140158 Usniinz In lliiivmilelns Irnjirnles _ v IWIisnI _ Anastasius Grün's gesammelte Werke. Fünfter Band. Anastasius Grüns gesammelte Werke. r kserausgegeben Ludwig August Frankl. Fünfter Band. Berlin, G. Grote'sche Verlagsbuchhandlung. 1877. Volkslieder aus Kram. Blüthen sprossen an den wilden Zweigen, die nicht die L^and geschickter Runstgärtner, die nur der frische, harmlose Sinn des Volkes pflegt/' . Lalv). Vorwort. ie ein gewaltiger Eroberer, "dem das große Bild eines Weltreiches vor Augen schwebt, reiht die moderne Bil¬ dung eine gewonnene Provinz an die andere und steckt ihrem Reiche immer weitere Grenzen, oder vielmehr, sie ist aus ihrem unaufhaltsamen Siegeszuge noch nicht dazu gekommen, den Umfang ihres Gebietes abzumarken. Rein Land liegt ihr zu fern, keine Sprache klingt ihr zu rauh, kein Stand und Be¬ ruf dünkt ihr zu gering, wenn es gilt, den Entwicklungsgang der Menschheit in seinen Spuren zu verfolgen, auf seinen Bahnen zu fördern. Im Gegensätze zu der älteren, hinter dem geheiligten Bollwerke der Schulgrenze und des Aunftidioms sich streng und stolz abschließenden Gelehrsamkeit tritt sie un¬ mittelbar ins freie Leben und verschmäht es nicht, die bishin verachtete Sprache des Volkes zu lernen, dem sie in politischer wie in kulturgeschichtlicher Hinsicht die alten, unveräußer¬ lichen Rechte wiederzugeben strebt, dessen Stimmbefähigung sie anerkennt, und dessen Stimmen sie Ghr und Herz öffnet. So hat auch das Volkslied seine rechtmäßige Stelle in der Kulturgeschichte wiedergewonnen, und es wird erklär¬ bar, wie in Deutschland seit Herder das Interesse an 8 volksxoesie und somit auch die Zahl der Sammlungen sowohl einheimischer als fremder Volkslieder fortwährend im Steigen begriffen sein mußte. Im gläubigen vertrauen auf dieses mit den edelsten Bestrebungen und Kämpfen der Neuzeit innig verschwisterte Interesse durfte es der Herausgeber dieser Blätter wagen, die bereits allmählich verklingende poetische Stimme eines merkwürdigen Volksstammes zu vermitteln, der freilich in der großen Staaten- und Kulturgeschichte ein so be¬ scheidenes Plätzchen einnimmt, wie in der Touristenliteratur sein kleines Wunderland, hart an der äußersten Grenze des alten, herrlichen deutschen, oder wenn man lieber will, des neugeträumten großen Slavenreiches. Krams Volk und Land aber haben dieses gemein, daß sie ihre guten Eigenschaften und unbestreitbaren Vorzüge nicht zur Schau zu tragen wissen, wie denn das Land gerade seinen unschönsten und unfrucht¬ barsten Theil an der großen Heerstraße ausgebreitet hat, das Volk selbst aber gegen die seiner Sprache und Sitten unkun¬ digen Fremden kalt und verschlossen, mißtrauisch und unzu¬ gänglich bleibt. Die Sprache, in der die Lieder der vorliegenden Samm¬ lung ursprünglich gedichtet und gesungen worden, ist die slovenische, auch krainische, wendische (windische) genannt, eine Mundart der in so viele Haupt- und Nebendialekte zerfallen¬ den slavischen Stammsxrache. Diese Mundart wird von der südwestlichen Slavenfamilie Europas, und zwar in ganz Krain — mit Ausnahme der germanischen Sprachinsel Gottschee — in den vormals zu Krain gehörigen Distrikten Istriens und des Küstenlandes, in der unteren Steiermark, in einem Theile Kärnthens und in einzelnen Grenzgebieten Ungarns (Szalader- und Eisenburger Tomitat) gesprochen.* Gbschon Krain zu- 9 nächst die Heimat dieser Volksgesänge und ihres Sammlers ist, so wurden doch auch Lieder der benachbarten, insbesondere der steiermärkischen Wenden der Sammlung deßhalb unbedenk¬ lich eingereiht, weil das Volkslied bei so blut- und sprachver¬ wandten Stämmen, seine individuelle Heimat verleugnend, schnell Gemeingut wird und, die politische Grenze wenig achtend, ungebunden hinüber und herüber klingt, dem sreien Vogel des Waldes nicht unähnlich, der heute dieß-, morgen jenseits des Grenzpfahls seine Lieder erschallen läßt. Das Volkslied ist die Blüthe des Volkslebens; beide er¬ zeugen, tragen und bedingen sich gegenseitig. Wo sich ein selbständiges Volksleben ausgebildet hat, wird auch ein eigen- thümliches Volkslied klingen. Und wie sich das Volksleben in ein äußeres, öffentliches und in ein inneres, häusliches theilt und trennt, so zerfällt entsprechender Weise auch das Volks¬ lied in Fest- und Helden- (historisch-epische) und in häusliche (lyrisch-idyllische) Gesänge. Selbst das religiöse Volkslied, so gerne es überall seine himmlische Abkunft geltend machen möchte, bequemt sich dieser irdischen Sonderung und tritt ent¬ weder als öffentliches (Kirchenlied) oder als häusliches (ein¬ fach geistliches) Lied auf. Den innigen organischen Zusammen¬ hang des Volksliedes als Volksstimme mit dem Volksleben und der Volksgeschichte können auch diese Lieder aus Krain nicht verläugnen. Aus der älteren, heidnischen Zeit dürfte sich kein Lied vollständig bis zu unseren Tagen erhalten haben; nur isolirte Spuren heidnischer Vorstellungswelse finden sich hie und da in einzelnen Anklängen vor. Daß der christliche Tlerus während und unmittelbar nach der Einführung des Thristenthums einen unversöhnlichen Vertilgungskrieg gegen das noch widerstandsfähige Heidenthum führte und dieses in all' seinen Erscheinungen unterdrückte, in all' seine Schlupf¬ winkel verfolgte, mag nicht nur erklärlich, sondern auch preis- würdig erscheinen; denn für die in jenem Kampfe erlittenen Verluste ist das Volk durch das Licht und die Segnungen des — 10 — Ehristenthums überschwenglich entschädigt worden. Minder zu rechtfertigen durfte es aber sein, daß die südslavische Geist¬ lichkeit, nachdem der glänzende Sieg des Ehristenthums längst befestigt war, in angewohnter Kampflust noch immer gegen die unverfänglichsten Erscheinungen einer weltlich heiteren Liederpoesie forttobte und dem Volke dafür asketisch-düstere Bußlieder und Psalmen aufzuzwingen suchte.* Seit dem dreizehnten Jahrhundert bis zur Gegenwart mit Desterreich unter einem Scepter vereinigt (mit alleiniger Aus¬ nahme der kurzen französischen Zwischenregierung 1809— i8iz) theilt Krain fortwährend treu und ehrlich die Kämpfe und Ge¬ schicke Vesterreichs. Den glänzendsten und einen beinahe selb¬ ständigen Antheil nahm es aber an den langjährigen, blutigen Türkenkriegen. Nicht nur unter den Fahnen Besterreichs stets in erster Reihe kämpfend, sondern auch unter eigenen Heer¬ führern (Katzianer, Auersperg, Thurn, Lamberg, Lenkowitsch u. A. m.) dem Erbfeinde christlichen Namens selbständige und mörderische Schlachten liefernd, stoß das Blut seiner Söhne in Strömen auf allen lvahlstätten jener Kriege. Durch seine geographische Lage den trotz aller Friedensschlüsse fast jähr¬ lich wiederholten Einfällen der Grenzpaschas bloßgegeben, war das ganze Land Krain durch Jahrhunderte ein großes Feld¬ lager, eine von Geschützen und Rüstungen starrende Burg; die ganze waffenfähige Bevölkerung, wie die Mannschaft einer großen vorpostenwacht, in jedem Augenblicke marsch- und 11 kamxffertig und der Signale (Kreuth-, auch Lreuzfeuer) ge¬ wärtig, die, von allen Höhen aufflaminend, binnen wenigen Stunden das ganze Sand zu den Waffen rufen konnten. Da war jedes Haus eine Schanze, Schlösser und selbst Kirchen waren befestigte Außenwerke mit Thürmen, Ringmauern und Gräben (Tabor), vornehmlich zur Aufnahme der Wehrlosen und der geflüchteten Habseligkeiten bestimmt. Diese Epoche der ausdauerndsten und erbittertsten Kämpfe ist der Glanz¬ punkt der Landesgeschichte, ihr gehören alle poetischen Er¬ innerungen an, ihr die Entwicklung eines eigenthümlichen kriegerischen Volkslebens und somit auch eines selbständigen Volksliedes. Dieses nimmt die Helden, die es verherrlichen will, theils aus der Zahl eingeborener Kriegsmänner und Abenteurer, größeren Theils aber bei dem verschmelzen der eigenen Landesgeschicke mit denen seiner Nachbarvölker aus der Geschichte und Tradition der letzteren. So hat, wahr¬ scheinlich durch Kampfgenossen aus Slavonien und Kroatien vermittelt, die abenteuerliche Gestalt des Serbenhelden Marko noch im Volksliede Krains einige Geltung; so überragt in diesem alle Anderen ein fremdes, fast fabelhaftes Wesen, König Mathias (K-ralj blatjas) genannt. Wo sich diese mythische Gestalt auf historischem Wege beikommen und erfassen läßt, gibt sie sich als Mathias Lorvinus Hunjady, König von Ungarn, (ungar.: ülatyas Kiräly) zu erkennen, welcher hier nicht nur die eigenen Thaten und Schicksale, sondern auch dis seines Vaters Johann Hunjady und anderer Helden, ja viel¬ leicht sogar die moralischen Fehltritte der letzten Grafen von Eilli anf sich nehmen muß. (vergl. die Anmerkungen 17. 18. 20. 2l.) Seine bedeutungsvolle Rolle ist aber noch nicht zu Ende; denn das Volk ist dankbar gegen seine Lieblinge und Beschützer und läßt sich selbst vom Tode den kostbaren Besitz nicht rauben. So glaubt der böhmische Bauer seinen Wohl- thäter Iosef II. noch jetzt am Leben und nur auf einer Rund¬ reise in entfernte Provinzen begriffen, die er in einem alt- 12 modischen Wagenkasten, mit alten, magern Nähren bespannt, nach alter Gewohnheit incognito durchfährt; so läßt mancher französische Veteran seinen großen Kaiser noch nicht verstorben sein, sondern fern im Grient Barbarenheere in europäischer Kriegskunst und Nannszucht unterrichten; und so ist nach der Sage der Siidslavcn auch König Mathias noch nicht gestorben, sondern schläft nur, des Wiedererwachens gewärtig, in einer Grotte im tiefen Ungarn, wie Friedrich Barbarossa im Kyff- häuser und Karl der Große im Salzburger Untersberge, wie Holger der Däne in einem Gewölbe bei Kronburg und Artus der Britte in einem Berge seiner Heimat. Dort sitzt er mit seinen Kriegern (schwarze Legion, öerua voislca) an einem Tische unter dem in der slavischen Volkspoesie so charakteristischen Lindenbaume, unter welchem alle Haupt- und Staatsaktionen vorzugehen pflegen. Ein Lied, das jedoch seiner sonstigen Un¬ bedeutendheit halber in die Sammlung nicht ausgenommen wurde, läßt ihn sogar, wie Vrpheus um Eurydice, mit einer Geige in der Hand zur Hölle steigen, um seine todte Geliebte heraufzuholen, was ihm aber, da diese unterwegs das gebotene Stillschweigen bricht, eben so wenig glückt, als seinem thra- kischen Vorbilde.* In solcher Art knüpft das Volk an die Personen seiner Lieblingshelden ohne kritische Sichtung deren eigene und fremde Eigenschaften, Handlungen und Erlebnisse, wie diese durch die Ueberlieferung zu seiner Kenntniß gelangt sind. Das belebende Element jener, nach dem Gesagten wohl größtentheils dem 16. und 17. Jahrhunderte angehörigen romanzenartigen Lieder ist ein unersättlicher, oft in blutdürstige Grausamkeit ausartender Türkenhaß (Vgl. S. 10z. 120); be- * So konnte es eben nur die große Popularität jenes slavischen Helden- namens sein, welche einen neueren südslavischen Dichter veranlaßte, bei blebec- tragung der Ubland'schen Romanze: „König Karls Meerfahrt" für sein Pu¬ blikum den Lralj LI-rtjaS in entsprechender Begleitung an die Stelle Karls und seiner zwölf Genossen zu setzen. (S. 8. Vrue's Ousls i tambura. Prag 1845. S, izi.) IZ zeichnend und für ihre echt volkstümliche Abkunft zeugend ist das Uebertragen der eigenen Anschauungsweise, Geschäfte und Hantirungen des Volkes auf seine Helden (S. yz 98), der eigenen Sitten und Gebräuche auf fremde Völker (S. 118), der gegen die nächsten Nachbarn sich kundgebende Provinzialhaß und Spott (S. izo und izi) u. dgl. m. Gbschon Krains Volkslied sein nahes verhältniß zur Poesie der übrigen slavischen Völker nicht verleugnet, steht es doch mit der serbischen Volkspoesie in allernächster Verwandtschaft. Wenn jedoch das serbische Volkslied im Einklänge mit der Geschichte Serbiens als wohlgegliedertes Epos zur Feier vaterländischer Helden, als stolzer Triumph- und Siegesgesang nach glanzvoll be¬ endigten Kriegen, breit und feierlich dahinrauscht; so klingt, eben auch im Einklänge mit der Landesgeschichte, Krains Volkslied rasch und abgerissen, als kurze Romanze, als frisches Waffenlied, wie es Nachts am vorxostenfeuer von wachenden Kriegern ge¬ sungen zu werden pflegt, die sich inunter erhalten, die Nacht kürzen, vor Allem aber den Faden, den jeder Augenblick durch Auszug oder Ueberfall durchschneiden kann, nicht über Gebühr ausspinnen wollen. Beachtenswerth ist in dem späteren Zeit¬ abschnitte, bei wachsendem Verkehre mit deutschen Völkern, der allmähliche Uebergang des altslavischen, gegenwärtig nur noch durch den serbischen repräsentirten Volksgesanges in die Auf- sassungs- und Darstellungsweise des deutschen Volksliedes, Ähnlichkeit der Motive und insbesondere die Aufnahme des den älteren Slaven fremden Reimes.* Im 18. Jahrhundert verminderte sich durch die veränderte Art der Kriegsführung die Betheiligung des Einzelnen am Kampfe und mithin auch die des Volksliedes; so klingt aus den letzten Türkenkriegen ein Lied „Loudon vor Belgrad" bereits ziemlich matt und » Auch in der böhmischen Poesie tritt der Reim erst mit der von Rönig Wenzel I. begünstigten Nachahmung deutscher Dichtkunst ein; mit dem Vorherrschen des Reimes aber verlor sich allmählich der Geist echt nationaler Poesie (Vgl. J. L. wocel, böhm. Alterthumskunde. Prag 184z.) 14 farblos. Der gemachte, halboffizielle Patriotismus aus den Preußen- und Franzosenkriegen konnte auch nur erzwungene Früchte tragen. In neuerer Zeit ist mit der Physiognomie eines eigenthiimlichen Volkslebens auch die des älteren krai- nischen Volksliedes in Allgemeinheit und Unbestimmtheit zer¬ stossen und an seine Stelle ist eine aus kümmerlichen Inspira¬ tionen ländlicher Presbyterien, Schul- und Trinkstuben her¬ vorgegangene Liederkunst* getreten, welcher das belebende Element wahrer Volkstümlichkeit fehlt, und der sich aus dem Volke selbst gereimte Alagen über erhöhte Salzpreise, Abführung der Geliebten als Rekruten, drückende Steuern und Frohndienste u. s. w. traurig beigesellten. Line wiewohl nicht sehr erheb¬ liche Ausnahme von diesem verstummen echter und ursprüng¬ licher volksxoesie bilden nur noch die kurzen, meist vierzeiligen Lieder, in der Landessprache "Vi^e (Meisen) genannt. Ihre Heimat dürfte an der Grenze der deutschen Nachbarxrovinzen oder vielmehr in der mit jener zusammenfallenden Alpenregion zu suchen sein, denn auffallend und unläugbar ist ihre Ver¬ wandtschaft mit denLiedern („Schnadahüpfln"** der baierischen, österreichischen und steiermärkischen Gebirgslande. Eben die Verhältnisse der Alxenwelt bedingen ihre Art unö Weise, in¬ dem in der Einsamkeit des Hochgebirges einzelne Aufschreie der jeweiligen Stimmung, Festhalten momentaner Eindrücke und Einfälle, kurze Zurufe der Nachbarn von Berg zu Berg natürlicher sind, als das Absingen längerer, aus gesellige Theil- nahme angewiesener Gesänge. Mit ihren ursprünglichen Er¬ findern stiegen jene Lieder im Herbste aus der reinern Alpen¬ region herab in die Thalgründe, wo sie den Mnter hindurch Run st poesie, welche mitunter von sehr achtbaren Rräften wie vodnik, s)reserin, Roseski (vessel) u. A. herrühren, liegen außerhalb des Bereiches dieser Blätter. '* Ueber diese vgl. v. Spaun's trefflichen Aufsatz: „Die österreichischen Volksweisen" im Album aus Oesterreich ob der Lnns. Linz 184z. i5 in Spinnstuben, aus Tanzböden und in Schenken An- und Miederklang, oft auch ergänzende Elemente fanden. Da ihr Ursprung somit außerhalb des rein nationalen Elementes liegt, fehlt ihnen auch das scharfe Gepräge nationaler Eigenthiim- lichkeit.* Sie sind es aber, die gegenwärtig einzig und allein das Volkslied in Krain repräsentiren; denn das alte, echte volksthiimliche Lied hat längst aufgehört Gemeingut zu sein und fristet nur noch in einzelnen erlesenen Individuen ein fragmentarisches Dasein. Und so möchte denn beinahe im Gegensätze zu dem einst in allen Landeskirchen angestimmten Gebete um Abwehr des blutdürstigen Erbfeindes heutzutage die Muse des krainischen Volksliedes in ihren Tempeln um baldige Wiederkehr des liederweckenden Türken inbrünstig beten. Merkwürdig bleibt es, daß die Reformation, die wie ein glänzendes Meteor auch über Arain geleuchtet, in dem Adel und den Ständen des Landes mächtigen Anhang und Schirm, in seinen Predigern und Gelehrten energische Organe gefunden hatte, dennoch in dem Volksliede keine Spuren zurückgclasscn;** erklärlich aber wird dieß, wenn man in der Geschichte des Landes von jenen, an die ältesten Lhristcnverfolgungen er¬ innernden Gewaltthaten liest, durch die es den Männern des Staates und der Kirche jener Zeit gelungen, die keimkräftige Saat Luthers in diesem Lande mit Stumpf und Stiel auszurotten. Von den bis auf unsere Tage gekommenen Volksliedern*** Krains ist eine große Anzahl in der Originalsprache bereits * Damit auch diese Gattung, obschon sie außerhalb der enggezogenen Grenzen unserer Sammlung steht, in ihr nicht gänzlich unvertreten sei, folgen in einem kurzen Anhänge einige groben derselben. ** Lin jener Zeit angehöriges Lied „vom Iurj Robila (Spottname des evangelischen Predigers und Bibelübersetzers Georg Dalmatin) befand sich nach dem Zeugnisse des Grammatikers 4). Marcus pochlin unter den von dem Priester Dismas Sakotnig (f 179z) gesammelten Volksliedern; doch scheint es eben so wenig als die Sammlung selbst unseren Tagen erhalten geblieben zu sein. (vgl. Vrarl's Xaroclno xo8ni, S. X.) *** Ls seien zunächst hier folgende Sammlungen erwähnt: Llovenslco posmi Icrainslci^L narocka. v. IFubluni 18^9 — 1844. Fünf Bändchen. Dieser Sammlung liegt die von Lmil Roritko, einem 18^9 zu Laibach im Exil ver- — 16 - durch den Druck aufbewahrt worden. Aus diesen und einigen handschriftlichen Sammlungen, die ich freundschaftlicher Mit¬ theilung verdanke, ist meine Auswahl hervorgegangen. Auf das reine Volkstümliche sie begrenzend, das Interesse eines deutschen Publikums stets vor Augen, mußte ich Alles aus¬ scheiden, was mir nicht unmittelbar aus dem Volke hervor¬ gegangen, sondern das Werk unberufner Hände schien und Manches unübersetzt bei Seite legen, was für die Heraus¬ geber des slavischen Textes nur in philologischer oder ethno¬ graphischer Hinsicht von Belange war. Bei Varianten habe ich mich an die volksthümlichste Lesart gehalten und mir über¬ haupt erlaubt, den Maßstab eigener Aritik selbständig anzu¬ legen. Dabei ist jedoch nie die gewissenhafteste Achtung vor der Unverletzbarkeit eines als echt anerkannten Urtextes außer Augen gelassen worden. Die Uebersetzung selbst aber darf sich der Ängstlichsten Treue rühmen; das slavische Original mit all seinen eigenthümlichen Redeformen, seinen vielen kindlichen Diminutiven, seinen plastischen Wiederholungen u. s. w. ist Vers sür Vers, ja meistens Wort für Wort wiedergegeben. Wo das Original reimte, folgte ihm auch die Uebersetzung, eben so wenig als jenes die im Volkslieds eingebürgerten Asso¬ nanzen und Zwitterreime gänzlich verschmähend. Das Metrum der meisten Lieder — mit Ausnahme jener, bei welchen man die nachbessernde Hand unschwer herausfühlt — ist im Ori¬ ginale sehr ungleichartig, gelockert und zerfallen; vielleicht daß ursprünglich kein strenges Versmaß eingehalten wurde, und der Text sich geschmeidig nur nach dem Tonfalle der begleitenden Melodie richtete; vielleicht daß jenes sich auf dem langen Wege slorbenen talentvollen jungen Polen begonnene Zusammenstellung von Volks¬ liedern zu Grunde. Zu bedauern bleibt es, daß die Reichhaltigkeit dieser Sammlung sich auf den Mangel strengkritischer Auswahl stutzt. b^nrollus kosni ilirsko, kojs so xsvaju xo Starjorskoj, Lranjskoj, Lo- ruskoi i eoxaänoi ulstrsko, Skuxio i na erst ieäao Stanko Vrae. Laeclolak I. "V'^axrsbn iSzy. (Line mit umsichtiger Rritik auf das streng volksthüm- i7 der Überlieferung im Munde der Sänger oder in den Federn der Eopisten auflöste und zerbröckelte. Jedenfalls hat sich noch so viel von innerem Rhythmus erhalten, daß ein geübtes Ghr das vorherrschende Versmaß, (meistens vierfüßige Jamben und Trochäen, seltener fünf- und dreifüßige Trochäen) herauszu¬ hören vermag. Dieses ist in der Uebersetzung, jedem einzelnen Liede entsprechend, durchgängig beibehalten worden, da sich ein deutsches Vhr mit der metrischen Zerfahrenheit des Ur¬ textes schwerlich befreundet hätte. Ueberblicken wir nochmals die in diese Sammlung auf¬ genommenen Lieder, deren Werth der Herausgeber keineswegs überschätzt, deren verlorengehen er aber jedenfalls bedauern müßte, so mögen sich uns die meisten und schönsten derselben als echte, wiewohl nur fragmentarische Ueberreste einer einst umfangreicheren politischen volksxoesie der Wendenslaven dar¬ stellen. Ihr allmähliches Verstummen in späteren Tagen gibt aber zugleich den Fingerzeig, daß ihre eigentliche Lebensquelle bereits zu versiegen begonnen, denn wie ein geistvoller Schrift¬ steller der Neuzeit treffend bemerkt: „die Welle der Zeit macht es umgekehrt wie die Welle des Stromes; sie läßt die Leichen zu Grunde fahren und trägt nur das Lebendige."* Noch vor wenigen Jahren mochte diese Wahrnehmung vielleicht zu der Annahme verleiten, daß das slavische Element in den wendischen Landestheilen einein andern, dem germanischen, zu unterliegen beginne; eine Annahme, die insbesondere in neuester Zeit als eine irrthllmliche sich dargethan hat. Jene Erschei¬ nung findet vielmehr ihren einfachen Erklärnngsgrund in der auch anderwärts gemachten Erfahrung, daß der selbständige, poetisch schaffende Volksgeist allmählich und überall durch die Eroberungen der wachsenden Lultur verdrängt werde; die eigenthiimlichen alten Volkssitten weichen den allgemeineren Formen des neueren Eulturlebens, die populären Helden der * Rob. j)rutz, die politische Poesie der Deutschen. Im lit.-bist. Caschenb. 184z. Anast. Grün's Werke V. 2 — 18 - Vorzeit verlieren jede Beziehung zur Gegenwart und fliehen von den Lippen des Volkes in die Pergamente der Geschichte zurück, und an die Stelle des dahinsterbenden Volksliedes treten die ansprnchsreicheren Schöpfungen der Kunstpoesie. Während dieser culturgeschichtliche Wendepunkt bereits zurückgelegt ist, stehen auf dem kseimatboden unserer Lieder Germanismus und Slavismus noch im Kampfringe wohlgerüstet sich gegen¬ über, beide Richtungen vertreten durch Lingeborne, je nachdem bei den Einen die tiefwurzelnden Einflüsse germanischer Lultur- elemonte, bei den Anderen die neuerwachten Ideen politisch¬ nationaler Staatenbildungen maßgebend überwiegen. Noch hat da- Germanenthum seines scheinbaren Uebergewichtes ungeachtet einen vollständigen, dauernden Sieg nicht errungen, noch hat sich das Slaventhum nicht als besiegt bekannt, ja neuerdings führte es nach langer Kampfscheue jugendlichere und kräftigere Truppen ins Treffen. Auf welche Seite die Wünsche eines deutschen Dichters sich neigen, darüber kann wohl kein Zweifel walten; doch ist er zugleich nicht engherzig genug, das Watz der Berechtigung, die Wacht der Begeisterung und heroischen Thatkraft auch in dem andern Lager zu ver¬ kennen und über dem einseitig starren Festhalten des nationalen Parteipostens die höheren, weltbeherrschenden Losungsrufe der Menschheit zu überhören, vor denen das Feldgeschrei der Na¬ tionalitäten verstummen muß, wie das Wort des Individuums vor der Stimme der Nation. Daß die großen Fragen, welche die Menschheit bewegen, nicht ohne Mitwirkung der mächtigen Slavenfamilie nachhaltig zu lösen sind, hat in neuester Zeit das weithin vernehmbare Rauschen der alten und vielästigen Slavenlinde deutlich genug angekündigt. Lin Zweiglein dieses Baumes aber rührte sich schon vorlängst in den Liedern un¬ serer Sammlung. Thurn am klart in Krain, im Spätherbst 184g. Volkslieder aus Krain. 2 Neujahrslied/ Uten Abend, Herr vom Hause, Schenk' uns Gott manch gute Gäste, vor dem Hans die griine Föhre, Dran gebunden einen Rappen, Auf dem Rappen einen Sattel, Auf dem Sattel eine Wiege, In der wieg' ein junges Söhnlein! In des Söhnleins Hand ein Becher, In dem Becher eine Rose, Auf der Rose dann ein Vöglein; Und das Vöglein lustig singe Und sich ins Getreide schwinge, Daß das lveizenkörnlein springe! Hlursegen? ^>teht ein Baum auf unsrem Felde, Wohl ein Apfelbaum von Golde, Unter'»: Baum ein Tisch von Golde, Litzen dran Gott und Maria, Gott, Maria und Sankt Peter; Dieser hält ein golden Stäblein, Wirft es nach dem Apfelbaume, Daß herab drei Aepfel fallen. Fällt der erst' in unser Dörflein, Und er macht es fröhlich werden; Fällt der zweit' in Ackerfelder, Und er macht sie kornreich werden; Jede Aehre trägt zwei Scheffel, Aolbenhirse füllt den Aasten; Fällt der dritt' ins Weingebirge, Und er macht es weinreich werden, Altes Uolz trägt eine Saumlast, Grubenrebe eine halbe, Bogenreis wohl einen Timer! Hochzeit der Vögel? Vögel Hochzeit feiern Auf dein Feld im Freien. Fink' ist der Neuvermählte, Finkin ist die Erwählte. Festmeister ist der Geier, Nickt bei der Tafel statt Zweier; Brautmutter ist die Eule, Kürzt sich am Tisch die Weile; Wolf ist heute Metzger, Drüben das Messer wetzt er; Hase ist heute Kellner, Bringt den Wein und die Teller; Hausmagd ist die Katze, Fegt den Tisch mit der Tatze; Spielleute sind die Hunde Mit dem breiten Munde; 24 Fliege tanzt mit der Mücke, Geht die Welt fast in Stücke! Fliege aber beim Holpern Bricht sich ein Bein im Stolpern; Schickt um den Bader in Lile, Daß er den Beinbruch heile! Ehe der Bader sich sputet, Längst die Fliege verblutet. Aäuzchen und Lule. Käuzlein sitzt auf den: Zweige, Eule sitzt auf dem Steine. Winkt die Eule dem Räuzlein: „Rümpfen wir ein Sträußlein, Raufen wir um eine Rürbisflasche mit Weine!" Haben den Wein im Magen Und den Rürbis zerschlagen; „Wenn du mich willst knacken, Wer wird Brod dir backen? Brichst du mir die Rnochen, wer wird dein Süxxlein kochen?" König Amsel. ^>chwarzamsel hat Provinzen nenn: Das erste Land heißt Föhrenhain, Das zweite Land heißt Ulmenreich, Das dritte Land heißt Weidenzweig, Das vierte Land heißt Erlenstatt, Das fünfte Land heißt kjaselblatt, Das sechste Land heißt Eichenwald, Das siebente Land heißt Buchenhald', Das achte Land heißt Ahornast, Das neunte Land heißt Lindenrast, In jedem Land der Schlösser drei, In jedem Schloß der Liebsten drei, von jeder Liebsten Söhnlein drei, Ein jedes Söhnlein Röcke drei, In jedem Rocke Taschen drei, In jeder Tasche Dukaten drei. Drei Liebchen. schwarze Amsel singt gar schön Auf des grünen Buchbaums Höhn; Späht empor ein Iägerknab, Schösse sie so gern herab. „Iägerkuab', o schone mein, will noch froh des Lebens sein! Sieh, mein sind der Länder drei, Und darin der Liebchen drei. Erste ist die Schreiberin, Zweite ist die Schaffnerin, Dritte ist Marjetka fein, Die mein echtes Lieb' allein. Aß mit der ersten Backwerk süß, Mit der zweiten Braten vom Spieß, Mit der dritten trocknes Brod, — Beste Aost ist trocknes Brod! Schlief mit der ersten auf Polstern nett Mit der zweiten im Federbett, Mit der dritten im Farrenkraut, — Bestes Bett ist Farrenkraut!" Winter. Es hat bei uns viel Schnee geweht, Der übers Anie den Männern geht. Er fiel wohl über Dörfer neun Und sieben Airchen obendrein; Man sieht ringsum auf weiter Flur Des neuen Airchthurms Spitze nur. Schwarzamsel sitzt auf Airchthurms ksöhn, Da zwitschert sie und singt gar schön: „G daß der Lenz bald wiederkäm', Den Schnee bald von den Bergen nähm', Daß er in Muchs Erdbeeren trieb, Erdbeeren klein und Veilchen lieb, Und Mädchen pflückten in der Näh, Schwarzamsel dann sie wiedersäh!" Freiheit. Vöglein singet Auf dem grünen Baume. Das erschaute Weißen Schlosses Herrin: „Komm, mein Vöglein, Her ins weiße Schlößlcin! Bei mir wirst du Köstlich Naschwerk naschen, Köstlich naschen, Malvasier auch trinken. Wirst beim Prinzlein, Jungen Prinzlein sitzen, Bei ihm sitzen, Lieder schön ihm singen." „„Will nicht, will nicht Au dir, junge Herrin, Möchtest sperren Mich ins weiße Schlößlein; — zo - Lieber fiieg' ick In dem griinen Malde, Esse vollauf Gelbe Weizenkörner; Trinke vollauf Schönes, frisches Wasser, Singe vollauf Frei nach guter Laune."' Täubchen. „ch)aß voll Thau die Schuhe dein, Wo magst du gegangen sein, Bei der Nacht?" „,,War im grünen Walde drin, Wo die schönen Täubchen sind, Bei der Nacht. Haben rothe Wängelein, Schöne rothe Schnäbelein, Bei der Nacht. Nur die Täubchen liebt' ich sein, Doch ein einzig's fing ich ein, Bei der Nacht. Hat das schönste Schnäbelein, Hat die röthsten Wängelein, Bei der Nacht; Liebt dieß Täubchen mich allein, Wollen leben schön zu zwein, Bei der Nacht."" Liebesbangen. „Was ist dir, mein Vöglein, Weißes Turteltäubchen, Daß so bleich geworden Dir das rothe Wänglein?" „„Wie soll nicht erbleichen Mr das rothe Wänglein, Da vom Liebsten trennen Mich die Leute wollen! Wenn die Leute trennen Mich vom Liebsten werden, Wird zu Tode traurig Auf der Welt mein Leben. Und wenn meine Thränen Auf die Steine fallen, Wird der Stein sich spalten In zwei morsche Theile. — 3Z — Wermut, Wermutstaude Mit der scharfen Blllthe, Werde dich daun pflücken Und ums Herz mir legen. Wo mein Liebster gehe, Rosmarin erstehe, Daß von Rosmarine Rings um ihn es grüne!"" Anast. Grün's Werke V. 3 Atändchen. (8ar so schön kukukt der Kukuk Dort im grünen Buchenhain, Und es schlägt gar schön die Machte! Dort am grünen Miesenrain. Seine Sense weht mein Liebster Dort am grünen Mesenrain. Kühler Thau und scharfe Sense, Und das Gras sinkt lustig ein! Trockner Dstwind, warme Sonne, Und das kfeu wohl trocknet fein! Meiches Bettlein, schönes Liebchen, Kurze Nächte werden's sein! Zuruf. trinket, fresset, Meines Bruders Rößlein! Dann heißt's laufen Bis zum neunten Lande, Dort zu finden Meines Bruders Liebste. Wie ihr Kopfputz? Bunte Bänder flattern. Mas am Mieder? Blanke Nadeln schimmern. Was am Händchen? Helle Ringe glänzen. Was am Füßchen? Schmucke Schuhe fiimmern. Was am Leibe? Reiches, feines Röcklein. Goldne Sichel Schwingt sie, Klee zu mähen. Was beginnt sie? Gibt dem Rößlein Alles. Weltjammer. „O scheine, Sonne, scheine, Du gelbe Sonne du!" „„Ich kann dir nimmer scheinen vor großer Traurigkeit. Wenn Morgens ich erstehe, Das Weibervolk schon greint; Wenri Abends fort ich gehe, . Das Hirtenvolk noch weint; Wenn ich zu Berge scheine, Bur arme Teufel gibt's! Wenn ich zu Thale scheine Bur Bettelweiber gibt's!"" Fragen. „Wozu ist mein langes lhaar mir darin, Wenn ich kein Band drein flechten kann? Wozu ist mein Füßchen mir stink und fein, Darf tanzen ich nicht mit dem Liebsten mein? Wozu ist mir nur die weiße lsand, Darf sie nicht halten den Liebsten umspannt? Wozu ist mein Äug' mir so schwarz und scharf, Wenn's nicht mehr den Liebsten erspähen darf? Wozu sind mir die Gedanken mein? Iu denken, mein Liebster, allimmer dein!" „(6eh doch, Minka, jetzt nach 6aus!" .Will nicht, will nicht, darf nicht gehn." „Wer nur, Minka, verwehrt es dir?" ,Thut es der Liebste, der Liebste mein/" „Was gibt, Minka, der Liebste dir?" .Thaler, Thaler, Thalerlein zwei."" „Was dann, Minka, thust du damit?" ,Rauf ein Wieglein, ein Wieglein mir." „Wozu, Minka, das Wiegelein?" ,Söhnlein, mein Söhnlein wiegen drein. „Was wirst, Minka, singen dabei?" ,Eja poxei, Gott geb' bald zwei!"" Die Läuferin. ch)ie Läuferin läuft Am Bergesrain, Die Nadel am Busen Wirft glänzenden Schein, Raum streift den Boden Das Füßchen klein. Ls laufen drei Bürschlein Wohl hinterdrein, Da spricht ihr Vater Zu diesen drein: Wer kann sie erlaufen, Deß soll sie sein! Mara. Auf und nieder wallt Schön Nara An des Donaustrands Gestade, In den Donausxiegel schaut sie, Und sich selber drin erschaut sie. „Gottes Wunder, Gottes Gnade, Wie bin ich doch gar so schöne! Meine schönen schwarzen Augen Alle Bursche mir bezaubern, Sie bezaubern alle Bursche, Sie vernichten alle Bursche Nebst dem türk'schen ksarambassen, Der dort trabt durch Ariegesmassen, Der durch Uriegesmassen wallet, Blanken Säbel umgeschnallet!" Wohin damit? frommt zu Roß geritten Aus dem Schloß mein Liebster, Auf dem Pferde trägt er Linen weißen Falken. Auf dem kfute trägt er Rosmarins ein Sträußlein, Und das Rößlein wiehert, Rosmarin erblühet. „Meine süße Liebste, Sprich, wohin das Rößlein?" ,,„G mein süßer Liebster, Nach dem weißen Stalle!"" „Meine süße Liebste, Sprich, wohin den Falken?" ,,„G mein süßer Liebster, In mein lichtes Zimmer!"" „Meine süße Liebste, Sprich, wohin das Sträußlein?" „,,G mein süßer Liebster, An mein blankes Mieder!"" Drei Töchter. E^att' ein Weib drei Töchter, Hat vermählt all dreie; Hat vermählt die eine Fern zum grauen Meere. Hat vermählt die andre Fern zum ebnen Felde, Hat vermählt die dritte Fern in steile Berge. Auf Besuch die Mutter Geht zur ersten Tochter Fern zum grauen Meere, Grauen, tiefen Meere. „Töchterchen, mein liebes, Ist dir gut zu Muthe Hier am grauen Meere, Grauen, tiefen Meere?" „„Gut ist mir zu Muthe, Drob sei Gott gepriesen! Bade mich im weine, Trockne mich in Leide."" — 4Z — Auf Besuch die Mutter Geht zur zweiten Tochter Fern zum ebnen Felde, Ebnen, breiten Felde. „Töchterchen, mein liebes, Ist dir gut zu Muthe Hier im ebnen Felde, Ebnen, breiten Felde?" „„Gut ist mir zu Muthe, Drob sei Gott gepriesen! Bade mich in Molken, Trockne in Mußlin mich."" Auf Besuch die Mutter Geht zur dritten Tochter In die steilen Berge, Steilen, hohen Berge. „Töchterchen, mein liebes, Ist dir gut zu Muthe Hier in steilen Bergen, Steilen, hohen Bergen?" „„Gut ist mir zu Muthe, Drob sich Gott erbarme! Bade mich in Thränen, Trockne mich in Wermut. Jede Nacht fort eilt er, Jede Nacht heim kehrt er, Jede Nacht heim bringt er Eines Todten Haupt mir."" 44 Weinend zieht die Mutter Schleunig aus dem Hause. In der Nacht nach Hause Kommt der Mann der Tochter. „Hörst du, Weib, mein theures, Kennst Du dieses Haupt nicht?" „„wie sollt' ich erkennen Meines Vaters Haupt nicht!"" „Hörst Du, Weib, mein theures, Kennst Du dieses Haupt nicht?" „„wehe, dreimal wehe, Meiner Mutter Haupt ist's!"" „Wenn du aber weinest, Bring' ich dich zum Schweigen, Bring' ich dich zum Schweigen, So wie deine Mutter." Mit dem Munde lächelt, Doch im Herzen weint sie, In dem Herzen weint sie, Athmet aus die Seele. Des Helden Bittet Auf dem schwarzen Berge Brennt ein Helles Feuer, Dran vorüber reiten Dreimal zehn der Helden, Dreimal zehn der Helden, Auserles'ne Arieger; Liner unter ihnen Ist gar schwer verwundet. „Bitt' um Gott euch, Brüder, Laßt mich hier nicht liegen, Doch hinaus mich führet Nach dem ebnen Felde; Dort bei Sankt Johannes Grabt mir eine Grube, Tief für meine Büchse, Breit für meinen Säbel. Aber laßt mir draußen Meine Hand, die rechte, Aber breitet drinnen Meinen Reitermantel. 