Anastasius Grün's gesammelte Werke. Vierter Band. Anastasius Grün's gesammelte Werke. kserausgegeben Ludwig August Frankl. vierter Band. Berlin, G. Grote'sche Verlagsbuchhandlung. 1877. 140158 Druck von B. s. Teubner in Leipzig. Nibelungen im Frack. 1842. !UWKAebend angeborne Rechte den Lenz im Sonnenglanze, Müde siegloser Gefechte, Legt die Muse ab die Lanze; Mill nicht unter Machtgeboten Kämpfen in gedrillten Schaaren Nicht von Söldnern der Despoten, Nicht von Freiheitsjanitscharen. Mögt dem Linzlen nicht versagen, Mas das Ganze soll erlangen! Wollt ihr frei das hohe Jagen, Gebt auch frei das Grillenfangen. Nichts verliert an Macht und Glanze Albion, das stolze, große, Weil es frei die krause Pflanze Bunter Narrheit pflegt im Schooße. 8 Blumen trägt auf allen Wegen Rings die Welt, die blüthenvolle; Wer nur will, sei nicht verlegen, Wo er Aränze winden solle. Ausgestreut an allen Pfaden Ist der Wahrheit Saatensegen; Wer nur sucht von Gottes Gnaden, Findet sie an seinen wegen. Wo im Frei'n der Blumenarten Ungexflückt so viel noch bleiben, Ist's ein danklos Wühn, im Garten Neu die alten Pflanzen treiben. Und der „großen That in Worten Aönnten wir beinah entrathen; Was uns noth thut aller Grten, Ist ein großes Wort in Thatenl Doch was soll ich Dir cs sagen, Deutscher Wann, auf dessen Wunde Schweigen ruht an rechten Tagen, Rede blüht zur rechten Stunde; Sprechend, wie der Ton der Flöte Gder wie Posaunenschrecken, Wenn er eine Worgenröthe Grüßen durfte oder wecken; Schweigend unter heil'gen Siegeln Sonst ein Alpensee, voll Tiefen, Drin der Erde kföhn sich spiegeln, Drin des Uimmels Sterne schliefen. — y - Doch wie kam Dein ernster Namen Und Dein Bildniß, streng und bieder, In den krausgeschnitzten Rahmen Dieser heitern, losen Lieder? So in Römervillen ragen Ularmorbüsten alter Weisen; Bunte Blüthenranken wagen Gaukelnd doch sie zu umkreisen. Lin Etück Exposition, Invocation, nebst etlichen Episoden. ch singe jenen Helden, — ja, welchen? — wo der Held, Deß Thaten Aauberbanne, zu fesseln süß die Welt, Der Held, der im Liebestaumel hin seines Dichters Geist, Wie Windeswirbel in Lüften mit sich den Frühlingsfalter reißt? Sei er ein Held der Vorzeit? Ach, wenn sein Banner wallt, Das nicht das unsre, umschauert uns Grabeszugwind kalt! Sei er aus unfern Tagen ein Held, noch strebend frei? Dem werden die Herzen wohl schlagen? G daß es nur von Liebe sei! „Aufstieg ein Gestirn im Norden, es strahlte warm und hell, Schlaftrunkne riefen: Wehe, wie wird es Tag so schnell! Schlaflose riefen: Wehe, wie säumig, o Sonnenschein! Wer dankt, daß Licht geworden, was Wetterwolke könnte sein? Er herrscht ein Fürst im Norden, groß in der Runst zu geben, Fein abgelernt der Sonne hat er's, mit Gunst zu geben; Stehn denn umsonst dort Blumen und Wiesen, Tannen, Linden, Und für die Lunst zu empfangen will ihnen sich kein Jünger finden? 11 Nicht nimmt er seinen Lorber von Leichenschläfen fort. Fest hielt der alte König verschlossen den reichen Hort, Der Sohn erschleußt den Segen, so daß es dünkt dem Volke, Als ob die Land ihn schütte des todten Königs aus der Wolke. Gerecht und mild seid denen, die vor im Kampf uns gingen! vor kranzgcschmückten Richtern ist doppelt schön das Ringen; Im Wald an alten Tannen des Schößlings Wuchs sich messe, Im kahlen Steppenlande dünkt selbst der Schlehdorn sich Lyxresse. Abtragen ist des Handwerks, der Kunst nur ist das Bau'n, Wohlfeiler Witz ist Zweifel, doch heil'ge That vertrau'»; Der Bausxruch ist gesprochen, der Grundstein ist gelegt. Sei drum der Bau zerbrochen, weil eine Kron' am First er trägt? Die gestern Bettler, praßten am Königsmahl als Herrn! Am Goldxlafond ob ihnen sah' ich als Lüstre gern Den Bettelsack von gestern, sie fein zu mahnen dessen, Wie Jenen zu Syracusä der Töxferthon bei Goldgefäßen. Der ungewohnte Gluthtrank verwirrt Trinksxruch und Rede, Nit der Parketten Glätte kommt Gleichgewicht in Fehde; So konnten sie nicht rühmen den Eomfort deiner Feste, Und dich, fürstlicher Gastsrcund, nicht sehr erbauen deine Gäste. Wir werden an dir nicht irre! Du bist wie Lenz gekommen, Erhofft, ersehnt! Lenzsonne mag noch nicht Allen frommen; Daß sie kein Keimlein senge, daß sie kein Blühn beirre, verhüllt sie sich bisweilen. Wir werden, Herr, an dir nicht irre! 12 G werd' an uns nicht irre! Lin Sonnenaufgang weckt Gevögel viel, das nistend in Busch und Klüften heckt! Du hörst die Morgenlerche aus all der Stimmen Gewirre: Lenzmiindig sind die Lande! G werd' auch, du an uns nicht irre!" ^>o sang ich bei deinem Aufgang! Wie wird dein Abend sein? Die Antwort liegt verschlossen in deines Busens Schrein! Ich weiß nur, unsere Liebe schuf dir gar schwere Pflicht. Sei stark und treu dir selber! Dein Leuchten braucht kein fremdes Licht. In deinem Land nicht säng' ich's! Den reinsten Strahl ja schwärzt Ncrdacht in Knechtgemüthern, sich dünkend frei und beherzt; Ich habe nichts zu fürchten und nichts von dir zu hoffen, Drum ließ ich den Strom der Liebe zu dir hinfluten frei und offen! Doch möcht' ich in dem Strome, beglänzt von heitrer Sonne, Nach Lootsenart befsst'gen manch' schwarze Warnungstounc: bserr, ein Geschenk, gegeben, darf keinen König reuen! Wer vorwärts schritt, soll rückwärts den Schritt, wie Nieder¬ lage, scheuen! Nicht heb', o Fürst, zu Thronen, was an die Stufen sich schicke, Und nie zu Märtyrerkrouen die eignen Palmen zerpflücke! Blntwaffen sind, und schärfre als Schwerter, die Dornenreiser, Der Kronentraum des Martyrs gebiert dem Tollhaus einen Kaiser. IZ So sang ich in meinen Bergen, noch hoffend, als dein Land Schon glaubens-, hoffensärmer dein Sternbild bleichend fand; Festhalten gern die Berge den letzten Tagesstrahl, Menn längst hereingebrochen die alte Nacht ins dunkle Thal. Menn ich in Liebe irrte, mich wird es nicht entehren; Der Liebe heil'gen Purpur, kein Fürst kann ihn entbehren! Meh', läßt der Reichgeschmückte die edlen Uleinode wandern, Bis ihm vom Leib gefallen ein schöner Lappen nach dem andern.' Aas deutsche lserz hat lieben, vertrau'n beinah gelernt, Das deutsche Lied nur wandte sich ab und grollt entfernt; Den Faltenwurf des Purpurs, des Goldmunds Zauberrede, Das Schweigen selbst der Lippe bemäkelt's in so kleiner Fehde! wo ist der Mann, der ragen noch über'm Trosse darf, Den's heut nicht hob zu Sternen, mit Aoth nicht morgen warf? Es wirbt dem jungen Dichter ein Schmählied um den Kranz, Sei auch der Schlamm zu Perlen im Dichtermund verwandelt ganz. Politisch Lied, du Donner, der Felsenherzen spaltet, Du heil'ge Griflamme, zum Siegeszug entfaltet, Du Feuersäule, dem Volke aus Unechtschaftwiisten hellend, Du Ierichoposaune, der Awingherrn Bollwerk all zerschellend! 14 Sieghafter Sxarterfeldherr, der Freiheit Thürmer du, Du Todeslaviue Murtens, Bastillenstürmer du, Zornwolke, deren Blitze der Lorse zucken sah, Du Sterberöcheln der armen, gemordeten Polonia! Du heil'ger Graal, Goldschaale mit des Erlösers Blut, wenn sie zur rechten Stunde in rechten Händen ruht; Schiffbrücke du den Deutschen zur Rache über den Rhein, Du griechisch Feuer der Klephten, du Heller Julinssonnenschein! Du schwebst, wie Fahnen und Adler, den Heeren rauschend vor! Veit Weber und Tprtäos, Rouget und Arndt im Ehor! Das ,,cu ira!" — Die Klänge aus Berangers verließ! — „Noch nicht ist Polen verloren!" — „Der Gott, der Eisen wachsen ließ!" Du sprachst befeuernd, warnend, Eassandra unfern Tagen; Ans Dhr hat uns dein Wehruf, doch nicht umsonst geschlagen! Lin Buhlweib hat vors Antlitz schlau deine Maske genommen, Doch durch die Larve funkeln nicht deine Augen, die klugen, frommen! Sollst du das sein? Dieß Winseln bezahlter Leichenweiber Um den erlognen Leichnam, gespielt vom Possentreiber! Der Todte nimmt sein Laken und tanzt zu Schmaus und Scherz; Weh', rühren solche Hände die Gottesharfe: Menschenherz! Sollst du das sein? Dieß schleichend Gespenst von Löschpaxier, Dein Harnisch Landtagsakten, ein Zeitblatt dein Panier, Den National, zum Dreispitz geformt, als Llaque am Arme, Gefüllt mit Zeitungswinden den Dudelsack, daß Gott erbarme! - -5 - Papier dein rauschender Mantel, dein Herzblut Druckerschwärze! So wird das Lied gewinselt vom großen Zeitenschmerze, In Reime die Allgemeine gebracht und nun sud rosa Noch komxonirt dreistimmig, — wir lesen lieber sie in Prosa. Traun, auch in Prosa läßt sich Erträgliches noch sagen, Ein keck Scharmützeln wagen, ein herzhaft Treffen schlagen; In Versen schrieb Washington den Brief der Freiheit nicht, Der Herr selbst sprach in Prosa das große Wort: Es werde Licht! Es kreucht Gewürm: Notizen und spinnt die Blätter entlang, Spinntweiche Seide die Raupe? Nein, blanken Namen den Strang! Nun schwingtsie alsLied dieFliigel! will's dir zn Ghr nicht schallen, Und du gehst seitab schweigend, — hui, bist eidbrüchig, abgefallen! wem ihren Strahl die Freiheit einmal durchs Herz gegossen, Abfällt der nie und nimmer trotz sondrer Kampfgenossen! wir tragen der Freiheit Banner, nicht ihre Livereyn; Der Knecht will Unterknechte, der Freiheit selbst kein Sklav' ich sein! Ihr wollt, der Freiheit Sänger, die eigne Mutter knechten, Die Poesie, jm Feldrock der Politik zu fechten! Im Mondlichttranm des Waldes o laßt die Jägerin schweifen, Ist's Zeit, wird die Amazone nach Schwert und Lhlamys zürnend greifen! Ist's Zeit, wird Speere säen der Sämann goldner Saaten, Unmünd'ge Kinder nur spielen in Friedenszeit Soldaten; Ein Tellgeschoß trifft besser, das, muß es sein, trifft Herzen, AlsPcrserpfeile tausend, — Heuschrecken, die den Tag nur schwärzen! — i6 — Das Wort, das deutsche, freie, wir nimmer missen können! Doch lernt, auch FUrstenlippen ihr freies Wort zu gönnen. Die Zeit will euch mißfallen. Gefallt wohl ihr der Zeit, Die, was sie baut, zertrümmern, und die entweih«, was sie geweiht? Was nennt ihr heilig? Schützen vor eurem Hohn die Narben, Der Kranz den greisen Fechter, das Leichentuch, die starben? Ihr grollt mit Gott! Der Herrgott wird wohl abmagern vor Weh! Entsetzt es dich, Hyäne, dein Spiegelbild zu schaun im See? Erlösen wollt ihr die schöne, verzauberte Prinzeß, Ihr wißt das rechte Wort nicht, und Unke bleibt sie indeß; Ihr schleppt Gebirge Reisigs zum Feuer, — frommt es auch? Es strahlt als Licht in Nächten, bei Hellem Tage gibt's nur Ranch. Der grüne Baum der Freude, ist er denn umgerissen, Daß nur von der Trauerweide Feldzeichen wir pflücken müssen? Weh uns, erkrankten Adlern, daß unsre matten Augen Nur durch geschwärzte Gläser ins Sonnenaug' zu schauen taugen! Du aber, Nenbekränztcr, wenn deines Lieds Galeere Die höchste Wogensxitze krönt in dem stürm'schen Meere Der Dolksgunst, — meinst du, sie wolle dich nur in die Sterne heben? Don deiner Schwindelhöhe sieh dort das Riff und lerne beben! Und hat des Riffs Gekose dein Schiffsgebälk zerschlagen, Nur Muth! Ein Brett wird landwärts dich und den Lorber tragen; Lin neues Floß dir zimmro, kühn kreuze durch die Meere, * Doch steurc besser, wahre getreuer deiner Flaggen Ehre! i7 Der Dichtung keusches Feuer noch nähren edle Reiser, Sprach auch, sie fast verschüchternd, der Siebenzahl ein Weiser: „Das Wiesenthal Poesis ist Blmnentragens schwach, Düngt, Blumen, dort den Acker, der ungepflügt noch liegt und brach! " Groß g'nug bist, Menschenseele, groß g'nug du, Gotteswelt, Daß frei ein Herz ausklinge, bevor's zur Grube fällt! Nie wird der Edelhirsch ackern, Waldrehlein gehn mit Säcken, Strauchröslein Stuben Heizen, euch Nachtigall als Haushahn wecken! Und ragten zu den Sternen groß unsre Licdesahncn, Wie Palmen feingefiedert, schönblättrig wie Platanen; Dem Lrdpuls sind wir näher, der Neuzeit Grchideen, Bizarr der Wuchs, die Blüthen wie blumengewordene Märchen der Feen. — Blitz! im Diskurse hätt' ich bald meinen Helden vergessen, Wie Amme das Aindlein, herzend den Grenadier indessen, Wie Aindlein feine Puppe der Apfelschnitten halber, Wie Grenadier die Amme wohl einer schönern Dritten halber! Mein Held ist, traun, kein Riese, das könnt' uns schnell entzwcin, Dir möcht' ein Wicht mein Riese, dein Ries' ein Awerg mir slin; Er ist nicht so groß, daß Mißgunst ihn noch verkleinern wellte, Er ist nicht so klein, daß Liebe anfblasen ihn und strecken sollte. Er schwingt in seinen Händeri kein Schwert, so hart und scharf Wie Durandart, das sterbend Roland in den Brunnen warf; Statt Etzels Gottcsgeißel ein Stab, roßhaarbezogen! Escalibor des Artus, in seiner Hand ein Fiedelbogen! Anast. Grün's Werke IV. 2 i8 Das Rößlein, das er reitet, hat fast noch stärker» Rücken Ais Bayart, dessen Troupe vier Haimonssöhne drücken, Und wie des Serbe,i Marko Roß Scharatz ist's verständig Und lebhaft wie Rosinante und wie Bucexhalus unbändig! Sein Rößlein heißt Marotte, im Baß geht's statt im Paß, von seinem Schenkeldrucke stöhnt, schnaubt der Geigenbaß! Marotte, sei besungen wie deine Brüder im Stalle, Du sxringst viel höher, weiter, du bist gewaltiger als sie Alle! Du hast, mein frommer Klepper, mich oft feldein getragen, Stolzierst vor der Staatskarosse und keuchst vor'm Erntewagen, Schleppst dem die Dosensammlung, trägst den auf die Käferjagd; Greif' aus und trag' uns, so lange die laue Lebenssonne tagt! Du bist ein gelehrig Thierlein und zählst berühmte Reiter, Hier überklimmend zierlich im Biichersaal die Leiter, Dort watend mit dem Feldherrn im Blut erschlagner Heere, Schwingst dich mit Diesem zu Sternen und springst mit Jenem über die Meere! Minister trainirt dich zum Wettlauf, — am Ziel statt des Preises erblickt er vait accoiupli die Dame! verdutzt doch grüßt und nickt er; Beredsam wie das Graupferd der Bibel wardst du da Und sprichst zum Weltregierer: Puam parvu saxieutia! Dort hat ein Springer ersprungen der Lebensrennbahn Preis, Bekränzt und volkumjubelt piafsirt der Hengst im Kreis; Du bist's, mein Pferdchen, mag dich dein Reiter auch verstecken In prunkende Schabracken, sinnspruchgeblähte Purpurdecken! Iy Ls kommt ein Held zum Sterben, sein treues Roß ersticht er, Daß sich's kein Andrer eigne, und dann sein Schwert zerbricht er; Treu harrst du aus, Marotte, an deines Reiters Ende, Ihm macht's das Sterben bittrer, zu lassen dich in sremde Hände. Ich singe, Rößlein, deinen berühmtesten Besteiger, Den Herzog Moritz Wilhelm, Mersburgs siirstlichen Geiger/ Der auf dir ausgezogen, Frau Harmonia zu frein, Den Fürsten, dessen Hände von Blut- und Dintengräuel rein. Gb auch die Welt unhöfisch ihn einen Narren nenne. Daß nur des Himmelsfeuers ein Theil durchs Herz ihm brenne! Lin Nam' ist nur ein Gdem, und Narr gern, wer's erräth, Daß Narren sich weise nennen, wenn sie in der Majorität. Der liebe Gott läßt stießen reich seinen Sonnenschein, wie Kaiser bei Krönungsfesten aus Brunnen goldnen wein; Der Marschalk fängt im Goldkelch, das Volk in Gläsern rein, In Thon ihn auf der Bettler; doch blieb's derselbe edle wein! Viel Freudenfünkchen geben ein großes Freudenfeuer, Mondseligkeit, du spiegelst im Meer dich, wie im Weiher! Nein Held stieß sich ins Herze, ob Winkelried er wäre. Soviel er könnt' umfassen der Lebenssonne Strahlcnsxeere! Dich, Sonnenschein, du klarer, ruf' ich nach Recht der Dichter, Erhellend, wärmend, schlage durchs Lied mir deine Lichter! Den Splitter Glas am Boden schmückst du mit Regenbogen, Den Demant unter Kieseln hast du zur Kron' emxorgezogen. 2" 20 Ihr aber, Hauskobolde, muthwilliger Geisterchor, Leid meine Maschinisten, doch nicht zuviel Rumor! Ihr wißt ja, in das Epos gehört ein wenig Mirakel, Blast Geigenharz, Blitzpulper durchs Licht zu Feuerwerks Spektakel! G Nibelungenstroxhe, gewohnt in stählern Mieder, Ins Panzerhemd zu schnüren die markig strammen Glieder, Bei wallender Grislamme im leuchtenden Harnisch zu schreiten, Mit hochgeschwungner Keule und langgestrecktem Speer zu streiten; Leih'st du dich auch den Spielen von schwächern Enkelsöhnen, Dein Haupt mit Puderwolken statt Schlachtenstaubs zu krönen, In Schnallenschuh' zu strecken den Fuß, statt in den Bügel, Dein Ebenmaß zu opfern des Seidenfracks betreßtem Flügel? Du Vers der Nibelungen, du bist ein Meer, ein weites, Hier ruht's, so glänzend, schweigend, dort brandend am Felsen aufschreit es! Du bist der Strom der Ebne, der breit sich dehnt und reckt, Und bist auch das Bächlein der Berge, das schäkernd mit Schaum¬ diamanten uns neckt. Du wandelst wie in Feier ein Zug zu Domeshallen, Im Taktschritt Truppen wallen und Narrenschellen schallen, Herolde werfen Gold aus, das Volk sich balgt an der Treppe, Der König schreitet schweigend, ein Page trägt die lange Schleppe. Du bist die Kriegsgallione, von Erzgeschossen schwer, Trugst einst als Sängerbarke mich gondelflink durchs Meer Dorthin, wo vom Balkone winkt Poesie, die Fei; — B trag' auch jetzt mich wieder, zu fern nicht ihrem Herzen vorbei! Von einer Feder, einem Schwerte und einer Axt; nebenbei etwas von der Menschenhand. as Prinzlein Moritz Wilhelm, des Herzogs Christian Sprosse, Sitzt bei dem frommen Pred'ger im Merseburger Schlosse, vor ihnen aufgeschlagen ein Buch zum Unterrichte, Leicht lesbar, schwer verständlich: das Fürstenbuch der Welt¬ geschichte. Sie lesen, wie Gutes, Schlimmes der Menschenhände Ziel, wie Roms Mordbrenner Nero als Kind harmlos im Spiel Mit Purpurnetzen fischte, — wohl ahnte die Nasade Im rothen Netz den Blutstrom des Lehrers einst im Todesbade! Menn Gärtner zu Salona ward der entthronte Kaiser, Mordwaffe blieb sein Grabscheit, zum Spott heißt er ein Weiser; Es ist nur alte Uebung des Köpfens fortgesetzt, Nur daß Kohlköxfe muffen statt Lhristenhäuptern springen jetzt! 