aus Erz und Marmelstein, Draus glomm durch farbige Fenster der Abendsonnenschein. N)ohl ruht im fernen Neustadt sein Leib, wie er's gewollt, Doch frommer Sinn des Enkels hat diesen Lau gezollt Dem Ruhm des letzten Ritters, den eine Kron' geschmückt, Dem Ruhm des letzten Fürsten, den Rittersinn beglückt. 12* — i8o — Die Kunst, die mit Begeisterung und Liebe Max geschirmt, Sie hat zu seinem Denkmal die Säulenschaar gethürmt, Mit Bildern seiner Thaten den Sarkophag umgeben Und so den Tod vermählend, gepaart mit ewigem Leben. Aus reichen Marmorbrüchen Larrara's sind geschlagen Die Steine, die als Stufen den Katafalk hier tragen, Doll Ernst und heiliger Milde kniet Ukaxens Bildniß oben, Und für sein Volk noch betend, hält er die Händ' erhoben. Und Helden aller Zeiten und Könige mancher Länder Umstehn im Kreis das Grabmal, gehüllt in Erzgewänder, Noch jetzt voll Kraft und Wohlklang, wie einst ihr Arm und Herz! Erstarrt ist unverwelklich ihr Lorber selbst zu Erz. Ihr Helden ernster Miene, was hat euch herberufen Zur feierlichen Runde an dieses Denkmals Stufen? Wollt ihr die ewigen Zeugen von Maxens Ruhme sein? G dann entweicht! Er selber ist sich genug allein! Wollt ihr sein Grabmal schirmen als treue Wächterhut? In seines Volkes Nutte schläft solch ein König gut! Ihr ehernen Hochgestalten, Stamm der Vergangenheit, Wollt ihr Gericht wohl halten ob unsrer neuen Zeit? Soll ich euch Rede stehen? Soll ich hier Kläger sein? Der Sohn die Mutter schmähen? Laut schwör' ich's, nein, o nein! Ans Herz will liebeflammend der Gegenwart ich fliegen, In ihren Zügen schwelgen, in ihren Armen liegen! Wir lebten schöne Tage, von Ruhm und Glück verklärt, Wir haben edle Fürsten, der ewigen Palme werth! Wir lauschen hohen Sängern im deutschen Liederhain, G würd' ich werth, zu schreiten dereinst in ihren Reihn! — i8i — Und selbst die alte Freiheit, wir sahn's, wie sie erstand! Zwar war sie längst begraben, lang in den Sarg gebannt, Doch aus den Grabesbanden hat sie sich aufgerafft: Da sie als Geist erstanden, focht sie mit Geisterkraft! Sie kämpfte hier auch herrlich in den Tyrolergaun, Da ward zum Schwert die Pflugschar, um Fesseln zu zerhaun, Das Lodenwamms zum Panzer, zur Burg jed' ksalmendach, Der ksirt empfing am Schlachtfeld den heiligen Ritterschlag. Und Friede ward's dann, Friede, wie keiner je wird bliihn, Weil auch in solchem Kampfe die Erde nie wird glühn. Doch wo sind all' die Blüthen, die damals sich verjüngt? Wo sind die reichen Früchte, die uns der Friede bringt? Nur einzeln, sparsam sprießen sie hier und dort hervor, Statt daß ganz Deutschland stünde im vollen Segensflor, Ein Lenz voll üppiger Blüthen, dem Früchte sich vermählen, Ein perbst voll goldner Früchte, dem auch nicht Blüthen fehlen! Träg' unterm Baum des Lebens liegt unsrer Zeit Geschlecht, ksalb Schalksnarr und halb Weiser, halb König und halb Knecht; Da liegt und schläft es reglos und scheint sich nur zu regen, Um sich zur andern Seite zu neuem Schlaf zu legen. Vb's stürmt, ob's licht, ganz sorglos, geschützt vom schattigen Baum, 5o ruht's und pflückt die Früchte der reichen Aeste kaum, Träg' über seinem ksauxte rollt düstrer Wolkenzug, Und dumpf und langsam klappert der Eulen matter Flug. Erschallt, Posaunen der Wahrheit, damit es auferwacht! Flammt auf, ihr Sonnen des Lichtes, erhellt die Erabesnacht, Wie die Natur im Lenze am meisten wirkt und schafft, So wirk' und walt' im Frieden des Menschen Schöpferkraft! 182 Begeist'rung, Himmelstochter, lass' dich zur Erde nieder Und schwing' ob unfern Häuptern dein siegreich Banner wieder! Bann' ihn hinweg den Unhold, den Dämon unsrer Zeit, Dieß schläfriglahme Scheusal, genannt Gleichgültigkeit! Den Dämon mit dem Antlitz aus starrem Stein geprägt, Der träg' im gleichen Takte die Hände klatschend schlägt, Vb nun der Fürsten Bester dem treuen Volk sich zeige, Gb ein geschminkter Gaukler die Bretterbühn' besteige! Ihr edlen deutschen Fürsten, erfaßt mit milder Hand Den Zauberstab, den schönen, Lieb' und vertraun genannt! Lin Volk, das für den Fürsten gern Gut und Blut gegeben, wie könnt' es jemals dürsten nach seinem Blut und Leben! Ihr edlen deutschen Völker, laßt uns auf oben baun, von Thronen und aus Sternen glänz' uns das Wort: vertraun! Das Zauberwort, das Herzen zur Bpfergluth entzündet, Die Menschen an die Götter, an Fürsten Völker bindet! Der reiche Baum des Friedens wird herrlich Wurzeln schlagen, Und doppelt fest wird Liebe den Bau der Throne tragen, Durchs Land, von Herz zu Herzen wird Eintracht segnend gehn, Und an des Landes Marken wird Uraft und Treue stehn. Auf Feldern blüht dann Segen, in Städten rauscht der Fleiß, Die Ström' und Straßen führen der Müh' und Arbeit Preis, Und drüberhin, als Zeichen der hohen Göttergunst, Wölbt sich der Regenbogen der Wissenschaft und Runst. Deß wollen sie uns mahnen, die ehernen Araftgestalten, Im Dome hier versammelt, ein streng Gericht zu halten; Auf andrer Bahn als ihrer führt uns zwar Ruf und Pflicht, Das Ziel doch bleibt stets Eines: Recht, Seligkeit und Licht! — i8z Und würdig, traun, ist Deutschland des seligsten Geschicks, Und werth bist du vor Allen, o Vestreich, solchen Glücks! Nein Gestreich, dessen Boden ich hochbegeistert küsse, Und das ich, freudigen Stolzes, mein Vaterland begrüße! Dein Fürstenhaus ist edel und mild, wie keines mehr, voll Treue, Urast und Hochsinn ist deiner Völker Heer, Gesegnet, reich vor Allen, ist deiner Gaun Verein, Sollst du nicht glücklich werden, wer sollte sonst es sein? So rief's in mir; doch draußen wird's mählich dunkle Nacht, lvie durch den Dom ein Nüster, wenn's Hochamt ist vollbracht, Dio Ampeln löschend wandelt, die noch vom Fest erhellt, So zog ein Aachtgewölke schwarz um der Sterne Zelt. Doch durch zerriss'ne Molken bricht jetzt des Mondes Schein Und sieht im Siegesjubel zur Kirche klar herein: von Glanz stehn Saul' und Altar und Sarkophag verklärt, Und rings die ehernen Helden mit Zepter, Kranz und Schwert. Inmitten aber, schimmernd im blanken Mondenstrabl, In Majestät und Milde steht Marens Trauermal, Er selbst liegt auf den Knieen, die Hände sanft erhoben, Und für sein Volk noch betend, blickt lächelnd er nach oben. Anmerkungen. 1. Maxmilians Mutter war Eleonora, Tochter des Aönigs Eduard von Por¬ tugal. Ihre Verbindung mit dem kargen und lassen Friedrich IV. war keine glückliche. 2. Unter allen Lehrern Maxmilians mochte wohl keiner zur Erziehung eines Fürstensohnes weniger geeignet sein, als Pater Engelbrecht, Bischof zu Neustadt, dessen Pedanterie oben gemeint ist. z. Aarl der Aühne hegte den Gedanken, ein neues Aönigreich Burgund zu stiften; die dießfalls mit Kaiser Friedrich eingeleiteten Unterhandlungen veranlaßten die Zusammenkunft der beiden Fürsten zu Trier, wohin Friedrich seinen Sohn Maximilian mitnahm. Schon damals ward die Verbindung Maximilians mir Aarls einziger Tochter Maria verabredet. 4. Die Übersendung des Ringes und Briefes ist historisch; nur fand sie noch bei Lebzeiten Karls und auf dessen Anregung statt. 5« In der wallnerstraße in Wien befindet sich ein Haus und darauf ein altes Gemälde, vorstellend, wie der Wolf den Gänsen predigt. 6. Bei Beschreibung des Vermählungszuges schwebte dem Verfasser hauptsäch¬ lich die unter den: Namen des Triumphzuges Aaiser Maximilians bekannte und wahrscheinlich auf dessen Wunsch von Hanns Burgmayr, einem Schüler Albrecht Dürers, verfertigte Reihe von Holzschnitten vor Augen. 7. Lella xerant alii, tu felix ^.ustriae uude, 8. Maximilians fortwährender Geldmangel und seines Vaters Friedrich Karg¬ heit sind historisch bekannt. 9- Hilfstruppen, welche Eduard IV. gesandt hatte. io. Philipp I., der Schöne, geb. zu Brügge am 2z. Juni 1478, gest, daselbst 1506, Gemahl Iohanna's, der Erbin Ferdinands von Aragonien und Iiabellens von Tastilien, aus welcher Ehe Karl V. und Ferdinand I., die Ahnherren der spanischen und deutschen Linie Habsburg, entsprossen. Philipp und dessen Schwester Margaretha, geb. 1480, gest. 15Z2, verschmähte Braut des Dauphins, nachmaligen Aönigs Aarl VIII., Gattin des spanischen Thronerben Don Juan und nach dessen Tode Philiberts von Savoyen, während Aarl V. Minderjährigkeit Statthalterin der Niederlande. 12. Trittheim ('Iritbemius Joannes), geb. 1462 zu Trittenheini unweit Trier, 148z Abt zu Spanbeim, 1506 Abt des Alosters St. Jacobi zu Würzburg, Wieder- Hersteller der verfallenden Alosterzucht, Verfasser des Okronicon Hirsaus-euse und der bistoriL dolli bavarici etc., gest. 1516. i88 gest. 1500. 21. Matthias Corvin hatte 148Z Wien erobert. Hier starb er den 6. April 1490. 22. Gleich nach dem Tode seines Vaters berief Maximilian den Reichstag zu Worms zusammen; hier ließ er den berühmten „großen Landfrieden" publiciren. — Der französische Ritter, der hier mit Max einen Zweikampf bestand, hieß Claude de Barre. vis au roz?, 24. Heinrich wohlleb aus Uri hob in der Schlacht bei Frastenz, ohnweit Feld¬ kirch (20. April 1499), wie Winkelried am Tage von Sempach, mit seiner unge¬ heuren Hellebarde sechs bis acht feindliche Spieße mit gewaltiger Araft in die Höhe und bahnte so seinen waffengenosscn den weg, die feindliche Ordnung zu brechen, wohllebs anderes Vorbild aus derselben Schlacht bei Sempach, der Ao- finger Schultheiß Nikolaus Gutt, hatte das ihm anvertraute Banner, daniit es nicht in Feindeshände falle, in Stücke gerissen und ward auf dem Schlachtfelde unter den Todten gefunden, den Stock des Banners zwischen seinen Zähnen fest¬ haltend. Seitdem ließen seine Mitbürger die Schultheißen schwören, das Stadt- banncr von Zofingen so gut zu hüten wie der Schultheiß Nikolaus Gutt. vergl. I. v. Müller, Gesch. schweiz. Eidgenossenschaft 2. Buch. 2Z. jArkheimer Bilibald, geb. 1470 zu Eichstädt in Franken, gest. iZzo zu Nürn- berg, Jurist, Theolog, Mathematiker, Geschichtschreiber, j)hilolog und Mediciner, Alb. Dürer's Freund, Mitglied des Rathes zu Nürnberg und 1499 im Schweizer¬ kriege Fcldhauptmann der nürnbergischen Truppen. Als unparteiischer Augenzeuge — 189 — schrieb er die bistoria. dolli llolvetic! und als feuriger Anhänger Maximilians den currus triumpbalis bonori ^laximiliani invsntus. 26 Herzog Albrecht von Bayern-München und Georg von Bayern-Landshut, zugenannt der Reiche wegen seines Schatzes, um dessentwillen man ihn für den reichsten Fürsten in Deutschland hielt, Vettern, hatten einen Vergleich getroffen, daß, wenn einer von beiden ohne männliche Erben stürbe, der andere dessen Lande erben sollte. Diesem Vergleich, wie den alten Hausgesetzen zuwider ver¬ machte Herzog Georg in seinem Testamente alle seine Lande seinen! Schwiegersöhne, Pfalzgrafen Ruprecht, Lhurfürst Philipps von der Pfalz Sohn. Herzog Albrecht, der davon Kenntniß bekam, wandte sich in der Stille an seinen Schwager, Kaiser Maximilian, und erhielt von diesem die Bestätigung seines auf jenen Vergleich gegründeten Successionsrechtes. 27. Maximilian liebte seine Kanonen, wie andere ihre Pferde. Man kennt nebst seinen beiden Lieblingskarthaunen, Meckauf und Purlepaus, noch den pfaben- schwanz , die schöne puelerin, die^Singerinnen, den^Erdbidmer, die^ Kitzlerinnen, den, ließ Maximilian die Abbildungen und Beschreibungen des kaiserlichen Ge¬ schützes und Zeuges sammeln. Last jede Kanone hat ihren Namen und deutsche, darauf anspielende Reime, die dem Bilde beigeschrieben sind. (S. A. primissers ^lusiatz „über Maxens zweites Gedenkbuch" in Hormayers Taschenbuch für vaterl. Geschichte 1824.) 28. Als Maximilian zu Augsburg seinen letzten Reichstag hielt, befand sich auch Dürer daselbst, malte den Kaiser und nahm die Zeichnung zu dem trefflichen Bild- niß, das er nach dem Tode seines wohlthäters herausgab. Unmittelbar vorher vollendete er für den schon Erkrankenden die herrliche Darstellung des Todes der ersten Gemahlin desselben, Maria von Burgund, in Gegenwart ihres gebeugt da¬ stehenden Gemahls, ihres Sohnes Philipp und der vertrautesten Freunde des Kaisers. Das Ganze ist symbolisch so gefaßt, daß es, wie in den Darstellungen des Todes der Jungfrau Maria, zugleich den Eingang des Sterbenden zur Selig¬ keit anzeigt. In einer Glorie erscheint nämlich der Heiland mit den Morten des hohen Liedes: 8ur§6, propera, amica rnea, veni äs lübano, vorn, eoronabsris 6. Prof. Tölkens „Gedächtnißrcde bei der Säeularfeier Albrecht Dürers 1828" im Berliner Kunstblatt. April 1828. 29. Kunz von der Rosen überlebte Maxen. Meitere Notizen über ihn s. in Hormayrs Archiv 1822, in Flögels Geschichte der Hofnarren. Zo. Sigmund v. Dietrichstein gehört zu den nächsten und liebsten Umgebungen des ritterlichen Kaisers, der auch im Grabe noch mit dem Liebling vereinigt sein wollte. Die Grabstätten der beiden Freunde in der Neustadt liegen hart neben einander. Zi. Der Theuerdank (Liner, der auf Abentheuer denkt) ist ein allego¬ risches Epos, dessen Held (Maximilian selbst, unter dem Namen Theuerdank), von dreien feindseligen allegorischen Personen, nämlich Fürwittig (Vorwitz, jugend¬ liche Unbesonnenheit), Onfallo (Unfall, feindliche Llementarereigniffe) undNeydel- hardt (Neid, Mißgunst, Haß der Menschen^, in die verschiedenartigsten gefahr- — IY0 — des Katafalks und fämmtlicher Heldenstatuen, die ihn umgeben, in einem eigenen Kupferwerke Sim. Milldorfers: Ruhm des noch niemal genug gelobten K. K. Erzherzog!. Erzhauß Oesterreich, den Lrtzt und Stein in der Hnspruggerischen Hof¬ kirchen zu d. h. Kreutz verkünden etc. Innsbruck 1715. Folio. Schutt. Das Gespenst geht um, aber wer fürchtet's am Tag? wem es den weg vertritt, geh' durch den zerfließenden Schatten, wem es grauet davor, werfe sich nieder zum Grund! Italia. Ständchen eines Morgenländers, in Auge lächelnd schlangen Arm in Arm einst West und Gst, Zwillingspaar, das liebumfangen Noch in Einer Wiege kos't! Ahriman ersah's, der Schlimme, Ihn erbaut der Anblick nicht, Schwingt den Aauberstab im Grimme, Draus manch rother Blitzstrahl bricht. Wirft als Riesenschlang' ins Bette, Ringelnd, bäumend, zwischen sie Jener Berg' urew'ge Kette, Die nie bricht und endet nie. Läßt der Lüfte Vorhang rollend Undurchdringlich niederziehn, Spannt des Meers Sahara grollend Endlos zwischen Beiden hin. Anast, Griin's Werke lil. IZ IY4 Doch Drmusd, der Dulde, Gute, Lächelnd ob dem schlechten Schwank, Winkt mit seiner Zauberruthe, Sternefunkelnd, goldesblank. Sieh, auf Taubensitt'gen fächelnd, Von der fernsten Luft geküßt, Schifft die Liebe, kundig lächelnd; Ivie sich Gst und Westen grüßt! Blüthenduft und Thau und Segen Saugt im Gsten Nkenschengeist, Steigt als Wolke, die als Regen Duld auf Westens Flur daun fleußt! Und die Brücke hat gezogen, Die vom Gst zum West sich schwingt, Phantasie als Regenbogen, Der die Berge überspringt! Durch die weiten Dkeereswüsten, Steuernd, wie ein Silberschwan, Zwischen Vsts und Westens Rüsten Wogt des Lieds melod'scher Rahn. Der Thurm am strande. lag im weichen Gras, gelehnt auf Triiinmer, Istriens vom Lenz umblühten Strande; Der Lfimmel quoll in abendros'gem Schimmer, Das Meer erglomm im purxurrothen Brande. Sic wollen flammend Beid' in eines fließen, Nicht sieht das Äug', wo Meer und Luft sich trennen, Wie sich zwei Lippen an einander schließen, In einem ew'gen Liebeskuß zu brennen. von Liebe wollen Flur und Kain erzählen, Das ist rings ein Lrröthen, Flüstern, Kosen! Die Wellen Hüpfen ans Gestad' und stehlen Sich flüchtig Küsse von des Strandes Rosen. Sie legen Nachts gar heimlich und behende Ans Land der Muscheln farbenreich Geschmeide, Daß Morgens an der Liebe zarter Spende Der Rosen Äug' sich beim Erwachen weide. 198 Doch du dort, alter Thurm, öd' und zerfallen, Willst du nicht auch von Lieb' ein Wörtlein sagen? Mich dünkt cs, deine morschen Tuadern lallen Lin böses Lied aus alten, bösen Tagen! Dein Antlitz blickt so ernst, als ob es zürne, Und finstres Moos ist dämmernd drauf zu schauen, Wie auf des Denkers tiefgefurchter Stirne Die dunklen und gedankenschweren Brauen. Wohl dämmert's in dir von Lrinnerungen, Wie Schuldbewußtsein in des Sünders kserzen, Du finsterer Geselle, rings umschlungen Don ros'gen Schäkern und verliebten Scherzen! Vb deinem Thor ein Wappen, moosumwoben, Lin Löwe ist's, das Lvangelium haltend! Venedig, ha, dein Leu! Wohl muß ich loben Des Sinnbilds Wahl, dein ganzes Sein entfaltend. Der Mähne Königsmantel schüttelnd, Leue, Doch nicht verleugnend das Geschlecht der Katze! Das heil'ge Buch des Glaubens und der Treue Erhoben hoch, — doch in bekrallter Tatze! Großmüthig, wenn gesättigt schon vom Morden, Und sanft, wenn du gebändigt mußt erliegen, Dein Thron die Kluft, drin nie es Tag geworden, Und doch voll Glanz und Ruhm und Kraft und Siegen! Sprich, und was wolltest du am Thurme dorten? Ich ahn's, ein Kerker war's! Als Kerkermeister 6at sich der Leu gelegt vor seine Pforten, Denn gern in lfaft hielt Leiber er und Geister! IYY Sieh hin jetzt: du zertreten, er zerschlagen! Lieh selbst dein Werkzeug: Ketten, Eisenstangen Im jdurpurschmuck des Rosts am Siegeswagen Der Freiheit als entthronte Zwingherrn prangen! Selbst in die ÜZuadern, die den Thurm dir trugen. Ist einst der Freiheit frischer Hauch gefahren, Daß sie in wilder Lust ans ihren Fugen, Sich selbst entknechtend, taumelten in Schaaren! Die Klagen, die sie hörten, tönen wider Ans ihrer Marmorbrust, der schmerzgeweihten; Es senkte drauf sich dunkler Epheu.nieder, Die immergrüne Elegie der Zeiten. Ein Velbaum sprießt nicht fern, den Schutt verschönend, Und Rosen rankten dran die jungen Triebe; Zur Menschensaat des Hasses pflanzt versöhnend Natur so gern den Frieden und die Liebe. Doch wie die Lüfte flüstern heimlich leise, Und wie die Wellen rauschen ans und nieder, Wehn aus den Trümmern still, in düstrer Weise Au mir herüber des Gefangnen Lieder: 200 2. ,,^ch war bescheidener Sonettendichter, Im Vualm Venedigs zündend kimmeislichter, Gebund'ne Rede meisternd wohlbedächtig, Gebund'ner Hände jetzo minder mächtig. Da lieg' ich nun gleich einem schlechten Verse, verrenkt, gezwängt, vom Wirbel bis zur Ferse, Die Retten klappernd wie unreine Reime, In übler Form verwischt die schönsten Reime! vor'm Thor San Marco's hielt ich Siesta gerne, Betrachtend irdische und Himmelssterne; Linst ungefähr, vertieft ganz in ihr Blitzen, Blieb einer Prozession im Weg ich sitzen. Linst in Fenice's höchstem Logenrange Sah ich ein schönes Rind mit heitrer Wange; Ich flog empor, — da saß der alte Doge In einein Winkel, ach, derselben Loge! Zum Unglück reimt' ich einmal auf: Tyrannen In einem Rlinggedicht das Wort: von dannen! Lin andermal fiel mir auf: Senatoren Rein andrer Reim just ein, als: Midasohren! Die Reime, traun, sind reine, regeltreue, Ich brauchte gleich sie wieder ohne Reue; Doch meinten drauf die Herrn, auf mein Sonette Gäb's keinen bessern Reim mehr, als: die Rette!" 