46 In das Grab mir leget Rosmarins ein Sträußlein, An den Arm dann bindet Mir mein Pferd, den Rappen. Rößlein, um mich traure, Da nicht will die Liebste. Trauern würd' auch Liebchen, wenn's die Arme wüßte! Brüderlein, dich bitt' ich, Wenn du gehst vorüber An dem weißen lsofe, Bleibe stehn und sag' ihr: Daß ich mich vermählte Mit der schwarzen Erde, Daß ich mich vermählte Mit der grünen wiese." Der Gefangene. Aiegt ein armer Krieger In dem Thurm gefangen. „Väterlein, mein theures, Löst mich aus dem Kerker." „„Söhnlein, mein vielliebes, Mas für dich zu geben?"" „Ist nicht viel zu geben: Die drei schwarzen Pferde." „„Söhnlein, mein vielliebes, Ist zu viel zu geben!"" ^.iegt ein armer Krieger In dem Thurm gefangen. „Mütterlein, mein theures, Löst mich aus dem Kerker." „„Söhnlein, mein vielliebes, Was für dich zu geben?"" 48 „Ist nicht viel zu geben: Die drei weißen Burgen." „„Söhnlein, mein vielliebes, Ist zu viel zu geben."" Liegt ein armer Krieger In dem Thurm gefangen. „Brüderlein, mein theures, Löst mich aus dem Kerker." „„Brüderlein, vielliebes, Was für dich zu geben?"" „Ist nicht viel zu geben: Die drei blanken Büchsen." „„Brüderlein, vielliebes, Ist zu viel zu geben."" Liegt ein armer Krieger In dem Thurm gefangen. „Schwesterlein, mein theures, Lös' mich aus dem Kerker!" „„Brüderlein, vielliebes, Was für dich zu geben?"" 49 „Ist nicht viel zu geben: Die drei schönen Zöxflein." „„Brüderlein, vielliebes, Ist zu viel zu geben."" §iegt ein armer Krieger In dem Thurm gefangen. „Liebchen, theures Liebchen, Lös mich aus dem Kerker!" „„Mein geliebter Liebster, Was für Dich zu geben?"" „Ist gar viel zu geben: Traun, dein weißes Händchen." „„Mein geliebter Liebster, Ist nicht viel zu geben; Ist nicht viel zu geben, Nur mein weißes Händchen. Leicht für dich zu geben Hand und auch das Leben."" Anast. Grün's Werke V. 4 Trost der Verlassenen. „Wer wird, Mädchen, dann dich trösten, wenn ich dich verlassen hab'?" „„lverden's thun die kleinen Vöglein, Die in Lüften fliegen hin Und erheitern meinen Sinn."" „Neue Flinte werd' ich kaufen, All' die Vöglein schießen ab. Mer wird, Mädchen, dann dich trösten, lvenn ich dich verlassen hab'?" „„lverden's thun die kleinen Fischlein, Die im Meere schwimmen hin Und erheitern meinen Sinn/'" „Neue Netze werd' ich kaufen, All' die Fischlein sangen ab. wer wird, Mädchen, dann dich trösten, wenn ich dich verlassen hab'?" „„lverden's thun die kleinen Röslein, Die am Felde blühen hin Und erheitern meinen Sinn."" 5- „Ncue Sense werd' ich kaufen. All' die Röslein mähen ab. wer wird, Mädchen, dann dich trösten, wenn ich dich verlassen hab'?" „„Werden's thun die jungen Bürschlein, Die am Felde pfeifen hin Und erheitern meinen Sinn."" „Großen Arieg werd' ich beginnen, All' die Bürschlein sangen ab. wer wird, Mädchen, dann dich trösten, Wenn ich dich verlassen hab'?" Der Lchemtodte. „(D baut ein Kirchlein, Mütterchen, Daß Messe höre, wer da sei, Vielleicht mein Liebchen auch dabei." Das Kirchlein baute Mütterchen, Da kam zur Messe, wer da war, Doch Liebchen war nicht in der Schaar. „G grabt ein Brünnlein, Mütterchen, Daß Wasser hole, wer da sei, Vielleicht mein Liebchen auch dabei." Ls grub das Brünnlein Mütterchen, Da kam um Wasser, wer da war, Doch Liebchen war nicht in der Schaar. „Sagt, daß ich todt sei, Mütterchen, Daß beten komme, wer da sei, vielleicht mein Liebchen auch dabei." Daß todt ihr Sohn, sagt Mütterchen, Da kam zu beten, wer da war, Sein Liebchen eilt voran der Schaar: - Zz — „„Was ist das für ein Todter mir, Der durch die Fensterladen guckt Und mit dem Fuß zum Tanze zuckt! Was ist das für ein Todter mir, Der ksände zum Umarmen regt Und seinen Ukund zum Kusse trägt."/" Lin Iohannisfest/ Johannis feiern Jungfrauen drei, Erhöhn im Dorf den Ulaibaum frei: ,,V Aönigssohn, Gott mit dir sei!" Ihr Lied so wundersam erklingt, Daß in die Ferne weit sich's schwingt Und bis zum neunten^ Lande dringt. Was spricht der junge Aönigssohn? „Ist das geweihter Glocken Ton? Ist das der Ton von Vöglein klein? Ist das der Ton von Iungfrau'n rein? Führt mir herbei ein Rößlein risch, Daß an den Brt ich sprenge frisch! Daß selbst ich hör' in schnellster Frist, Was für ein selt'ner Ton das ist!" Da sprengt der Aönigssohn herbei, Da findet er die. Iungfrau'n drei. Ihr Lied so wundersam erklingt, Daß es sein ganzes Herz bezwingt. 55 Zur ält'sten Jungfrau kehrt er sich: „Wie sangst du deine Lieder, sprich." Antwortet ihm die Maid: „Ich sang, Als Halle der großen Glocke Alang." Zur zweiten Jungfrau kehrt er sich: „Wie sangst du deine Lieder, sprich." Antwortet ihm die Maid: „Ich sang, Als klingle des kleinen Glöckleins Alang.' Zur jüngsten Jungfrau kehrt er sich: „Wie sangst du deine Lieder, sprich." Antwortet ihm die Maid: „Ich sang, So gut ich's kann und mir's gelang." Die ält'ste Jungfrau srägt er nun: „Sprich, was ist deines Vaters Thun?" Antwortet ihm die Maid darauf: „Ei, meines Vaters Thun, das ist, Daß stets er gelben Weizen mißt." Die zweite Jungfrau fragt er nun: „Sprich, was ist deines Vaters Thun?" Antwortet ihm die Maid daraus: „Aein andres Thun mein Vater wählt, Als daß er weiße Thaler zählt." Die jüngste Jungfrau srägt er nun: „Sprich, was ist deines Vaters Thun?" — 56 — Antwortet ihm die Maid darauf: „Gestorben Vater, Mutter sind, Ich bin ein arm, verwaistes Aind." Der Aönigssohn saßt ihre ksand, Führt sie mit sich ins neunte Land; Und also spricht er zu der Maid: „Das ist das Stimmlein, dessen Alang Wohl bis zum neunten Lande drang!" A (S OZ (.7 Ä Ä (I' Ä N Ä L Bestrafte Untreue. „Wer schläfrig ist, mag schlafen gehn, Bin schläfrig nicht, geh' schlafen nicht; Jung Schreiber kommt noch heut zu mir." Da stellt sie auf der Wächter drei, Gb ihr Gemahl im Kommen sei: Der erste draußen steht im Feld, Der zweite Wach' im Hofraum hält, Der dritte vor dem Kämmerlein. Sie hört den ersten Wächter schreib:: „Kolla, Holla, jung Frauchen mein, Ivankowitsch schon reitet heim! Wir sahn ihn zwar mit Augen nicht, Doch hörten wiehern wir sein Roß, Sein blanker Säbel Blitze schoß." „„Ist nichts, ist nichts, jung Schreiber lieb, Der Wächter weiß nicht, was er spricht."" Sie hört den zweiten Wächter schrei'n: „Holla, holla, jung Frauchen mein, Jvankowitsch schon reitet heim. 58 Wir sahn ihn zwar mit Augen nicht, Doch hörten wiehern wir sein Roß, Sein blanker Säbel Blitze schoß." „„Ist nichts, ist nichts, jung Schreiber lieb, Der Wächter weiß nicht, was er spricht."" Sie hört den dritten Wächter schrei'n: „Holla, holla, jung Frauchen mein, Jvankowitsch ist schon daheim." „Holla, holla, jung Frauchen mein, Nun schließt mir auf das Kämmerlein." Die Frau schließt auf das Kämmerlein, Jung Schreiber springt durchs Fensterlein Und stößt dabei die Scheiben ein. „Holla, holla, jung Frauchen mein, Wer stieß die Fensterscheiben ein?" „„Ist nichts, ist nichts, gestrenger Herr, Die Ratze sprang dem Nläuslein nach."" „Holla, holla, jung Frauchen mein, was mag so wirr das Haar euch sein?" „„Ist nichts, ist nichts, gestrenger Herr, Die Hand der Wagd kämmt mich so schlecht." „Holla, holla, jung Frauchen mein, was mag zerstört das Bettlein sein?" — 59 — „„Ist nichts, ist nichts, gestrenger Herr, Die Schlüssel suchte drin die Magd."" „Holla, holla, jung Frauchen mein, Mas mag eu'r Mieder offen sein?" »„Ist nichts, ist nichts, gestrenger Herr, Dem Söhnchen gab ich erst die Brust."" Der Herr zieht seinen Säbel blank, Der Herrin Hauxt zu Boden sank. Mij.« H r Ns/l« D ^Zanko. Altes Mütterlein wallt an dem Berge, Holen Wasser dort drei junge Bursche. „Habt ihr nicht gesehn mein Söhnlein Janko?" „„Nicht gesehn, doch ward uns von ihm Runde, Daß ihn fortgeführt drei junge Türken. Erster sagt' ihm: Janko, lauf' zu Berge! Bin kein Hirschlein, daß ich lief' zu Berge. Zweiter sagt ihm: Janko, lauf' ins Wasser! Bin kein Lischlein, daß ich lief' ins Wasser! Dritter sprach: Uns, Janko, dich verkaufe! Bin kein Mädchen, daß ich mich verkaufe, Doch ein Held bin ich, der Mädchen liebet!"" MMMMWMMWWUWKWWWU Der Schwimmer. §iegt dort, liegt die schöne Ebne, Lange Ebne, breite Ebne. Führt ein Pfad wohl durch die Ebne, Langer Pfad und wohlgebahnter. Auf dem Pfade wallt ein Mädchen, Gar ein schönes, junges Mädchen. Und sie schaut ins stille Wasser, Stille Wasser, klare Donau. In der Donau, in der Donau Ist der Mond drin, ist's die Sonne? Nicht der Mond ist's, nicht die Sonne? Schwimmt im Strom ein junger Krieger. „Schwimme, schwimme, junger Krieger, Schwimme und erschwimm' das Ufer!" — 62 — „„G mein Mädchen, theures Liebchen, G daß ich's «schwimmen könnte! Doch mein schöner, scharfer Säbel Zieht mich tiefer in die Donau; Meine schöne, blanke Büchse Zieht hinab mich bis zum Grunde."" Von der schönen Vida. schöne Vida stand am Meeresstrande, Wusch da ihres Wiegenkinds Gewände, Kam ein schwarzer Mohr durchs Meer, das Helle, Hielt den Nachen an und sprach zur Stelle: „Warum bist du, Vida, nicht so blühend, Nicht so blühend mehr und wangenglühend, Wie du warst, noch ist nicht dessen lange?" Schöne Vida ihm antwortet bange: „Wie doch wär' ich blühend, wangengliihend, In so schwerer Unglückslast mich mühend! Ach, daheim mein Söhnlein liegt, das kranke, Thorenrath that mir's gar schlecht zu Danke, Da ich mir zum Mann nahm einen Alten! Habe wenig srohen Sinns behalten, Weint des Tags mir vor der kranke Junge, Hustet Nachts mir vor des Alten Lunge." Draus der schwarze Mohr ihr dieses sagte: „Wenn's dem Kranich nicht daheim behagte, Zieht er übers Meer; du aber eile Fort mit mir, daß so dein Herzleid heile. Schöne Vida höre, dich zu holen — üch — Hat mir Spaniens Königin befohlen, Sollst dort Amme sein dem Königleine, Ihrem Sohne, unserm Kaiserleine; Wirst es säugen, wirst sein Wieglein wiegen, Wirst es locken und sein Bettlein betten, Singst in Schlaf es ein durch schöne Lieder, Plagst mit schwerer Arbeit nie dich wieder." In das Schifflein sich Schön Vida senkte. Wie es abstieß und vom User lenkte, wie das Schifflein durch die wogen jagte, Weinte Vida bitterlich und klagte: „wessen hab ich Arme mich vermessen, Ach und wem daheim vertraut indessen Weinen kranken Säugling, den verwaisten, Meinen Mann, den armen und ergreisten?" Sonntagsmorgen drei von hinnen schwanden, Bis die Beiden bei der Fürstin landen. Schöne Vida harrt in aller Frühe An dem Fenster, bis die Sonn' erglühe. Und zu stillen ihres Herzens Klagen Thät sie so die gelbe Sonne fragen: „Sonne, Helle Sonne, gib mir Kunde, Wie mein Söhnlein sich gehabt zur Stunde?" „„Wie doch soll dein Söhnlein sich gehaben, Hielten ihm die Kerze gestern Abend! Und dein Mann ist fort vom Haus gezogen, Und er sucht dich, fährt durch Meereswogen, Und er sucht dich, und er weint gar kläglich, Bersten will sein Herz vor Gram unsäglich."" Kommt des Nachts der weiße Mond gezogen, Schöne Vida steht am Fensterbogen, 65 Und zu stillen ihres Herzens Klagen Thät sie so den weißen Mond befragen: „Mond, du Heller Mond, o gib mir Kunde, Wie mein Söhnlein sich gehabt zur Stunde?" „„Wie doch soll dein Söhnlein sich gehoben, Heute ward das arme Kind begraben; Und dein Vater ist vom Haus gezogen, Und er sucht dich, fährt durch Meereswogen, Und er sucht dich, und er weint gar kläglich, Bersten will sein Herz vor Gram unsäglich."" Schöne Vida bitter weint' und klagte; Trat zu ihr die Königin und fragte: „Was ist dir geschehen, Vida, sage, Daß du weinest in so bittrer Klage?" Au der Fürstin Vida spricht im Harme: „Ach wie sollt' ich weinen nicht, ich Arme! Als das Goldgeschirr am Fensterbogen Ich gescheuert, fiel mir's in die Wogen, Fiel der Becher mir, der goldesschwere, Von des Fensters Höh' zum tiefen Meere!" Und die Königin spricht Trost und Gnade: „Nicht in Thränen drob dein Antlitz bade, Kaufen will ich einen andern Becher Und für dich beim König sein Fürsprecher; Au dem Königlein geh, zu dem kleinen, Daß es dir vertreibe Schmerz und Weinen." Kauft die Königin wohl einen Becher, Ist für sie beim König wohl Fürsprecher; Vida steht am Fenster alle Tage, Weint um Vater, Kind und Mann mit Klage. Anast. Grün's Werke V. 5 Lin Verlassener. Es liegt, es liegt ein schmaler Pfad, Lin schmaler Pfad, ein glatter Pfad, Der führt ins Dickicht tief hinein, Tief in den grünen Wald hinein. Lin Sünder liegt im Wald allein, Lr liegt gar krank und ächzt gar schwer, Wünscht sich herbei den Priester sehr. Da fliegt ein vögelein heran, Aum Vöglein spricht der arme Mann: „Da lieg' ich kranker, sünd'ger Mann Und wünsche mir den Priester sehr; Wenn mir nur da ein Bote wär'!" So spricht und sagt das vögelein: „Ich selber will dein Bote sein." Das Vöglein in die Luft sich wiegt Und an des Pfarrers Fenster fliegt, Da zwitschert es und singt so sein, Daß drob der Pfarrer wach muß sein: „Im Wald liegt Liner krank gar schwer Und wünscht herbei den Priester sehr!" Das Vöglein auf den Thurm sich schwingt Und an die große Glocke klingt, Daß drob der Meßner wach muß sein. — L>7 — Der Meßner eilt zur Uirche schnell, Den Pfarrer fand er schon zur Stell'. Der Pfarrer spricht und redet dieß: „Ein Sterbender mich rufen ließ, Jedoch wohin? das weiß ich nicht!" Das Vöglein aber also spricht: „Ins Schnäblern mir das Glöcklein thut, So will ich vor euch springen gut, Wohl springen gut und klingeln gut." Sie reichen flink das Glöcklein ihm, vor ihnen hurtig springt's dahin, Wohl springt's dahin und klingelt hin Zum Aranken dort im waldesgrün. Der Sünder beichtet allsogleich, Die Seele fliegt ins Himmelreich. Agnes. Es steht, es steht ein weißes Schloß, Jung Agnes steht am Fensterlein, Kämmt ihr gelb Haar mit goldnem Kamm. Gefreit hat böser Türk' um sie, Gefreit wohl hat er sieben Jahr' In jedem Jahre siebenmal, Doch gaben sie die Maid ihm nicht. „Mas ich euch bitte, Mütterlein, V Mütterlein und Herrin mein, Laßt mich zur Türkengrenze gehn, Mir schöne Blumen zu ersehn." „„Mas ich dir sage, Töchterlein, Magst nicht zur Türkengrenze gehn, Dir schöne Blumen zu ersehn, Dort finge böser Türke dich, Der um dich freite sieben Jahr Und siebenmal in jedem Jahr, Mir aber gaben dich ihm nicht."" Jung Agnes doch beachtet's nicht, Zur Türkengrenze wallte sie, Und kleine Blumen pflückte sie. Das erste Sträußchen schon sie band Und es mit Bändern schön umwand: „Das sei dir, Königssohn in Wien!" — 6y — Das zweite Sträußchen schon sie band Und es mit Bändern schön umwand: „Das soll sür mich, die Agnes, sein!" Das dritte Sträußchen schon sie wand, Hielt schon die Blumen in der Hand, Ms sie sich aber umgedreht, Der böse Türke vor ihr steht, Ersaßt sie bei der weißen Hand Und schleppt sie fort ins Türkenland. Zum Türken Agnes also spricht: „Dieß, böser Türke, bitt' ich dich, Laß mich zur Mutter auf Besuch, Daß ich doch Abschied nehmen kann!" „„Sollst erst zur Mutter auf Besuch, Bis du ein Söhnlein mir gebarst, Noch schöner wird's zu sehen sein, Trägst du am Haupt ein Wiegelein."" Jung Agnes wohl erwartet's schwer, Daß ihm der Sohn geboren wär'. Zum Türken Agnes also spricht: „Dieß, böser Türke, bitt' ich dich, Laß mich zur Mutter auf Besuch, Daß ich doch Abschied nehmen kann." „„Sollst erst zur Mutter auf Besuch, wenn sieben Jahr das Söhnlein alt, Noch schöner wird's zu sehen sein, wenn vor dir wallt das Söhnchen klein. Jung Agnes wohl erwartet's schwer, Daß sieben Jahr das Söhnchen wär'. Zum Türken Agnes also spricht: Dieß, böser Türke, bitt' ich dich, 70 Laß mich zur Mutter auf Besuch, Daß ich doch Abschied nehmen kann." „„Sollst erst zur Mutter auf Besuch, Wenn vierzehn Jahr das Söhnchen alt, Daß lesen es und schreiben lern', Au rathen wisse jedem Herrn."" Jung Agnes wohl erwartet's schwer, Daß vierzehn Jahr das Söhnlein wär'. Aum Türken Agnes also spricht: „Dieß, böser Türke, bitt' ich dich, Laß mich zur Mutter auf Besuch, Daß ich doch Abschied nehmen kann." „„Was soll ich täuschen dich noch mehr? ' Nach Hause kehrst du nimmermehr!"" „Herbei, herbei, du Söhnchen mein, Und schreibe schnell ein Briefchen fein An Vater mein und Mütterchen, Daß sie mich nimmer Wiedersehn, Und schreib' ein andres Briefchen fein Dein Aönigssohn nach Wien hinein, Er mag ein andres Lieb ersehn, Mich wird er nimmer wiedcrsehn." Ein friedfertiger Herr. Es ragt ein blankes Schloß empor, Drei Lindenbänme stehn davor, Im Schatten sitzen edle Herrn, Der Schloßherr ist des Ureises Uern. Er nimmt ein Blumenblatt zur Hand Und pfeift, daß bebt der Berge Wand. Er pfeift zum erstenmal und winkt, Herbei der erste Diener springt. „Wie geht wohl in der Welt es zu? Bericht' uns das, mein Diener du." „„Ich komme her vom ersten Land, Ein fröhlich gutes Volk ich fand, Nit aller Welt es friedlich stand."" Er pfeift zum zweitenmal und winkt, Herbei der zweite Diener springt. „Wie geht wohl in der Welt es zu? Bericht' uns das, mein Diener du." „//Ich komme her vom zweiten Land, Ein Volk, halb Mensch, halb Pferd» ich fand. Gerüstet stets in Uriegesgrimm Und wie der Blitz so schnell und schlimm; 72 Die ksundeköpfe ° drängt es schwer, Die kennen nichts, das menschlich wär'."" Lr pfeift zum drittenmal und winkt, Lerbei der dritte Diener springt. „Wie geht wohl in der Welt es zu? Bericht' uns das, mein Diener du." „„Ich komme her vom dritten Land, Wo ich ein Volk von Riesen sand; Die Berg' auf Berge thürmen sie, Den ksimmel wollen stürmen sie, Je höh'r sie klimmend sich gerafft, So tiefer stürzt sie Blitzeskraft."" Lr pfeift zum viertenmal und winkt, läerbei der vierte Diener springt, „wie geht wohl in der Welt es zu? Bericht' uns das, mein Diener du." „„Ich komme her vom vierten Land, Lin Reich der Vögel dort ich fand, Die Alau'n und Schnäbel eisern sind, Ihr Blick allein behext geschwind; Sie wiithen unter sich im Streit, Wie ksagel fallen Todte weit."" Lr pfeift zum fünftenmal und winkt, kserbei der fünfte Diener springt. „Wie geht wohl in der Welt es zu? Bericht' uns das, mein Diener du." »„Ich komme her vom fünften Land, Den Aönig hat das Wild ernannt, — 73 — Ein jedes will nur mehr und mehr, Doch zittert's für sich selber sehr, Ein Heulen, Brüllen Nacht und Tag; Glück Jedem, der's nicht wissen mag!"" Er pfeift zum sechstenmal und winkt, Kerbei der sechste Diener springt. „Mie geht wohl in der Welt es zu? Bericht' uns das, mein Diener du." „„Ich komme her vom sechsten Land, Wo kluge Köpf' ich herrschend fand, Geheimnisse durchdenken sie, Mit Blicken Alle lenken sie, Weißbärte sprechen dort so fein, Als ob sie pflanzten Blümelein; Leicht ohne Speisen, ohne Trank Lauscht' ihnen ich mein Lebelang."" Er pfeift zum sieb'tenmal und winkt, Herbei der siob'te Diener springt. „Wie geht wohl in der Welt es zu? Bericht' uns das, mein Diener du." //„Ich komme her vom sieb'ten Land, wo Helden ich als Herrscher fand, Don aller Welt mit Ruhm genannt. Sie stimmen, wo sie gehn im Frei'n Nur Heldenlieder, Heldenreih'n, Für sie ist in der Welt nichts schwer, Wenn's gilt ersiegen Ruhm und Ehr; So weit des Meeres Woge wallt, Herrscht ihres Feldpaniers Gewalt, 74 Geleitet sie manch Talisman, Der gegen Unheil schützen kann."" Er pfeift zum achtenmal und winkt, Ein vögelein herbei sich schwingt. „Wie geht wohl in der Welt es zu? Bericht' uns das, mein Vöglein du " „„Ich komme her vom achten Land, Wohin kein Pfad von hier bekannt; Es herrschen Frau'n und Jungfräulein Dort ohne Männer ganz allein, Und ihre Schönheit sänftigt mild All' was da lebt, selbst grimmes Wild, von Straßen ist durchfurcht das Land, von goldner ksügel Zaun umspannt, Auf Goldsand rinnt das Wasser auch, Die Blumen duften Gottes ksauch; Doch wer da lüstern nach dem Reich, Fällt schonungslos dem Todesstreich, Uns schützen Kimmels Mächt'ge gleich. Der Frieden ist verbrieft gar gut, Die Unterschrift, die reines Blut, Zu löschen hat kein Kaiser Uluth."" Er pfeift zum neunten Mal und winkt, Ein weißes Entchen her sich schwingt, Drei Federn flink es fallen ließ, Lin Ulaidlein wie vom Kimmel ist's! „Wie geht wohl in der Welt es zu? Bericht' uns das, lieb Mädchen du." „„Ich komme her vom neunten Land, Wohin den Weg noch Keiner fand. — 75 — Da herrschen Weiber übers Reich, Die weiser sind als wer von euch. Gar manches Mannweib find'st du da, Das schwarze Kunst dich lehren kann, Sich und das Reich entrückt im Bann. Sie öffnet einen kleinen Schrein Und streut daraus Gewürzstaub fein, Verschwunden wie ein Blitz ist sie, Und Keiner weiß wohin und wie? Der edle Schloßherr aber spricht: „wir kämpfen mit den Weibern nicht Die Ruh'gen lassen wir in Ruh, Die Vundeköxfe noch dazu, So bleiben selber wir in Ruh." Terdoglav?" 2^agt ein schwarzes Schloß empor, Das nicht Fenster hat noch Thor, Innen hell von Gold es glänzt, Außen nur von Moos umkränzt, Nur ein Fenster auswärts geht, Dran Narjetiza jetzt steht, Kämmend ihr lang wallend ksaar, Draus entfliegen Perlen klar Und Demantensteine klein, Alles rings wirft goldnen Schein. Kam ein junger Königsohn, Linst bestimmt für Spaniens Thron, kfasen jetzt im Feld er jagt; Dieser spricht zu ihr und sagt: „D, von Leib so schön und rein, Möchtest du getauft nur sein, Traun, du müßtest werden mein!"- ,,„U)ard zur Taufe längst gesandt Und Marjetiza benannt, Dir als Schwester blutverwandt!"" 77 ,,^n dieß Schloß wie kamst du her? Künde, Schwester, mir die Mähr'." „„Als vom Taufstein mich gebracht pathenvolk, jung, unbedacht, Legt's am Kreuzweg nieder mich, Schlug kein Kreuz auch über mich; Schnell kam Terdoglav heran, Hoffend, daß er mich gewann. Neun der Ammen dienten mir, Tugend war nicht ihre Zier, Sie betranken fleißig sich, Schlugen nie das Kreuz für mich, Bis mich Terdoglav errafft Und gebracht in diese Haft."" „Kann ich dir ein Helfer sein, Dich erlösen, Schwesterlein?" „„Brüderlein, o leicht, gar leicht U)ird mir Hüls' in dir erreicht! Von heut' Abend noch acht Tag' Am Vuatember-Donnerstag Mußt vor diesem Schloß du sein, Terdoglav ist nicht daheim. Er verreist nach Ungarn fort, Denn zwei Männer schwören dort, Tine Seele wird dann sein! Bringe diese Gaben fein: Nleihewasfers Tropfen drei, Bring' dazu der Körner drei Von Sankt Stefanssalz herbei; Nebst Marienkerzen sei 78 Noch ein Meßgewand mit dir, Ls zu breiten unter mir."" Uebend treu, was sie beschloß, Aam er als die Wach' entfloß; Terdoglav ist nicht im Schloß, Ist verreist nach Ungarn fort, Denn zwei Männer schwören dort, Line Seele wird da sein! Jetzt besprengt das Briiderlein Dreimal mit dem Weihbronn sie, Dreimal mit dem Salze sie, Brennt Marienkerzen an, Legt das Meßkleid auf den Plan, Drauf an goldner Aette fest Sich das Mädchen niederläßt, Doch gewalt'ger Alang erklingt, Daß er in neun Länder dringt. Terdoglav sich drob entsetzt: „Schwöret! Eile treibt mich jetzt! Da die goldne Aette hallt, Litt Marjetiza Gewalt." Terdoglav kommt heimgerannt, Längst Marjetiza entschwand. Und er sprach zum Aönigssohn: „Trugst Marjetiza davon, Doch sie wird zum Weib dir nie, Denn du nennest Schwester sie, Drum, o laß sie bleiben mein, Was dafür du willst, sei dein." „„Bring', daß ich sie lasse dir, Line goldne Senne mir, 79 Goldne Küchlein obendrein, Dann soll sie dir eigen sein."" Terdoglav bringt Alles flink, Auf des Königsohnes Wink. Dieser spricht: „Glaubst du, sie sei Feil um solche Kinderei? Bring' ein Schloß von Golde mir, Dann erst wirb das Mädchen dir." Terdoglav bringt Alles flink Auf des Königsohnes Wink. Dieser spricht: „Dein sei die Maid, Wenn zu waten eine Zeit, Durchs Taufwasser du bereit." Terdoglav darauf ihm sagt: „Kauf mit dir mir nicht behagt." Zu dem Mädchen ging er dann, That ihr schön und so begann: „Komm, Marjetiza, sei mein, Wird dir nicht so übel sein." „„Bring' mir einen Kamm von Gold, Der das gelbe bsaar mir rollt."" Goldnsn Kamm bracht' er heran, Schmeichelnd wieder er begann: „Komm, Marjetiza, sei mein, War nicht schlecht bei mir zu sein." „„Bürst' und Wanne bring aus Gold, Daß ich mit dir wandle hold."" 8o Beides bracht er flink heran, Schmeichelnd wieder er begann: „Aomm, Marjetiza, sei mein, Mar's bei mir so übel sein?" „„Mit dir geh' ich nicht zurück, Bis du Goldes gabst solch Stück, Daß ein Schloß ich baue draus, EH' ich ziehn mag in dein ifaus." Terdoglav bringt ihr auch dieß, Drauf ein Schloß sie bauen ließ, Rief dann Mönche noch hinein, Die das Schloß mit Segen weihn, Daß man drin mag sorglos sein. Terdoglav daraus entwich, Riß das halbe Schloß mit sich. Lin verzauberter j)rinz. L>chöne vida jätet Hirse Frühe, früh im Tagesdämmern. Jätet Hirs' am ersten Morgen, Sieht den Thau schon abgeschüttelt: „Gäbe Gott mir das zu eigen, was heut Nacht hier mochte steigen." Jätet Hirs' am zweiten Morgen, Sieht den Thau schon abgeschüttelt: „Gäbe Gott mir das zu eigen, was heut Nacht hier mochte steigen." Jätet Hirs' am dritten Morgen, Große Schlang' ist drin verborgen. Schlange hat der Schweife neune Und an jedem Schlüssel neune. „Nicht erschrecke, schöne Vida, Was du wünschest, hast erhalten; Bin ja keine böse Schlange, Bin ein Lönigssohn, ein junger, Ja ein Aönigssohn, ein junger, Der im weißen Schlosse herrschet. Anast, Griin's Werke V 6 82 Mandle du auf glattem Wege, Ich in dichtem Waldgehege, Bis den Pfad entlang wir kommen Auf das Feld zum weißen Schlöffe, pflücke du drei feine Ruthen, Die gerade alt drei Jahre." Wie sie schlug mit erster Ruthe, Ward die Schlange Mensch vom Haupte; Wie sie schlug mit zweiter Ruthe, ward die Schlange Mensch zu Hüften; Wie sie schlug mit dritter Ruthe, Ward die Schlange Mensch zu Fersen. „Holla, holla, schöne Vida, Mas du wünschtest, hast erhalten! Nimm von den neun Schlangenschweifen, von neun Schweifen je neun Schlüssel, Geffne dir die weißen Burgen, Nehme dir all' Gold und Silber. War bis jetzt ich eine Schlange, Bin ich jetzt ein Fürst, ein junger, Der obherrschet neun der Burgen, Mit der schönen, muth'gon Vida." Der j)age. Der Pag' entschuht den alten Grafen, Da fällt ihm aus der Brust ein Kettlein, Von Gold und Silber war das Kettlein. Der alte Graf den Pagen fragte: „wo, Page, stahlst du'diese Kette?" „„Die Kett' ich nicht gestohlen habe, Von meinem Lieb' ist's eine Gabe."" „Dieß Liebchen, Page, sollst du nennen, Sonst mußt für sie den Kopf du geben!" „„viel lieber will den Kopf ich geben, Als nennen der Geliebten Namen."" Drauf hurtig sie den Pagen fassen, In dunklen Thurm hinab ihn lassen. Der Monde sechs blieb er darinnen, Ein neu Verhör sie dann beginnen: „Dein Liebchen, Page, sollst du nennen, Sonst mußt für sie den Kopf du geben!" „„Viel lieber will den Kopf ich geben, Als nennen der Geliebten Namen."" Sie führen ihn hinaus zum Felde, Wo aufragt der bemalte Bildstock; 6* - 84 - Zum Richtxlatz wandern alle Leute, Des Grafen Tochter auch mit ihnen. Des Pagen ksauxt rollt auf die Wiese, Des Grafen Tochter, was that diese? Zur Leiche stürzt sie bleich mit Beben, Da hat den Geist sie aufgegebcn. Roschlin und Verjanko. „was ist zu thun? Me soll es sein? Du bist zu jung, ein Weib zu frei'n, Au alt ich, daß ein Bräut'gam mein!" „„Heiratet, Mutter, immerhin, Und wählt nur srei nach eurem Sinn; Doch nehmt Roschlin den Bösewicht, Der stets mein Todfeind war, nur nicht! Er schlug mir Bruder, Vater todt, Ich selbst entkam ihm nur mit Noth."" Die Mutter hielt sich wenig dran Und nahm Roschlin den bösen dann, verjanko's Erzfeind sich zum Mann. Als Nachts die Beiden schlafen gehn, vor'm Fenster bleibt Verjanko stehn. Die Mutter spricht im Kämmerchen: „Me ist's um Hab' und Gut doch schad, Das jetzo seiner Theilung naht! Was sag' ich dir, o mein Gemahl, Am Buchbaum springt ein ÜZuellenstrahl, 86 verborgen durch die Buche dort, vollbringe du Verjanko's Mord! Ich stell' am Morgen krank mich an, Dem Sohne will ich sagen dann, Daß ich nur erst genesen kann. Sobald ich trank vom Wasser kalt, Das aus dem schwarzen Berge wallt; Mein Sohn gehorchte stets mir schnell, So send' ich dir ihn leicht zum Vuell." Verjanko schleicht gar still sich fort Und wahrt im Herzen gut ihr Wort. Doch als der weiße Tag anbrach, Trat er zur Mutter ins Gemach Und zu ihr diese Worte sprach: „Lieb Mütterchen, was sag' ich doch, Die Sonne steht am Himmel hoch, Sonst war's doch eure Sitte kaum, So lang zu ruhn in Bettes Flaum!" „„Lieb Söhnlein, krank bin ich gar schwer, Genesen werd' ich nimmermehr, Bis daß ich trank vom Wasser kalt, Das aus dem schwarzen Berge wallt!"" Lin Arüglein nimmt der Sohn zur Hand, Den Säbel um den Leib sich spannt, Wirft sein Gewehr zur Schulter schnell, Zu gehn am Buchenbaum zum Tuell. „Was nimmst du deine Waffen, Sohn, Da wilde Thier' am Berg nicht dröhn, Längst aus dem Land der Türk' entstehn?" „„Das Vöglein hat die Schwingen sein, Floßfedern hat das Fischelein, Den Burschen seine Waffen sreu'n!"" - 87 - Verjanko fort zur Buche rennt, Los auf Roschlin die Flinte brennt, Sein Säbel dem die Adern trennt; Drauf aber in sein Ariiglein weiß Fängt er das Blut auf, das noch heiß. Zur Mutter eilt er dann nach Haus, Und diese Worte spricht er aus: „Hier, Mutter, trinkt vom Wasser kalt, Das aus dem schwarzen Berge wallt. Das Blut des Lohnes diinkt euch gut, Hier kostet von Roschlin das Blut!" Von der ungetreuen Gräfin. „if^nes Mithel, schön guten Morgen! Füttre reichlich mir die Rosse, Sollst mich führen aus dem Lande, Denn es schrieb mein Herr und Gatte, Daß ich sein daheim nicht warte. Mill ein