22 Der Vogelherd übt Heinrichs, des Finklers, Hand im Morden Für spätre Wandervögel, die schlimmen Hunnenhorden; Den blut'gen Fang am Keuschberg hält noch das Wandbild fest. Ls ist die Hand des Menschen wie Henkerschwert, Brandfackel, Pest! Glückselig, wie Da Vincis, die Hand, die gottbegeistert Das Dichterroß gebändigt, des Pinsels Zauber meistert, Die Silbergeige tönen läßt, wie ihr Stoff, so rein; Da scheint der Gottheit Dreiklang gefahren in armes Menschen¬ gebein! G süße Harfe Davids! G Larls schwertmiide Hand, Die, frommbekehrt, uns Reben gepflanzt an Rheines Strand! Da zuckt die Hand dem Schüler, Herr Sittig aber spricht: „Ls sei die Hand des Menschen wie Vogelsang und Sonnenlicht!" Drauf legt' die Händ' er segnend aufs Haupt dem Knaben hold, Als ob er gleich sie üben in frommem Werke wollt', Des Knaben Hände faßt er dann liebevoll in seine: „Daß deine Hand nur gleiche dem Vogelsang, dem Sonnenscheine!" Dieß Wort, es sank dem Schüler zu Herzen tief und leise, wie in den See ein Steinlein, lang beben nach die Kreise; Und fromm und scheu anblickt er, wie fremd, die eigne Hand, Als sei's ein andres Wesen, ein Pflegekind, ein heilig Pfand. Der Knabe, wie entschlossen, auffährt von seinem Sitze: „Sei meiner Hand Gewaffen du, friedliche Federspitze!" Das Haupt der Lehrer schüttelt, steht auf, antwortet nichts Und führt hinab zum Schloßhof ihn schweigend, ernsten An¬ gesichts. — 2Z — An Simsen, Portalen, wänden sind unterwegs zu schan'n viel Rabenbilder, in Farben, in Stein und Metall gchau'n, Im Aasig von goldnem Drahte zuletzt, auf seinem Stabe Sich wiegend mit Behagen, kohlschwarz und feist ein lebendiger Rabe. „Im Auge unsrer Aebte Abt Thilo ist die Leder,'' Doch dieser Rab' ein schnöder Schreibfehler seiner Feder, Ein Dintenkleks, ein schwarzer, der lebt und krächzt im Lichte; Mit feiner Rabenfeder ins Herz dir zeichne die Geschichte! Ihm ward ein Ring gestohlen. Lr ahnt und spürt verrath, Er greift nach seiner Feder und schreibt, o schlimme That! Dem Aammerling das Urtheil. Als schon der Arme hing, Fand sich — dir sang's die Amme — in eines Raben Mund der Ring! Die Blutschuld ging zu Herzen tief dem gerechten Manne; Daß er vors Äug' in Reue ihr Angedenken banne, Ließ er den Raben bilden in Färb', in Lrz, in Stein Und schloß in goldnem Bauer den schwarzen Uobelthäter ein. Gft bracht' er selbst zum Aasig Fleischbröcklein, Aörnersaat, Mit eigner Hand ihn speisend, o noch viel schlimmre That! So wird dem Bösewichte noch Lohn für seine Sünde, So wird dem alten Diebe fürs Leben eine fette Pfründe! Und sterbend griff zur Feder der Abt, o schlimmste That! Sein Testament, den Raben empfiehlt's dem Domsenat, Stellt Brodbrief, Hulddiplome ihm aus mit Lhrenrechten! Der Dieb mit seinen Aindern verzehrt die Brote der Gerechten. 24 Ihm, Erben, Erbeserben bis an der Zeiten Ende Zwölf Scheffel Korns alljährlich, zwölf Thaler Golds zur Spende! Wird, solch ein Pfründner begraben, ja kein Interoalare! Daß treu dem Lnkelraben der Wärter seinen Freiplatz wahre. Ins kjaus dem Wärter fliegen die schwarzen Landidaten, Am Kirchenthor der Bettler beneidet den Prälaten; So wuchert fort die Sippe von Sündern, Gesetzverächtern, So blüht der Ahnen Unthat in Gold und Ehren den Enkelge¬ schlechtern! So hat des weisen Feder, nun er fein nachgesonnen, Wie Uebereiltes er sühne, noch Schlimmres angesponnen. Das ist der Rabe Thilo's, der unsrer Aebte Leder. Du aber, wenn's dich lüstet, erküre deiner lsand die Feder!" kferr Sittig sprachs. Der Knabe empor aus Träumen fährt: „So schmücke meine ksände in Ehren einst ein Schwert!" Das kfauxt der Lehrer schüttelt, kehrt um, antwortet nichts Und führt zum hohen Münster ihn schweigend, ernsten Angesichts. Es ragt der Dom vor ihnen mit vier gewalt'gen Thürmen, Wie eine heil'ge Veste, die vier Basteien schirmen, Kanonen ihre Glocken, ihr Kreuz Panier der Schlacht, Das Kaiserbild des Stifters hält an der Pforte strenge Wacht. Sie schreiten durch die ksallen des Doms zur Sakristei, An Gegenkaiser Rudolfs metallnem Mal vorbei; Dort aus geschnitztem Schranke nimmt er ein Schwert von Gewichte, Ein Leuchten wirft das blanke, als ob's frohlocke wieder im Lichte. 2Z Herr Sittig spricht: „G Knabe, das gute Schwert hier sieh, (kin Riese nur mag's schwingen, ein beßres gab cs nie! Als sei's der Todesengel hat einst geflammt im Felde; Dieß Schwert, es war zu eigen Rudolf, dem taxfern Schwaben- Heide." ° Dann ein vergüldet Kästlein hebt er vom Schrank der Wand, Drin, rumxfgetrennt, vertrocknet, liegt eine Menschenhand, Es ruht die Kaiserkrone am Deckel goldgetrieben, j)n Rundschrift: „Detra, t?etro, vetrus R-ullolxlio!" drauf ge¬ schrieben. „Die jenes Schwert einst führte, sieh, Knabe, hier die Hand, Die Mumie des Siegers, die Cidesxflicht noch band! Daß nie gen seinen Kaiser er sie erhoben hätte, Dom Papst, dem Kronhausirer, erstanden nie Goldreif und — Kette! bur§ica. und R. H. weise's öalle und Merseburg. Z. vr. valent. Sittig, geb. i6zo in Schleusingen, seit 1668 ^s?^ iger un seit 1671 zugleich Superintendent zu Merseburg, gest. i/oZ» ^rehe S« - die Schloß- und Domkirche zu Merseburg. 4. Thilo von Trotta, 1466 zum Bischof von Merseburg erwählt, gest. 1514, einer der ausgezeichnetsten Prälaten seiner Zeit, besonders verdient um die r- schönerung des Doms und der Stadt Merseburg. Davon zeugt noch immer an vielen Gebäuden befindliches Wappen, ein Rabe mit dem Ringe un ^na Diesen seinen Wappenvogel scheint er sehr geliebt zu haben; noch . seinem immerwährenden Andenken ein lebendiger Rabe im äußeren S^? ß. f Z Merseburg in einem stattlichen Räfig bei ansehnlicher Pension er a a. D.R so knüpft sich im Mund- des Volkes leicht an Thrlo s P°r,o' .° oft vorkommende Sage vom Diebstahl des Raben und der nt raup um schuldigen Rämmerlings. Die Geschichte, die für die äußere ahrhtn i! " stützt hier nicht die Erzählung der Sage, die ihrerseits nur d.e .nnere wahrhett zu -, 6 und 7. Rudolxb von Schwaben, eigentlich von Rhemfelden wagend Heinrich IV. zu Canossa Buße that, von den Reichsstanden -»m S g wählt, vom Papste unterstützt und mit einer goldnen - rone 1. , Inschrift trug: Dotru äockit kotro, Dotrus 6i-räom-r Ru-IoIl-b° In mehreren Gefechten siegreich, verlor er in der Schlacht bei Hohen-D o ,en ot„dcrn'durch tober 1080, die rechte Hand durch Gottfried von Bouillon or t srinen Friedrich von Stauffe», wurde nach Merseburg gebracht UN u, Platte Ntit Wunden. Sein Grabmal im dortigen Dome, eine eherne gegossene Platte seinem Bilde in ganzer Figur, enthält die Umschrift. 78 6ain Zutiburi (nach slavischer Etymologie richtiger: Lvetidor, L^vutibor), den noch nie eine Axt berührt hatte, niederhauen, um daselbst dem h. Romanus eine Kirche zu bauen. Vtto a. a. C). 9. Die Gemalin des Herzogs Moritz Wilhelm war Henriette Lharlotte, ge- borne Prinzessin von Nassau-Idstein, nach Büsching eine Dame von fürstlicher Miene, schweigend, ernst. Döllnitz sagt von ihr: On no xourrait etre plus zwerg angelegt. Jede Stadt gab 16 Groschen." S, Landtagsverfassung im Hoch¬ stifte Merseburg von J. G. Gbl., Leipz. 1796. Pfaff vom Kahlenberg. An Nikolaus Lenau. November Banner war tiefschwarze Seide, Ich schwang ein rosenfarb panier; Sie standen nicht genüber! — Ihr, Die Beide wob, senkten sich Beide. wir folgten Ihren leisen Spuren Bis in der Vorzeit dunklen Schacht, Du durch die blut'ge Glaubensschlacht, Ich durch beglückt're Alpenfluren. Du sahst Sie über Schwerterbrücken Und durch der Trauer Pforten nah'n; Mir wies der Frühling Ihre Bahn Im Feld, im Wald, auf Bergesrücken. Da stand Sie selbst, ein leuchtend Bild, In unsrer Mitte, rein und prächtig, wie ein Gewittersturnr so mächtig Und wie ein Lenzstrahl hoffnuugsmildl Anast. Grün's Werke IV. 6 82 V selig Schauen, süß Erkennen! Lin Leid nur durch das kserz mir schnitt: Du sahst Sie nicht! — Dein Äug' umglitt Der Schleier, den sie Ärankheit nennen. Da war kein lfaupt so nah der Wolke, Das, schuldbewußt, nicht reuig bebte; Da war, das hoffnungsreich nicht strebte, Kein reines bferz so tief im Volke! In Wogen ging die Saat des Guten, Ein läuternd Feu'r um quoll die Welt; G kurzer Tag, der unentstellt, — Ein Tag wohl kaum, ach, kaum Minuten! Ins Gotteswerk griff Gottes Affe, Stahl Ihr panier und Feldgeschrei, Die Thorheit rief: Auch ich bin frei! Die Unthat prunkt' in heil'ger Waffe. Sie aber wandte Ihre Sohlen Mit Grausen von des Gräuels Flur. G glückt' es, die verwehte Spur In Enkelzeiten einzuholen! Du hast in deine Nacht gerettet Ihr Bildniß, groß und rein und ganz; Uns aber hat an Ihren Glanz Des Zerrbilds Fratze sich gekettet. - 8z - In eig'ne Tiefen taucht die Seele Hinunter vom Gewirr der Zeit, Zu bergen, was noch unentweiht, Daß es an Sie den Glauben stähle. Dem armen augenkranken Rinde Genesung bringt das Schau'n ins Grün; So winkt des Dichterwaldcs Blüh'n, Daß nicht das Seelenaug' erblinde. — Du mochtest gern dein Bhr mir neigen, Du liebtest einst dieß Lied im Keim; Sei einst vollbracht der Guß im Reim, Gelobt ich's, Edler, dir zu eigen. Die Sonne jenes heil'gen Märzen Fand es schon flügg' und flugbereit, — Zu klein schien mir's der großen Zeit, So barg ich's scheu im stillen Herzen. Jetzt tritt es wieder vor mein Auge, Als ob ein Waffenstück es sei, Doch dessen Kampfzeit längst vorbei, Und das dem neuen Krieg nicht tauge; Als ob dem Preis, den sich's erkoren, Noch nicht geöffnet das Turnei, Als ob er längst gewonnen sei, vielleicht auch wieder längst verloren. 6 - 84 - Man legt doch Schwerter, Banner alle Zuletzt ins Arsenal zur Ruh; So trag' ich auch mein Lied dazu Zur Rast in deutscher waffcnhalle. Wenn draußen Feuerblitze fallen, Aufleuchtet auch im Saal das Schwert; Wenn um den Wall die Stnrmbraut fährt, Rührt drin die Fahnen leises Wallen. Vorspiel. iegt auf dem Kahlenberg ein Schloß, von Gesterreich dem Herzog eigen, Der Blick ins Land so weit, so groß, Doch innen Stille, dumpfes Schweigen. Im Söller Herzog Btto stand. Licht, Glanz und Fülle rings im Land Macht dunkler ihm der Seele Tiefen, Und seine Gedanken scheu entliefen, vergang'nes suchend, der Gegenwart; Doch bringt zurück er von der Fahrt Nur Unlust, Schmerz und Ungeduld Und, ach, das Mahnen eigner Schuld. Geht wo der Herr im Trauerkleide, Trägt das Gesind nicht Lustgeschmeide. Liegt unter'm Schloß ein Dorf im Thal, Inmitten ein Kirchlein, heiter, schmal, Dabei ein kleines, heit'res Haus, Da geht Herr Wigand ein und aus, Der fröhliche Pfarrer, guter Dinge; Sein Ausgang lichte Gleise zieht, Gleichwie die Schwalb' ihr Nest nur stieht, Daß hell sie zwitschre, froh sich schwinge. 88 Sein Herz, ein leuchtender Edelstein, wirft, selber hell, rings Hellen Schein; Ihm ist's kein sondres Wunder, vom Bösen Die Seelen entknechten, Sünden lösen. Und Schwalb' und Pfäfflein schwingt manchmal Au Berg sich in den Fürstensaal, Ihn schmückend mit des Frohsinns Gold, Ihm bringend frischen Schwalbengruß, Und nimmt fürs Nest als Fürstensold Manch Hälmlein sich vom Ueberfluß. Wer ist hier Geber, wer der Beschenkte? Wer hier der Reiche, wer der Bedrängte? Da kanr zum heitern Mann im Thal Der finstre Mann vom Berg einmal: „V löset meiner Seele Schwingen, Lehrt wieder jubeln sie und singen!" So sprach der Herzog, der vor'm Pfaffen Im Beichtstuhl auf das Anie sich warf. Herr Wigand sieht ins Äug' ihm scharf Und müht sich, ihn empor zu raffen, Streng hebt er sich vom Sitz zugleich: „Hier beichte kein Fürst von Oesterreich." Ins Freie führt er ihn hinaus Zur Gartenhöh' vor seinem Haus. Das Gärtlein gleicht schier seinem Herrn, Scheint seiner Seele bildlicher Aern, wie Becherklang zu Glockentöncn, So steht hier Nützliches zum Schönen. Die Beete rings in Tafeln gelegt, Mit Aohl und Aräutern wohlgepslegt; Den schlichten Uüchcnflor verschönt 8y Inmitten die blühende Rosenlaube, Wie einst mit Glorienglanz der Glaube Lin redlich Erdenwallen krönt. Dort auf die Bank im Rosenstrauch Läßt nieder Wigand sich und spricht: „vor des Geklagten Angesicht Den Kläger stellen, ist Richterbrauch." Dann läßt er rings die Blicke gleiten, Wan übersah hier Landesweiten, Die grünen Au'n am schönen Strom, Die Saatgefilde, Rebgelände, Der Grenzgebirge blaue Wände, Die blanke Stadt mit ihrem Dom, Die Schiffer in den Silberwogen, Die Wandrer, die des Weges zogen: „vor deinem Blick dein herrlich Reich, Hier beichte, Fürst von Gesterreich!" Der Fürst sinkt auf das Knie, er schlägt Die Faust zum Herzen, renbewegt, Und spricht: „Ich armer, sündiger Mann, vor Gott und euch klag' ich mich an. Die Line Brust mit mir genährt, Die Brüder hielt ich hassenswcrth, Gen eigne Brüder focht mein Schwert." Der Priester schweigt, nur seine Hand Bricht eine Rose von der Wand. „Aus Lzech's und Attila's Geschlecht Die Feinde hetzt' ich ins Gefecht Gen Gestreich. Weh, so Gott es rächt!" Der Priester schweigt, nur bricht die Hand Noch eine Rose von der Wand. yo „Bald hielt ich Papst, bald Kaiser werth, Schlecht deckt die Stirne, sch,nachbeschwert, Geweihter Hut, vom Papst verehrt." Der Priester schweigt, nur bricht die Hand Noch eine Rose von der Wand. „Den Kriegern brachte mein Gebot, Lin schlechter Führer, Schmach und Noth. Weh, über mich ihr Schmerz und Tod!" Der Priester schweigt, nur bricht die Hand Noch eine Rose von der Wand. „B jener Flucht, die 's Herz mir brach, Als selbst der liebste Bruder sprach: Nie kam auf Habsburg solche Schmach!" Der Priester schweigt, nur bricht die Hand Noch eine Rose von der Wand. „Und so in Ligensucht vermessen Hab' ich des Volkes Heil vergessen! Ich bin zu Ende all' des Bösen, Wohl mir, könnt ihr davon mich lösen." Noch schweigt der Priester, bis die Hand Zum Kranze schön die Rosen band. Er fügt das Kränzlcin morgenlicht In Gtto's Locken dann und spricht: „Bet' diesen Rosenkranz als Buße, Bet' ihn mit Herz und Hand und Blick! Du trägst zum Schwert kein groß Geschick, Drum wirf's zum Grund dem tiefsten Flusse. Durch Krieg den Volksschinerz heilen, heißt Enthaupten den, den Zahnschmerz plagt, 9i Und hängen den, der Halsweh klagt; Zwar hilft das Ukittelchen zumeist. Als König Artus kam zu Ende, Schifft' er in einen Felsensee, Schwarz, trostlos, kahl, wie Erdenweh; " Sein Schwert ihm trugen Pagenhände, Eskalibor, das kühnste Eisen, Das Helden neiden, Sänger preisen. Der König aber, schinerzbeklommen, warf fort das Schwert zur tiefsten Fluth; Da ward von ihm der Schmerz genommen, Die Wellen wie ein Frllhroth glommen, Als löse sich vom Stahl das Blut, Sein Nachen sich als Schwan bewegt, Und Lngelflügel sein Page trägt, Der Fels schwingt einen Blnthenwald, Dazwischen Nachtigallen flöten, Und Artus ist hinübergewallt Auf Liedern und auf Uiorgenröthen. Was er im Tod, im Leben thu', Halt' fest es, was er trug von hinnen, Womit er schloß, anfange du, NUt Uiorgenröthen zu beginnen! — Die Welt ist Leidens, Jammers voll, Und Schmerzen stacheln Klag' und Groll! Sann Einer, wie er recht dich kränke, Und schoß den Pfeil, dein Ulund doch lacht, Ist zum Gekränkten er gemacht! So, Freund, dem Leid geniiber denke. Klopf' auf den Thon, in Staub wird er fallen, Schlag' den Achat, und Funken wallen! Laß nie ein finsteres verhängen, Den Trauermantel auf dir zwängen; Wer ist der Größere dieser Zwei: 92 Der trägt des Zwingherrn Knechtlivrei, Der lieber wandelt nackt, doch frei? Sei nicht dem Strome gleich, der rollt, Jedwedem Eindruck weich und hold, Bald ist er blau vom Himmelsblau, Bald ist er grau vom Wolkengrau, lsier ist er grün im Wäldersaal, Dort ist er fahl im Felsenthal; Leit' ihn in Grotten, er ist das Dunkel, Führ' ihn zu Tag, er ist Gefunkel! was ist er selbst? nun, sag' mir's wer: Li, Wasser, Wasser, sonst nichts mehr! Selbst wenn ihn Kampfeslust gepackt, Und er sich stürzt als Katarakt, Lr ringt und ras't, doch weh, er zerschlägt Sich selbst nur und das Bild, das er trägt. Doch sei dem Licht gleich, unbemerkt, Wenn Tagerglanz die Augen stärkt, Doch schön zum Leuchten angefacht In schwarzer Nacht, in finstrem Schacht, Je schneller die Finsterniß, du schneller, Je dunkler das Dunkel, du so Heller, Lin Helles Lachen ist das Licht, Das Kohn der Schattenohnmacht spricht; Am Tage nur fließt es zusammen In eines größern Lichtes Flammen. So leuchten echte Feuerherzen Am hellsten in der Nacht der Schmerzen. Zwar scheint manch eins von düstrem Muth, Doch innen tief ist kseiterkeit, Der Kohle gleich im Trauerkleid, Doch ihrer Seele Stoff ist Gluth. Sei deines Landes frohester Mann, Daß sich dein Volk an dir erhelle, yz Wie eines Dochtes Licht gar schnelle viel tausend Fackeln zünden kann! Doch froh zu werden, sei erst gut! Die Güte nur gibt freudigen Muth. Das Lachen ist der Regenbogen, Der dunklem Grund des Sturms entsteigt, Als Siegeszeichen zwar gezogen Und doch dem Frieden hold geneigt. NUt Lachen führ' in Sturmestllcke Ein heitrer Fürst sein Volk zum Glücke, Ein heitrer Held das Heer zum Siege, Ein heitrer Pfaff zur Himmelsstiege, Die bis ins Haus euch Stufen reiht! Zum Schmerz nicht hat uns Lhrist befreit; Das Haupt des Heilands selbst betrachtet! Den Dornengürtel, der's umnachtet, Umquillt die goldene Glorie ganz, !vio eines Himmelslächelns Glanz; Wir sehn entsetzt die Wunden, draus Blutströme auf den Rasen klopfen; Von oben nimmt sich's anders aus: Ihm fließt nur Lächeln um den Mund, Sein Auge sieht, wie jeder Tropfen Als Rosenstrauß fällt auf den Grund. — Dir ist ein schönes Loos gespart! Wo Fürstengrößen ihr Angedenken Nur aus gekränkten Herzen tränken, Klingt dir's zum Ruhm nicht kleiner Art, Spricht der Chronist in fernen Tagen: „von Diesem weiß ich nichts zu sagen!" Dein Bild in Habsburgs Ahnenhallen Nacht hold manch spätes Herz dir wallen; Einförmig lange Bildnißreihn Nit Kronen all' und Herzogshüten! Der Naler schlang nur dir allein Ums Haupt den Reif von Rosenblüthen; Das letzte nicht ist's von den Loosen. Zieh hin und kränze dich mit Rosen!" Und so geschah's, daß Rosenglut Linst stand bei Vestreichs Herzogshut. Nithart. Des wart Engelmar gewar. Er sprach: „her Nithart, der ist hie, der uns gespöttes nie erlie: wir suln im vrolich schenken." Nithart (nach v. d. Hagens Ausg.) Lenzfeier Allerseelen. wieder ist Lenz im Bstcnland, tausendmal war und noch wird sein; Eintönig webt jahraus, jahrein Natur, die Magd, mit stumpfer Land Aus selbem Stoff dasselbe Band; Was all' in ihr Gewebe sie flicht, Maikränze, Vogelsang, Morgenlicht Und Laub und Duft, was ist es auch Als flüchtiger Schall und Staub und lfauch? Da tönt ein Spruch nur über den Rocken, Und grauer kfanf wird zu goldnen Flocken! Den Zauber spricht das Menschenherz, Und rings ist Glanz, Muthwill' und Scherz! Durch Frühlings buntes Einerlei Ergeht sich die Dichterseele frei, Sieht rings die Aenne von Tod und Zerfallen Und ahnt das eigne unsterbliche Wallen, verblühend spricht zu ihr die Blüthe, verduftend ruft zu ihr der Duft, verklingend fleht der Alang in der Luft: G wahr' uns ein Dasein in deinem Gemüthe! Der Dichter läßt ins Lied sie schweben, Anast. Grün's Werke IV. 7 y8 Sie blühn und duften, klingen und leben! Am Bach den Narziß berührt er kaum, Da springt ein Götterknab' aus dem Traum, Und Nachtigallen, Schwalben fahl Sind Königstöchter im Fiirstensaal; Die glatte Schlang' im Mondenschein Stolzirt mit dem Krönlein von Golde rein, Don eklem Gewürm und Gcthieren wild Streift er die Hülle der Häßlichkeit, Denn Prinzen sind's vom ältesten Schild, Nur harrend der Lrlösungszeit; Die Himmelsöde gibt er frei Als Schaugerüst der Götterschaar, Für Götter ein Schauspiel ist's fürwahr, Herabzusehn auf das Weltturnei; Lr fühlt's mit Stolz, die Gaffer oben, Sie müssen die Kämpfer bewundern, loben. Lin Fähnlein Götter, das Raum nicht gefunden Entsandt' er, da er's entbehren kann, Zum stillen Hain, in den finstern Tann, Dem waldeseinsam zu kürzen die Stunden. So Menschenherz, so Dichtermund Thut ihr zur Wett' euer Wunder kund, Zwei Magier, die am Hofe gewandt Den Zauber mit neuem Zauber gebannt; was sag' ich Zwei, die Lins im Bund, Die Magier sind ja einverstanden! Jed' Herz ist eines Dichters Zelle, Und klang sein Lied nicht allen Landen, Im Weltgesang doch fand es die Stelle. (!) könnten die Herzen, die noch lodern, Aufschlagen das grüne Leichentuch Und lesen das große Liederbuch In tausend und tausend Herzen, die modern! yy Manch eines, das stumm dabin gefahren, Kann Lenzgeheimnisse offenbaren, Denn jedes hat, bevor es gebrochen, Das Lied gesungen, das Wort gesprochen, Das der Natur werktägigcn Rocken Verzaubert in märchengoldene Flocken. Sie weiß zu danken; wenn Lerchenschlag Einläutet des Maien Feiertag, Entzündet sie Blumen und Blümlein in Massen, Gleich Fackeln und Ampeln Hellen Scheins Auf allen Gräbern, vergißt wohl keins, wie lieben Todten wir flammen lassen Diel Lichter und Lichtlein im Friedhofshage Doll Wehmut am Allerseelentage. 