201 0. „Ans Meer, gleich diesem, baut die Kerker alle! Ringsum nur Meer, endloser Himmel drüber! Setzt eures Sklaven enge, dunkle Halle Der Freiheit und Unendlichkeit genüber! Daß, wenn er schuldig, selbst der Mellen Kosen Ihm Nachts und Tags von seiner Schuld erzähle, Und fort und fort ihm laut der Brandung Tosen Des Herrn Gerichte dounre in die Seele! Daß, wenn er schuldlos, nicht ans Ghr euch dringe, Tuch nicht den Schlummer störe seine Klage, Daß sie des Meeres Rauschen ganz verschlinge, Daß sie des Windes Flügel weiter trage! Ich klimm' empor zum hohen Fensterbogen Und kralle fest mich au des Gitters Staben! Ha, endlos seh' den Gcean ich wogen, Nur fern, gar fern ein weißes Segel schweben! Ach, meiner Freiheit Bild! Nicht flieh so schnelle! Es eilt mein Herz dir nach, nicht kann es rasten, Es schwebt als Möwe über dunkler Melle Und klammert schreiend sich an deine Masten!" 202 ,,^hr, denen in die Hände ward gegeben, Wenn sich's die Hand' etwa nicht selbst genommen, Das Recht, zu schalten über Menschenleben, Rennt ihr des Menschenlebens Sinn und Frommen? Ich rattst euch, wallt aus eurer goldnen Rlause Einmal hinaus in Frühlings Sonnenblicke, Doch laßt mir fein den Doctorhut zu Hause, Die grüne Brille, Loder und Perrücke! Und wenn, von all dem Licht und Glanz entborget, Ein leiser Abglanz schlich in eure Seele, Dann ist es Zeit, dann weilet nicht, und sorget, Daß Flinte, Beil und Messer euch nicht fehle. f Seht dort den Rosenstrauch im Duftmeer fluthen! Das Messer her, vom Stamme ihn zu trennen! Er liegt im Staub und scheint nun zu verbluten Aus so viel Munden, als da Rnospen brennen. Seht ihr die Lerche hoch im Friihroth schimmern? Das Feuerrohr herbei, und streckt sie nieder! vor euch im Rasengrün mit leisem Wimmern versiegt die holde (IZuelle süßer Lieder. Seht dort der Linde Haupt die Molken grüßen! Die Art herbei, den Stamm ihr zu zerklüften! Da liegt die Riesenleiche euch zu Füßen, Ihr Sterberöcheln ist ein süßes Düften. — 20Z — Und will euch Wehmut nun ins Herz, so lenket Heimwärts den Pfad, und'nehmt an eurer Schwelle Den Säugling aus der Gattin Arm, und senket Eu'r sinnend Haupt zu seiner Lockenhelle. Und denkt des Baums, zerschellt zu todten Trümmern, Und denkt der Unosp', erblaßt im Todesbeben, Und denkt des Liedes, aufgelös't in Wimmern, Und ahnt es leise, was ein Menschenleben!" 204 5. „Aas grause Königsspiel will ich nun spielen Und laden zu Gerichte meine Richter! Ls drückt das goldne Zepter euch nur Schwielen, Doch hoch empor das seine schwingt der Dichter! Ihr könnt die Ebenbürdigkeit nicht tadeln Des Geists in mir, ihr stolzen Purpurträger! Er wird zum Throne diesen Schemel adeln Und vor die Schranken rufen eure Kläger! Da sprach die Kette meines Arms: Bei Erzen Schlief einst ich sanft und tief in ew'gen Nächten! Mas rißt ihr mich dem Berge aus dem kferzen, Solch' unbewehrte Arme zu umflechten? Der lvölbung Tuadcrn sprachen drauf: Wir trugen Am Dom des kserrn einst mit als Felsensäulen! Was habt ihr uns geschmettert aus den Fugen, Zu hören dieses Armen Klagen heulen? Des Bettes Diele sprach: Ich ragt' als Eiche, Auf grünen lhöh'n zu säuseln Gottes Ehre! Was habt ihr mich gefällt mit frechem Streiche, Daß ich dieß kferz jetzt an mich pochen höre? Vor'm Fenster eine Lerche klagte bitter: Was zeigt ihr mir, der Freiheitseelen einer, Der Knechtschaft gelb Gesicht durch schwarzes Gitter Und eine Seele, ach, so frei, gleich meiner! 205 Ls sprach mein Herz: Luch freut, was mannigfaltig, Doch Lin Gepräg' nur uMt ihr für Gedanken! Ihr liebt die Blumen, weil sie vielgestaltig, Doch darf nicht frei das Herz Gefühle ranken! In plumpe Fesseln wollt den Geist ihr schlagen, Der gottgesandt, wie Wölk' und Regenbogen; Die Wolke wettert, ihr könnt sie nicht jagen, Und knebeln nicht könnt ihr den Regenbogen! Und nun vernehmt den Urtelspruch des Richters: Für Rett' und Schmach, die ihr ihm ließt bereiten, Denn also richtet mild das Herz des Dichters, Gibt euren Namen er Unsterblichkeiten! Nur erst gesellt er seine Retten alle Zn Aron' und Stab in eures Wappens Rahmen, Ls rasseln weit dnrch des Jahrhunderts Halle Wie seiner Retten Rlirren eure Namen." 2ob 6. „Durch meines Kerkers Eisengitter rangen Sich meine Blick' empor zum Himmel droben, Den Ball des Mondes sah ich leuchtend prangen, Dom goldnen Kranz der Sterne rings umwoben. Da klang's aus ihnen in mein Herz und keimte Gleichwie ein kindisch Märchen alter Tage, Bevor der Götter Schaar die Erde räumte Dem Menschenvolke von gemein'rem Schlage. Es war ein Ries' einst, hochgewaltig, tüchtig, Der sprach zum Mond: Dein Licht behagt mir eben, Doch bist du mir zu wanderlustig, flüchtig Und solltest fein an festem Mohnsitz kleben. Nicht übel stündest du mir über'm Bette Als Abendlamp' in meinem Schlafgemache! Er sxricht's und schmiedet eine goldne Kette Und hängt den Mond dran auf am Hinnnelsdache. Doch der rollt fort und fort unaufgehalten, Und klingend riß die Riesenkette droben, Daß in Millionen Trümmer rasch zerspalten, Weithin gesä t, die goldnen Splitter stoben! — 207 — Und sieh, als Sterne sind sie dort geblieben, Da leuchten sie ins lserz mir ihre Kunde, Als Freiheitshymn', in goldner Schrift geschrieben Tief auf des kfimmels dunklem, ew'gen Grunde. Ls flüchtet gern mit seinen stillen Schätzen Das Ulenschenherz in die gestirnte Ferne; Ls will der NIann in Fesseln gern versetzen Selbst seine Ketten in die ew'gen Sterne." 208 c. „War einst ein König, der hielt liebumfangen Den Leib der Königin, der schönen, jungen! Gb Äug' in Äug' und Hand in Hand auch hangen, Er hätte gern noch fester sie umschlungen! Des Gartens Rosen formt er da zur Kette, Die halt ihr Haupt in süßer Haft umwunden. So ward aus Roseri einst die erste Kette, So ward von Liebe einst die Kett' erfunden. Zwei Königskinder sind's, die dort zu Ringen Der Wiesenblumen schlichte Halme runden, Mit solchen Fesseln spielend sich umschlingen; Und so hat Lieb' die Kette fortgewunden. Den Tempel sieh', wo Priester um die Wette Ulit kllprth' und Ros' Altar und Saul' umwunden! So hat die Liebe fest mit ihrer Kette Den Himmel an die Trde schön gebunden. Todt sind das Königspaar, die Kinder, Priester! Doch Kränze ihren Aschenkrug umkosen! So band den Staub des Grabes, welk und düster, Der Liebe Kette an des Lebens Rosen. 2OY Da sah der ksaß, wie Lieb' erfand die Kette, Das, was sie liebt, noch fester zu umwinden! Lr formt — aus Lrzesbliithen — nach die Rette, Noch fester, was er haßt, an sich zu binden! Doch von Gnirlanden scheint mein Arm umwunden, Gleich Blumen flüsternd mir die schöne Mähre: IDie selbst im Naß ein Fünkchen Lieb' entzünden, !Die selbst der köaß bei Lieb' einst ging in Lehre." Anast. Grün's Werke ^II. '4 2 10 8. „(§sbt mir ein Buch! — Sie wollen kein's mir gönnen! So mag mein Äug' im Buch des Himmels blättern. Das dem Gefangnen sie nicht rauben können, Und lesen, Herr, in deinen ew'gen Lettern! Ich seh' den Aether rein und leuchtend blauen Und seh' das Abendroth in Flammen zittern, Draus mild der Lnglein Thränen niederthauen, Ich seh's, — doch aus des Kerkers Lisengittern. -Seh' ziehn die Wolke mit der Brust voll Segen, Des Mondes Rahn im Meer der Nächte prangen, Die Sterne sich im goldnen Wirbel regen, Ich seh's, — doch durch des Kerkers Lisenstangen. Ich seh' die Morgenwolke leuchtend steigen Und mitleidvoll der Rosen Bild und Reize, Die längstentbehrten, meinem Auge zeigen! Ich seh's, — doch durch des Gitters eh'rne Kreuze. Ich sah die Wetter- die nun ausgestritten, Ich seh' den Regenbogen flammend schweben; Des Himmels lichter Grund doch ist durchschnitten, Ach, von des Kerkergitters schwarzen Stäben! Da dünkt es mich, im Buch des Himmels wären Die schönsten Stellen, heiligsten Legenden, Des Friedens und der Liebe Gotteslehren Mit schwarzem Strich durchkreuzt von Menschenhänden." 21 I 9- „ü)ie eine Rose aussieht, wüßt' ich gerne! Wohl wußt' ich's einst, doch hab' ich's, traun, vergessen, Denn zwischen mir und jenes Frühlings Ferne Dehnt längst der Unechtschaft Nacht sich unermessen! Ich sah die Rose einst in einem Garten, Durch den die Spiele meiner Kindheit flogen; Ich sah sie einst auf flatternden Standarten Der Heere, die zum blut'gen Kampfe zogen. Ich sah sie einst im Dom vor'm Brautaltare An einer Jungfrau Herz sich zärtlich schmiegen; Ich sah sie einst in meines Vaters Haare, Als Tod ihn auf den Schrägen streckte, liegen. Ich sah, wie an der Brust der Mörder einer Sie mit zur Richtstatt führt' im Sünderwagen; G daß ich faß' im Karren anstatt seiner, Daß ich die Rose könnt' am Herzen tragen!" 2 12 ^0. ,,^ch Zog aus meinem Strohbett eine Aehre Und hielt sie lang vors Äug' in meinen Händen; Als ob in ihr ein stiller Zauber wäre, Könnt' ich die Blicke nimmer von ihr wenden. Ein Feld voll Garben stieg vor meinen Blicken! Ha, wie sie flüsternd durch einander gaukeln, Geschäftig mit den goldnen Häuptern nicken Und weithin ihres Meeres Wogen schaukeln! von blanken Sicheln, durch die Schwaden ringend, Ist, Silberkähnen gleich, dieß Meer befahren, Und Schnittermädchen, aus den Wogen springend, Es sind der Meeresgöttin Dienerschaaren. Und blanke Dörfer rings und grüne Hügel, Darüber hin der ew'ge Himmel blauend Und Lerchen drin, von Morgenroth die Flügel, Und von Gesang die Kehlen überthausnd! Die Wälder säuseln, und die (Quellen klingen, Dort um die Linde tönt's von Flöt' und Geigen, Daß Bursch und Dirne sich im Reigen schwingen, Und selbst die Bliithen tanzen von den Zweigen — LIZ — Die Garben ruhn den Jungfrauen nun zu Füßen, Und auf den Garben sarb'ge Kränze liegen; Ich fasse einen, um in eines süßen, Geliebten Hauptes Locken ihn zu schmiegen. Da rasselt mir am Arm die Kett' entgegen, Der Hand, der bebenden, entsinkt die Aehre! Du dürrer Halm, wie hält' ich's denken mögen, Daß ich durch dich noch einst so elend wäre!" 214 u. ,,^>ie haben aus der Erde mich gestoßen Und nur ein Stücklein Himmels mir gelassen, So viel, vom Rerkerfensterlein umschlossen, In seinen Lisenrahmen wollte passen! Des Menschen Blick und Wort darf mich nichtAaben; Ich seh' Lin Antlitz nur auf weiter Lrde, Das deine, Graukoxf, fütternd deine Raben, Daß ihre Rette nicht zu locker werde! Die Zeit hab' ich begraben und vergessen, Ich zähle nicht der Knechtschaft bange Stunden! Nur reinen Waizen mag der Landmann messen, Doch nicht das Unkraut, das er drin gefunden! Ich weiß nicht, wann es Lenz! Ich darf nicht sehen Die Rosen glühen und die Blüthen blinken, Die grüne Wies' in duft'gen Halmen stehen Und in den Schooß ihr goldne Früchte sinken! Ich seh' den Herbst nicht an den Blumen rütteln, Ach, wie mich welke Blätter selbst erfreuten! Ich seh' ihn nicht das Laub der Wälder schütteln Als Sand ins Stundenglas der Jahreszeiten! Ich sah die Zeit, den rüst'gen Falken, steuern Linst hoch ob mir mit klingendem Gefieder! Doch mit durchschoss'nem Flügel, matt und bleiern, Sank er vor meines Aerkers Pforten nieder." 215 12. „Ein Vöglein setzt sich auf die Fenstereisen, Sein Schnabel hält des Waldes Purpurbeere, Es drängt sein kserz, im Liede laut zu preisen Von Freiheit, Waldeslust die süße Mähre! Doch wie es mich ersieht, denkt's mit Erbarmen: Nein, schweigen will ich, daß die Wonnefülle, Die mich labt, nicht betrübe diesen Armen, Mein Beerlein nur will ich verzehren stille. Wie so das Vöglein an der Beere pickte, Mußt' ich vom Baum, dran sie einst schwellte, träumen Und dann vom Wald, aus dem der Baum mir nickte, Dann von den Feldern, die den Wald umsäumen; Dann von dem Strom, der durch das Feld geschlungen, . Dann von dem Meer, zu dem der Strom »nag reisen, von Ländern dann, die von dem Meer umklungen, Von Sternen dann, die Meer und Land umkreisen! was bist du, Vöglein,s für ein vogelriese Mit eh'rnen Fängen und gewalt'gen Schwingen, Daß du die Weltenkugel, als sei diese Ein winzig Beerlein, mir vermocht zu bringen!" ,,^ch schaute Bilder einst von Sudlerhänden, Da hatten Mond und Sonne Mund und Nasen, Da sah den Sturm ich hinter Wolkenwänden Als wind'gen Jungen volle Backen blasen. Lin übler Maler ist der Schmerz, gleich ihnen, Denn, blick' ich auf aus diesen Finsternissen, Seh' ich nur fromme, heil'ge Menschenmienen Als Sterne, Sonn' und Mond vom Himmel grüßen. V Menschenantlitz, wundervoller Spiegel, Vom lauen Hauch der Gottheit leis umflossen! Du heilig Buch, in dessen jdurpursiegel Des Himmels ew'ge Räthsel tief verschlossen! Dein Antlitz nur blieb mir, mein Kerkermeister! Doch ist der Spiegel unpolirt befunden, Das schöne Buch verklebt mit schnödem Kleister Und, ach, in Fell unsaub'ren Thiers gebunden. Und dennoch, was verloren ich mit Beben, Ich les' es drin, in altem Glanze tagend! All', was ein Antlitz nur vermag zu geben, Gibt deines mir, wenn Alles gleich versagend! 217 Ivie, als der Lava schwarze Krusten sprangen, Das heitre Bild des Liebesgotts draus blickte, So find' im Furchenschutte deiner Wangen Das Lächeln ich, deß Glanz mich einst entzückte. Die Wolken deiner Stirne müssen sinken, Ich lasse reinen, lichten Himmel tagen, Dräns der Gedanken Stern' und Sonnen blinken, Und kühn gewalt'ge Regenbogen schlagen. Die Augen dein, im Aauberschlaf seit Jahren Aween Bären gleich in busch'ger Höhle sitzend Den Bann lös' ich! Sie werden, was sie waren: Zwei Königskinder, in Demanten blitzend! Dein Mund, versperrt wie dieses Kerkers jdsorte, Er thut sich auf nun als Triumxhesbogen, Draus die geharn'schten Sieger: Ernstesworte, Bekränzte Iungfraun: Liebesworte wogen. Dein Busen, klanglos, wie die dürre Scholle, Wölbt sich zum Dom voll süßer Liedertöne; Ans deines Leibs formloser Felsenrolle Entsteigt der delph'sche Gott in ew ger Schöne! Selbst deiner eh'rnen Hand kann ich nicht zürnen, Wenn sie die Fesseln prüft, ob sie nicht weichen; Ich seh' sie Kron' und Lorber wiird'gen Stirnen Und mild ein labend Brod der Armut reichen. — 2l8 — Du finstrer Schließer dieser ird'schen lsölle, wie jauchzt mein bserz bei deiner Schlüssel Klingen! Du bist Sankt Peter mir, vor dem zur Stelle Weitaus die Pforten meines ksimmels springen! G bleib', daß dir ins Antlitz still ich schaue, Mein durstig Äug' am Vuell des deinen labe, Daß aus den Trümmern ich den Tempel baue Und aus dem Schutte meine Götter grabe." 2 ly „9er Riegel knarrt zur ungewohnten Stunde, Ein Mann tritt ein im Meid von schwarzer Farbe, Verschnitten ist sein Haar zur Glatzenrunde, Sein Mund fast lippenlos wie eine Narbe. Ein Arüxxelast des Ldelxalmenbaumes, Mannheit genannt! Nicht tränkt und nährt begeisternd Sein Wort als süße Frucht so schönen Baumes, Als unrein Harz nur triefts andringlich, kleisternd! Er spricht von Büßen und Bereu'», Bekehren, Von Demut, die sich höh'rer Weisheit schmiege, von Rückkehr zu der Gläubigen frommen Heeren, von Todesgraun, das einst auch Starke biege. G lieber Mann, wollt ihr ein Vogler werden, Müßt ihr aufstreuen bess're Futterbrocken; Wollt ihr als schlauer Werber euch geberden, Muß Uniform und Handgeld reicher locken! Es legt ein Mann dem alten satten Leuen, Den mehr als er der feuchte Norden zähmte, Sein Haupt zum Schlund, drin keine Zähne dräuen; Vb er des Pöbeljubels sich nicht schämte? Ein Gaukler ist's, indeß ein Held mir heißet Der Neger, der im Wüstensand ihn meistert, Das Lamm dem Rachen jenes Leu n entreißet, Den Hunger stachelt, Sonnenbrand begeistert! 220 Nur leichten Gauklerruhm, nicht Heldensiege wird euer Priestereifer sich erjagen, Nimmt als Genossen er im Glaubenskriege Mein Elend, meine Ketten, Todeszagen. Ein Sterbender ist gar ein Sanfter, Milder, Muß viel, wird euch sich auch gefallen lassen Und gleichen Sinns Sterbkerze, Heil'genbilder, Den Kuhschwanz auch nach Inderweise fassen. Er kann euch nicht von seinem Bette scheuchen: Könnt' er die Hände regen, wollt' er lieber Dem Weib, den Kindern sie zum Abschied reichen; Nicht ihr bekehrt, besiegt ihn, nein, das Fieber. Mich wird das heil'ge Brod von weißem Waizen Nach schwarzer Kerkerkrumme nicht anwidern; Auch mögt ihr mit dem heil'gen Gel nicht geizen, Heilbalsam ist's den kettenwunden Gliedern. Mit dem gesunden, geistesfrischen Sünder Klimmt auf den Berg, daß weit ins Land er sehe, Dort werdet ihm des heil'gen Worts Verkünder, Denn Gottes Rede scheut nicht Gottes Nähe. Steht Mann dem Mann und Wort dem Wort entgegen, Daß Licht und Waffen gleich für beide Streiter! Ist eures Wortes Schwert gefeit mit Segen, Wird dann ein Sieg ihm, herrlich, groß und heiter! Die Linde, feierlich geneigt die Gipfel, Wird stumm ihr Jawort nicken euren: psalme, Fortranschcn werden ihn des Waldes Wipfel, Fortsäuseln werden ihn der Wiesen Halme. — 221 — Aus jeder Blume ihm entgegenlächeln Wird euer Wort in farbenreichen Lettern, Die Lüfte werden's um das Ghr ihm fächeln, Die Wolken werden's um das Haupt ihm wettern. Aiit Feuerxfeilen streckt die Sonn' ihn nieder, Das Wort des Lichtes in das Herz ihm gießend, Der Geist fährt, nicht in Flammenzungen wieder, Herab auf ihn, in Blüthenflocken fließend." „Glückauf, ein Jahr der Haft vorbei! denn winken Seh' ick ein grünes Blatt am Fensterrande; Gottlob, 's ist wieder Lenz! Schon will mich's dünken Als schaut' ich weit in sonn'ge Blumenlande! Ich höre klingen die kristall'nen Bronnen, Den Sprosser flöten zwischen duft'gen Ranken, Ins Rerkerdunkel glänzen Frühlingssonnen, Dir, stilles, grünes Blättlein, muß ich's danken! Doch wehe, weh'! Des Exheus starr Gewinde Hab' ich gesehn statt saft'gem Lenzgesträuche, Ach statt des Frühlings ros'gsm, frischen Rinde Nur seine Mumie, die immergleiche! Des Exheus Ranken grünen Fesseln gleichen, Und mit dem Schergen steht er längst im Bunde; Daß nicht des Rerkers Steine lockernd weichen, Schlingt seine Arm' er um des Thurmes Runde! Sein bitt'res Amt dem Wachter zu ersparen; Nach mir zu schielen durch des Fensters Raine, Aroch er heran, mühvoll, vielleicht seit Jahren, Indeß nach einem einz'gen Lenz ich weine." ^6. "^rei, frei bin ich! Die Knechtschaft ist zu Ende Das offne Thor, ha, wie inich's fast erschreckte! Wie ungelenk jetzt fesselfrei die Nände, Die einst in Ketten leicht zu Gott ich streckte! Frei, frei bin ich! Die Fesseln sind gefallen, G Licht, wie blend'st du meine Augenlider! Frei darf ich durch den Garten Gottes wallen Und stürzen an die Nerzen meiner Brüder! Reicht eure bsände mir! — Doch, ach, wie sollen Sie dringen durch der Gräber grüne Decken! Und die Lebend'gen flieh'n, denn nimmer wollen Sie mit des Sklaven Nandschlag sich beflecken! Wohlan, so will ich selber denn erringen Nur neue Liebe und ein neues Leben! Roch fühl' ich Jugendkraft den Arm beschwingen, Der Jugend Locken noch ums Nauxt mir schweben! Da nahm mein Todfeind schweigend mich am Arme Und stellte mich vor einer (Quelle Spiegel: (!) weh, mein lsaupt eisgrau, daß Gott erbarme! Auf Wang' und Stirn der Knechtschaft Furchensiegel! — 224 — Und so ist ungesehn und ohne Grüße Nein Lenz gewallt durch meines Aerkers Grauen; Die Hülle tiefer, ew'ger Finsternisse Ließ mich die leuchtende Gestalt nicht schauen! Empfang', o Aerkernacht, dieß Herz jetzt wieder, Als Blume, die gewöhnt an deine Schatten! An dich als Marmorurns leg' ich's nieder, Im Grabgewölb der Zeit es zu bestatten." I?. lind still verklingen des Gefangnen Lieder, Die Mellen wimmern, fahle Molken reisen; Da jauchzt es unfern mir und jauchzet wieder Und singt, mir fast zur Unzeit, lust'ge Meisen. Mir naht ein Greis mit silberweißen Haaren, Doch Morgenroth des Frohsinns auf der Wange! Ei, selt'ne Nachbarschaft! Mie Rosenschaaren, Umblühend Gletschereis am Alxenhange! Willkommen, Greis! Du mußt wohl Kunde wissen Von diesem düstern grauenvollen Hause, Mer einst geächzt in seinen Finsternissen? Meß Ketten klirrten durch die dunkle Klause? „Geächzt hat Niemand als die Wetterfahne, Menn sie der Wind gedreht im spröden Gleise! Geklirrt hat nichts hier, als von dem Altane Die Becher all' in lust'ger Brüder Kreise! Ein Leuchtthurm war dieß Haus in alten Tagen, Zerfallen nun, seit dort gebaut der neue; Anstatt des Invaliden, lahmgeschlagen, Trat der Rekrute in die offne Reihe. Ich war sein Wächtersmann, der wohlbestallte, Gottlob, daß j?ech und Mein dem Land nicht fehlen! Ha, wie, wenn Wind und Wetter pfiff und hallte, Geflammt die Leuchten, und gejauchzt die Kehlen!" Anast. Grün's Werke III. 15 So sprach der Greis; noch leuchtet des Gelages Erinnerung ums Haupt dem alten Aecher, Wie durch der Dämm'rung Grau Nachglanz des Tages Wie Reste Rebenbluts durch leere Becher. So sang ich in des Lichtes Heiligthumen von Finsternissen und verdorrten Lenzen! Der Gärtner zieht zu Wann' und Lust die Blumen Und, ach, verbraucht sie oft zu Todtenkränzen! So war der Hain des Friedens und der Liebe Mir überschattet von dem Baum der Schmerzen! Mich dünkt wohl gar, des dunklen Stammes Triebe, Sie wurzeln nur irr meinem eignen Herzen. Verglommen mählich ist die Abendröthe, Es senkt die Nacht des, schwarzen Mantels Schwere Rings um die Trümmer und die Blumenbeete Und über weites Land und ew'ge Meere. Da läßt der Himmel Mond und Stern' erglimmen, Da glühn am Golf empor des Leuchtthurms Flammen: Licht! Licht! ihr Losungswort, das große, stimmen Jetzt Erd' und Himmel, Gott und Mensch zusammen. Eine Fensterscheibe. hr fragt mich lächelnd, ob ich Glaser worden, Die Zunft ertauscht um freien Dichterorden, Daß ich mit so gebrechlich zarter Maare Gedräng' des Dichtermarktes fahre? Erlaubt, daß ich das blanke Glas euch deute, Ihr war't mir milde stets, o seid's auch heute; Mie schad', wenn Liner aus der ksand mir's stieße, Und euch's iu Scherben fiele vor die Füße! In das Seht dort des Klosters morsche Mauerzinken verschämt und halb verstockt aus Föhren blinken, lsa, welch lebend'ges Leben rings sich regte, Als einst der erste Abt den Grundstein legte! Aus Kronen brachen Kön'ge da Juwele, Daß es an Steinen für den Bau nicht fehle; Es lösten Frau'n die gllldnen Kettlein wieder, Um fest zu binden des Kolosses Glieder. 2Z0 Alltäglich stand mit früh'ster Morgenhelle Der Abt, den Bau befeuernd, schon zur Stelle Mit strengem Worte und mit mildem Weine, Daß man mit Fug aus wein den Mörtel meine. Da schlich einst still ein Bettler um die Wände Und brachte scheu ein Pfennigstück als Spende: „Herr, laßt dieß Sandkorn eurem Bau gesellen, Nur karger Trank quillt aus versiegten (Huellen." Ls sprach der Abt: „Schön Dank und Lhristi Gnade! Das gibt für's Fenster dort die Scheibe grade!" Da ging der Schalk und wünscht' in seiner Seele, Daß es dem Hause nie an Lichte fehle. Doch, von des Abtes Demantring geschrieben, Ist in der Scheibe noch der Spruch geblieben: „Aus eines Bettelsackes Finsternissen Seht hier das Licht und Gold der Sonne fließen!" Und rüstig aus dem blanken Mauerwalle Stieg Aupxel, Areuzgang, Thurm und Säulenhalle; Hoch ragt der Bau und dehnt sich weit und weiter Als feste Schanze für die Glaubensstreiter. Zum Bannerträger sie den Thurm erkiesen, Hoch flammt das Goldkreuz in der Hand des Riesen; Gleich tausend goldnen Schilden glühn vom Hügel Weithin ins Land der Fenster lichte Spiegel. Als eine Wache, stolz und auserkoren, Stehn hohe Marmorbilder vor den Thoren; Nie lüstet's sie, in Schlummer sich zu neigen, Denn Wächterxflicht ist Wachen ja und Schweigen. — 2ZI — Ls braus't aus hundert Kehlen um die wette Empor als Schlachtgesang Choral und Mette; Als Trommeln laut zum Sturm die Kanzeln klingen, Drauf rüst'ge Schlägel ihre Wirbel springen. Und horch, sie lösen dröhnend ihr Geschütze: Die Glocken sind's auf luft'gem wolkensitzel wenn ihre Donner durch den Aether zittern, Scheint's selbst bei heit'rem Himmel zu gewittern. So war es einst! — Jetzt sehn die grauen Reste Scheu auf des sonn'gen Thales Blüthenfeste, wie wenn ein Greis gerieth in Kinderspiele, Ein düstrer Eremit ins Tanzgewühle. Durch jenen Riß der Kuppel, halbzerfallen, Drängt Mond und Stern sich in des Domes Hallen, Als sei'n zu stiller Andacht sie gekommen, Zu mehren dort die kleine Schaar der Frommen. Ich seh' den Thurm, gesenkten Haupts mit Schweigen, Den stolzen Leib gekrümmt in Demut neigen; Hat ihm des Alters Last gebeugt den Rücken? will neuer Zeit er seinen Bückling nicken? warf Sturm die riesigen ÜZuadern auch zu Lrümmcrn, Seh' ich des Bettlers schwaches Glas doch schimmern, Als ob, was fromm des Herzens Andacht weihte, Selbst die Zerstörung zu berühren scheute! Am Sternenkranz, Madonnas Bild umschwebend, Seht eines Taubenpärchens Nest jetzt klebend, Als rief es girrend zu dem Erdcnjohne, Daß Liebe gerne bei den Sternen wohne! 2Z2 Sankt Peters Bild ließ seine Schlüssel fallen, Als stünde Edens Thor nun offen Allen; Sie sanken in die scharfen Nesseln nieder: Nur Handschuh oder Eisen hebt sie wieder! Auf schmalen Raum im weiten Bau beschieden Sich jetzt des Glaubensstreites Invaliden, Als flöhen sie vor der Zerstörung Tritten; Rasch aber folgt die Sieg'rin ihren Schritten! And wie der Arm der Zeit die Pfeiler schüttelt Und an den Kuppeln und Gewölben rüttelt, Dröhnt dumpf der Fall der Steine durch die Hallen, wie des Verfolgers ferne Schüsse fallen. Der Zellen und des Areuzgangs öde Massen Sind längst dem Feind als Beute überlassen, Drin Eul' und Fledermaus ihr Lager breiten, Vorposten des Vertilgungsheers der Zeiten. Manch Marmorbild in Gras und Rosensträuchen versenkt, gleich unbegrab'nen Ariegerleichen! wie vom erklomm'nen wall, weht vom Altans Das grüne Moos als Siegs- und Friedensfahne! So liegt ein kranker Greis im Todesbeben, Durchs Herz allein noch zuckt ein Fünkchen Leben; Die Seele ahnt's, es spricht's sein brechend Auge, Daß er der Welt, und sie ihm nimmer tauge. Tritt hin, mein Lied, — wir kämpfen nicht mit Leichen! — An seines Mundes Hauch dein Licht zu reichen! verwand!' in Epheu dich und fröhlich treibe Zur wand empor bis an des Bettlers Scheibe! Wirf einen Blick hinein, dann lustig weiter! Und schleud're deine Festguirlanden heiter, Daß ihr Gewind' von Säul' an Säule reiche, Lin weicher Kranz den Schläfen dieser Leiche. Ich aber singe durch die deutschen Gauen, Wo riist'ge Uleister stolze Dome bauen; Nehmt hin mein Lied, und laßt es euch gefallen Als eine Scheib' in deutschen Dichterhallen! 2Z4 2. Am Hochaltar, umflammt vom Aerzenglanze, Strahlt in des Priesters Hand die Goldmonstranze, Um die als Aranz, aus laut'rem Gold gegossen, Lin Rebenreis und eine Aehre sprossen. Traun, solche Huldigung wie beiden diesen Ward keiner Reb' und Aehre je erwiesen! Seht, jetzt erhebt der Priester die Monstranze Mit ihrem goldnen Red'- und Aehrenkranze: Und alles Volk sinkt auf die Knie' im Kreise Und schlägt ans Herz und flüstert betend leise, Des Weihrauchs duft'ge Wolken aufwärts ringen, Die Glocken donnern, und die Glöcklein klingen! Da denkt die Aehre still: Ich wollt', ich stünde Im Felde bei den Schwestern, frei im Winde, Wie sie zu wallen leis im goldnen Reigen Und selbst das Haupt, von Segen schwer, zu neigen! Da denkt die Rebe still: D könnt' ich sprossen Auf steilem Hügelrain bei den Genossen, Wie sie, vom Fruchtkorb schwer, den Rücken neigend Und selbst das Knie in stiller Andacht beugend! 2ZZ S. Ein greiser Mönch schleicht durch des Kreuzgangs Hallen, Horch, Flüche seiner bleichen Lipp' entwallen, wie aus zerfall'nen Tempeln in der wüste Ein Schwarm von Panthern springt mit Mordgelüste! Ich lauscht', und Fluch um Fluch entbot der Alte All' dem, was heilig, lieb und groß ich halte; Mir war's, als schleudert' er mit Hohn, zerrissen, Mir meiner Freuden Blüthenkranz zu Füßen! Als ob er an der Wand zu Trümmern würfe Den Goldpokal, draus ich Begeist'rung schlürfe! Als ob der Geifer seines Munds bespeie Das heil'ge Banner, dem ich stolz mich reihe! Halt an! — Mein Schwert sollt' aus der Scheide klirren, Die Pfeile, zücht'gend, aus dem Köcher schwirren, wenn dich die weißen Haare nicht, die milden Fürsprecher, deckten mit den Silberschildeu! Sie sind des heil'gen Stromes weiße Wellen, Die sanft ein schroffes Inselhauxt umquellen; Der Silberlocken Brandung heiligt, schirmet Des Wahnes Tempel selbst, der drauf sich thürmet. — 2Z6 — q. (§ewalt'ge Tische dehnen sich im Saale, Doch wenig Gäste sammeln sich zum Mahle; Wie stand dieß Schlachtfeld einst voll Waffenbrüder! Vie hat der Tod gelichtet jetzt die Glieder! In jenem Schrank, dem Arsenal der Zecher, Gleich panzern todter kjelden stehn die Becher; Doch alle leer, vom Spinnennetz durchwoben, Dom Staub des Zeitenmoders überstoben! In tiefer Gruft, in üppigem Gedränge, Mit trocknen Lippen schläft der Zecher Menge; Mich dünkt's, als ob zur Gruft die Becher schielten, Als ob zum Schrank der Schädel Augen zielten! Gern wallt' ich stündlich in der Gruft Gemächer, Denn heiter sind die Träume lust'ger Zecher; Doch blieb' ich Mitternachts im Mondenscheine Nicht mit den leeren Bechern gern alleine. Da ziehn, wie blankem Sarg entsteigend ihnen, Die Geister froher Stunden, trüb an Mienen, Im Trauermarsch, in langen bseeresbahnen, vorüber mit gesenkten schwarzen Fahnen. 2Z7 5. ^m Beichtstuhl sitzt ein Priester zu Gerichte. Glaubt nicht des Jünglings ros'gem Angesichte! Ein Eisseld ist sein Herz, das kalte, rauhe, Ein Spiegel, drin sich nur der Himmel schaue! Und eine Wüste ist's, die schrankenlose, Die öde, kahle, ohne Duell und Rose, Draus nur die Pyramide „Gott" sich hebet, Doch einsam, düster, grau und unbelebet. Ein lockig Mägdlein kniet zu seinen Füßen, Ihr Herz ihm ganz und reuig aufzuschließen; Drin hat die Sünd' ein Gärtlein, ein gar schönes, voll Rosenhecken und voll Duellgstönes. Nun ihre Worte den Bericht beginnen Und von den ros'gen Lippen lispelnd rinnen, Da wird es ihm, als ries'le eine Duelle Durch seinen Wüstensand ganz frisch und Helle. Und wie sie flüsternd spricht von sel'gen Lauben, Da mochte wohl mit Fug der Arme glauben, Es habe Lenz mit seinen Rosen allen Den Gletscher bombardirend überfallen. Das Mädchen schritt entsühnt schon längst von hinnen, Er lehnt im Stuhle noch in tiefem Sinnen, Umsäus^lt still von keimenden Gedanken; Die Pyramide, ach, beginnt zu wanken! - 2z8 - Und aus den wiedergrünen Wüstenschollen Ist Blüth' an Blüth' und Zweig an Zweig entquollen, Als Laube kühl und lind sein Lsauxt umdüsternd, viel süße, heil'ge Wonnemärchen flüsternd. Und an den Zweigen gaukelnd auf und nieder, Singt eine Nachtigall gar seltne Lieder: Es ist sein kserz!— Wenn Nachtigallen schlagen, Wer weiß, ist's Jauchzen, ist's ein stilles Klagen? 2ZY 6. -Hch sah der Aebte Bilder in der lhalle, In schwarzem Kleid, mit Insul, Krummstab alle; Mir schien's, als stünden reihweis' im Spaliere Um mich des Grabes Gardcgrenadiere. Du mit dein Busenkreuz von Edelsteinen, Jüngling, magst selbst ein lebend Grabmal scheinen; Mich dünkt's, als ob dir unter'm Kreuze lägen Begraben deines lserzcns Fried' und Segen. Du, Greis, gebeugt zum Buch vor dir, dem alten, Du gleichst, vertieft in seine morschen Spalten, Der Meide, die sich neigt zum Stein am Grabe, Als ob sie's, seine Schrift zu lesen, labe. Du, kräft'ger Mann, wie stünd' ein Schwert dir prächtig! Wohl auch das Zepter schwäng'st du gut und mächtig! Wie Schade! Doch vielleicht an einem Tage Wiegt Zepter, Krummstab, Schwert gleich schwer zur Wage. Du dort, deß Äug' voll Lebensglanzes spielend Liebäugelt, nach dem Todtenkopfe schielend! Jetzt ist's verkehrt! Ins schöne Äug' des Lebens Schielst du, selbst Todtenschädcl, ach vergebens! 240 Doch fort von hier! Ls will mir nicht gefallen, Aus sichrem Port zu schaun das Sturmmeer wallen, Des Lebensschisfes Wrack im Zwielicht blinken Und Schwimmer krampfhaft rudern, ach, und —- finken! Doch halt! Sieh dort, wie Vollmond aufgegangen, Lin Abbasbild mit vollen, rosigen Wangen, Lhrwürd'gen Bauchs, daß fast mir angst, es sprenge Sein Athemzug des goldnen Rahmens Enge! Den Maler küßt' ich gern, der auf den Wangen Dieß sonn'ge Lächeln haschend eingefangen, Den Paradiesesvogel, glanzvoll stille Umschwebend dieses Rosengartens Fülle! Er hieß, wie Josua, die Sonne stehen, Daß sie der Enkel noch mag leuchtend sehen, Daß dieses Lächelns Geister einst nach Jahren Mit mildem Glanz in trübe Seelen fahren! Wie noch zu uns aus Tagen, längstvergangen Manch rundgewalt'ge Tempelkupxeln prangen, So in das magre Jetzt aus bessren Tagen Seh' kühn ich deinen Bauch herüberragen. Wie eines bombenfesten Kellers Bogen, Drein sich die Fröhlichkeit zurückgezogen, Der vom Geschütz des Witzes nur erschüttert, Nur von des Lachens Erdebeben zittert! Und über ihm und seinem Kleid, dem dunkeln, Seh' ich das gute, runde Antlitz funkeln Als Morgensonne, feist und xurxurgliihend, Licht über dunkle Alpenmassen ziehend. 241 Du warst wohl gut, ich schwör's! — Ans einem Sterne Siehst dn jetzt lächelnd her und duldest gerne, Daß keck auf deines Bauches Polstcrpfühle Jetzt meine Phantasie, das Uindlein, spiele. So blühst du jetzt noch als gefüllte Rose Durch dieß Gestrüpp' ringsum, das blätterlose; So gießest du als Vollmond milde Strahle versöhnend rings auf düstre Tranermale. iü Anast, Grün's Werke III, 242 7. !^>eht dort den Mönch, kapuzumhüllt die Augen! Doch diesen scheint ihr Wohnhaus nicht zu taugen, Aween Adlern gleich, aus dunkeln, öden Klüften Zum Flug sich schwingend nach den sonn'gen Lüsten „Auf meinem Haupt, von der Kaxuz' umdunkelt, Hat einst ein Helm mit grünem Zweig' gefunkelt; Dieß Herz, in eine Kutte jetzt verkrochen, An einen Panzer trieb's kampflustig Pochen! wie rauschten, Leipzig, einst auf deinen Bahnen Uins trunkne Haupt uns der Begeift'rung Fahnen, Daß, wer da fiel, mit Jauchzen, wohl wie trunken Unter des Lebens grünen Tisch gesunken! Der Himmel glüht', als schien' er selbst zu bluten Die Sonne lag auf rothen Dampfesfluthen, Als wenn ob uns der Purpur Deutschlands schwebte Und sie aus ihm als Kaiserkrone bebte! Uns Alle deckte mild sein Riesenschatten, Darunter focht sich's gut und ohn' Ermatten! Doch saht ihr's, wie in Fetzen er zerflogen Und Nebel blieb, der gaukelnd uns belogen! -43 Die Lanner, drauf in Gold: Freiheit! geschienen, Sie sind zerrissen, und das Wort mit ihnen! wir graute nimmer vor des Kampfes wiithen, Doch bebt' ich vor des Siegeskranzes Blüthen! wein Lorberreis, ich gab es preis den Lüften, Und die Begeist'rung trug ich stumm zu Grüften, Daß sie, wie Todte in der schwarzen Erde, In dieser Kutte still bestattet werde. Ihr, die ihr schlaft auf Leipzigs Fluren, Brüder, Einst tritt zu euch der Waffenbruder wieder; Das wird ein lustbarlich Erkennen geben, Seht ihr im Maskenkleid heran ihn schweben! Statt mich in freies, grünes Feld zu neigen, Daß meinem lherzcn Blumen frisch entsteigen, Muß dann in dumpfe, dunkle Gruft ich schweben, Unsrnchtbar, ach, im Tode, wie im Leben! Statt farb'gem Kleid und blankem Wehrgeschmeidc, Dran sich die arme, kahle Erde weide, wird meinen Leib die Kutte scheu umschleichen Und meine Lend' ein Strick, das Sklavenzeichen! Statt daß bekränzt die Fahn' aufs Grab sich senke, Als ob sie mein in stillem Dank gedenke, wird die Kapuz' aufs Auge mir gerissen, Fürwahr, als ob sie mein sich schämen müssen! 16* — 244 — Statt daß im Trauermarsch die Trommeln hallen, Den letzten Gruß der Brüder Büchsen knallen 'Und pochend au des Himmels Pforten schlagen, Dem alten Krieger Einlaß anzusagen; Schnarrt dumpf zur Gruft mein Sarg am Seile nieder, Umkrächzen mich der Mönche heis're Lieder Mit müdem Flügelschlag, wie satte Raben! Wirst du auch, deutsche Freiheit, so begraben?" 245 8. ^ch stand im Klosterhos varni Marmorbilde Des Engels mit dem Flammenschwert und Schilde, Sein Fuß tritt sieghaft auf den lsöllendrachen Mit schupp'gem Leib und offnem Feuerrachen. Doch seht jetzt zwiefach Satanas bezwungen: Ein Rosenstrauch hat blühend sie umschlungen Und wächst und drückt dem Seraph auch behende Anstatt des Schwerts ein Röslein in die ksände. Ich ging ins Refectorium der Brüder Und setzte mich zum Mahl mit ihnen nieder, Ans schwarzer Tafel aber stand mit Kreide: „Silentium!" der Todesspruch der Freude. Doch des Verbotes scheint gar wenig fragend Die Nachtigall, in nahen Büschen schlagend, Das Taubenpaar, vor'm Fenster liebegirrend, Der Väter frommes Sinnen fast verwirrend! Ich wallte durch des Gartens Duftgelände, Da schmückt' einst eine Sonnenuhr die wände, Drauf stand in schwarzer Schrift die trübe Kunde: „G Mensch, du kennest weder Tag noch Stunde!" — 24b — Doch Reben ranken jetzt um Zahl und Zeiger, Dran eine Traube hängt als Schenkenzeiger, Die dichten Rauken säuseln lust'ge Runde, G Mensch, du kennst jetzt wahrlich nicht die Stunde. Mich dünkt, als ob Natur mir allerwegen Hielt' eine große, lichte Freud' entgegen, Und wie Madonna mit dem heil'gen Rinde, Den Schmerz der Welt versöhnend, vor mir stünde. Ls hat ihr Arm geheftet ihren blauen, Gewalt'gen Mantel vor der Ankunft Grauen; Sie ließ den grünen Teppich niedergleiten Aus all den Moder der Vergangenheiten. Sie aber spricht: Bereitet sind die Wege! Durchzieh', mein Gast, frei meines Reiches Stege, Das Haupt umstrahlt von Himmels Sternenglanze, Den Fuß geküßt vom Trden -Blüthenkranze! Setz' dich zu Tisch, doch zieh nicht Gramgesichter, Sei meiner Satzung kein triibsel'ger Richter, Denn üb'rall hinter dir mit grüner Ruthe Steht Lenz, mein lnst'ger Rath, im Schellenhute. 