golden Kleid dir schenken, wenn dir's Werth genug nicht hätte, Schenk' ich dir die goldne Kette, Die wohl schwer achttausend Gulden." Nicht dieß Wort die Gräfin endet, Als ins Haus der Graf sich wendet; Kniet die Gräfin auf den Boden, Hält die Hand' empor gehoben; „Gnade, Gnad', o Herr und Gatte!" Ihre weiße Hand berührt er, Sie mit sich zur Kammer sührt er, In der Kammer hin sie schreiten, Und mit herben Worten streiten. „Nenn' ihn, nenn' ihn mir, o Gattin! will dich strafen nicht noch schelten, Ihm nur soll's das Leben gelten!" Drauf die Gräfin ihm erwidert: „Gott nur kennt ihn, Gott nur nennt ihn! Nächtlich kam er, nächtlich schied er. — Komme, komm nun, meine Amme, - 8y - Bringe mir mein junges Söhnlein, Das kaum alt erst zweithalb Jahre, Daß ich nochmals es gewahre." Amme bringt das junge Söhnlein, Und die Gräfin an sich schließt es Und von Herzen kost und küßt es, Faßt dann in den seidnen Beutel, Bringt draus eine goldne Kette: „Amine, nimm die goldne Kette, Die wohl schwer achttausend Gulden. Säuge treu mir mein lieb Söhnlein; Wird dich nicht dein Dienstherr zahlen, Wird der ew'ge Gott dich zahlen." In der Kammer hin sie schreiten, Und mit herben Worten streiten. Er ersaßt sie um den Gürtel, Schleudert sie zum Strom durchs Fenster. Eh. sie in den Strom gefallen, Läßt sie noch dieß Wort erschallen: „Was ich noch dich bitte, Amme, Hüte treu mir rnein lieb Söhnlein, Wird dich nicht dein Dienstherr zahlen, Wird der ew'ge Gott dich zahlen!" Sieht der Graf ihr nach durchs Fenster: „Ach, ihr schönen, weißen Hände, Stets der Arbeit gern beflissen, Ach, ihr schönen, weißen Glieder, Sollt zum Fraß jetzt Fischen taugen! Ach, ihr schönen, schwarzen Augen Die im Strom ihr schwimmt und schimmert Und um mich euch nimmer kümmert!" Im Tode Wahrheit. Es steht, es steht ein weißes Schloß, Der junge Burgherr wallt durchs Schloß, Er ruft zu sich nun seinen Unecht, Gehorsamen, getreuen Unecht: „Mein Unecht, mein Unecht, nun ungesäumt vernimm, was mir heut Nacht geträumt, Daß mir zu eigen Täubchen zwei, Entflogen sind mir alle zwei, Zur Uirch' am Berg das eine zog, Und nimmermehr zurück mir flog, Zum Dorf im Thal das andre zog, Zu meinem Lieb Marjetka flog. Nun sattle flink der j)ferde zwei, Mir eines, dir das andre sei." Er schwingt sich auf das Rösselein, Wie ein gefledert vögelein, Er reitet fort und immer fort Zum Dorf im Thal zur Liebsten dort. Es steht am Thore trauersam Die Suxanin" und scheint voll Gram. — YI — „D sprecht, was ist euch, Supanin, Daß heut so traurig euer Sinn? Und ist Marjetika daheim, ksat sie gefahri das Täubelein?" „„Die läuft wohl keinem Täubchen nach, Die ringt am Todtbett im Gemach!"" Er tritt ins lichte Kämmerlein, Da liegt sie krank und ächzt gar schwer. Lin seidnes Säckchen öffnet er Und zieht hervor ein edles Kraut: „Dieß sei, Marjetka, dir vertraut; Sollst du genesen, Liebchen mein, Schnell wird davon dir besser sein, Doch sollst du sterben, Liebchen mein, Schnell wird davon dir schlimmer sein." Lr schwingt sich auf das Rösselein, Me ein gefiedert Vögelein, Er reitet fort und immer fort Bis zu dem weißen Schlosse dort. Da nahm er weder Speis' noch Trank, Bis wieder er zu Roß sich schwang. Die Supanin am Schwellenrain Wischt sich die schwarzen Aeugelein. „was wischt ihr, so betrübt von Sinn, Die schwarzen Aeuglein, Supanin?" „„wie soll ich nicht in Thränen sein? Gestorben ist Marjetka mein."" Lr geht hinauf ins Kämmerlein. Marjetka liegt im Todtenschrein, — 92 — Liri Rosenstrauß im Arm ihr liegt, Lin goldner Rranz ihr Haupt umschniiegt. Lr nimmt vom Arm den Strauß hinweg, Lr nimmt vom Haupt den Uranz hinweg: „Nicht ziemt, Marjetka, dieser dir, Zwei Söhnlein ja gebar'st du mir, Der eine soll einst Priester sein, Die Mutter vom Fegfeuer befrei'n." Von der Aönigstochter. Aönigssohn tränkt seine Pferde, Daß der See erbebt zur Erde, Königssohn pfeift mit dem Munde, Daß der See erdröhnt im Grunde. Aönigstochter am Fensterhange Flieht zurück in schnellem Gange, Wird vor'm Aönigssohn ihr bange. Ruft zu sich das junge Mägdlein: „Komme, komme, junges Mägdlein, In die Kammer geh' ich schlummern, Lass' in deiner tsand den Schlüssel. Kommt der Königssöhne erster, Der einst meine erste Liebe, Und er frägt dich, junges Mägdlein: Wo ist hin die Königstochter? Gib ihm diese Antwort, Mägdlein: Masken, Mummen sind gekommen, Die zum Tanz sie mitgenommen. Kommt der Königssöhne zweiter, Wehe, der nun mein Verlobter, Und er frägt dich, junges Mägdlein: Wo ist hin die Königstochter? Gib ihm diese Antwort, Mägdlein: — y4 — In die Kammer ging sie schlummern, Ließ in meiner Hand die Schlüssel." Kam der Königssöhne erster, Der einst ihre erste Liebe, Und er frug das junge Mägdlein: wo ist hin die Königstochter? „Masken, Mummen sind gekommen, Die zum Tanz sie mitgenommen." „„Nein! Zur Kammer ging sie schlummern, Ließ in deiner Hand den Schlüssel. Gib in meine Hand den Schlüssel, will ihn mit Aechinen lösen, Thun kein Leid der Königstochter, wollen im Gespräch uns laben, wie wir einst geliebt uns haben."" Und er schritt zur Hellen Kammer, wo sie lag in Bettes Flaume, Eben süß ersaßt vom Traume. Durch die Kammer hin er wallet, In Gedanken ties versunken: „Traun, ein Weib voll Reiz und Schönheit! Schade wär's, sollst du erblassen, Will dich Andern doch nicht lassen!" Greift in sein Gewand von Seide, Zieht hervor ein blankes Messer, Taucht es tief ihr in das Herze, Setzt dann an den Tisch die Leiche, Legt vor sie ein Buch, ein schwarzes, Und verläßt die lichte Kammer. Gibt die Schlüssel drauf dem Mägdlein: „That kein Leid der Königstochter, 95 Thäten im Gespräch uns laben, wie wir einst geliebt uns haben." -Kam der Königssöhne zweiter, Jener, der nun ihr Verlobter: „Auf, wohlauf, du junges Mägdlein, Wo ist hin die Königstochter?" „„In die Kammer ging sie schlummern, Ließ in meiner Hand den Schlüssel."" Und er geht zur Hellen Kammer, Frägt ein Wort die Königstochter, Doch sie gibt kein Wort, kein Zeichen, Längst schon war sie von den Leichen. Und er frägt zum andern Male, Doch sie gibt kein Wort, kein Zeichen, Längst schon war sie von den Leichen. Königssohn im Aornesdrange Schlägt der Königstochter Wange, Nieder stürzt sie von dem Streiche, Längst schon war sie eine Leiche. Aönigssohn schreit aus im Schmerze: „wer war bei der Königstochter, War der Königstochter Mörder?" Und aufschreit im Schmerz das Mägdlein: „Hol' der Teufel die Aechinen, Büße nun den Kopf ob ihnen." Lamberg und jDegam.^ Das weiße Wien vor euch dort steht, vernehmt nun, wie's in Men ergeht! Es liegt ein Marktplatz mitten drin, Drauf sprosset eine Linde grün Und kühlt mit ihrem Schatten Wien. Lin gelber Tisch im Schattenplan, von Stühlen ist der Tisch umfahn, viel große Herren sitzen da Der Majestät des Kaisers nah. Da trabt Herr Pegam stolz heran, Zum mächt'gen Kaiser hebt er an: „Hast du den Helden unter dir, Der sich im Kampfe mißt mit mir?" Antwortet ihm der Kaiser dann: „kvas fragst du? Traun, ich weiß den Mann, Der dich vom Sattel werfen kann! Sein Nam' ist Christoph Lamberger, Nicht groß, wohl aber breit ist er, Auf grauer Felswand nistet er. Nur weit von hier ist er daheim Im Krainerland am weißen Stein." „„Und ist er nah, so schickt um ihn, Und ist er fern, so schreibt um ihn! 97 Ein Bursche wird zu fiuden sein, Dem kund der Weg zum weißen Stein?"" Lin Biirschlein jung fand bald sich ein, Dem kund der Weg zum weißen Stein; Lr nahm wohl unter'n Arm den Hut, Nahm in die Hand das Brieflein gut. Der Bursche durch die Felder geht, Herr Lamberg dort am Fenster steht, Und also spricht und redet er: „Lin Wienerbürschlein kommt daher Und bringt wohl neue Wienermähr!" Dem Boten er entgegen wallt Und trifft ihn auf der Treppe bald, Ulit einer Hand er ihn umfangt, Ums Brieflein mit der andern langt. Das Schreiben er gar schnell durchlieft, Aum Mütterlein dann sprach er dieß: „Alt Mütterlein, was sag' ich dir, Der böse Pegam schickt nach mir!" Antwortet drauf alt Mütterlein: „Du hast ein Roß, wie'n vögelein, Das kam noch nie ans Sonnenlicht Und sah den weißen Tag noch nicht, Steht an der Krippe sieben Jahr, Trank nie vom Tuelle kalt und klar, Das trinkt nur süßen, welschen wein" Und kaut das goldne Weizkörnlein. Zwei Teufel steh'n dem Pegam bei, Besiegen wirst du alle zwei! Du wirst ihn mit drei Häuptern sehn, Die beiden äußern lasse stehn, Doch soll dein Schwert das mittre mähn!" Lr schwingt sich auf sein schnelles Roß, Anast. Grün's Werke V. 7 - y8 - Das flink mit ihm von dannen schoß, Er saust euch wie ein Donnerkeil Und hält euch nirgends Rast und Weil', Wie in der Lust das Näglein schnell. Am nächsten Tag war er zur Stell'. Er sprengt die Wienerstadt entlang, Der Scheiben Glas in Splitter sprang, Der Lössel sank aus Pegams Hand, Der eben sroh beim Mahl sich sand: „Kerbei, herbei, du mein Lakey! Sprich, ob Erdbeben, Donner grollt, Bb Sturmwinds Wagen kommt gerollt?" „Nicht Donner, nicht Erdbeben grollt, Nicht Sturmwinds Wagen kommt gerollt, Der Herr Lamberger trabt herein." Zum Imbiß läd't ihn Pegam ein, Doch also Herr Lamberger spricht: „Ich kam zu dir zu Gaste nicht, Doch kam ich dir zum Kampfe her, Dein graues Haupt zu treffen schwer Und deine Feder weiß und rein, Lin goldner Rand umsäumt sie sein, Zu treten in den Koth hinein!" Drauf Pegam ihm erwidert so: „Mch macht ein einzig Ding unfroh, Mich dauert dein spinatfarb Hemd, Jetzt wird es bald mit Blut verbrämt!" Und weiter fragt ihn Pegam fort: „Sprich, wo für unfern Kampf der Grt, Bb in des Kaisers Hof wir gehn, Bb irr den Straßen Wiens wir stehn?" Herr Lamberger entgegen spricht: yy „In Höfen man die Schweine sticht, In Gassen Weiberzunge ficht, Da schlagen sich die Helden nicht! Laß aus das ebne Feld uns gehn, Daß uns die Leute alle sehn Und alle Herren von ganz Wien!" Da wallten sie zur Ebne hin. Jetzt rennen an zum Strauß die Zwei, Sie sausen Dhr an Dhr vorbei, Doch bleiben Leid' an Schaden frei, Die Helme flogen auf den Grund. Und wieder sprach des Pegams Mund: „Noch siegte über mich kein Mann! Ficht, Christoph, dieß dein Herz nicht an? Dein Rößlein doch wird trauern dann, Allein im Feld wird's irren fern Und suchen wird es seinen Herrn." Drauf Christoph ihm erwidernd spricht: „was mir jetzt einzig von Gewicht, Dran denkst du wohl im mind'sten nicht! Dein schönes Weib im Seidenkleid, So jung bestimmt zum Wittwenleid, weiß Gott, sie wird von mir gefreit!" Pegam sprengt an zum zweiten Stoß, Nun Christophs Blut vom Finger floß, Geschah ihm erst nicht Leides groß. Ansprengen sie zum Dritten dann, Jetzt greifen sie sich wacker an! Aufs Mittclhaupt zielt Christoph blos, Die äußern zwei hält er nicht groß, Und haut vom Rumpf das mittre los. 7 * — Ivo — Drauf fängt er's auf dem Speere hoh Und trägt es vor den Kaiser froh. Des Kaisers Majestät begann: „Was willst zu Lohn du, tapfrer Mann? Willst hundert weiße Burgen du?" kserr Lamberger doch sprach dazu: „G gebt mir nur neunzig und neun, Das wird noch mehr zu zählen sein!" Aönig Marko?" Ein grauer Fels, ein weißes Schloß, Drin wuchs der junge Marko groß, Drin wohnt er und Alenka fein, Lin schönes Türkenmägdelein. Sie standen auf des Morgens früh, Zum hohen Gange wandeln sie, Die breiten Fenster öffnen sie. Alenka also zu ihm spricht: „Wie kommt es wohl, daß heut so dicht, Der Nebel dort das Feld umflicht?" Antwortet so Jung Marko drauf: „Das ist fürwahr kein Nebelrauch, Das ist nur türk'scher Rosse Hauch, Die reiten wohl zu Gast mir auch. Wenn sie am Schlosse reiten vor, Dann öffne ihnen selbst das Thor; Und fragen sie um Marko dich, Geberden sie echt türkisch sich, Dieß ihnen dann als Antwort sprich: Es ist Jung Marko nicht zu Haus Und kommt auch Abends nicht nach Haus Und bleibt wohl auch noch morgen aus. 102 Mach ihnen Platz am gelben Tisch, Gib vollauf Trank und Speisen frisch, Doch ihre Waffen insgeheim verberge tief im Kämmerlein. Jndeß schleif' ich den Säbel bloß, Da zittern soll das weiße Schloß." Am Schloß die Türken reiten vor, Alenka öffnet selbst das Thor, Empfangt sie mit der rechten Hand, Umfängt sie mit der linken Hand:^ „Ihr Türken, seid willkommen mir! Nicht trefft daheim Jung Marko ihr, Er kommt auch Abends nicht nach Haus Und bleibt wohl auch noch morgen aus." Sie setzt sie an den gelben Tisch, Bringt vollauf Trank und Speisen frisch, Doch ihre Waffen insgeheim verbirgt sie tief im Kämmerlein, vom Weine trinkt sie ihnen zu, Gießt ihn ins Mieder aus im Nu, Den Säbel schleift Jung Marko bloß, Daß zittern muß das weiße Schloß. Da fragt der Türken einer sie: „Wie kommt denn dieß, wie ist dieß, wie, Daß es so lärmt dort oben hoch? Wohl ist daheim Jung Marko noch, Der droben seinen Säbel weht?" Alenka aber drauf versetzt: „Nicht ist daheim Jung Marko jetzt Und kommt auch Abends nicht nach Haus Und bleibt wohl auch noch morgen aus. Nur unsre Hühner scharren so Und bringen junge Eier froh." — I0Z — Vom Meine trinkt sie ihnen zu, Gießt ihn ins Mieder aus im Nu, Sie macht die Türken Weines voll, Daß sie am Grund sich wälzen toll, Da springt Jung Marko rasch herein, Er schwingt herum sein Säbelein, Daß alle Türken sinken drein. Sich bergend unter'in Tisch, entfloh Ein Türk' allein, der spricht jetzt so: „Jung Marko, dieses bitt' ich dich, G lasse du am Leben mich, Am Leben mich und unverletzt, Daß ich dann Jedem sagen kann, Was Marko für ein bfeld und Mann!" Jung Marko drauf ihm dieß versetzt: „Ich will dich lassen leben jetzt. Zwar leben, doch nicht unverletzt." Zog unter'm Tisch ihn vor hernach, Und seine Rippen ihm zerbrach, Und seine Augen ihm ausstach. Drauf setzt' er ihn aufs Pferd gewandt, Gab ihm die eigne Fahn' zur lfand, Dieß Wort hat er zugleich entsandt: „So! Bring dem Türkenkaiser dieß Und also sag' ihm ganz gewiß: Sollt' ihm um mich zu thun es sein, Komm' er zu mir als Gast allein, Daß wir versuchen uns, wir Zwei, Ein größrer kjeld wer von uns sei?" Der Türke reitet still davon Bis tief im Türkenlande fort; Der Kaiser steht am Fenster dort, — 104 — Er ruft zu sich die Aaiserin: „Hieher, hieher, o Aaiserin, Das gibt uns endlich frohen Sinn, Die Türken reiten schon nach Haus, Sie tragen Marko's Fahn' voraus, Ihn selbst führt hinten wohl der Troß. Und wie der Türke ritt ans Schloß, Der Türkenkaiser zu ihm spricht; „warst du zu Gast bei Marko nicht?" Der Diener drauf dieß Wort erfaßt: „Wohl war bei Marko ich zu Gast, In Teufelsklau'n doch lieber fast! Die Rippen er mir dort zerbrach, Die Augen er mir dort ausstach; Drauf setzt er mich zu Pferd gewandt, Gab seine Fahn' in meine Hand, Dieß Mort auch hat er dir entsandt: Sollt' um ihn dir zu thun es sein, Geh selbst zu ihm als Gast allein, Daß ihr euch dort versucht, ihr Zwei, Ein größrer Held wer von euch sei?" Drei Brüder. Jas waren edler Helden drei: Ha, Marko jung und Debelak, Der dritte dann war Iankotitsch. Jung Marko so zu ihnen sprach: „Nun laßt euch sagen, Brüder mein, Die Glieder bindet mir recht fest, In Schellen Arm und Bein mir preßt, Knüpft Knoten in die Schlingen auch, Linschmiedet mich nach Tllrkenbrauch, Und werft in dunklen Kerker mich. Dann geht ins tiefe Türkenland Und bietet dort mich zum verkauf Um eine Saumlast gelben Golds, Und um ein weißes Thalerstück Und zwanzig weiße Gulden drein." Sie gehn ins tiefe Türkenland, Sie gaben Marko dort zum Kauf Um eine Saumlast gelben Golds, Und um ein weißes Thalerstück Und zwanzig weiße Gulden drein. Drauf also fragte Iankotitschu — ivb — „was sag' ich, gibst du, Türkenzaar, Wohl siebenhundert Krieger mit?" „„Noch drauf geb' ich dir siebenzehn Und will auch selber mit euch gehn!"" Sie brechen auf und wallen fort Wohl weit dahin in fernes Land, wo Ularko's dunkler Kerker stand. So aber sprach der Türkenzaar: „Laß mich den jungen Marko sehn, Doch nimmer frei und ungeschwächt, Nach Tiirkenart geschmiedet recht." Den dunklen Thurm sie öffnen frisch, Mo Marko sitzt an seinem Tisch Und mit den Zähnen knirscht ergrimmt, Daß Feuer rings im Kerker sliinmt. Und also sprach der Türkenzaar: „Kein junger Marko ist's, fürwahr, Das ist der Höllenteufel gar!" Jung Marko fuhren sie mit sich, Sie ziehn ins tiefe Türkenland, Wohl weit dahin in fernes Land, Bis an des Flusses Kulxa Strand. So aber sprach Jung Marko jetzt: „G Gnade, Gnade, Türkenzaar! Gefangne hatt' ich selber einst, Doch jedem that ich eine Gunst, So thu auch du mir, Türkenzaar! Mach' frei mir rechten Arm und Fuß, Daß ich das Haupt mir wasch' im Fluß, Im Haupte fühl' ich argen Schmerz, Und auch nicht wohl ist's mir ums Herz. G gebt mir doch mein Säblein her, — 107 — Mein Säblein, das zwei Zentner schwer, Zwei Zentner und drei Pfunde mehr!" Sie reichen ihm ein Becken dar Und auch sein blankes Säblein dar. Er hieb die Türken und zerhieb Wohl siebenhundert und siebzehn. Schnell zog Jung Marko heim und trat Zuerst ins Schloß des Jankotitsch. Die Brüder sitzen an dem Tisch Und theilen sich die Gelder froh. Jung Marko aber sagte so: „Mas theilt ihr unter euch das Gold, Das ihr doch nicht verzehren sollt?" Zog aus der Scheid' sein Säblein scharf, Vom Rumpf die Köpf' er Beiden warf. Gregors Schwester Alenka. Dort liegt vor mir ein Pfad gebahnt, Der führt tief in das Tiirkenland, Das Ange da gar weit mir sieht Tief in das türkische Gebiet; Ls wallt den Pfad heran ein Unecht, Des Tiirkenkaisers junger Unecht. Alenka steht am Schwellenrain, Alenka, Gregors Schwesterlein. „Laß dich befragen, junger Unecht, Des Tiirkenkaisers junger Unecht, Db du nichts zu Gesicht bekamst, Db du auch Kunde nicht vernahmst, Dlags Gutes oder Schlimmes sein, von Gregor, meinem Brüderlein?" Antwortet drauf der junge Unecht, Des Türkenkaisers junger Unecht: „Von Gregor weiß ich Kunde nicht, von Gregor man auch nirgends spricht, — Ivy — Ich selber sah niemals den Mann, Drum ich ihn auch nicht kennen kann. Es spricht darauf Alenka fein, Alenka, Gregors Schwesterlein: „Ein langes Gberkleid ihn hüllt, So lang, daß bis zur Fers' es quillt, Mit Blumen ist es ansgestickt, Mit Seidenschnüren ist's geschmückt, Ein rothes Käppchen ihn bedeckt, Drei Federn sind darein gesteckt, Drei Kranichsfedern mögen's sein. Er führt ein blankes Säbelein, So blank als wie der Sonnenschein Und wie Schermesser scharf und sein; Inmitten eine Schlange liegt, Und Feuer aus der Spitze stiegt, In Schlangenblut ist es gestählt, Die Türken hat sich's auserwählt." Antwortet drauf der junge Knecht, Des Türkenkaisers junger Knecht: „Todt schlugen Türken solchen Mann, Der dein Gregor vielleicht sein kann." Was that darauf Alenka fein, Alenka, Gregors Schwesterlein? Sie läuft ins Helle Kämmerlein, In lang Gewand den Leib sie hüllt, So lang, daß bis zur Fers' es quillt, Mit Blumen ist es ausgestickt, Mit Seidenschnüren ist's geschmückt. Sie hat sich ganz so angelegt, wie sich ihr Bruder Gregor trägt. no Lin rothes Käppchen sie bedeckt, Ins Käppchen sie drei Federn steckt, Drei Kranichfedern mögen's sein. Schnallt um ein blankes Säbelein, So blank als wie der Sonnenschein Und wie Schermesser scharf und fein; Inmitten eine Schlange liegt, Und Feuer aus der Spitze fliegt, Mit Schlangenblut ist es gestählt, Die Türken hat sich's auserwählt. Sie geht zum lichten Stall hinein, Da sattelt sie ein Rösfelein, Das schnellste, flinkste Rösselein; Drauf in die Bügel sie sich schwingt, Ihm hurtig auf den Rücken springt; Wie Vogelflug so saust sie fort Bis fern ins Türkenlager dort. Sie sprengt im Lager kreuz und quer, Ihr Säbel trisft die Türken schwer, Daß hinter ihr sie sinken her, Wie Korn wohl hinter Schnittern knickt, Wie Gras wohl hinter Mähdern nickt, Wenn Gott ein gutes Jahr geschickt. Der Tiirkenzaar am Fenster stand, Und dieses Wort hat er entsandt: „Ihr schnöden Türken rühmtet euch, Ihr gabt Gregorn den Todesstreich, Und dennoch seh' ich ihn zugleich Durchs Lager sprengen kreuz und quer, Sein Säbel trifft die Türken schwer, Daß hinter ihm sie sinken her, Wie Koen wohl hinter Schnittern knickt, — III — Ivie Gras wohl hinter Mähdern nickt, Menn Gott ein gutes Jahr geschickt!" Mas that darauf Alenka fein, Alenka, Gregors Schwesterlein? Sie zeigt schön schwarze Zöpfchen zwei, Sie zeigt schön weiße Brüstlein zwei: „6at solche deine Kaiserin? kfat solche deine Kaiserin?" Des Woiewoden ^Zanko Hochzeit." L^at verlobt sich der Woiewode Janko In der Ferne, im Lateinerlande. Schreibt gar schlau der schelmische Lateiner Einen Brief dem Woiewoden Janko: „Lade, Janko, schmucke Hochzeitgäste, Nur den Helden Sekol mir nicht lade, Der nicht ißt, nicht trinkt vor Ucbcrklugheit, Der ein Schalk voll List und Schelmereien." Janko ladet schmucke Hochzeltgäste, Nur den Helden Sekol er nicht ladet. Spricht Held Sekol traurig diese Morte: „Gott mit euch, mein Mütterlein, mein altes! wie verwirkten wir des Oheims Gnade, Daß er uns nicht lud zum Hochzeitmahle?" Gab sein altes Mütterlein ihm Antwort: „Steig' aufs Roß, daß es der Ohm nicht wisse, Nimm dein Schwert, daß es der Ohm nicht merke, Menge so dich zu den Hochzeitgästen." Also zog er zum Lateinerlande. HZ Trat vor sie der schelmische Lateiner, Gab das erste Probestück zu lösen; Also sprach der schelmische Lateiner: „Gott sei gnädig dir, Woiwode Janko, Hast du nicht in deiner Schaar den Helden, Der drei gleiche Lanzen überspringe!" Ward nicht gut zu Muth den Hochzeitgästen, Alle sahn beschämt zur Erde nieder; Trat hervor Held Sekol aus der Menge, Uebersprang gewandt drei gleiche Lanzen. Trat vor sie der schelmische Lateiner, Gab das zweite Probestück zu lösen, Spießt' auf eine Lanze einen Apfel, Und so sprach der schelmische Lateiner: „Gott sei gnädig dir, Woiwode Janko, Hast du nicht in deiner Schaar den Helden, Der den Apfel auf dem Speer durchschieße!" Ward nicht gut zu Muth den Hochzeitgästen, Alle sahn beschämt zur Erde nieder; Doch nicht also hat gethan Held Sekol, Hat am Speer den Apfel rasch durchschossen. Trat vor sie der schelmische Lateiner, Gab das dritte Probestück zu lösen. Stellte vor sie hin neun schöne Jungfrau'«, Aehnlich ganz an Äug' und Antlitz alle, Und so sprach der schelmische Lateiner: „Gott sei gnädig dir, Woiwode Janko, Wählst du nicht aus diesen Neun die Rechte!' Ward nicht gut zu Muth den Hochzeitgästen, Alle sahn beschämt zur Erde nieder; Trat gar stink Held Sekol aus der Menge, Breitet' auf den Grund den Seidenmantel, Anast. Griin's Werke V. 8 — ii4 — Legte drauf drei blanke Golddukaten: „Frisch heran nun, ihr Lateiuermädchen! Nimmt nicht Janko's wahre Braut die Münzen, ksaut mein Säbel Allen ab die Aöpfe." Lief heran die wahre Braut des Janko, kfob empor die blanken Golddukaten, Nahm vom Boden auch den Seidsnmantel, Warf ihn wieder hin dem kfelden Sekol. Als zu seinem weißen Schloß er kehrte, Sprach kfeld Sekol fröhlich diese Morte: „Gott mit euch, mein Mütterlein, mein altes! Meinte dort der schelmische Lateiner, Daß kein kfeld sich find' in uns'rer Mitte, Der sich messe seinen Schelmenkünsten!" Vom König Matjasch/b Jer König Nlatjasch hat zur Braut Alenka jüngst sich angetraut, Das junge, schöne Mägdelein, Die Königin Ungarns lieb und fein. Er schläft bei ihr nur kurze Zeit, Drei Nächte nur, gar kurze Zeit! Am vierten Tag ein Vöglein sang: „wohlauf zum Kampf, die Grenz' entlang! Hinab zur Flur des Donaustrands, Zum Grenzstein deines Ungarlands!" Doch Ulatjasch ihm entgegen spricht: „Zu Felde kann ich jetzt noch nicht, Noch lendenlahm sind meine Knecht', Die Pferde nicht beschlagen recht, Die Säbel noch nicht scharf gewetzt, Noch nicht bereit die Flinten jetzt." Am zweiten Tag das Vöglein singt, Ukatjasch dieselbe Antwort bringt; Doch wie's am dritten Tag erscheint, Ist er gerüstet ganz dem Feind. 8* 116 Der König ruft Alenka sein, Die Königin so lieb und fein, Und so spricht er zu ihr und sagt: „Schnell muß ich fort, die Zeit entsagt, Hinab zur Flur des Donaustrands, Zum Grenzstein meines Ungarlands. Wird Nachts die Zeit dir etwa lang, Und macht das Herzeleid dir bang, Durchzähl' des gelben Goldes Schwall, Bewahr' der festeri Burgen Wall; Nur wandle nicht im Gartenxlan, Daß dich die Türken dort nicht sahn." Er schwingt sich auf sein schnelles Roß Und sprengt aus seinem weißen Schloß Hinab zur Flur des Donaustrands, Zum Grenzstein seines Ungarlands. Die Krieger bauen auf ein Zelt, Für Matjasch wird's zurecht gestellt, Sie jauchzen auf, so wie er kam, Daß jenseits es der Türk' vernahm. Im Krieg herum saust er gewandt, Den nackten Säbel in der Hand, Und wenn er schwingt um sich den Stahl, Neun Häupter fallen jedesmal. Am Himmel fliegt das vögelein Schon wieder her, das Sängerlein, Und Ukatjasch sieht's verwundert an, Dreimal fliegt's um sein Zelt die Bahn, Setzt auf den goldnen Apfel sich Und singt und zwitschert trauriglich: „Fürst Matjasch auf, zu Pferd, zu Pferd! Ist dir ein fremd Geschäft so werth? — ii7 — Die fremden Gau'n bringst du in Ruh, Fürs eigne Land nicht sorgest du! Sieh, schütz- und schirmlos ist dein Land, Die Königin ist dir entwandt, Lin Türkenschwarm geritten kam, Alenka dir gefangen nahm." Fürst Matjasch ihm entgegnet drauf: „Was drängst du dich in meinen Laus! Nicht scherze, Vögelein, mit mir, Lin Rohr, weittrefsend, hab' ich hier!" „„Und treib' ich Vöglein Scherz mit dir, So nimm dann Kopf und Leben mir!"" Der König springt aufs jdserd in Hast, So wie ein Vöglein auf den Ast, Und heimwärts sprengt er unverweilt, Die Wölk' am Himmel nicht so eilt, Zu seinem festen Schlosse heim, Au seinem weißen Hause heim. Sein Hausgesind' drängt sich um ihn, Ls wallt voraus die Nähterin, Sie seuszen, jammern, weinen All', Wehklagend mit gar lautem Schall. Der König redet so und spricht: „G sürchtet euch, ihr Leutchen, nicht! Bevor drei Tagessristen aus, Bring' ich die Fürstin euch nach Haus. Ihr Knechte kleidet jetzt zur Fahrt Mich unterhalb nach Mönchesart, Mein Haar verschneidet mit der Scheer', Wie's einem Mönche passend wär'." Nimmt drüber noch nach Türkenschnitt Den Kaftan, der zur Ferse glitt, — ii8 — Umschnallt den Säbel blank und licht, Dran eine rothe Schnur er flicht, Lin heilig Kreuz ins Kleid er schmiegt, Wie Donner, Blitz und Wind er fliegt; Lr sucht ein rasch, ein feurig Pferd, Besteigt den Schimmel laufbewährt. Ls dröhnt der Hufe Schlag, es stäubt, Daß Funken es und Feuer treibt, Dahin durch Ungarns Grenzestrand, Hinab ins tiefe Tiirkenland. Tief drinnen in dem Land Türkei Stehn grüner Lindenbäume drei, Am ersten ist der Pferde Stand, Da legt man an das Tanzgewand; Am zweiten wird verkauft der Tanz,^ Am dritten drehn sie sich im Kranz. Der König tritt zum grünen Tisch Und also redet, spricht er frisch: „wollt' mir die Frag', ihr Herrn, verzeih'n, Wie theuer ist bei euch der Reih'n?" Der Tiirkenxascha ward ganz froh, Und freundlich redet, spricht er so: „Um gelbes Gold ist er zum Theil, Zum Theil um weißes Silber feil, Doch ist ein Held uns gleich und werth, Dem wird er auch umsonst verehrt." Hervor aus seid'ner Börse holt Der König schnell das rothe Gold, Und schüttet's vor ihn auf den Tisch, Daß drauf es springt wohl dreimal frisch; vor'm Tiirkenxascha liegt's zuletzt. Der Pascha spricht und redet jetzt: „Bekannt thät dieß Gepräg' mir sein, — IIY — Vom König Matjasch ist's allein!" Drauf König Matjasch sagt und spricht: „Ich sag' es dir, ich lüge nicht, Den König Matjasch ich erschlug, Und all' sein Gold davon ihm trug." Er sucht sich eine Tänzerin, Gebeut den Geigern den Beginn, Er wählte sich Alenka sein, Die Königin so lieb und fein. Sie reichen sich die Hände weiß, Sie drehn sich schnell dahin im Kreis. Er fragt sie drauf: „Kennst du mich jetzt? Bin ich nicht wie Matjasch zuletzt?" Sie sieht gar scharf ihn an: „Das Haupt Des Matjasch hast du wohl geraubt, Geschorner Dieb, vermönchter Dieb! Welch Zeichen, dich zu kennen, blieb?" Er zu den Türken spricht sofort: „was sag' ich euch, ihr Herren dort, Darf ich der Jungfrau schenken ein, Autrinken ihr den Becher Wein?" „„Ja trink' ihn immerhin nur zu, Ein heil'ger Mann uns scheinest du, Der König Matjasch ja erschlug Und all' sein Gold davon ihm trug!"" Er senkt ins Glas den Ring von Gold, Sie flüstert: „Mein Geliebter hold! Dein hofft' ich immer unverzagt; Die Tröpfe, die mich so geplagt, Zudringlich all' um mich geschaart, Abwischen können sie den Bart!" Der König aber redet so: „Es ist mein Herz nun wieder froh! I 20 Merk' auf, wenn ich zu Roß mich warf, Verbleibe mir zur Seite scharf, Dann will ich hurtig schwingen dich Aufs flinke Schimmelchen vor mich; Hau' ich zur rechter! Seite drein, Dann ducke dich zur linken fein." Und weiter fragt Matjasch: „Ihr Herrn, Wohl nahm' ich von ihr Abschied gern?" „„Auch das mag immerhin geschehn, Da du ein heil'ger Mann zu sehn!"" Er nimmt sie bei der weißen Hand, Schwingt sie vor sich aufs Roß gewandt. Fliegt übers Feld zum Saverain, Wie ein geflügelt vögelein. Sein Arm den nackten Säbel schwingt, Am Griff sich eine Schlange ringt, Der Spitz' entlodert Feuers Gluth, Matjasch weiß ihn zu führen gut. Die Türken sehn verblüfft sich an, verfolgen sie in Schaaren dann; Der jdascha streichelt seinen Bart Und lacht und redet dieser Art: „War sein Gefang'ner ich vor Zeit, So bringt mir seinen Schädel heut, Bringt auch Alenka mir heran, Die ich so herzenslieb gewann!" Matjasch haut beider Seiten drein, Sie duckt sich beider Seiten fein, Nach Blitzesart sein Säbel geht, Zu Schwaden wird das btorn gemäht, Das Heu sinkt hinter'm Mähder ein, Und hinter ihm der Türk' in Reih'n. Der Schimmel rennt, bis er sie führt 12 I Hin zu dem schmiede rußbeschmiert; Dem sagt lNatjasch: „Was willst du Lohn? Als Tiirkenschmied dich kenn' ich schon, Beschlage rasch aufs Neu mein Pferd, Schlag' ihm die Eisen an verkehrt." Der Türkenschmied beschlägt's verkehrt, Des Königs Linke Gold bescheert, Dir Rechte ihm den Kopf abschlägt. Das Roß sie fort zur Save trägt. Das Roß greift aus und wiehert laut, Gut kennt's die Last, die ihm vertraut, Weiß gut: es trägt der Theuren zwei, Ulatjasch den König hoch und frei Und die befreite Königsbraut, Alenka sein, so lieb und traut; Durchs breite Strombett schwimmt's gewandt Zum heimatlichen Ungarstrand. Aönig Matjasch gefangen?" Gewaltiger Fürst, Ukatjasch, Ukatjasch, Des Ungarlandes Aron' ist schön! Dreimal war er auf Ariegesfahrt, Aum vierten er gefangen ward, In türk'schen Thurm geworfen ward. Im Aerker blieb er Jahr und Tag, Daß er nicht mehr den weißen Tag, Nicht mehr die gelbe Sonne sah. Bekam zu seh'n nichts andres da, Als Jung Nkarjetiza allein, Des Türkenkaisers Töchterlein. Ihm zum Besuche kam die Ulaid, Ihm kürzte sie die lange Zeit. So sprach zu ihm Ularjetiza: „Ukatjasch, o laß dein Weib mich sein, Dich aus dem Thurm will ich befrei'n!" Doch ihr entgegnet so Ukatjasch: „Das wird nicht sein, das darf nicht sein! Daheim lebt mir die Herrin mein, Die dreimal schöner ist als du! Die dreimal jünger ist als du! — I2Z — Doch lebt ein jüngrer Bruder mir, Er ist Matjasch genannt wie ich, Mit schöner Aron' umkränzt wie ich; Und den Matjasch dir sag' ich zu, Marjetiza, willst ihn auch du?" „„Wohlan, so sei es, Fürst Matjasch!"" „Wohlan so sei's, Marjetiza, Du Türkenkaisers Töchterlein!" „„Geduld, Geduld noch, Fürst Matjasch, Bis anbricht Tankt Mariens Tag, Das Gastmahl ich bereiten mag; Die Türken zech' ich voll mit Wein, Dazu mein altes Väterlein. Dann hol' ich mir der Schlüssel drei, Der erste sührt zum Rossestall, Der zweit' ins lichte Aimmerlein, Der dritt' in Aerkerthurm hinein. Jin Zimmer nehm' ich Silber, Gold, So schwere Last, als schwer wir zwei, Dem Stall entführ' ich Rosse drei, Dem Thurme, was das Beste sei."" Marjeta kaum erwarten mag, Daß anbricht Sankt Mariens Tag; Sie richtet ein groß Gastmahl zu, Bezecht die Türken all' in wein, Dazu ihr altes Väterlein. Dann holt sie sich der Schlüssel drei, Entführt dem Stall der Rosse drei, Dem Thurme, was das Beste sei. Das eine Pferd trägt Silber, Gold, So schwere Last als schwer sie zwei, Die andern zween bestiegen sie, In aller lhast entfliegen sie. 124 Sie reiten weit dahin durchs Land, Zum alten Schmiede kamen sie. „Du alter Schmied, wohlauf, geschwind, Leicht sind dir hundert Kron' verdient! Beschlag aufs Neu die Rosse drei, Daß vorn die Stollenzacken frei, Rückwärts das glatte Eisen sei." Au Rosse eilig stiegen sie, Zum Donaustrand hinfliegen sie; Der Aönig Matjasch redet da: „Wie wirds nun sein, Marjetiza? lvir kommen durch dieß Wasser nie!" Ins Wasser wirft den Goldring sie, Sie schwimmen drüber ohne Müh. Hersxringen grimme Türken da: „Zurück, zurück, Marjetiza, Des Türkenkaisers Töchterlein!" Die Türken fragen weiter sie: „Wie kamt ihr durch die Donau, wie?" „„Am Hals befestigt Steine gut, So schwimmt ihr spielend durch die Fluth!" Die Türken, an dem Hals den Stein, Ertrinken all' und sinken ein. Sie kommt mit Matjasch vor sein Schloß, Am Fenster steht die Herrin sein: „Herbei, Matjasch, du Schwager mein! Dort bringt Matjasch ein andres Weib, Das dreimal schöner ist als ich, Das dreimal jünger ist als ich!" Matjasch ward freudenvoll empfahn, Marjetiza sie scheel ansahn. Marjetiza so sagt und spricht: „was will ich nun, was will ich nicht? Aann vorwärts nicht, darf rückwärts nicht! „„kserbei, Matjasch, mein Brüderlein, Ich brachte dir die kserrin dein, Des Türkenkaisers Töchterlein!"" Nun schnell zum Pfaffen Liner jag', Daß er sie trau'n und segnen mag! Vom Ableben des Aönigs Matjasch.