7* Das erste Veilchen. Auen der Donau schritt und sann Nithart, Herzog Vttens Mann: Ein süßer Dichter, der weit iin Gau Ausstiegen läßt die Liederschwärme, Wie Lerchen, schimmernd vom Frühlingsthau, Wie Bienlcin, tragend Honig der Au, Doch auch den Stachel, der Manchen härme; Nur grünen Mai in wonnigem Reih'n Singt er allimmer und allerwärts, Doch schmeichelt sein Lied in Seelen sich ein, Denn ewig jung sind Lenz und Herz; Nachsingt es zur Harfe Fräulein und Ritter, Zur Sichel und Sense johlt es der Schnitter. V Liedesgabe, ins ärmste Haus Trägst du Feldblumen zum Fensterstrauß, Du hängst in die öde Fürstenhall' Das Bauer der schmetternden Nachtigall! — Zeit war's des Märzen, des Täufers Tage, Der Frühlings, des Heilands, Kommen kündet; Noch ruht Erwarten über dem Hage, Die Gxfergluth wird erst entzündet, Nur Spitzen keimen der wogenden Halme, IOI Nur Lnospen lauschen der flammenden Blüthe, vorklänge nur zwitschern rauschender Psalme, Vorahnung der Lust erwacht im Gemüthe, Ivie harrende Linder nur mit Zagen Zum Glanz des Iveihnachtsbaums sich wagen. Natur gleicht noch der Maid, die vom Linde Zur blühenden Jungfrau reifend gedeiht; Das bserz pocht, schwankend, was es empfinde. Der Blick glüht tiefer in Wann' und Leid, Die Brüstlein knospen, die lvangen erröthen, Die Lippen schwellen, die IVorte flöten; Genuß steht fern in heiligem Baun, vorahncnd nur Seligkeit dem Mann, Dem ganz der Liebesmai einst glüht, Wenn dieser Mund im Luß aufblüht, Ihn dieser Arme Ranken umschlingen, Ihm diese Lippen Liebe singen, Und kscrz in kserz zusammensprüht! In Nitharts Seele so gaukeln und schwanken Die Liederkeime, junge Gedanken, Feldblumen sind's, die er pflückte kaum, Doch sucht er noch das verschlingende Band, Die Lüchlein der Vögel sind's, noch im Flaum, Die er einst fliegen läßt durchs Land. B süße Störung, lieblicher Fund, Das erste Veilchen im grünen Grund. Nithart aufs Lnie sich niederließ, Nahm flink vom ksanpt den Federhut, Und zu dem Veilchen sprach er dicß: „B schönes kserrlein, willkommen gut! Du lieblichster Bote des mächtigsten Nerrn, 102 Ich kenne dein blaues Barett mit dem Stern, Den grünen Stab, der stützend dich wiegt, Den Wappenrock, der grün dich umschmiegt, Grün tragen die irrenden Ritter gern! Lenzherold, willkommen in diesem Land! Das schöne Gestreich ist sein Name, Hier herrschen zwei Brüder mit milder Band; Der Ein' ist Albrecht der Meise genannt. Doch öfter heißt er Albrecht der Lahme, Ans krumme Bein viel lieber glaubt Die Welt, als ans gesunde Haupt; Der Andre Gtto, der frohe Geselle, Verschönt den Fürstenhut mit der Schelle. So hat er mir, dem Diener, entboten: „Zieh hin und suche des Frühlings Boten! vom Lenz trag' ich zn Lehn mein Land, Er selbst den Lehnbrief zierlich schrieb Auf grünem Grund, der dem Auge lieb, Vollmond hängt als Sigill am Rand, Die Initialen sind Morgenröthen, Die Lettern geschwungne Blumendolden, Die Interpunctionen Sterne golden, Das lies't sich so lieblich, als klängen Flöten; Drin steht: „Wie ich die Wälder und Hecken, Sollst du dein Volk zum Blühen wecken, Die Nebel scheuchen, die Eise sprengen, Die sein erwachend Herz noch engen, Des Geistes Saaten reifen und hüten, Mit Kränzen weckend neue Blüthen; So grüne, glänze maiengleich Das Fühlingseigen Gesterrcich!" Nicht ziemt sich's, zieht ein Kaiser die Straße, Daß unbegrüßt sein Vasall ihn lasse; Nun König Lenz mein Land durchwallt — I0Z — Mit Hof und Kammer und Heercsbann, Wer zeigt mir seines Zeltes Halt, Daß schuld gen Gruß ich bieten kann? Wer lehrt mich, wie ich den Herren finde Inmitten dein prächtigen Hofgesinde? Hier, dort und überall erschien er, Und mein' ich, er sei's, ist's doch nur sein Diener. Drum was wir dem Herrn nicht bieten können, Das wollen wir seinem Gesandten gönnen, In Lammt und Purpur ihn empfangen, Als käme der König selbst gegangen. Truchseß und Schenk soll ihm kredenzen, Ihm dienen Marschall und Kämmerlinge, Die Ritter neigen vor ihm die Klinge, Irr weißem Gewand ihn Iungfrann kränzen; Mit Timbeln und Harfen, mit Flöten und Geigen Umschling', umkling' ihn wonniger Reigen! Nun, schönes Herrlein, rastet aus, Geduldet hier im Gesandtenbaus, Don dessen Zinnen gar ivohlgemuth Jin Banner die Landesfarben wehn." Das Veilchen bedeckt er mit seinem Hut, Drauf weiß und roth die Federn stehn. Dann eilt er fort auf flüchtigen Sohlen, Den Fürsten und seinen Hof zu holen. Da kommen Bauern des Weg's geschritten, Den Lenz auch feiernd nach ihren Sitten. Der Lin' erkennt Herrn Nitharts Hut, Lüpft ihn und späht, was drunter ruht? „Lin Veilchen nur! Wie unverdrossen Herrn Nitharts Hirn in Kinderpossen!" Da drängt sich durch die Schaar ein Bauer, Der Lngelmar aus Zeiselmauer, — 104 — Ungleichen Schrittes wallt er drein, Lin Stelzfuß ist sein rechtes Bein, Doch tritt er fest und trägt mit Stolz Des hölzernen Schlachtfelds Barbe von Holz, Gedenk des heißen Tags ini Arug, Draus man ihn wund, doch siegreich trug. Sein derber Geist ist ein Gemenge Don frischer Schalkheit und herber Strenge, Gleichwie das Dunkel seiner Locken Manch weiße Ienseitsbliithe färbt, Und scharfe Furchen sich eingekerbt In seiner Wangen feist Frohlocken. Sein Haupt bedeckt ein Gugelhut, Am Wanst ihm hängt ein Degen gut, Noch trugen die Bauern Waff' und Wehren; Sie lernten's von den gestachelten Aehren, Sie lernten's von den Bienen klein, Gewasfnet für süßen Reichthum sein. Ihr armen Bienen, sie nahmen euch Den Stachel mit dem Honig zugleich! Er sprach: ,,Uein Uinderspicl um Flitter, Ls ist ein keck Besitzergreifen, Denn ungehemmt will Fürst und Ritter Und Pfaff durch unser Ligen schweifen! Lin zartes Sxitzlein nur hat der Reil, Doch weh, ist das in den Stamm gedrungen! Das Werk der Zerklüftung, halbgelungen, vollenden Hammer, Säg' und Beil. Hent ist ein Deilchen nur die Beute, Doch morgen ist's der Fisch im See, - Das Wild im Forst, des Lämmleins Schnee, Der Dirne Aranz und Hof und Leute, Der Hände Schaffen, des Herzens Glaube, Lin Sterbekittel bleibt uns zum Modern! — I0Z — Drum wehrt des Aeilcs Lindrang heute, Daß euch die Zeit nicht Alles raube, Daß nicht, wenn später heim wir's fodern, Die Rronen wanken, die Burgen lodern! Des Ritters ist der Waffensaal, Des Fürsten der Pergamentenbund, Des Pfaffen ist Brevier und Pokal, Des freien Bauers der freie Grund! Der Lenz, kein Traumspiel unsrem Geist, Ist uns ein wahrer, heiliger Glaube, Der reichen Lohn den Mühen verheißt Und sich erfüllt in Vorn und Traube, Der im Entbehren, Dulden uns stärke Durch stilles kfoffen und gute Werke. Ein Priester, predigend seine Lehre, Ist jede Blüthe, jede Aehre; Dieß Veilchen, ich erkenn's am Barette, Trägt eines Kirchensürsten Ehre, Denn Bischofsfarb' ist die violette. Wir lösen's aus dem Uerkerverließ, In dessen Nacht es Nithart stieß. Wie aus dem Thurm das Ureuz, so prange Es licht und frei auf hoher Stange, Begrüßt vom flötenden kfirtdnrohr. Umkreist vom blühenden Diruenchor, Sackpfeif' und Schalmei, kfackbrett und Geigen Umschling' es, umkling' es in wonnigem Reigen!" Soll kfoffest sein der Lenzbeginn, Sei er's am Bauers-, nicht kferzogshofe, Die Märzensonn' ist keine Zofe, Nein, wangenrothe Bäuerin, Die fleißig die goldene Spindel dreht Und Futter streut und Saaten sä't. - IOÜ — Fort mit dem Veilchen zog die Menge, Lin Bauer blieb am Grt allein; Meh, daß kein Menschenkreis so klein, In den der Frevler sich nicht dränge, Wie Diebslist in das Iahrmarktfest, Ins Lustturnier des Unfalls Tucke! Lr hob den Hut und ließ zuriicke, Was sich nicht singen und sagen läßt. Nitbart kehrt wieder mit dem Hofe, Mit Ritter und Geiger, Knapp' und Zofe, Sie reih'n sich um deu Hut im Kreis; Der Herzog übermurmelt leis Den Spruch, den Nithart ihm ersann, Der Wonne froh, daß bald sein Laut Im Fürstenmnnd das Volk erbaut. „G du," Fürst Gtto jetzt begann, Doch spricht er nicht der Rede Rest, Denn Nithart hebt den Hut und schaut, was sich nicht singen und sagen läßt. Ls schnellt ihn auf wie Stahleskrast, Lr reckt sich hoch wie Speeresschast, Sein Degen klirrt, als lechzt' er Fehde, Echo des Schwerts ist seine Rede: „Gemeinheit, ekle Spinnenbrut, Den goldnen Bpferkelch umwebend, Du Straßenstaub, mit Iuwelenmuth Als Saum an Purpurschlexpen klebend, Mchlthau, der alles Blühen schreckt, Rostmal, das blankste Panzer fleckt!" Indeß so seine Worte klirren, vernimmt er fern ein liebliches Schwirren, — io/ — Die Veilchenstang', er sieht sie gut, Trägt Engelmar mit dem Gugelhut, Sackpfeif' und Schalmei, Hackbrett und Geigen Umschlingen, umklingen den Bauernreigen. „Dir, Dieb und Schänder, und euch, ihr Thoren, Sei feurige Rache zugeschworen! Nennt, wenn ihr Nithart den Sänger meint, Jetzt Nithart nur den Bauernfeind. Rächt, Tributäre der Natur, Die Schmach, die Einer aus euch erfuhr, Mordbrenner werde, gütige Sonne, Seng' ihre Saat, schlürf' ihre Bronne, Dann praßle nieder, Sündfluthregen, Was übrig blieb, noch wegzufegen; Sperlinge, verdoppelt die Sperlingsart, Verschlingt, was Scheuer und Tenne spart! Weil Blüthen sie lieben, blüh' im Aorn Der Fuchsschwanz ihnen, Distel und Dorn; Heuschrecken, seid die Falter der Au, Ihr Hagelschloßen, seid Morgenthan! Ja, Engelmar, weil zum Entzücken Du liebst das schöne veilchenblau, Will eine ganze veilchenau Ich pflanzen auf deinen breiten Rücken!" Herr Nithart springt auf die Bauernschaar, Aur Wehre greift der Engelmar, Es schweigt die Schalmei, es stocken die Geigen, Ein Aranz, der riß, zerstäubt der Reigen, Der Taktschlag nur noch munter saust! Das ist ein Gedräng', ein irr Gewühls! V Nithart mit dem weichen Gefühle, Was führst du so derbe, harte Faust! — io8 — Herr Nithart ist als Sieger gekehrt, Das Veilchen stolz auf langer Stangen, vom Herzog wird's in Purpur empfangen, Die Ritter neigen zum Grund ihr Schwert, Von Limbeln und Harfen, non Flöten und Geigen Umschlingt es, umklingt es ein wonniger Reigen. Lin Hoffest ward der Lenzbeginn Am Herzogs-, nicht am Bauershofe, Ntärzsonn' ist keine Bäuerin, Sie ward zur anmutreichen Zofe, Die glänzend in goldnem Kleide geht Und spielend den Flammenspiegel dreht. Der Kampf, der um ein Blümlein heute Unblut'ge Munden, Beulen geschlagen, Lr schlägt um reichere, größ're Beute Linst Wunden, die nicht zu heilen wagen; Sie werden heim die Beute fodern, Dann wanken Kronen, Burgen lodern! Das Lied doch greift nicht vor den Zeiten, Ls darf noch durch die Blumen schreiten. Bauernkrieg. Nithart ein Prediger. Nithart sinnt auf Rache viel, ^W^lNit List und Wahnwitz falscher Lehren Will er der Bauern lfirn beschweren; Das Bauernherz macht leicht sein Spiel. Empfänglich wie das Ackerfeld Ist's jeder Saat, die du bestellt. Da wogt in schwerem Gold das Aorn, Der Lein in wellenblauer Flut, Da flammt der Wohn wie dunkles Blut, Da starrt der Karde fahler Dorn. Das Saamenkorn, wenn nicht veraltet, Schlägt Wurzel gern und schießt zur Aehre, Rund war der Welt noch keine Lehre, Drin nicht ein Rest von Keimkraft waltet; Und wie, wenn milder Regen geflossen, Erdschollen gierig die Saat verschlangen, So reift der Nerzen Grund zum Empfangen, Wenn kühler Wein ihn lind begossen. IIO Lin Montagsmorgen war's, mich däucht, Den Tag vorher gab's solchen Regen, Die Bauern lagen an Hecken und Stegen wie Lrdenschollen noch regenfeucht. Horch, in der Donau ein Plätschern und Schlagen! Lin Schwimmer rudert und springt ans Land, Herr Nithart ist's, in dem Gewand, Das Schwimmer trugen seit ält'sten Tagen. So spricht er zu den Bauern am Strand: „Das Paradies ist wiederkommen, Und Krieg dem Feigenblatt entglommen! Der Ritter kaust dem Knecht Livrein Nach eigner Wahl Zwilch oder Seide; Meint ihr zu arm des Herrgotts Schrein, Daß, wollt' er's, er in Watt' euch kleide? Bär wird in der whldschur geboren, Pfau springt aus dem Li im Hofgeschmeide, Der Hahn mit Helm, Goldwamms und Sporen, Im weißen Chorhemd die fromme Taube; Sprangt aus dem Mutterleib ihr Thoren Mit Schuh und Mantel, Gugel und Schaube? Drum laßt uns tragen Adams Kleider, Bevor er die selt'ne Lrnte halt' Dom Apfelbaum ein Feigenblatt, Bevor er ward der erste Schneider. Wir büßen nimmer an seiner Statt! Sein Blättlein dennoch reckte die Zeit Zum faltigen Mantel, zum farbigen Kleid, Blattrippen sind die Gürtel, die Spangen, Und Knospen die Schellen, so dran hangen; Schier ward's zum Feigenhaine bald, Als hätt'st du verschluckt den Axfelwald! Da Brüder ihr der Sünden frei, 111 Werft ab der Sünde Liverei! Ruft lauten Rufs: „„Wir Adamiten, Wir kommen durchs Paradies geschritten!"" Schon fällt ein Rock hier, dort ein Kragen, Nur Einer hat sich noch bedacht: „Wohlfeil und leicht ist deine Tracht, Nur etwas kühl in Wintertagen!" ,,„B Närrchen, ist's nicht Sommer klar, Nun ich der Unschuld Kleid verkündigt? Wird's kälter einst, wie leicht ersündigt Ist dir ein Warums, ein pelz sogar!"" Das Wort flog hiu wie Herbststurms Wallen, Der macht die Blätter alle fallen. Nithart schleicht fort zur Brombeerhecke, Nimmt dort sein Kleid aus dein Derstecke, Entblößt nur läßt er seinen Rücken, Der Beeren Saft darauf zu drücken, Daß er geröthet scheint zu bluten! Dann schneidet er vom Strauche Ruthen. Die Flanken streichend mit linden Schlägen, Tritt er der nächsten Schaar entgegen: „Herbei zur großen Geißelfahrt, Die kund im Himmelsbricf uns ward, Geschrieben auf rothen Ularmelstein, Die Fackel hält ein Engel zart, Ein Blitzstrahl ist der Kerzenschein! Nicht Wasser, das Wolf und Eber sauft, Das Blut, das eigne Blut nur tauft; Liebt Gott der Herr das Wasser? Nein! Drum wandelt' er's in Kana's Keller Zu Rothwein einst, zu Muskateller. Noch fester als in eurer Haut I 12 Steckt ihr in Sünden, — die zerhaut! Der Mensch ist eine Garbe des Herrn, Drum, Freund, den Flegel tüchtig schwinge, Daß aus der Aehrenhülse springe Des Heiles Aorn, der inn're Aern! Schlag' selber dich, eh' Gott dich schlage, Ulag' selbst dich an, eh' dir's eutnage Die Folterbank am jüngsten Tage! Das süud'ge Glied beschäm' und ächte! Die linke Hand du Dieb aufstrecke, Du Mörder und Räuber deine Rechte, Du Lügner deine Zunge recke, Des Meineids Finger luftwärts steige, Daß jeder Teufel sein Mappen zeige! Ihr sollt von Haseln und von Weiden Die grünen Zweige zu Ruthen schneiden, Dann singt und schlagt den Takt mit Uraft: „„Wir sind die Geißelbruderschaft, Zu frommer Bußfahrt aufgerafft!"" Nehmt Kreuze roth auf Hut und Band, Uirchfahnen nehmt und Aerzen zur Hand!" — Die Predigt fand nicht Mißbehagen; Der denkt: „Ich mag die Bußfahrt wagen! Der volle Gurt, der mir verschwand, Vb Jürg wohl streckt die linke Hand?" Der denkt: „Wohlauf, nun wird mir's tagen, Gb Nachbar Jobst mein Weibchen küßte? Wie der die Lippen spitzen müßte!" Nur Einer fragt, er liebt das Fragen: „Was spracht ihr dort vom Muskateller?" „„Den findet ihr im Herzogskeller; Des Thrones Schutz reift erst die Lehren, Drum zieht, den Herzog zu bekehren!"" Da ward es Allen klar geschwind, — HZ — Was sie für arge Sünder sind, Da sprangen sie zu Birken und Weiden, Die Zweige sich zu Ruthen zu schneiden. Sie wallen fort. Nithart verschwand, Doch kehrt er bald im Mönchsgewand, Die Kutte braun zu Fersen ihm wallt, Ein hänfner Strick den Leib umschnallt, Aus der Kapuz', aufs ksaupt gezuckt, Sein Aeugleinpaar gar listig guckt, Ein Wäglein rasselt hinterher von braunen Lodenkutten schwer, Die Zügel lenkt vom Sitz ein dreister Bartscherer, des Gespannes Meister. Jetzt halten sie auf grünem Plan; von Bauern liegt dort eine Schaar, Mit Sonntagskleidern angethan, In ihrer Mitten Engelinar, Im Zauberbann der Iohannisminne, In tiefem Schlaf, bar aller Sinne. Nithart löst ihre Kleider ganz Und steckt sie stink in Klostertracht, Dann birgt er ihre Waffen sacht, Gibt Strick dafür und Rosenkranz. „Nun, Bischof, nun beginnt die Weihe!" Die Stirnen all zu Glatzen mäht Nitharts Geselle nach der Reihe, Bis an den Schläfert ein Kranz nur steht. Dann legt sich Nithart zu den Pfaffen: Gb sie sich bald dem Schlaf entraffen? Der Erst' erwacht der Engelmar, ksalbwach sieht er den braunen Talar Greift rasch ans lsaupt, ihm schnellt's die ksand, Anast. Grün'; Werke IV. 8 — ii4 — Als steh' die Glatz in Hellem Brand: „weh' mir, ich bin ein Pfaff geworden, Muß Buße thun in strengem Grden!" Lin Andrer sprach: „Amt muß ich singen! Die Leitkuh hört' im Traum ich läuten; Den Glockenruf kann ich nun deuten And frommes Melken, Wedelschwingen!" Den