247 - 9- Der ew'ge Mond im Dom der Nächte schimmert, Die ew'ge Lamp' im Klosterkirchlein flimmert; Horch Mitternacht! Don den zwölf Schlägen gellen Der Mönche Särge, wie einst ihre Zellen! Und wie zur Hora einst, entsteigt den Bahren Ein dunkles Heer in schleppenden Talaren, Doran die Kirchenfahne mit dem Kranze Und ein gewaltig Kreuz auf hoher Lanze. In langem Zug, gesenkten Anges, schweigend, Langsam und feierlich zum Thore steigend, Jetzt braust ihr Lied, und Grgelklang gewittert, Daß wand und Pfeiler bebt, die Kuppel zittert: „Weh! was wir bauten, ist in Schutt geschmettert! Weh! was wir säten, bat der Sturm entblättert! Das Loos all' unsres Lebens und Gebetes, Der Mensch zertritt es, und der wind verweht es!" Dort unten wandeln zwei verblichno Meister! Das sind des Bildners und des Malers Geister, Jetzt vor zerfallnen Marmorbildern stehend, Jetzt manch entfärbtes Altarblatt besehend: 248 „Weh dir, 0 Zeit! Verstümmelt wie ein wilder, Muthwill'ger Bube hast du unsre Bilder! Weh euch, 0 Staub und Moose! Euer Meben, Das Bahrtuch ist's von unsres Geistes Leben!" Und wieder trat aus einem schlichten Grabe Ein Mann mit Zirkel, Winkelmaß und Stabe; Er setzte sich auf morsche Vuadernstücke, Arkad' und Kuppel maßen seine Blicke: „Weh! Stolzer Säulen Zier liegt rings gebrochen! Mir ist's, als wären s meine eignen Knochen! Wer untergeht im Werk all seines Lebens, Der stirbt wohl zwiefach, ach, und lebt vergebens!" Indeß stand lächelnd mitten unter ihnen Der Helle Mond und sprach mit heit'ren Mienen: ,,Ich wall' als Geist der Sonn' in dieser Stunde, Und so spricht sie zu euch aus meinem Munde: Ich wandle meine Bahn seit Jahr und Jahren, Wer hat des Leides mehr als ich erfahren? Was nennt ihr eures Lebens Preis vergebens? G seht den schnöden Preis all meines Lebens! Ich bin das Licht! — Die Welt liegt noch in Nächten! Ich bin die Freiheit! — Sie ist voll von Knechten! Ich bin die Liebe! — Sie ist hassestruüken! Ich bin die Wahrheit! — Sie in Trug versunken!" — 249 — Und wie er's sprach, wars, als ob flüchtig walle Lin leis Gewölk vor seinen: Hellen Balle, Wie um ein schönes Antlitz Graingedanken! Die Geister aber in die Nacht versanken. Der ew'ge Mond durchs Airchensenster schimmert, Die ew'ge Lampe matt und matter flimmert; Die Leichenstein' im fahlen Zwielicht ragen, Im Gsten graut's, mich dünkt, es will bald tagen. 2Z0 ^0. Rlosterkeller ragt aus vielen mindern Ein riesig Faß, wie Vater unter Rindern; Drum nehmen sie's nicht krumm, daß es zu ihnen Sich also stolzen Wortes mag erkühnen: „Ich bin mit Fug der Abt in eurem Grden! Denn wem ist solch Prälatenbäuchlein worden, Ein also rundgewölbtes, kugelseistes? wer ist von euch, gleich mir, so voll des Geistes? Ihr fühlt's und kniet von Demut voll im Ureise Tief unter mir nach frommer Brüder Weise, Als sollt' aufs iqaupt der Abt die kfand euch legen And über euch nun sprechen seinen Segen. Und öffn' ich meine Lippen, wahrlich, Allen Wird meine Lehr' und Predigt Wohlgefallen; Denn voll und kräftig dem Prälatenmunde Entquillt die unverfälschte goldne Runde. Seht meinen Leib in brauner Rutte prangen, Den Wanst gespannt in blanke Gürtelspangen; Aus niedrem Stamm hat mich der 6err erhoben, Daß ihr in mir mögt seine Wunder loben! Denn meine Väter sind nur winzerleute, Als Bäurin dient noch Mutter Erde heute; Das ist der einz'ge Unstern in dem Spiele: Ach eine Mutter nur und Väter viels! 2ZI Der Kindheit Garten, Eltern, Brüder alle verließ um die Llausur ich dieser Halle! Und aus der Jugendfreiheit sonn'ger Schwüle Trat ich zum Klosterfrieden dieser Kühle. Dort mußt' am Stab bergan ich klimmend keuchen Hier dehn' ich mich auf breitem Bett von Lichen; Dort hab' ich jeder Wolke bang gezittert, Hier hör' ich'- kaum, wenn's oben sturmgewittert. Ganz eingesessen meinem Lehngestühle, Wird mir das Aufstehn schwer ans seinem Pfühle; Da müssen sie von hinten, kaum zu glauben, Mich in die Htzhe mit der Winde schrauben! Nur wenn der Lenz um jene Hügel glühte, Und jede Rebe sprießt in voller Bliithe, Da wird mir's fast zu eng in diesen Hallen, Und mein Prälatenblut beginnt zu wallen! vom Leibe möcht' ich meine Kutte lösen Und wieder Rebe sein, wie ich's gewesen, Ans meinem Herzen auch mein Sträußchen bringen Und meinen Arm um eine Schwester schlingen!" 2Z2 N- ^m Klosterdome prangt, aus Stein gehauen, Des Stifters Grabmal, kläglich anzuschauen: Lin Ritter knieend, Stahl um Brust und Lenden, Den Rosenkranz fest in gefalt'nen ksänden. Dor ihm liegt ein Brevier und Todtenschädel, Lin Kruzifix und dran ein Weihbrunnwedel Und eine Geißel, daß den Leib er schlage! Li, ob er drum wohl Schien' und ganzer trage? Und was noch Trübes fehlt, der Stein mag's künden: Wie er gen Sion zog, sich zu entsünden, Wie er die Fasten hielt und sich kasteite Und keine Mess' versäumt' und niemals freite. Doch muß ich dieser Narmorlüge lachen, Denn mir erzählt mein Lserz ganz andre Sachen, Als sei's mit dir, du theurer kseld, vor Jahren In lust'gem Zug froh durch die Welt gefahren. Ich seh' dich zwar nach Schädeln noch verlangen, Doch ist noch Goldhaar dran und ros'ge Wangen! Zwar noch den Rosenkranz, doch aufgezwnngen Den ksänden nicht, nein, frei ums ksaupt geschlungen! Ich sehe dich an Bord, die Fluth durchjagend, Du stehst an: Deck, die kfarfe fröhlich schlagend, Daß selbst das Schiff im Tanz durchflog die Wogen, Und hinterdrein Delphine walzend zogen! — 2ZZ — Seh' deiner Sehnsucht heilig Grab dich find.en In Salem in zwei Armen, weichen, linden; Es neigen schattend sich, wie seine Fahnen Rings um den Sieger, Palmen und Platanen. Ich find' auf Burgen süßer Heimat wieder In Lauben kühl dich und die Waffenbrüder, Die klingenden Pokale frisch erneuend And Scherz und Lied drein als Gewürze streuend; Seh' auf der Alänge Meer im Saal dich wiegen, Als rüst'gen Segler tanzend es durchfliegen; So hält der Sprosser nimmermüden Reigen Im sel'gen Festessaal von Blüthenzwcigen. Daß sie am Grab dir lesen so viel Messen, Ist, weil du lebend ihrer oft vergessen! Doch log etwa die Runde meines Herzens? And warst du doch ein trüber Sohn des Schmerzens? Dann, kraft des Dichtcrrechts, das mir gegeben, In meinem Herzen leb' ein schön'res Leben! In meinem Herzen wirst du neu geboren, Und Alles dir erweckt, was du verloren. Der Freund, daß du ihn liebend magst umschließen, Die süße Maid, die du versäumt zu küssen, Der Rosenstrauch, dem kalt vorbei du..gingest, Daß du ihn jetzt in deine Locken schlingest! 254 ^2. Ain Aellenfenster lehnt im Mondenlichte Der strenge Abt mit düstrem Angesichte; Es steht ein Priesterjüngling vor dem Manne, Ein grüner Sproß bei alter, dunkler Tanne. Es müht der Mondstrahl sich umsonst, dem Alten Zu streichen aus der Stirn die finstern Falten, Die in so grellern Schattenfurchen brechen, Nun er zu Jenem so begann zu sprechen: „Dieß Kleid, das, Jüngling, heute dich umfangen, Die Welt sah's einst als schwarzen Purpur prangen, Des Haupts Tonsur als Kron', als eine echte! Als Fürst der Fürsten herrscht' der Knecht der Knechte! voll Kön'ge ist die Welt, das Land voll Heere, Das Feld voll Pflüge, segelvoll die Meere: Er winkt, und Segel, Pflüge, Heere wallen! Er winkt, und auf ihr Knie die Kön'ge fallen! Kühn fühlte über Sterne sich gerissen Des Priesters Stolz, die Welt zu seinen Füßen, Die Welt, die, Puppen gleich im Puppensxiele, An seinem Draht er spielend lenkt zum Ziele! Das Puppenspiel beginnt, die Kerzen flammen; Ihr Bänke brecht der Menge nicht zusammen! Den Priester decken des Theaters Wände: Lin Puppenspieler berge gut die Hände. 255 Des Ehaos Nacht, des Paradieses Zweige, Die Schlang' und das berühmte Blatt der Feige, Der Fels von Löschpapier, des Meeres Wogen, üne kommen All' an seinem Draht gezogen. Der Engel, dem vom Weingeist brennt der Säbel, Der liebe Herrgott selbst im Wollennebel, Der ölgetränkte Mond, sammt Sonn' und Sternen, An seinem Drahte mußten gehn sie lernen. Ein Guß von Streusand wird als Sündfluth taugen! Streut so viel Sand dem Volk nicht in die Augen! Der transparente Regenbogen nahte Dem wasserscheuen Noah jetzt am Drahte. Ein Engel packt dort Habakuk beim Schopfe! Sieh Judith mit des Holofernes Kopfe! Horch, Josua schießt mit Posaunen Bresche! Elias reist in brennender Kalesche. Die Krone Sauls, des Maccabäus Degen, Die Harfe Davids weiß sein Draht zu regen, Den Hohenpriester mit Papicrscheer', Brillen, Bereit, des Herrn Beschneidung zn erfüllen. Schon soll der Draht gen Himmel Lhristnm tragen, Wohl hungert längst des Puppenspielers Magen; Da wandelt Satan in Gestalt des Schenken Mit wein und Würsten zwischen Bühn' und Bänken. Die Hand ließ Lhristum aus den Wolken fallen, Rasch in die Schüssel griffen ihre Krallen! Das Anferstehungsfest des Himmelsfürsten, Ach, wurde so zur Himmelfahrt von Würsten! — 2Z6 — Das Volk stürzt pfeifend, lachend aus dem Saale, Zum Nachtisch hagelt's Aepfel noch zum Mahle; Das war des Puxpensxieles tragisch Ende: Lin Puppenspieler berge gut die kfände. Vb wir aufs Neu' auch Sonn' und Mond polirten, Neu Lvens Baum mit goldner Frucht staffirten, Aus bleibt das Volk, leer stehn des Saales Ivände: Litt Puppenspieler zeige nicht die kfände!" So sprach der finstre Mann zu dem Gesellen Im Angesicht des Monds, des glänzend Hellen, Indeß die Nachtigall im nächsten Flieder Die Jungen lehrte ihre ew'gen Lieder. 257 „A er Brüder Mangel gab mir zu viel Würden! Im Büchersaal hüt' ich Foliantenhürden, Als Gärtner muß ich Kohl und Blumen treiben Und als Chronist des Klosters Chronik schreiben! Tuartanten. dort gleich Leichensteinen prangen, Dran Spinnennetz' als Todteuhemden hangen; Ich wehr' es nicht, da dieser Grüfte Blüthen Die Welt ja längst mit Duft und Glanz durchglühten. Die Chronik schlag' ich auf; da find' ich wieder Die Rose, die ich drein einst legte nieder Als Zeichen, wo mein Dorfahr stehn geblieben. Ach! meine kjand hat noch kein Wort geschrieben! Ist's meine Schuld, daß längst die Wunder schweigen, Kein Fürst sich zum Besuch am Thor will zeigen, Kein Bannstrahl blitzt, und in dem Klostcrleben Sich's nur begibt, daß gar nichts sich begeben? Mich aber dünkt's, als ob die Weltgeschichte Sich mählich ganz in meinen Garten flüchte; Wenn draußen thatenleer die Tage wandern, Blüht drin ein hold Ereigniß nach dem andern. Als sich des Winters Wüsten in den Sonnen Des Lenzes zu bevölkern kaum begonnen, Da ward die Tulpe aus des Thrones Stufen Erhöht und laut als Kön'gin ausgerufen. Anast. Grün's Werke III. 17 2Z8 Die Rose zeigt dein Volk sich vom Altane, Da wird entthront die eitle Tulipane! Die Rose prangt mit Duft und Dorn und Blüthe: Ls herrsche Schönheit, Kraft und Herzensgute! Deß nicht zufrieden, sind zum Bund verschworen Violen, die rebellisch tricoloren; Die Köpfchen stecken flüsternd sie zusammen, Gen die Tyrannin Wettkampf zu entstammen. Sieh Goldorangen^ Kronen in den Händen, Granaten, die das Äug' mit Purpur blenden, Gesandte Wälschlands, Aron' und Purpur bietend, Das Glashaus, das Hotel der Fremden, hütend! Sieh hier des Fruchtbaums goth'schen Domthurm ragen, Darin als Glocken hell die Vögel schlagen, Um seinen Fuß die farb'gen Blumen alle, !Vie Gläub'ge Sonntags um des Münsters Halle. Dort hüllt in Traubenschmuck und Laubgewebe Den kahlen Pfahl, der sie gestützt, die Rebe, Des Armen Blöße deckend und im Bilde Mir schön entschleiernd christlich echte Milde. Ich weiß mit Blüthenranken, Baumspalieren Die Wand, die von der Welt uns trennt, zu zieren; Was sollt' ich ob der Scheidcmauern klagen, Die mir so schöne Blüth' und Früchte tragen! So ist, o Herr, ein stilles, schönes Schweben Durch Blüthenglanz und Sonnenduft mein Leben! So mag mein Geist zu deines Frühlings Hallen Durch Blüthenglanz und Sonnenduft einst wallen! — 259 Ha, Zeit ist's, meine Blumen zu begießen! Ach, unbeschrieben muß mein Buch ich schließen! Dich, Rose meines Gartens, leg' ich wieder Als Zeichen in der Lhronik Blätter nieder. Da magst du Würze hauchen in die Sxalten Des vollgeschriebnen Säkulums, des alten, Und in das leere weiße Blatt des neuen Dein Morgenrot!) und deine Düfte streuen." >7 2Ü0 Wie seid ihr schön, ihr lieben , grünen Ranken/ Die jener Zelle Fensterlein umschwanken, Ihr steigt empor wie Stufen lust'ger Stiegen, Drauf grüne Teppiche gebreitet liegen! Wie lieb' ich euch, ihr Ranken, schön und heiter, Ihr grünen Sprossen einer Frühlingsleiter! An euch empor ziehn kletternd meine Träume, Neugierig blickend in des Innern Räume. Den letzten Mönch seh' drin auf Rnie'n ich liegen, Die andern All' sind längst zur Gruft gestiegen, Den andern Allen drückt' er zu das Auge, Und Reiner blieb, der sein's zu schließen tauge. Da fließt ums greise Haupt in ernster Mahnung Me leiser Flügelschlag ihm Todesahnung, Als fühlt' er säuselnd drauf im Windeswallen Sauft einen Rranz vor; dürrem Herbstlaub fallen. Er rafft sich auf; mit dumpfem Nachhall gleiten Des Mönchs Sandalen durch der Gänge Weiten, Ihm dünkt es, wie er hört die Doppeltritte, Als ob mit ihm der Geist des Hauses schritte! Den Dom entlang bis zu des Thores Bogen! Da greift er mächtig in der Grgel Wogen Und läßt aus voller Brust laut durch die Hallen Sein: „Großer Gott, wir loben dich!" erschallen. 26l Und wie die Tön' im leeren Dom mit Dröhnen Ringsum, gewalt'gen Brausens, widertönen, Ist's, als ob Antwort ihm aus Grüften klänge, Und mit der Thor der todten Brüder sänge. Jetzt ist es still, und Lied und Klang zerstoben! Des Mönches offnes Äug' starrt kalt nach oben, Als sxräch's: Seht hier den letzten Mönch, ihr Frommen! Denn mich zu schließen will kein Bruder kommen! Und eine Weile draus mit leisem Flimmern Erlosch im Dom der ew'gen Lampe Schimmern; Doch mir schien's, da ihr letztes Flackern bebte, Als ob des Domes Seele still entschwebte. Und eine Weile drauf, da stürzen fallend Die Lngelchöre, jenes Kreuz umwallend, Wie wenn ein Baum am Grabe, sturmgerüttelt, Drauf seine weißen Blüthenftocken schüttelt. Und eine Weile drauf, den Dom erschütternd, Stürzt selbst der Baum, im Fall zu Moder splitternd! Ihm nach Gewölbe, Kuppeln, Säulen rollen, Wie Särgen eine Schaufel Erdenschollen! Und eine Weile drauf wallt diesen Steinen Die Zeit vorbei, wie morschen Todtenbeinen; Streut fromm darüber eine kfandvoll Erde, Daß ihnen christliche Bestattung werde. Und eine weile drauf, der Erd' entsprießend, Wehn grüne Saaten drüber, lichtbegrüßend, Stehn volle Rosen drauf, so duft'ge, Helle! Das ist wohl eine schöne Grabesstelle. 262 Und durch die Saatengänge, Rosenhallen Seh' einen Dichter ferner Tag' ich wallen, Sein Lied, auf lust'gen Saaten leis geschaukelt, Sein Lied, von frischen Rosen hell umgaukelt! Sie aber wollen ihm nicht anvertrauen, Was ihnen in der Tiefe ward zu schauen, Wie einst in meinem kserzen schon sie keimten Und drin den Traum der Auferstehung träumten! Nur eine Lerche, sonn'gen Aethers trunken, Als Geist der Glocke, die dort tief versunken, In Thurmeshöhe schwebend über ihnen, Läßt tönen ihre schönen Matutinen. So hielt mein kserz des letzten Mönchs Begängniß, Schon bricht herein mit Grausen das verhängniß, Die Auxxeln bersten, und die Pfeiler wanken! — Wie schad' um meine lieben, schönen Ranken! (Lincinnatus. sit Golf Neapels, an Pompeji's Allsten Liegt eines Schiffes majestät'scher Bau; Matrosen, an den Masten klimmend, rüsten Zur nahen Abfahrt Segel schon und Tau. Am Missisipxi grünten einst die lvixfel, Jetzt im Tyrrhenermeer sich spiegelnd dort Entlaubt und kahl! Jedoch von ihrem Gipfel Tönt lust'ger Vögel Lied noch immerfort! Von außen über der Kajüte schimmert Ein Römerheld, geschnitzt, als Schutzpatron, Deß Raupt ein goldner Lorberkranz umflimmert, Deß Rand als Strauß Lyanen hält und Mohn. Ein Garbenbund liegt ihm zur Linken munter, Rechts droht das Beil aus Ruthen grimm heraus; Die Ähnlichkeit verbürgend, spricht darunter Goldschrift den Namen: „Lincinnatus" aus. 266 von vierundzwanzig Sternen golddurchschossen, Neigt drüber sich die blaue Flagge mild, Ivie eine späte Glorie, die umflossen Mit Sternenglanz das alte kseldenbild. Lin Sohn Amerika's, gekreuzt die Lände, Lehnt still am Mast an Lincinnatus' Bord; Sein Äug' durchschweift im Flug des Golfs Gelände, Winkt hier ein Lebewohl, nickt Grüße dort: „Euroxa's ksaud Italia, die schöne, Erhebt sich segnend über'nl Wogenglanz, Und daß des Meeres bsauxt sie liebend kröne, bsält sie Neapels Golf als wiird'gen Kranz. Er riß vor Füll'! Im Blüthenkuß nicht küssen Misenums und Minervens Kap sich mehr! Wie einzle Blumen liegen losgerissen, Zerstreut, die schönen Inseln bunt umher! D Capri, Rose, schön im Spätroth glühend! Doch sieh, Tibers zertrümmert Riesenschloß, Es ist der Kuß der Schlange, geifersxriihend, Der, Rose, dir entweiht den keuschen Schooß! Nisita's, Ischia's weiße Burgen schimmern Wie Wasserlilien über'm Meeresplan; Doch Kettenklang und der Gefangnen Wimmern Steigt als der Kelche Duften himmelan! Ihr Blüthen rings, mich täuscht nicht euer Kosen! Ich weiß, ihr seid ein Selam nur der Schmach! Geschrieben hat in Lorbern und in Rosen ksier jede Zeit die Gräu'l, die sie verbrach! — 267 — Ich weiß cs, Ros' und Lorber trunken schwellen Nur in dem Duft, der rings aus Gräbern steigt; Grangen, Reben und Granaten quellen Nur von dem Blute, das sie reich gesäugt! Sie Alle sind Guirlanden nur, zu ranken Um einen großen Blutaltar: dieß Land, Die von des Gpfers Todeskrampf noch schwanken, Dran noch sein letzter Sterbehauch gebannt! Es lodert mitten durch des Weltbrands Trümmer Vesuv, das letzte Haus, das fort noch brennt; Neapel, stolz gehüllt in Lärm und Schimmer, Sein Schutt ist deines Baues Fundament! Dein Volk, nur Trümmer jenes sturmentrasften, Gewalt'gen Heldenvolks voll Glanz und Kraft, Und deines Marktes kleine Leidenschaften Nur Trümmer einer großen Lebenskraft! Lastellamare dort, wo Anjous Veste In Trümmern stottert noch manch blutig Wort! Elysium, eines Kimmels Trümmerreste! Avernus, einer Hölle Trümmer dort! Sorrent's Gestad' im blauen Flur von Lüften! Wie mich dieß Wort mit süßem Schmerz beschlich! Sieh', auf Gesängen und Grangeudiiften Miegt ein zertrümmert Dichterleben sich! Pompeji, sei gegrüßt, erhabne Leiche! Die Gegenwart als Leichenräuber schwingt Den Spaten; seht, wie er mit jedem Streiche Zu Tag ein Stück der Weltgeschichte bringt! 268 Du bist das Antlitz nur vom Leib des Riesen, Den noch umhüllt der Erde Leichenkleid! Doch deines Hauptes welke Züge wiesen Die alte Kraft und Füll' und Heiterkeit! Dein Sarno, der dir einst als Kraftathlete Der Schätze Last zum Port gewälzt so leicht, Sieh, wie er mühsam jetzt zum Meeresbeete, Gleich wie ein Greis zum Grab ans Krücken, schleicht! Und triumphirend über Ulenschenkräfte Pflanzt manchen Baum in deiner Hallen Flur, Manch Moos dir auf Altär' und Säulenschäfte Als Fahne der Lrob'rung die Natur. Doch blinkt noch unversehrt der Gräber Straße; Ach, das allein Beständ'ge ist das Grab! Und lächelnd wandelt deine öde Gasse Der alte Sonnenschein noch auf und ab." So sprach des fernen Westens Sohn, indessen Die Sonn' am Horizonte niederzog, von wo durchs Meer ihr Glanzstreif unermessen Bis an sein Schiff als goldne Brücke flog. Und auf der goldnen Brücke wandelt Heiter- Des Jünglings Geist gen Westen unverwandt, Wallt durch die Meereswllste, immer weiter Und fort und fort, da ruft er jubelnd: Land! „Land! Land! o meines Vaterlands Gestade! Willkommen, Baltimore's schöner Strand, Der mit den grünen Armen die Najade, Das Meer, als seine süße Braut umspannt! 