^ !^>eht, dort steht ein weißes Städtlein, Lilli, heitres, schönes Städtlein, Drin die Linde grün sich spreitet, Drunter ist ein Bett gebreitet, Weiche Federn sind gebettet, Reine Linnen weißgeglättet, Theure Rissen, Decken oben, All' aus türk'schern Stoff gewoben. Dort ist Königs Nkatjasch Lager, Dort liegt krank im Hellen Tag er. Au Schön Trommlerin geschlichen Hat einst Trommler ihn beschlichen Und im Aorn ihn todtverwundet, Daß er nimmer wohl gesundet. In verband, voll Blut, geschlagen, Thät Matjasch die Schwester fragen: „Wolle nach den Wunden spähen, Vb sie roth, ob schwarz zu sehen? Wenn sie roth sind," spricht er, „sage Daß zum Arzte Tiner jage, Herben Tod mir abzuwehren; 127 Doch wenn schwarz die Munden wären, Schwester, dann gesund ich nimmer, Schick ums heil'ge Gel nur immer." „„Bis ins Herz die Munden gehen, Schwarz sind, Bruder, sie zu sehen! Fort und fort macht' ich dich warnen, Nicht die Meiblein zu umgarnen; Fremde Meiber, Herzenswunden!"" Drauf Matjasch dieß Wort gefunden: „Gott nur so viel Kraft mir reiche, Daß ich nochmals zu ihr schleiche!" Aber kaum dieß Wort verhallte, Als die Bahn des Tods er wallte. Durch ganz Tilli Glocken tönen, Bei Sankt Peter fünf mit Dröhnen von dem weißen Thurm her beben. Trommler saß zur Mahlzeit eben, Junge Trommlerin ihn fraget: „Sprich, wer starb, daß um ihn klagend Durch ganz Lilli Glocken tönen, Bei Sankt Peter fünf mit Dröhnen von dem weißen Thurm her beben?" „„Deuten kann ich dir's, mein Loben, König Matjasch fährt zur Erden, LH' ihm's glückte, alt zu werden, Diesem läuten unsre Glocken."" Trommlerin da ganz erschrocken, Ließ den Löffel fallen nieder. Trommler frägt sein Meibchen wieder: „Ist der Löffel dir entwichen, 128 weil dein Vetter, Ghm verblichen. Weil der Todte dein Verwandter?" „„Nicht ist er inein Anverwandter, Nicht mir Vetter, Ghm verblichen; Ist der Löffel nur entwichen, Weil zugleich wir Lehr' empfingen Und zugleich zur Uirche gingen."" Zorn hat Trommlern überkommen, ksat ein Messer scharf genommen Und durchbohrt sein junges Weibchen, Junges, ungerathnes Weibchen. Als er so sein Weib erstochen, Lsat er drauf zum Unecht gesprochen: „Unecht, du flinker, eile, eile, Daß ich -hier nicht länger weile, Sattle schnell der Rößlein zweie, Rasche, wie der Vöglein zweie, Lins soll dir, eins mir sich schicken, Wirf das Ränzlein auf den Rücken, Daß uns keine Zeugen finden, Daß uns keine Schergen binden!" Denkt und spricht bei sich das Unechtlein: „Will's mir doch zu Uopf nicht recht ein, Fortzurennen flücht'gen Leibes Vb des ungerathnen Weibes!" Vom Herrn Räuber.^ Vieß ist Türkenxascha's Streben, Der den Türken treu ergeben, lvis zu ordnen seine Heere, Wie zu mausen Sissek wäre? Ab und auf durchs Zimmer geht er, Der Gedanken viel beräth er, Einen hält der wolfskoxf feste, Also frommt's aufs allerbeste: Daß er seine Truppen kühre Und vor Sissek alle führe. Können nicht die Aulx durchwaten, Fragen ihn, wie setzt zu rathen. An den Strand der Pascha, wallet, Line Trommel umgeschnallet, Schlägt sie grimmig, daß sie stöhnte Und bis in den Himmel dröhnte; Pascha ruft im Aornesbeben, Der den Türken treu ergeben: „Spannet Seile straff hinüber,^ Und befestigt Häute drüber!" Und nachdem sie also thaten, Konnten sie die Kulp durchwaten, Anast. Grün's werke V. 9 izo Konnten sich vor Sissek sammeln Und in Gräben sich verrammeln. Was beginnt der Pascha eben, Der den Türken treu ergeben? Setzt ins Gras sich, schreibt ein Blättlein, Schickt's dem Hauptmann in das Städtlein: „Adam, hör von Allahs wegen, Sisseks Haupt, du Heldendegen! Willst du dich mir jetzt ergeben, Gder deinen Kopf mir geben?" Adam schrieb ihm draus entgegen, Sisseks Haupt, der Heldendegen: „Will mich willig nicht ergeben, will auch meinen Kopf nicht geben! Will mich lieber etwas sträuben, Sisseks Kommandant noch bleiben; Tuch wird noch die Reue brennen, Lernt ihr meine Krainer kennen!" Adam, wie wird das sich legen, Sisseks Haupt, du Heldendegen? Thät Befehl' und Brief' ertheilen, Läßt sie in drei Länder eilen; Hin nach Kärnthen, Krain und Steier, Zur Stadt Laibach, schön und theuer, Daß der Türkenblitz entglommen, Und uns Sissek gern genommen. Als den Steirern kam die Kunde, Saure Mienen gab's zur Stunde, Bebten sehr, davon sie schlichen, vor dem Türken All' erblichen. — -ZI — Als den Kärnthnern kam die Kunde, Sprachen sie mit Einem Munde: „Mit den Türken ist schlecht spaßen, Laßt uns heißen Brei nicht blasen; Hosen hat der Türk' so weite Und Schnauzbärte, lange, breite, Menn er unsre Hälse schaute, Gott weiß, was er uns vertraute?" Als nach Laibach kam die Kunde, Ging ein Ruf nur durch die Runde: „Sucht den Retter ohne Weile, Noth gebeut die größte Eile. Wenn der Türk uns Sissek nähme, Kreuz und quer uns Alles käme, Laibach würde Grenzstadt werden, Krainerland zu Türkenerdcn! Laßt uns schnelle Hüls' auftreiben Und dem Herren Räuber schreiben, Er weiß gut im Feld zu streiten Und den Kriegern vor zu schreiten." Ein weiß Brieflein sie vollenden, Das sie schnell nach Kreutberg senden. Wo der tapfre Räuber lieget, Haupt der Reiter, unbesieget. Räuber, der schon früh erwachte, Einen Gang durchs Schloß schon machte, Seine Fenster öffnet jetzt er Und am goldnen Feld sich letzt er. Wie rings seine Augen kreisen, Sieht er auf deN ebnen Gleisen Ein jung Bübchen eilig jagen Und ein weißes Brieflein tragen. y» IZ2 Räuber klatscht in seine Hände, Eilt entgegen ihm behende, Wie er durchgeschaut das Schreiben, Lacht er zu des Pascha's Treiben. Geht zurück nach seinem Saale Zu Kathrinen, dem Gemahle: „Drei Sonntage sei gewärtig, Bis ich mit dem Pascha fertig." Freilich Frau Kathrinens Wange Hat verrathen, daß ihr bange, Angst um ihren Herrn sich regte, Als sie ihm sein Schwert umlegte. Auf den Ruf des Herrn erschienen Achtzehn Tschitschen, die ihm dienen.^ „Holla, auf! Schon tagt's der Trde^ Rasch zur Tränke führt die Pferde. Sattelt sie, zäumt sie zum Ritte, Rüstet euch zu Krieges sitte, Fort nach Laibach laßt uns reiten, Nach dem festen, hohen, weiten!" Schwingen sich zu Roß die Reiter, Sprengen, jagen lustig weiter, Halten nimmer an die Zügel Bis zum grünen Savesxiegel. Räuber ruft die Ueberführer, von Thernutsch die Schiffsregierer: „Auf die Füße, nimmer träge! Steuert durch den Strom uns rege!" Schliefen noch die Schiffer alle, Bangend vor dem Wasserschwalle, Denn der Strom wat angeschwolleu, Hat die Ufer überquollen. Drauf der Ferg' Andrej gesprochen: — IZZ — „Hat der Strom sein Bett durchbrochen, Drum nicht können wir euch leiten, Und ihr nicht gen Laibach reiten!" Räuber ruft zum andern Male, Bietet Gold von Hellein Strahle; Thäten sich die Schiffer winken: „Ha, da gibt's noch Eins zu trinken!" Stießen schnelle vom Gestade, Baten Gott, daß seine Gnade Glücklich ihre Reise lenke Und viel türk'sche Aspern schenke! Räuber ihnen Goldes spendet. Drauf durchs ebne Feld sich wendet, Eilends sie gen Laibach reiten, Nach dem festen, hohen, weiten. weckt in Laibach auf die Leute: „Städterleute, faule Häute! Holla, aus den Federn schreitet, Und zum Ariegszug euch bereitet!" Doch die Städterinnen gehen Zu Herrn Räuber jetzt und flehen, Bietend Silber, Gold in Masse, Daß er ihre Liebsten lasse. „Mütter junge, Frauen feine, Bleibt ein Weilchen hübsch alleine, Nicht ist's Zeit sich loszukaufen, Jetzt heißt's frisch im Felde raufen! Türkenblitz droht an der Grenze, Daß er uns um Sissek schwänze; wenn der Türke,Sissek nähme, Areuz und quer uns Alles käme, Laibach würde Grenzstadt werden, Unterkrain zu Türkenerden." — IZ4 — Jetzt erschallen Trommelschläge, Daß man nichts mehr hören möge. Ranker sich Genossen kührte, Sie hinab gen Sissek führte, Wo von Türken solch Gedränge, Wie im Ameisnest die Menge! Ranker sprengt voran den Seinen, Spricht zum Großknecht: „Flink von Beinen, Schleich' auf jenes Baumes Höhe, Gut mir nach den Bannern spähe! Wirst du weiße Banner sehen, Gilt es harten Strauß bestehen, Siehst du rothe Banner schweben, Braucht das Herz uns nicht zu beben; Wollen dann die Türken fressen, Gleich als ob wir Kirschen äßen, Und nicht eher ruhn und rasten, Bis sie All' am Boden lasten!" Rothe Banner sieht er schweben, Recht ist das den Krainern eben, Auf die Türkenschaar sie dringen, Alle fallen ihren Klingen. Sankt Ulrich?' s>ankt Ulrich stand frühmorgens auf, Er rief zu sich sein Mütterlein: „Wohlauf, wohlauf, mein Mütterlein, Und legt mir meinen Traum nun aus: Ein halbes Stündchen träumte mir, Hochzeiter sei mein Brüderlein, Mein Brüderlein, der Papst in Rom." Die alte Mutter redet so: „Nur schnell, nur schnell, Ulrich mein Sohn, Und deinen Diener ruf' herbei, Der sattle dir der Rößlein zwei, Daß eins für dich, für ihn eins sei, Daß ihr nach Rom dann hurtig trabt. Wenn ihr versäumt die Hochzeit habt, Dann gibt's nicht heil'ge Messen mehr, Gibt's keinen heil'gen Ablaß mehr, Gibt's keine heil'gen Feste mehr!" Aufzäumt der Unecht zwei Rösselein, Eins ist für Ulrich, eines sein, Sie steigen auf, sie traben fort, iz6 — Sie reiten weithin, fort und fort Bis fern nach Rom, dem heil'gen Port. Der Papst, der dort am Fenster steht, Dem Bruder schnell entgegen geht: „Kommst du zu Gaste mir herbei? Kommst du zur Hochzeit mir herbei? willst du mein Hochzeitsmeister sein?" „„Nicht komm' ich dir zu Gaste her, Doch komm' ich wohl zur Hochzeit her, Soll ich dein Hochzeitsmeister sein, Die Gäste lade schnell mir ein."" Die Braut zu ihnen dieses spricht: „Ihr kommt mir in die Kirche nicht, Bis ihr mir löst drei Räthsel auf!" Das erste Räthsel gibt sie auf: „Wo ist die Erd' am schwersten wohl?" Stumm sind die andern Hochzeitgäst', Sankt Ulrich nur sich hören läßt: „Da wird die Erd' am schwersten sein, wo sie Herrn Jesus gruben ein, Auf seinem Grabe liegt ein Stein." Das zweite Räthsel gibt sie auf: „Wie lang ist und wie breit die Welt?" Stumm sind die andern Hochzeitgäst', Sankt Ulrich nur sich hören läßt: „Gleich lang als breit, wenn gut ihr meßt!" Das dritte Räthsel gibt sie auf: „Wie weit vom Himmel ist's zur Höll'? Stumm sind die andern Hochzeitgäst', — iZ7 — Sankt Ulrich nur sich hören läßt: „Daß du mich fragst, begreif' ich kaum, Da du durchmessen selbst den Raum, Als Gott dich warf zum Höllengrund!" Sankt Ulrich liest die Bibel laut, Da wächst ein Hörnleinpaar der Braut, Die Erde vor ihr weitaus springt Und tief in sich die Braut verschlingt. Anhang. Aleine Lieder, Vierzeilen, Tanzreime. ^ch sprach nur ein wenig: Was wirst du mir taugen? Da hatte sie gleich voll Wasser die Augen. 2. Ich sprach nur ein wenig: Mein Liebchen bist du! Und fröhlichen Herzens War sie im Nu. 3. Maid, nimm dir den Geiger, Stets fröhlich bleibst du, Und fehlt es am Brode, So geigt er dazu. Hätt' ich gar nichts anders Als den schönen Mann, Stets faß' ich beim Tische Und sah' mir ihn an. 142 5. Ich mag nicht die Reiche, Der verwandten Wahl, Die zählte ihr Gold mir Bei jeglichem Mahl. 6. Hör' immer dich jammern, Du schlafest allein, Doch kennt sich's am Rissen, Hier lag man zu zwei'n. 7. Alt bin ich geworden, Zur Arbeit zu schwach; Da fideln die Geiger, Der Tanz ist mein Fach! 8. Ls kneipt mich, es reißt mich, Der klopf ist mir wund, Da zeigt sich der Liebste, Da bin ich gesund! 9- Ghne weißes Papier, Vhne Tintenschwärze Schrieb ich mein Liebchen Mir in das Herze. — i4Z — ^0. V betet und bittet, Ihr Pfaffen, für mich, Was andere Weiber, Will haben anch ich! Schön Vöglein im Walde, Gern lockt' ich mir's her, Und kommt es nicht balde, So sing' ich nicht mehr. s2. bsätt' ihn wohl gerne, Er will nicht dran, Bänd' ihn mit Reben, Doch geht's nicht an! sZ. Du, Geiger, beginne, Die Gröschlein gewinne; Die Gröschlein sind dein, Die Mädchen sind mein! Stand unter der Linde, Nahm Abschied von ihr, Da kam ihr das Weinen, Das Lachen kam mir. 144 ^5. Du liebliche Maid, Sprich, wie dir's gedeiht? „Was fragst du um mich, Nicht frag' ich um dich!" s6. Mein Mann, mein Mann, Hat 'nen langen Bart, Für den Ofen, für den Ofen Ist ein Besen erspart. was stehst du, was stehst du Unter'm Fenster drauß? Und weißt doch, und weißt doch, Du darfst nicht ins Haus! s8. Halt' einst einen Liebsten, Verlor ihn sodann; Glückselig das Mädchen, Das ihn finden kann! Nach Bergen und Thälern Aum Vogelfang ging ich, Die vögelein lockt' ich, Ein Mädchen doch fing ich. — i4Z — 20. Mir lehnt an die Wange Die Liebste sich an, Hält mit den zwei Händen Den Hals mir umfahn, Und mir in dem Schooß« Ausruht sie gar lind, Als schlummre am Busen Der Mutter ein Kind. ' 2s. Nun hab' ich ein Liebchen, Doch freut es mich nicht, Sie gab mir ein Sträußchen, Doch duftet es nicht. 22. Gibt es kein Sonnenlicht, Gibt es Mondenschein, Kommt der Liebste nicht, Schläft sie allein. 23. Brauchst nur über die Leiter Rechtshin dich zu biegen — Frage nur die Katzen, Wo die Mädchen liegen? 2§. Kaum schlummert' ein wenig, Kaum schlief ich fast ein, Legt' ein Schelm mir Feuer Ins Kämmerlein. Anast. Grün's Werke V. IO - IchÜ - 25. Das Kämmerlein brenne, Ls brenne in Gluth, Nur bleibe das Bettlein, Drin Liebchen ruht. 26. Auf schönem Felde Der Nebel steht, Inmitten des Nebels Mein Liebster mäht. 27. V triebe der Wind doch Die Nebel feldaus, Daß den Liebsten ich sähe Mit seinem Strauß! Anmerkungen. I. und 2. Ls war in älteren Zeiten allgemeiner Landesbrauch, daß vom St. Nicolaitage bis zu Mariä Lichtmeß aus jedem Kirchspiel eine Anzahl junger Bursche in Waffen, mit Musik, Gesang und Tanz im Lande herumzog, ähnlich den Sternsingern in Deutschland; man nannte diese Leute in der Landessprache Koledniki. Mit dem Erlös ihres Gesanges kauften sie gelbes wachs, ^aus welchem sie lange dünne Kerzchen verfertigten. Diese wurden je drei in Flechten zusammengedreht und sämmtliche Flechten dann standarten¬ artig um eine lange Stange befestiget, deren Spitze überdieß mit Rauschgold, Seidenbändern und Fähnlein und mit allerlei aus Birkenschwamm geschnitte¬ nem Aierrath, Sternen, Vögeln u. dgl. geschmückt war. Mit diesem kolossalen Wachsstocke begannen die Umzüge von Neuem, bis er zu Lichtmeß feierlich in die Kirche getragen, dort geweiht und als Vxfer dargebracht wurde, (vgl. Valvasor, Lhre des Herzogth. Krain. II. 472.) Noch gegenwärtig finden hie und da ähnliche Umzüge zu Weihnachten und Neujahr statt, doch mit geringe¬ rem Lärmen und j?ompe; sehr häufig werden auf diese weise die Kosten der Kirchenbeleuchtung von Haus zu Haus eingesammelt. Lin bei solchem An¬ lasse abgesungenes Festlied heißt Kolednika. Das erste und zweite Lied unserer Sammlung können als groben dieser Gattung dienen. z. Man vergleiche damit „die lustige Hochzeit", wendisches Spottlied in Herder's Stimmen der Völker, dann „Vogelhochzeit" in Uhland's hoch- und niederdeutschen Volksliedern (Bd. I. S. Z4) und das „Lügenmärchen" in Wackernagel's deutschem Lesebuch, II. IX. Auffallend ist die Verwandtschaft unseres Liedes, in welchem beim Absingen nach jeder Strophe der Kehrreim wiederholt wird: Ist's ein Wunder, ist's kein Wunder? mit zwei andern, ebenfalls bei Wackernagel (a. a. G.) mitgctheilten Volks¬ liedern und zwar aus dem Solothurnergebiet mit dem Refrain: 's nimmt mi wunger, über wunger, Ungerdesse nimmts mi wunger l aus dem Kuhländchen (nach Meinert, I, 282) mit dem Refrain: wounder, wounder, ieber wounder! — IZO — 4. Es wird hier nicht am unrechten Vrte sein. Einiges über die Hoch¬ zeitsgebräuche der krainischen Slaven anzuführen. Der Freier pflegt vorerst einen Werber (Lnudaö) abzusenden und tritt erst selbst auf, wenn der Antrag angenommen wurde; kleine Geschenke beschließen die Unterhandlung. Braut¬ führer und Brautführerin (Oru§, OruLica.) laden nun die Gäste zur Hochzeit, bei welcher in ganz Illyrien der LtarLsina. die Hauptrolle spielt, dem die Be¬ sorgung der Festlichkeiten obliegt (darum auch in der Übersetzung Festmeister, Hochzeitmeister genannt). Er führte den Zug des Bräutigams zur Braut, wobei Musik und Pistolenschüsse nicht fehlen dürfen. Die Braut heißt an den meisten Vrten Nevesta, die Ungewisse, da sie ehemals förmlich geraubt wurde; wesentlich in ihrem putze sind Rosmarinzweige und Bänder von allen Farben in die Haare gebunden und vorzüglich der Kranz von schwarzem Sammt um die Stirne, Kapel genannt.*. Beim Hochzeitmahle hat der Ltarasina den Vorsitz, er macht förmlich den Wirth. Gft wird schon nach' der ersten Tracht Speisen einmal getanzt, wobei der Geiger auch wohl den Possenreißer abgibt. Zum Schlüsse der Mahlzeit erscheint der große Kuchen Do^aoa** oder eine große Schüssel Butterkuchen (8tralUi). Ein Mann, der den Koch vorstellt, bringt und vertheilt dieses Gebäcke trotz eines ungeheuren Lärmens mit Gfengabeln und allerlei Küchengeschirr, womit man ihn scheinbar daran zu hindern sucht. Er sammelt dafür Geld auf einem Teller, ebenso ein Geiger, der nach ihm erscheint, ein mit Rosmarin umwundenes Glas herumreichend und während des Trinkens eine ^weise spielend. Nach der Mahlzeit wird das Ehepaar nach Hause begleitet, und der Zug geht noch zur Brautmutter u. s. w. die ganze Nacht Hindura?. Ist das Paar nicht ganz arm, so dauert die Hochzeit mehrere Tage. Einem Wittwer, noch mehr einer Wittwe, die wieder heirathet, wird ein Lharivari beim Kirchzuge ge¬ bracht. — In Unterkrain pflegt die Köchin sich nach der Mahlzeit ein Trink¬ geld in einem großen Löffel zu sammeln. Sehr selten sieht man noch die zu Valvasors Zeiten übliche und von ihm beschriebene sogenannte Aschenkomödie. Tin zerlumpter Fiedler erscheint nämlich bei Tische und bietet einen Vchsen zum verkauf. Nach einer Tracht prügel, da man ihn für den Dieb des Vchsen hält, macht man für ihn und die übrigen Musikanten eine Sammlung. Hier kommt auch die anderwärts verbreitete Sitte vor, dem Bräutigam zuerst vermummte alte Weiber vorzuführen und endlich nach langer Neckerei die Braut. (Nach A. Schmidi, das Königr. Illyrien. Stuttgart 1840, und Linhart, versuch einer Geschichte van Krain. Laibach 1791.) Diese wesentlichsten Hauptzüge eines krainischen Hochzeitfestes unterliegen jedoch nach den ver¬ schiedenen Landesgegenden manchen Aenderungen, worüber bei Hacquet (Be¬ schreibung der Illyrer, wenden und Slaven. Leipzig 1801) und bei Valvasor * Auch altdeutsch scliapsl, scbappil, hier wie dort der ausschließlich jung¬ fräuliche Kopfputz, nur bei den Deutschen in reicherer Ausstattung, eine mit Edelsteinen, perlen, Goldflittern, Kunstblumen u. dgl. durchflochtene Binde (Ziemann's mittelhochdeutsches Wörterbuch); französisch cbLpel, obaxelet, doch in minder ausschließlicher Bedeutung, (vgl. ls Ora-nä, bUrliaux.) ** Auch altdeutsch po§L2, latein. Locatius, Aschkuchen (Aiemann), in der Schweiz Roggenbrod, franz, konasss, ital, kociaccia, panis sub- — IZI — k Lllcient ouxlisd xoetrz," und 182 Das Treiben abenteuernder Wilddiebe und das Waldleben überhaupt wird mit Liebe in einer Menge neuerer Lieder ge¬ feiert; sie alle preisen die Unabhängigkeit, deren man sich im „grünenden Walde" erfreut, wo man keiner! anderen Feind hat, „als den Winter und das Unwetter", wo man „fröhlich ist, fo lange der Tag währt und leichten Sinnes wie das Blatt auf dem Baume."* Noch einmal flammte der alte Rarenhaß der beiden Stämme zur verheerenden Kriegsfackel empor, welche, von einem Fremdling zwar geschwungen, nach dem vorübergehen¬ den Siege der Volkssache bei Lewes (1264) später in den Blutströmen des Schlachtfeldes von Evesham (1265) init dessen Leben erlosch. Der Name Simon von Montfort (Leicester) aber lebt als der eines ruhmreichen Führers angelsächsischer Schaaren, eines Kämpfers und Blutzeugen für die in der LlaZua cbarta (121z) errungenen gemeinsamen Rechte und Frei¬ heiten noch im Andenken und Liede des Volkes fort.** Bei Montforts Unternehmungen war der Volkssache bereits ein Thcil des unabhängigen normännischen Adels beigetreten. So langer Zeit hatte es bedurft, um, nach den Worten eines neueren englischen Kritikers,*** „die.tiefe moralische Kluft, welche die Eroberung zwischen zwei einander durchaus fremde Volksstämme gerissen hatte, so weit auszufüllen, daß es für beide Theile möglich ward, von einem und demselben öffent¬ lichen Geiste beseelt, ein gemeinsames politisches Ziel zu ver¬ folgen, und daß die Nachfolger und Abkömmlinge der mili¬ tärischen Kolonisten, welche Wilhelm I. nur als gelagert im " Als Ausdruck wahrhafter volkstrauer kann die auch dichterisch schwung- volle Todtenklage „Ilie lament ok Limon äe Montfort" gelten, deren nor- männisch-französischer Urtext am correctesten in Ibom. Wrixllt's Rolitical 80NA8 okLnßslLnck i8zy abgedruckt ist. Englische Uebersetzungen davon lieferten w. Scott und G. Ellis. *" Siehe den Aufsatz über Robert Hoods Leben und Eharakter im I.onäon Lncl 'Westminster Review. No. I^XV. März 1840. — i8z — Lande der Angelsachsen zurückgelassen hatte, sich daselbst als angesiedelt betrachten konnten." Endlich sei noch des großen Bauernaufstandes unter Mat- Tyler (iz8i) Erwähnung gethan, als des Schlußaktes in der Reihe der angelsächsischen Volksaufstände und als des Lin- gangsaktes zu einer ganz andern Gattung politischer Be¬ wegungen. Die tiefe Ueberzeugung von der Ungerechtigkeit und Verwerflichkeit der Leibeigenschaft und Hörigkeit, welche die vereinigende Losung der Verschwörung von iz8i gewesen war und den angelsächsischen Dienstpflichtigen zur Empörung getrieben hatte, gewann auch bei dem normännischen Herrn allmählich die Vberhand. Zahlreiche Freibriefe, deren Mehr¬ zahl dem 14. und 15. Jahrhundert angehört, geben noch heute Zeugniß, wie Englands Adel freiwillig das Band der Dienst¬ barkeit des Landmanns löste und somit das verhaßteste Erb¬ stück aus der Eroberungszeit von sich warf. Und als es all¬ mählich auch der Volkssprache in ihrer letzten Mischung ge¬ lang, sich wieder zu den Gerichtshöfen und endlich in das Parlament Bahn zu brechen, war auch ihr vollständiger und dauerhafter Sieg ausgesprochen und besiegelt. Die auf den früheren Blättern mehrfach erwähnten An¬ gaben Thierry's finden in den Arbeiten neuerer Forscher über die Lebens- und Aeitverhältnisse Robin Hoods (z.B. Gutchs,* Spencer Halls,** Allies*** und des obgenannten Reviewers) ihre Bestätigung und theilweise Ergänzung. Nur weichen diese von Thierry in dem Zeitpunkte ab, welchen sie dem Auftreten Robin Hoods in der Geschichte anweisen,- denn während Thierry (wie auch Ritson) ihn zum Zeitgenossen Richards I. macht, verlegen die andern sein Erscheinen in eine etwas spätere Zeit, nämlich in die Tage Heinrichs III. (1216 Oll tliš Zovilll Lromsxrovs, «onis tko bunter, llllä Lobill — 184 — bis 1272) und Edwards I. (1272 bis rzo7), ja sie lassen ihn mit aller Wahrscheinlichkeit die Schlachten bei Lewes und bei Evesham unter Simon von Montfort mitfechten und erst nach der Niederlage der Volkssache in die Wälder fliehen. Sie stützen ihre Angaben erstens auf eine eingehendere Prüfung der be¬ züglichen Stellen des Lhronisten Fordun; dann auf den unter dem Titel: „L. Izttell Zeste" bekannten Balladencyklus, eines jener Mitteldinge von freier Dichtung und Reimchronik, wie solche als fast alleinige Geschichtsquellen für das Volk damals im Gange waren. Die Chronik des weltxriesters Fordun, welcher in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts lebte, da¬ her den Ereignissen, um die es sich handelt, näher stand, ver¬ dient schon um dieses Umstands willen mehr Glauben als die späteren für die Zeitgenossenschaft Robin Hoods mit Hein¬ rich II. und Richard I. zeugenden Lhronisten. Aehnlich ver¬ hält es sich mit dem Balladenkranz L lytell dessen Entstehung in die Tage Lhaucers, etwa in die Regierungs- xeriode Richards II. und Heinrichs IV. (1Z77— 141z) fallen dürfte, mithin in Zeiten, da die Volkstradition über Robin Hood noch ziemlich frisch und unverfälscht erhalten war, und dessen Glaubwürdigkeit auch sonst durch mannigfache voll¬ kommen geschichttreue Züge und Einzelheiten bewährt erscheint. In Forduns Scoticbronicon, fortgesetzt vom Abt Bower, wird unter dem Jahr 1266 erzählt: „In diesem Jahre" — also ein Jahr nach der Schlacht bei Evesham — „kam es zu heftigeren Feindseligkeiten zwischen den ihres Erbes beraubten englischen Baronen und den Königlichen, von welchen Roger Mortimer die Grenzen von Wales und John Daynil die Insel Ely besetzt hielten. Um diese Zeit lebte Robert Hood als * Vie älteste Ausgabe dürfte die (wahrscheinlich im Jahr 1489) bei wynkin de werde in London gedruckte sein, die den Titel führt: „Nors boxmnotb a rnerrz? §68te ok Voirin ^Hoäo anä Kis anä ok td.6 proä siier^s oi^ vgl. auch die Note * S, 19z. — i8z — Verbannter in den Büschen und Dickichten des Waldes."* Weiter berichtet derselbe Chronist folgendes Abenteuer Robin Hoods: „Als dieser eines Tages in Barnsdale, wohin er sich vor dem Zorne des Königs und dem Hasse des Prinzen ge¬ flüchtet hatte, sehr andächtig die Messe hörte, wie es seine Gewohnheit war, in welcher er sich durch nichts hindern ließ, wurde er von einem Vicegrafen und anderen königlichen Be¬ amten, die ihm schon längst nachgestellt hatten, in jenem ge¬ heimen Waldverstecke, wo er Messe hörte, ausgekundschaftet. Einige seiner Leute, die hiervon Kenntniß erhalten hatten, beschworen ihn, in aller Eile zu fliehen; doch aus Andacht vor der heiligen Handlung, welcher er gerade seine innigste Andacht widmete, weigerte er sich entschieden dieß zu thun. Während der Rest seiner Schaar in Todesfurcht bebte, bestand Robert im vertrauen auf Ihn, den er furchtlos verehrte, mit den wenigen seiner Gefährten, die ihm zufällig zur Seite waren, den Angriff der Feinde, besiegte diese mit Leichtigkeit und bereicherte sich mit deren Beute und Lösegeld, von jetzt an die Priester der Kirche und die Messen in noch höheren Ehren haltend, als bisher, und eingedenk des volkssxruches: „Wer fleißig Messe hört, wird auch von Gott erhört."** Der tune äevotissime veneretmtur, omnino tscero recusnvit. Leit, eneteris suis ot> mstum mortis trexiclnntidus, Kodertus tnntum conksus in eum quem eoiuit, inveritns, enm pnueissimis ijili tune torte ei nttuerunt, inimicos con- §ressus, eos Ne tneili äevicit, et Aus Halls Lhronicle auszugsweise in: „l-on-Iiniunu or Leiuiniscenses ot 6 izritisll ^letrepoiis: iuclullin^ cllueacteristic sleetclles antiguaeiau, topo^rupkicLl.ysäescrixtive unä Ilteruex, Kv llclev. liraz-Iez' etc." I.enäon 1828. Bd. III. S. 2gl. IY2 treffenden Lustbarkeiten nimmt der sogenannte Morris-Tanz,* in welchem Robin Hood, Klein John, Bruder Tuck und Maid Marion stehende Tharaktermasken sind, eine hervorragende Stelle ein. Im Kirchspiel von Halifax zeigt man noch einen ungeheuren Stein oder Felsen, der Kobin Nooäs Deuuxstoue (Pfennigstein) heißt, mit welchen: er zur Kurzweil nach einem Ziele geworfen habe. In einer andern Felsengruppe bei Birchover heißen ein Paar der höchsten Spitzen Kobin Nooäs striäs (Schritt, Fußstapfe). Sein Bogen nebst Pfeilen in Foun- tainsabbey, sein Stuhl in Sherwood (ein Felsensitz in den Kirkby Erags heißt Kobin Nooäs cbair) wurden noch im vorigen Jahrhundert gezeigt. Auf diesem Stuhle fand mit gewissen Feierlichkeiten die Aufnahme in die dort zu seinen Ehren bestandene Brüderschaft statt. Eine Hügelreihe in der Nähe von Nottingham, sowie die (puelle, aus welcher er seinen Durst zu löschen pflegte (Kobin Nocxls rrell), ebenso auch eine Bucht und Grtschast an der Küste von Horkshire (Kobin Noocls bax) tragen seinen Namen. Dieser bezeichnet wohl noch ein Dutzend Gäßchen, Höfe und öffentliche Plätze in London, und bis zur Abschaffung der aushängenden Schilde kam Robin Hoods Bild auch in der Hauptstadt fast so häufig als Aushängeschild vor, wie noch gegenwärtig auf dem Lande. Ein in England wohlbekannter, im Jahre 161z in London gestifteter Llub für öffentliche Redellbungen nahm seit seiner Uebersicdelung in ein Haus in Butcher Row, welches solch ein Schild führte, den Namen Kobin Nooäs Society an. Aber nicht in England allein, auch in Irland und insbe¬ sondere in Schottland, welches eine eigenthiimlich national ge¬ färbte Reihe von Robin Hoods-Liedern aufzuweisen hat, war die Popularität unseres Helden eine tief eingewurzelte und * Näheres über diese", i» den Anmerkungen zu der Ballade: „Robin tzood und Maid Marian". — IYZ — weitverbreitete.* Auch in Schottland hatte er seine^Jahres- feier in Volksseelen und Festen, und der oft wiederholte ver¬ such der Behörden, diese Festfeier, wenn sie auf einen Sonn¬ oder Feiertag fiel, zu unterdrücken, hatte im Jahre izöi in Edinburgh einen sehr ernsthaften Volkstumult zur Folge. Noch im Jahre izyr klagte die General-Assembly über die Entheiligung des Sabbaths durch die Robin Hood-Spiele.