Dritten freut der kahle Scheitel: „An Trotz der Käthe welch ein Schwang, Fährt sie nach meinem Schopf im Aank!" Lin vierter lallt: „V all ist eitel! Mir träumt', ich sang Schelmlieder frei, Doch waren's Mönchsgelübde drei!" Lin Fünfter sprach: „Arm will ich sein An Müh' und Arbeit', Sorg' und Pein!" Lin Sechster rief: „Gehorsam fein Gelob' ich dem schönen Glockenschalle, Dem Ruf in Refektoriums Palle." Lin Andrer: „Keusch bleib ich im Thor, Bei Prim' und Non' irr Takt und Maß; Doch Prim der Nonne wäre baß!" Nithart droht mit dem Finger empor, Doch tröstet er mit mildem Laute: „Ktsi uou caste, tarnen cante!" „Der Nithart hier!" ein Andrer schreit, „Wie kommt der Schelm ins heil'ge Kleid? Lr spricht: „wie ihr, bereu' ich Sünden, Wie ihr, muß ich das Wort verkünden. Dio schwerste Buß' ist mir geworden; Der Abt zu sein in eurem Grden! Jetzt zieht, den Perzog zu bekehren, Des pofes Sonne reif' uns die Aehren! voraus zum Fürsten geh' ich schnelle, Au stehn um Kloster und Kapelle." — IIZ — Nithart tritt in den Fürstensaal, verneigend sich im Ukönchsgewand, Und führt an des Balkones Rand Den Fürsten und die Dienerzahl: //Ich bin ein würd'ger Abt geworden, Gestiftet hab' ich neuen Grden; Der Bauern Trotz hab' ich geschmeidigt, Selbst strafen sich, die mich beleidigt." lsei, auf der Brücke vor dem Thor Welch irr Geschrei, welch bunt Gedränge! Die Mönche stimmen an den Thor, Lin wirres Ton - und Wortgemenge, Diskant und Baß, nun Lyrie, Nun lüberu iros clomiue, Dabei manch Liang vom Lrug und Pflug! Ls lenkt der Lngelmar den Zug Als Prior, doch mit ksott und kse! Drein prasselt wie ein Sommerregen Der Fall und Schall von Geißelschlägen, Das singt und schlägt den Takt mit Lraft: „Wir sind die Geißelbrnderschaft, Zur großen Betfahrt aufgerafft!" Mönchchor und Geißlerschaar sich mengt. Auf sie die dritte Rotte drängt Im Unschuldskleid nach Ldens Schnitte, — Der Frauen Äug' senkt sich mit Sitte, — Laut schallt ihr Sang: „Wir Adamiten, Wir kommen durchs Paradies geschritten!" Das tost und drängt und kreischt, o Gräuel, Lin unentwirrbar wilder Knäuel! Bang seufzt der Fürst: „Was wird nun draus? Nithart ruft vom Balkon wie aus Wolken: 8* 116 „Die Kühe sind noch ungemolken!" Da löst entwirrend sich der Strauß. „Herr, Bauern werden wieder draus." Lin ländliches Fest. Zum Herzog Btto Nithart spricht: „Im Dorf ist morgen Kirmeßtag, Herr, lade die Bauern zum Gelag, Au edlem Wein und feinem Gericht, Daß Enkel, noch in späten Tagen von deiner Milde wissen zu sagen!" Was heimlich er denkt, doch sagt er nicht: Hab' ich sie nur beisammen morgen, Ein Andrer wird für Rache sorgen! Ein schönes Fräulein, wie Göttin Hebe, Ein lieblich Feenkind war die Rebe, Schlangwüchsigen Leib's zum Himmel ragend, Feinrankige Arme in Anmut tragend, Nit Tänzen, Geberden mancherlei, So jugendlich keck, so göttlich frei. Die Naid im Garten ein Bauer sand Nit hartem Herzen, rauher Hand; Er fesselt sie zum Narterpfahl, Beschwert die Glieder mit Kett' und Band, Ersinnt ihr Bualen ohne Zahl; Die Aeuglein blendet sein scharfer Stahl, Die schönen Arme schneidet er ab, verstümmelt und krümmt den wonnigen Leib, Bis sie gebückt am Rriickenstab Hinschleicht ein höck'rig altes Weib, Dann senkt er lebend sie ins Grab. Vergeltung doch hat sie dem Thoren, — ii7 — Dem Peiniger ihres Leib's geschworen, Unsllhnbar sich in Rache zu laben, Bei jedem Fest ein Gpfer zu haben. Und der gemordeten Rebe Geist Erscheint beim Festmahl ihm und reißt Au Boden ihn mit mächtiger Faust, Daß Wahnwitz sein Gehirn durchbraust; Aum Thier soll er verwandelt sein, Erst Täubchen, Tiger dann und Schwein; Gefühlvoll erst, rauslustig dann, Unflätig zuletzt ist der trunkne Mann. Der Taubengeist wird lang nicht walten, wir wollen's mit dem Tiger halten. Der Herzog ihm antwortend spricht: „Ei seltsam, daß der Bauernfeind Die Bauern will zum Fest vereint! Dein Wunsch doch hat mir solch Gewicht, Daß ich ihn nimmer kann versagen: Laß Boten um die Gäste jagen!" Was schlau er denkt, doch sagt er nicht: Fürwahr, schon allzulang will dauern Dieß Ariegen Nitharts mit den Bauern! Ein altes Buch in schöner Mähre Hat mich gelehrt, wie ich den Streit In Frieden und Versöhnung kehre, Und köstlich kommt gelegne Zeit! vor'm Dorf, wo sich die Linde spreitet Und weit ihr grünes Laubdach breitet, Ist schmuck ein langer Tisch gedeckt, Schneeweißes Linnen drüber gestreckt; Des Webers Aunst wob in den Flaum Des Bacchus Fahrten, Noahs Traum, — ii8 — Als hätten übermannt ihn Beide, verwirrend Bibel und Heidenthum. In Körben prangt der Fluren Ruhm, Der Früchte Glanz, der Blumen Geschmeide Auf weißem Tisch zur Augenweide, Ivie Aaubergärten mitten im Schnee! Unfern, daß ihn ihr Schatten umweh', Liegt feist ein Lber hingestreckt. In Tischesmitte zum Himmel reckt Des Bäckers Werk sich, die Pastete, Des Kahlenberges Felskoloß, Auf dessen Gipfel das Herzogsschloß Sammt Thurm und Fähnlein, das sich drehte; Wie sachtreu! Wenn der Grundstoff nur Nicht allzutreu der Felsnatur! Am Fuß der Burg quillt aus Gestein Lin Bächlein, Namens Gsterwein, Sein Fall ein muntres Mühlrad treibt, Der Stein tanzt lustig und zerreibt Des Mst's Gewürz zu duftigem Mehle. Dem Briinnlein nah gelagert ruht, Als ob er sich's zur Tränke wähle, Lin Hirsch mit breiten Geweihessxrossen; Der Sehnsucht Bild, liegt hingegossen Lin Riesenhecht, den Heimweh quäle, Ins Naß zu tauchen seine Flossen, von Schüsseln und Krügen welch Geschwader! Des Herzogs Diener sind die Schenken, G nnversiegliche Brunnenader! Die Bauern sührt der Fürst zu den Bänken: „Laßt euch's behagen, liebe Gäste, Und werdet froh am frohen Feste; Nur Eins allein will ich bedingen: — IIY — Ihr sinnt dem Nithart Feindesränke, vom Feind nimmt man nicht an Geschenke, Drum sollt ihr auch sein Lied nicht singen; Doch beut die Hand ihm zum versöhnen, Schön soll sein Lied zum Mahl euch tönen. Ich denk', ihr thut's! Ihr mögt ihn ehren, Sein Lied könnt' ihr doch nicht entbehren." Die Bauern rufen: „Ei, beim Schlingen Ist störend, ungesund das Singen; Ein Nithartlied ist, traun, kein Braten, Du gibst uns bessern, es zu entrathen! Wohlauf ans Merk, zur Arbeit frisch!" Ich geh' zur Jagd auf den edlen Hirschen, — Ich will den feisten Keuler pirschen, — Ich angle nach dem glatten Fisch, — Ich zieh' in Krieg, sieghaft zu stürmen Die hohe Feste mit Mall und Thürmen, — Ich will den Bach ableiten und dämmen, Er möcht uns sonst die Flur verschwemmen! Nicht ferne steht ein kleiner Tisch, Doch nur für Einen Mann gedeckt, Mit weißem Linnen überstreckt Und reich bestellt mit Wild und Fisch, Nur fehlt, du siehst es ohne Noth, Der edle Mein, das heil'ge Brot. Den Nithart führt der Fürst zur Stelle: „Dieß sei dein Platz, mein lieber Geselle, Froh magst des frohen Fest's du sein, Du siehst, Wein fehlt und Brod allein; Du spinnst den Bauern Fcindesränke, von: Feind nimmt man nicht an Geschenke, I 20 Der Bauern Gab' ist Brod und Wein. Reichst du die Hände zum versöhnen, Nag Brod und Wein das Mahl dir krönen. Ich denk', du thust's! Du sollst sie ehren, Nicht kannst du ihre Gad' entbehren." Doch lächelnd draus der Nithart spricht: „V Herr, ich denk', ich thu' es nicht! Du selbst machst hier mich zum Eremiten, Drum nehm' ich an Einsiedlersitten; Die Eremiten sind nicht Prasser, Nur Wurzeln, Aräuter sind ihr Tisch, Ihr Trunk vom Duell das klare Wasser; Wie sie, soll Duell und Wald mich nähren. Ein edles Würzlein ist dieser Fisch, Hirschziemer ist ein Rräutlein frisch, Bo kann ich Brod und Wein entbehren." Ein Fürstenmahl und Banernmägen, Da gibt der Herrgott seinen Segen! Das ist ein Schlurfen dort und Schlingen, Mit Hirsch und Eber welch ein Ringen. Sie schrecken nicht trotz Horn und Zahn, Und Spießer und Sau sind abgethan, Die Felsenburg im Sturm gefallen! Der Thatkraft ungebrochnes Schweigen Ruht anfangs aus den Bauern allen. Die Weinflut doch beginnt zu steigen, Allmälich hörbar rauscht ihr wallen. Erst schaukelt sie gelind und wiegt Des Liedes Lahn, gefesselt am Strand; Dann schüttelt sie und reißt das Band, Daß er im Strom, entkettet, fliegt! 12 I Anhebt ein Bauer und winkt den Lhören: „Wollt liebe Mähren gern ihr hören?" Dazwischen rauscht des Andern Baß: „Wirth, hast du nicht ein volles Faß?" Ein Dritter stimmt ein Lied in Diskant: „Der Mai ist wieder in dem Land!" Der Herzog streng ein Tüchlein schwenkt: „Das sind des Nithart Liederreigen! Treu eurem Wort gebiet' ich Schweigen." An seinem Tisch der Nithart denkt: Die Taubenzeit ist's und ihr Girren, Ich suhle Taubenflügel schwirren! — Des Paktes reut es fast die Bauern, Sie schweigen mit Unlust nur und Trauern. Jetzt auf dem Stelzfuß mit Gewicht Erhebt sich Engelmar und spricht: „Ein Mahl, zu dem kein Lied erscholl, Ein Baum ist's ohne Zweig und Blatt, Ein Thurm, der keine Glocke hat, Ein Strom, der nimmer rauschen soll! Doch meint so karg ihr die Natur, Daß sie ihr Lied nur Einem vertraute? In unsrer Brust auch liegt die Laute, Sie klingt gewiß, berührt sie nur! Kein fremdes Lied braucht ihr zu singen, Laßt froh und frei das eigne klingen! Was mit dem Äug' ich rings nur finde, Ist's Lied und Stoff zum Liede nicht? Wißt nur zu lesen! Ein Gedicht, (!) singt es, ragt vor euch die Linde." Ein Bienenschwarm nach Liederseim Umflattert jetzt den Baum ihr Sinnen; 122 Sie sammeln flink. Horch, sie beginnen Und Jeder singt laut einen Reim: „V Linde grün mit mächtigem Schaft, Du bist die Burg der Bauerschaft!" „Ls weht von den Zinnen die grüne Fahn'; Das grüne Feld ist uns unterthan." „Du wurzelst tief, du wipfelst hoh, Auf freiem Grund gedeihn wir so." „Der Thurmuhr Glockenspiele klingen; Die Vöglein Tageszeiten singen!" „Dein Lanbdach wölbt die hohe Halle, Da saßen Ahn' und Väter alle." „Da tauschen die Jungen Ring und Ruß, Die Alten den Lhexakt zum Schluß." „Da rathen, die zu rathen haben, Da trauern, die einen Lieben begraben." „B Linde, du bist uns zumal Kapelle, Fest- und Trauersaal." „Dein Blühn ist fahl, dein Duft ist stark, Schlicht unser Kleid, gesund das Mark." „Lin Lindenblatt ist gleich dem andern, Gleichförmig unsre Tage wandern." — I2Z — „Als Bild in jedes Blättleins Raum Gezeichnet ist der große Baum." „So meines Lebens still Geflecht, Treu spiegelt's ab das ganze Geschlecht." „Die Blätter fallen; neue treiben, Wir sinken, das Geschlecht wird bleiben!" „So, Blatt, bist du die Chronik fahl, Du, Baum, Archiv uud Ahnensaal!" „Da flüstern Sagen, hängen Schilder, Da schaun auf uns die Ahnenbilder." „Dein Geisterrauschen uns begleitet Und mahnt, wie das verhängniß schreitet." „D Linde grün mit mächtigem Schaft, Du bist die Burg der Bauerschaft." „Ein alter Reim, du karges Hirn! Du haspelst neu den alten Zwirn." „Die Linde wird uns Wasfenkammer, Wahrt manche Keule, manchen Hammer." „Ist auch ein Hospital sogar, Trägt tausend Beine dem Engelmar." „Dir ruft sie mahnend: Kauf' geschwind Ein Wieglein für dein ledig Kind!" 124 „Ein Hochgericht auch ist die Linde, D daß ich dich dran hängend finde " „Turnieresfürstin sei sie ernannt. Nun ich dich schinettre in den Sand." Denkt Nithart: „Nun will mir's gefallen, Ich spüre schon die Tigerkrallen, V Geist, bald wird dein Gpfer fallen!" Des Liedes Bolzen sind verschossen! Ein schwerer Geschütz mit ernstem Spiel Sind Lrng und Topf, und Löpfe das Ziel, Der Tisch ist taumelnd nmgestoßen, Die Bauern wild aufeinander springen; Der Engelmar schwingt im Gedränge Den Fuß der Bank statt Eisenklingen, Als ob sein eignes Bein er schwänge; Tischlinnen muß Besiegte binden Und Wunden als verband umwinden. Lamps und Geschrei nach Schlachtenart, Zerstörung, Fluchen, wilder Schrecken! — Des kerzogs Dienern ward's erspart, Ntit Müh' die Tafel abzudecken. Der Nithart sang: „Du rächst mich, Lied! wie wenig ich die Kämpfer schied!" List gegen List. Im Ldelhof zu Mödling wohnt Nithart und lebt ein selig Leben, Den Treuen hat sein Fürst belohnt Mit ksof und Feldern, Wald und Reben. — I2Z — Sein Lied, das Vhr und Herz besticht, Ls will auch blühn dem Augenlicht, Er will's auch schreiben in die Erde; Der schwere Pflug zur Harfe werde. Und seine Flur ein schön Gedicht. Der Wald ist kahl, die Flur ist fahl, Der Frost hat draußen Schnee gebettet, Des Frühlings Sänger mit kluger Wahl Hat sich den Lenz ins Haus gerettet. Er sitzt zu Füßen seiner Frauen, Ihr nimmermüd' ins Äug' zu schauen: Das ist so hell, so warm, so licht, Als schien' auf ihn die Ukaiensonne, Das Wort der Liebe, das sie spricht, Ist wie ein Flüstern der Wiesenbronne, wie Laubeslisxeln auf Waldesstegen, Ein wallender, fallender Bliithenregen. Sein schönes Haupt sie streichelt lind, Als kose die Locken ein Frllhlingswind. Ls ruht der Wald in tiefem Traum, Ein banges Schweigen rings im Raum, Der Wolf nur wandelt durch die Eichen, Der Haß nur will nach Beute schleichen. Zum Herzog tritt der Engelmar: „B Herr, das nenn' ich wunderbar, An Kurzweil seh' ich dich verwaist Und weiß dir süßen Zeitvertreib; Durch fernes Land bist du gereist Und kennst nicht, was die Heimat preist, Des Landes Stolz, das schönste Weib. Werth, als des Kaisers Braut zu wallen, 126 Ist sie dem Nithart zugefallen, Sein Liedeslenz ihr wonniger Leib!" Der kserzog spricht mit lächelndem Munde: „Den Fehler bessr' ich, Freund, zur Stunde. Zu Nithart eil' auf fiinkem Fuß, Mein Bote sag' ihm schönen Gruß, Er gönne morgen uns im Früh'n In seinem Forst die Lust zu jagen; Und da nach edlen Waidwerks Miih'n Ein Imbiß nicht will mißbehagen, Mag seine ksausfrau uns nicht grollen, Daß wir zu Gast ihr kommen wollen." kserrn Nithart in der Seele graut, Sobald er diesen Boten schaut; „Ein böses Zeichen, deutend Wehe, Brieftaube ward die schnöde Krähe!" Zum Weibe heimlich spricht er so: „Wir werden hohen Gastes froh, kserr Gtto will im Walde beizen; Zum Imbiß ihn erquicke reich, Was ksof und Forst bringt, Faß und Teich, Mit leckrem Mahl sollst du nicht geizen. Wie schade, daß beim Ritterspiel Der gute lherr einst taub sich stel! Drum schrei' ins Bhr ihm, statt zu girren, Laß auch sein Zürnen dich nicht irren, Er hat die Art von allen Tauben, Daß sie noch gut zu hören glauben." Am kierde prasselt die Flamme hell, Im Forste schallt der Meute Gebell; Schon müde sind die Bratendreher, Das ksorn im Wald tönt immer näher. 127 Dem Fürsten wallt Nithart entgegen, Er trifft ihn schon auf nahen Wegen. „Begnügt Euch heut', o Herr, mit Kleinem, Laßt Hans und Lent' Euch Wohlgefallen; Mir ward ein Weib, hold, schön vor Allen, Nur ein Gebrechen blieb der Reinen, Ach, daß sie taub von Kindesbeinen! Ihr sprechend müßt Ihr huldreichst schreien, Auch wollt ihr lautes Wort verzeihen, Sie hat die Art von allen Tauben, Daß taub sie auch die Andern glauben." Frau Friederune stand an der Schwelle, Aus lauter Kehle schmettert sie Helle: „Welch hohe Gunst so niedrem Dach!" Rückprallt der Fürst, hintaumelnd jach, Sein Ghrfell traf's wie Keulenhieb, Davon ihm lang ein Sausen blieb. Aus voller Brust er freundlich wettert: „viel Dank so huldigem Empfang!" Das Haupt der Armen lautend klang, Als wär's von Hammerschlag zerschmettert. Ein süß Willkommen, das sie pflegen, Sich Hammer und Keul' ums Ghr zu legen! Treppauf, treppab die Wirthin steigt, Bestellend sorglich Tisch und Teller, Sie bringt manch frischen Krug vom Keller, Handbecken neigt sie, stumm verneigt, Sie kommt und geht, jedoch sie schweigt; Ihr banger Geist nur heimlich sinnt: G arme Frau, die er einst minnt, Die ihres Herzens süße Laune Dem Liebsten nur durchs Sprachrohr raune, 128 Sogar das Liebeflüstern dämpfe: Ihr bringt's Bluthusten, Lungenkrämpfe. G armes Reich, dein Fürst ist taub! Weh, wer vertrauend, bittend wallt, Sein scheu Geheimniß laut erschallt Dem Hof, der Stadt, dem Land zum Raub! G armes Land, deß Herrscher taub! Am reichen Tisch den Fürsten laben Anstatt der Hausfrau ihre Gaben, Er dankt, der Lieblichen sich neigend, Er schmaust und zecht, doch immer schweigend! Nur insgeheim denkt er dabei: Geheimnißvolle Aaubermacht, G Liebeslauschen in stiller Nacht, Wann sich begegnen Herzen zwei, Wo leises Lispeln, Athemzüge, Des Herzens Schlagen, der Pulse Flüge, Ein heimlich Rnistern vom heil'gen Feuer Verständlich spricht, je stiller, so treuer! G armes Weib, du bist gewiesen Aus diesen säuselnden Paradiesen! Weh, Nithart dir, dein Lenz ist taub! Es müssen, daß die Arme sie höre, Wie Hagel brausen die Waldeschöre, Wie Riesel prasseln ihr Bliithenstaub, Mit Wetterschlägen die Rnospen springen, Die Wiesenquellen wie Sturmflut brüllen, Die Lerchen wiehern wie junge Füllen! Dein Lenz kann nicht mein Herz bezwingen. Nithart sieht's froh, wie immer schneller Der Herzog leert Pokal und Teller; — I2Y - Er denkt im Stillen: Herz und Magen Sind Freunde, die sich schlecht vertragen, Ist Hunger groß, ist klein die Liebe; Daß ihm's gedeih' und stets so bliebe! Hat Einer ein Gärtchen, fried' er's ein, Hat Einer ein Liebchen, hüt' er's fein! Aein Abschiedswort! Ein schweigend Scheiden Soll des Willkommens Wunden meiden. Verstimmt zog Btto seiner Wege, Wie jagt er mehr in Nitharts Gehege. Ein fernes Rosenwölkchen loht Die Wolke, die so schwarz gedroht; So die Gefahr auch, nun sie schied, Verwandelt sich dem Sänger zum Lied. Nithart sein treues Lieb umschlingt, Die Flamme prasselt, der Sänger singt: „Weh, Winter, du spinnst aus Lis und Schnee Bahrtücher den Vöglein, den Blumen, dem Klee! Zu Köln liegt Schnee auf den Alostermauern, In warmen Zellen die Mönche kauern. Albertus Magnus am Fenster steht, Das nach dem Alostergarten geht. Da ruht gebreitet die weiße Decke, Da starrt erfrierend die nackte Hecke; Anast. Grün's Werke IV. 9 — izo — Der Abt blickt froh, als ob ihn weide Der Blätter Schmelz, der Blumen Geschmeide. Den Mund des Brünnleins knebelt Eis, Die Laube streckt ihr kristallnes Reis; Der Abt horcht auf, als wie zu lauschen Auf Vogelsang, auf Wasserrauschen. Schneewolken schwer und träge schleichen, Nordlüfte scharf wie Messer streichen; Der Abt aufathmet, schlürfend Wonne, Als ob er sich in Mailuft sonne. Die Brüder meinen: das viele Denken Mag ihm den Sinn zum Irrsal lenken. Zu Weihnacht wallt er mit seinem Buche Im Baumgang, als ob Schatten er suche; Und läutct's Mittag, läßt er decken Sein Tischlein in verschneiten kecken. Der Abt noch selig lauscht und späht, Da xocht's, ein Frater vor ihm steht, Ein Vrdensmann aus der Ferne weit, Gespiele seiner Jugendzeit, Ein Freund, dem du erschließen mußt All' Schmerz und Wonne deiner Brust! — IZI — Da jauchzt der Abt: „L> Fest zu Zwei'n! Mir tafeln beut im Grün, im Frei'n!" Den Freund ein Frösteln überlief, Er hüllte sich in den Mantel tief; Er streicht den weißen Reif aus dem Bart Und stamxft den Schnee von den Sohlen hart; Er scherzt: „Meiß Tischzeug seh' ich zwar Und TrinkgerLth von Uristall so klar; Doch wird erst abgedeckt dieß Linnen, Menn Frühlings Gaukelei'» beginnen; Der Gaukler verschlingt, o jdossenstreich! Den Becher dann und den Trank zugleich." Der Abt faßt stumm des Freundes kjand Und führt ihn in das Gartenland; Er schwingt ein Stäblein, spricht ein Wort, Da grünt und blüht, was rings verdorrt; Es schmilzt der Schnee da, wo sie schreiten, Und Rasenxfade grün sich breiten; Dielfarb'ge Blumen blühn in den Beeten, 2ie wandeln sorglich, keine zu treten; Breitblättrig ranken an den Stäben Zur Laube Feigen sich und Reben. 