26y Ls braust der Susquehannah, wogenschlagend, Als Hymne dir vom Mund zum Preis der Braut; Washingtons Mal, als lichter Pharus ragend, Liegt dir als Talisman am Herzen traut. Seid mir gegrüßt, ihr Wälder, Königsriesen, Umwallt von farb'ger Ranken blühendem Reis, Die purpurnen Trompeten gleich, als bliesen Sie in Posaunen eurer Schönheit Preis! Gewalt'ge Ströme, drauf des Dampfschiffs Wolke Durch Urwaldwüsten und Savannen steigt Und, wie die Säule Rauchs einst Jakobs Volke, Die Bahn zu neuem, schön'rem Eden zeigt! Ihr Städte, über Nacht entsprossen schnelle Gleich Blumen, seht, an euren Marktbrunn lenkt Der Damhirsch seinen Schritt nnd sucht die Duelle, Die gestern noch im Walde ihn getränkt! Ihr stillen Pflanzungen einsam Zerstreuter, wo zu den Bäumen floh des Menschen Schmerz, Die, greisen Aerzten gleich, ihr Laub wie Kräuter Ihm heilend legen auf das wunde Herz! Sieh, Leben rings auf jedem deiner Zuge! Selbst jene Grabeshügel alter Zeit verhüllt, wie eine tausendjähr'ge Lüge, Auch eines tausendjähr'gen Waldes Kleid! Selbst die Lypresse Mont Vernons, die düsternd vom Grab des Helden ferne Schiffer grüßt, Lin Lied des Lebens säuselt sie, das flüsternd Aufs Vaterland noch wie sein Segen fließt! 270 Wehklagend flieht der Urwald immer weiter, Bison entstürzt und Panther mit Geheul, Und hinter ihnen schwingt triumxhesheiter Der Mensch, obsiegend der Natur, das Beil! Mein Vaterland, in deines Lebens Glanze Sieh hin jetzt in Pompeji's Angesicht, Daß auch das deine einst im Todeskranze So ruhig lächle und so ernst, so licht! Daß, sollst du einst dem Dolch der Zeiten fallen, Du heiter dich in deinen Mantel hüllst, Und, so wie Lasar, vor den Zeugen allen, Im Tod noch groß und würdig sinken willst!" So einte Vstens Lorber, Westens Palme Sein Geist auf goldner Sonnenbrück' als Kranz; Pompeji gab des Tods Lyxressenhalme, Amerika des Lebens Rosenglanz. Die Blumen wurden farb'ger stets und lichter, Da senkt' er sie ins ew'ge, tiefe Meer; So, Freunde, senkt sie auch, gleich ihin, der Dichter In eures Busens ew'ges, tiefes Meer. 271 2. ^)omxeji's Bürger, du, mit dessen Aschen vielleicht gerad vorbei die Winde spielen, Die vor mir, tändelnd, Reb' und Rose Haschen Und in des Mittags Sonuenlocken wühlen! Dein ist das Haus, das ich, dein Gast, begrüße, Der sich verspätet um zweitausend Jahre! Du bist ein Mann, mit dem sich's leben ließe, Und freundlich heißt willkommen mich dein Lare. Dein „Salve!" an der Schwelle dieser Hallen, Nachstammelt dir's der Mosaik seit Jahren; Es gilt auch mir, wie einst den Nachbarn allen, Die jetzt mit dir dahin im Winde fahren. Du wirst nicht zürnen des Besuchs, des späten, Jndeß auch ich's dem Hausherrn nicht verarge, Daß er statt Purxurkisfen, Goldtapeten Aum Sitz mir bietet nur dieß Moos, das karge. Wohl werden deine Laren sich vertragen Mit meinen Hauskobolden gütlich können! wenn sie sich auch mit Kohlenbrändeu schlagen, Daß sie nur uns die Schüsseln nicht verbrennen! 272 Sind Deck' und Goldgebälk' auch längst in Trümmern, Deckt blauer Himmel uns auch nur statt ihnen, Ich bin ein milder Gast und seh' ihn schimmern Als deine seidnen, blauen Festgardinen. Und sengt die Sonn' auch brennend meinen Scheitel, Sie sei des Schweigens Rose, will ich schwören, Gen deren Pracht selbst Pästums Rosen eitel, Und die du aufgesteckt dem Gast zu Ehren. Des Epheus Schnur, drauf die Tirade schaukelt, Ist über'm Haupt als Seil uns aufgehangen, Drauf uns dein Gaukler seine Sprünge gaukelt. Wir brauchen seines Sturzes nicht zu bangen! Hier ist auch Amor! Seine Siege blieben Verewigt an der Wand von Farbendichtern! Zwar etwas derb und keck! Doch scheint's, im Lieben Isis besser allzukeck, als allzuschüchtern! Bacchustroxhäen, Amxhor'n in den Hallen Zerstreut, wie trunkene Bacchanten, liegen; Ist auch mit Asch' ihr Mund verstopft, doch lallen Sie noch von ihres Gottes lust'gen Zügen! Gruß, Musen, euch! Dort die Paxyrusrolle, verkohlt und morsch, wahrt noch im Eingeweide, Gleich wie der Muschel Schrein, der perlenvolle, Wohl manche Perl aus eurem Festgeschmeide. 27Z Laß uns zu deines Gartens Blüthenfesten! Ach, seine Mauern, die verwaisten, gleichen Dem Aschenkrug mit den verbrannten Resten Des Lenzes, der als Jüngling mußt' erbleichen! Doch sieh dort neu Viol' und Rose nickend Und Reben grünend, Palmen und Platanen! Sie sprießen draußen, still herüber blickend, Mie wir jetzt auf die Gräber unsrer Ahnen! Und sieh, hier kommen ja noch andre Gäste! Bequem macht sich, wie ich in deinem Aimmer, In ihrer Schwester tausendjähr'gem Neste Die Schwalb', umschwebend deines Simses Trümmer! Den Rosenfriedhof hier umschwebt ein dreister Goldfalter, wie ein Geist, der sich verirrte! Umsäuseln ihn des Gartens Blumengeister? Denkt er des Ahns, des Flug sie einst umschwirrte? Ich aber weiß, des Daseins Ring, der Helle, Er ist in Einem ungeheuren Logen Durch Stern und Baum, durch Rosen, Sonnenbälle, Durch Ulenschenherz und Lngelsbrust gezogen! Des Daseins Lied, von Allen angeklungen, Aussprechen kann für sich allein es Reiner! Was meine Lippen ganz nicht ausgesungen, Ergänzen Rose, Stern und Baum statt meiner! Anast. Grün's Werke III. r8 — 274 — Und nur ein Theil von mir wird eingegruftet, Lin Theil von mir wird fort sein Dasein leben; Lin Theil von mir ist's, was in Rosen duftet, In Sonnen flammt und grünt in Palin' und Reben! Lin Theil von mir ist's ja, das von dem ksügel Als (Duell durchstürmt der Lrde ew'ge Fluren, Als Schmetterling noch schlägt die farb'gen Flügel, Als Schwalbe noch verfolgt des Frühlings Spuren! So soll mein Salve! einst auch Lnkeln klingen, wenn über ihren Reben, (Duellen, Rosen Im Jubelfluge, auf des Windes Schwingen Vorüber meine Aschenreste tosen! 275 3. ^>ei mir gegrüßt, Vhio, schöner Strom, Der im gebctesstillcn Urwaldsdom Auf neuer Stadt' unheil'gen Alarktlärm stößt, Hier Goldsaat tränkt, dort Felskolosse flößt! Lin Bild der Zeit, begegnen sich aus dir Der Riesenbaum, den Sturm entwurzelt, hier Und dort des Dampfschiffs wandelnder Palast, Des Mlden Aahn, gebaut aus einem Ast! Hier hörtest du des Britten feilschend Wort, Des irren Indianers Wehrus dort Und lauschest jetzt des Deutschen ernstem Lied, Das aus dem Strom der Sehnsucht heimwärts zieht! Du sangst mein Wiegenlied, du hieltest klar Dem Jüngling einst der Reinheit Spiegel dar Und hast geflüstert leis ins Herz dem Mann Des Ernstes und der Araft ein Wörtlein dann! Du siehst mein Vaterhaus, so deutscher Art, Als ob's ein Engelpaar in lust'ger Fahrt, Wie einst Loretto's Gnadenhaus, hierher Gerad' vom Rhein getragen übers Uleer. 18* 27b Drin grüß' ich, heimisch Larenpaar, dein Bild, Dich, großer Fritz, dich, Joseph weis' und mild! Am Fenster klimmt ein Rosenstrauch hinan, Auch er durchmaß als Zweig der Meere Bahu. Ein Friihlingsargonaute zog er fort, Der, steuernd aus der peiniat sichrem Port Nach ferner Lenze goldnem Sonnenvließ, Daheim sein Liebchen Nachtigall verließ. B Deutscher, deine peimatlieb' ist gleich Dem Feuerwein, an Duft und Gluthen reich, Der, wenn er weiter Meere Bahn durchzog, Nur höh're Gluth und neue Würzen sog! vor'm Pause liegt ein Feld, aus dessen Raum Manch Strunk noch ragt von manch gefälltem Baum, Ein Urwaldsforum, von deß Säulenzahl Des Feindes Sturm nur ließ manch piedestal. Und mitten in gesunkner Säulen Kreis Als Triumphator sitzt ein ernster Greis, Als Zepter blitzt die Axt in seiner pand, Als Siegeswagen fuhr sein Pflug durchs Land! Mein Vater ist's! Seht rings sein rüstig Peer! Ls starrt von Golde, schimmernd Speer an Speer! Die Saaten sind's, sie lagern nah und fern, Gewaffnet All' für ihren süßen Kern! — 277 — Das sind vom Rhein die Truppen, deren Aelt Er siegreich an Ghio's Bord gestellt! Sie flüstern, Kriegern gleich an fremdem Strand, vertraut vom schönen, fernen Vaterland. Lolibri-Schwärme flattern farbenreich Ums kfeer, verbuhlten, lust'gen Dirnen gleich; Ihr Losen, laßt mir ungeschwächt und stark Die schone Fremdenschaar an Kern und Mark! Die kfeerde, die im Walde läutend geht, G lfeld, ist deiner Thaten Kofpoet; Gleich dem erhebt, wenn ksunger sie beschlich, Am allerlaut'sten ihre Stimme sich. Sieh Riesenbäume, die geschont dein Streich, Mit Kränzen iipp'ger Schlingeblumen reich Behängt die Arm', als Abgesandte stehn, Die kamen, Frieden von dir zu erstehn! Und Nachts, wenn durch des Urwalds dunkles Grün Myriaden Feuerfliegcn leuchtend sprühn, Ist's die Beleuchtung nur, die funkeln läßt Dem Sieger die erstürmte Stadt zum Fest! Nur dort im Mondenschein ragt todt und kahl Uralter Bäume Patriarchenzahl, Wie Geister der im Kampf Erschlagnen fast, Ein stummes ksänderingen jeder Ast! 278 Sieh fern die Wogen eines Feuermeers Wie Lagerfeuer des geschlagnen Heers! Als schwang' das Flammenschwert ein Seraphchor, Flammt einmal noch der Wald im Zorn empor! Die Ros' am Fenster glüht im Widerschein, Sie nickt wohl grüßend in die Nacht hinein, Doch dünkt mich, in dem blüthenreichen All Fehlt ihr die heim'sche, deutsche Nachtigall. Du hast erkämpft ein schönes Vaterland! Was neigst du sinnend, Greis, dein Haupt zur Hand? Gb deines Herzens stillen Rosen nicht Wohl auch die heim'sche Nachtigall gebricht? - 27y - Des schönsten Busens Form seh' ich bewahren Dich, graue Lava, Aphroditen? Becher! Der Liebe Trank, den ew'gen, feuerklaren, Schlürf ich aus dir, ein durst'ger Liebeszecher! Ich seh' die schönste von Pompeji'? Frauen Jin Garten, der sich sonnig vor ihr breitet! Wohl ist er schön und bliithenvoll zu schauen, Doch schöner, üxp'ger blüht, die ihn durchschreitet. Ls hält Akanth und Bux als Wacht von Zwergen In ksaft viol' und Ros' im grünen Lrker; Ihr Mieder doch mag als Gefangne bergen Zwei schönre Röslein wohl in seinem Kerker. Ich seh' als Silberschaft den Sxringquell steigen Und ihn als Schnee millionenflockig fallen, Gleich einer Trauerweid' aus Silberzweigen, Doch schöner, weißer ihren Busen wallen! Da sieht der Geist des Feuerbergs hernieder vom Flammenthron; ihn faßt die Macht der Liebe! Bebt, wenn euch Götter hassen, Lrdenbrüder, Doch auch nicht minder bebt ob ihrer Liebe! 280 Schon eilt, daß ihn kein Späher überrasche, Sein Mohrensklave, jene schwarze Wolke, Mit einem Schleier — ach, von Staub und Asche! — Der Liebe Haus zu hüllen vor dem Volke! Schon muß dem Kuppler nach, daß er nicht weile, Sein Sklavenvogt, der Sturm, jetzt brausend fahren; Der peitscht mit Feuerruthen ihn zur Eile Und zaust in seinen schwarzen, krausen Haaren! Schon tobt herab der Herr die Bergestreppe, Im Purpurmantel glüh'nder Laven wallend; Vesuv als Page hält den Saum der Schleppe, In ries'gem Bogen seinem Arm entfallend! So ungestüm hetzt Jener; Liebeshitze, Daß aus der Feuerkron' im Niederwallen Ihm Diamanten: flammenhelle Blitze, Granaten: glüh'nde Felsen taumelnd fallen! Schon ist er da, die Arme ausgebreitet, Die feur'gen, daß den süßen Leib er hasche! Doch ab von seinem Herzen dieser gleitet, Und knickt zur Erd' als eine Handvoll Asche. Die Rosen sind verdorrt am Hochzeitfeste! Dio CZuellen sind versiegt im Gartengrnnde! Nur in des Aönigsmantels Lava preßte Sich ab des schönsten Busens volle Runde. Da sprach der Gott: „Weib, deines Leibes Schöne verweis nicht, Rosen gleich, im Auß der Winde! Sie soll entzücken noch die Enkelsöhne, Stets leb' ein Zeuge, der sie ihnen künde! — 28l — Du graue Lava,/ollst in Staub nicht fallen! Als Lamxe, schöngeformt, sollst du erhellen, Glanzstrahlend, der Jahrtausend' Tempelhallen Und voll des heil'gen Gels der Liebe quellen! Als runde Vxferschale sollst auf Erden Der Liebe ew'gen Nektar du kredenzen, Draus sich Jahrtausende berauschen werden, Und deren Rand die sxät'sten Rosen kränzen!" 282 5. ^hr meine Grüße, fliegt, Sturmvögeln gleich, Weit übers Neer! Senkt auf die Gipfel euch Der Alleghany, wo ihr schauen mögt Das Haus im Thal, das meine Liebe hegt. Des alten Pflanzers Häuschen, schmuck und blank, vor dessen Thor auf weicher Rasenbank Vereint wir saßen einst, und meine Hand Des Waldes Blumen ihr zu Kränzen band. Ihr Haupt lag in des greisen Vaters Schooß, Deß Silberhaar auf ihre Locken floß, Wie nieder zu des schönen Saatfelds Gold Ein Wasserfall die weiße Schaumfluth rollt. Wie ihre Augen, Sonnen im Azur, Geglänzt ob ihrer Wangen Rosenflur! Des Alten Blick' ein hütend Wächterpaar, Daß ja kein Leid den Rosen widerfahr'! Als Adler wiegten meine Augen schnell Sich über Saatgold, Rosenflur und CZuell, Doch flogen stets sie wieder ohne Ruh Nach Adlerbrauch den beiden Sonnen zu! Da sprach die Liebste: B erzählt mir fein, Was für ein Ding mag eine Krone sein? Vb sie so schlimm, wie du, mein Vater, klagst? Db sie so schön, wie du, Geliebter, sagst? 28z Der Alte sprach: Einst unheilschwanger stand Die Krone als Komet ob unsrem Land; Die wiesen dorrten, Saaten sengte Reif, Das Gräßlichste war des Kometen Schweif! Ich sprach: Die Sonne ist des Himmels Kron'; V sieh, welch Glanz ausströmt von ihrem Thron! (!) sieh, wie reich ihr Unterthan, die Welt, In Blumen, Korn und Laub voll Segen schwellt! Er sprach: Da galt es die Gigantenschlacht! Der Pelion wieder auf den Gssa kracht! Mit Pfeif' und Trommel lustig himmelan Stürmt der Gigante Hankee-Ionathan! Ich sprach: Sieh dort der Berge Königsschaar, Gekrönt mit Sonnengold das dunkle Haar! Sieh hier gekrönt mit Laub der Ledern Schaft, Denn Kronen sind das Erbe ja der Kraft! Er sprach: Den Unstern packt beim Zopf der Held, Juchhei! und schleudert ihn Hinab aufs Feld, Daß er in Splitter stob, der Felsen klang! Ein Splitter, ach, mir an den Schädel sprang! Ich sprach: Wie strahlt in fürstlich reicher Pracht Der Mond als Kronendiadem der Nacht! Das Haupt der Rose schaukelt eine Kron'! Denn Kronen sind der Schönheit Siegeslohn. Er sprach: Frei ist das Land! Nur manchesmal Mahnt mich der Krone dieser Narbe (Hual, Der Kron', die weit jetzt über'm Meeresraum Fortblüht, für uns ein fremder Auslandsbaum! 284 Ich sprach: Sieh hier, von Blüthenfüll' umdrängt, Den Tulpenbaum, mit Aronen ganz behängt, Dastehri als Lhristbaum für ein Aönigskind, Da Aronen ja Geschenk der Liebe sind! Lr sprach: Des Volkes hoher Geist wird sein Der schöne Herbst mit klarem Sonnenschein, Der einst hinweg, wie welke Blumen, rafft Die letzte Arone manchem stolzen Schaft! Ich sprach: Die Liebe kommt als Frühling drauf Und weckt vom Winterschlaf die Blumen auf Und bringt zurück die Bliithen jedem Schaft, Die Aronen auch der Schönheit und der Araft! So sprachen wir, indeß der Liebsten Haupt Längst meiner Blumen Arone reich umlanbt, Die arge Aron', gen die der Vater focht, Die schöne Aron', die der Geliebte flocht! Noch glüht die alte Wund' im Schmerzenbrand! Vor dem Rebellen doch, dem greisen, stand Sein Aind, gekrönt als Aön'gin, zu empfahn Die Huldigung vom treu'sten Unterthan. - 28z - 6. Aort im zweitausendjähr'gen Schilderhause Dor'm Thor Pompeji's lehnt ein morsch Gerippe; Den Speer hält noch die Knochenfaust! Welch grause, Ulißlungne Posse auf des Todes Lippe! In der Livrep bourbon'scher Lilien schreitet Dabei ein neuer Wächter auf und nieder; Des Römers Sanduhr, den er ablöst, gleitet Auch ihm und mißt des trägen Tages Glieder. Und zu dem knöchernen Kam'raden spricht er: „Bb sie dich All' auch Bild der Treue nennen, Ich kann in dir, du Armer, den Berichter Don tausendsähr'gem Narrenthum nur kennen! Ei, meintest du die Daterstadt zu schirmen? Die Katapulte des Desuvs zu hemmen? Die Gluthgeschwader, die, den Wall zu stürmen, Er niederbrausen ließ, zurück zu dämmen? Auch ich bin einst in Waffen schon gestanden, Der Freiheit Banner rauschte auf mich nieder! Durch der Abruzzen grüne Thale wanden Wie weiße Mauern sich der Deutschen Glieder. Als Wall des Vaterlands den Kugeln allen Wollt' ich die freie Brust entgegentragen, Ei, hätte nur in nahen Waldeshallcn Nicht eine Nachtigall so schön geschlagen! 286 In ihre Reih», hoch in der Faust den Degen, Wär' ich gestürzt, von Todesmuth entglühet, Li, hätte nur hart neben meinen Wegen Nicht eine Rose gar so schön geblühet! Die Trommeln wirbeln, und die Fahnen wehen; Ja herrlich ist's, im Feld des Ruhms zu sinken! Li, hätt' ich nur die Traube nicht gesehen So schön und voll an grüner Hecke winken! Das Leben ist das Schönste doch im Leben! Drum rett' ich dir, Italia, das meine! Und sieh, auch dankbar sind die lieben Reben, Die Nachtigallen und die Rosenhaine!" Lr sxrach's, doch hält den Speer noch ohne Wanken Der tausendjähr'ge Wächter ihm entgegen! So ein Geripp' mag eigene Gedanken von Reben, Rosen, Nachtigallen hegen. 28/ 7. ^st heut der Lnt' und Wälschhuhns jüngster Tag, Daß rings ihr Krächzen schreit aus kjof und kjag? Der Pflanzer rückt zur Wachtparad'.von ksaus Und rupft sich einen Federbusch erst aus! Der Festtag ist's der Unabhängigkeit! Dor Pittsburgs Thoren stehn ins Glied gereiht Des Pflugs, der Werkstatt Söhne, kriegrisch bunt, Der Glatzkopf hier, dort Jüngling Rosenmund! Kopfschüttelnd wallt der ljauptmann durch die Reihn Durch Weiß und Kupferfarb' und Groß und Klein! Die Jacke hier, daneben der Talar, Perückenhaupt und wehend Lockcnhaar! Daß Gott erbarm'! Li, Nachbar lieb und werth, Ihr tragt ein gar zu rostig, schartig Schwert! „Bei Saratoga trug's mein Vater schon, Den Pfirsichbaum stutzt jetzt damit der Sohn! So trägt es stolz, von Sieg und Lenz erwählt, Des Kriegs und Friedens Scharten schön vermählt, Wie auf des wahren lselden Angesicht Der Schlacht und Schenke Narb' in Lins sich flicht!" 