** lvenn wir, dem Ziele der gegenwärtigen Erörterungen näher rückend, das englische Volkslied genauer ins Auge fassen als einen jener Spiegel, welche uns von der volksthümlichen Geltung des Helden das treueste Abbild bieten, so finden wir das Andenken und die Thaten Robin Hoods in einem Ureise zahlreicher Reime, Lieder und Balladen aus früherer und späterer Zeit, von höherem und geringerem dichterischen lverthe gefeiert, welchen die geistreiche und gründliche Kennerin der Volkspoesie, Frau Robinson-Jakob*** „als den merkwürdigsten Theil der englischen volksliteratur" betrachtet. Zur Blüthe- zeit des englischen Volksgesanges wurden diese ost unmittelbar aus dem Volke selbst hervorgegangenen, dem gemeinen Manne bereits geläufigen Gesänge durch die Minstrels und Jongleurs (Lllemeu, üäälers angelsächsisch) auch au den Höfen der Könige und Großen eingebürgert, bis sie durch die Erfindung der Buchdruckcrkunst und durch das Emporblühen der Kunstpocsie in allmählichen Uebergängen aus den höheren Schichten end¬ lich ganz verdrängt, den entartenden Nachfolgern jener Minstrels, bettelhaftcn Musikanten und Bänkelsängern anheimfielen, von solchen Grganen auch an Gehalt entwerthet, wenn auch vom Volke um des Helden willen noch immer mit Interesse und * Lin merkwürdiges Zeugniß für diese Popularität bleibt es, daß in Schottland schon im gabre 1508, also bereits so bald nach Erfindung der Buchdruckerkunst, eine Ausgabe von „Ilm lzckoll xosto" und zwar bei Ehapman und M-xllar in Edinburgh erschien. " Nach Arnots liietorv ob Lcklnburßch. Eb. kl. Talvj, versuch einer geschichtlichen Lharakteristik der Volkslieder ger- Anast. Grün's Werke V. > ö iy4 Vorliebe ausgenommen. So läßt sich, nach dem Ausspruche eines sachkundigen Gewährsmannes,* „an den Robin Hoods- Liedern allein schon die Blilthe und der Untergang des eng¬ lischen Volksgesanges verfolgen," welcher in dem Ninistrel- gesang des 14. Jahrhunderts sein eigentlich goldenes Zeitalter gefunden hatte, während die Regierungszeit Elisabeths als die seines entschiedenen Verfalls angenommen werden kann. Roch durch das ganze 17. Jahrhundert wurden die erhalten gebliebenen Robin Hoods-Balladen in Flugblättern durch Hau- sirer auf den Dörfern seilgeboten und nach einer Art Recitativ abgesungen; eine große Anzahl der ältesten aber war nach¬ weisbar bereits mit ihren Sängern verschollen oder, wenn je niedergeschrieben, sonst verloren gegangen. Der Buchdrucker¬ kunst, welche der Flüchtigkeit mündlicher Ueberlieferungen zu Hilse kam, und dem Sammlcrfleiße einiger Freunde des Volks¬ liedes blieb es Vorbehalten, etwa ein halbes Hundert jener Balladen, deren älteste und werthvollste wohl noch dem 14. Jahr¬ hundert angehören, für unsere Tage zu retten. Sehr richtig jedoch bemerkt Talvj,** daß das Volkslied, bevor es nieder¬ geschrieben wird, oft Jahrhunderte lang sich traditionell fort¬ pflanzt und so, während es im Ganzen dasselbe bleibt, in Einzelnhciten und in der Ausdrucksweise sich verändert. So mögen einige dieser Balladen, welche der Sprache nach etwa dem 15. Jahrhundert, d. h. der Zeitperiode, in welcher sie zu Papier gebracht wurden, angehören, doch in ihrer Lomposition wesentlich älter sein. Als Verfasser einiger der ältesten Robin Hood-Lieder wird Richard Grove, der in der Nähe von Don¬ caster wohnte, genannt; als Autor eines der späteren aus dem 17. Jahrhundert nennt sich Martin Parker selbst. Die ältesten, ursprünglich zum Volksgebrauche bestimmten Drucke solcher Lieder erschienen theils vereinzelt als fliegende Blätter ' w. Dünniges, Altschottische und Altenglische Volksballaden. Nach den (Originalen bearbeitet. Nlnnchen 1852. ** Dgl. Talvj a. a. V. L. 496. IYZ in sogenannter gothischer Schrift (blaclr lotter) mit groben Holzschnitten, theils in mehr oder minder umfangreichen, oft neu aufgelegten Sammlungen unter dem für ähnliche Sammel¬ werke damals sehr beliebten Titel der „Q-arlau-ls"* (Kränze). Begreiflicherweise sind diese alten Drucke gegenwärtig typo¬ graphische Seltenheiten und nur noch hie und da in nam¬ hafteren Bibliotheken vorfindig. Einzelne Stücke davon kamen in den mit kritischerem Geiste zusammengestellten Sammlungen von Percy,** Iamieson,*** bfalliwell,f Walter Scott,sisi u. A. in neuerer Zeit zum Wiederabdrucke für den modernen Leser. Das unbestreitbare Verdienst der ersten thunlichst vollständigen Gesammtausgabe aller über Robin kjood auffindbaren Volks¬ lieder gebührt aber dem fleißigen Sonderling I. Ritson,-sff welcher es zugleich unternahm, jenes bereits mehrfach er¬ wähnte historische Lebensbild zu zeichnen, dessen hier und da etwas allzukühne Lontouren eine spätere Kritik zwar auf die richtigeren Umrisse zurückführen darf, ohne des Dankes zu geschweige«, den sie ihm für die Reichhaltigkeit des zu Tage geförderten Materiales schuldet. Ritsons Sammlung bildet den werthvollen Grundstock der neuesten, begreiflicherweise noch vollständigeren Gesammtausgabe der Robin lhood - Poesien, * Eine der ältesten Ausgaben soll die im Jahre 1670 bei T. Eoles, w. Vere und I. Wright erschienene sein. Ritson scheint diese nicht gekannt zu haben und führt als die älteste ihm bekannte die bei I. Tlark, w. Thackeray und Th. j)assenger im Jahre 1686 gedruckte an; eine der letzten in London aufgelegten führt den Titel: „Vobin Hood8 §arland bein§ a complete bi- storzt 3.11 tbe notable and merr^ sxxloits xertormed bim and bi8 men on man^ occ38ion8 . Io wbicb 18 added 3 pretace §ivin§ a more kull and xarticular account ot bi8 biitb etc.: tban an^ bitberto x>ub1i8bed." " a. a. O. Ich Min8trel8j7 ok tbe 8cotti8b Vorder. -f-j-f Vodin Hood: a collection ok all tbe ancient xoems, 8on§s and dal- 1ad8, now extant relative to tbat celebrated Vn§Ii8b Outla^v. To ^vbicb ars xretixed lii8torical anecdot68 o5 bi8 live. ^o8exb Vit8vn, Vsgu. Lecond Vdition. London 18^2. 2 Bde. Die erste Auflage erschien 1795. IZ* — iy6 — welche I- w. Gutch* im Jahre 1847 ans Licht treten ließ und mit gediegenen, auch in unserer Darstellung dankbar be¬ nützten historisch-kritischen Beigaben bereicherte. Ueber Werth und Bedeutung dieser Dichtungen in ihrem Heimatlande läßt sich die bewährte Stimme Allan Cunning¬ hams** wie solgt vernehmen: „Diese Balladen irr ihrer unge¬ künstelten Anschaulichkeit werden Manchem vielleicht roh er¬ scheinen. In der That müssen wir zugestehen, daß dieselben öfters wenig wohllautend sind und jenes Tonfalles entbehren, welchen der Äritiker heutzutage wünschen muß; aber in jener Zeit, als sie entstanden, war das Auge noch nicht, wie jetzt, auf den Richterstuhl berufen, und das Ghr begnügte sich, da Musik ohne störendes Uebergewicht die Worte begleitete, mit einer gewissen Übereinstimmung der Töne. Der Balladen¬ sänger war demnach minder besorgt um den Fluß der Worte, die Richtigkeit des Silbenmaßes und den Reinklang der Reime. Seine Dichtungen, an denen sich unsere Vorfahren wahrhaft ergötzten, klingen rauh und herb für das verwöhnte Ghr der Neuzeit, denn unser Geschmack ist empfindlicher in Sachen der Reinheit und des Wohlklangs der Töne. Sie sind aber reich an Handlung und rein menschlichem Charakter; sie spiegeln die Sitten und Gefühle ferner Zeiten wieder; sie zeichnen Manches, was der Maler nicht ausführte, und der Geschichtschreiber übersah; ohne verletzende Bitterkeit spricht ans ihnen die Empfindlichkeit gegen Unbill und Unrecht im öffentlichen wie im Privatleben; ja, sie schwingen sich bis¬ weilen in die höheren Regionen der Phantasie empor und * Ihteli §e8te ol Loirin Hede ^vitli etiler 3ncient ei: modern il3.1l3.d8 unči 50NA8 rel3tm§ to tliis eelei)r3t6d ^som3n to vvilicil is preüxed ins Inster^ 3nd c1i3r3cter Arounded upon etiler doeuments tinn tilv86 w3.de U8e of di8 kermer dio§r3piler öliger Lit8on. Ldited i>^ . öl. Sutcii, L. 8. Aufsatz: „Ledin Hood8 L3.II3.d8" in Anights Ltore ok 197 liefern Gemälde im echten Geiste der Romantik. Ein un¬ widerstehlicher Drang zum Kampfe, der ihnen nur Spiel scheint; Verachtung gegen Alles, was hinterlistig und feig, Liebe für Alles, was frei, mannhaft und warmherzig ist; Haß gegen alle Unterdrücker, seien es Priester oder Laien, und Hinneigung zu allen Jenen, welche die wahre Lustigkeit in Wort und Thal lieben: das sind die Eigenschaften, durch welche die Robin Hoods-Balladen sich auszeichnen. Der per¬ sönliche Lharakter, so gut wie die Geschichte des kühnen Ge¬ ächteten ist jedem Verse ausgeprägt." Bei solchen Eigenschaften ist die ungemeine und an¬ dauernde Beliebtheit und Verbreitung dieser Lieder durch alle Gesellschaftskreise Englands erklärbar. Jedes Handwerk wollte sein eigenes Robin Hood - Lied besitzen, und so finden wir den Helden im Zusammentreffen mit einem Gerber, einem Töpfer, einem Fleischer, einem Schäfer, einem Färber, einem Kesselfiicker u. A. m. Manche dieser Balladen mag gelegen- heitlich für ein anderes Handwerk zurecht gemodelt worden sein, wie denn auch im Deutschen beispielsweise das hübsche Lied vom„Zimmergesell" und „der jungen Markgräfin"* ander¬ weitig auch von einem Schuhmacher-, einem Schmiede-, einem Schneider-, einem Bäcker-, einem Büttner-, einem Schlosser-, einem Tischlergesellen, endlich auch von einem Schreiber ge¬ sungen wird; und wie hier die verschiedenen Handwerke um die genossene Gunst einer schönen und vornehmen Frau wett¬ eifern, so geizen sie dort nach dem Ruhme, sich durch einen der Ihrigen mit Robin Hood im Kampf gemessen, diesen be¬ siegt und allenfalls tüchtig durchgebläut zu haben. Es bleibt ein schöner Aug im volksgemüthe, daß es in Lied und Ueberlieferung seine Helden möglichst emporzuheben, » vgl. A. Simrock's deutsche Volkslieder in der non ihm herausgegebenen Sammlung der „deutschen Volksbücher". iy8 auszuschmücken und zu veredeln bestrebt ist. Indem es hier¬ bei nicht ansteht, Thaten und Erlebnisse anderer Berühmt¬ heiten auf seine Lieblinge zu übertragen, diese in die Um¬ gebung edlerer Personen, auf den Boden einer interessanteren Zeit zu stellen, ihr Andenken in seine Feste und Gebräuche zu verweben u. s. w., geräth es freilich mit der historischen Gewissenhaftigkeit hier und da in arge Konflikte. Daß solche auch bei den Volkstraditionen über Robin Hood mannigfach ob¬ walten, wurde bereits nachgewiesen. In solchen Fällen wird es dann wieder die Aufgabe späterer Kritiker, in ihren For¬ schungen auf die Urgestalten zurückzugehen und den echten historischen Kern aus dem poetischen und traditionellen Schmuck- und Beiwerk zu lösen. In dieser Richtung sei auf A. Kuhns* interessanten versuch hingewiesen, die mythische Gestalt Robin Hoods aus der Rolle, die ihm bei den Weihnacht- (Lbristiuas) und Frühlingsfesten und anderen Volksgebräuchen zugewiesen ist, zurückzuführen auf Wodan als „Gott des Frühlings, der den Sommer bringt", dem aber auch die Zeit der Winter¬ sonnenwende geheiligt gewesen. Nag immerhin rücksichtlich einzelner Daten über Robin Hood einiger Widerspruch zwischen Historie und Poesie be¬ stehen, so stimmt doch mit dessen Lharakterbilde im großen Ganzen, wie es die Geschichte aufstellt, die Zeichnung des Helden in der Volksdichtung wesentlich überein; diese ergänzt jenes und führt es in einzelnen Zügen noch sorgsamer aus. Ein Beschützer der Armen und Schwachen, ein Feind der Unterdrücker ist er auch hier; seinem König ergeben in Treuen, schwingt er doch die Waffe gegen dessen Beamte und Höflinge als Feinde seines Volkes; bis zum Uebermaße fromm und gottesfürchtig, läßt er sich doch nicht aus Respekt vor dem ' Siehe dessen Aufsatz: „Wodan" im V. Bd. der Zeitschrift für deutsches Alterthum, herausg. von Moritz Haupt. 1845. IYY geistlichen Talare abhalten von Angriffen auf hochmiithige Bischöfe und geldgierige Prälaten des Eindringlingstammes. Zäh und fest im Unglück, an Entbehrungen gewohnt und diese mit guter Laune ertragend, zeigt er sich als echter Lebe¬ mann und großmüthiger Spender im Glück und Ueberfluß, immer munter und schlagfertig, gutherzig und voll des frischesten aber mitunter sehr derben englischen Humors. Lin trefflicher Bogenschütze weiß er jedoch auch das Schwert und die Stange, den Langstab (guarterstull), ja im Nothfalle auch die Faust trefflich zu führen. In seiner Hand wird der Stock geadelt und zur ritterlichen Waffe erhoben. Im Walde wider¬ hallt es von Schlägen, die der Held reichlich austheilt, aber fast noch reichlicher empfängt; denn ungleich andern immer siegreichen Helden der Kunst- und Volkspoesie, vor deren bloßem Anblicke schon die Feinde bewältigt niederstürzen, läßt ihn das englische Volkslied sehr oft als Besiegten und jämmer¬ lich Durchgexrügelten erscheinen, sei es daß die Volksdichtung, diesen Zug von Naturwahrheit festhaltend, ihren Liebling der allgemeinen menschlichen Hinfälligkeit nicht entkleiden und ihn dadurch dem Auditorium näher rücken wollte, sei es daß sie ihn absichtlich den Schwächer« spielen läßt, um seine Gegner zu Anhängern zu werben und sie in die Herrlichkeiten des Waldlebens einzuführen. Dieses Wald - und Iagdleben, von dessen Reizen uns die Balladen mit wenigen aber kräftigen Pinselstrichen ein so naturwahres Gemälde entwerfen, hat nichts gemein mit der weichlichen Kunstblumenpoesie modern¬ ster Waldseligkeit. Hier trägt der Wald noch seinen alten großartig einfachen Charakter; in seinem ehrwürdigen, noch ungelichteten Dunkel, in seiner knorrigen Urwüchsigkeit und erhabenen Wildheit ist er das Asyl der verfolgten, die Schule freiwilliger Entbehrung und Kraftübung, aber auch die Hei¬ mat der wettergehärteten Gesundheit und Ulaunesfreiheit. Das Leben des Helden schließt in Geschichte und Dichtung mit tragisch erschütternder Wirkung ab; der andächtige ver- 200 ehrer der heiligen Jungfrau, der Mann, welcher nie einer Frau ein Leides that oder anthun ließ, findet in einem Frauen¬ kloster seinen Untergang und verblutet unter den Händen eines Weibes, dessen christlicher Beruf es war, ihm Hülfe zu leisten, die er vertrauensvoll gesucht hatte. Die erklärbare Anziehungskraft, welche von einer solchen Heldengestalt ausgeht, rechtfertigt wohl auch den Wunsch, diese in treuem Spiegelbilds der deutschen Lesewelt vorzu¬ führen; ja, so mächtig war diese Anziehungkraft, daß der Uebersetzer selbst durch die warnende Stimme Talvj's, welche die Robin Hoods-Balladen bei ihrem vorwiegend „lokalen Ge¬ präge, so durchwirkt mit Vrts- und Gewerbsnamen" für „ganz unübersehbar" erklärt, von dem Unternehmen sich nicht abschrecken ließ. Bei dessen Ausführung aber mußte es als die geeignetste Form erscheinen, die getroffene Auswahl der dichterisch anziehendsten Stücke wo möglich in ein auch inner¬ lich zusammenhängendes Ganzes zu vereinigen und diese sprachlich und zeiträumlich so geschiedenen, nur in der Ver¬ herrlichung ihres Helden übereinstimmenden Produkte des dich¬ tenden Volksgeistes zu einem abgeschlossenen, einheitlichen Lebensbilds zusammenzufassen. Diese Aufgabe fest im Auge behalten, war auch die Art der Behandlung des verfügbaren Materiales von selbst vorgezeichnet. Bei aller gewissenhaft beobachteten Treue gegen Geist und Wort der (Originale, war doch in der Zusammenstellung der Linzeltheile des Gemäldes ein gewisses Maß von Freiheit unentbehrlich. Schon in der Reihenfolge der einzelnen Stücke mußte der Uebersetzer von den Herausgebern des englischen Urtextes abweichen, da diese die Aneinanderreihung nach deren sprachlichem Alter durchführten, während in der deutschen Auswahl die geschilderten Momente am rechten Vrte an den Lebensfaden des Haupthelden anzu- kniipsen waren; dort war die philologische, hier die historische Chronologie maßgebend. Manche dieser Lieder aus der spä¬ teren Zeit beginnen, dem gewerbmäßigen Charakter der vor- 201 tragenden volkssänger entsprechend, mit einer einladenden An¬ sprache an das Publikum* oder mit einer kurzen Inhalts¬ angabe des zum Vortrag kommenden Liedes, das in der Regel als ein abgeschlossenes Stück selbständig für sich gelten mochte. Die Festhaltung der Einheit und des Zusammenschlusses der verschiedenen Balladen erforderte es, in unserer Sammlung derlei störende Eingänge ebenso zu beseitigen, wie die in einigen Liedern vorkommenden, meist auch unübersetzbaren Kehrreime (R.etraius),** welche doch nur für den Gesangsvor¬ trag erheblich, hier aber nicht minder störend wären. Kenner des Volksliedes wissen aus Erfahrung, und die so häufigen Varianten, namentlich in beliebteren Volksliedern, beurkunden es, wie mannigfaltigen Aenderungen, Zusätzen, Erweiterungen und Weglassungen das Volkslied im mündlichen vortrage unterworfen ist. Einem geübten Blick und Gefühl sind derlei Stellen leicht erkennbar und theilweise Kürzungen, Ergän- Und seinem rvackern Alein John." oder: Auf meine Erzählung Acht, N)ie Robin Hood den Bischof bedient Und um sein Gold gebracht." oder: „'Witli a bszf äawn, äo^vn, a äown, äown." u. s. w. 202 zungen und Abrundungen, wenn mit Takt und Maß, mit Gewissenhaftigkeit und am rechten Grte vorgenommen, gewiß ein nicht unerlaubter versuch zur Wiederherstellung des Ur¬ sprünglichen. Dabei ist der Uebersetzer jedoch sich bewußt ge¬ blieben, auch hier jene gewissenhafte Achtung und Treue vor dem echten Volksliede bewahrt zu haben, welche ihm bereits bei einer früheren Arbeit ähnlicher Richtung* als strenge Richtschnur diente. Die Gegenwart kennt nicht Acht und Bann, wenigstens nicht in den schroffen Formen und Wirkungen der Vorzeit; sie hat keine Geächteten und Friedlosen, und die etwa als solche sich Fühlenden sind es doch nicht in dem Sinne jener früheren Tage. Aber auch die Neuzeit kennt inmitten ihrer kämpfen¬ den Gegensätze noch immer jenes unwiderstehliche verlangen, jene tiefe Sehnsucht des Menschenherzens, welches aus der Atmosphäre zählender Neugestaltungen, aus den Wahlstätten ringender Ideen und Parteien, aus dein verwirrenden Durch¬ einander ihrer Feldrufe, aus dem Unbestand der Tages¬ meinungen unbefriedigt hinaus drängt nach einem Momente der Selbstsammlung und Erfrischung, nach einem, wenn auch nur augenblicklichen Ruhepunkt und Halt, welchen ihm das nach ewig unveränderlichen Gesetzen sich bewegende Leben der Natur in seiner Ruhe, Alarheit und Stätigkeit zu bieten ver¬ mag. In solchen Stunden und in solcher Stimmung war es, daß der Herausgeber dieser Blätter im Geiste an der Hand des alten Geächteten und Friedlosen, Robin Hoods, in die Wälder Altenglands wanderte und im Schatten ihrer stäm¬ migen Eichen das Mosaikbild zusammenstellte, welches in diesem Büchlein der deutschen Lesewelt vorliegt. Möchte es gelungen sein, in der aus mitunter sprödem Gestein zusammen- gefügten Arbeit die ragende Gestalt des Helden und den * Volkslieder aus Arain. Uebersetzt von A. Grün. Leipzig 1850. — 2OZ — frischen Schmelz des grünen Waldgrundes dem Urbilde ähn¬ lich hier wiedergegeben zu haben! Dann wird auch durch diese Blätter ein Ton ziehen, als ob von ferne der nie ganz erfolg¬ lose Waldhornruf Robin Roods erklänge und den deutschen Leser, nicht ohne auf dessen nachträgliche Zustimmung zu hoffen, freundlich einliide zu einem Gange in die erfrischenden Schatten, zu einem Stündchen Aufenthalt „im lustigen grünen Wald". Robin Hood. Robin Hoods Geburt. illie war stark von Gliederbau Und edler Ahnen Sohn, Zum Grafen Richard kam er einst Und dient' um Kost und Lohn. Graf Richard hatt' ein Töchterlein, Wie eine Lilie zart, Sie schlossen ihren lserzensbund Nach echter Liebcsart. Es fiel aus eine Sommernacht, Das Laub war schön und licht, Da traf Willie sein Fräulein hold Allein im Waldesdicht. „M Willie, mein Gewand ist eng, Das sonst mir war so weit! Fort ist mein schönes Wangenroth, Mein Stolz zu andrer Zeit! 208 Erfährt mein Oater nur ein Wort, was zwischen uns gescheh», Er äße nicht, und er tränke nicht, Bis er dich hängen gesehn. Doch komm' zu meinem Kämmerlein, Mann sich geneigt der Tag, Und nimm in beide Arme mich, Daß ich nicht fallen mag." Und als der Tag zur Neige ging, Kam er an ihr Kämmerlein, Da blickte sie zum Fenster aus Im Hellen Mondenschein. Sie schlüpft' ins Kleid von Scharlach roth Wohl ohne Furcht und bsarm, Und Willie, stark von Gliederbau, bsob sie in seinen Arm. Sie gingen in den grünen Wald, Und eh' die Nacht entflohn, Gebar sie zwischen grünem Laub Ihm einen schmucken Sohn. Die Nacht verstrich, der Tag begann, Die Sonne brach hervor, Da fuhr Graf Richard aus dem Schlaf Und raffte sich empor. 209 Er rief nun seine rllst'gen Leut'/ Wohl einen, zwei und drei: „Was ist's mit meiner Tochter lieb, Daß sie nicht kommt herbei? Ich träumte bösen Traum heut Nacht, Gott geb', es ende gut! Ich sah im Traum die Tochter lieb Ertränkt in der Salzsee Fluth. Doch ob sie krank sei, ob sie todt, Und ob sie sei geraubt, Ich schwör' den Eid und halt ihn treu, All' hängt ihr ksauxt bei Lsauxt!" Sie suchten hier, sie suchten dort, Sie suchten auf und ab Und fanden sie, wie im grünen Wald Dem Kind die Brust sie gab. Er nahm das Anäblein auf den Arm Und küßt's mit zärtlichem Muth: „Und hängt' ich deinen Vater gern, Doch blieb ich der Mutter gut." Er küßt es aber- und abermal: „Ich heiße dich Enkelein, Und Robin ksood im grünen Wald, Das soll dein Name sein." -Anast. Grün's Werke V. 14 210 Manch Liner singt vom Gras, vom Gras Manch Liner vom Rorn im Feld, Manch Liner, der singt von Robin Hood, Weiß nicht, wo er kam zur Welt. Das war nicht in der Hall, in der Hall Nicht im Saal, von Farben bunt, Ls war im lieben, grünen Wald, Wo die Lilien blüh'n im Rund. Robin b)oods Gang nach Nottingham. Ein prächt'ger Bursch war Robin tfood Und fünfzehn Winter alt, Ein muthig kserz war Robin Nood Und hoch und schlank von Gestalt. Robin, der wollt' nach Nottingham, Zur Mahlzeit dort zu sein: Auf fünfzehn Förster stieß er da Bei Bier und Ale und Wein. „was Neu's? was Neu's?" frug Robin hood, „„was willst für Neuigkeit? Der König schrieb ein Schießeri aus."" „Mein Bogen ist bereit." „„Vas brächt' uns Schande,"" sprachen sie, „„Solch Bübchen an dem Tag Dor'm König mit dem Bogen zu sehn, Den kaum es spannen mag!"" -4* 2 I 2 „Ich wett' euch zwanzig Mark," sprach er, „Mit Gunst der heil'gen Maid, Ich treff' das Ziel und säll' den Hirsch Auf hundert Ruthen weit." „„Wir wetten zwanzig gegen dich, Mit Gunst der heil'gen Maid, Du triffst kein Ziel, fällst keinen Hirsch Auf hundert Ruthen weit."" Robin spannt seinen Bogen gut, Sein breiter Pfeil entschnellt; Er trifft auf hundert Ruthen weit Und hat den Hirsch gefällt. Man stritt, ob der drei Rippen brach, Gb eine oder zwei; Der Pfeil blieb haften nicht daran, Doch streift' er zwei bis drei. Der Hirsch sprang aus und schnellt' empor, Der Hirsch lag auf dem Grund. „Die Wett' ist mein!" rief Robin Hood, „Und gält' es tausend Pfund." „„Sie ist nicht dein!"" die Förster drauf, „„Hast dich zu früh gefreut! Nimm deinen Bogen, pack' dich heim, Sonst wird dein Fell gebläut."" — 2IZ — Robin nahm seinen Bogen.rasch Und nahm die Pfeile mit, Er lächelte still, er lachte lant, Als hin durchs Feld er schritt. Robin spannt seinen Bogen gut, Läßt fliehn die Pfeile scharf, Bis von den fünfzehn Förstern er Vierzehn zu Boden warf. Nur feuer, der den Streit begann, Lief noch die Flur dahin, Doch Robin spannt den Bogen gut Und überholt auch ihn. „Ihr sagtet, daß kein Schütz' ich sei; Gb ihr das jetzt noch glaubt?" Da schnellt er ab noch einen Pfeil, Der spaltet ihm das Haupt. „Nun bin ich euch als Schütz' erprobt, Drob manche Frau wohl klagt; Das Wort: den Bogen spann' ich kaum, Jetzt wünscht sie's ungesagt." Aus Nottingham lief alles Volk Und strömt im Wahn herbei, Daß von den Förstern, die jetzt todt, Kühn Robin gefangen sei. — 214 — Noch Mancher kam nm Arm und Bein, Und Mancher wurde kalt; Doch Robin mit seinem Bogen schritt Zum lust'gen, grünen lvald. Die Förster brachte man zur Stadt, Me's Mancher dort gedenkt; Am Rirchhof hat in einer Reih' Man sie ins Grab gesenkt. Robin hood und John Alein. Naum zwanzig Jahr war Robin alt, Als sich John Klein ihm fand, Ein muntres Blut, fürs Handwerk gut, „Bitt' euch, bleibt hier im Hain, Merkt auf den Schall des Horns mir All', Zwei Wochen keine Kurzweil gab's, Drum seh' ich jetzt mich um; wenn ich bedrängt und eingeengt, Dann bleibt mein Horn nicht stumm." 2l6 Er einen Fremdling sand. Auf schmaler Brücke standen sie, Der Fremdling schnell: „„Ich walk' dein Fell, Rührst du den Strang nur an!"" r^Du sprichst wien Esel!" versetzt Robin, Durchs Herz so stolz fliegt dir mein Bolz, Bevor du ballst die Hand." „„Du sprichst wie'n Feigling,"" Jener drauf, „„Bist mit Geschoß bewehrt, Durchbohrst mit Lust des Gegners Brust, Dem nur ein Stab bescheert."" „Nie heiß' ich Feigling!" rief Robin, „Den Bogen schleudr' ich weit; Lin Stab bewähr' auf dein Begehr Mir deine Tapferkeit." Im Busch den braunen Lichenpflock Erlas sich Robin Hood; 217 „Vieh, hier mein Stock ist schwer und zäh, Die Wahlstatt sei der Steg; Besiegt soll sein, wer fällt hinein, Dann ziehn wir unsern Weg." „„von Herzen gern!"" der Fremdling drauf, „„Ich weich' nm keinen Strich."" Dieß wörtlein blos, dann geht es los, Die Stecken schwingen sich. Robin gibt ihm den ersten Schlag, Daß jeder Knochen klingt; Der Fremdling sprach: „„Das zahl' ich nach! Ich geb's, so gut ihr's bringt. So lang den Stock ich schwinge, Freund, jdfui, wenn ich dein Schuldner blieb'!"" Drauf ging's von vorn, als dräschen sie Korn, Nit Wucht fiel Hieb auf Hieb. Der Fremdling klopft' auf Robins Haupt, Daß Blut entquoll sogleich. Robin in Hast, von Zorn erfaßt, Ließ wettern Streich auf Streich. Er schlug auf ihn wie Hagelschlag So dicht, so schwer und jäh, Daß Dampf anftrieb von jedem Hieb, Als ob in Brand er steh'. Hei! da ergrimmt der Fremde wild, Wirft einen Blick voll Wuth, Führt einen Schlag, und Robin lag Geschleudert in die Fluth! 2l8 „„Sag' an, Gesell, wo bist du nun?"" So höhnt der Fremdling ihn; Rühu Robin spricht: „Mein Lid, im Bach! Im Strome treib' ich hin. Du bist ein tapfres Herz, fürwahr, Und Friede sei gemacht! Gern stimm' ich ein: der Tag ist dein, Zu Lnd' ist unsre Schlacht." Lr watet ans Gestad und schwingt Sich auf am Hagedorn Und bläst alsbald, daß laut es schallt, In sein vielliebes Horn. Das Echo durch die Thäler flog, Die Schützen rief der Rlang; Im Grüngewand, das prächtig stand, Den Meister suchten sie bang. „„was ist hier los?"" frug will Stuteley, „„Meister, wie naß ihr seid!"" „Nichts ist hier los, dieß Bürschlein blos warf mich hinein im Streit." „„Das sei vergolten!"" drohten sie Und tauchten gern ihn ein; Robin rief schnell: „Halt! der Gesell Ist brav, drum laßt es sein! von Reinem fürcht' ein Leides, Freund, Die Schützen sind mein Schutz, Wohl sechszig und neun; ei, werde mein, Du trägst dann gleichen Putz. — 2 ly — Trägst, was dem Mann an Rüstung frommt; Sprich frei, mein Junge, sprich! Ich lehr' dann auch des Bogens Brauch, Den Schuß aufs Damwild dich." „„Topp!"" rief der Fremdling, „„Hand darauf! Ich dien' euch mit Herz und Haupt, Bin rühriger Hand, John Klein genannt, Spiel' meinen Part, das glaubt!"" „Den Namen ändern wir!" sprach Will, „Als pathe tret' ich ein. Bestellt ein Mahl, doch nicht zu schmal, Und laßt uns fröhlich sein!" Sie holen ein paar fette Hirsch' Und Trank, der feurig rinnt, Sie lieben was gut! — So in Maldeshut Tauft man das holde Rind. Das mißt zwei Ellen um den Leib, Ist lang blos sieben Schuh: Ein Püppchen schwach! Rühn Robin sprach Das Taufgebet dazu. Im Rreise stehn die Schützen all', Aus Nottingham entstammt, Mit sieben Mann kommt Stutelep dann Und übt sein pathenamt. „Dieß Rnäblein," sprach er, „hieß John Klein, Nun tauscht des Namens Rlang, versetzt die Wort': er heißt sofort Klein John sein Lcbenlang." 220 Da jubelt's daß die Luft erbebt, Und nach der Taufe zog Die Schaar zu Tisch, wo froh und frisch Den edlen Trank sie sog. Robin staffirt das Knäblein aus Vom Scheitel bis zum Schuh, In grün Gewand, das prächtig stand, Den Bogen schmuck dazu. „Tin Schütze sei, den Besten gleich! Durchstreif' mit uns den Wald; Uns fehlt nicht Gold, so lang's noch hold In Bischofsbörsen schallt. Wir leben Lords und Rittern gleich Auch ohn' ein Fußbreit Land, Wir tafeln hier bei Wein und Bier Und jeden Wunsch zur Hand." Ulnsik und Tanz beschließt den Tag, Die Sonne senkt den Lauf, Die Schaar auch sucht in Waldesschlucht Die Lagerstätten auf. John Klein jedoch, so groß er war, Hieß, seinen: wuchs zum Hohn, Seit dieser Stund' in aller Nlund Sein Lebtag nur Klein John. Robin Hood und 2Raid RIarian. Ein lieblich Kind von edlem Geschlecht, Maid Marion war sie genannt, Sie lebte im Nord, von Ritter und Lord Gepriesen im ganzen Land. An Anmut wich die ländliche Maid Wohl keiner Königin, In zärtlicher Gluth warb Robin ksood Um sie mit treuem Sinn. Die rothen Lippen trafen sich, Ein Sinn nur waren Allbeid', Wo sie sich sahn, ein süß Umfahn In Lieb' und Einigkeit! Das Glück doch blieb nicht lange hold Und schied die Liebsten bald; Mit traurigem Muth schritt Robin bsood Aum lustigen, grünen Wald. 222 Marian, die Arme, um den Freund In Klagen sich verzehrt, Rust ihn zurück mit Thränen im Blick Und preist nur seinen Werth. In Leid und Gram statt Frau'ngewands Nimmt sie ein Pagenkleid Und streift im Wald, zu finden bald Den Bravsten seiner Zeit. Mit Köcher und Pfeil, mit Schwert und Schild Gar mannhaft kühn bewehrt, So zieht sie dahin und sucht Robin, Der mehr als Gold ihr werth. Robin doch trug Verkleidung selbst, Als Gegner stehn die Zwei, Robin empfand bald, wie gewandt Der Feind in Hieben sei. Sie zogen das Schwert und fochten fort Ein Stündlein, wenn nicht mehr, Bis Blut ihm dicht rann übers Gesicht, Und sie verwundet war schwer. „Halt ein, halt ein!" rief Robin Hood, „Sei meiner Schaar ein Glied, Leb' in lvaldeshnt mit Robin Höod Beim Nachtigallenlied." 22Z Marian, als sie die Stimme hört, Wirft die Verkleidung fort, Mit holdem Gruß, mit süßem Ruß Erwidert sie sein Wort, Als Robin seine Marian sah, Herr Gott, welch seliger Tag! Lin endlos Umfangen, ein Streicheln der Wangen, Und dann welch herrlich Gelag! Klein John, den Bogen flink zur Hand, Durchstreift die Waldesbahn, Er geht zur pirsch auf den leckern Hirsch Für Robin und Marian. In grüner Schattenlaube stand Lin köstlich Mahl bereit, Mit Wildxret zart ward nicht gespart Und nicht mit Lustbarkeit. Am Tisch die großen Humpen voll Wein, Sie kreisten fröhlich im Rund, Der stärkende Sekt, der die Rücken streckt, Wenn Kniee sich senken zum Grund. Jetzt hob auf der Geliebten Heil Robin sein Glas empor, Die Schiitzenschaar, so bunt sie war, Stimmt freudig ein im Lhor. - 224 — Mit munt'rem Sinn erhoben sie Die Becher all' zur Hand, Nach jedem Zug sind sie im Flug Gefüllt bis an den Rand. Und nach dem Fest lustwallten sie Im grünen Wald aufs Neu, Allwo Ulein John und Maid Marion Lang dienten Robin treu. So lebten sie voll Fröhlichkeit In lustiger Schützenschaar Wohl ohne Land von der eignen Hand Und lebten so manch Jahr. Robin Hood und der Töpfer. b Im Sommer, wenn das Laub so frisch, Voll Blüthen jeder Ast, Gar lustig tönt der Vöglein Sang In schattiger lvaldesrast. Der Besten Einer war Robin, Die Bogen je gestrammt; Hu Ehren unsrer lieben Frau Ehrt' er die Frau'n allsammt. Der Freisaß gut stand eines Tags In seiner lustigen Schaar, Da nahm er auf dem Weg vom Feld 'nen stolzen Töpfer wahr. Er rief: „Dort kommt ein Töpfer stolz, Der lang den Weg schon zieht, Doch einen jdenny Wegezolls Wit Art zu zahlen flieht." Anast. Grün's Werke V. 15 22b „„Ich traf zu wentbreg ihn,"" sprach John „„Verdammt sei er dafür, Lr gab mir Rippenstöße drei, Daß ich sie heut noch spür'! Um vierzig Schilling wett' ich euch Und zahl' sie diesen Tag, Daß Reiner von uns Allen ihm Lin Pfand entringen mag."" „Hier vierzig Schilling!" rief Robin, „Du sagst noch diesen Tag, Daß ich dem stolzen Töpfer wohl Lin Pfand entringen mag." Auszählten jetzt das Geld Allbeid', Lin Schütz' bewahrt es auf; Dem Töpfersmann entgegen eilt Robin in flinkem Lauf. Lr legt die Hand jetzt an sein Pferd Und heißt ihn stehn zur Stell'; Der Töpfer fragt mit kurzem Wort: „was willst von mir, Gesell?" „„Drei Jahre, Töpfer, sind's und mehr,. Daß du den weg hier ziehst Und einen Penny Wegezolls Ulit Art zu zahlen fliehst."" Der Töpfer frug: „wie heißest du, Der du nach Wegzoll fragst?" „„Mein Nam' ist Robin Hood, dem du Lin Pfand wohl nicht versagst."" - 227 — Der Töpfer rief: „Ich geb' kein Pfand, Noch zahl' ich Wegezoll; Die Land hinweg von meinem Gaul, Wenn dich's nicht reuen soll!" Zu seinem Karren trat er dann Und suchte drin nicht lang, Zog eine tüchtige Stange draus, Die auf Robin er schwang. Den Arm, geschützt von seinem Schild, Zückt Robin jetzt das Schwert, Der Töpfersmann ging auf ihn los: „Gesell, gib frei mein Pferd!" So trafen die zwei Männer sich. Ein Anblick schön zu sehn! Am Hügel unter einem Baum Die Leute Robins stehn. Klein John zu den Genossen sprach: „Der Töpfer hält gut Stand!" Da schlug der Töpfer raschen Hiebs Den Schild^aus Robins Hand. Bevor Robin,'zum Grund gebückt, Aufheben kann den Schild, packt ihn der Töpfer beim Genick Und wirft ihn aufs Gefild. Das sah von ferne Robins Schaar, Die in 'den Schatten stand Da rief Klein Iah"- „Dem Meister helft Aus jenes Töpfers Hand!" -5 228 Da fliegt die ganze Schiitzenschaar Herbei so schnell sie kann; Klein John doch srägt: „Nun, Meister, sprich, wer unsre Wett' gewann? Sind meine vierzig Schilling dein, Sind deine vierzig mein?" „„Und wären's hundert,"" ries Robin, „„Fürwahr, sie all' sind dein!"" Der Töpfer sprach: „Nicht ist's Manier, So meinen weise Leut', Daß arme Sassen auf dem weg Man aufhält und bedräut." „„Traun, du sprichst Wahrheit,"" rief Robin, „„Nach guter Freimannsart! Nie mehr, und zögst du täglich hier, Bedräu' ich deine Fahrt! Mich treibt's, nach Nottingham zu gehn, Willst du mein Helfer sein? Gib mir dein Kleid, nimm mein's dafür, Komm, geh' den Handel ein!"" „Gern brächt' ich dir," der Töpfer sprach'-, „Als guter Kundmann Glück; verkaufst die Töpfe du nicht gut, Kehr', wie du gehst, zurück." „„Nein, meiner Treu,"" versetzt Robin, „„Zum Pfand geb' ich den Kopf, So wahr ein Weib noch Töpfe kauft, Zurück kommt dir kein Topf!"" 22Y „Bedenk'," rief John und rings die Schaar, „Der Sheriff ist dir gram!" „„Umsonst! Im Schutz der heiligen Maid Zieh ich nach Nottingham."" So sprach Robin und zog ins Land Froh' mit der Töxferwaar'; Der Töpfer ließ sich's wohl ergehn Im Wald mit Robins Schaar. 