9* — IZ2 — Da ist gedeckt ein reicher Tisch Mit Brod und wein, wildpret und Fisch- Goldlockig ein schöner Götterknab wallt als Aufwärter zu und ab. Sxielleute flattern in den Zweigen, So lieblich töut's, wie lsarf' und Geigen! Die Lüfte lau und würzig wallen, Da läßt der Freund den Mantel fallen; Da thau'n die lserzen auf, da gleiten Durch ihr Gespräch die fernen Zeiten; Die Lebensflut sich hebt und neigt, wie dort der Sxringquell sinkt und steigt; Aus Licht in Nacht sie wechselnd schau'n, wie hier aus dem Lenz in winterau'n. Zum Nachtisch von den Zweigen klauben Sie duft'ge Feigen, süße Trauben. Da mahnt der Abt: „Nicht zu vergessen Gedeihlich Bewegen nach dem Essen!" Er führt den Freund zur Aegelbahn, Gefegt, geglättet ist der plan; Aufstellt die fallenden Aegel geschwind Ein lieb blauäugig Elfenkind. Lin Lebewohl! Der Fremde schied, Da winkt der Abt! — Ls schweigt das Lied, Die Halme knicken, die Blätter erbleichen, Die (Quellen erstarren, die Blumen sind Leichen. Sein Stäblein schwingt er, sein Wort er spricht, Eishülle deckt den Garten dicht. Schneewolken schwer und träge schleichen, Nordlüfte scharf wie Messer streichen. Doch über die Winterlandschaft wallen Des Abtes Blicke mit Wohlgefallen: „Ruh', warmes Herz, in eisigem Siegel, Nur ein Geweih'ter löse den Riegel! Dem rauhen Troß verbirg, verhehle Das Lenzgebeimniß deiner Seele." — Hat Liner ein Gärtlein, fried' er's ein, Hat Liner ein Liebchen, hüt' er's fein. Lin Pilger. L)ie Sonntagssonne steht noch hoh; Im Rebenzelt auf eichenen Bänken Dor'in Schenkhaus sitzen die Bauern froh Und trinken und sinnen, wie sie mit Ränken Zur Rache den schlauen Nithart kränken. — -Z4 — Todtschlagen? ei, das wäre nicht fein, Und sonst fällt ihnen nichts Andres ein. Lin Pilgersmann vorüber wallt Mit grauem Rittet und Muschelhut, von schwarzem Gurt den Leib umschnallt, Dran steckt manch Ablaßzettel aut; von heil'gen Knochen starrt die Tasche, Von Iordanswasser quillt die Flasche, Am Busen Rreuz und Skapulier, Am Stabe selbst ein Rreuz als Aier; Der heil'ge Staub an seinem Fuß von Zion noch und Rompostell, Er bebt entweiht, daß er so schnell Gemeinem Staub sich mischen muß. „Gelobt sei, der da war und ist!" Der Pilger grüßt und schreitet weiter. „Gelobt auch," Engelmar ruft's heiter, „Der Teufel, dessen bald du bist! G bleibt von diesen Frommen weit, Von dieser Zunft der Heiligkeit, Heilkrämern, die da wägen, messen Ihr Seufzen und ihr Augenzwinken, Doch haben sie das Naß vergessen Für Thränen, dis im Äug' uns blinken! Der Raufherr sucht im Osten weit Weihrauch, der nicht daheim gedeiht; Weitum nach heiligen Orten rennt, Wer in sich selbst kein Heilthum kennt. Zur That, die Reiner für sich wagt, Macht Gottes Namen unverzagt; Der Rirchendieb blieb unertaxpt, In Rüsters Mantel schlau verkappt. Drum hütet euch vor diesen Frommen; — IZ5 — Schließt gut die Thüren, so sie kommen." Dem Kleide nur und nicht dem Mann Galt Engelmars zornvoller Bann, Der noch zu mild, hätt' er entdeckt, Daß Bithart in dem Kleide steckt. Der Pilger schreitet rüstig aus Gen Engelmars Gefild und Daus: „Willst du dem Feind zu Leibe gehn, Ins Feindeslager mußt du spähn!" Er tritt zur Hausflur ein; da blinken Festtäglich blank die Sichel, die Haue, Die Sense, blutdürstig nach Morgenthaue, Der Rechen mit kronverwandten Zinken, Die schönen Waffen, die geweihten, Die für das Brod, das heilige, streiten; Au Kampslust weckt der Rittersaal, Zu Frieden stimmt dieß Arsenal. Er tritt zur Kammer, rings im Kreise von blankem Ainn an Sims und Stellen Die Schüsseln und Teller gereiht, die Hellen, Wie jener Waffen ersiegte Preise; Bei jedem Mahl die Schüssel reich Ist ein im Kampf ersiegter Schild, Und jedes Kännlein Weines gilt Dem Helm, gefüllt mit Golde, gleich. Hier machte Kriegeshandwerk mild; Es theilt des Hauses Ueberfluß Mit jener Lerche fromm der Wirth, Die frei um Tisch und Dielen schwirrt Und dankt mit ihrem Morgengruß; Doch ist's vielleicht zerknirschter Sinn, Der reuig die Saatenkönigin, — -Z6 — Die er beraubt, entschäd'gen muß? — vom Ecksims zwischen zweien Wänden Blickt die Madonna traurigmild, Die schwarze Maria heißt solch Bild, Laßt seinen Goldgrund euch nicht blenden Er malt den Brand ägyptischer Sonne, Der Rind und Mutter sengte braun Auf wilder Flucht nach fremden Gau'n; Das ist des Bauers echte Madonne! Das Rind an der Brust, du braune Maid, Du kennst, wie er, der Sonne Glüh'», Der Nächte Rümmer, des Tages Miih'n In schlechtem braunen Lodenkleid, Und deine Hände brann und rauh, Sie kennen, wie er, die Arbeit genau Für deine Lieben, für dein Rind! Du aber, Himmelskönigin, Geschirmt vom damastnen Baldachin, Mit Wangen, die Milch und Rosen sind. Mit dem lächelnden, wangenrothen Rind, Mit Haaren, gedreht aus Sonnengold, Mit Fingern, aus Elfenbein gerollt, In Stoffen, die den Raufherrn loben, Die Tyr gefärbt, Damask gewoben, Des Reichthnms Tochter, bleib' in Palästen Hüt' ihren Hort vor schlimmen Gästen, Schirm' ihre Rinder vor dem Gleiten! Gewohnt, auf Marmorgetäfel zu schreiten. Hast du die Scholle nie betreten; Der Bauer kann zu dir nicht beten. Sein eignes Sein nur hat verklärt Der Mensch im Göttlichen, das er ehrt. Nur wenn dir einst am Herzen liegt Anstatt des Rinds das Siebenschwert, — iZ7 — Des Schmerzes Göttlichkeit bekehrt Dann Alle dir, die Alle besiegt! Dem dunkeln Bilde brennt zu Füßen Ein Lämpchen mit bescheidnem Glanz, Des Kleides Saum scheint's fromm zu küssen; Am Arm der Ampel lässig hängt Den ksolzkorallen ein Rosenkranz, Als hätte der Eigner, zeitgedrängt, Ihn eilig dem Lämpchen umgehängt, Statt seiner ihn abzubeten ganz; Das Lichtlein scheint sich betend zu regen, Sein Flackern ein stilles Lippenbewegen. Doch hinter'm Bildesrahmen leis Guckt vor ein dürres Birkenreis, Die hohe Schule der Wissenschaft, Geborgen im Schutz der Glaubenskrast: Wenn sich die Reiser zum Bündel mehren, Wird's Inbegriff der besten Lehren; Der Lehrer war's in diesem Kreise, Der Prediger guter Lhristenweise, ksier aber wird nicht mehr erzogen, Und Spinngeweb hat's überflogen. Doch der Beschauer ward alsbald Von süßer Wehmuth ganz bezwungen, Ihm säuseln die Iugenderinnerungen, Ein frischer, grüner Birkenwald. Am Tisch dort rinnt in gleichem Ntaß Der dünne Sand im Stundenglas, Ein Brünnlein, in dieß bfaus geleitet, Vom Aeitenstrom, der draußen schreitet; IZndeß die Flut dort brausend floh, Ist hier ein Plätschern nur alltäglich, Doch hier auch spiegelt's ebenso Das Ukcnschcnherz bald froh, bald kläglich. - IZ8 - Herrn Nithart aber überkam Friedfertig Sinnen wundersam. vom andern Stubenende schaut Der grüne Kachelofen prächtig, Ivie eine Burg auf Felsen mächtig, Auf breitem Fundament gebaut; von seiner Decke der Fliegenwedel Grüßt wie ein Banner ins Thal herein, Am Sims der rothen Aepfel Reih'» Ivie von den Ainnen Feindesschädel. Da sitzt Hausmütterlein am Rocken Und dreht das Rad und spinnt und spinnt. Awei Töchter schmeidigen gelind Aum Tanz Haarflechten sich und Locken; Blühweiß ein Schleier drüber wallt Ivie Blüthenschnee der Iveißdornhecken, Die Silbernadel gibt ihm Halt, Dem Goldring sich die Finger strecken. Hausmutter spinnt, rauh ist die Hand, Und grober Awilch des Leib's Gewand; Der alte Dorn wird dürr und hart, Auf daß die Knospen blühen zart. Die lebensmüde, zitternde Hand Ivebt noch dem Kind ein schmückend Band. Die Gottesmutter dort im Bild, Die ird'sche lUutter hier am Rocken! In Nitharts Brust ein Friede quillt, Ivie durch die Weihnacht ferne Glocken. Auf Haß zu sinnen ist's kein Grt, Ivo angesiedelt sich ein Lieben; Froh, daß er unbemerkt geblieben, Und süßbeklommen schleicht er fort. — iZ9 — Der Vollmond steht am Uimmel hoch, vor'm Schenkhans sitzen die Bauern noch Und trinken und sinnen, wie sie mit Ränken Zur Rache den schlauen Nithart kränken. Todtschlagen? Li, das wäre nicht fein! Und sonst fällt ihnen nichts Andres ein. Die Joppe. ,,d) Sommerzeit in grünem Aleid, Du bannst das Leid, du weckst den Neid! Luch neid' ich, Blumen, grünen Ulee, Sangvöglein euch, dich Blüthenschnee. Nkaiglöcklein möcht' ich sein im Gehege, Daß mich ans kferz Liebfraue lege! Wär' ich der Zeisig mit grünen Schwingen, Auf ihrem weißen Nacken zu singen! Aönnt' ich der bunte jdsittich sein, Ins Ghr ihr flüstert' ich allein! Ulöcht' ich als Schleier am lhauxt ihr hangen, Mich sanft zu schmiegen an ihre Wangen! D wär' ich ihr Gürtel mit goldner Schlinge, Daß ich sie immer und immer umfinge! G Sommerzeit in grünem Aleid, Du bannst das Leid und weckst den Neid. 140 — Dis Liebe säuselt in deinen Blättern, Der Haß entlädt sich in deinen Wettern! V Engelmar, wärst du auf der Tenne Das Weizenkorn und ich die Henne! G wärst du ein feiner Honigkuchen! Die Zähne macht' ich an dir versuchen. Wärst du das Müllerthier mit Lücken, Ich aber hinter dir der Stecken! Wärst lieber ein Prachtroß auserkoren? Wohlan, so sei ich des Reiters Sporen! Doch Stecken, Zahn und Sporn zerbricht; Das Lied ist härter, ich tausche nicht!" Ein Krämer sang dieß Frühlingslied, Den schweren Waarenkorb am Rucken, Gst stand er still im grünen Ried, Nach bunten Blumen sich zu bücken. B seltner Krämer, dich verrathen Die seltnen Waaren, Liedesweisen, Die, zahlbar nur mit Blumenxreisen, Aus deines Herzens Werkstatt traten. Nur Vöglein lauschen unverdrossen, Und die verrathen nicht den Genossen. Doch nah dem Haus des Engelmar Klingt leiser das Lied, verstummt es gar. Der Wandrer faßt die Klinke breit Und seufzt ins Haus: „G Müdigkeit!" Frau Engelmar am Tische näht, Ihr Äug' nicht von dem Werk sich dreht, I4I Tie spricht: „Die Schenke liegt nicht weit! Nichts biet' ich euch, mein Mann ist fern, Auch schlug uns Nagel in bösem Stern." Er läßt am Tisch sich taumelnd nieder: „Gönnt Raum nur, daß zusammen wieder Sich finden die gelösten Glieder!" Der Krämer läßt die Blicke streichen Still über den breiten Tisch von Eichen; Da ist ein Damenschach im Brette Geschnitten, dabei ein Miihlensxiel, Nicht streng im Winkelmaß, und viel Der Bauernnamen rings zur Wette! Da steht der Liutwin, Epp' und Reppe, Der Eberwin, bsug, Vtt und Lumpolt, Der Lenk und Schrenk, der Stepp' und Lepxe, Der Bertram, Wezzel, Gozz' und Rumpolt, Der Goswin, Roswin, Irenfried, Der Lamprecht, Nanold und der Schmied; All' Nithartsfeinde, die da prunken! Der Eichentisch will schier bedunken Ein Schlachtfeld aus homerischem Lied. Wohl dachten, die sich eingeschnitten: D ging's durchs Nerz dem Nithart mitten! Der Krämer sprach: „G stolze Eiche, Dem Gott der Wälder nur unterthänig, Du kümmertest dich uni Menschen wenig, Bis dich verzaubert Todesstreiche; Natur blüht nur sich selbst zur Wonne Und fromm zum Preis der ewigen Sonne, Wir gießen in sie Blut unsrer Adern Und lehren sie mit uns lieben, hadern. 142 Nur blaue Tiefen des Himmels saugen In sich des Flachses Blüthenaugen; Da ist ein Linnen aus meinen Maaren, Meiß, rein, wie Unschuld unerfahren, Uns Allen bleibt es stumm und traurig, Einfarbig, wie ein Grabtuch schaurig. Die Jungfrau dach, die's wob, laßt reden! Das weiße Gewebe wird ihr berichten vielleicht viel alte, schöne Geschichten, Einwob sie die eignen LebensfLden Und knüpfte sie mit dem eigenen Herzen, Drum bricht's wie Blumen aus Schnee des Märzen; Das dünnste Fädchen selbst hat Schleifen, Die zitternde Seele zu ergreifen. Der Seidenwurm spinnt fromm sich ein, Als Eremit, sich genügend allein. Da ist aus Seide in meinem Aram Ein Tüchlein mit Blumen wundersam, Seht die Guirland' in Farben lebendig, Mie Lenz uns lächelnd, heiter beständig. Doch laßt die Maid, die's stickte, reden, Die dreinwob eig'ne Lebenssäden! Der wonnige Aranz wird ihr berichten Vielleicht viel alte Trauergeschichten; Daß diese Blüthen üppig sprossen, Hat sie mit Thränen sie begossen, Und jede Blume hat Dorneszacken, Sich neu ins Herz ihr einzuhacken. Mit Nadel und Garn webt Frauenhand In Seid' und Linnen ihr Tagebuch, Manch süßestes Räthsel barg solch Tuch, Das nur, die's schrieb, zu lesen verstand. Nun macht' ich wohl, lieb Frauchen, wissen, Mas Sinnen ihr näht der Joppen ein. — -4Z - Ich seh', das Lieblichste wird's nicht sein, Die Finger habt ihr blutig gerissen." „Viel tausend Flüche siir meinen Mann," Zürnt sie, „der mir solch Merk ersann! Gen seinen Feind Nithart, den Sänger, Den Rachedurst zähmt er nicht länger, Die Joppe schenkt er ihm zum Feste, Doch mußt' ich, und ich kann's nicht tadeln, Einfügen innen spitze Nadeln; Ein lustiger Schwank für alle Gäste, wenn's dann als Vorgeschmack den wicht wie's ewige lhöllenfeuer sticht!" Da braust's herein wie Sturm und wind, Zur Seite floh das bfausgcsind, Der Engelmar dröhnt wild heran Und schnaubt im Zorn: „Mas will der Mann? Der Wandrer schüchtern sprach: „Ich bin Ein Krämer, der um schmalen Gewinn von Wien fährt in das Baierland Und kaum hier Platz zum Rasten fand." Der Bauer rief: „wollt noch verziehn! was bringt ihr neuer Mähr aus Wien? Ist euch der Schalk Nithart bekannt?" Der Krämer drauf: „kerr Nithart sang Ein neues Lied zum Aitherklang, „Ein Stachellied" hat er's benannt; Und wollt ihrs hören, sing' ich's eben, wie mir im Sinn die Worte kleben." Aufhorchend nickt der Bauersmann Und spricht: „Ei, singt und gebt es kund!" — 144 Der Wandrer hob sich und begann Das Nithartlied aus Arämermund: „G Sommersonne, du schleuderst Pfeile, Doch Reiner will, daß die Wunde heile! Der Engelmar am Rastanienbaum Sinnt Rachepfeile sogar im Traum. Die Stachelfrucht stürzt von dem Gesträuch Und schlägt ihn wund und klug zugleich: Die Frucht im Dornxelz ihn belehrt, Nur lernt der verkehrte Uiann verkehrt: Dem Nithart wirkt er ein Ehrenkleid, Doch innen Stachel an Stachel gereiht. Nach ksofe will er die Joppe tragen; wie ziemt es wohl? zu Roß? zu wagen? wo ist der Fracht ein würdig Gespann? Awei Igel zur Deichsel, zwei Igel voran! wo mag dem Ritt ein Aelter sein? Als Berberhengst ein Stachelschwein! Er zäumt den Gaul, er schirrt das Gespann, Bis von den Fingern das Blut ihm rann. Er kommt nicht zu Roß, kommt nicht zu wagen, Selbst muß sein Festgeschenk er tragen. -45. Lin Tannenast ritzt ihn im Wandern: Auf Nadeln achte, wer sticht nach Andern! Nun ist er bei lfof und bringt'? zum Feste, Nun lachen bald der Fürst und die Gäste. Ins Kleid schlüpft Nithart, — aber verkehrt, Daß Futter und Nadel nach außen fährt. Den Geber umarmt er vor aller Schaar, Welch ein Freudenschrei, o Engelmar! kferr Nithart legt den Bolz auf den Bogen, Er schnellt, da ist der Bolzen entflogen. Der fliegt und singt wie ein vögelein: Wer stechen will, muß stichfest sein!" Ein Lied, das ihn nicht nennt. Iohannisnacht ist's, Sonnenwende, Auf Bergesspitzen flammen die Brände, Als wären Stücke zerbrochener Sonnen bserabgefallen, auf Erden verglühend, Als quöllen brennende Naphtabronnen, Zum göttlichen Ursprung brünstig sprühend. Am lsügel dort mit seiner Schaar Schürt einen ksolzstoß Engelmar, Eie schleppen Reisig und mächtige Scheiter, Aufprasselt die Flamme hoch und hell; Da werfen in die Glnthen schnell Anast. Grün's Werke IV. 10 146 Die Weiber Nesseln und Wermutkräuter Und singen, nun die in Asche verzehrt: „So schwind' all Unheil unserem Herd!" Von Anaben eine muntere Schaar Springt durch die Flammen auf und nieder: „So bleiben uns durchs ganze Jahr Gesunde Herzen, gesunde Glieder!" Das blaue Blümchen Rittersporn Reicht einem Burschen ein Mägdlein dar: „Sieh durch die Blum' in den Feuerborn, Du schaust dann Liebes nur im Jahr." Er nimmt und schielt nach ihr daneben, So auch erfüllt der Wunsch sich eben. Die Greise sinnen und schauen verstohlen Der Brände mähliches Verkohlen. Der Sonnengröße gilt die Feier, Die Sonne fehlt allein dabei; Lchtgroß entsiohn der Schmeichelei, wallt sie durch ferne Lande freier. Am Feuer neben Engelmar Lauscht still ein junger Jägersmann, Ein grünes Jagdkleid hat er an, Mit Armbrust, grünem Hut im Haar, Den Waidmannssack doch rvildesleer; Ein Wild vor'm Schüsse scheint fast er, Auf das des Bauers Auge sticht. Der Engelmar zum Jäger spricht: „Ei, schmucker Waidmann, trotz der Haube Nehm' ich den Falken für keine Taube; Wenn Lieder wären Bolzen sein, Dann könnt' ein Jäger Nithart sein; Das Täublein doch, würd' es verrathen, Mir bangt, hier müßt's im Feuer braten, -47 Manch Fäustchen fände sich, es zu rupfen, Manch Spieß, ins Feuer es zu lupfen. Doch seid nicht bang, ich bleibe still, verrath' euch den Genossen nicht, So ihr gelobt, daß euer Gedicht Nie meinen Namen nennen will; Denn euer Lied vom Engelmar Das macht noch grauer säst mein Haar, Menn ab auch euer Bolzen prallte von meiner Brust, aufrafft alsbald Ihn jeder Narr, der des lveges wallte, Und schießt ans Ziel mit neuer Gewalt; Ein tollgewordner Bienenschwarm Umbraust's mein Haupt, daß Gott erbarm' Und wo ich wandle, schallt's mir nach, Und aus dem Schlafe xfeift's mich wach, Im Lhor, anstatt des Psalms, erhüben Das Lied muthwillige Sängerbuben, von Amselkehlen im lveinberg klingt's, Gar meine Sense, glaub' ich, singt's. Nun stimmt, daß man mich nicht erkennt, Zur Sühn' ein Lied, das mich nicht nennt! Antwortet Nithart: „Wohl, es sei! Behagt der Namen euch Philemon? Im Lied doch sticht noch mancherlei Und weckt in eurer Brust