288 He, Freund, dein Helmbusch spielt gar selt'nen Glanz! Ich mein', er wuchs auf eines Hahnen Schwanz! „Li, ist der Hahn mir doch kein übler Bot', Sein Ruf und Flügelschlag bringt Morgenroth!" Den Bauch zurück, Gevatter, wenn du's kannst! Die ganze schöne Front verdirbt dein Wanst! „Er ist nur eine Festung mehr den: Land! vertheid'gen soll sie männlich meine Hand!" Der trägt die Whiskpstasche angeschnallt, Wie das Gsagenweib ihr Rind im Wald! „Wohl eines schönen Kornfelds guter Geist Wohnt drin, der mich der Heimat denken heißt!" He, Flügelmann, dein Zopf erschreckt mich fast, Steif und gespenstisch, wie ein kahler Ast! „Und ist's ein Ast, hüpft wohl ein Vöglein drauf Und spielt ein hübsches Lied von Freiheit auf!" Heda, weß ist das Füllen, das dort läuft, Und an des Fähnrichs brauner Stute säuft? „Zürnt nicht! Wer wäre doch so schlimm gesinnt, Zu trennen gar die Mutter von dem Rind!" Die weiße Schärpe, Alter, läßt dir fein, Doch paßt sie wirklich nicht in Glied und Reihn! „Des Rindleins Bahrtuch ist's, das mir erblich, Und mahnt geweihter, heil'ger Erde mich!" Der Regenbogen, der doch farbenreich, Ganz farblos, Rinder, ist er gegen euch! „Zwängt, Vater, nicht den Leib in spröde Norm, Sind unsre Herzen doch in Uniform!" - 28y - Zerfetzt ist das Panier, drum ihr euch reiht! Zu Mess' und Predigt kein Kaplan bereit! „Fahn' ist ja jeder Baum im Vaterland, Gott selbst hat ihm gestickt das Fahnenband! In unsichtbarer Priesterhand erhöht, Schwebt hoch, vom blauen Baldachin umweht, Die Sonne durch der Wolken Vxferduft, Der Lieb' und Freiheit kjostie, in der Luft." Anast. Grün's Werke III. 2YO 8. F)ort läßt sich's am Triumxhthor, das erschlossen pomxeji's Forum einst den Siegeswagen, Lin brauner Lazarone, hingegossen, Wie die Philosoxhei im Staub, behagen! Am Marmorblock, draus macht' ein Gott einst glänzen, Stützt er sein Haupt, traun, ein' selt'ne Vase! Lin Lorberbaum umweht's mit Schattenkränzen Und streut ihm seine Blätter auf die Nase. Der Tag ist lang, und so geschieht's zu Zeiten, Daß ihn beschleichen mancherlei Gedanken, Die um den alten Stein wie Moos sich breiten, Hinan des Korbers Schaft wie Exheu ranken; „Ich seh' im Lavapflaster dieser Straße Das Gleis noch von des Triumphators Magen, So frisch, als sei er noch nicht fern die Gasse; vielleicht gelingt mir's noch, ihn zu erjagen! Lin Wörtlein, das ich ihm zu sagen hätte, Treibt mich ihm nach! Doch nein! wozu soll's frommen? Wozu aufstehn von so bequemem Bette? Will er's just wissen, mag er selber kommen! Ich spräche: Freund, wozu dein großes Wagen? Auf daß ein Siegeslied dir sei gesungen! Wie schad', die schönen Ross' in Schweiß zu jagen, Wie schade um des Volkes gute Lungen! - 2YI — Wozu so viele Weg' im Weltenraume? Daß dir den Lorber reichen deine Brüder? Sieh, Freund, freiwillig senkt in diesem Baume Der Himmel selbst den Lorber auf mich nieder! Wozu dein Krieg, da's Keinem eingefallen Au stehlen uns dieß blaue Meer, die Reben, Den schönen Himmel, Rosen, Nachtigallen? Was sonst ist werth, drum Schwert und Schild zu heben? Der Vesten Fall, die Siege deiner Heere Bebürden dich init Pflicht zu neuen Siegen; Mir gibt die Last, die früh ich trug zum Meere, Tagüber frei im Sonnenglanz zu liegen! Wozu dein Prunkxalast? Was ist's vonnöthen, Sich zu vermauern diesen schönen Himmel! Lustwandeln gehn heißt nur dem Herrn zertreten Den Rasen und der Blumen bunt Gewimmel. Wozu auf der Drangen Bäume klettern? Sie werden reif selbst in den Schooß dir fallen! Was soll im Rosendorn die Nase blättern? Dem Duft liegt selber dran, zu ihr zu wallen! Der Stein und ich sind Freunde und vermählte, Untrennbar liegend Tag und Nacht beisammen; Er gibt vom Ueberfluß mir seiner Kälte, Ich ihm vom Ueberflusse^meiner Flammen! lg* 2Y2 Ivie wär's behaglich, ewig hier zu liegen, Wenn über mir der Vögel Flüge jagen, Das Laub sich wiegt, Vesuvs Rauchwolken fliegen, Und Goldgewölke ziehn und Sonnenwagen! Und vor mir dieses Meer mit weißen Segeln! Herr, gut ist's, daß du gabst Bewegung Allen, Und daß nicht ich den Wolken, Wellen, Vögeln Nacheilen muß, nein, daß sie zu mir wallen! Gut ist's, daß diese Deutschen, Russen, Britten An mir vorüber selber stolpernd schnaufen, Und daß nicht ich zu ihren fernen Hütten Nach England, Deutschland, Rußland mußte laufen! Seht meinen König dort vorüberfahren, Die Goldkaross' am Sechsgespann von Falben! Ich lieg' im Staub und kann mir's so ersparen In Staub zu werfen mich um seinethalben! Hier ruh' ich sanft, wenn mich auch Regen näßte; Ihr kennt nicht Trockenwerdens Wohlbehagen! Hier lieg' ich, bis ich einst zur ew'gen Sieste Nicht selbst geh', nein, gottlob mich Andre tragen! Den Sonntagsgang zur Kirch' auch könnt' ich sparen, Denn sieh an mir vorbei die Priester wallen Ulit Fahn' und Kreuz und Zügen frommer Schaaren; Etwas vom Segen muß auf mich auch fallen! 2YZ wenn hoch in meiner Hand nach Landessitten Mir iiber'm Haupt die Maccaronen schweben, Mein Freund, da muß empor sich unbestritten Das Auge selber auch zum Himmel heben! Wenn Abends in des Meeres Spiegclbade Zu Füßen mir sich Mond und Sterne wiegen, Da dünkt mich's wohl, es sei in seiner Gnade Der Himmel selbst zu mir herabgestiegen. Empfängt mein Fürst so glänzende Vasallen, wie sie als Sterne, Wellen, wolkenmasscn, Als Menschen, Blumen, Vögel zu mir wallen, Bis Abends ich in Hulden sie entlassen? was auf der Erde Bberfläche prunkte, Im Kreislauf muß vorbei es glänzend jagen, Indeß ich, gleich der Erde Mittelpunkte, In Ruhe lieg' und ewigem Behagen! Und wenn ich Eines doch mir wünschen sollte, So wollt' ich, Maccaronen wären Schlangen Und kämen, statt daß ich bisher sie holte, Hinführo selber doch zu mir gegangen!" So knüpft der dunkle Pfad in Lnkcltagen Sich an des Ahnherrn Gleis, das glanzerhellte, Dem Sklaven gleich, der sich am Siegeswagen Linst hinter Roms Triumphatoren stellte. — 2Y4 — Mit einer Aron' in Gold und Demantschimmer Spielt seine kfand, ihn selbst darf sie nicht krönen! Dem trunknen Sieger ruft er zu: Denk' immer, Daß du ein Mensch nur, Sohn von Staubessöhnen! So Dieser auch. Gb aus dem schönen Baume Ihm zu ein Flüstern die Gedanken rauschte § Db in der Lorberwipfel Schattenraume Der Geist des alten Triumphators lauschte? Ich aber macht' ungern den Anblick missen Des Lorbers, um dieß braune Lsaupt sich wiegend, Des Kleids, von einem lferzen warm, zerrissen Sich an die kalte Pracht des Marmors schmiegend. (§s wogt ein Schiff auf ferner Meeresbahn, Sein Bild, der Nautilus, schifft nebenan, Bläht auch sein Segel, — doch kein Sturm zersprengt's! Lenkt auch sein Schifflein, — doch kein Riff bedrängt's! Ums Schiff Delphine gaukeln, nah und fern, Wie treue Hund' am Wagen ihres Herrn; Sie blasen lustig aufwärts Well' auf Well', Des grünen Neeresgartens Sxringequell! Wo steuert hizr das Schiff im Wogentanz? Mit Menschenfracht ist's überladen ganz! Auswandrer sind's, die fern an Westens Strand Jetzt suchen, was sie fiiehn: ein Vaterland! Sieh, da begab sich's, daß ein fremdes Weib von süßer Bürd' erleichtert fühlt den Leib, Ein Rind gebärend in des Schiffes Raum, In Meeres Mitt' ein fruchtbehängter Baum. Der Kapitän, die Hände fromm erhöht, Spricht ihm als Priester Segen und Gebet; Ist eines Sonnenstrahles stiller Flug Ins Menschenherz nicht Priesterweih' genug? 296 Ls schöpft des Meeres Welle seine Land Und netzt dein Kind der heitren Stirne Rand: „D Sohn des Neers, des Lebens wahrer Sohn! Dich weiht's als Kind in seine Räthsel schon! Sieh, dich gebar in Wind und Wellenreich Dein Nütterlein, dem Sturmesvogel gleich, Der unter'm Flügel, hoch ob weiter Fluth, Im Flug ausbrütet seine junge Brut! Nicht Spannen Lrde nennst du Vaterland, Die Scholl' ist nicht des Menschen Heimatstrand! Dein erstes Lebensbild ist Well' und Wind, Wie einst wohl auch dein letztes: Well' und Wind! Die Riff' als Pathen in dein Wieglsin sehn, Der Sturm läßt drüber seine Locken wehn, Das Meer als Amme wiegt's und singt zu Zeit Das alte Weltlied: Unbeständigkeit! So werden Wetterlaun' und Sturmesschein Dir einst nur Märchen deiner Kindheit sein! Gb's oben tobt, du wahrst dir, wie die Fluth, Die Perle, die in deiner Tiefe ruht. Ihr Andern, alte Kinder alter Welt, Für euch auch ist das Weltmeer ausgestellt, Das Becken eurer Taufe soll es sein, Drin wascht euch von der alten Lrbsünd' rein! Knüpft auf den alten Hochmuth an den Mast! Den alten Knechtsinn rasch kielholen laßt! Den Haß und Neid, Habsucht und Glaubenswuth, Senkt tief den alten Plunder in die Fluth!" — 297 — Und horch, da tönen Glocken fern im Ulest, Wohl ziemt ja Glockenläuten solchem Fest! Sieh, Schmetterlinge schaukeln sich im Raum, Wie Bliithen, losgeweht vom Frühlingsbaum! Ls wiegt als Kranz sich sanft zum Angebind' Der Glocken Klang, der Falter Glanz ums Kind; Zugleich erschallt vom hohen Wastkorb da Der Jubelruf: Land! Land! Amerika! Da stürmen All' in thast aufs Deck hinan, Das Ang' will früher landen als der Kahn, Ls forscht und fragt den fernen, blauen Strand: Was bringst du mir, du meiner Sehnsucht Land? Der, dem die kseimat ein Stück Brod verwehrt, Weint Fruchtbaumgärten, Felder, saatbeschwert, Geräum'ge Keller zwischen Rebenhöhn Und ries'ge Speicher voll des Korns zu sehn! Der dort, dem Pfaffenwuth vergällt sein Land, Ahnt ein gigantisch Pantheon am Strand, Das aufgethan zu jener Lifrer Spott Den Göttern allen in dem Linen Gott! Und Jener, dem blutrünstig noch die ksand Von Ketten, die er trug im Vaterland, Will dort der Freiheit Siegesbogen sehn, Rings freies Volk mit Lied und Tanz sich drehn! Greis, der geflüchtet über Weeresfluth Sein Restchen Leben, dieses winz'ge Gut, Du ahnst dort Waldesstille blüthenvoll, Draus bald dein ksügel sich erheben soll. - 2y8 — D Weib, du siehst ein Häuschen schimmernd weiß. Darin einst walten soll dein stiller Fleiß, Du hebst dein Kind, wie Mosen Nebo's Höhn, von ferne der Verheißung Land zu sehn! Wohl ist's noch fern! Lin schmales, blaues Land Liegt's auf des Horizontes weitem Rand; Lin blauer Strich nur steigt daraus hervor. Ragt Dbelisk, Thurm oder Söul' empor? Jetzt sind sie nah! Lin Baum ist's nur. Ls steigt Linsam sein Riesenschaft; hoch oben zweigt Lin Dom von Laub, als sei gestellt hinauf Lin Tempel auf des Gbelisken Knauf! Mauritier ist's, die Palm', im lauen Wind Dos Wipfels grüne Fächer wiegend lind, Die Krone säuselt aus den luft'gen Höhn, Wie Menschenwort, harmonisches Getön: „willkommen, Freindling! Sprich, was thut dir noth? verlangst du Brod, sieh, meine Frucht ist Brod, Und dürstet dich, trink' meinen Palmenwein, Ich will dein Acker, Tuell und Weinberg sein! Bist nackt du, web' ein Kleid aus meinem Bast, Und schläfert dich, ruh' unter mir, mein Gast, Mein Schatten wirkt dir Decken leicht und nett, Ich will dir wollenheerde sein und Bett! Willst beten du, wölb' ich dir grünen Dom, Und willst du schaun auf Land und Meeresstrom, von meinen Höhn siehst du's in Fried' und Sturm! Ich will dir Kirche sein und Wart' und Thurm! — 29Y Sieh hier wildfreie Söhne der Natur! Ich bin ihr Reich, ihr lfaus und ihre Flur. Auf Wieg' und Brautbett senk' ich Palmenreis, Ihr Sterblied scius'l ich einst als Glocke leis. Schwämmst du als Diogen' im Fasse her, Rasch schwing' ans Land den Fuß! Doch stoß' ins Meer Dein Faß zuriicke mit dem andern Fuß! Denn deine Tonne selbst ist Aebersluß." ZOO ^0. ^m Circus dort, ob einer dunklen Zelle verfallnem Thor, winkt aus der ÜZuadern Riffen Lin Bliithenstrauch, gerankt gar fröhlich Helle, wie einer Schenke Rranz mit lust'gem Grüßen! lvir treten ein! Nicht müht um seine Gäste Der Mrth, der hag're, sich in diesen Räumen; In einer Ecke hält er ruhig Sieste, Die tausendjähr'gen Träume anszutränmon. Seht auf den Polstern tausendjähr'ger Laven, Die einst geprunkt in Purpurs Rönigsfarbe, Gekauert das Gerixp' des Fechtersklaven, verwischt selbst seiner Stirne Siegesnarbe! Er träumt vielleicht noch fort die dunkle Runde vom Spartakus, der Rnechtschaft Ahasvere, Deß bleich Gespenst noch wandelt seine Runde, Erneuend stets die alte, blut'ge Mähre! Er träumt von der Arena Bahn und Stufen, vom Sicgeskranzc, der ihm zugestogen; Fast schüttelte des Volkes Beifallrufen Die Sterne noch dazu pom knmmelsbogen! Wohl dünkt die bandumwundne Blumenkrone Ihm ein verschönert Nachbild nur des Strickes, Den er als Zeichen seiner Rnechtschaftsfrohne Linst trug als grausen Rranzreif des Genickes! — Zoi — Ein Wort durchschlängelt dort den Stein der Wände, „Uibertas" heißt's und flammt wie irre Blitze; Wohl ritzten's ins Gestein des Sklaven Hände Einst statt des Griffels mit des Uamxfdolchs Spitze. Noch ist die fahle Stirn' dahin gerichtet, Noch ist das hohle Äug' dahin gewendet, Wie nach dem Sterne, der sein Dunkel lichtet, Wie nach der Sonne, deren Glanz ihn blendet. Wie aus dem Becher Weins, des guten, alten, Die Sehnen Kraft und Muth die Herzen saugen, So tränkt' aus jenem Wort, sie wach zu halten, Mit Licht für lange Nächt' er seine Augen. Du schöner Strauch vor'm Thor, den fremden Gästen Log nicht dein Zeiger, der gewinkt zum Weine! Ja hier ist wein! Und zwar vom stärksten, besten! Hier wird geschenkt der Tausendjähr'ge, Reine! Ihr aber, Franken und Germanen, Britten Und sonst all' dieser Trümmerwelt Nomaden, Laßt einzutreten euch nicht lange bitten! Ein Schlückchen im Norbeigehn wird nicht schaden. Z02 U' !)er Axalachen Wellenberge loh'n Im Abendrothe, während Glockenton Aum Feierabend durch die Pflanzung hallt, Und mählich still es wird im dunklen Wald. Der Specht, Urwalds Kaxellenmeister, pickt Nicht mehr den Takt; er weiß, daß ihm's nicht glückt Zu stimmen in des Einklangs Melodei Des Käuzchens Pfiff, des Papageien Schrei. Im Schatten einer Syromore sitzt Am räum'gen Tisch, aus Acajou geschnitzt, Der Pfianzer, dem aus Kannen silberblank Entgegenqualmt des Theebaums duft'ger Trank. Geschmiegt an ihn der ros'gen Kinder Schaar, Die ihm die schlanke Lieblings-Skwa gebar, Umblüht verschönend seine rauhe Krast, wie Nikisranken blnhn am Ledernschaft. Welch Segonsfeld liegt vor mir aufgethan! Sein weißes Wohnhaus blinkt im Wiesenplan, Das Maisseld rauscht, die Baumwollstaude weht, Das Zuckerrohr i'n Hellen Blüthen steht. Wie eine Gpferschale, feierlich, Hält er die volle Tasse jetzt vor sich, Und der Begeisterung stiller Glanz umflicht Fast priesterlich sein strenges Angesicht: - Zoz — „Heil China dir! Durch ferne Meere weit Eilt jetzt mein Dank zurück in ferne Zeit Und sucht den Mann, der dieses heil'ge Kraut, Den Nektar unsrer Freiheit, einst gebaut! Als er noch schritt an des Hoangho Strand, Und still die Saat entsunken seiner Hand, Wohl hat kein Ahnen dessen ihn umweht, Daß eines Welttheils Freiheit er gesä't! Hoch vom Pagodenthurm der Mandarin Schaut übers Land und streicht sich froh das Ainu! Der Theebaum säuselt so geheimnißvoll, Als ob er mehr als Blüthen tragen soll. Gb sein Vasall es leise nur errieth, Als er dieß Kraut auf glühem Roste briet, Daß Sankt Laurenzens Rost er schürt und facht, Der einst als Blutzeug' unsres Worts erwacht? Der Arzt, deß Forschergeist aus diesem Kraut Dem Siechen wunderkräft'gen Trank gebraut, Er wußt' es doch nicht, der gelahrte Mann, Wie daß sein Kraut auch Ketten sprengen kann! Der Britte, der einst mit dem dunklen Kraut voll seines Segelschiffes Bauch gestaut, Nicht wußt' er's, daß die Rach' er führt' als Gast, Und daß die Freiheit schwebt' ob seinem Mast! Hat jemals, Boston, es dein Meer geträumt, Daß es ein Fruchtfeld einst voll Saaten keimt? Daß seinem Schooß dereinst entsteigen soll Der Baum der Freiheit, groß und blüthenvoll? — zo4 — B Rinder, haltet fest an Recht und Licht! Aus Rosen selbst der Dorn der Rache sticht! Ls sä't der Mensch, doch ob den Saaten wacht Still eine dunkle, räthselvolle Macht." So sprach der Mann und strich sich froh das Rinn; Geheimnißsiiisternd rauscht die Saat dahin, Und hinter ihm blickt aus dem Zuckerrohr Lin krauses, dunkles Negerhauxt empor. - Zoz — l2. ^»chuttfreie Lampe, sieh, wie dich mit Funkeln Des Lichtes, deines Daters Augen grüßen, Seit dich aus tausendjähr'gem Aerkerdunkeln Die Schaufel seiner Feindin Nacht entrissen! Erfüllt hast du den Lichtberuf, den edcln, Noch kündet's deiner Mündung Aohlenfarbe; Sie steht dir gut, wie bleichen Ariegerschädeln Des alten Schlachtfelds tiefe Ehrennarbe. Gb einst dein Licht am Bett der Liebe blinkte? Da warst du in der Nächte Gzeane Ein Schifflein, dem vom Borde fächelnd winkte Zum Liebeshafen deine Flamm' als Fahne. Gb einst dein Strahlenschrein vielleicht geschimmert Als Phöbuswagen durch die Nacht des Meisen, Deß Herz, von Menschenelend tief bekümmert, Nachforscht des Glückes lichten, sel'gen Gleisen? Da warst das Friihroth du, an dessen Märme Des Geistes Rosen blühend aufgegangen, Um dessen Strahlenkern, wie Lerchenschwärme, Gedanken ihre jungen Flügel schwangen. Die Rosen werden Aränze, die auf Erden Der alten Götter Tempel reich umschlingen; Die Lerchen aber, Flügelbarden, werden Der alten Götter Preis am Himmel singen Anast. Grän'; Werke III. 20 — zo6 — So sann und nickt' einst ein am Tisch von Steine Des Weisen Haupt, als wenn's noch prüfen werde, Vb selbst es nun, ob jener kälter scheine? Noch rollt, des alten Elends voll, die Erde! Lin Andrer kam; und wieder, Lampe, zittert Dein Strahlenschrein am Tische eines Weisen, Deß Herz, vom Ulenschenelend tief erschüttert, Nachforscht des Glückes lichten, sel'gen Gleisen. Da warst du eines Scheiterhaufens Lohe, Drein warf die alten, heitren Götter alle, Wie dürres Reisig, der Zerstörungsfrohe, Daß ganz in Staub und Asch' ihr Glanz zerfalle! Und lächelnd schaut' ins Prasseln er der Flamme, Bis einst er selbst am grausen Bpferheerde Hinglitt, wie dürres Reis vom Lebensstamme! Fortrollt, des alten Llends voll, die Lrde! Lin Andrer kam; und wieder, Lampe, schimmert Hehr dein Gedankenpharus einem Weisen, Deß Herz, vom Ulenschenelend tief bekümmert, Nachforscht des Glückes lichten, sel'gen Gleisen. Da wardst die Glorie du, von der umfangen Glanzvoll vor ihm das Lhristuskreuz jetzt ragte, In deren Strahl versunkne Gräber sprangen, Und weithin das Gefild der Zeiten tagte! Sein Antlitz blieb, nun sich das Äug' geschlossen, Als ob der Tod ihm zur Verklärung werde, von einer lichten Glorie selbst umflossen! Noch rollt, des alten Llends voll, die Erde! Zo? Die Lampe steht, Pomxeji's Schutt entstiegen, Jetzt wieder auf dem Tische eines Meisen, Deß Geist auf des Papyrus welken Zügen Nachschleicht der Ahnen fernen, lichten Gleisen. Ein Lenz, zweitausend Jahr' im Grab vergessen, Als ries'ger Rosenxhönix leuchtend, schreitet Aus des Papyrus Kohlen ihm, — indessen Sein eigner Lenz vor'm Thor vorübergleitet! Mann, füll' mit Del die Lampe, daß sie heiter Zum Tempeldienst des Lichts entzündet werde, Und sinne du das alte Rüthsel weiter! Noch rollt, des alten Elends voll, die Erde. 20* Zo8 Saalgewölb' des Urwalds ruhn im Kreis viel kräft'ge Männer, manch ein ernster Greis, Der Weißen Abgesandte friedlich bei Indianern, Waldessöhnen, stark und frei. Die Friedenspfeife kreist nach altem Brauch, Der Männer Friedenswort' umhüllt ihr Rauch, Wie über Frühlings schönstem Rosenbeet In stillem Flug ein Morgenwölkchen steht. Zum Bund des Friedens sind sie hier vereint. Schon rann genug des Blutes ja, schon scheint Belegt des grünen Saales Boden fast Mit rothen Prunktapeten von Damast. Lin bsäuptling sprach: „Nach Vätersitte macht Aus Erd' und Laub das Grab dem Beil der Schlacht. Das Manchen unsrer weißen Brüder traf! Drin schlaf' es, ungeweckt, nun ew'gen Schlaf!" Lin Andrer drauf: „Das Laub verträgt der Wind, Die Erd' aufwühlt des Waldes Thier geschwind! Drum soll des Kampfes Beil geborgen sein, Grabt's unter Wurzeln einer Leder ein!" Ein