2. Als Robin kam nach Nottingham, Die Wahrheit künd' ich treu, Sein jdferd spannt er vom Wagen aus, Gibt Hafer ihm und Heu. Er stellt im Mittelpunkt der Stadt Zur Schau die Waaren auf; „Rauft Töpfe! Töpfe!" schrie er laut, „Gebt Handgeld auf den Kauf!" Gerade vor des Sheriffs Haus Er seinen Standort nahm, Und Frau'n und Wittwen drängten sich Au kaufen seinen Kram. „Wohlfeile Töpfe!" schrie er laut, „Hier stehn ist nicht mein Hang!" Da sprach, wer ihn jetzt sah: „„Der Mann Treibt das Gewerb' nicht lang!"" 2ZO Die Töpfe, die fünf Pence wohl werth, Gibt er um drei sogleich; Und Mann und Weib stimmt überein: „Der Töpfer wird nicht reich!" So blieben von den Waaren all' Fünf Töpfe noch zur Schau; Er nimmt vom Wagen die und schickt Sie an des Sheriffs Frau. Die Frau sagt ihm gar schönen Dank Und war unmaßen froh: „Gern kauf' ich, wenn ihr wiederkehrt, von euren Töpfen so." Er rief: „„Die besten sind für euch, Schwör's beim dreieinigen Gott!"" Sie lud ihn in des Sheriffs Haus Ulit Art zum Ulittagsbrod. Als Robin in die Halle trat, Den Sheriff traf er hier, Der Töpfer kennt die Lebensart Und grüßt ihn mit Manier. „Seht, was der Töpfer uns verehrt, 'Fünf Töpfe, breit' und schmal'!" „„willkommen!"" sprach der Sheriff, „„nehmt Handwasser, dann zum Mahl!"" Sie saßen dort bei edler Rost, Dran sich der Gaum erfreut; Da sprach von einem Wettspiel groß Ein paar der Sheriffsleut'. — 2ZI — Von einem Schießen gut und fein, Bestimmt für nächsten Tag; Und vierzig Schilling stehn als Preis Für den, der siegen mag. Der stolze Töpfer saß ganz still, Im Sinn doch blicb's ihm stehn: „So wahr ein guter Christ ich bin, Dieß Schießen muß ich sehn!" Als sie bei Brod und Ale und Wein Getafelt gute Zeit, Ulit Pfeil und Bogen machten sie Zum Schießen sich bereit. Des Sheriffs Leute schossen gut, Me's guter Schützen Spiel, Doch blieb um halbe Bogenläng' Ein jeder sern vom Ziel. Der Töpfer, der bisher ganz still, Rief jetzt schier mit Verdruß: „V hätt' ich einen Bogen nur, Ich zeigt' euch einen Schuß!" „„Ihn haben sollst!"" der Sheriff sprach's, „„Den besten wähl' aus drei'n! Du scheinst ein stolzer, tüchtiger Bursch', Erprobt nun sollst du sein."" Nach Bogen schickt' er einen Mann, Der ihm zur Seite stand, Davon den besten jetzt Robin Mit einer Schnur bespannt. 2Z2 „Laß sehn, ob du, wie's Schützen ziemt , Bringst bis ans Ghr die Schnur?" Der Töpfer rief: „„So Gott mir Helf', Lin Kinderspiel ist's nur!"" Lr nahm aus einem Köcher dann Den besten Pfeil zum Schuß, Der flog ganz nah zum Zeichen hin, Ls fehlte nicht ein Fuß. Noch schießen all' die Sheriffsleut' Und Robin nach der Reih', Lr trifft das Ziel, sein Bolzen schießt Den Scheibenpflock entzwei. Da schämten sich die Sheriffsleut', Daß der den Preis gewann; Der Sheriff lacht und macht gut Spiel: „Du Töpfer bist ein Mann!" Der Töpfer sprach: „„Lin Bogen liegt In meines Karrens Hut; Das ist ein guter Bogen, traun, Hab' ihn von Robin Hood!"" „Kennst Robin Hood?" der Sheriff frug, „Bitt' dich, erzähl' davon." „„Ich schoß ihm am krummen Baum Zu Hundertmalen schon."" „Gern gäb' ich hundert Pfund, ich schwör's Bei dem dreieinigen Gott, Den Schelm hier neben mir zu sehn; Der Preis wär' mir ein Spott!" — 2ZZ — Der Töpfer sprach: „„Thut, wie ich rath'l Wollt kühn ihr mit mir gehn, Sollt morgen vor dem Friihmahl noch Den Robin Hood ihr sehn."" Der Sheriff schwur: „So will ich thun Bei dem dreieinigen Gott!" Drauf gingen sie vom Schießen fort Heimwärts zum Abendbrod. Frühmorgens wie der Tag beginnt, Bereit sind Mann und Pferd, Der Töpfer blieb' ungern zurück, Und rüstet sein Gefährt. Er sagt Lebwohl und Dank der Frau Für All', was er empfing: „Nehmt, holde Frau, und mir zu lieb Tragt diesen goldnen Ring." „„Vergelt' euch's Gott!"" die Fraue rief, „„Und mög' euch's wohl ergehn!"" Des Sheriffs Herz war freudenvoll Den schönen Wald zu sehn. Und als sie kamen in den Wald, Von grünem Laub umlacht, Im Busch die Vöglein sangen froh, Das war nur Lust und Pracht! „Hier lebt sich's fröhlich," sprach Robin, „wenn man zu zehren hat! Mein Horn sag' uns, ob Robin Hood Unfern von unsrem Pfad." 2Z4 Robin setzt an den Mund sein Horn, Das tönt so laut und voll, Im Walde hören's seine Leut' Und rennen her wie toll. Und als sie rings um ihn gereiht, Alein John sogleich hob an: „Nun sagt, wie ging's in Nottingham? Ging eure Waar' an Mann?" „„Es wachse dir,"" versetzt Robin, „„Darob kein graues Haar; Ich bringe hier den Sheriff euch Zum Tausch für unsre Maar'."" „Er ist willkommen!" sprach Alein John, „Du gibst uns Gutes kund!" Jetzt gäb', daß er ihn nie gesehn, Der Sheriff hundert Pfund: „Hätt' ich in Nottingham gewußt, Mas jetzt mir worden klar, Du kämst mir nicht mehr in den Wald Die nächsten tausend Jahr'!" „„Das glaub ich gern!"" versetzt Robin, „„Gott dank' ich, daß ich hier! Drum sollt ihr lassen uns das Pferd Und Bors' und Goldeszier. Ihr kamt hierher gar stolz zu Roß, Heim sollt ihr gehn zu Fuß; Doch eure Frau ist lieb und gut, Drum bringt ihr meinen Gruß. 2ZZ Den weißen Zelter send' ich ihr, Der wie der Wind hin flieht; Nur eurer lieben Frau zu lieb Nicht Schlimm'res euch geschieht."" Als heimwärts dann.der Sheriff kam, Willkommen hieß sie ihn: „Wie lebtet ihr im grünen Wald? Und singt ihr den Robin?" „„Zum Teufel ihn mit Haut und Haar! Er nahm mir Geld und Hab'; Nur diesen schmucken Zelter schickt Er dir als Ehrengab'."" Sie lacht hellauf und schwört bei Ihm, Den einst das Areuz beschwert: „Ihr habt die Töpfe nun bezahlt, Die Robin mir verehrt!" Im Wald zum Töpfer sprach Robin: „Nun schätze deine waar'!" Der sprach: „„Man gäbe wohl dafür Zwei Nobelstücke baar."" „Nimm hier zehn j)fund," sprach Robin Hood, „In Münzen gut und fein! Und wann du kommst zum grünen Wald, Willkommen sollst du sein!" Robin Hoods I^irchengang. ^m Sommer, wenn der Hain sich schmückt, Die Blätter breit und lang, Ist's eine Lust zu lauschen dort Im Wald dem Vogelsang; Zu sehn, wie vom Gebirg herab . Zu Thal die Hindin zieht Und unterem grünen Waldesbaum In kühlen Schatten slieht. Es fiel auf Pfingsten-Sonntag früh An einem Maientag, Die Sonne stieg in Glanz empor, Froh klang der Vögel Schlag. „Ein froher Morgen!" rief Alein John, „So wahr uns Christ befreit! So froh wie ich ist schier kein Mann In aller Christenheit! 2Z7 Auf, theurer Meister, frohen Linus Und freud'gen Herzens sei! Genieß' die Wonn' und Herrlichkeit Der Morgenstund' im Mai." „„Mich schmerzt das Line,"" sprach Robin, „„Und füllt mein Herz mit Weh, Daß ich an solchem Festtag nicht Au Mett' und Hochamt geh'. Seit ich zuletzt im Haus des Herrn, Awei Wochen find's, auch drei, Doch heut will ich nach Nottingham, Steht mir die Jungfrau bei."" „Awölf Männer nimm in Waffen mit!" Warnt Much, des Müllers Sohn; „Wer sich an dich, den Linzlen, wagt, Spricht doch nicht Zwölfen Hohn." „„Nicht Einen brauch' ich,"" rief Robin, „„Bleibt All' daheim, ihr Leut! Klein John nur meinen Bogen trag', Bis mich's zu schießen freut."" „Trag deinen Bogen selbst," sprach John, „Wie ich den meinen trag', Laß um den Penny schießen uns Zur Wett' im grünen Hag." „„Nicht gelt' ein Penny,"" sprach Robin, „„Als Weltpreis für uns zwei! Denn jedem Penny, den du hältst, Entgegen setz' ich drei!"" 2ZS So schossen sie auf Ast und Strauch Und schossen immer zu, Bis John fünf Schilling schon gewann, Grad recht auf Strumpf' und Schuh. Drob kam es unterwegs zum Streit, Bis Beide sich entzwein; Mein John, der prahlt mit seinem Sieg, Robin sagt kurzweg: nein! „Das lugst du," sprach Robin zu John Und schlug ihn mit der Hand, Da zog Alein John sein blankes Schwert, vom Jähzorn übermannt. „Wärst du mein Uleister nicht," rief John, „Du büßtest mir's gar schwer; Such' dir den Dienstmann, wo du willst, Mich hältst du nimmermehr!" So zog Robin gen Nottingham, Trübselig ganz allein, Alein John strich auf bekanntem Pfad Gen Sherwoods Forst waldein. Robin ging frei nach Nottingham, Da betet er mit Brunst, Daß ihn auch heimführ' heiler Haut Gott und der Jungfrau Gunst. Er kniet' in der Narienkirch' Zum Areuz am Hochaltar, Daß alles Volk ihn konnte sehn, Das in der Kirche war. 2ZY Ein Mönch (den Dickkopf strafe Gott!) An seiner Seite stand, Der hat, so wie er ihn erblickt, Alsbald Robin erkannt. Der Mönch nnn rann' in aller Hast Hinaus zur Kirchenthür Und ließ ganz Nottingham die Stadt versperren für und für. „Auf! stolzer Sheriff, mach dich auf! Des Königs Feind ist da! Mein eignes Äug' hier in der Stadt Den falschen Schelm ersah; Mein eignes Äug' sah bei der Meß' Ihn stehn im Gotteshaus, Doch dießmal ist's um ihn gescheh», Jetzt kommt er uns nicht aus. Der Bösewicht heißt Robin Hood Und wohnt im grünen lvald; Er raubte mir einst hundert Pfund, vergeß ihm's nicht so bald!" Hin zieht der Sheriff und mit ihm Gar mancher Mutter Sohn; Sie drangen in die Kirchenhall', Und ihre Knüttel dröhn. „Ach, dich vermiß ich jetzt, Klein John! Seufzt Robin hartbedrängt, Er zieht sein doppelhändig Schwert, Das bis ans Knie ihm hängt. 240 Und dreimal drängt er auf den Troß, Wo er am dicht'sten war, Verwundet mancher Mutter Sohn, Und tödtet zwölf der Schaar. Doch an des Sheriffs Kopf zersprang Das Schwert in Robins Arm; „Den Schmied, der dich geschmiedet hat, Den schlage Gott mit ksarm! Nun bin ich wehr- und waffenlos! Den Willen beugt die Noth; Entkomm' ich diesen Schurken nicht, So ist's gewiß mein Tod." Als Robins Volk die Nachricht hört, Zur Kirche läuft's hinein, Manch Einer fällt wie leblos um, Und liegt erstarrt zum Stein. Sie waren wie von Sinnen All' Bis auf Mein John, der sprach: „Jetzt, wo es gälte herzhaft sein, Euch so zu sehn, o Schmach! Der Meister, oft schon in Gefahr, Entkam stets ungekränkt; Wohlan, ermuntert euer lserz Und meiner Worte denkt! Er diente stets der heil'gen Magd, Wird dienen ihr allzeit, Drum bau' ich drauf, daß ihn ihr Schutz Von schnödem Tod befreit. 241 Seid heitren Sinns und frohen Muths, Und lasset Klag und Leid! Dem Mönche weis' ich seinen Weg Mit Hüls' der reinen Maid. Entfernt euch nicht von unsrem Baum Dort an dem schmalen Hang, Und sorgt derweil für edles Wild, Das streicht dieß Thal entlang." So hat Klein John mit Much allein Sich auf den Weg gemacht Und blieb im Elternhaus des Much, Der Heerstraß' nah, zu Nacht. Am Fenster stand des Morgens John Und blickt' ins Land hinein; Des Wegs geritten kam der Mönch, Mit ihm ein Page klein. „Bei meiner Treu," sprach John zu Much, „Ich sag' dir Zeitung gut, Den Mönch erblick' ich, reitend her, Ich kenn' den weißen Hut." Entgegen gehn dem Mönch die Zwei Mit Art und Höflichkeit Und fragen ihn nach neuer Mähr, Wie Freund' aus alter Zeit. „Woher des Weges?" frug Klein John, „Erzähl' uns neue Ding' Von einem Schelm, der Robin heißt, Und den man gestern fing. . Anast. Grnn's Werke V. r6 — 2^2 — Um zwanzig Mark hat er beraubt Einst mich und meine Leut', Und ist der schnöde Wicht in bfaft, G wie das uns erfreut!" „„Auch mich bestahl er,"" sprach der Mönch> „„Um hundert Pfund und mehr; Der erste legt' ich bfand an ihn, Ihr könnt mir danken sehr."" „Vergelte Gott euch's," rief Klein John, „Wie wir euch's gern gethan! Ist's euch genehm, ziehn wir mit euch. Geleitend eure Bahn. Denn Robin hat gar wildes Volk, Glaubt mir, ich spreche wahr, Und wiißt' es, daß ihr reitst hier, Es brächt' euch Todsgefahr." Und wie sie im Gespräche so Dahin des Weges gehn. Des Mönches Pferd faßt John am Zaum Und macht es plötzlich stehn. Des Mönches Pferd faßt John am Zaum Fürwahr, wie ich euch sag', So faßt auch Much des Pagen Pferd, Daß den's nicht weiter trag'. Am Kragen faßt' und riß Klein John Den Mönch herab zur Flur, Mit wenig Ehrfurcht warf er ihn Aufs kauxt sainmt der Tonsur. 24Z So zornentstammt war da Klein John, Daß hoch sein Schwert er schwang; Der Mönch ersah sein nahes End' Und schrie um Gnade bang. „Mein Meister war es," rief Klein John, „Den du ins Elend warfst, Doch nimmer unserm König du Die Botschaft bringen darfst!" John hieb des Mönches ksauxt herab, Da war's mit dem vorbei, Much that dem kleinen Pagen so, Daß der auch schweigsam sei. Dann gruben sie die Todten ein In Moos und bseide tief; Zum König trugen John und Much vereint des Sheriffs Brief. Und als Klein John zum König kam, Beugt' er das Knie sogleich: „Erhalte Gott euch, hoher bserr, Christ segn' euch gnadenreich!" Der Fürst erbrach und las den Brief: „„Sa wahr wir Keil erstehn! Im lust'gen England ist kein Mann, Den ich so gern gesehn! Der Mönch, der diesen Bries gebracht, G sagt mir, wo er weilt?"" „Traun, auf der Reise," sprach Klein John, „kiat ihn der Tod ereilt." 16* -44 Der König huldvoll zwanzig Pfund Den Beiden schenken hieß, Ernannt' als Königsschützen sie Und gnädig sie entließ. Lr gab an John sein Siegel auch, Dem Sheriff sandt' er's zu, Daß man ihm bringe Robin Hood, Doch Niemand Leids ihm thu'. Irr Nottingham das Stadtthor fand Klein John verschlösse,i fest, Lr rief den Pförtner, der nicht lang Auf Antwort harren läßt. „was hältst du so die Stadt versperrt?" Klein John zum Pförtner rief; Der Pförtner drauf: „„weil Robin Hood Hier liegt im Kerker tief. Und John und Much und Will Skadlock, Fürwahr, wie ich euch sag', Sie tödten unsre Leut am Wall Und necken uns alltag."" Zuerst den Sheriff sucht Klein John, Der sich gar schleunig fand; Des Königs Siegel zeigt er ihm Und legt's in seine Hand. Als das Sigill der Sheriff sah, Den Hut gleich zog er ab: „Wo blieb der Mönch, dem ich den Brief An unfern König gab?" 245 „„Des Königs Gunst schenkt' ihm,"" sprach John, „„Lin Loos ganz sorgenfrei, Lr macht' ihn zu Westminsters Abt, Zum Lord von der Abtei."" Der Lheriff gab ein Mahl den Zwein, Den besten Mein dazu, Des Abends gingen sie zu Bett Und Jedermann zur Ruh. Und als vom Wein und Bier berauscht Der Sheriff lag im Traum, Da stiegen sie, Klein John und Much, Hinab zum Kerkerraum. Klein John der rief den Schließer auf: „vom Bett raff' dich empor! Denn durchgebrochen ist Robin, Entwischt hinaus zum Thor." Der Schließer springt vom Lager auf, Sobald er hört den Ton; Doch rasch mit seinem Schwerte spießt Ihn an die Wand Klein John. „Nun will ich Pförtner sein," sprach John, Die Schlüssel in der Hand. Zu Robin Hood lenkt er den Schritt Und löst sein Fesselband. Gr reicht ein gutes Schwert ihm dar, Sein Haupt zu schirmen frei; Und wo die Mauer nicht zu hoch, Entspringen alle drei. — 24Ü — Da hob der Hahn zu krähen an, Die Nacht begann zu fliehn; Der Sheriff fand den Schließer todt, Lärmglocken ließ er zichn. Und rufen ließ er's durch dis Stadt: „Unecht oder Freier sei's, Wer mir den Robin bringt zürück, Empfängt gar hohen Preis! Denn nimmer wieder darf ich sonst Dem Uönig vors Gesicht, Und wollt' ich's wagen, sicherlich Dem Strick' entging' ich nicht." Der Sheriff sucht in Haus und Stall, Durchsucht die ganze Stadt; In Sherwood doch war Robin längst, Frisch' wie am Baum das Blatt. Da sprach Klein John zu Robin Hood: „Mit einem guten Streich Hab' ich den schlechten dir bezahlt: Kannst du's, so thu' mir's gleich! Mit gutem Streich hab' ich bezahlt Den schlechten, wie ich's sag', Hab' dich gebracht zum grünen Wald, Fahr wohl und guten Tag!" „„Nein, meiner Treu," sprach Robin Hood, „„So darf es nicht geschehn! Du sollst der Meister sein von mir Und Allen, die hier stehn."" 247 - — „Nein, meiner Treu," versetzt Klein John, „So komm' es nimmermehr! Ich bleib euch ein Genosse gut, Sonst hab' ich kein Begehr." Als Robins Volk den Meister sah, Da ward es freudenvoll, Da gab's ein Fest, das Mldpret dampft', And Wein in Fülle quoll. Die Nachricht kam zum König auch, Wie Robin Hood entwich, Da sagte unser Fürst und Herr, Er sagt' es ärgerlich: „Den Sheriff hat Klein John geprellt, Auch mich geprellt hat John; Er prellt' uns Beide, sonst fürwahr Der Sheriff hinge schon! Zum Königsschützen macht' ich ihn, Beschenkt von meiner Hand; Ich gab ihm Gruß und frei Geleit Durch all mein Engelland. Ich gab ihm Gruß und frei Geleit, So wahr wir Heil erstehn! Traun, in ganz England sind ihm gleich Drei Männer nicht zu sehn! Treu seinem Meister ist Klein John, Liebt mehr ihn als uns All'; Doch lassen wir setzt dieß Gespräch, Es hat nicht guten Schall." Robin Hood und GuF von Gisborne. Wenn grün und sonnig Busch und Flur, Die Blätter breit und lang, Ist's lustig durch den Wald zu gehn, Erfüllt vom Vogelsang. Walddrossel sang und hielt nicht ein, Sie sang so laut vom Ast, Daß Robin kfood im grünen Wald Erwacht aus seiner Rast. „Nun, meiner Treu," sprach Robin Lfood, „Ein Traum ward mir heut Nacht von zwei Freisassen flink, die mich In heißen Kampf gebracht. Sie schlugen mich, sie banden mich, Wein Bogen ward geraubt, So wahr Robin im Land noch lebt, Sie büßen's noch, das glaubt!" — 24Y — „„Es stiehn die Träume,"" sprach Klein John, „„Wie Wind nm Hügel streicht, So laut er stürmte Nachts, doch schweigt Er Morgens still vielleicht."" „Wohlauf, wohlan, ihr muntern Leut', Klein John soll mit mir gehn, Vb wir die zwei Freisassen stink Im grünen Wald erspähn?" Sie nahmen um die Mäntel grün, Die Bogen an die Seit'; So schritten sie den Wald hinein Zum Schießen wohlbereit, Bis ihrem Lieblingsplatz sie nah Im grünen Waldesraum; Da sah'n sie einen Freisaß stink Gelehnt an einen Bauin. Er trug am Gürtel Schwert und Dolch, Den Tod von manchem Mann, Sein Kleid war eines Rosses Fell Mit Schweis und Mähne dran. „Hier, Meister, unter'm grünen Baum," Sprach John, „hier haltet still, Derweil ich geh, den Freisaß flink Au fragen, was er will?" ,,„G John, du denkst gering von mir Und sprichst gar wunderlich! Mann sandt' ich je mein Volk voraus, Jndeß ich hinten schlich? 2Z0 Es ist nicht schwer, am bloßen Wort Erkennen Unecht und Herrn, Und spräng' entzwei mein Bogen nicht, Den Uoxf dir brach' ich gern!"" Ein Wort hat Unheil oft gebracht, So schied Robin von John; Der macht auf wohlbekanntem Pfad Waldeinwärts sich davon. Doch als er kam nach Barnesdal', Groß Leid ihm widerfuhr, Denn zwei Genossen fand er da Erschlagen auf der Flur; Und Skarlett war auf flücht'gem Fuß, Der lief durch Stock und Stein, Er lief mit hundertvierzig Mann, Der Sheriff hinterdrein. „Jetzt schieß' ich einen Schuß," sprach John, „So Gott mir helfen will; Der Sheriff, der so schnell jetzt rennt, Er hält dann gerne still." Den langen Bogen spannte John Und richtet' ihn zum Schuß, Der Bogen war von schwachem Ast Und siel ihm vor den Fuß. „Weh dir, du jämmerliches Holz, Daß du dem Wald entstammt! Grad heut', wo du mein Trost sein sollst, Zum Unglück mir verdammt!" 2ZI Der Schuß war nur ein matter Schuß, Doch fand der Pfeil ein Ziel, Traf Linen aus des Sheriffs Volk, Und William Trent, der fiel. Dem William wär's ein bess'res Loos, wenn krank im Bett er lag', Als daß er lief durch grünen Wald Johns Pfeilen in den weg! Fünf Männer wiegen mehr als drei, Der Spruch ist allbekannt; Der Sheriff fing Klein John und fest An einen Baum ihn band: „Du wirst geschleift zu Berg und Thal, Am kfügel dann gehenkt!" „„vielleicht auch nicht!"" versetzt Klein John, „„wenn Thrift es anders lenkt."" Nun lassen wir den kleinen John, Für Robin mach' er Raum, wie dieser kam zum Freisaß flink, Der dort noch lehnt' am Baum. „Ti, guten Morgen, Kamerad!" So sprach jetzt Robin kfood, „Mir sagt der Bogen, den du führst, Daß du ein Schütze gut." Der Freisaß sprach: „„Ich bin verirrt An weg und Tageszeit."" „Ich geb' im Wald dir," sprach Robin, „Als Führer das Geleit." 2Z2 „„Ich suche einen vogelfrei'«, Man nennt ihn Robin Hood, Und fand' ich ihn, mir lieber wär's Als vierzig Pfunde gut."" „Nun, flinker Freisaß, komm' mit mir, Den Robin siehst du bald, Doch suchen wir erst Zeitvertreib Uns hier im grünen Wald. Und proben wir Geschick und Glück Hier auf dem lvaldesxlan, Der Robin tritt uns in die Buer vielleicht, eh' wir's versah'n." Zwei Iahrestriebe schnitten sie vom Hagebuttenstrauch Und steckten sechszig Ruthen weit Das Ziel nach Schützenbrauch. „Beginn, Geselle," sprach Robin, „Den Schuß dir räum' ich ein." „„Nein, wahrlich, nein!"" der Freisaß drauf, „„Du sollst mein Vormann sein."" Zuerst schoß Robin nach dem Ziel, Nicht fehlt' er fingersdicht; Der Freisaß war ein Schütze gut, Ihm gleich doch that er's nicht. Der Freisaß that den zweiten Schuß, Lr traf wohl in den Areis, Doch Robin traf viel besser noch, Lr schoß entzwei das Reis. 25Z „Gott segne dich!" der Freisaß rief, „Gesell, dein Schuß ist gut, Bist, wenn das Herz gut wie die Hand, Mehr werth als Robin Hood. Nun sag' mir deinen Namen, Freund, Am Lindenbaum allhier." „„Nein, wahrlich, nein!"" versetzt Robin, „„Erst sag' den deinen mir."" Der Freisaß sprach: „Ich wohn' im Thal, Robin zu sahn ich schwur, Wer recht den Namen kennt, der nennt Guy von Gisborn' mich nur." „„Ich wohn' im Wald hier,"" sprach Robin, „„Und bin vor dir nicht bang, Bin Robin Hood von Barnesdal', Den du gesucht so lang."" Wer nicht verwandt, bekannt den Zwei'«, Für den war's schön zu sehn, Wie sie mit Klingen hell und blank Im Kampf zu Leib sich gehn; Wie sie zwei Stunden fochten fort An einen: Sommertag, Nicht Robin Hood und nicht Sir Guy Wich oder unterlag. Robin sah eine Wurzel nicht, Die macht' ihn straucheln setzt, Und Guy hat rasch und flink den Hieb von seitwärts ihn: versetzt. 254 „Liebfraue du," rief Robin Hood, „Dio Mutter bist und Maid, Es war noch keines Manns Geschick, Au sterben vor der Zeit." Robin dacht' unsrer lieben Frau Und sprang empor sogleich, Er führte solch gewalt'gen Hieb., Sir Guy stel todt vom Streich. Er faßt am Haar das Haupt Sir Guy's, Steckt's an den Bogeuknauf: „Du warst ein Schelm dein Lebetag, Das hör' nun endlich auf." Er zog ein irisch Messer vor Und kerbt' ihm das Gesicht; Den, der dieß Haupt erkennen mag, Gebar das Weib noch nicht: „Da lieg' nun, liege nun, Sir Guy, Und wünsche mir kein Leid; Empfingst die schlimmer» Streiche du, Nimm nun das bess're Rleid." Den grünen Mantel legt' er ab Und hüllt Sir Guy darein, Dann steckt er in die Roßhaut sich Dom Haupt hinab zum Beim „Dein Bogen, Pfeil und kleines Horn In meinen Händen bleibt; Ich will nach Barnesdal', zu sehn, Was meine Schaar dort treibt." 25Z Das Horn Sir Guy's führt' er zum Mund Und blies, daß laut es klang, Das hört der Sheriff Nottinghams, Gelehnt am Bergeshang. „Horch!" rief der Sheriff, „horch, mir klingt Botschaft von bestem Schall! Ich hör's, dort stößt Sir Guy ins Horn, Das kündet Robins Fall. Ich hör's, dort stößt Sir Guy ins Horn, Es schallt so schön zur Zeit; Dort kommt er selbst, der Freisaß flink, Irr seinem Roßfellklcid. Komm her, Sir Guy, du wackrer, komm, Nimm, was du willst von mir!" „„Ich will dein Gold nicht,"" sprach Robin, „„will keinen Lohn von dir. Doch da erschlagen ich den Herrn, Laß' mich's auch thuu dem Knecht, Dieß sei mein Preis und Lohn allein, Kein andrer kam' mir recht."" Der Sheriff rief: „Du bist ein Narr! Dir ziemte Ritters Lohn; Doch weil so mäßig dein Begehr, So ist's bewilligt schon." Klein John hört seines Meisters Stimm Und weiß, sein Glücksstern lacht: „Nun werd' ich frei," so rief er froh, „Mit Christi Gnad' und Macht!" 2Z6 Und Robin fliegt zum kleinen John, Ihn eilig zu befrei'n, Der Sheriff mit dem ganzen Troß Folgt hastig hinterdrein. „Zurück, zurück!" rief Robin Hood, „Welch tolles Drängen auch! Zu hören eines Andern Beicht', Mar hier zu Land nie Brauch." Lin irisch Messer zog Robin, Löst John an Arm und Bein, Und reicht den Bogen ihm Sir Guy's, Der soll sein Retter sein. John nahm den Bogen Guy's zur Hand, Die Bolzen auch und Pfeil', Der Sheriff sah, wie er ihn spannt', Und sucht im Flieh'n sein Heil. Lr lief nach Haus gen Nottingham, Me er noch nie gerannt, Und so that seine ganze Schaar, Da hielt nicht Liner Stand. Doch könnt' er laufen nicht so schnell, Nicht reiten so in Lil', Klein John mit breitem Bolzen traf Ihn noch ins Hintertheil. Robin lsood und der Bischof. Es war ein Tag voll Sonnenschein Wohl um die Morgenzeit, Und Robin Hood, der Schütze gut, Gestimmt zur Fröhlichkeit. Doch als er Kurzweil zu ersehn Dahinschritt durch das Holz, Ward er gewahr des Bischofs Schaar Und auch den Bischof stolz. „was ist zu thun," sprach Robin Hood, „wenn mich der Bischof fängt? Erbarmungslos fällt dann mein Loos, Ich weiß, daß er mich hängt." Flink wendet sich Robin und sieht Ein Häuschen auf dem Plan, Ein altes Weib für seinen Leib Um Rettung ruft er an. Anast. Grün's Werke V. 17 - 2Z8 - „Wer bist du?" frug das Mütterlein, „Gib mir's in Lieb' bekannt." „„Ich bin ein Mann in Acht und Bann, Bin Robin Hood genannt. Dort ist der Bischof und sein Volk; Und wenn man jetzt mich fängt, Hält Tag und Nacht er mich bewacht, Bis man zum Schluß mich hängt."" „Bist du Robin," sprach drauf das Weib, „wie mir's erscheint als wahr, So schütz' ich dich, so berg' ich dich vor ihm und seiner Schaar. Noch denk' ich an Sonnabends Nacht, Du gabst mir Strümps' und Schuh; Drum schütz' ich dich und berge dich, Schaff' dir vor Feinden Ruh." „„So gib mir schnell dein grau Gewand, Nimm meinen Mantel grün; Gib Spindel, Garn mir in den Arm, Nimm meine Pfeile kühn."" So angethan kehrt Robin Hood Zu seiner Schaar zurück, Nit Spindel, Garn; den Bischofsschwarm Behält er doch im Blick. Da rief Alein John: „was wandelt dort? was kommt dort im Gefild? Ich send' im Nu den Pfeil ihm zu, Tin wahres Hexenbild!" „„Halt ein, halt ein,"" rief Robin Hood, „„Die kühnen Pfeile spar'! Bin Robin Hood, dein Meister gut, Du wirst es bald gewahr."" Der Bischof vor des Meibes Haus Jetzt kam und rief in Muth: „Heraus den Micht ans Tageslicht! Heraus den Robin Hood!" Das Weib mußt' auf ein milchweiß Pferd, Ein scheckig Roß trug ihn, Im freud'gen Mahn, Robin zu ha'n, Ritt lachend er dahin. Doch als sie ritten im Gehölz, Der Bischof könnt' ersehn Im Maldesgrün die Schützen grün, An Zahl wohl hundert, stehn. Der Bischof frug: „Mer ist's, der dort Steht an des Dickichts Rand?" Die Alte meint: „„Ein Mann, wie's scheint, Der Robin Hood genannt."" „Wer bist denn du," der Bischof rief, „Den ich hier mit mir zieh'?" „„Ein Meiblein alt, du Bischofsschalk, Mein Bein heb' auf und sieh!"" Der Bischof sprach: „Dann wehe mir, Daß ich den Tag gesehn!" Er kehrt sich ab, doch Robin gab Den Mink ihm, still zu stehn. 2ÜO Sein Pferd kielt Robin an und band's An eines Baumes Schaft, Mit Lachen blickt Klein John und nickt Froh der Genossenschaft. Robin zieht seinen Mantel ab, Ihn breitend auf den Grund, Leert, was im Sack des Bischofs stack, Und zählt fünfhundert Pfund. „Nun laßt ihn ziehn!" rief Robin lfood, „„Nicht doch!"" versetzt Klein John, ,,„Lr sing' zuvor die Mess' — ich's schwor! EH' er uns zieht davon."" Den Bischof nahm Robin und band Ihn an des Baumes Schaft, Der sang, Gott weiß! die Mess' mit Fleiß Ihm und der Schützenschaft. Dann führt die Schaar ihn aus dem N)ald, Setzt auf den Schecken ihn, Den Roßschweif spannt als Zaum die lfand: „Bet' eifrig für Robin!" Robin Hood und der Gerber. ^In Nottingham ein Gerber war, Genannt Arthur von Bland; So weit sich zieht das Landgebiet, Aein Junker hielt ihm Stand. UUt seiner Stange lang und spitz Schasst er sich freie Bahn, Treibt zwei und mehr wohl vor sich her, Denn ungern hält er an. Und als er kam zur Sommersfriih In Sherwoods lust'gsn Wald Und dort und da nach Rothwild sah, Traf er Robin alsbald. So wie er Robin Uood erblickt, Sann einem Schwank er nach, Ukit einem Wink gebot er flink Ihm still zu stehn und sprach: 262 „Wer bist du, kühner Bursche, sprich, Der hier so kecklich streicht? Wohl scheinst du mir ein Dieb, der hier Des Königs Wild beschleicht. Als Hüter bin ich dieses Forsts vom König selbst bestallt, Dem Rothwild nah, das dort und da, Drum dir gebiet' ich Halt!" „„Menn du ein Hüter dieses Forsts Und hast so viel Gewalt, Rufst du wohl mehr Genossen her, EH' du mich bringst zum Halt!"" „Ich ruf' nicht mehr Genossen her, Da mir kein Andrer noth; Ich weiß, mein Stock vom Eichenpstock vollstreckt wohl mein Gebot. Dein Bogenholz, dein Schwert und Bolz Ist mir nicht Strohhalms werth; Wenn ich nur klopf' auf deinen Kopf, Dann schießest du verkehrt." „„Sprich feiner, Bursche!"" rief Robin, „„Wähl' andre Worte dir! Sonst ich dich weis' ins rechte Gleis' Und lehre dich Manier."" „Hol' dich der Henker!" sprach Arthur, „Bist du solch großes Thier? Dein Trutzgesicht, mich kiimmert's nicht, Trst lehr' dich selbst Manier." 26z Da löst Robin sein wehrgehcnk Und legt den Bogen hin, wählt einen Stock vom Lichenxflock, Der stark genug ihm schien. „Ich nehme dein Gemässen, Freund, Da meins dir nicht gefiel, Sieh hier den Stock vom Lichenxflock, Am Maße fehlt nicht viel. Doch laß uns messen ganz genau, Bevor der Kampf hebt an; Denn wenn ich hab' den längern Stab, Kein ehrlich Spiel ist's dann." „„Die Länge thut nichts!"" sprach Arthur, „„Mein Stock ist Lichenstoff, Mißt Schuh neunthalb und fällt ein Kalb, Fällt dich auch, wie ich hoff'."" Jetzt hielt Robin sich länger nicht, Sein Hieb, der fiel so schwer, Da sprang gar schnell ein blut'ger Vucll; Zehn Uhr war's ungefähr. Doch rasch ermannt traf Arthur ihn Aufs Haupt mit solchem Stoß, Daß beiderseit vom Haupte breit Das Blut ihm rieselnd floß. Robin tobt', als sein Blut er sah, Dem wilden Eber gleich; Arthur in Hast hieb ohne Rast, Als fällte Holz sein Streich. 