den Dämon; Drum, hört ihr etwas ungewogen, So stupft mich mit dem Ellenbogen, Daß den verstoß ich lösen kann." Der Bauer nickt und ruft mit Klang: „Ihr Männer, horcht! Der Jägersmann Hebt ein neu Lied von Nithart an!" Der Waidmann drauf begann den Sang: io 148 „Philemon wohnt im Marchfeldbann, Lin rauh ungastlicher Kumpan." Der Bauer stößt, bis der Sänger es löst: „Lin gastfrei milder Bauersmann." „Sein Weiblein Baucis war ihm gleich, wer ihr begegnet, wurde bleich." Der Bauer stößt, bis der Sänger es löst: „Jed' Antlitz grüßt sie freudenreich." „Der Pfarrer und Meßner des Weges kamen, Philemon denkt: „Mögt ihr erlahmen!" Der Bauer stößt, bis der Sänger es löst: „Lr grüßt: Gelobt sei des Heilands Namen!" „Lr birgt sich in einen verhangenen Schrein, Doch unten guckt hervor sein Bein." Der Bauer stößt, bis der Sänger es löst: „Für die Gäste will er sich kleiden fein." „Die Wandrer lechzen: ,,„V Müdigkeit!"" Frau Baucis drauf: „Die Schenk' ist nicht weit." Der Bauer stößt, bis der Sänger es löst: „V thut mir in meinem Haus Bescheid!" „Und weiter sprach sie: „Mein Mann ist fern, Auch schlug uns Hagel in bösem Stern." Der Bauer stößt, bis der Sänger es löst: „Doch was das Haus bringt, biet' ich gern." „Den Gästen trägt das Weib herein verschimmelt Brod und kahmigen Wein." Der Bauer stößt, bis der Sänger es löst: „Weißkuchen und jungen Bsterwein." i4Y Das Tischlein wankt, ihm fehlt ein Bein, Sie denkt: Mag's auch zum Tort so sein!" Der Bauer stößt, bis der Sänger es löst: „Sie stellt es fest mit dem eigenen Bein." „„Wir sind,"" so sprachen sie dankentglommen, „„Zwei Teufel, euch zu holen gekommen."" Der Bauer stößt, bis der Sänger es löst: „„Sankt Peter und Sankt Johann, die Frommen. „„Wir geben frei dir eine Bitte. '" — „Nehmt meinen Mann in eure Mitte!" Der Bauer stößt, bis der Sänger es löst: „Gebt uns ein Sterben nach Blumensitte!" „„wohlan, geht einst als Pflanzen zur Ruh! Er sprieß' als Distel, als Klette du! Der Bauer stößt, bis der Sänger es löst: „„Als Eichbaum er und als Linde du!"" „„Und geht dein Gespans einst wieder aus, Nicht lass' er, wie heut', die Füße zu Haus!"" Der Bauer stößt, bis der Sänger es löst: „„So komm' er recht balde wieder nach Haus!"" „Wer sang dieß Lied? Lin vögelein Pickt's aus dem Distelstrauch am Rain." Der Bauer stößt, bis der Sänger es löst: „Berauscht vom Lindenduft im Frei'n." Verhallt ist schon des Liedes Hauch, Doch nicht verflüchtigt ist's wie Rauch; Erst knistern die Klänge noch verstohlen, Wie einzelne Funken in den Kohlen, -50 Der merkt ein verslein, Jener eins, Bis sich die Funken zusammengefunden, Auflodernd, zur Flammensäul' entzünden; Aufjauchzt der Lhor des Stimmenvereins, Frei klingt's und macht zu Spott die Schliche, Des Ellenbogens Lensorstriche. V Engelmar, du wärst bewundert, Geboren in späterem Jahrhundert! Es hat zuerst ein wund Gewissen Das Wort in Fesselzwang gerissen. Singt, daß die Sonne schwarz und kalt, Daß euch ein weißer Rabe sprach; Singt, daß der Frühling welk und alt, Es singt euch's keine Seele nach! Durch Bollwerk kommt die Wahrheit geflogen Trotz^Strich und Scheer' und Ellenbogen! Der Sang von Philemon macht das ksaar Noch grauer fast dem Engelmar, Und wo er wallt und fährt, da rennt Das Lied ihm nach, das ihn nicht nennt, von Amselkehlen klingt's im Wald, Selbst seine Sense lernt es bald. Versöhnung. Blich hält Nithart aufgeschlagen, K Da lauscht er längstverrauschten Tagen, Begleitend zum italischen Garten Der Nordlandshelden Sehnsuchtfahrten: „Diel Dänenschiffe ankern und lauern, Die Fracht zu löschen in Luna's Mauern; Die Fracht sind Krieger, Nordlands Sprossen, Doch solcher Fracht ist der Hafen verschlossen. Sie bergen ihr Thnn, daß selbst die Wellen Dem Strand nichts plaudern im Zerschellen. Das Leben an Bord so todt, eintönig! Da ward ein Vogler Hadding, der König. Das Grlogschisf in den grünen Fluten Ist Tenne mit Vogelgarn und Ruthen: IZ2 Da fängt der König mit Locken und Listen Der Vöglein viel, die im Städtchen nisten. Der Veste Manern überragen Das Nerz der Bürger, die voll Zagen. Da klirren nicht Waffen, nur Glocken wimmern, Nicht Panzer glühn, Meßkleider nur schimmern. Im Dom knie'n Bischof und Statthalter, Die Litanei ringt mit dem Psalter. Sturmleitern schlägt ihr Gebet zu Gotte, Daß er zerbisse die Feindesflotte! Der Bischof blickt zum Gewölk' nach oben, von Spinnennetzen ist's ganz umwoben: „Nun sprecht, ihr frommen Wetterpropheten, Was bringt der kfimmel auf unser Beten?" Stumm hängt das Gewebe, schaukelnd linde, Als rührten sich Fahnen leis im Winde. Sind sie erhört vom milden Gotte? Die schwarze Flagg' aufhißt die Flotte! Die Masten schwarze Segel tragen, Der Bord ist in schwarzes Tuch geschlagen. Zum Strande rudern, wie schwarze Schwäne, Mit Trauergesängen dunkle Kähne. - IZZ — „Hadding ist todt!" Schon siehn zwei Boten Um Grab und Seelenamt für den Todten. Jetzt steht die Bahr' im Gotteshaus, vorschmeckt der Bischof den Leichenschmaus. viel Dänen, in Trauermäntel verkrochen, Darunter klirren stählerne Knochen. Der Bischof blickt zum Gewölk' beim Beten; „wie nun, ihr frommen Wetterpropheten?" Ihr grau Geweb' ist stumm wie ein Hauch, Nur regt sich's kräuselnd, wie schwarzer Rauch. Requiem singen Priester, Leviten, Das Rauchfaß schwingen die Alkolythen, Bis von dem Thor die Posaunen schmettern, vorklang von des jüngsten Tages Wettern. Welch' Rufen! Den Tod aus den Gräbern schreckt's, Und Hadding, den König, auch erweckt's. Er springt aus dem Sarg in Rüstung und Waffen, Das Rauchfaß stürzt aus der Hand dem Pfaffen. Den Kriegern in Stahl die Mäntel entfallen, Wie Auferstandne aus Gräbern wallen. Da blinkt auch das Schwert vom jüngsten Tage, Da klirrt auch des Richters eherne Wage. -54 Und von den Schiffen die Vöglein von gestern Läßt inan Heimfliegen zu ihren Nestern; WLr's Nacht, sie flögen als Sternenwunder! An Flügeln tragen sie leuchtenden Zunder. Es prasseln die Schwerter, es praßeln die Flammen, Wehklag' und Jubel verklingen zusammen. Die Stadt ist Schutt! Der Schiffe Raum Faßt seine goldne Beute kaum. Vom Strand zum Schiff schon Brücken lagen, Nach Norden den Nordlandskönig zu tragen. Der Bischof geleitet ihn zur Flut: „Bau' uns den Dom, ein Vogtherr gut!" Der ALnig, rasch zum Volke gekehrt, Stößt in den Strand sein Lisenschwert: „Da kniet! Macht nie dieß Areuz zu Spott! Wer selber sich hilft, dem hilft auch Gott." So las Nithart, im Buch versunken, Und sieh, des Haddings Vögel tragen Ins Hanxt ihm neue Gedankenfunken. Aufsxringt er, rasch zu Roß zu jagen Ins Aahlenberger Dorf zum Pfaffen: „Freund Wigand, ich will's mit Hadding wagen, Im Sarge ruhn, bis mit Frohlocken Ich auf die Feinde spring' in Waffen. iZ5 Sagt todt mich, läutet mir die Glocken!" Der Priester zagt und warnt erschrocken: „Die Glocken, Freund, sind Gottesmund, Womit er selbst dem Volk gibt kund, Wann er belebt, wann er begräbt, Im Zorne braust, in Milde schwebt; Wollt ihr das Volk mit Glocken trügen, Macht ihr die Lippen Gottes lügen! wohlan, mögt Todeshanch ihr spüren, Er wird das Herz euch läuternd rühren." Herr Nithart in dem Kirchlein lag, Geschmückt als Leich' im Sarkophag, Den Perlenkranz im Lockenhaar, Den Mantel mit feinem Pelz verbrämt, Darunter Schieneri und Eisenhemd, Im Arm die Laute, traut und klar, Zu Lenden stießt die Schärpe von Seide, Das Schwert sitzt locker in der Scheide; Schwarz ausgeschlagen Wand und Altar, Daran des Todten Wappenbild, Der rothe Fuchs in weißem Schild, Mit schlichter Inschrift, xrunkesledig: „Herr Nithart Fuchs, dem sei Gott gnädig." Au Nitharts Fuß ein Becken, drin Weihwasser und Zweige Rosmarin. Wie er so auf dem Rücken liegt, In Gruftgedanken eingewiegt, Kann sich's der Todte nicht versagen, Bisweilen die Augen aufzuschlagen: Sie haften an des Gewölbes Rund, Das über ihm gebreitet stund. Der Himmelsdom scheint's ihm zu sein - izb — An einem grauen Wolkentag, Der Kerzen nicht erheitern mag Und sie nur weist in sich hinein. Dann wieder scheint der Kuppel Bogen In ungemesf'nen Raum gezogen, Sich dehnend hoch und stolz und weit, Als wär's die Kalle der Ewigkeit; Der Seele Flügel ächzt nach Schranken, Umtaumelnd in Ewigkeitsgedanken. Doch auf dem weiß einfarbigen Grund Aufdämmern, wie in Lettern bunt, Die Kerzen all', die je er kränkte, Die Seelen, die er zum Schmerze senkte, Und was er Leides je getrieben, Dort steht's in scharfen Zügen geschrieben; Derwischen, vertilgen möcht' er alle, G säh' er rein die leuchtende Kalle! Da wird sein Herz so weich, so weich, Todt ist er neugeboren zugleich. Der Dom scheint wieder sich zu engen, Und näher, schmäler sich zu drängen, Beklemmend driickt's auf ihn herein, Als wär's sein Grab und drauf der Stein, Es scheint zu regen sich, zu wallen, Sich zu zerbröckeln und zu fallen; Er möchte schrei'n — gelähmt die Zunge! Schon rafft er sich empor zum Sprunge, Da treten die Bauern durch die jdforte Ulit frohen Geberden und lautem Worte. Sie stehn mit Lachen an der Bahre, Sie schaun das Wappen am Altäre: „Das Füchslein, das Hühner wollte speisen, Fing Jäger Tod im kalten Eisen!" i57 Der spricht: „warum thatst du, o Gott, was ich so gern statt dir gethan!" Ein Dritter drauf: „Ei, laßt den Spott, Er könnt' im Liedergarn uns fahn!" Der zupft des Todten Nasenspitze: „wie sieht's nun aus mit deinem Witze?" Der ruft: „Seht sein verzerrt Gesicht, Im Tod noch zeigt's den Bösewicht." Und Jener: „Schnell trifft ihn der Fluch, Ich spüre schon Verwesungsgeruch." Da zuckt zum Schwert des Todten Hand, Doch spart er's für den Engelmar; Der drängt sich stumm jetzt durch die Schaar, Bis er am Katafalke stand. Er faßt ein Zweiglein Rosmarin, Sprengt wcihbronn über den Todten hin: „G Nithart, möchten diese Tropfen versöhnend an deine Seele klopfen!" Dann zu den Andern spricht ec so: „G klagt, daß dieser Geist entfloh! Der Thurm hat seine Glocke verloren, Der Becher die Gluth, die drin gegohren; In Tönen träumt der Glocken Erz, In Dichtern tönt des Volkes Herz. Wir Bauern sind wie unser Feld! Gottlob, die Saat ist gut bestellt; Doch, sehn die fahl einfärbigen Aehren Geschmückt die ganze Welt im Lenze, Da schmerzt fies, Schmuckes zu entbehren, Sie seufzen: (!) trügen wir auch Kränze! Sieh, aus derselben Scholle schlagen Kornblumen, Mohn und windlingspracht Herolde in der Wappentracht, -Z8 Statt ihrer reichen Schmuck zu tragen. Doch wenn der Erntewagen trägt Als Leicheri einst das Volk der Garben, Sind obenauf als Kranz gelegt Die Blumen, die mit ihnen starben. So soll das Dichterlied sich weben Treu in des Volkes Sterben und Leben; Und solch ein Aranz liegt hier zerschlagen. Wir Bauern sind wie unser Feld! Wenn Andacht alle Wesen hält In Sabbathstill' an Feiertagen, Da senden Alle zum Himmelszelt Durch Boten ihre Freuden, Klagen; Des Berg's Gebet die Adler tragen, Des Stromes Dank in Wolken fährt, Sein Aorn empor im Staubbach gährt, Des Waldes Traum die Sprosser schlagen; Stumm muß das Feld nur Wogen ringen, Das, ach, des Liedermunds entbehrt, Und hätte doch so viel zu singen! Da steigt empor aus seiner Ulitte, Als wär's des Saatfelds eigne Seele, Die Lerche, singend aus frommer Kehle, Statt seiner Dank und Klag' und Bitte; So steigt das Dichterlied aus dem Volke. Dieß Herz war solche Lerchenseele, Bekannt der Saat, bekannt der Wolke; Nur sang's zu oft, ich könnt's entbehren, Von Bart und Stacheln unserer Aehren/' Indeß er sprach, hielt er die Hand Des Todten, der Versöhnung jdfand. Kalt iiberläuft's ihm jetzt den Rücken, Er fühlt die Leichenhand ihn drücken; -59 War's Täuschung? Wahrlich, es war keine, Aufs Neu' drückt Nitharts Hand die seine! Das Herz in Stahl auch scheint zu klopfen, Erweckten es des Meihbronns Tropfen? Jetzt springt der Todte von der Bahr' Und fliegt ans Herz dem Engelmar, Sein Arm, in rasselnden Schienen, fährt Rasch an die Laute statt ans Schwert: „Ei Sommerzeit, die.Vögel sich schwingen, Ich will mein Lerchenlied euch singen! Fliegt eine Lerch' empor in die Sterne Ulit einem goldenen Weizenkerne, Als ob ein Engel am Sterbetage Die gläubige Seele zum Himmel trage. Und wie der Engel des Schützlings Ringen, Beginnt sie des Aöruleins Preis zu singen: „Im Hülsenbett dieß Bauernkind, Sein Wieglein schaukelten Luft und Wind; Der Regen hielt's in Taufsteins Wogen, Die Sonne hat es im Licht erzogen; Und als es gedieh'n in Schaft und Kern, Daß dran sich freue das Auge des Herrn, Da ward es geknickt, getreten, geschnitten, Geschlagen, zerstampft — hat viel gelitten!" — ibo — Spricht drauf der Herr: „Li, du Auwaltsteru ! Iudeß du ihn lobst, entfiel der Kern. So geht's dem Lied in Lobesweisen: Gft sinkt zum tiefsten, den es will preisen. Nicht so dein Lied, frommes Bäuerlein, Ls soll belohnt, unsterblich sein! Sieh dort, wo es hinabgefallen, Ls neuerstanden, vervielfacht wallen! Dem Körnlein gleiche das ganze Geschlecht: Habt ihr's verworfen, ersteh' es erst recht! Mit Strahlen sei jede Aehr' umlaubt, Lin Heiligenschein dein INartyrhaupt! Ich selber bilde, den Preis zu mehren, Den eignen Leib aus dem Kern der Aehren, Und segne die Saat, die im Wind sich wiegt, Und segne die Hand, die am Pfluge liegt." So klingt der Lerche Lied vom Korne, Und ist's zu Lnde, singt sie's von vorne. Ich aber sing's nur einmal, mit Huld, Ihr wißt, mir lauscht nicht Gottes Geduld." Zu Nitharts Lied der Lhor der Bauern, Lin seltsam Fest ist's diesen Mauern; Und horch, vom hohen Chore fallen Jetzt Grgelklänge melodisch ein, i6i Pfaff Wigand tritt mit Wohlgefallen Den Balg und greift die Tasten rein, Daß feierlich die Töne wallen, Erschütternd durch die Airchenhallen. Und wieder horch! Mit Flöten und Geigen Lockt's durch die Pforte hinaus zum Reigen, Daß Bauern, Sänger und Vrgler es packt; Herr Wigand endet mitten im Takt, Abbricht das Lied in plötzlich Schweigen. Zu Ende singt's vielleicht die Linde Dem Sxätroth und dem Abendwinde. Anast. Grün's Werke IV. Il Otto. Dis Sendung. st's nur die Luft in Fürstensälen, Die Nacken beugt und krümmt die Seelen? Soll's auch die bessern Fürsten ehren, Menn Stirnen ihren Estrich kehren? Ließ ihnen solch beschämend Erbe Der vorfahr wohl, der harte, herbe, Ivie, wenn der Sturm sich längst verzogen, Die Saat noch liegt, die er gebogen? Im Thronensaal der Burg zu Wien versammelt harrt ein glänzender Kreis; Mit silbernem Schäferstab erschien In Sammt manch geistlicher Hirtengreis, Die Herzogsräth' in schwarzer Tracht, — Wohl manche trugen Trauerfarben Schier um das Recht, das sie verdarben, — Herolde schimmern in wappeuxracht, Und Lcibtrabanten halten wacht. Jin Halbkreis stehn Hofherren und Ritter, Da wehen Federn, flimmern Flitter, Goldschellen klingeln am Gewand, An Krause, Barett und Gllrtelband; Die Schelle, die der Hof einst trug, Ward für die Narren abgelegt, Damit wer keine Schelle trägt, Hinfort doch gelten kann für klug. Zwei Farben trägt am Leibe Jeder, Zweifarbig Kleid, zweifarbige Feder, Der halbe Mann roth oder falb, Blau oder weiß das andre Halb, Als hält' ein Hieb sie einst gespalten, Sie wiederbelebt ein Zauberwalten, Die Hälften doch in Hast und Eile Sie schlecht ergänzt mit dem fremden Theile. Solch Hofkleid war gewählt verständig, Die Farbe, die aus zwei'n ihm werth, wird stink dem Fürsten zugekehrt; Jetzt trägt solch Kleid man nur inwendig. Ein Wort gibt kund der Fürsten Kommen, wie Wetterschwüle macht's beklommen, Die Reden und die Schellen schweigen, Indeß die Stirnen tief sich neigen, Selbst der Gedanke, der nicht streichen Im Fluge darf, beginnt zu schleichen, Doch kriechend noch sinnt er ans Steigen. Geht einst der Phönirstug, der rasche, Im Brand der Spezerein zur Neige, Danu kriecht ein Würmlein aus der Asche, Auf daß es wieder als Phönix steige. Pfaff Wigand steht der Pforte nah, Sein Äug', die Schatten meidend, sah Zum Fensterlicht, vor dessen Bogen Des Gartens Wipfel grüßend wogen, vernehmbar spricht zu ihm der Baum: Ich steige hoch empor im Licht Und beug' und biege mich doch nicht! — 167 — Ein Vogel schwingt sich durch den Raum: Ich steige höher noch und sang Doch frei heraus, wie's Herz mir klang! Die Wolke zieht mit goldnem Saum: Ich steig' am höchsten, ging mein Flug Auch graden Weg und freien Zug! Thronsessel zwei stehn reich umflossen Dom goldgestickten Baldachin, Ihm nah'n die beiden Habsburgsprossen Im Pnrpurkleid mit Hermelin, Aufrecht und fest Gtto der Frohe, Im Antlitz lächelt die innere Lohe, Doch Albrecht mit dem weisen Sinn Wird auf der Sänfte hingetragen. Dem Geiste gleicht der Aörper nicht, Ls hat ihm Gift in jiingern Tagen Des Leibes edlen Bau zerschlagen, Schön blieb nur Haupt und Angesicht Hoch ragend über'm Schutt der Glieder, Dem Uirchlein gleich, vom Feind verschont, Als er die Aönigsburg warf nieder, Weil drin der Geist des Herren wohnt. Die kühnen Feueraugen fliegen Stolz über des Leibes Trümmerrests, Wie über der zerbrochenen Beste Zwei Adler sich in Lüften wiegen. Des Wundes Wort scheint zu entwallen Dem Ahnengeist versunk'ner Hallen: „An unfern Zepter ist gediehn Des Aärnthnerlandes Volk und Flur, Umsonst vor unfern Thron nach Wien Entbot ich's zum Vasallenschwur: Aein Abgesandter kam! Sie halten i68 Zäh an dem Landesbrauch, dem alten; Es schwöre nur der Fürst im Land Und nehme Lehn aus Bauershand. Ein Volk, wie seine Berge, hart! So thun wir nach des Propheten Art, Der selbst das Wanderstäblein nahm, Als der geruf'ne Berg nicht kam; Doch da auch wir von Felsnatur Und unbeweglich schier vor Allen, Mag unsres Bruders Liebden wallen Zum sondren Lid nach Aärnthens Flur, vergnüglich ist die schöne Reise Durch Alxengrün und ewige Eise, Sie wird euch Mark und Sehnen stählen, Sie wird erheben eure Seelen." kserr Btto rückt unstät am Sitze, Sein Blick schießt ungeduldige Blitze Und sucht gar sehnsuchtsvoll die Pforten; Den Pfaffen Wigand trifft er dorten, Der eben die Gedanken entsandt Zu Btto selbst, den er sieht leiden, Als flinke Pagen, ihn zu entkleiden von Würd' und Bürde, Last und Tand. Sie streifen den kferzogshut von; ksaupt, vom Exheukranz wird's schmuck umlaubt Sie ziehn ihm ab die Goldgewänder, Die Purpurschleppen, Gürtelbänder; Die Blöße darf kein Äug' verdrießen, Sie hüllen ihm die Schultern schnell Mit schöngeflecktem Pardelfell, Lin verrscherzeichen nur