Andrer drauf: „An Wurzeln nagt der Wurm, Zu Boden schleudert Ledern selbst der Sturm! Drum, soll zu Tag des Unheils Beil nicht mehr, Wälzt jenen Berg als Grabstein drüberher!" — zoy — Lin Andrer drauf: „Sogar des Berges Bauch Durchwühlt der Schacht des weißen Bergmanns auch! Drum, soll fortan es ew'ger Friede sein, Senkt in den Strom des Hasses Beil hinein!" Lin Andrer drauf: „Aus tiefster Stromesnacht Wird's von des Fischers Netz zu Tag gebracht! Drum, daß es weltverheereud nie ersteh', Senkt's mitten in des Weltmeers großen See!" Lin Greis daraus: „Dieß Beil von Holz und Lrz V laßt's am Tag! Doch greift in euer Herz! Drin liegt das Schlachtbeil, das vielleicht schon jetzt von euch manch Einer frisch zum Kampfe wetzt! Das Herz ist tiefer als Gebirg' und See'n, Und doch wird draus das Beil zu Tag erstehn! Bis eine Handvoll Erd' einst, drauf gestreut, Ls besser birgt als Meer und Berge heut!" So sprachen sie, indeß im Waldesraum Still über ihren Häuptern jeder Baum In rauhen, braunen Armen, windumspielt, Den grünen Zweig des ew'gen Friedens hielt. zio Den Golf hinaus, fort von Pompeji's Küsten Wogt eines Schiffes majestät'scher Bau; Die Segel, die vom Abendwind geküßten, Blähn lustig sich, es knarrt in Mast und Tau! Und, horch! Kanonendonner lauthin knallen — Dein Abschiedsgruß, o Lincinnatus, klingt, Daß, ausgeschreckt, die Schaar der Nachtigallen von Maro's Grab sich, ängstlich flatternd, schwingt! wie rauh, o Mensch, ist selbst dein Gruß der Liebe: preßt deine Hand des Freundes Hand in sich, Scheint's fast, als ob es dich zu sprechen triebe: Freund, fühle meine Kraft, und wahre dich! Der Sohn Amerika's, gekreuzt di« Hände, Lehnt still am Hauptmast an des Schiffes Bord, Sein Äug' durchschweift im Flug des Golfs Gelände, Winkt hier ein Lebewohl, nickt Grüße dort: „Leb' wohl, Europa! Daß dein Äug' sich Helle, Du Niobe, verschönt vom Riesenschmerz! Gleich ihrer ist auch deiner Leiden Duelle Dein Reichthnin, den du liebend drückst ans Herz! — Zli — Gegrüßt, Amerika, du jüngre Schwester! D nimm des Schmerzes Rinder mild von ihr, Leg' an dein Herz sie, daß der Schmerzen größter In seiner Fülle Heilung trink' aus dir! Schlingt Hand in Hand, laßt Haupt am Haupte lehnen, Ihr Schwestern, euch zu Füßen Meeresglanz! Ls stehn die Rronen, die Europa krönen, Gut an Amerika's laubgrünem Rranz! Wie bunt und herrlich rauscht dein Wald, o Leben! Und sieh, doch ist's nur Eine Lebenskraft, Die graue Moose heißt am Boden kleben Und Palm' und Leder in die Wolken rafft, Die blüh'nden Lotos wiegt im Wellenschaume, Der Rosen Purxurkleider taucht in Duft, Die Reben lehrt den Flug von Baum zu Baume, Den Raktus keilt in starre Felsenkluft! Wie reich, o Nenschengeist, dein Garten glühte, Nur Line Kraft ist's, die zum Renn dich drängt, Und Rrone, Lyra, Hirtenstab als Bliithe, — Ach, auch das Schwert! — an deinen Baum gehängt! Und diese Blüthen sind zum Rranze worden, Der bunt sich um der Zeiten Harfe schlingt. Die bebend in den ewigen Accorden Der Menschheit Schmerz, der Menschheit I»bel klingt! Der alte Baum sieht, ewig grünend, nieder Auf sein verwehtes Laub, das unten lauscht; O Mensch, du sinkend Blatt, du sinkst auf Brüder Und hörst's, wie dir schon nach ein Bruder rauscht! — Z'2 - Am Baum vorbei strömt, heut noch voll, wie gestern, Die Tuelle, flüsternd, in das ew'ge Neer! G Mensch, du flücht'ge Welle, eilst zu Schwestern, Und hörst die Andern eilen hinterher! Die goldne Wolke, aufgelöst in Thronen, Stürzt ihrer Mutter an das Herz, dem Meer! Zugvögel flattern durch die Lust mit Sehnen, wie loses Laub vom Herbstbaum, irr umher! Lin stiller Todesjubel weht im Raume wie Laubessäuseln, ach, nicht minder schön, Als sah' ich lächelnd süß ein Rind im Traume Bei ferner Norgenglocken Festgetön. Stürz' als ein Niagara, schleiche leise Als Sarno, gleit' ein Tröxstein Thau's ins Meer, Sieh, bald zerrinnen, die du schlägst, die Ureise, Du wirst zur Well', und ruhig wird das Meer! Sieh, Welle, allen Himmel glanzentglommen Sich spiegelnd in dem Ozeane hier. Da wird wohl auch auf dich ein Sternlein kommen, Das spiegle heilig, rein und treu in dir!" So um das blüh'nde Haupt des Jünglings schreiten Gedanken, während lieblichen Getöns Die Wellen rings, die regen, sie begleiten Mit der Musik des werdens und vergehns. wie klein die Gluth Vesuvs schon glimmt, die ferne! Sie mengt als Stern sich in der Sterne Reihn, Als ob der glühende Vernichter gerne Sich hüllte in des Lichts und Segens Schein! In Nacht längst des Gestades Lichter traten; An Bord die Flagge selbst hat Nacht umstrickt, Die Sternlein zweimal zwölf der Brüderstaaten, Auf himmelblauen Grund in Gold gestickt. Doch hat sich glanzvoll über ihr zur Stunde Vereinter Sternenreiche Flagg' entrollt: Auf dunklem himmelblauen kvappeugrunde Millionen Sterne, funkelnd all' in Gold! Fünf Ostern. Grient, wo — wie aus blüh'ndem Hage Ein spielend Kinderpaar rothwangig grüßt — Das heit're Märchen und die sinn'ge Sage In Rosenwäldern zwischen Blumen sprießt, Dort gibt manch rauher Hirte dir die Kunde: Ls walle Jesus Christus, ungesehn, Au Dstern jährlich um die Morgenstunde Im Auferstehungskleid auf Velbergs Höhn Und seh' hinab nach seines Wandelns Thale, Das ihm ein Kreuz und Leichentuch einst wies; Wo Iion stolz geprangt im goldnen Strahle, Granitnes Bollwerk, das sein Fluch zerblies! Und Bstern war es einst; der Herr sah nieder Aur kahlen Flur, verödet und ergraut, Rings Trümmer, Asch' und Staub und Trümmer wieder Und Schutt auf Schutt, soweit das Auge schaut! - Zi8 - Er weiß, es sind dieß nur die wirren Schollen Durchwühlten, neugexflügten Ackerlands, Ivo einst die Saatenwogen fluthen sollen, Und winden sich der goldne Garbenkranz! Er sieht daraus den Banin der neuen Lehre Nut tiefer Wurzel, ries'gem Säulenschaft Sich steigend wölben über Land und Meere Und weithin streuen Schatten, Früchte, Kraft! Des Tods Triumphzug ging durch diese Gründe, Rings keine Spur von eines Menschen Pfad, Kein Vogel singt, es rauscht kein Blatt im Winde, Es weht kein lsalm, es grünet keine Saat. Daß doppelt groß der Sieg des Todes rage, Lebt spärlich hier noch Lines Lebens Schein: Es seufzt, wie eines Dichters Leichenklage, Des Kedrons (Duelle zischend durchs Gestein: „Einst streckt' ich wohlbehaglich meine Glieder Im Blüthenpfühl, auf weichem Silberkies, Bis von Moria's alter Veste nieder In meinen Schooß der Sturm die Trümmer stieß! Nun ich den Leib von Stein an Steine trage, Muß ich wohl ächzen laut vor Schmerz und Zorn; Nun die Gelenk' an Trümmern wund ich schlage, Ist, gleich als blut' er, jetzt so roth mein Born. Mein Born, so klar einst, weisend noch als Spiegel Der Kön'ge Burg, den Tempel gottverklärt, palastbesäte, wallnmkränzte pügel Und auch ein Volk, einst solcher Fülle werth! Ziy V daß sich am Gestein zu Scherben schlüge Der Spiegel, dem einst Solches ward zu schaun, Auf daß dieß Bild des Tods er nimmer trüge, Dieß Bild verdorrter Fluren, voll von Graun, Der Fluren, die bluttrunken als Hyäne Der Menschen Besten, Titus, würgend sahn! Vb er auch Abends da geweint die Thräne: Nicht sei des Guten heut genug gethan? Vb, als er trümmerfroh sein Beil ließ schimmern, Die Hand ihm niemals bebte, ahnungsvoll: Daß seine Mutter Rom von Zions Trümmern Gesteinigt einst, erschlagen werden soll? Nicht ahnt' er's! Denn dein Meere der Verheerung Gebot' er wohl zu zügeln sonst die wuth, Statt daß er, ein Neptunus der Zerstörung, Rings anfbeschwor zum Sturm der wogen Fluth! Ha, wie des Gottesstuches Worte, liegen Gestein und Leichen übers Thal gesät, Darüber Roma's Aar in Siegesstllgen Als Leichenrabc, schwarzen Fitiigs, weht. Hier lag sie einst, die Königin der Städte, Der Hügel vier bedeckt' ihr Riesenleib, vier goldnen Pfosten gleich am Königsbette, Drauf ruht im Sonnenkleid das hohe Weib. Fruchtreiche Gärten, ihr zu Füßen, standen Als Blumenvasen rings ums Bett gereiht, Und neben ihr die palmenhügel sandten Ihr Kühlung zu aus Fächern, grün und breit. Z20 Des goldnen Tempels Auppel krönte glänzend Als heil'ge Krone ihrer Stirne Saum: Nur Line Aron', ein Aönigshauxt bekränzend! Lin Tempel Gottes nur im Erdenraum! Und ihre beiden lichten, schönen Augen: Die Söhn' und Töchter waren's ihres Lands; wer mag den jdreis der Zwei zu richten taugen? Wer sagt es, welches glomm in schön'rem Glanz? Den edlen Bau der königlichen Glieder Hielt ihr ein dreifach Bollwerk fest umspannt, Gleichwie von Gold und Erz ein schimmernd Wieder, Um das ich mich als Demantgürtel wand. Da liegt sie nun, die größte aller Leichen! vom Haupt fiel ihr die Aron' und barst am Stein! Der Tuadern Trümmer rings, die fahlen, bleichen, Sind ihres Leibs zerfallenes Gebein! Die Gräber nur, die sie in Fels einst hieben, Sie halten setzt noch, wie seit Jahren schon; Sie sind rings um dieß große Grab geblieben, Termitenhügel um den Libanon! Und als der alte Bau zusammenkrachte, Flog weit des Staubes Wolke, riesengroß, Daß grau die Flur jetzt, die so grün einst lachte, Und grauen Schleier trägt das ärmste Ukoos! Da fioh des Volkes Rest, lebend'ge Leichen, Todt ohne Tempel, Satzung, Vaterland! Da sah ich Baum und Strauch weithin erbleichen Und morsch aufs Antlitz sinken in den Sand! — Z2I - Fort flogen da der Büsche Nachtigallen, Die Vögel all', weit übers ferne Meer; Nicht ziemt es ihrem freud'gen Lied, zn schallen, Wo Alles schweigt und trauert rings umher. Fort zogen da die Rosen auch nach ihnen, Lis an das blaue Meer, das: Halt! gebot; Da blühn sie, gaukelnd, nun die reichen, grünen Gestad' entlang, ein Blumenmorgenroth! Fort zogen auch die bunten Jahreszeiten; Rein Lenz ist, wo nichts keimt, nichts grünt und glüht, Ls will kein Herbst die kahle Flur durchschreiten, Denn kein verwelken gibt's, wo nichts geblüht. Fort alle Farben, fort auch alle Töne, Und alles, alles Leben fortgedrängt! Ich blieb allein zurück als eine Thräne, Die an dem Auge der Vernichtung hängt." Anast. Grün's Werke III. 21 Z22 2. Und wieder Vstern war es einst, und wieder Sah Lhristus von des Velbergs Höhn zu Thal; Auf alle Fluren sank der Lenz schon nieder, Nur hier blieb Alles wüst und grau und kahl. Gleich wie die Schwalbe wohl die Brandesstelle Des einst so schönen Hauses bang umschwebt Und doch, ob mitverbrannt auch ihre Aelle, Das neue Nestchen an die Trümmer klebt; So wagte mählich an die Triimmerreste Der Mensch sich wieder hier, und ins Gestein Baut' er sich Hütten, Häuser und Paläste, Bis er es wachsend sah zur Stadt gedeihn. Und wie manch Samenkorn, manch Stäubchen Erde Der Wind aufs öde Brandgemäuer weht, Daß aus der Todesasche Lebeu werde, Wenn Moos und Strauch darüber grünend steht; So wollte hier der Mensch zum Gärtlein schmücken Mit Erde reich'rer Fluren diesen Sand Und trug ein Stücklein Lenzes auf dem Rücken Ins öde Thal, daraus ihn Gott verbannt. Wenn Einer wallt am Kirchhof durch der Brüder Zerfallne Leichen, Stein vorbei zu Stein, Kalt rieselt der Gedank' ums Haupt ihm nieder: Staub war'st du einst, Staub wirst du wieder sein! — Z2Z — Wenn diese Stadt ihr Auge wollte lenken Auf Schutt und Trümmer rings, draus ihr Entstehn, Sie müßte auch wie jener Wandrer denken: Du wardst aus Trümmern, wirst in Trümmer gehn! Sie denkt es nicht! Denn, horch! von ihren Zinnen Schallt freudighell der Glocken voller Klang. Wer fröhlich singt, mag nicht des Sterbens sinnen, Und Glocken sind der Städte Lied und Sang. Dort um den Dom ans grauem Felsgesteine, Drin in den Hallen, draußen im Gefild Schaart sich in Helm und Panzer die Gemeine Aampfrüst'ger, eh'rner Männer, rauh und wild. Wie all' die Speer' aufs Marmorpflaster klirren! Wie muthig draußen wiehert Pferd an Pferd! Und Panzer glänzen, farb'ge Banner schwirren, An jeder Lende hängt ein rasselnd Schwert. Ha, liegen sie im Krieg mit ihrem Gotte, Daß sie in Erz umlagern rings sein Haus? Ha, will den Himmel stürmen gar die Rotte, Daß sie zum Tempel zieht gewaffnet aus? Doch nein! wie sie in Demut plötzlich nieder Beim Grgelklang auf ihre Knie saust! Es beugt das Haupt sich und die stolzen Glieder, Und reuig schlägt ans Herz die Lisenfanst. Das Lhristuskreuz, das heil'ge, seh' ich ragen Hoch von des Domes Kuppeln, licht und frei, Die Männer auch es All' am Busen tragen: O daß auch er ein Dom des Gottes sei! 21* — Z-4 — Sie hefteten in Farben aller Arten Das Kreuz auf ihre Kriegesmäntel sich, Wie wandelnde, lebend'ge Kreuzstandarten, Zur Huldigung gesenkt jetzt feierlich. Wie am Altar, wo tausend Ampeln flimmern, Der Priester jetzt das Brod des Bpfers bricht, Seh' roth von Blut ich seine Hände schimmern, Und traun, mich dünkt's, von Lhristi Blut ist's nicht! Wie er beim Sanctus schlug der Brust entgegen, Da klang ein Panzer nnter'm Meßgewand, Und statt des Weihbrunnsprengels dann beim Segen Schwang fast sein Schwert er, das daneben stand. Zunächst am Altar, andachtsvoll geneiget, Im sammtnen Betstuhl kniet ein Mann allein, vor Allen schön, selbst schön, aufs Knie gebeuget, Fürwahr, noch schöner müßt' er aufrecht sein! Des Mann s Gebet gleicht seinen heim'schen Eichen, Die, stolz sonst fühlend ihres Marks Gewalt, In Demut doch die Wipfel niederstreichen, Wenn Sturm, die Grgel Gottes, drüber hallt: „vollbracht ist's! — Ach, wie alles Menschenstrcbcn! Kein Stein, drum nicht schon kämpfte Menschenwuth, Kein Strauch, an dem nicht Menschenthränen kleben, Kein Stäubchen Land, an dem nicht Menschenblut! Wir knien jetzt an dem Grab, auf das in Thränen Die Christenheit längst hielt den Blick gebannt, So wie die Sonnenblume, die mit Sehnen Gen Aufgang hält das Angesicht gewandt. Z2Z Aus Blumen aller Zonen reich gewunden, Lin Todtenkranz, sich senkend auf dein Grab, So sind die Lande all' in uns verbunden, Sich beugend, Herr, zu deiner Gruft hinab. Das Areuz, in dieses Thal einst starrend nieder, Der Schande, Schmach und Unthat blut'ger Pfahl, Aus Golgatha erhöhten jetzt wir's wieder, Glanzvoll und hoch, des Sieges herrlich Mal! Bon aller Aön'ge Aronen, allen Fahnen, In alles Land, von allen Bergen dar, Auf allen Masten, allen Gzeanen Strahlt glorreich jetzt, was einst ein Galgen war! Sein Zeichen muß jetzt Hcldenpanzer schmücken, Auf Domen flammen, hoch in Glanz und Pracht, Als schönster Schmuck am Frauenbusen nicken And siegreich rauschen im panier der Schlacht! Als wir erhöht dein Mal in jenen Räumen, Erhöhten, ach, wir selbst uns nebenbei, Wie Priester, wenn sie Rön'ge salben, träumen, Daß ihrer Huld Geschenk die Arone sei. Sie brachten mir den Purpur, mich zu kleiden! Nicht färbte roth die Schnecke Sidons ihn; Mb dreifach auch getaucht ius Blut der Heiden, Dock bleicht er grau einst, wie dies; Thal, dahin. Sie kränzten mich mit blankem Aroncnbande! Mb dreifach auch durchglüht sein goldnes Laub In jener Städt' und Hütten rothem Brande, Doch fällt, wie dieser Schutt, sie einst zu Staub. Z2Ü Nur Eine Krone wird hier ewig glänzen Und ewig leuchten über'm Thale hier: Sie ward geflochten einst aus Dornenkränze::! Meh, daß die Aron' ich trage neben ihr! Wohl hat kein Echo Gott dem Thal gegeben, Daß Psalm und Glocke lautlos uns verklingt! Des Gpfers Rauch will nicht zum Kimmel schweben; Wie koinmt's, daß kriechend er am Boden ringt? Ha, seh' ich die Gemeine, die zum Feste Statt grüner Palmen blut'ge Schwerter trug, Da ahn' ich hier auch Aains Vpferreste, Der seinen Bruder argen Grimms erschlug. Da ahn' ichs, rings von allen Stirnen grelle Nuß auch des Brudermörders Blutmal schrein! Ach, wär' ich jener Pilger an der Schwelle Und trüg' ein Herz, wie er, so still und rein! Wer trug ihn über die Gebirgesheere? Wer reicht' an Schwindelstegen ihm die Hand? Wer lehrt' ihn schwimmen durch die weiten Neere? Der hohe Glaube war's, der ihn gesandt! Und sänk' er in dem Neer, es trüg' die Welle Doch seine Leiche an den heil'gen Strand! Und stürb' im Wandern er, sein Antlitz Helle Hielt ihm der Glaube, liebend, hingewandt! Sein pilgerstab vernahm kein Nenschenröcheln, Es trank kein Blut sein härener Talar; Wie Fittige die heiße Stirn umfächeln, So weht ihm linden Trost der Glaube dar. — Z-7 — D daß mir keine Aron' am Haupte glühte, Gleich ihm nur Muschelschalen an dem Hut! Leer sind die Muscheln, da ihm im Gemüthe Tiefinnen hell des Glaubens Perle ruht. G lüg' mein Haupt, wie sein's, am Schwellensteine In lichte Träume sterbend eingewiegt! Die bleiche Lilie sinkt im Erdenhaine, Der Glaube zu den Himmelssternen fliegt." - Z28 — 3. lind wieder Gstern war's, vom Gelberg wieder Sah Lhristus in das Thal zur Stadt hinab; Das Kreuz, gestürzt ist's von den Zinnen nieder, Nur eins steht schüchtern noch ob seinem Grab. Hoch von Moscheenkuppeln, Minareten Prangt goldnen Strahls der Halbmond übers Sand; Der Ruf des Muezins gebeut zu beten, wo stolz einst Salomonis Tempel stand. Dem Stein gilt's gleich, welch Zeichen man ihm wählte, Gb er als Tempel, Dom, Moschee euch dien'; Dom Menschen lernt' er's ab, daß gleich ihm's gelte, Tritt Mönch, Levite oder Derwisch ihn. Der Moslim riß herab aus Himmelssernen Den Mond, zu schmücken seinen Erdenraum; Der Thrift hob von der Erde zu den Sternen Sein Kreuz, gezimmert nur aus ird'schem Baum. Zerstäubt, vermodert längst des Kreuzes Fechter. Kein Psalm, kein Glockcnklang in weiter Lust! Nur Mönche blieben, hütend noch als Wächter, wie treue Doggen, ihres Herren Gruft. — Z2Y — Dieß leere Grab, sie kauften es mit Golde, Krambuden schlug der kseide drinnen auf; Dem müden Pilger beut um schnöde Solde Er Platz für seine beiden Knie' zu Kauf. Der Gstern Fest ist's heut! Ans allen Lahnen Ziehn fromme Lhristenpilger wohl heran, Durch alle Lande reiche Karavane» Und rüst 'ge Schiff ans aller Ulcere Plan? Nein! Ged' und leer sind noch des Domes lfallen, Darin zerstreut nur einzle Beter knien! vielleicht daß draußen noch vor'm Thor sie wallen? Blick' um dich, Auge, wo die Wandrer zieh«? Kein Pilger hier! Nur Beduinen jagen Auf flinken Rossen durch das ksaideland; Kein Pilger dort! Die Lhristenschiffe tragen Des Kaufherrn Gold und Ballen nur zum Strand. Sieh dort bemoost vier Trümmcrivände ragen, Längst eingebrochen ist Gewölk' und Dach; Lin Kirchlein Gottes war's in alten Tagen, Jetzt stürzt es mählich seinen Bauherrn nach. Es sprießen grüne Tcrebinthen drinnen, Sie stehn die letzten, treuen Beter hier, Ls wölbt ihr Laub zu Kuppeln sich und Zinnen, Ls ragen ihre Stamm' als Säulenzier. In ihrem Schatten ruht ein müder Waller, Glivenfarbe trägt sein Angesicht, Wahrzeichen trägt auch er der Pilger aller: Den Stab und Staub, — doch Christi Zeichen nicht! — ZZo — Er ist ein Aörnlein jener Handvoll Samen, Die einst der Sturm von diesem Boden hob Und in die Länder sä'te aller Namen Und weit hinaus in alle Winde stob! Ein Jude ist's, ein Ast vom Wunderstamme, Gefällt, zerschmettert längst, doch nicht verdorrt! Des