264 Und UM und um geht's, rundherum. Zwei Keiler auf der Jagd, Sie dringen ein auf Arm und Bein, Sich hackend unverzagt. Sie theiien wacker lsieb für kieb, Zwei Stunden lang und mehr; von jedem Schlag rings klang der kfag, So eifrig ging es her. „Kalt ein, halt ein!" rief Robin ksood, „Und laß die Fehde heut'! Denn dreschen wir gleich die Knochen uns weich. Doch trägt's uns keinen Deut; Und künftig sei die Bahn dir frei Jin schönen Waldrevier." „„Schön Dank für nichts! Mein Stock erficht's. Ihm dank' ich's und nicht dir."" „Was ist dein kandwerk?" frug Robin, „Freund, sag' mir's ohne Scheu, Sag' noch dazu: wo wohnest du? Gern wüßt' ich Beides treu." , „„Ich bin ein Gerber, der sich plagt' In Nottingham manch Jahr; Treff' ich dich dort, ich gerb', aufs Wort, Umsonst die ksaut dir gar."" „Schön Dank, schön Dank!" rief Robin ksood „Du meinst es gut mit mir, Du gerbst, Gesell, umsonst mein Fell, Mit Gleichem dien' ich dir. — 2öZ — Doch willst du, müd der Gerberei, Mit mir zur Waldeshut, Beim Kreuzes Solz, dein Sold wird stolz, Mein Nam' ist Robin Hood." „„Bist Robin Hood,"," sprach Arthur drauf, „„So wie mir's wirklich scheint, Nimm hier die Hand Arthurs von Bland, wir bleiben setzt vereint. Doch sag' mir an, wo Klein Johann? Nach ihm verlangt mich sehr, Da wir durchs Band des Bluts verwandt Bon Mntterseiten her."" Da stieß Robin ins Jägerhorn, Er blies, daß laut es klang, Da rannte schon der kleine John Herab den grünen Hang. „was gibts? was gibts?" so rief Klein John, „G Meister, kund mir's thut! Ihr steht gebannt, den Stab in der Hand, Ich fürcht', es geht nicht gut." „//Ich halte Stand, weil mich gebannt Der Gerber hier zur Stell', Ein Meister der Kraft und Gerberschaft, Er gerbte schön mein Fell."" „Das macht ihm Ehre," sprach Klein John, „wenn solche That sein Brauch; Doch sei er ein Held, ich halt' ihm das Feld, Und gerbt mein Fell er auch." 266 „„Halt ein, halt ein!"" rief Robin Hood, „„Er ist, wie ich's verstand, Lin Freisaß gnt ans deinem Blut Und heißt Arthur von Bland."" Da warf Ulein John den Stecken hin, So weit er fliegen mocht', Und kam gerannt zu Arthur von Bland Und seinen Hals umflocht. Sie sind nicht scheu und sagen's treu, wie's jauchzt in ihrer Brust, Sie sehn sich daun mit Freuden an Und weinen gar vor Lust. Robin, die Beiden an der Hand, Umtanzt die Liche rund: „wir sind drei Leut', drei lust'ge Leut', Drei lust'ge Leut' im Bund! So lang wir leben, laßt uns Drei Nur Lins und einig sein! Der Wald erkling', alt Weiblein sing' Noch lange von uns Drei'u!" Robin Hood und der Alosterbruder. ^m Sommer war's, das Laub war grün, Die Blumen frisch in Pracht, Auf Spiel und Kurzweil war Robin Mit seiner Schaar bedacht. Der Line springt, der Andre läuft, Geschoß der Dritte probt; wer schnellt den Pfeil mir, daß sein Schuß Den guten Schützen lobt? wer legt mir einen Dambock hin, wer legt mir hin ein Thier, wer legt den fetten Hirsch mir hin, Fünfhundert Fuß von hier? will Skadlock legt den Rehbock hin, Und Midge legt hin das Thier, Klein John legt hin den fetten Hirsch, Fünfhundert Fuß von hier. 268 „Gott segne dich/' sprach Robin Hood, „Für diesen Schuß zum Kern! Au finden deines Gleichen ritt' Ich hundert Meilen gern!" Da lacht Will Skadlock herzlich auf, Er lacht, daß er sich biegt: „In Fonntains Stift, da lebt ein Mönch, Der euch allzwei besiegt." In Fonntains-Abbey jener Mönch Den stärksten Bogen strammt, Und dich und deine ganze Schaar, Er schlägt euch allgesammt!" Da schwur Robin den Eid, er schwur's Bei unsrer lieben Frau: „Ich esse nicht, ich trinke nicht, Bis ich den Mönch erschau!" Robin nahm seinen Harnisch blank, Aufs Haupt den Lisenhut, Nahm Schild und Breitschwert an die Seit', Die Rüstung stand ihm gut. Er nahm den Bogen in die Hand Ans zähem Holz wie Stahl, Ein Bündel Pfeile ins Gehäng Und zog gen Fountains Thal. Und als er kam ins Klosterthal, Hemmt er des Rosses Gang, Den Klosterbruder sah er dort, Der schritt den Strom entlang. — 2by — Der Mönch trug einen Harnisch blank, Am Haupt den Eisenhut Und Schild und Breitschwert an der Seit', Die Rüstung stand ihm gut. Dom Satte! sprang Robin und band An einen Strauch sein Pferd: „Auf, Frater, trag' mich durch den Stroni, Wenn dir dein Leben werth!" Der Mönch lud auf den Rücken ihn, Das Wasser war nicht seicht, Er sprach kein Wort, nicht gut, nicht bös, Bis er den Strand erreicht. Flink sprang Robin vom Mönch herab, Der Frater doch spricht nun: „Trag du mich durch den Strom, Gesell, Sonst möcht' es leid dir thun." Robin lädt auf den Rücken ihn, Dar Wasser ist nicht seicht, Er spricht kein Wort, nicht gut, nicht bös, Bis er den Strand erreicht. Flink sprang der Mönch von Robin ab, Doch sprach Robin aufs Neu: „Jetzt, Frater, trage mich zurück, Sonst brächte dir es Reu'." Der Mönch nimmt auf den Rücken ihn, Steigt knietief in die Fluth, Er spricht bis mitten in dem Strom Kein Wort, nicht bös, nicht gut. 27O Doch als er mitten stand im Strom, Da warf er ihn hinein: „versink' nun oder schwimm' heraus, Gesell, die Wahl ist dein!" Robin schwamm hin zum Ginsterbusch, Der Mönch zum Weidenbaum; Robin nahm sein Geschoß zur Lsand, Als er am Ufer kaum. Und seines Aöchers besten Pfeil Sandt' er dem Bruder zu; Der Mönch mit seinem Eisenschild, Der fängt ihn auf mit Ruh. „Schieß' zu, Geselle, schieße zu, Und schieße noch so viel; Schieß' einen ganzen Sommertag, Gern dien' ich dir als Ziel!" Robin der schoß mit Meisterschaft, Sein letzter Pfeil stog aus, Da griffen sie zu Schwert und Schild, Da gab's mannhaften Strauß. Der wahrt vom zehnten Glockenschlag Bis vier Uhr Nachmittag, Bis, Gnade stehend, Robin lfood Auf seinen Anieen lag. „Lins bitt' ich, Mönch, und laß' gewährt Mir diese Bitte sein, Laß' führen mich mein kforn zum Mund Und dreimal blasen drein." 271 „„Das mag gescheh»!"" der Frater sprach, „„Du blasest mir kein Leid; G blase, bis dir aus dem Kopf Dis Auge» springen beid'!"" Robin setzt an den Mund sein ksorn Und bläst der Stöße drei; Ein halbes Kundert Schützen flog Zum Schuß bereit herbei. „Meß sind die Leute," srug der Mönch, „Die kommen wie im Flug?" „„Mein sind die Leute,"" sprach Robin, „„Mönch, hast du nun genug?"" „Eins bitt' ich," sprach der Mönch, „und laß' Gewährt es gleichfalls sein, Laß' führen mich die Faust zum Mund Und dreimal pfeifen drein!" „„Das mag gescheh»!"" sprach Robin ksood, „„Sonst brächte mir's kein Lob! Drei Pfiff' in eines Mönchleins Faust, Nur lachen kann ich drob."" Der Mönch setzt an den Mund die Faust Und pfeift der Pfiffe drei; Da fliegt ein halbes Kundert wohl von Doggen flink herbei. „Da ist ein ksund für jeden Mann, Dir will ich selber stehn!" „„Bei meinem Eid!"" rief Robin lsood, „„Das kann und soll nicht»gehn."" 272 Awei Hunde springen Robin an Rückwärts und vorn im Bund, Sein linkolngrüner Mantel fliegt, vom Leib gezerrt, zum Grund. Der Schützen Pfeil gen Gst und West, Gen Nord und Süden fährt, Die Doggen fahn die Pfeil im Mund, So hat man sie's gelehrt. „Schaff fort die Hunde!" rief Klein John, „Thu, Mönch, wie ich gesagt!" „„Weß Dienstmann bist du,"" frug der Mönch, „„Der hier solch Reden wagt?"" „Ich bin Klein John, bin Robins Mann, Mönch, glaub' es aus mein Wort: Thust du's nicht schnell, so schaff ich selbst Dich sammt den Kötern fort. " Den Bogen nimmt Klein John zur Hand, Er schießt mit Meisterschaft, Da lagen auf dem Grund alsbald Aehn Doggen hingerafft. „Halt ein, Geselle!" bat der Mönch, „Und noch in dieser Stund Mit deinem Meister schlag' ich ein Den Friedensschluß und Bund!" Da sprach Robin: „Laß Fountains Thal, Laß die Abtei zurück! Alljeden Sonntag sei dein Lohn Lin blankes Nobelstück; 27Z Alljeden Festtag neu Gewand, Dir schmückend die Gestalt; lind wie im Kreuzgang still und kühl, Ist's auch im grünen Wald." Der Mönch, der sieben Jahr und mehr Im Kloster hat gelebt, Der lebt im Walde jetzt, will's Gott, Bis man ihn einst begräbt. Anast. Grün's Werke V. Robin k)oods goldner Lohn. Einst zog Robin die Straß' entlang, Als Mönch gekleidet ganz, Er trug Kaxuz' und Mönchshabit, Trug Kreuz und Rosenkranz. Er ging zwei Meilen oder drei, Da ward sein Blick gewahr In schwarzem Kleid zu Rosse hoch Lin stattlich Priesterxaar. „Deueclicite!" ries Robin ksood, „Die milde lhand mir leiht, Grüßt mit dem Gröschlein mir die Lsand Jur Ehr' der heil'gen Maid. Ich wandre schon den ganzen Tag, Doch blieb ich bar und blank, Bekam nicht einen Bissen Brod, Nicht einen Schluck zum Trank." 275 Sie riefen: „„Bei der heil'gen Maid, Uns mangelt s selbst an Geld; Man hat heut Margen uns beraubt, Aus uns kein Pfennig fällt!"" „Ich fürchte sehr," sprach Robin ksood, „Daß ihr 'ne Lüge sagt; Und eh' ihr mögt von hinnen ziehn. Sei ein versuch gewagt." Die Priester, als sie dieß gehört, Schnell ritten sie davon, Doch Robin, auf den Sohlen flink, ksat eingeholt sie schon. Er hielt in ihrer Flucht sie auf Und riß vom Pferd das Paar; „verschon' uns, Bruder," riefen sie, „Dein Mitleid uns bewahr'!" „„Da ihr kein Geld habt,"" sprach Robin, ,„So laßt allhier im Feld Aufs Anie uns fallen alle drei Und stehn zu Gott um Geld!"" Die Priester widerstrebten nicht Und senkten sich aufs Anie, „G send' uns Geld in unsrer Noth! V send' es!" flehten sie. Die Priester blickten sauer drein, Die ksände ringend bang, Bald weinten sie, bald schrien sie laut, Robin doch lustig sang. 18* 276 Als so das Jammern und Gebet Ein Stündchen wohl gewährt, Rief Robin: „Laßt uns sehn, wie viel Der kümmel uns beschert?^ Wir theilen jetzt zu gleichem Theil, Was unser ward an Geld, Und unter uns soll Reiner sein, Der den Genossen prellt." Die Priester griffen in den Sack Und sagten, daß nichts drin; „Der Eine such' den Andern durch, Der Reih' nach!" sprach Robin. Robin durchsuchte selbst die Zwei Und machte goldnen Fund, Fünfhundert Stücke zählt er bar Wohl auf den Rasengrund. „Liri holder Anblick," rief Robin, „Solch Ljaufen Golds, 0 seht! Ihr sollt auch haben euren Theil Für euer fromm Gebet." Drauf gab er jedem fünfzig Pfund, Den Rest nahm er für sich, Die Priester wagteri nicht ein Wort Und seufzten wunderlich. Dann sprangen Beide von den Rnien, Im Wahn, sie könnten fort. „Nicht doch!" sprach Robin, ,,eh' ihr zieht, Vernehmt nur noch ein Wort: 277 Ihr sollt auf diesem heil'gen Gras. Mir schwören einen Lid, Daß keine Lüg' ihr wieder sagt, Mo ihr auch immer seid. Dann schwört ihr mir den zweiten Eid, Daß bei lebend'gem Leib Nie eine Jungfrau ihr verführt, Nie liegt bei fremdem Weib. Zuletzt beschwört, stets milde Land Au leihn dem armen Mann, Sagt, daß euch's lehrt" ein heil'ger Mönch, Nichts weiter wünsch" ich dann." Drauf half den Priestern er zu Pferd, Sie ritten fort alsbald, Er aber kehrte froh und stolz Zum lust'gen, grünen Wald. Robin b)ood rettet der N)ittwe drei 5ähne. ^wölf ttlonat gibt's im ganzen Jahr, So spricht man, daß es sei, Der lustigste jedoch im Jahr Das ist der lustige Mai. Nach Nottingham ging Robin Hood, Ging singend durch das Land, Bis er ein schlichtes altes Weib Am Weg in Thränen sand. „Was Neus? Was Neu's? du altes Weib, Was bringst für Neuigkeit?" Sie sprach: „„Drei Junker in der Stadt Hält man zum Tod bereit."" „Ei, haben Dörfer sie verbrannt? Geschlagen Priesters Leib? Ei, haben Jungfrau'n sie geraubt? Entehrt des Andern Weib?" 279 „„Nicht haben Dörfer sie verbrannt, Bedroht nicht Priesters Leib; Nicht haben Jungfrau'» sie geraubt, Entehrt kein fremdes Weib."" „Ei nun, was thaten sie? sag an!" So drängt Robin und fragt; „/,Ihr Bogen hat, dem euren gleich, Des Königs Mild erlegt."" „Weib," sprach er, „weißt noch, wie du einst Mir Speis' und Trank gereicht? Fürwahr, du fändest für dein Wort So gute Zeit nicht leicht." Und Robin ging nach Nottingham, Ging singend durch das Land, Bis einen armen Pilgersmann Er auf der Straße fand. „Mas Neu's? Mas Neu's? du alter Mann, Was bringst für Neuigkeit?" Der sprach: „„Drei Junker in der Stadt Hält man zum Tod bereit."" „Komm, tausche dein Gewand mit mir, Komm, geh' den Tausch nur ein- Nimm vierzig Schilling Silbers hier, Vertrink's in Bier und Mein." Der Alte sprach: „„Dein Kleid ist gut, Meins will in Fetzen gehn; Nie treibe mit dem Alter Spott, Wo du magst gehn und stehn."" 28o „Komm, alter Kerl, und tausch' mit mir Komm, geh' den Tausch nur ein, Hier hast du zwanzig Goldstück blank, Die Brüder bewirth' mit Wein!" Er setzt den Hut des Alten auf, Der kaum am Scheitel saß: „Beim ersten Kämpf, den ich besteh', Wohl stiegst du fort ins Gras!" Er zog des Alten Mantel an, Gestickt schwarz, roth und blau, Er schämt sich nicht, den Brodsack heut Zu tragen frei zur Schau. Er zog des Alten Hosen an, Mit Flicken allerseit: . „Bei meiner Treu, den guten Mann Plagt nicht die Eitelkeit!" Er zog des Alten Strümpfe an, Von Löchern ganz zerfetzt: „Bei meiner Treu, wär' ich gestimmt Zum Lachen, lacht' ich jetzt!" Er zog des Alten Schuhe an, Mit Lappen überstreut, Da schwor er einen heil'gen Schwur: „Ja, Kleider machen Leut'!" Und Robin kam nach Nottingham, Ging singend seinen Gang, Den stolzen Sheriff traf er da, Der schritt die Stadt entlang. Und Robin rief: „Christ blick' auf euch? Christ steh' euch, Sheriff, bei! Was gebt ihr einem alten Mann, Der beut' euch Henker sei?" „„Lin neu Gewand,"" der Sheriff sprach „„Ein neu Gewand kriegst du; Lin neu Gewand ist Henkers Lohn Und dreizehn Pence dazu."" Da dreht sich Robin um uüd um, Springt über Stock und Stein, Der Sheriff schwur: „„Li, alter Knab', Das heißt gesprungen sein!"" „Mein Lebtag war kein Henker ich, Noch werb' ich um solch Amt; Der sich zuerst zum Henker lieh, Der sei von Gott verdammt! Hab' einen Sack für Mehl und Malz, Hab' einen für Gerst' und Korn, Hab' einen Sack für Brod und Fleisch Und einen für mein klein Horn. Ich hab' in meinem Sack ein Horn, Bekam's von Robin Hood, Und setz' ich das an meinen Mund, Für dich wohl bläst's nicht gut." „„Li, stoß ins Horn, du eitler Wicht, Mir macht es wenig Graus; G bliesest du, bis dir vom Aops Die Augen sprängen aus!"" 282 Er stieß ins ksorn zum erstenmal, Daß weit und grell es klang; Da kamen hundertfiinfzig Mann Gesprengt vom Bergeshang. Er stieß ins 6orn zum andernmal, Das klang so stark und hell, Da glänzten auf dem Felde hin Wohl sechszig Mann zur Stell. „V, wer sind die," der Sheriff frug, „Die rennen übcr's Feld?" „„Ei, meine Leute,"" sprach Robin, „„Dir zum Besuch gesellt."" vom Galgen lösen sie das Seil, Die Junker sind nun frei, Und hängt dafür der Sheriff nicht, So ist viel Glück dabei. Robin Hood und der goldene jdfeil. Nottingham des Sheriffs Kerz Der Aerger fast zerrieb, Er spricht nicht gut von Rodin bfood, Dem kühnen, trotz'gen Dieb. Sein Leid zu klagen, hat er sich Nach London aufgemacht; Der König dort zog jedes Wort Gar ernstlich in Bedacht. „Li," sprach Richard, „was kann ich thun? Bist nicht mein Sheriff du? Gesetz in Kraft schützt dich und schafft Dir vor Beleid'gern Ruh. Drum geh nach kfaus, und mit dir selbsi Berath' ein schlaues Spiel, Das bring' zu Fall die Neutrer all', So hilf dir selbst ans Ziel." — 284 — Der Sheriff schied, auf seinem Weg Des Aönigsworts gedenk, Wie er die Sach' fein allgemach Zu gutem Ende lenk'. In seinem Sinn so vor sich hin, Dacht' er ein Aamxfsxiel aus, Da fänden sich ein die vogelfrei'n Als Schützen wohl zum Strauß. Und einen Pfeil, deß Spitze Gold, Deß Schaft von Silber weiß, Den trägt zum Lohn der Sieger davon, Als Schiitzenrecht und Preis. Die Nachricht kam zu Robin kfood Im grünen Waldrevier: „Auf! rüstet heut euch, meine Lent', Zum Festspiel wollen wir!" Da trat ein wackres Bürschlein vor, David von Donkaster: „Rührt euch sobald nicht aus dem Wald, B thut, wie ich begehr'! In Wahrheit, ich erfuhr's genau, Das Spiel ist eitel Lug, Der Sheriff, wißt, ersann die List Uns Schützen nur zum Trug." „Das schmeckt nach Feigheit!" rief Robin, „Mir sprichst du nicht zu Gunst; Ich prüf' aufs Glück heut mein Geschick In edler Schützcnkunst." 28Z Drauf sprach der tapfre, kleine John: „Laßt uns den Gang bestehn! Doch kommt und hört, wie ungestört Und unerkannt wir gehn. Die Mäntel all' von Linkolngrlln, Die bleiben hier versteckt; Wählt mit Bedacht verschiedne Tracht, So gehn wir unentdeckt. Der Line weiß, der Andre blau, Der gelb und Jener roth, So ganz entstellt zum Schützenfeld Gehn wir, und was auch droht." Sie ziehn, das Herz voll Muth und Stolz, Zum grünen Wald hinaus, All' hocherfreut, des Sheriffs Leut' Hart zu bestehn im Strauß. Sie mengten sich zum andern Volk, Daß jeder Argwohn ruht, Denn stünden sie zusammen hie, Es wäre Uebermuth. Der Sheriff sieht sich um im Ureis Wohl von achthundert Mann, Doch kamen nicht ihm zu Gesicht, Die längst er wünscht heran. Man sprach: „Selbst Robin, wär' er hier Sammt seiner Uumxanie, Besiegte heut nicht diese Leut', So prächtig schießen sie!" 286 „„Ich dacht', cr kam',"" der Sheriff ruft's Und kratzt sich hinter'«! Vhr, „„Doch da cr fehlt, scheint'?, daß der Held Dazu den Muth verlor."" Das Wort schnitt tief in Robins Herz Und trieb empor sein Blut: „Nicht lange währt's, und er erfährt's, Daß hier war Robin Hood!" „Blaujacke!" ruft man hier, dort: „braun!" „Brav Gelb!" ein Dritter spricht, Lin vierter dann: „In Roth der Mann Hat hier des Gleichen nicht!" Und dieser war Kühn Robin selbst, Lr trug ein roth Gewand, Mit jedem Schuß gewann zum Schluß Solch fest' und sichre Hand. Den Pfeil, deß Spitze ganz aus Gold, Deß Schaft von Silber weiß, Den trug zum Lohn Robin davon Als Schützenrecht und Preis. Und jeden Argwohn zu zerstreu'n, Die Schaar den Heimweg nahm, In kleiner Zahl, drei, vier zumal, So ging sie, wie sie kam. Als sie beisammen saßen All' Im grünen Waldesdicht, Gedacht' ihr Wort der Aurzweil dort Nit fröhlichem Bericht. 287 „Lins kümmert mich," sprach Robin lhood, „wie ich's dem Sheriff kann Derkiinden klar, daß ich er war, Der seinen Pfeil gewann?" Da sprach Klein John: „„Mein guter Rath kfat euch zuvor erfreut, So mein' ich drum, — nehmt ihr's nicht krumm — Ich rath' euch nochmals heut'!"" „V sprich!" rief Robin, „sprich, dein Witz Ist flink und echt zugleich, Kein Mann, ich weiß, ist hier im Kreis An Mutterwitz so reich." „„Mein Rath ist dieser,"" sprach Klein John, „„Man schreibt ein Brieflein fein, Und schickt das Blatt in seine Stadt Dem Sheriff dann hinein."" „Der Rath ist gut," sprach Robin Dood, „Doch wie wird's hingesandt?" „„Bah, Meister, das ist Kinderspaß, Laßt ihr mir freie Dand. Ich steck' an meinen Pfeil den Brief Und schieß' ihn in die Stadt; wcnn's niederfiel, bringt schon ans Ziel Die Aufschrift euer Blatt."" So flog's hinein nach Nottingham, Der Sheriff hob's empor, Ward roth und blaß, als er's durchlas Und kratzt sich hinter'm Bhr. Robin b)ood und Allin vom Thal. ^m Waldesraum stand Robin kjood Wohl unter'm grünen Baum, Da sah er einen jungen Mann, Den schöner» traf man kaum. Der trug ein Kleid von Scharlach roth, Von Scharlach hell und fein, Er sprang gar froh den Pfad entlang Und sang ein Rundlied drein. Am nächsten Morgen stand Robin Im lust'gen Laubgeheg', Er sah denselben jungen Mann Gar traurig ziehn den Weg. Er trägt nicht mehr das Scharlachkleid, In dem er gestern schritt, Er jammert kläglich ach und weh Und seufzt bei jedem Tritt. 289 Klein John, der Wackre, trat heran Und Midge, des Müllers Sohn; Als die der Jüngling kommen sah, Spannt' er den Bogen schon. „Steht stille!" rief der junge Mann, „Und sagt, was mein ihr wollt?" „„Daß ihr dort nnter'm grünen Baum Zu nnserm Meister sollt!"" Und als er trat vor Robin Hood, Frug der mit guter Art: „Hast du für mich und meine Leut' Wohl etwas Geld gespart?" Der Junker sprach: „„Fünf Schilling nur Und dieser Ring sind mein, Den wahrt' ich sieben lange Jahr, Zum Brautring ihn zu weih'n. Die Hochzeit sollte gestern sein, Da nahm man mir die Maid, 'nen alten Ritter zu erfreu'»; Drum ist mein Herz voll Leid."" „Wie ist dein Name?" frug Robin, „Sprich ohne Rückhalt frei!" Er sprach: „„Ich heiß' Allin vom Thal, So Gott mir gnädig sei."" Anast. Grün's Werke V. 19 2Y0 „was gibst du mir," frng Robin ksood^ „Sei's Gold, sei's Goldeswerth, wenn ich dir Helf', daß dein Treulieb In deine Arme kehrt?" Drauf sprach der Junker: „„weder Gold^ Noch Goldeswerth ist mein; Doch schwör' ich dir's aufs heil'ge Buch, Dein Dienstmann treu zu sein."" „wie weit zu deinem Treulieb ist's? Sprich ohne Rückhalt frei!" Lr sprach: „„Fünf kleine Meilen nur. So Gott mir gnädig sei."" Da hastet Robin durchs Gefild, Ihn läßt's nicht stille stehn, Bis er in jene Airche kommt, Die für das Fest ersehn. Der Bischof frug: „was treibt dich her? Das wolle mir vertrau'n " „„Ich bin ein ksarfuer,"" sprach Robin, „„Der Beste in Nordens Gau'n."" „willkommen hoch!" der Bischof rief's, „Sehr lieb' ich ksarfenlaut!" »„Ich spiele nur,"" versetzt Robin, „„vor Bräutigam und Braut."" 2YI Da trat ein reicher Ritter ein, Gar alt und ernst zumal, Und dann ein Fräulein wunderlich, Das glänzt wie Goldesstrahl. „Rein rechter Bund ist's," sprach Robin, „Den ihr da knüpfen wollt! Da wir 'mal hier, erwähl' die Braut Doch selbst den Liebsten hold!" Sein ksorn zum Munde führt Robin, Zwei-, dreimal bläst er drauf, Und vierundzwanzig Schützen kühn Sind da im schnellsten Lauf. Sie schreiten über'n Uirchhofgrund, In eine Reih' gesellt, Der Erste vorn Allin vom Thal, Der Robins Bogen hält. „Allin, dieß ist dein treues Lieb, So hört' ich," sprach Robin, „Ihr sollt vermählt sein noch zur Stund, Eh wir von dannen ziehn." Der Bischof rief: „„Das geht nicht an! Dein Mort hat nicht Bestand; Dreimal ein kirchlich Aufgebot will das Gesetz im Land."" id 2Y2 Des Bischofs Mantel nahm Robin, Den zog Klein John jetzt an, „Bei meiner Treu!" rief Robin Hood, „Dieß Kleid macht dich zum Mann!" Und als Klein John zum Thore schritt, Da lachten All' im Raum; Drauf bot er siebenmal sie auf, Dreimal geniigt's ihm kaum. John frug: „Mer führt die Braut mir zu?" „„Ich thu's!"" sprach Robin drauf, „„Und wer sie je von Allin reißt, Der büßt's mit theurem Rauf!"" Die Braut glich einer Königin! Run ist die Hochzeit aus; So kehrten All' zum lust'gen Wald, Ins grüne Laub nach Haus. Robin b)ood und der Bischof von Hereford. Ism lust'gen Barnsdal' ist's gescheh», Im grünen Waldgcheg', Der Bischof von lfereford sollte zieh» Mit seiner Schaar den Weg. „Kommt, schießt ein Wildpret," sprach Robin, „Schießt mir ein settes Thier, Der Bischos von kfereford ist mein Gaß, Zahlt heut die Zeche mir. Kommt, schießen wir ein fettes Wild Und braten's hart am Weg Und wachen, daß der Bischof nicht kfinreit' aus andrem Steg." Robin zog sich als Schäfer an, Sechs Schützen ebenso; Die sprangen, als der Bischof naht, Im Kreis ums Feuer froh. 2Y4 Der Bischof frug: „was ist hier los? wem gilt die Lustbarkeit? was tödtet ihr des Königs wild, Da ihr so wenige seid?" „„Herr,"" sprach Robin, „„wir hüten Schaf' Iahrüber im Gefild; Doch heut' mal woll'n wir lustig sein, Und schießen Königswild."" „Seid wackre Leut'!" der Bischof rief, „Dem König werd' cs kund; Drum hurtig auf! Ihr sollt mit mir Zum König hin zur Stund." ,,„B Gnade, Gnade!"" rief Robin, „„Seid gnädig und verzeiht! So viele Leut' dem Tod zu weihn, Steht schlecht zu eurem Kleid."" „M nichts von Gnad' und von verzeih«!" So rief des Bischofs Mund, „Nur hurtig auf! Ihr müßt mit mir Zum König fort zur Stund." Robin lehnt sich an einen Baum, Den Fuß'an einen Dorn Und zieht aus seinem Schäferkleid Hervor sein Iägerhorn. Er setzt die Spitze an den Mund Und bläst gar laut darein, Da sprangen siebzig seiner Leut' Heran in vollen Reihn. 2YZ Sie neigten All' vor Robin sich, Ein Anblick war's voll Pracht; „Was gibts denn, Meister," srug Klein John, „Daß ihr so bliest mit Macht?" „„Der Bischof hier von ksereford steht, Der keine Gnad' uns gab!"" „Schlagt ihm den Kops ab!" rief Klein John, „Und werft ihn in sein Grab!" „D Gnade, Gnad'!" der Bischof rief, „Seid gnädig und verzeiht! ksätt' ich gewußt, daß ihr allhie, Wohl zög' ich anderweit." ,,„D nichts von Gnad' und von verzeihn!" Versetzte Robins Mund, „„Nur hurtig auf! Ihr sollt mit mir Nach Barnesdal' zur Stund."" Er führt den Bischof an der tsand Zum lust'gen Wald hinein, Setzt ihn zu sich ans Abendmahl Und schenkt ihm Bier und Wein. „Die Rechnung!" rief der Bischof bang, „Mich sorgt, sie schwillt zu dick!" „„Leiht eure Börse mir,"" sprach John, „„Ihr hört's im Augenblick."" Des Bischofs Mantel nahm Klein John, Er breitet ihn zum Grund, Und aus des Bischofs Mantelsack Zählt er dreihundert Pfund. „Hier ist des Gelds genug!" ries John, „Lin Anblick wunderhold! Das söhnt mich mit dem Bischos aus, Gbschon er mir noch grollt." Drauf Robin: „Sxielleut', aufgespielt!" Des Bischofs Hand er nahm, Der mußt' in Stiefeln tanzen rund, Froh, daß er so entkam. J^lein ^ohn und die vier Bettler. <^ur Schaar im Walde sprach Robin: „Es geht uns knapp und schmal, Ein Mann sei ersehn, aufs Betteln zu gehn, Klein John, dich trifft die Wahl." Sprach John: „„Und muß ich betteln gehn, Gebt mir zur Bettelfahrt Den Knotenstock, den Lumpenrock Und Säcke jeder Art. Gebt einen Sack mir für den Vnark Und einen für das Brod Und einen für's Geld; wenn das drein fällt, Dann leid' ich keine Noth."" Da zog Klein John aufs Betteln aus Und fleht' nm Gotteslohn, So viel er fand der Bettler im Land, Ihr Schmuck doch blieb Klein John. — 2y8 — Linst als er einsam schritt des Wegs, vier Bettler nahm er wahr, Der blind, der stumm, der lahm, der krumm, Lr denkt: 'ne schmucke Schaar! „Gut'n Margen, Brüder," sprach Rlein John „Luch sand mein guter Stern; wohin die Bahn? G sagt mir's an, Gesellschaft träf ich gern. Doch sagt, was gibts, daß Läuten rings von allen Glocken schallt? wird Liner gehängt? Mo Volk sich drängt, Lrfrägt man so was bald." „„Gehängt wird Reiner,"" sprach der Lrst', „„Und laß dir's sagen, Gauch, Doch Liner, der todt, gibt Ras' uns und Brod, Manch Pennystück wohl auch."" „„wir zählen Brüder rings im Land,"" Der zweite Bettler spricht, „„Doch keinen dir gleich im weiten Reich, Du krüxxelhafter wicht! Drum pack' dich fort, du Rrüppelwicht, Und für dein Haupt nimm das!"" „Ich geh' nicht von hier, bis Jeder mit mir In einem Gang sich maß. 2YY Kommt All' herbei, kommt nach der Reih', Wenn ihr so schlagbereit. Kämpft alle vier, weicht nicht von hier, Wb Freund, ob Feind ihr seid!" Föhn schlägt den Stummen, daß er brüllt, Macht sehend den, der blind; Der sieben Jahr ein Lahmer war, Flieht schneller als der wind. All' an die wand wirft seine ksand Mit mächt'gem Stoß und Drang, Klein John, der singt, weil die Steinwand klingt Laut von des Goldes Klang. Aus ihren Mänteln zog er vor Dreihundert Pfund in Gold: „Mein guter Stern war mir nicht fern, Gönnt mir den Anblick hold." was fand in ihren Säcken er? Dreihundert Pfund und mehr; „wenn ich Wasser trink', so lang dieß blinkt, Sei einst mein Sterben schwer! Nun sei vorbei die Bettelei, Da mir gelacht das Glück! was säum' ich hier? Fort ins Revier Des lustigen Walds zurück!" ZOO Und als er trat in Sherwoods Wald, Da ward er schnell gewahr Kühn Robin ksood, den Meister gut, Und seine ganze Schaar. „Was Neu's? Was Neu's?" frug Robin ksood, „Klein John, nun gib mir kund, Welch Glück dir ward auf der Bettelfahrt? Nir wässert schon der Mund." „„Nur gutes Neu's!"" rief John. „„Es stand Das Bettelglück mir bei; Sieh hier den Sold in Silber und Gold, Sechshundert Pfund und drei!"" Und Robin ksood am Arm Klein Johns Tanzt um den Eichbaum her: „Wer Wasser trinkt, so lang dieß blinkt, Dem sei das Sterben schwer!" Aönig Richard und Robin Hood. Der König Richard hat gehört Manch Stücklein von Robin, Drob staunt' er sehr und wünscht noch mehr Zu sehn sein Volk und ihn. Mit einem Dutzend seiner Lords Ritt er nach Nottingham, M>o er befahl ein gutes Mahl, Wo er die kerberg nahm. Als eine Zeit er da verweilt Und doch sein Ziel nicht fand, Er und die Lords einstimm'gen Worts Anzogen Mönchsgewand. von Fonntains-Abbetz ritt der Zug Gen Barnsdal' hin gewandt, Wo kampfbereit die Schaar gereiht von Robin bfood schon stand. Z02 Der König überragt den Troß, Daß Robin heimlich dacht', Das sei der Abt, und schon sich labt Am Fange, den er macht. Tr saßt des Königs Pferd am Zaum: „kalt, Abt," so rief er, „halt! Ich wend' mich gern an solche Herrn, Die Pracht und Prunk umwallt." „„Mr sind des Königs Botenschaar," Der König selbst versetzt, „„Nicht ferne steht die Majestät, Mit dir zu sprechen jetzt."" „Gott schütz' den König," rief Robin, „Und All', die zu ihm stehn; Mer seinen Thron wagt zu bedroh«, Der soll zur Hölle gehn!" „„Dich selbst verdammst du,"" rief der Fürst, „„Du übst verräthers Art!"" „V nein, bei Gott! Vb Königsbot', Das lügst du in den Bart! Nie that ich Leides einem Mann, Der treu und ehrlich lebt; Mich reizt nur der, deß schnöd Begehr Nach fremdem Gute strebt. Ich that kein Leid dem Ackersmann, Der pflügt auf seinem Grund, Noch dem, der hier das Maldrevier Durchstreift mit Falk' und Hund. — Zoz — Erzfeind bin ich der Geistlichkeit, Die übermächtig heut! Solch fauler Bauch und schelmischer Gauch, Ein Fang ist's, der mich freut! Doch bin ich froh, daß ich euch traf Auf eurer Botenfahrt; Kommt, Freund, ich biet' euch, eh' ihr zieht, Ein Mahl nach lvaldesart." verwundert steht der König da Und Alle nach der Reih', Und Jeder fragt sich halbverzagt, Nias für ein Mahl das sei? Da führt Robin zu seinem Zelt Des Königs Pferd am Zaum: „Dich schickt," sprach er, „mein Fürst und Herr, Sonst ehrt' ich so dich kaum. Au Lieb dem König Richard thu' Ich mehr als dieses heut; Habt ihr mehr Geld, als je ich zählt', Ich nehm' euch keinen Deut." Robin setzt an den Mund sein Horn, Bläst laut und hell darein, Und hundertzehn der Schützen gehn Heran in vollen Reihn. Als sie vorbei an Robin ziehn, Bengt jeder Mann das Knie; Der König dacht': ei, welche Pracht! Wohl Schön'res sah ich nie! Z04 Er dachte: o Robin, wie hast Dein Volk du in Gewalt, Mehr huldigt's dir, als meines mir, So lern' der ksof vom Wald! Zum Mahle setzteu dann sich All' Auf grünem Rasengruud, Die ganze Zahl, roth, schwarz und fahl, Lin Anblick seltsam bunt. Geflügel gab's, Wildpret vollauf Und aus dem Fluß den Fisch; Der König schwur: ,.Auf See und Flur, Nis hielt ich bessern Tisch!" Robin ergriff die Kanne Ale: „Nun den Beginn gemacht! Und Jedermann erheb' die Kann': Dem König sei's gebracht!" Der König selbst trank Königs kseil, Das ging die Rund' entlang, So daß dieß Wohl zwei Tonnen voll Des besten Biers verschlang. Dann einen Becher Weines schwingt Robin hoch in der ksand: „Will trinken Wein im grünen ksain Bis an des Grabes Rand! Nun spannt mir eure Bogen all', Beschwingt mit Granganskiel, Zeigt eine Prob' der Kunst, als ob Der König sah' das Spiel." — Z0Z — Sie schossen All' so meisterlich Wohl Stab und Schaft entzwei; Der König fand, daß kaum ein Land Wit ihresgleichen sei! „Brav, Robin!" sprach der König dann, „Wenn ich dir bring' Verzeih», Willst jederzeit du dienstbereit And treu dein König sein?" „„Ja,"" rief Robin, „„von Herzen, ja!"" Und Jeder schwang den Hut, „„Wir sind allzeit ihm dienstbereit Und weihn ihm Gut und Blut! Ein Priester war mein erster Feind, Drum hass' ich diesen Stand; Da ihr euch zeigt so wohlgeneigt, Sei auch mein Groll verbannt!"" Der König hielt nicht länger sich, Von mildem Sinn erfüllt: „Robin, dir sei nun frank und frei Die Wahrheit ganz enthüllt! Ich bin der König, euer Herr, Der eurem Blick sich zeigt." Als Robin da die Wahrheit sah, Ist schon sein Knie geneigt. Der König sprach: „Steh wieder auf! Dir sei in Huld verziehn! Mein Freund, steh auf! — Wer hemmt den Lauf Der Gunst, die ich verliehn?" Anast. Grün's Werke V. 20 — Zo6 — Laut jubelnd ging's nach Nottingham, Daß dort das Volk wohl meint Den König todt, die Stadt bedroht, Jin Anzug schon den Feind. Der Pflüger ließ den Pflug im Feld, Die Esse ließ der Schmied, Manch Alter, der geht mit Beschwer, Am Krückstab hinkend flieht. Doch als der König Kunde gab Dem Volke, was gescheh«, Im Chore schallt sein: „Gott erhalt'!" „peil, unsre Stadt bleibt stehn!" Der Sheriff frug: „„Ist dieß Robin, Der Schelm, der mir verhaßt, Der wunderlich mein Volk und mich Geladen jüngst zu Gast?"" „Li," rief Robin, „so thut mir's gleich! Bestellt ein Nachtmahl frisch! Der König sag' von diesem Tag: Nie hielt ich besser'« Tisch!" Als Tags daraus der ganze Zug Aufbrach mit Alaun und Roß, Zog auch Robin nach London hin Ins hohe Königsschloß. Robin hood verläßt den Hof. Als Robin fünfzehn Monde kaum Ain Lönigshofe war, verzehrt' er seiner Leute Sold Und hundert jdfunde baar. Am Jahresschluß verblieben ihm Awei Leute ganz allein, Das war Mein John und Skadlock gut, Die wollten treu ihm sein. Bei frohem Bogenschießen traf Einst junges Volk Robin; „lvch mir, weh mir!" so klagt' er schwer, „Mein Reichthnm ist dahin! Linst war auch ich ein Schütze gut von fester, sicherer ksand; Man pries den besten Schützen mich Im lustigen Lngclland. 