sie ließen: Den Zepterstab! Doch fröhlich schwanken Daran die klimmenden weinlaubranken, i6y Der Thronstnhl wird zum rollenden Wagen, Ihn und langhalsigo Krüge zu tragen, Auch trifft Gespann sich nah, wenn's gilt, Luchs, Leu und Tiger, gezähmtes Wild. Evoe, Lvan! Deine Fahrten Beginne durch des Indus Garten! Nit Dtto's Blick hält im Begegnen Das Auge Wigands Awiesprach leise; Sprach Wigands Blick: Ich will dich segnen Und rufen Glück und kfeil zur Reise! Drauf Gtto's Äug' in Sehnsuchtsqual: (!) reist' ich erst aus diesem Saal! Wigand fuhr fort: Den Zug beginne Nit goldnem Gruß der Iohanuisminne! Und Vtto drauf: In deiner Laube Kredenz' uns heut den Saft der Traube! So sprachen sie vor aller Schaar Nicht hörbar, doch sich selber klar; Das Frühlingswort magst du belauschen, Wenn's flüsternd durch die Wipfel rauscht, Doch heimlich spricht und unbelauscht Der Blick, den Blüthenaugen tauschen. Iohaniiisminne. schönes, feierliches Trinke» Saal der Nacht, im Mondesblinken, Menn dir ins Glas die Wolken spähen Wie blinzelnde Schenken mit Augenwinken, Gb's wohl zum Rand gefüllt, zu sehen. Der Vollmond sitzt mit euch zu Tische, Daß er dem Wort sein Lauschen mische, Besieht die Arüge sich, die Zecher, Taucht dann sein Antlitz in den Becher, vorkostend dir, den Trank zu nippen. Der Gastsreund prüft an eignen Lippen Den Abendtrunk, womit er ehrt Den Fremdling, der ihm eingekehrt; Den Gast anheimelt's traut und lind, Nicht fremd mehr, nein, des Hauses Aind Wird, wer des Hauses Becher leert, Tapetenbilder, Säulen, Wand, Das ganze Haus ihm traulich bekannt! Des Wirths Erzählen rührt ihm leise Das Herz, wie eigenes Erleben; Selbst um sein Schlummerkissen schweben — i7i — Des Hauses stille Geisterkreise. Wenn dir der Mond den Kelch kredenzt, Darin sein sinnend Antlitz glänzt, Bist du in den gestirnten Hallen Kein Fremdling mehr, du bist das Kind Des Hauses, drin dir's heimelt lind; Manch Räthsel läßt den Schleier fallen, Manch Bildniß winkt bekannt und traut, Manch ernst Erkennen wird dir reisen, Und manch Geheimniß dir vertraut; Doch auch sein Grauen wird dich ergreifen, Nun seine Geister dich umgleiten, Und durch dein wachend Träumen schreiten. In Wigands Laube sind drei Zecher. Herr Vtto spricht: ,,Mein frommer Wirth, Nun du uns riefst zum Abschiedsbccher, Hast du unrechter Zeit citirt Den Geist, der dir im Keller irrt; Mein Ritt zur Fern' ist uns kein Scheiden: Geleitet zieh' ich von euch Beiden." Da tröstet Nithart: „8i bene perpeucli, Mein Fürst, sunt rzuingue causae bibeulli. Wenn wir es reiflich überdenken, Fünf Gründe gibt's, ein Glas zu leeren, Der erste: jetzigem Durst zu wehren, Der zweite: künftigen abzulenken, Der dritte: zum Willkomm der Gäste, Der vierte: bei besondrem Feste, Der fünfte: jeder erste beste! So stand's am Rand der Bibel fein, Die mir der Prior Neuburgs lieh; Die Patres klug! Flink meißeln sie In Bibelfels ihr Kellerlein." 172 Doch Wigand spricht: „Uns Andern bläht In Weinflut sich so stolz kein Segel, Dem jeder Windstrich dienstbar weht; Der Spruch gilt nur als Alosterregel. Uns blinkt nur Wein der Leichenschmäuse, Mit seinen» Mort: Iohannisminne; Und zieh» wir auch vereinte Gleise, Aufs Scheiden lenk' ich doch die Sinne. Den Abschiedskclch bring' ich dem Strauche, Der uns nmwölbt mit duftigen Kallen, Dein Laubgeflüster, dem Blüthenhauche; Lin andrer ist's, wenn heim wir wallen, Mit andern Blumen, andern Trieben! In unsre Becher niederstieben Die Blüthen schon, ihr Leben kürzend, Selbstmörder, in die Flut sich stürzend. Den Reich bring' ich dem Stern der Nacht, Der, suchend weit im ksimmclsrunde, Nie wiederflndet diese Stunde, Die heut' im Äug' so hold ihm lacht; Lin andrer wird er niederstrahlen Auf künftige Wonnen, künftige ÜZualen! Von dieser Scholle Abschied trink' ich, Lebwohl all ihren Rindern wink' ich, Die Uepxige wird der Frucht vergessen, Die mutterstolz ihr Schooß jetzt trägt, Des ksalms, den jetzt ihr Athem bewegt; Längst modern Frucht und ksalm indessen! Ich trinke Abschied von diesem Weine, Den wir in unsrer Brust begraben, Dem unsre Lippen Grabessteine; Bald wird sein Auferstehn er haben Als lichter, fröhlicher Gedanke, Als klimmende Ranke der Geistesreben. — -76 - Ich nehme Abschied mit diesem Tranke vom kjauch der Luft, an meiner Wange Fühl' ich ihr Sterbezucken beben; vom eignen Wort, im fluchtigen Klange verhauchend ein kaum gcbornes Leben; Und von uns selbst, die einst nur kehren Als Andre, hier den Kelch zu leeren! Mr sitzen wohl am selben Tische; Was jetzt wir sind, was jetzt wir leben, Der kjerzen Blühn, der Seelen Streben, Wird durch die junge Abendfrische In dämmernden Gestalten schleichen, Wie Seeleri längstbegrabner Leichen; Denn jeder Stunde Flügelbeben Streift Theile unsres Lebens ab, Ein stückweis Sterben ist das Leben, Das letzte Stück nur fällt ins Grab." Und Nithart lacht: „Dir muß sich neigen Besiegt der jdrior im edlen Streiten, Er geigt sein Stück auf fünf der Saiten, Du spielst den ganzen Aecherreigen Auf einer Saite nur der Geigen; Wagst nur Iohannisminne leiden, Doch weil das Leben ein ewig Scheiden, Kann nimmer dich der Becher meiden! Ein morscher Baum liegt dir die Welt, vom ehernen Aeitenflllgel gefällt; Du rettest aus dem moderfeuchten Dir klug sein schön xhosxhorisch Leuchten." Doch Gtto seufzt: „G sprächst du wahr, Und würd' ich morgen schon ein Andrer Und zog' ins Land, ein schlichter Wandrer, Frei und des Fürstenschmuckes bar, i74 Und könnt' ins Herz der Hütten sxähn, In Tiefen des Menschenauges sehn! G traurig fahle Fürstenreise, Erstarrter Strom, umschnürt vom Eise, Gezwängt in Marmordamms Geleise! Durch Ehrenpforten, Flitterkränze Die Welt nur sehn und ihre Lenze! Ach, hinter Fahnen, damastnen Decken Und grellem Blumengehäng verstecken Ihr ehrlich Antlitz gar die Häuser. . Und dann die ewigen Birkenreiser In Bogen, Pforten, Giebelzeichen! Mich dünkt's ein lindes Ruthenstreichen, Durch das sie, rächend ihre Alagen, von Brt zu Grt den Fürsten jagen. Der schöne Menschenlaut, verstummt, hat sich zum Glockengruß vermummt, — Selbst Liebeswort, sonst stötend, zischt Im Larvenmund entstellt, verwischt; — Es sprechen nur die Rinder und Alten, von Unschuldlächeln und Weisheitfalte,i Die Mienen, wie die Reden, voll; Nur Eines lernt da leicht ein Aönig: Me so erfindungsarm eintönig Das Menschenherz, wenn's schmeicheln soll." Der Pfaffe meint: „Rath wüßt' ich dann, Wohl fänd' ich Manchen, dem's nicht Pein, Lin Weilchen Gestreichs Fürst zu sein; Statt dir sei Nithart solch ein Mann, Euch Beiden mag der Tausch gedeih'». Dein Thürmer blickt von Bergeszinnen Ins weite Land; ihm scheinen Flecken Im Bild die dunklen Wälderstrecken; -75 Lr ahnt nicht, welch süß Säuseln drinnen, Wie Dögel singen, Bächlein rinnen, Und all' die Waldesseligkeiten! Waldbruder träumt in dunklen Forsten, Und späht er nach dein Berg zu Zeiten, Ist's ihm ein Stein nur, kalt, geborsten; Er ahnt nicht diesen Blick in die Weiten, Die Fülle Glanzes, die Herrlichkeit, Für die Gott selbst sein Äug' uns leiht. Den Thürmer laß in die Wälder gleiten, Den Bruder laß auf die Zinnen schreiten, Ihr kurzer Blick wird freier, weiter! (!) daß wir manchmal Seelen tauschten, Mit fremdem Äug' und Herzen lauschten! Die Seelen würden größer, heiter, Da würde mancher Haß zerstieben Und reicher, wärmer unser Lieben!" Herr Gtto ruft: „So sei's! Ich kleide G Nithart dich in Purpur und Seide, Mein Zepter leih' ich deinen Händen, Mein Schwert gürt' ich um deine Lenden; Als Herzog sollst die Bahn du richten Durch Glockenklang in Landesweiten, Ich will im Waldessäuseln schreiten An deiner Statt und sinnen, dichten." Der Dichter spricht in mildem Tone: „V Fürst, auch wenn du sitzest zu Throne, Umwallt dich leises Blätterkräuseln, Lin flüsternd Wehen, ein stehend Säuseln, Auch drohend kann's wie Grollen rauschen; V wolle mit offner Seele lauschen! Auch dieß sind des Naturgeists Stimmen, 176 Die über den Thron ins Herz dir klimmen; Da ruft die Weihe, da sollst du dichten, Gleich uns, der Seelen Räthsel schlichten; Da rühre Saiten von tönenden Erzen, Da rühre deines Volkes Herzen! Lebendig durch die Gärten des Lichtes Zieh» die Gestalten deines Gedichtes, Deß mächtige Reime fest erstarrten In ehernen Tafeln, in Ularmorblättern; Rein Feilen hilft unechten, harten, Drum bild' aus Wohllaut nur die Lettern; Ein großes Wort gekrönter Richter Alingt fort wie Sang unsterblicher Träumer, Lin schwacher Fürst ist ein schlechter Reimer, Ein großer Fürst auch ein großer Dichter." Der Vollmond lächelt mild dem Bunde, Die Becher klingen in der Runde, Drin glänzt des Himmels Widerschein, Die Sterne sinken in den Wein, Und in die Brust aus den Bechern fluthen Des Himmels Glanz, die Sternsngluthen. Line Gebirgsreise. Neuberg. ls dieses Thal, das felsumglänzte, Von Erz durchblinkte, waldbekränzte, Nein Lenau, einst dein Schritt durchmessen, War längst der Mensch hier angesessen; Da springt die Mürz, Mühlräder jagend, vorbei an Wiesen, Ackerstreifen, Ein spielend Aind, die rollenden Reifen vor sich zu Sprung und Tanze schlagend. Längst hat sich Werkfleiß angesiedelt, Maschinen rauchen, es sprühn die Essen, Und wenn der Abend, zu vergessen Des Tages Müh'n, dann jauchzt uud fiedelt, kjat in den Aanberkreis gezogen Des Steirertanzes liebliches Wogen Dich selbst, den nie von Lust Besiegten, Daß dir nach seinem Takt sich wiegten Die Träume der Unsterblichkeit. Einförmig stampft ununterbrochen Durch Nacht und Tag, durch Lust und Leid Anast. Grün's U)erke IV. ! 2 178 In gleichem Maß des Hammers pochen, Nachhallend in der Runde weit; Du aber weißt's, der Heilkunst Lohn, Des Thales puls ist dieser Ton, Und stocht einst dieses Pulsschlags Pochen, Des Thales Leben ist gebrochen. Du sah'st im Thal die Tuadermassen Des mlicht'gen Bau's zerbröckelnd fallen, Der Mönche Dom, die Ulosterhallen: Die Geisteresse, nun verlassen. Hier schmolz in der Askese Flammen Der Herzen sxröd' Metall zusammen, Im Feuerflusse darf's nicht stocken; Lin Amboß hart ist Ulosterzucht, Einförmig stampft in eh'rner Wucht Der Hammerfall der Horaglocken, Geschmeidigt Seelenerz zu recken Und nach des Meisters Form zu strecken. Du sahst in Bildern wohlerhalten Die Reih'n der harten Schmiedemeister, Die Bändiger der Feuergeister, Der Aebte düstere Gestalten, Den Blick gesenkt, die Stirn in Falten, Des Fürsten Bild dann, der sie rief; Das Lächeln auch gräbt Furchen tief, Sein Haupt sinnt trüb, als ob's ihn reue; Die Rosen, die es treu umwallten, Hier scheinen sie nur eine neue Aaxuzenart für Stirnenfalten. In gleichem Maß, ununterbrochen, Durch Nacht und Tag, durch Lust und Leid Ging hier des Horenxulsschlags Pochen, Nachzitternd in der Runde weit, Bis eines Fürsten Wort vor Jahren, 179 Dem jetzt noch welke Herzen zittern, Ivie dürres Laub vor Herbstgewittern, Frisch durch dieß Klosterhaus gefahren: „Die Zeit ist um, das Werk vollbracht, vorüber eure Waffenwacht, Drum räumt die Veste, heilige Streiter, Ergreift den Stab nnd wandelt weiter! Zu dieses Thals verlass'nen Hagen Will der Gesittung Licht ich tragen." Die Mönche zogen, noch stehn die Hallen, Die Mönche starben, die Steine fallen. Nun meine Mus' in ferne Zeiten Sich schwingt, zwei Wandrer zu begleiten Durch dieses Thal, das felsumglänzte, von Erz durchblinkte, waldbekränzte. Welch finstre Dedniß noch! Sie findet Kein Siedlerhaus, sie zu bewirthen, Nicht Feuerstellen einz'ler Hirten, Den Pfad kaum, der im Wald sich windet, vom Thalgrund bis zum Geierhorste Nur dichte, schwarze Tannenforste, Die Nacht der breiten Riesenschatten verschlang das karge Grün der Matten; Die Mürz rennt sterbensbang durch Ranken, Ein Kind, in Dämmerung verirrt, von raschem Schwalbenflug umschwirrt, Gleichwie von zuckenden Angstgedanken. Die Wandrer stehn erstarrt, zu lauschen Im hehren Bann der Einsamkeit, Der grünen Wipfel Wellenrauschen Zieht über ihren Häuptern weit, Als stünden sie im Schloß der Fee , 12* — i8o — Auf tiefstem Grund im Alxensee; Dazwischen schmettern, jauchzen, schallen Der Waldesvöglein Liederspiele, Als ob ins leise Wogenwallen Ein Katarakt von Gesängen stele. Porch, Donnerknall und Widerhall! Im Forste dröhnt von Zeit zu Zeit Der ält'sten Urwaldbäume Fall, Wie Patriarchen, nicht vom Leid Gefällt, nur von der Wucht der Zeit; Da schweigt ringsum des Sangs Frohlocken, Waldrauschen selbst verstummt erschrocken, Denn Schauer nur, beklommnes Schweigen Will als Musik der Todesreigen. Den kräft'gen Leib durchzuckt dir oft Frostschauer rasch und unverhofft, Dem solchen Sinn der Volksmund gab: Es sprang der Tod dir übers Grab. Des Todes Tritt in Waldesbahnen Weckt Gtto's Perz zum Todesahnen: „Mein Schlürfen süßen Liederschalles, Mein Festpokal, mein Freudenkranz, Die Mummenfahrt zum lustigen Siege, Musik und Tanz, was ist dieß Alles? Der Weltensonne Widerglanz Im Flügel einer Eintagsfliege! Lin pauch des Tods, — in nichts zerquillt Das Mücklein und sein Sonnenbild! Daß meines Schreitens durch die Erde Lin Mal, nur eine Stapfe bleibe, Drum in das Perz der Zeit mich schreibe Liu Werk, dem seine Liebe werde: — 181 - » Au dieses Thals verlass'nen Hagen Mll der Gesittung Licht ich tragen. Es steig' ein Dom, hier sei die Stelle! Schon seh' ich seine Firste ragen von Säule,i und Gebälk getragen, In mächtigem Bau rings Aell' an Zelle; Ihr Urwaldbäume, Felsenquadern, Fügt euch dem Maß, ihr sollt nicht hadern, Nicht missen gewohnten Waldesklang, Das Wipfelrauschen, den Vogelsang! Ist Glockenton nicht zu belauschen Wie goldner Aauberhaine Rauschen? Sind nicht ein Lied die Grgelklänge, Als ob ein Thor von Adlern sänge? Dann ruf' ich Mönche von Liteaux: Ihr heiligen Pflüger in weißer Kutte, Ihr Rebenpflanzer in wüstem Schutte, Eu'r Kleid ist licht, eu'r Thun ist froh; Kommt wie die ersten Taubenschaaren, Saatstreuend, in dieß Thal gefahren, wählt Rüstzeug ans des Berges Erzen Und rodet Wälder, rodet Herzen! Saatkörner, die der Hand entfallen, Sind schöne Rosenkranzkorallen; Das Wandeln durch der Halme Wogen Ein Meditiren hold vor allen; Der Fruchtbaum, den ihr selbst gezogen, Ist eine blühende Gotteslehre; In eurer Hand die volle Aehre, Die erst in ihr ein Körnlein war, Stellt euer Betheuern glaublich dar, Daß sie's in Gottesleib einst kehre. Zieht ihr die Furchen, wollet denken, Bis in die Herzen sie zu lenken! 182 So, pstügermönche bringt die Strahle Der mildern Sitten diesem Thale." Pfaff Wigand lispelt in die Melle: „Du rasche, liebliche Forelle, Laß dir bekommen und behagen Die Lehre von den Fastentagen." Der Fürst sinnt sort: „Die Tag' entwallen, Ich seh' des Domes weite Hallen Mit schwarzem Tnche überschlagen, Den Katafalk inmitten ragen, Dabei ein Kranz, ein Herzogshut; Mit Rosen ist das Haar umlaubt Des Leichnams, der im Sarge ruht, „Fundator" rühmen weiße Lettern, Sieh, meine Züge trägt das Haupt! Die Tuba dröhnt, Posaunen schmettern, Die Grgel rollt wie fernes Gewittern, Nicht riihrt's den Todten — nur ein Zittern Bebt in des Kranzes Rosenblättern, — Doch fühlt die Seele sich getragen Dom Sange, den die Mönche singen, vom Worte, das die Hirten klagen, von Strahlen, die ein Helles Tagen Auf hundert Kandelabern ringen: Der Mann ist's, der zu diesen Hagen Einst der Gesittung Licht getragen." Pfaff Wigand flüstert in die Bäume: „Du Bienlein, spinne stolzere Träume! Zerbrechen wir auch deine Zellen, Dein Wachs darf uns den Himmel Hellen!" Da frug der Fürst: „G mein Geselle, Gefällt's dir schlecht, daß ich die Welle Der Zeit ins Waldeseinsam lenke, Meinst du, daß sie die Wildniß kränke?" Doch Wigand einen Strauch erfaßt Und schneidet ab den schlanksten Ast: „Wann übte der sein Tagwerk besser, Einst als er mit dem Winde rang, Einst als auf ihm der Finke sang, Jetzt wo vom Stamm ihn trennt mein Messer, Daß er den Pilger liebreich stütze, Thut's noth, auch gegen Schelme nütze? Zur rechten Zeit traf ihn die Klinge, Zu rechter Zeit des Vogels Schwinge. Wer ist's, der Grenzen dir ersinnt. Wo Leben endet, Sterben beginnt? Gb nicht ein Welken die Bliithe roth, Der Tod eiri Blühn, das Blühn ein Tod? Du baust, wenn du zertrümmernd scheinst, Zertrümmerst, wenn du zu bauen meinst." Und eine Spanne Weges weiter Ein mächt'ger Felsblock liegt im Thal, Dran lehnend eine Sprossenleiter, Auf seiner Höh' ein Häuschen schmal, Dabei ein Gärtlein mit Laubverstecken, Mit Aräuterbeeten und Blumenhecken, — Ein rauher Fröhner, dessen Rücken Des Blumenkorbes Lasten schmücken; Es warf der Berg vom Leibe fort Den Block, ein Glied, das abgedorrt, Waldbruder nahm Besitz vom Stein, Als würd' er ein neuer Welttheil sein; Das Felsenhaupt, dem Tod verfallen, Soll neu in blühendem Leben wallen. — 184 Und eine Spanne Weges weiter In Trümmern liegt die waldkapelle; Aus waldesirren ein Befreiter weiht' einst der Gottesmaid die Schwelle. Im Dache nistet jetzt die Lule, Die Spinn' umflocht das Fensterglas, Aus Ukarmorfugen sprießt das Gras, vom Sockel sank die Uladonnasäule; Da kniet kein betender Geselle, Lin grasend Reh beschritt die Schwelle, Als ob es Lhristenvolk beschäme. Dio Gottesmaid scheint dankbar mild Sich neigend, daß das fromme Wild Aus ihrer Hand die Halme nähme. So welkt und dorrt, was blühen wollte, So sprießt und blüht, was welker: sollte. Und Spannen Zeit und Weges weiter Seht ihr des Liedes Dichter wallen, Auch er sinnt Tod, doch sinnt er heiter Des Leibes und Gesangs Zerfallen: Lr spürt des Lebens ewigen Geist Im Windhauch, der einst Wald hier säte, Im Beil, das dann zum Feld ihn mähte, Im Bauherrn, den dieß Kloster preist, Im Schutzherrn, der's zerfallen heißt. Auf Dichters Haupt ein Reis zu senken, Braucht ihr den Waldbaum nicht zu kräuken. Daß seines Schreitens durch die Lrde Lin Ulal, nur eine Stapfe werde, Ulöcht' er in brachen Seelenboden, Durch den nur weicher Vogelsang Und üppig Waldesrauschen klang, - i8Z - Zwei Mönche setzen, ihn zu roden: Den Mannesstolz, den Mannestrutz, von strenger Regel, von schlichtem Putz, Zu jäten alten, todten Dorn, Zu pflanzen schweres Znkunstkorn. Noch segnend zieh» im Saatengleise Die Seelen jener Mönche leise; So mag das Lied einst ziehn durchs Land Im Geisterreigen, unentdeckt, vielleicht in Thaten, die's geweckt, Am Lichte schreiten unerkannt. Ein Fest spiel. ^Ilit