Markes Kern versenkt von Blitzesstamme, Des Wipfels Zweige grünend fort und fort! Und wie ums Haupt beim Laubeswehn ihm schwanken Bald Sonnenlichter, bald die Schatten dicht, So gaukeln drin die Bilder und Gedanken, Bald mitternächtig schwarz, bald sonnenlicht: „Die Lerche steuert pilgernd in den Lüften Dem Lenze nach und seiner Blüthenspur; Der Hirte wandert von enthalmten Triften Zu frischem Weideplatz auf reichrer Flur. Nicht, gleich der Lerche, folg' ich Frühlingsspuren, Und doch wie sie, so wandr' ich fort und fort! Nicht, gleich dem Hirten, such' ich schönre Fluren, Und doch wie er bin ich bald hier, bald dort! Der Hirsch, den ihr mit Hunden ließet Hetzen, Der rennt durch Büsch' und Felder fort und fort; Er rennt noch immer fort in scheuen Sätzen, Wenn Treibers Hand und Ruthe längst verdorrt! Ich säe nicht, ich pflüge keinen Boden, Mich schreckt kein Hagel, denn ich ernte nicht. Doch beut mir jedes Land von seinen Broden, Und meinem Durste nie der (Huell gebricht! Des Nordens Eiche und des Südens Palme Hat um das Haupt schon Schatten mir gestreut; Der Wüste Sand, der Alpen dust'ge Halme, Sie halten mir des Schlummers Bett bereit. Ich wohn' in engen Gassen, dunklen Schlüsten, Wohin der Christ uns aus den Städten stieß; Er ahnt es nicht, wie selbst in Drachenkliiftcn Des Meibes Ruß, des Rindes Lächeln süß! Ich lerne keine von den Sprachen allen, Nur meine trag' ich durch die ganze Welt; Natur der Staare ist's, die Sprache lallen Des Peinigers, der sie gefangen hält. Mir blüht kein Vaterland! Die Brüder ringen Durchs Leben sich, zerstreut, im Wandrerkleid! Und doch sind wir ein Volk! In Eins verschlingen Gemeinsam Elend uns, gemeinsam Leid! vom Manne, der nicht sterben kann, die Sage Lallt manch ein Lhristenkind, vom Ahasver. Ls wallt vorbei der Völker Sarkophage Mein Volk, unsterblich, thräncnlos, wie er! Nicht weiß ich's, dämmern uns des Fluchs Gerichte, Strahlt Segen uns aus der Geschicke Buch? Ans unsrer Töchter schönem Angesichte Les' ich sogar den leisen Hauch von Fluch! Pflanzt in den Süd ein Reis von Nordens Tannen, wenu's nicht verdorrt, sprießt's doppelt grün und groß; wollt in den Nord ihr Südens Lorber bannen, Erfriert er nicht, verkrüppelt doch sein Sproß. — ZZ2 — In allen Äonen doch, Gepräg' aus kleine, In Färb' und Bildung bleibt mein Antlitz gleich; So heiß ist Südens Brand nicht, daß er's bräune, So kalt kein Norden, daß er's tünche bleich! Oie Christen sahn's, da macht' es ihnen dünken, Ls sei wohl eisenfest auch unser Leib, Daß unser Blut ihr Schwert sie ließen trinken, Uns niederdolchten Greis und Kind und Weib! Die Christen sahn's, und unsres Leibes Glieder Hielt da wohl auch für feuerfest ihr Wahn, Daß sie uns Haus und Hütten brannten nieder Und unter uns den Holzstoß schürten an! was zürnen sie? weil einst, was noch sie üben, Gerichtet einen Sünder wir nach Fug! wenn das er lehrte, was sie thun und trieben, Traun, war's kein Unrecht, was ans Ureuz ihn schlug! Ihr schmäht, daß wir den Blick zum Mammon wenden; Wie wir ihn suchen, suchet ihn auch ihr. Nur taxxt ihr plump nach ihm mit schweren Händen, Mit leichter Wünschelrnthe winken wir. verachtet mich, doch will Triumph ich stimmen! Zertritt mich, Christ, wie einen Wurm der Flur! Muß ich mich unter deinen Sohlen krümmen, Ist's doch vor Schmerz nicht, nein, vor Wollust nur! voll Lust sa denk' ich's unter deinen Füßen, wie deines Priesters halb du bist, halb mein; wie wir uns Leid' in dich zu theilen wissen, Sein soll das Jenseits, mein das Diesseits sein! — zzz — Ich denk's, daß meines Volks ein Mann darf winken, Und Demant und Juwel, entfärbend sich, Aus deines Königs stolzer Krone finken, Der dich auch treten kann, so wie du mich. Braus't hoch zu Roß dahin, im Goldesschimmsr, In Purpur wallend, schwingend das Panier! Ich lieg' im Roth und weiß, ihr seid nicht immer So stolz und bückt euch noch herab zu mir. Entfalt', o Lhristensaat, dein Prunkgefieder Und schlag' dein schimmernd Farbenrad als Pfau! Des Regenbogens Leuchten spiegle wider, Des Sternenhimmels Funkeln gib zur Schau! Gern mag der Pfau im Sonnenglanz sich blähen, Doch schämt er seines eklen Fußes sich. Ich bin der Fuß, magst ihn mit Scham besehen, Doch trägt nur er dein prunkgebäud' und dich! Und beugt der Unfern Liner auch dem Duelle Sein kfanpt zur weih' in Eures Glaubens Bund, Meint ihr, ihn lockt des Paktol's reinre Welle? Ich mein', er ahnt das Körnlein Gold's am Grund! kfa, jauchze nur, o Petrus, wenn gelungen Solch Fischzug oft dem Netz in deiner Uand! Denk' an das Krokodil und seine Jungen, Die heimisch auch zu Wasser und zu Land! Und gönnst du, Christ, uns einst auch deine Fluren, Gibst du uns Freiheit, Recht, Gesetz zurück, Lin Krieg, den die Jahrtausende sich schwuren, Den endigt nicht ein Friedensaugenblick! — ZZ4 — Hier ist mir wohl! Hier sind wir gleich, wir Beiden, verschmäht, getreten gleich, in diesem Land! Doch unter'm Tritte selbst des schnöden Heiden Reich' ich dir nicht zum Frieden meine Hand! Genug der Rast! Wie labt des Schlummers Bronnen! Laßt sehn, wie die Geschäft' am Grab dort stehn. Kauft Goldmonstrauzen, Rosenkranz, Madonnen! Kauft Kreuze, schmucke Kreuze, blank und schön!" — ZLZ — 4. lind wieder sah der Herr vom Gelberg nieder; Ein Gstermorgen glänzt anfs Thalgefild! Ihn grüßen keine Glocken, keine Lieder, In Lüften nur wehn Festesschauer mild. Noch strahlt der Halbmond von den Zinnen allen, Fest wie ein Aetherbild, siegreich und klar; Doch auch das Kreuz am Grab ist nicht zerfallen, Und nicht gewichen seiner Mönche Schaar. Doch nimmer treue Doggen sinds, umkreisend Als Wächter ihres Herren Leichenstein; Schakale nur, die Zähn' einander weisend, Sich würgend um ein Grab und Todtenbein. Zersplittert in des Wahnes Sekten, fachten Statt Friedenslamxen Hassesgluth sie an; Nie fochten Kreuz und Mond so blut'ge Schlachten, Als hier der braun' und graue Kutteumann! Altar und Kanzel werden Schanz' und Vesten, Feldlager ist der Dom, drin kampfergliiht Roms Mönch im Norden steht, der Kopt' im Westen, Der Griech' im Gst, Armenier im Süd. Des Pascha drohend Antlitz muß es wahren, Daß nicht ihr Blut besudle den Altar: Gebietend hält der Stock des Ianitscharen In Eintracht hier der Friedenslehrer Schaar. — ZZ6 Dort in dem Alostergarten, rings umfangen von breiten Mauern, wie von Schanzen wohl, Als ob vor eines Feindes Sturm sie bangen, Bekennend ihre Rosen, ihren Aohl; Dort liegt ein greiser Mönch aus seinen Anieen, Mit weißem Bart, vom Morgenwind umweht, Und zwischen Rosen, die vor Andacht glühen, wetteifernd sprießt gen Himmel sein Gebet: „Schön seid ihr, der Provence grüne Thale, Mein Heimatland, mir oft im Traum gegrüßt, In das, gleichwie in eine goldne Schale, Der Reben Born von sonn'gen Hügeln stießt; Auf das des Delbaums grüne wälderkrone Sich wie ein Aranz des ew'gen Friedens legt; An dessen Herzen laut in Hellem Tone Der volle Pulsschlag frischer Quellen schlägt! Ihr Haine von Drangen und Granaten, Du grüne Trift, du farbig Blnmenried! Du endlos Gartenland, voll reicher Saaten, Du wonnig Lrbreich von Musik und Lied! Doch schöner sind, o Zion, deine Thale, Ein Hymnus aus Gestein, der schweigend klingt, wo schwebend über Schutt und Trauermale Der Todesengel Hallelujah singt! Ja, schöner ist dein fahl Gestld, zertreten vom Tritte der Geschlechter, die's durchwühlt, Stumm wie die Lippen des Anachoreten, Durch deren Ernst kein leises Lächeln spielt. — ZZ7 — Ja, schön bist du, wie einer Mutter Leiche, Ans Herz das Kreuz geschmiegt noch goldesklar! Noch strahlt ein Ahnen durchs Gesicht, das bleiche Daß einst ihr Schooß der Welt Geschick gebar! Und freudig soll mein morsch Gebein versinken Linst in dein graues Leichentuch, o Thal, Sah' nur mein brechend Auge wieder blinken von allen Zinnen hoch des Kreuzes Strahl! Und ließest du auf allen Bergen wieder, Herr, deine Driflamme siegreich stehn, Der Glocken Klang, der Lhristenxilger Lieder Anstatt der Blumen übers Grab mir wehn! Zwar als du jüngst in deiner Gottheit Schöne Im Traum mir nah, rief donnergleich dein Zorn: Hinweg, Unwürdige, ihr der Zwietracht Söhne, Nicht fürder schändet hier des Friedens Born! Ich pflanzte, reichen Schirms sich zu entfalten, Einst meinen Fruchtbaum in den Lrdeuhain; In tausend Aeste habt ihr ihn zerspalten, Und jeder Zweig will selbst ein Baum nun sein! Ls loosten, als sie sahn am Kreuz mich ragen, Um mein Gewand die Söldner unverweilt,- Doch ruchlos habt ihr selbst mein Grab zerschlagen Und frech in seine Trümmer euch getheilt! Ihr, die in meinem Dom um eine Stufe, Um eine Pfort' ihr wild in Hader schwellt, wißt, daß der Erdball rings zu mir die Stufe, Und meine Pforte rings die weite Welt! Anast. Grün's Werke III. 22 — ZZ8 — Ihr, die ihr um ein Altarlämpchen streitet, Ihr Blinden ahnt in eurer Nacht es kaum, Daß, meines Lichtes voll, sich glänzend breitet Rings um und über euch der Erde Raum! Gewürm, bleib' an den morschen Steinen kleben, Und nage sort an moderndem Gebein! Ulein Wort, es quillt lebend'ges, volles Leben, Und nicht gesesselt ist's an todten Stein! So sprachst du, Herr. Doch was mein Äug' in Thränen Längst von dir flehte, hast du jetzt gesandt! Es baute kühn ein Heer von Gottfrieds Söhnen Sich Zelte in der Pharaonen Land! In ihrem Blick die alte Schlachtenweihe, Ums Haupt des alten Ruhmes Widerschein, In Arm und Brust die alte Kraft und Treue! Da wird wohl auch der alte Glaube sein! Heiß glüht die Sonne! Doch ihr Haupt zu kühlen, Gebricht's an frischen Siegespalmen nie. Des Nilstroms Katarakte stäubend spülen Des neuen Ruhmes Taufe über sie. Dort steht der Feldherr auch! — Nleint ihr, es biete Hesxeriens Gartenland ihm Kränze nur? (!) seht, wie jetzt, sein Haupt zu kränzen, blühte Als Lorberwald Sahara's sand'ge Flur! Du hast, o Herr, ihm in den Arm gegossen von deiner Kraft, die Lebans Eedern bog, Du hast sein Haupt mit deinem Geist umflossen, Der einst in Flammenzungen niederflog! — aoy — Ich weiß cs, seines Degens Feuerruthe Schwang über Murad Bei allein er nicht, Und mit des Mamelucken Uebermuthe Geht nicht allein sein Zürnen ins Gericht. Ich weiß, als Straße nur zu Zions Thale Liegt ihm die Wüste vor den Augen da; Ich weiß, der Pyramiden Riesenmale Sind ihm die Staffeln nur zu Golgatha! Da wird einst stehn, den Halbmond zu den Füßen, Das goldne Kreuz hoch in der Hand, der Held, Die graue Flur den grauen Mantel grüßen: Er deckt, wie sie, die Größe einer Welt! Auf Golgatha läßt ruhn er seine Aare Ums Kreuz, des Sieg den schönsten Kranz ihm gab. Die andern Kränze nimmt er aus dem Haare Und legt sie nieder aufs befreite Grab!" So sprach der Mönch. Und horch, die sernen Hügel Erdröhnen dumpf, wie eh'rner Heere Gang; Und horch, in Lüften rauscht's wie Adlerfliigel, wie ferner Waffenhall und Schlachtgesang. Ja, seine Heere sind's! — Doch raschen Zuges, Im Siegesglanz, ziehn sie vorbei, vorbei! Ja, seine Adler sind's! — Doch stolzen Fluges Rauscht ihres Fittigs Schlag vorbei, vorbei! z 40 5. Gsterri wird es einst, der Herr sieht nieder vom Gelberg in das Thal, das klingt und blüht; Rings Glanz und Füll' und Wann' und Wonne wieder, So weit sein Äug' — ein Gottesauge — sieht! Tin Gstern, wio's der Dichtergeist sieht blühen, Dem's schon zu schaun, zu pflücken jetzt erlaubt Die Blüthenkränze, die als Aron' einst glühen Um der noch ungebornen Tage Haupt! Tin Gstern, wie's das Dichteraug' sieht tagen, Das über'm Nebel, der das Jetzt umzieht, Die morgenrothen Gletscherhäupter ragen Der werdenden Jahrtausende schon sieht! Ein Gstern, Auferstehungsfest, das wieder Des Frühlings Hauch auf Blumengräber sä't; Tin Gstern der Verjüngung, das hernieder Ins Uienschenherz der Gottheit Athem weht! Sieh, welche Wandlung blüht auf Zions Bahnen' Längst hält ja Lenz sein Siegeslager hier; Auf Bergen wehn der jdalmen grüne Fahnen, Im Thale prangt sein Zelt in Blüthenzier! Längst wogt ja über all' den alten Trümmern Ein weites Saatenmeer in goldner Fluth, Wie fern im Nord, wo weiße Wellen schimmern, versunken tief im Uleer, Vineta ruht. Z4i Längst über alten Schutt ist unermesseri Geworfen frischer Triften grünes Kleid, Gleichwie ein stilles, freundliches vergessen Sich senkt auf dunkler Tag' uraltes Leid. Längst stehn die Höhn umfahn von Rebgewinden, Längst blüht ein Rosenhag auf Golgatha. Will jetzt ein Niund den Preis der Rose künden, Nennt er gepaart Schiras und Golgatha. Längst alles Land weitum ein sonn'ger Garten; Ls ragt kein Halbmond mehr, kein Kreuz mehr da! Was sollten auch des blut'gen Kampf's Standarten? Längst ist es Frieden, ew'ger Frieden ja! Der Kedron blieb. Er quillt vor meinen Blicken, Ins Bett von gelben Aehren eingeengt, Wohl noch als Thräne, doch die dem Entzücken Sich durch die blonden, gönnen Wimpern drängt! Das ist ein Blühen rings, ein Duften, Klingen, Das um die wette sprießt und rauscht und keimt, Als gält' es jetzt, geschäftig einzubringen, was starr im Schlaf Jahrtausende versäumt. Das ist ein Glänzen rings, ein Funkeln, Schimmern Der Städt' im Thal, der Häuser auf den Höhn; Kein Ahnen, daß ihr Fundament auf Trümmern, Kein leiser Traum des Grabs, auf dem sie stehn! " Z42 Die Flur durchjauchzt, dks Segens freud'ger Deuter, Ein Volk, vom Glück geküßt, an Tugend reich, Gleich den Gestirnen ernst zugleich und heiter, Wie Rosen schön, wie Ledern stark zugleich. Begraben längst in des vergessens Meere, Seeungethümen gleich in tiefer Fluth, Die alten Gräu'l, die blut'ge Schergenehre, Der Krieg und Unechtsinn und des Luges Brut. Auf Golgatha, in eines Gärtchens Mitte, Da wohnt ein pärlein, Glück und Lieb' im Blick; weit schaut ins Land, gleich ihrem Äug', die vütte, Ls labt ja Glück sich gern an fremdem Glück! Einst, da begab sich's, daß im Feld die Kinder Ausgruben gar ein formlos, eisern Ding; Als Sichel däuchts zu grad'^und schwer die Finder, Als pflugscharr fast zu schlank und zu gering. Sie schlexxen's mühsam heim, gleich selt'nem Funde, Die Litern sehn es, — doch sie kennen's nicht, Sie rufen rings die Nachbarn in der Runde, Die Nachbarn sehn es, — doch sie kennen's nicht. Da ist ein Greis, der in der Iehtwelt Tage Mit weißem Bart und fahlem Angesicht kjereinragt, selbst wie eine alte Sage; Sie zeigen's ihm, — er aber kennt es nicht. X — Z4Z — Wohl ihnen Allen, daß sie's nimmer kennen! Der Ahnen Thorheit, längst vom Grab verzehrt, Müßt' ihnen noch im Äug' als Thräne brennen. Denn was sie nimmer kannten, war ein Schwert! Als Pflugschare soll's fortan durch Schollen ringen, Dem Saatkorn nur noch weist's den Weg zur Gruft; Des Schwertes neue Heldenthaten singen Der Lerchen Lxopee'n in sonn'ger Luft! Linst wieder sich's begab, daß, als er pflügte, Der Ackersmann wie an ein Felsstück stieß, Und, als sein Spaten rings die Düll' entfügte, Lin wundersam Gebild aus Stein sich wies. Lr ruft herbei die Nachbarn in der Runde, Sie sehn sich's an, — jedoch sie kennen's nicht! Uralter, weiser Greis, du gibst wohl Kunde? Der Greis besieht's, — jedoch er kennt es nicht. Gb sie's auch kennen nicht, doch steht's voll Segen Aufrecht in ihrer Brust, in ew'gem Reiz, Es blüht sein Same rings auf allen Wegen; Denn was sie nimmer kannten, war ein Kreuz! Sie sahn den Kampf nicht und sein blutig Zeichen, Sie sehn den Sieg allein und seinen Kranz! Sie sahn den Sturm nicht mit den Wetterstreichen, Sie sehn nur seines Regenbogens Glanz! . Z44 Das Areuz von Stein, sie stellend aus im (Zarten, Lin räthselhaft, ehrwürdig Alterthum, Dran Rosen rings und Blumen aller Arten Empor sich ranken, kletternd um und um. So steht das Areuz inmitten Glanz und Fülle Auf Golgatha, glorreich, bedeutungsschwer: verdeckt ist's ganz von seiner Rosen ksülle, Längst sieht vor Rosen man das Areuz nicht mehr. Epilog. !;ie der Somma Reben sprießen !Auf vesuv'schem Schuttgerölle, ÜAls ob eine Saat von Grüßen Aus versunknen Tempeln quölle; ksätt' es Liner ahnen mögen, Daß der kseidengötter Grabe Linst entsteigt solch schöner Segen, Dran manch guter Christ sich labe? U)ie zu Worms der Reben Rette Dm den Dom der Liebenfraue Reich sich rankte an der Stätte Der verbrannten Alosterbaue; Wäre Ahnung wem geworden, Daß einst gaukelnd um die Grüfte Bärt'ger Rapuzinerhorden Solch ein lieblich Träumen dufte? 34^ Mögt ihr Reben aus dem Schutte Fort und fort so herrlich wallen, Bis zu duft'gem, saft'gem Schutte Selber ihr im Herbst zerfallen! Südens Reben, Nordens Reben, Laßt empor die Ranken schießen, Daß sie riesenhoch sich heben, Beider Wipfel sich umschließen! Wölbt euch dicht und schön zur Laube Für die Freunde und den Dichter! Südens Traub' an Nordens Traube Und dazwischen Sonnenlichter! Freunde, laßt uns lagern drunter In dem grünen Dom der Zecher! Aeltert von den Trauben munter In die tiefen goldnen Becher! Und es werden selbst die Frommen, Traun, uns nicht zu schelten taugen, Da, durch Lhristi Thrän' entglommen, Mich der Liebensrau wir saugen! Veffn' ein bischen, Laubgewinde,, Uns zur Aussicht deine Halle, Daß sich durch die sonn'gen Gründe Unser Äug', ergehend, walle; Daß wir durch den Aranz von Reben Goldne Saaten wogend schauen, Dorf und Airchthurm blank sich heben, Strom und ferne Meere blauen. 649 Und die Burg mit morschen Marten, Die als Puppe hängt am Hügel, Doch vielleicht als Rebengarten Schlägt einst schöne Falterflügel! Seht im Mind das Laub sich kräuseln! Nlög' es einst, wenn Hörer lauschen, Mie ein frisches Laubessäuseln Auch durch unsre Lieder rauschen! Herz an Herz, und Arm' in Armen! Meckt die jungen Reim' im Boden, Daß sie meinen, zu erwärmen Schon durch Frühlings lauen Gdem! Laßt ertönen die Gesänge, Daß die Rosen in den Tiefen Früh'r erweckt, als ob die Klänge Lines Lenzes wach sie riefen! Und umlacht von Blllthenscherzen Und umspielt von Zephyrs Kosen, Süße Hoffnungen im Herzen, Sinken wir einst in die Rosen. Inhalt. Der letzt Seite weihe. ii Maximilian. Des Herrschers wiege. 21 Der Fürstenjüngling. 27 Karl der Kühne. zz Karls Tod. Z4 Die Botschaft. z6 Aufruf. . -. 45 Entscheidung . 51 Stimmen. 5Z Der Liebe Trennung. Deutung. 58 Max und Flandern. Das Erwachen. 6z Maximilian, römischer König . 71 Thron und Dreifuß. Die Zünfte. 77 Warnung. . 79 e Ritter. Seite Die Kranenburg. 81 Der treue Diener. 82 Frühlingsbotschaft. 84 Der König und der Schuster 8z Willkomm und Abschied. . 87 Die Martinswand.. 89 Freiheit.122 Der Streit am Grabe. Der Schatz zu Burghausen. 127 Die Böhmerschlacht .... 129 Max vor Kuffstein .... 1Z2 Das Friedensfest.iZ5 Der letzte Sieg. Der Fürstenbund.159 Die Wallfahrt.144 Einzug.l49 — Z5- — Max und Dürer izr Abschied iZZ Der Fürst 155 Heimkehr. Todesahnung 16z Abfahrt von Innsbruck . . 167 Das vermächtniß 169 Schutt. Widmung 19z ! Lincinnatus 26z Der Thurm am Strande. ... 195 Fünf Ostern . .Z15 Eine Fensterscheibe 227 Epilog Z45