20* — zo8 — Weh mir, weh mir!" so klagt' er schwer, „Weh mir und dreimal weh! Bleib' ich beim König länger noch, vor Trübsal ich vergeh'!" Da wandte Robin Hood sich ab lind ging zum. König grad: „G König Englands, hoher Herr, Gewähr' mir eine Gnad'! Ich baut' ein Kirchlein in Barnesdal', Gar lieblich ist's zu sehn, Marien Magdalenen geweiht, Und dorthin möcht' ich gehn. Die letzten sieben Nächte drob Kein Schlaf ins Äug' mir kam, Die letzten sieben Tage drob Nicht Trank, nicht Speis' ich nahm. Mich treibt's nach Barnesdal' mit Macht, Es leidet mich nicht fern, Barfüßig und im Büßerhemd Dahin wohl eilt' ich gern." Der König sprach: „„Und ist es so, So mag nichts besser sein, Ich geb' dir Urlaub, doch nicht mehr Als sieben Nächt' allein."" „V schönen Dank, Herr!" ries Robin Und siel aufs Knie alsbald. Dann Abschied nahm er artiglich Und schritt zum grünen Wald. zoy — Und als er kam zum grünen Wald In fröhlicher Morgcuzeit, Da hört' er lustigen Vogelsang vielstimmig weit und breit. „Wohl lange Zeit ist's," sprach Robin, „Daß ich zuletzt war hier; Und einmal wieder schöß' ich gern Aufs liebe braune Thier!" Robin schoß einen mächtigen ksirsch, Führt dann sein lforn zum Mund, Der Ton ist allen vogelfrei'n In diesem Walde kund. Sie sammeln sich in Rotten schnell; Raum eines Schusses weit Stehn hundertvierzig prächtige Bursch', In eine Schaar gereiht. Sie nehmen fein die ksiite ab Und beugen dann ihr Knie; „Willkommen, Meister," riefen All', „Im grünen kolz allhie." So lebt' er zwanzig Jahr und zwei Im grünen Waldesdicht, Und alle Macht des Königs bracht' Zurück zu kfof ihn nicht. Der Aönig jagt auf Robin Hood. A)ohl hat er fürstlich ihm verziehn, » Als Robin vor ihm stand, Den Aönig doch verdroß es hoch, Als er sich heimgewandt. vom Hofe eilt der Aönig sort, Es grollt ihm Herz und Muth, And dort und da, wohl fern und nah Frägt er nach Robin Hood. Und als er kam nach Nottingham, Robin im Walde lag; „Nun laßt uns gehn und laßt mich sehn, wer ihn wohl finden mag?" Als Robin hört', der Aönig zieh' Auf ihn heran zur Jagd, Da sprach Alein John: „Wir ziehn davon, Wo's besser uns behagt." Sie stöhn aus Sherwoods lustigem Wald, Nach Yorkshire ging ihr Zug; Der Fürst zog aus mit Schall und Braus, Doch nimmer nah genug. Doch Robin hält nicht an, bis er Newcastle's Stadt erreicht, Ruht Stunden zwei, vielleicht auch drei, Drauf er gen Berwick weicht. Als Robins Flucht der König sah, Kaum zähmt' er den Verdruß, Folgt überall mit Braus und Schall: „Dich fang' ich doch zum Schluß!" „„Nur fort und fort!"" ermahnt Klein John, „„Folg' uns, wer's kann und wagt! Aach Carlisle heut', ihr lieben Leut', Dann nach Lancaster jagt!"" Nach Chester von Lancaster ging's, Und nach's der Aönig that; Robin in Hast hält nimmer Rast Und fürchtet den verrath. „Laßt uns nach Loudon," sprach Robin, „Zur Fürstin unerreicht! Derweil uns jagt ihr Herr, behagt Gesellschaft ihr vielleicht." Und als er vor der Königin stand, Beugt' er sein Knie und Haupt: „Ich spräche gern mit unserm Herrn Cin Mort, wenn ihr erlaubt." - ZI2 — Antwortet drauf die Königin: „„Er ist in Sherwoods Wald, Er gab beim Gehn mir zu verstehn: Den Robin seh' ich bald."" „So lebt denn wohl, holdselige Frau, Nach Sherwood treibt's mich fort, Daß mir's kein ksehl, was sein Befehl; G fänd' ich ihn noch dort!" Der König kehrte voll Verdruß Und miidgehetzt zurück; Als er vernahm, wie Robin kam, Verwünscht' er sein böses Glück. Die Fürstin sprach: „willkommen heim, Mein König und Gemahl! Kuhn Robin ksood, der Schütze gut, lsat euch gesucht zumal." Der König lacht: „„Ich such' ihn selbst Den Schelm, an Wochen drei; Sucht' er nach mir, so haben wir Kein Glück wohl allezwei."" Robin L)ood und Aönigin Katharine. polnit nahm Gold in Null' und Füll' Den Aönigsboten ab, Doch sandt' er's an die Königin Als eine Ehrengab'. „Und leb' ich nur dieß Jahr zu End'," Sprach Aäth', die Aönigin, „Dir, Robin ksood, und deiner Schaar Erweist sich hold mein Sinn!" In ihr Gemach begibt sie sich, So eilig sie nur kann, Sie ruft den Richard patrington, Den Pagen traut, heran. „Komm her zu mir, komm her zu mir. Du trauter Page mein, Du mußt jetzt fort nach Nottingham, So rasch es nur mag sein. — Zi4 — Und wenn du nah bei Nottingham, Durchforsch' den Wald mir gut, Bei ein' und andern! Landsaß wohl Erfragst du Robin Lfood." Er ging ein Stück, er lief ein Stück, So rasch es konnte sein; Und als er kam nach Nottingham, Im Schenkhaus sprach er ein. Und als er so in Nottingham Nun saß im Schenkhaus drin, Trank eine Flasche Rheinweins er Aufs Wohl der Königin. Ein Freisaß, ihm zur Seite, frug: „Sag' mir, du Page lieb, welch' ein Geschäft und Auftrag dich So weit nach Norden trieb?" „„kferr, mein Geschäft und Auftrag ist, Ich sag's mit gutem Uiukh, Bei ein' und anderm Landsaß wohl Erfragen Robin ksood."" „Ich steige morgen früh zu Roß, Bevor der Tag noch klar, Und zeig' den kühnen Robin dir Und seine lustige Schaar." Als vor Robin der Page stand, Senkt' aus sein Knie er sich: „Es grüßt euch schön die Königin, Sie grüßt euch schön durch mich. — Zi5 — An Londons Hof beruft sie euch, Laßt jede Furcht verbannt! Ein Festspiel gibts; hier diesen Ring Empfangt von ihrer Hand."" Den Mantel grünen Linkolntuchs Dorn Rücken nahm Robin, Daß ihn der Page zum Geschenk Darbring' der Königin. Zur Sommerszeit, als grün das Laub, Sah jeglich Äug' erfreut, Mie Robin Hood das Kleid gewühlt Für sich und seine Leut'. Sie zogen All' in Linkolngrün, Haargleich, wie er's gebot, Die Hüte schwarz, die Federn weiß, Er selbst in Scharlachroth. Und als er kam an Londons Hof, Beugt er das Knie sogleich; Die Königin rief: „Dich und dein Dolk, Willkommen heiß' ich euch!" Der König schritt gen Finsbury Im Zug von Kriegerreih'n, Kühn Robin und sein lustig Dolk, Die folgten hintendrein. Die Fürstin sprach: .„Erst wüßt' ich gern: Mas ist der Kamxfpreis hier?" „„Dreihundert Tonnen Mein vom Rhein, Dreihundert Tonnen Bier! — zi6 — Dreihundert Kirsch' uns Dallomspark, Die fett'sten, die zu sehn!"" „Ein fürstlich Wettspiel!" rief die Frau, „Das muß ich zugestehn!" Den Bogenträger rief der Fürst: „Komm, Tepns, komm herbei! Mit dieser Schnur miß uns das Ziel, Wie lang die Schießbahn sei." Da bat ein Elision rasch und keck: „„Das Fernmaß nicht geschont! Mein hoher bserr, wir schießen gar Auf Sonne und auf Mond."" „Dreihundert Schritt sei fern das Ziel, Dreihundert steckt mir ab!" „„Den Bogen wett' ich,"" Elision sprach's, „„Ich spalt' den Weidenstab."" Des Königs Schützen legten an, Drei trafen gut das Ziel; Die Damen schrien: „V hohe Fran, Traun, ihr verliert das Spiel!" „„Erhört mich!"" rief die Königin, „„Seht knieend hier mich stehn; will Reiner aus des Königs Rath Auf meiner Seite stehn? Komm her zu mir, Sir Richard Lee, Du bist ein Ritter gut, Dein edler Stammbaum sagt mir's ja, Daß du aus Gowers Blut! — Zi7 — Komm her, Bischof von perefordshire, Du Priester ehrenreich!"" „Bei meinem Silberhut, ich wett' Kein Pennystiick für euch! Der König hat die eigne Schaar von Schützen kunstgewandt; Die euren sind nur fremdes Volk, Uns Allen unbekannt." „„Wenn für uns nicht, doch gegen uns kvas wett'st du?"" frug Robin; Der Bischof sprach: „Bei meinem kfut, Den Säckel und was drin!" „„Was ist im Säckel?"" frug Robin, „„So schütt' ihn auf den Grund!"" Der Bischof drauf: „An Nobeln sind's In Gold bei hundert Pfund." Robin auch seinen Säcke! löst' Und warf ihn auf das Feld; Will Skadlock lacht': ich kenne wohl Den, der gewinnt dieß Geld! Des Königs Schützen legten an, ° Noch dreimal trafen sie, Die Damen schrien dem Robin zu: „Nun, Närrchen, beug' dein Knie!" Der König sprach: „Drei sind's und drei Jetzt hängt's an cnren Drei'n!" Der Fürstin flüstert Robin zu: „Des Königs Theil sei klein!" — zi8 — Und Robin legt den Pfeil jetzt an Und schießt ihn kunstvoll ab; Klein John mit gutem Zirkelschuß Zerschellt den Meidenstab. Der kleine Midge, des Müllers Sohn, Das Ziel nicht schlechter hält, Sein Pfeil drang fingersnah zum Kern: „Nun, Bischof, bring' dein Geld!" „Erhört mich, Herr," die Fürstin sprach's, „Laßt knieend mich's erstehn, Schenkt Allen Gnade, die ihr seht Auf meiner Seite stehn!" „„Ium Kommen geb' ich vierzig Tag, Zum Gehn auch vierzig Tag, Dreimal so viel zu Spiel und Tanz, Ob's Freund, ob Feind sein mag."" „Willkommen, Robin," sprach sie drauf, „Klein John, das gilt auch dir, Und Midge, dem Nüllersoh», — seid All' Willkommen dreimal mir!" Der König srug: „Ist dieß Robin? Es kam mir doch Bericht, Daß man in Nordens Forsten ihm Ausblies das Lebenslicht." „„Ist dieß Robin?"" der Bischof frug, „„Wohl scheint mir's sein Gesicht; Kein Pennystück hält' ich gesetzt, Wenn ich erkannt den Micht. — ZIY — Sonnabends war's, daß er mich fing, An einen Baum mich schloß, And Messe lesen mußt' ich ihm Und seinem säubern Troß."" „Dran that ich wohl," sprach Robin kfood „Die Messe gab mir Glück; Aum Dank dafür nimm deines Golds Die Nalbscheid hier zurück." „„Nicht also, Meister!"" rief Klein John „„Nicht wirf das Gold von dir! Trinkgelder gibt's fürs bfofgesind Und nützt noch dir und mir."" Robin Hood und der Bettler. b Es war zur Zeit, als Robin ksood An Jahren reich und Müh», Da ging er 'mal aus Bernesdal' Im schönen Abendglühn. Da traf er einen Bettler an, Der schritt mit festem Gang, Trug einen Stecken in der ksand, Der war gar zäh' und lang. Lin Mantel hing um ihn zerfetzt Wohl gegen Frost zur wehr, Das kleinste Stückchen war geflickt Wohl zwanzigmal und mehr. Sein Mehlsack um die Schultern hing An einem Lederstreif, Mit breiter Schnalle festgemacht, Die war gar stark und steif. — Z2I — Er trug drei Hüte auf dem Aopf, Der ein' im andern steckt, Er achtet Wind und Wetter nicht, So weit sein Pfad sich streckt. Robin vertrat ihm jetzt den Weg, Ihn daucht's des Schauens werth; Er denkt, wenn Geld ein Bettler hat, Sei dem ein Theil beschert. „Halt an, halt an," rief Robin Hood, „Halt an nur auf ein Wort!" Der Bettler that, als hört' er nicht, And schritt noch rascher fort. „Nicht so gemeint ist's," sprach Robin, „Nun hör' und stehe still!" „„Bei meiner Treu,"" der Bettler drauf, „„Das ist's, was ich nicht will! Ls will schon werden späte Zeit, Noch weit hab' ich nach Haus; versäumt' ich dort mein Abendmahl, Es säh gar albern aus."" „Nun, meiner Treu," sprach Robin Hood, „Ich seh's an deiner Eil', Gut sorgst du für dein Abendbrod, Doch minder für mein Theil. Don ganzen Tag noch aß ich nicht, Weiß nicht, wo Nachts ich ruh', Und wollt' ich in die Schenke gehn, Fehlt mir das Geld dazu. Anast. Grün's Werke V. 2l 322 Drum mußt du leihn mir etwas Geld, Bis wir uns Wiedersehn." Der Bettler doch sprach ärgerlich: //„Ich hab' kein Geld zu Lehn. Du bist ein Mann so jung wie ich, Doch scheinst ein träger Gauch, Und fastest du, bis ich dich speis', Bleibt leer dieß Jahr dein Bauch."" „Nun, meiner Treu," sprach Robin Hood „weil wir beisammen schon, Der Pfennig, den du hast, sei mein, Bevor du ziehst davon. Drum leg' den Lumpenmantel ab, Besinne dich nicht viel, Thu' deiner Säcke Riemen auf, Laß meiner Hand frei Spiel. Und nun gelob' ich dir's bei Gott, Entfährt dir nur ein Laut, versuch ich's, ob ein Breitpfeil dringt Durch eines Bettlers Haut!" Der Bettler lachend Antwort gab: ,,„D laß mich ungencckt! Der Tand, dein dummes krummes Holz, Glaub' nicht, daß es mich schreckt! Glaub' nicht, daß mich in Furcht versetzt Dein Kinderspiel von Pfeil! Ich wüßte nicht, wozu es nütz, Wenn nicht zum Puddiugspeil. Hier trotz' ich dir und lache dein, Wie du auch toben magst, Du holst dir Unheil nur von mir, So oft du's mit mir wagst."" Den edlen Bogen nahm Robin, Dom Zorne heiß entbrannt, Er legte drauf den breiten Pfeil, ksielt sein Geschoß gespannt. Der Bettler mit dem edlen Stab Gab rasch ihn: solchen ksieb, Daß Pfeil und Bogen weitherum In kleinen Splittern trieb. Nach seinem Schwerte griff Robin, Doch hielt's nicht besser Stand; Der Bettler mit dem Stecken klopft' Ihn tüchtig auf die ksand. Fürwahr, er kann das Schwert nicht ziehn Wohl vierzig Tag' und mehr; Rein wörtlein bringt Robin heraus, Nie war sein kserz so schwer. Nicht fechten könnt' er und nicht fliehn, Nicht wußt' er, was zu thun. Der Bettler klopft drauf los uud läßt Den edlen Stab nicht ruhn. Er bläute Robin weidlich durch Und zahlt' ihm derben Lohn, Der Stecken walkt' ihn ab und auf, Bis ihm die Siune flohn. 21 Z24 Der Bettler höhnt': „Li, Mann, steh' auf! s)fui, wer so schlafen kann! Steh' auf und nimm mein Geld mir ab, Das stünde baß dir an. Geh' dann ins Schenkhans und bezahl' So Wein als Bier genug, Daß deine Freunde prahlen stolz, Du kamst vom Beutezug!" Robin antwortet nicht ein Wort, Lag wie ein Stein in Ruh, Sein Antlitz war wie Kreide bleich Und seine Augen zu. Der Bettler, der für todt ihn hielt, Schritt tapfer an sein Ziel. Wie schad', daß ihr nicht war't dabei, Nicht spieltet mit das Spiel! 2. Da zogen dieses Wegs vorbei Drei Leut' ans Robins Schaar Und fanden liegen ihn im Feld, Wohl aller Sinne bar. Sie hoben ihren Meister auf Mit ssammerlaut und Klag', Doch ringsum ist kein Mensch zu sehn, Der Auskunft geben mag. Z2Z Und als sie seinen Leib beschn, War keine Mundo dran, Nur aus dem Mund ein reicher Vuell von rothem Blute rann. Sie spritzten kaltes Masser schnell Ihm übers Angesicht, Da öffnet er die Augen schon, Nicht lange währt's, er spricht. Sie fragten: „Meister, gebt uns kund, Mas euch befiel zur Zeit." Da seufzt Robin, bevor sein Mund Dem Unfall Morte leiht: „„Ich halt' in diesen Forsten Macht Bei vierzig Jahre schier, Doch nie ward ich so arg bedacht, Mie ihr mich fandet hier. Lin Bettelmann im Lumxeurock, von dem ich's nicht versöhn, Hat mich geschmiert mit seinem Stock; Nun ist's um mich geschehn! V seht ihn dort, drei Hüt' am Kopf, Hinziehn den Hügelpfad; Menn je euch euer Meister lieb, So rächt ihr jetzt die That. Und wenn es nur in eurer Macht, So bringt ihn mir zurück, Daß, eh' ich sterbe, ich ihn seh' Gestraft vor meinem Blick. Doch könnt ihr ihn nicht bringen her, Entlaßt ihn nicht zu leicht! Es droht uns Allen Schmach und Spott, Menn nochmals er entweicht!"" „von uns bleibt Liner hier bei euch, Da, Meister, ihr in j)ein, Die Andern bringen ihn zurück, Ihr sollt ihm Richter sein!" „„Nun, meiner Treu,"" sprach Robin kfood, „„Daß ihr gewarnt mir seid! Laßt ihr den Stock ihn führen frei, Er zahlt euch aus Allbeid'l Drum schneidet schlau den Weg ihm ab, Bevor er euch ersehn, Bemächtigt euch des Stocks zuerst, So wird's am Besten gehn."" „Seid ohne Sorge, Meister lieb, Uns Awei besiegt er kaum, Der Bettelheld, der sonst nichts hat Als einen Ast vom Baum! Sein ksolz ihm nicht viel helfen soll! Gebunden seh' er bald, Gb ihr ihn niederschlagen laßt, Gb hängen in dem Wald." Robin, der mit dem Einen blieb, War wie ein Kind zu sehn, So alt er war, an fremder kfand Lernt' er jetzt gehn und stehn. — Z2/ — Die beiden Andern eilten fort, Vertraut mit Weg und Steg; Auf nähern Pfaden kürzten sie Drei Meilen sich vom Weg. Nicht ruht das Paar, bis es die Bahn Dem Bettler abgewann; Lin kleines Wäldchen lag im Thal, Da hielten jetzt sie an. Sie wählten Jeder einen Baum Am Zugang beiderseit; Da kam heran der Bettelmann, Der sich versah kein Leid. Der Bettler schritt dazwischen hin, Sie sprangen auf ihn dreist, Der Eine hielt den Stecken fest, Den scheuten sie zumeist. Der Andre setzt den blanken Dolch Ihm an die Brust behend: „Laß, Schurke, deinen Stecken los, Sonst ist's dein letztes End!" Sie nahmen ihm den Langstock ab, Der steckt jetzt dort im Grund; Er ließ ihn nur mit Ingrimm los Zu seiner schlimmsten Stund'. Der Bettler war der ärmste Mann, Den's je auf Erden gab: Aein Ausweg, wo er fliehen kann! Ganz hülflos ohne Stab! Z28 „„Laßt mir das Leben!"" rief er bang, „„Um Christi Leid und Noth! Und thut das garstige Messer weg, Die Angst bringt mir den Tod! Ich that mein Lebtag euch kein Leid Wohl nun und nimmermehr! Wenn ihr solch armen Mann erschlagt, Dersündigt ihr euch schwer."" „Bei allen Eiden," riefen sie, „Das lügst du, Bösewicht! Den besten Mann erschlugst du fast, Der je gewallt im Licht. Drum bringen wir gebunden dich Au ihm zurück alsbald, Dann sieh, ob er erschlagen dich, Gb hängen läßt im Wald." Der Bettler denkt: nun ist's vorbei! Die Beiden sind sein Tod; G hält' er seinen Stab nur frei, Der half' aus aller Noth! Er brütet, wie er die Gewalt Besiegt mit List vielleicht; Der scharfe Wind ist ihm nach Wunsch, Der durch die Felder streicht. Er sprach: „„Ihr edlen kjerrn, seid gut! Schont eines armen Wichts! Traun, eines armen Bettlers Blut bsilft euch so viel wie nichts. — Z2Y — Nur Nothwehr war's in Streit und Strauß Wenn ich ihm that ein Leid; Mit euch gleich' ich die Rechnung aus, Daß ihr im Dortheil seid! Schenkt ihr die Freiheit mir zur Stund Und thut mir kein Beschwer, So geb' ich euch wohl hundert Pfund Und Silbers noch viel mehr! Ich hab's in diesem Lumxenrock Gesammelt manches Jahr Und in den Tiefen meines Sacks Geborgen vor Gefahr."" Sie sprachen: „Schurke, spute dich, Dein Geld nun Zähle her, Das nur ein Bußgeld eigentlich Für deine Schandthat wär'. Doch schenken wir dir freie Bahn, Geschehe, was da soll, Wenn, was du sagst, du auch gethan, Gezahlt die Summe voll." Er löst den Lumpenmautel ab, Den er zu Boden legt, Drauf zwischen Jene und den Wind Lr manches Bündel trägt. vom Nacken nahm er einen Pack voll Mehles, groß und schwer, Awei Metzen mind'stens hielt der Sack, So däucht mich, wenn nicht mehr. — ZZO — Er legt ibn auf den Mantel hin, Die Mündung öffnend weit, Dann bückt er sich, zu wühlen drin, Die Beiden sxäh'n zur Seit'. §r faßt den großen Ledersack, In jeder Hand ein End' lind schnellt das Mehl mit raschem Schwung In ihr Gesicht behend. Er hatte sie geblendet so, Sie sahn kein Stäubchen mehr, Es jauchzt sein Herz, er schwingt gar froh Den mächtigen Stab einher. Er denkt, weil er so arg den Zwei'n Mit Mehl bestaubt den Rock, So miiss' er ihn jetzt wieder rein Ausklopfen mit dem Stock. Eh Liner sich die Augen rieb, Eh sie nur spannweit sahn, Ein volles Dutzend tüchtiger Hiob' Hat Jeder schon empfahn Sie flohn in Hast; der Bettler rief: „„Was rennt ihr so wie toll? Bleibt doch! Wollt euer Geld ihr nicht? Ich zahl' cuch's gerne voll. Und wenn das Lüften meines Sacks Euch blies ins Augenpaar, Ich hab' ein gutes Werkzeug hier, Das putzt sie wieder klar."" Die jungen Lent' antworten nicht, Sie blieben stumm wie Stein, Der Bettler schwand im Buschwerk dicht, Sie kehrten Heini allein. Robin befragt sie, wie es ging. Sie sprachen: „Uebler Art!" „„Nicht möglich!"" rief er, „„da ihr erst In einer Mühle war't. Die Mühl' ist ein nahrhafter Grt, Da nascht man ohne Leid; Ihr lerntet wohl das Handwerk dort, So sagt mir euer Aleid."" Gebeugten Hauptes steht das Paar, Das nicht ein wörtlein sprach; Er rief: „„weil ich in Ghnmacht war, Mich däucht, thut ihr mir's nach."" Db ihr Bericht ihn schlecht erfreut, Der Rachedurst ihm schmolz, Doch lacht' er, daß die juugen Leut' Gekostet auch vom Holz. Robin Hood zur Lee. Als Lilienkron' und Hageros' Entknospt und froh erblüht, Ward Robin einst in seinem Sinn Des Waids und Waidwerks müd. „Dein braven Fischer kommt mehr Geld Als zwei, drei Arämern ein, Drum will ich gehn nach Scarborough, Lin braver Fischer sein." Er rief herbei die lustige Schaar, Die dort im Schatten ruht: „wenn Geld ihr zu verschenken habt, So schenkt's dem Robin Hood!" „Nun," sprach er, „fort nach Scarborough! Gab's schöner« Tag wohl je?" Er kehrt bei einer Wittfrau ein Hart an der grauen See. Sie frug: „,,lvo ist dein Heimatort? Und wo dein Reiseziel?"" „Ich bin ein armer Fischcrsmann, Der tief ins Elend fiel." „„wie ist dein Name, wackrer Bursch'? Das, bitt' ich, gib mir kund."" „Den Simon von der Ebne nennt Daheim mich jeder Mund." „,,Me Simon Peter,"" sprach die Frau, „„Mach deinem Namen Ehr!"" Gb ihrer Güt' und Höflichkeit Erfreut sich Robin sehr. „„Simon, willst du mein Dienstmann sein? Ich geb' dir schönen Sold; Ich hab' ein Schiff so gut als eins, Das durch die Mögen rollt. An Ankern fehlt's, an Planken nicht, An Tau'n und Masten lang."" Er sprach: „Staffirt ihr so mich aus, Geht alles guten Gang." Man hob die Anker, ging in See, Nicht zwei, drei Tage nur! Die Andern warfen Röder aus, Doch er die leere Schnur. Der Bootsmann sprach: „„Das braucht noch lang, Bis der zur See bewährt! Non unfern Fischen kriegt,er nichts, Der Lümmel ist's nicht wcrth!"" — ZZ4 — Und Simon rief: „Weh mir den Tag, Der mich gebracht zur See! Ich wollt', ich wär' in sAomxtonpark Und jagt' aufs braune Reh! Hier lacht mich jeder Tölpel aus, Und läßt mir wenig Ehr; G hätt' ich sie in Plomxtonpark! Ich ehrte sie nicht mehr." Ulan hebt die Anker, segelt fort, Nicht zwei, drei Tage nur! Da nahm Simon ein Rriegsschisf wahr, Das kühn auf sie losfuhr. Der Bootsmann rief: „„Weh mir den Tag, Da ich geboren ward! vom ganzen Fischzug bleibt uns jetzt Rein Bissen aufgespart! Der Franzmann dort, der Räuber, schont von uns nicht einen Ulann; Er schleppt an Frankreichs Rüsten uns, Sperrt in den Thurm uns dann."" Doch Simon rief: „Seid sorgenlos, Da es der Furcht nicht lohnt! Gebt meinen Bogen mir zur Vaud, Rein Franzmann bleibt verschont." „„kalt's Uiaul, du langer Schlingel du, Der nichts als prahlen kann! Wurf' ich dich über Bord, es wär' Ein Lümmel weniger dann!"" — ZZ5 — Da wurde Simon bitterböse Gar bös' ob diesem Wort; Gr nahm den Bogen rasch zur Hand, Sprang an des Schiffes Bord. „G Meister, bind' mich fest am Mast, So ziel' ich, wie gewohnt; Dann gib den Bogen mir zur kand, Aein Franzmann bleibt verschont!" Er spannt den Bogen bis ans End, Spannt ihn mit Kraft und Lust; Der Pfeil in einem Augenwink Durchbohrt des Franzmanns Brust. Todt fiel der Franzmann aufs Verdeck, Aufs Unterdeck dann fort; Lin andrer Franzmann sah's und warf Den Leichnam über Bord. „G Meister löst mich jetzt vom Mast, Der Furcht es nimmer lohnt! So lang der Bogen mir zur ksand, Aein Franzmann bleibt verschont." Sie sprangen aufs Franzosenschiff, Wo todt die Mannschaft all'; Sie fanden drin zwölftansend Pfund , In blinkendem Metall. Und Simon sprach: „Der Dienstfrau meirr Und ihrem Aindlein zart Gehör' ein Theil; ihr, Brüder, nehmt Den andern als lhalbxart." — ZZ6 — Der Bootsmann doch erwidert drauf: „„Simon, so soll's nicht sein! Da ihn nur deine ksand gewann, So sei der Antheil dein."" Und Simon rief: „Dann um dieß Gold Bau' ich ein Armenhaus, Daß Mancher drin von Müh und Noth Einst ruh' in Frieden aus." Robin Hoods Tod. Ilm Ufer dort, wo Ginster wächst, Sprach Robin zu Klein John: „Wir schossen manchen guten Schuß Für manches Goldpfund schon. Doch jetzt kein Schuß mir glücken will, Mein Pfeil das Fliegen scheut; Im Kloster dort mein Mühmchen soll Mir aderlassen heut." Da brach Robin gen Kirkley auf, So schnell als er nur kann, Doch eh' er kam dahin, bei Gott, Gar übel ward dem Mann. Und als er kam nach Kirkleyhall, Da schellt er laut am Thor; Sein Mühmchen läßt ihn ein gar schnell, Niemand kam ihr zuvor. Anast. Grün's Werke V. 22 - ZZs - „Li, setzt euch, Vetter," sprach sie hold, „Trinkt guten Biers ein Glas!" „„Ich esse nicht, ich trinke nicht, Erst macht den Aderlaß!"" „Hab' eine Jelle," sprach sie hold, „Nie saht ihr das Gelaß, Beliebt es euch, so mach' ich dort Euch euren Aderlaß." Sie reicht die Hand ihm lilienweiß Und führt ihn ins Gemach; Sie ließ ihm Blut, so lang hervor Ein rother Troxfen brach. Sie sah ihn an mit mildem Blick: „Er ist mein Vetter gut!" Da regt sich mitleidvoll die Hand, Zu stillen ihm das Blut. Sie sah ihn an mit strengem Blick: „Der jdriester Feind ist er!" Da sank erbarmungslos die Hand, Das Blut floß immer mehr. Sie ließ mit offner Ader ihn Und schloß die Jelle dann, Daß all' den langen Tag sein Blut Bis nächsten Mittag rann. Da fiel sein Blick aufs Fenster frei, Das ladet ihn zur Flucht; Er ist zu schwach zu Sprung und Schwung, Drum läßt er's unversucht. 659 Da fiel sein Blick aufs treue Horn, Das hing zu seinen Knien; Er setzt's zum Mund und laßt ins Rund Drei schwache Stöße zieh». Das hört alsbald der kleine John Wohl unterem Waldesdach, „Dem Meister droht wohl Todesnoth, Er bläst so schwer und schwach." Klein John lies gegen Kirkley schnell, So schnell er kann herbei, In Kirkleyhall sprengt er in Hast Iwei Schlösser oder drei; Und als er stand vor Robin Hood, Aufs Knie fällt der Genoß. „Gewährt, o Meister," sprach Klein John, „Mir eine Gnade blos." „„Und welche Gnade?"" frug Robin, „ „D nenne dein Begehr!"" „verbrennen laß mich Kirkleyball Und all' sein Nonnenheer!" „„Nicht doch, nicht doch!"" sprach Robin Hood, „„Die Bitt' versag' ich dir; Nie that ich Leides einer Frau Und Keinem, der mit ihr. Nie that ich Leides einer Maid Und thu's auch nicht zum Schluß; Doch gib den Bogen mir zur Hand Und einen Pfeil zum Schuß. 22* — Z40 — Und wo der Pfeil jetzt niederfällt, Sollt graben ihr mein Grab; Legt unter's ksauxt, legt mir zum Fuß Lin Rasenstück hinab; Legt meinen Bogen mir zur Seit', Der wie Musik mir klang, Und macht den Rand aus Gras und Sand, Macht's breit genug und lang; - Macht schlicht und schlecht das Bett zurecht Dem Schläfer, der da ruht; Dann spricht noch spät, wer vorübergeht: Hier liegt kühn Robin ksood." Anmerkungen. Robin 600 ds Geburt. Robin Hoods Gang nach Nottingham. halten unbefugter Personen, die sich dieses Geschäft anmaßten; sodann das Fällen und verbrennen von Bäumen, das Jagen in den Forsten; sie zogen ferner denjenigen zur Verantwortung, der sich im Walde mit Armbrust, Wurf¬ spieß oder Jagdhunden blicken ließ, sowie denjenigen, der nicht dem Auf¬ gebote zur Iagdfolge nachgekommen war, oder sein Vieh hatte in den Wald laufen lassen. Sie hatten allen Jagdfreveln, namentlich wenn z. B. eine ab¬ gezogene Thierhaut oder Fleisch im Walde gefunden wurde, nachzuspüren, (vgl. Philipps „Englische Reichs- und Rechtsgeschichte", Bd. II. Z. XXXI.) S. 212. „Ich treff' das Ziel und fäll' den Hirsch Auf hundert Ruthen weit." rock, pole oder percdo (Ruthe), ein Längenmaß, welches gewöhnlich zu 16V2 Fuß, in Sherwood aber zu 21 Fuß, den Fuß zu 18 Zoll (inclles) ge- Ins Grab sie eingesenkt." OentlemLn's ^la.§L2in6 April 1796 brachte folgende Notiz: „Als vor wenigen Tagen einige Arbeiter zu Forlane nächst Nottingham in einem Garten z 44 Robin kjood und John Klein. treueste, lustigste und tapferste Genosse und untrennbare Begleiter Robin Hoods (schon Fortun erwähnt sie zusammen: „Lodertus Ouäo et littill po¬ baline") soll mit seinem eigentlichen Zunamen Nailor geheißen haben, wenn diese Benennung nicht etwa auf sein früheres Handwerk (nailor, Nagelschmied) Hinweisen mag. Angebliche Nachkommen Johns mit dem Familiennamen sogar auf Arborhill in Dublin hingerichtet werden. Jedenfalls streiten drei Länder (England, Schottland und Irland) um die Ehre, seine Todes- und Be- gräbnißstätte in sich zu schließen; die Wahrscheinlichkeit jedoch spricht für England. In der Grtschaft Hathersage, 6 englische Meilen von Lastleton in Derbyshire, wird noch Johns Wohnhaus und dessen Grabstätte mit zwei S. 218. „was ist hier los? frug will Stuteley." Robin Hood und Maid Marian. handelnden, wiewohl dichterisch unbedeutenden Ballade neueren Datums in diese Sammlung gerechtfertigt sein dürfte, weder im „Oytoll gosto" noch in einer der ältern Balladen findet sich eine Erwähnung Marions. Doch in den beiden alten Schauspielen „Obs äeatb" und „Oownl3.I1 ok R.odort Oarl ok Huntington" (geschrieben vor 1600) spielt sie bereits eine Hauptrolle und wird auch in Dramatikern und andern Schriftstellern jener Zeit sehr häufig genannt. Der in alter Zeit so berühmte und volksthümliche Morristanz Z45 genommen habe. Sie soll vor der fürstlichen Zudringlichkeit des Prinzen John zu ihrem ersten Geliebten, Robin Hood, in die Wälder geflohen sein. Das noch ziemlich wohlerhaltene Grabmal dieser Matilda Marian wird in 1845.) Robin Hood und der Töpfer. Der Sheriff ist dir gram." Hier geschieht des Hauptfeindes Robin Hoods, des verhaßten Sheriffs von Nottingham, zuerst Erwähnung. Ritson nennt nach Lullers „'Wortbiss of LnZflanä" die Namen Ralph Murdach und mehrere Jahre nach diesem William Brewerre als Sheriffe von Derby- und Nottinghamshire zur Regie¬ rungszeit Richards I., als dessen Zeitgenosse Robin Hood in den vorliegenden Balladen angenommen wird. Der Sheriff ist ein hoher richterlicher Würdenträger in England. Durch die Angelsachsen war deren heimatliches Gerichtswesen auch nach Britannien verpflanzt worden. Die kleineren Gemeinden, in welche der Gau (scirs) zerfiel, hatten so wie dieser ihre besonderen Gerichte. So bestanden die Aehnt- gerichte, die Gerichte der Hundreden und die großen Gaugerichte; die letzteren wurden gehalten unter dem Vorsitze des LcirsZfsrskL, eines ursprünglich aus der Gemeinde von ihr selbst gewählten, späterhin aber vom Aönige aus der Zahl seiner Gefolgsgefährten (Osksran) eingesetzten Beamten. Auch die Vorsteher kleinerer Gemeinden kommen unter der Benennung Osrskan vor — Z4b — unterzuordnen, (vgl. Philipps a. a. ytteH Z-ssto" soll ein Sir Roger of Doncaster, der gegen Robin wegen irgend einer erlittenen Unbill aufgebracht war, die Priorin von Kirkleys (nach Einigen Robins Muhme) zu den: tödtlichen vorgehen gegen diesen aufgereizt haben. Die Priorin ließ den Leichnam Robin Hoods hart Grte. Die Nachgrabungen, welche der verstorbene Grundeigenthümer Sir Samuel Armitage daselbst veranlaßt hatte, sollen das Vorhandensein einer Leichenstätte an dieser Stelle durchaus nicht bestätigt haben. (Ritson und Gutch.) In der Erzählung über Robin Hoods Todesart stiknmen Volkslied und Tradition mit den Sitten des 12. Jahrhunderts ganz überein. Ivie bereits erwähnt, beschäftigten sich damals in den reichen Klöstern viele der Frauen mit dem Studium der Heilkunde und mit der Verfertigung von Arzneien, welche sie den Armen unentgeltlich ausfolgten. Zudem waren seit der Er- J n h al t. Volkslieder aus Arain. Winter . es Zuruf . ZS Aragon.Z7 Minka.zS Der Gefangene.47 Trost der verlassenen.50 Der Scheintodte.52 Tin verlassener. 66 Ein verzauberter ssrinz .... 8r Der j)age. 8z Roschlin und Verjanko .... 8z Drei Brüder.10z Gregors Schwester Alenka . . . 108 Des Woiewoden Janko Hochzeit 112 vom König Matjasch.uz König Matjasch gefangen . . . 122 vom Ableben des König Matjasch 126 vom Herrn Räuber.129 Sankt Ulrich.izz Anhang: Kleine Lieder, Vier¬ zeilen, Tanzrcime.159 Anmerkungen.147 Anast. Grün's Werke V. 23 Z54 Robin Seite Einleitung.161 (i. 2.).225 r^ood. Robin Hood zur See.zz2 Robin ^oods Tod.ZZ7 Anmerkungen.Z41 555 Nachwort. Aie Werke Anastasius Grün's liegen nunmehr so, wie sie der Dichter selbst an einander gereiht wissen wollte, vor. Die Sammlung enthält Alles, was Anastasius Grün ein¬ zeln veröffentlicht hat, mit Ausnahme weniger ans seiner frühesten Jugend stammender Gedichte, die ihm an seine später errungene Kunsthöhe nicht hinan zu reichen schienen. Im Nachlasse fanden sich nach Vollendung des Druckes dieser Sammlung nur wenige Gedichte aus den letzten Lebensjahren des Dichters vor, die noch nicht veröffentlicht sind; sie werden der deutschen Lesewelt nicht vorenthalten bleiben. Nach der nun vollendeten Herausgabe der gesammelten Werke liegt mir die anvertraute, ehrenvolle Aufgabe ob, die Biographie des Dichters zu schreiben. Ich werde sie nach der mir gegönnten Zeit und Kraft pietätvoll zu erfüllen be¬ müht sein. Die Witwe des Dichters hat mir zu dem Zwecke das Familienarchiv, einzelne Fragmente über Reisen und eine viele Tausende von Briefen umfassende Lorrespondenz in Thurn am Hart vertrauensvoll übergeben. Die letztere namentlich führt auf vielfache intime Beziehungen des Dichters und Staatsmannes zu bedeutenden Personen und berühmten Zeit¬ genossen. Nun wäre es wichtig, die Antwortschreiben Grün's zur Einsicht zu erhalten. Manche davon sind bereits in meinen Händen, manche, wie ich leider schon erfahren mußte, verloren gegangen und viele, an nunmehr schon verstorbene gerichtet, kaum noch zu erlangen. Namentlich aber liegen trotz des reichen Materials und vieler mündlicher Mittheilungen, die früheste Jugend- und Entwicklungszeit, sowie die Herzensbeziehungen des Dichters fast im Dunkeln, die zu kennen doch so wichtig wäre, wenn ein frisches, lebendiges Bild gezeichnet, die plastische Gestalt des Menschen und Dichters geformt werden soll. Ich richte demnach an Alle, welche Briefe des verewigten besitzen, die Bitte, mir dieselben, gegen getreuliche Zurückstattung, im Griginale oder in Abschrift anzuvertrauen. Ebenso würden Erinnerungen an den Hingeschiedenen, die Schilderung gemeinsamer Reisen, Erlebnisse, die Mittheilung von Urtheilen, Aussprüchen und von anekdotischen Zügen mich zu wärmstem Danke verpflichten. tvien, Ludw. Aug. Frankl.