frischem Muth, in grauem Rock, Am Haupt den Hut breitschirmig fahl, In Händen den spitzen Alpenstock, Ziehn beide Wandrer durch ein Thal. Als aus dem ebnen Land sie schieden, Lag es in vollem Blüthenfrieden, War's wonnig schöne Frühlingszeit, Hier sind die Zeiten noch im Streit; Es streicht durchs sonnenwarme Thal Des Gletscherwindes scharfe Schwinge, Als ob ein blutwarm Herz durchdringe Des Pfeiles kalter, spitzer Stahl; Die Wandrer Haschen wehende Blüthen, Doch sehn sie auf der Hand erschrocken In Than zergehn die weißen Flocken, Und wenn sie schütteln von den Hüten Den weißen Schnee, der drauf gefallen, Beginnt ein Bliithenduft zu wallen. i86 Die Sonnenstrahlen sind den Gründen Noch wie die ersten Heidenlehrer Der Nebel leuchtende Bekehrer, Die kämpfend nur ihr Licht entzünden; Schon ragt ihr Dom, die Ampel glimmt, Die Wandrer sind fast kirchlich gestimmt. Zur Rechten rauscht ein Bach vom Hange, Die Wellen plätschern sich überstürzend, Wie Dorfeskinder, vom Kirchengange Aut Scherz und Geschwätz den Heimweg kürzend; Auf ihren Stirnen leuchtet noch immer Wie von der Sonntagslehr' ein Schimmer. Die bunten Blüthenhiigel spannten Damastgeblnmte Kirchendecken, Aus allen Büschen schallt's und Hecken Wie Singen und Läuten der Ministranten, And würzig haucht in Waldeslüsten vom Tanuenharz ein süß Arom, Wie durch den sonntäglichen Dom Ein lieblich stilles Weihrauchdüften. Nun um die Hügelwand sie biegen, Sehn sie ein Dörflein vor sich liegen Inmitten grüner Wiesenmatten, Umdämmert von wald'ger Berge Schatten, Dahinter schneebedeckte Zinken, Des Winters ewige Burgen, blinken. Am Hügel dort welch Volksgedränge, Welch seltsam Singen, welch sondre Klänge, Wie Sichelklirren, wie Schlägelsall, Wie Sensendengeln, wie Tenuenhall! Längst ist vorbei der Tenne Zeit, Der Ernte Tage sind noch weit; i87 Bald ist's gelöst: bei einem Feste Sind sie zwei ungeladene Gäste. Auf einem Hügel steht ein Wagen Prunkhaft als Thronsitz aufgerichtet, Mit Bündeln und Betten überschichtet, Mit bunten Decken ausgeschlagen, Darüber grüne Bogenranken Don Fichtenreisern zierlich schwanken, Das Rad gehemmt mit einem Reile, Daß es nicht thalwärts rollend eile. Mit stolzer Miene sitzt zu Throne Der Schalk von Wirth, des Dorfes Haupt, Sein grün Sammtkäpplein ward zur Rrone, Mit Ephengewinden schön umlanbt; Ein goldner Mantel ihn umwallt, Deß Anblick fort den Rüster quält Au sxähn im Rirchenschrank alsbald, Gb nicht der Despcrmantel fehlt? Ein weißer Stab mit farbigem Band Blinkt zextergleich in seiner Hand; Als Maigraf ist er eingezogen, Au segnen Flur und Saatenwogen, Jetzt thront er hoch, nach Recht zu richten, Der Jahreszeiten Streit zu schlichten; Gb auch sein Haupthaar dünn und licht Au Winters Gunsten ihn besticht, Lenzhaft doch blüht sein rund Gesicht. Unfern dem Thron steht eine Maid, Umflort von leichtem Sommerkleid, In goldnen Wellen ihres Haares Die Erstlinge des Blumenjahres; Es schmiegt sich an ihr Mieder lose i88 Ein Zweig der schönen Alpenrose, Lin Körblcin hängt an ihrer Linken, Draus gelbe Weizenähren blinken Mit Gartensrüchten mancherlei, Des Bergs, des Thales Blumen dabei, Violen und sammtnes Edelweiß, Mannstreue und blauer Ehrenpreis; Ihr Auge an den Blumen hing, Als ob die Sonne drüber ging. Lin knospend Wcidenpalmenreis Anmuthig in ihrer Rechteri ruhte Wie eine liebliche Aauberruthe. Sie sprach: „Ich bin die Sommerszeit, Mein Kommen grüßt der Jubel weit, Mein Scheiden hinterläßt das Leid; Ich bin die Mächtige, Milde, Reiche, Der schöne Augentrost der Erde; Wo darbt ein verz am Weltenherde, Dem eine Wohlthat ich nicht reiche? Die Sterne schenk' ich wieder den Lüsten, Die Sonne lös' ich aus Sklaverei, Des Stromes Fessel hau' ich entzwei, Der Thäler Becken füll' ich mit Düsten, Kein Blümlein arm birgt sich in Klüften, Dem ich nicht brächte sein Geschmeide, Lin sarbig Band, eine Schleife von Seide; Die nackten Bettler: Wälder, ksecken Kleid' ich mit meinem eignen Kleide, Wie Sankt Martin, die Blößen zu decken; Und eurer Scheuern leere Kasten Füll' ich mit Gold der Garbenlaston. Ls ist die Freude, wo ich walle. Gleichwie der Aether ausgegossen, von dem die Wesen all' umflossen, — i8y — In dem sie athmen, leben alle! Und glanbt ihr mir nicht, mögt ihr fragen Den grünen Wald mit den jungen Blättern, Die freudig in den Himmel klettern; Und glaubt ihr mir nicht, sollen's sagen Die Lerchen, dis anfjauchzend schmettern, Die Wolken, die in jubelnden Wettern In meine Arme zu stürzen jagen; Im See die Fischlein, die im Bogen Frohlockend an die Luft sich schnellen, Im Land die rauschenden Saatenwogen, Die alle Fluren Uberschwellen! Fragt jeden Ton, der in Lüften fliegt, Fragt jeden Hauch, der im Raum sich wiegt, Fragt alle, die ich befreit, die Seelen, Fragt alle, die ich gelöst, die Aehlen; von euren Todten laßt euch's lehren, Die, tief verhüllt von eisiger Decke, Nur durch die Blumen, die ich wecke, Ulit ihren Lieben wieder verkehren. Nun ich dieß Thal durchzieh', verstelle Nicht jener Unhold mir dir Schwelle!" Im Thor die Anaben und Iungfraun sangen, Im Takt die Sensen und Sicheln klangen: „So treiben wir den Winter aus, von Herd und Haus, zum Land hinaus!" Da trat ein Junge aus dem Schwarme, Ein zottig Wolfsfell nm den Nacken, Ein dürr Reisbündel unteren Arme, Im andern einen Gfenhaken, Und rieb die Hände, daß er erwärme: „Ich bin der Winter kalt, husch, husch, 190 Und rühr' mich nicht aus meinem Busch; Ich bin, — ich war, — ich glaub', — ich mein' —" Er stockt. Was er zu sagen dachte, Weiß nur der ferne Küster allein, Der ihm den Spruch in Reime brachte. Des Winters Lhor begann fast zagend, Die dreschenden Schlägel zum Grunde schlagend: „Dem Winter gönnt zu Gruß und Dank Sein Plätzchen an der Bfenbank!" Rasch springt kserr Btto durch die Menge: „Erlauchter Graf im Blüthenreiche, Erlaubt, daß ich zu Wort mich dränge; Der Kampf ist Beiden nicht der gleiche! Indeß dort für den Sommer wirbt Ein süßer Zaubermund, verdirbt Lin schlechter Anwalt hier die Sache. Dem Fremdling gönnt, daß er die Sprache Kuhn für das Recht des Winters führe! Gb sie auch nicht den Richter rühre, — Manch Urtheil ist ja längst beschlossen, LH' des Beklagten Wort geflossen, — Mag's doch mich selbst erfreun, erheben, Im Kampf ein gutes Recht vertreten! Dem armen Sünder wird gegeben Ein freies Stündlein, um zu beten, Den Todesfxruch zwar wandelt's nicht, Doch gibt's ihm Trost und Zuversicht." Der Maigraf nickt und winkt den Jungen Fortweisend, dem der Spruch mißlungen. Dem Fremdling reicht erzürnt der Junge Das Reißig und den Eisenhaken, — IYI — Legt ihm das Wolfsfcll um den Nacken, Drauf fließt das Wort von Gtto's Zunge: „Ich bin der Winter kalt und hart, Von rauher Kraft, von strenger Art, Sie beugt und bricht den schwachen Wicht; Ich tändle nicht, ich kose nicht, Wein Kommen wird begrüßt mit Leide Und Jubel höhnt mich, wenn ich scheide; Im Wohlthun doch macht's mich nicht wanken. Ich warte nicht auf euer Danken, Ich duld' cs, wie ein großer Wann, Den ihr verkannt und gelegt in Bann, Es kränkt ihn nicht, denn euer kfaß Vergrößert nur sein Ruhmesmaß. Ich bin ein Künstler thatcnstolz, Ich baue Brücken ohne bfolz, Ich zeichne Blumen ohne Stift Und Landschaftbilder scharf, genau, Vhn' Kreid' und Kohle, weiß in graus Was Wunder, wenn's der Lenz dann trifft, Daß meine sichern Formenrisse Mit Farben er zu füllen wisse? Ich weide keine kfeerd' und rolle Die Welt in Decken reinster Wolle; Ich zieh' nicht Flachs, doch überspinnen Kann ich das Land mit den weißesten Linnen; Ich bin ein Zaubrer, den Wasserfall Vcrstein' ich zu festem Bergkristall; Ein Drechsler dann, der ohne Geräth Daraus die schlanksten Säulen dreht; Ich bin ein Schütze von seltnem Brauch, Der ohne Bolzen nach Vögeln späht Und sie herabschießt mit dem bsauch! Ich bin ein Goldschmied überreich, IY2 Der Diamanten wirft in Massen In Bettlerhütten, auf die Straßen, Nein Reichthmn doch bleibt ewig gleich; Ich bin ein Arzt auch, daß im Marke Die Kraft euch ohn' Arznei erstarke, Die Sehnen mach' ich euch erstraffen, Die von des Sommers Lüsten schlaffen. Ich bin ein Priester, dessen ksnld Bekenner wirbt dem Feuerkult, Daß um den kserd am Flammenscheine Sich sammle die zerstreute Gemeine, Daß ihre bserzen lodern, leuchten, Als ob sie selbst sich Flammen däuchten. Ich bin ein mächtiger Kerkermeister, Der ganze Völker in Mauern bannt; Als Prediger komm' ich dann gesandt, Der in sich weis t die flüchtigen Geister, Daß die nach außen abgelenkten Sich in die Tiefen nach i^nen senkten. Ich bin ein Dichter, mit Liedeswürzen Des Abends Dauer euch zu kürzen; Da blühn bekränzt die fahlen Rocken Nit Märchen, wie mit Blumenstöcken, Da flattern alte Sagenklänge, Als ob ein Vöglein im Zimmer spränge. Ich bin ein Krieger unüberwindlich, Für Tand und Weichheit unempfindlich, Streng gegen Andre, streng auch mir, Blank meine Rüstung, weiß mein Panier, Dio Reinheit ist's, für die ich ringe, Die Strenge, die mein Werk vollbringe. Und weich' ich trunknen Frühlingsschaaren, Lin Rückzug ist's, doch keine Flucht, Ich will aus niedrer Thalesschlucht IYZ Zu meinen sonnigen Burgen fahren; Inmitten deiner flüchtigen Reiche Stehn aufrecht meine ewigen Vesten, Bergzinnen mit Uristallpalästen; G Sommer, zeige mir das Gleiche! An ihren unersteiglichen Wällen Wird all dein weichlich lfeer zerschellen, Die flammenden Lanzen morsch zersplittern, Dein Blumenbanner sich entfärben, Dein Schlachtenlied in Vhnmacht sterben And deiner Urieger Leichen verwittern." Da greift dem Richterurtheil vor, Da singt der sensenschwingende Thor: „Der Winter hat das Spiel verloren, Wir treiben ihn aus zu Thürcn und Thoren!" Der Naigraf winkt mit weißem Zweige, Die Menge mahnend, daß sie schweige: „Ich sprech' als unbestochner Richter; Wie hold und lieblich auch dem Schenken Des langen Winterabends Lichter, Wenn Zecher sich auf allen Bänken Inbrünstig in den Aelch versenken; Der Sommer sendet mir zum Becher vom Tagwerk rasch nur hastige Zecher. Dein Spruch war überzeugend, labend, Schön lang auch, wie ein Winterabend, Und dennoch ruf' ich: Sei gebannt! Des Sommers Ligen sei das Land! Volksstimme hat den Streit geschlichtet, Die mächtige Zeit hat selbst gerichtet! Wer wagt gen sie den Widerstand? Doch, dem sie reift die Todesstunde, Gießt sie auch Balsam in die Wunde. Anast. Grün's Werke IV. iy4 Lin süßes Loos ist Sterben, Scheiden, Dran sich die großen Herzen weiden; Lin Leben voll zerstreuten Glanzes Lrst rundet's in Lin Bild, Lin Ganzes! Uns aber stimmt's die Herzen echt, Selbst gottgesandte Jahreszeiten, LH' unsre Schwellen sie beschreiten. An fragen erst nach ihrem Recht; Das hält uns wach und waffensertig An Felsenpforten, allgewärtig. Und sielp —, doch spricht er's nicht zum Schlüsse, Ach, in der Rede vollstem Flusse Ins Schwanken ist der Thron gekommen! Das Bürschlein, dem das Wort genommen, Anschleichend, hat im Rachegrollen Gelöst vom Rad den schützenden Aeil; Der Wagen wankt, er kommt ins Rollen, Schießt dann zu Thale, wie ein Pfeil, And hinterdrein mit Jauchzen fahren Gemengt des Winters, des Sommers Schaaren, Lin Alpengießbach, dessen Wellen Eisschollen zugleich und Blllthen schwellen. Wie schade, daß solch kleine Fehde Dor'm Schluß zerschnitt die weise Rede! Urmenschen. „L>er du vorschreitest meinen Wegen, V Nithart, wenn dir Alpensöhne In echter Urkraft, schlichter Schöne Begegnen in den Alpenstegen, Noch Unberührte vom Städtehauch - IYZ — Und von der Niederung Lastern auch, Dann zeichne mir den Grt, das lsaus Mit einem Alpenrosenstrauß, wie mit dem Zeiger eine Schenke, Daß ich mein kferz zur Labung lenke Und es erheb', erquicke, stärke Am schönsten aller Gotteswerke." So klang des Fürsten Abschiedsmahnen An Nithart, den an eigner Stelle Er ziehen hieß des Berglands Bahnen; — Noch schmückt das Zeichen keine Schwelle. Sie schreiten über Alpengipfel, Dor ihnen gleiten zu Thals nieder Des Berges vielgestaltige Glieder, Lichtgrüne Matten, dunkle Wipfel; Ringsum der Nachbarberge Ureis, Granitne wände, ewiges Eis; Frei kann ihr wandernd Auge wallen Durch manch Geheimniß der Alpenhallen. Uerr Gtto rief: „V Gier, o Lust, Au schlürfen reiner Bergluft kfauch, In ihren freien Wellen auch Au baden die befreite Brust! was mich beklemmt, fort schleudr' ich's weit, Fort das Erinnern vergangner Zeit, Wie Alltagskleider du von dir warfst, Wenn zum Altar du treten darfst." Doch Wigand sprach: „Nicht so! Begleiten Soll überall mich bergan, bergab, Wie dieser treue Wanderstab, Das treue Bild vergangner Zeiten; So in den Grund der Gegenwart — iy6 — psianz' ich den Stab nach Gärtnerart, Dran ich mir ziehe ihre Rebe, Daß sie in Ranken fröhlich schwebe Und süße Traubenkost mir zebe; Wär' nicht der Stab, es kroch' alltäglich Die Ranke hin am Boden kläglich. So muß ich hier auf Berzeszinnen Auf deines Hofes Sitten sinnen, - Und der Gedanke wird mir wach: Wir stehn in Gottes Oorgemach, Wo jede Wand und jed' Geräth Den Abglanz trägt der Majestät; So mahnt mich jetzt der Stoß des Windes, Der uns vom Haupte schlägt die Hüte, Auch hier nicht schützt des Fürsten Güte vor'm Uebermuth des Hofgesindes." Herr Gtto sprach, nmblickend viel: „V störend Bild, o Widerspiel! Dort Felsenstirncn scharf geprägt, Der Gemse Sprung von jäher Wand; Hier morsch Geröll vom Wind gefegt, Kreuzottern winden sich im Sand. Die Wasser, dort als Gletscherschollen, Sich fest in höchsten Bergschrund keilend, Als freie Wellen hier mit Grollen Den Höhn entstürzend und enteilend. Dort der kristallne Alxensee, Des Berges Auge, schwärmend droben; Unfern das Moor, o schneidend Weh, Den Sumpf zu sehn so hoch erhoben! Dort Tannen, die sich mächtig recken, Wie an den Berg ihr Maß zu strecken, Jed' einz'ler Baum ein Münsterthurm; -97 Hier zwergig Arummholz, farblos, siechend, Jed' einz'ler Baum als Ranke kriechend, Lin knieender Bettler, ein schleichender Wurm!" Pfaff Wigand lächelt: „Wie sind so gleich Der Berge Reich, des Hofes Reich! Welch Widerspiel in nächster Näh': Der kühne Sprung nach Gemsenbrauch, Der Schlich der Areuzesotter auch; Da ist der tiefe klare See, An dem ihr Bild die Himmel proben! Da ist das Moor, o schneidend Weh, Au sehn den Sumpf so hoch erhoben! Hochschründe gnug, sich einzukeilen Für Gletscherherzen, die gleißend kalten, Indeß hinweg unaufgehalten Die freien Wellen grollend eilen. Wie Bergluft ist die Hofluft auch, Belebend, tödtend wirkt ihr Hauch; Der Felsenstirnen edel Gepräge, Sie härtet's doppelt scharf und rein, Indeß gemeinen Bröckelstein Als Staub sie wirbelt auf die Wege. Was Triebkraft ist, das wird sie wecken, Was Tdeltann' ist, wird sie strecken, An ihrem deinen Muchs zu messen; Was Arummholz ist, dem wird sie pressen Aum Grund die Wipfel lichtvergessen. Doch hier wie dort aufs Arummholz fahl Fällt doch der erste Sonnenstrahl, Weil hier wie dort, — mich läßt's verstimmt, — Arummholz die höchsten Höhn erklimmt, was soll dieß Bild? Dich soll's ermannen: Du pflanze dir gradwllchsige Tannen!" — iy8 — Au Thale wandeln sie mit Schweigen, Sie sehn die ersten Hütten steigen, Da jauchzt der Pfaff: „Ha, Nitharts Zeichen! .Es schwankt sein Alpenrosenstrauß Als Aeiger dort am Bretterhaus; Den Scelenlabtrunk soll uns reichen Solch Schenkhaus unter ün Bliithenschilde; G Durst nach Gottes Ebenbilds!" An offner Thür sie lauschen leis: Da sitzt ein silberlockiger Greis, Sein Töchterlein in Leibesschöne, Ein Hirt, ein Jäger, seine Söhne; So edle, hohe Aerngestalten, Als hätten magische Gewalten vier Götterbilder aus Griechenhallen Entführt aus nordischen Alpenboden, In Marmor hauchend Lebenswallen, Und sie gehüllt in Steirerloden. Der Alte rührt die tönende Aither, Wie rieselnder Wellen keusch frohlocken, Wie Windesschmeicheln in Wälderlocken, Wie rasche Schläge der Hochgewitter; von Mund zu Munde wechselnd zieht In kurzen Strophen das Alpenlied! Vierversig jetzt, als wie getragen Anm kecken Satz auf Gemsenbeinen, Die stampfend das Gerolle schlagen Gntmiithigen Spotts auf scharfen Steinen; Aweiversig jetzt, als wie gehoben Auf Lerchenflügeln zu Sonnenauen, Die Schwingen goldet der Jubel droben, Doch netzt sie auch der Wehmut Thauen. Weun Poesie dieß Haus besucht, IYY Trägt sie den Sternenmantel nicht Mit reicher, wallender Faltenwucht, Mit krausen Zierraths sunkelndem Licht, Den Kunst aus feinstem Stoff ihr wirkte Und mit Symbolen und Lhiffern umzirkte; Prunklos betritt sie diese Schwelle Und bringt nur bunte Kinderbälle. Jetzt singt der Hirt, der greise Mann, Die Dirne drauf, der Jäger dann; G seht, wie hier im Kreise sprangen, Nun fortgeschnellt, nun aufgefangen, Der Alxenkinder Liederbälle, So leichte, farbenbunte, Helle, Wie luftgetragne Seifenblasen! Doch spiegelt sich im Schaumkristall Die Alpenwelt mit Wasserfall, Mit dunklem Wald, mit lichtem Rasen, Der Himmel selbst in Sturm und Ruh, Manch gut Stück Menschenherz dazu, Bis Ball und Bild in Schaum zerrannen. Pfaff Wigand unterbricht das Lauschen: „Das sind der Berge Menschentannen, Das ist der Alpenwasser Rauschen!" Sie wandeln fort, doch Wigand ruft: „Ti sieh, da wiukt am nächsten Haus Das Zeichen wieder, der Alpenstrauß! Ist gar so reich die Alpenluft An Lieblingskindern, jenen gleich? Mich dünkt, jetzt kommt ein Nithartstreich." Sie lauschen an dem Fenster schon, Da sitzen Vater, Tochter, Sohn, All' ungestalt, des Blödsinns Beute, 200 So mißgestalte Kröpxelleute, Als hätt' ein unfreiwilliger Spötter Geschnitzt mit Stümperhand in Lile Aus Kieferknorren mit stumpfem Beile Zerrbilder jener Marmorgötter; Lin Kobold noch zum Zeitvertreib, Den Vrt für Bein und Arm vermischt, Der lange Arm den Boden wischt, Das kurze Bein knickt unter'm Leib; Drauf Aaubersxuk den Pupxennasen — Nußknacker und Alraun vermengt, — Lin Greisenleben eingeblasen, Und Felsen an den kfals gehängt, Daß selbst ihr Lachen knurrt wie Grollen, Sterbröcheln scheint ihr Athemrollen, Ihr Sprechen fernes Wehruflallen Des Trunknen, in den Brunn gefallen. Den engen Stirnenxfad beschritt Noch kein Gedanke siegeslicht, Des Munds verfallnem Schacht entglitt Des Worts stoffreiches Lrz noch nicht; Im Antlitz nie das Lächeln spielt, Dieß Llfenkind gus Rosengärten, Nur aus den trägen Augen schielt Lin Wehmutstraum all des Entbehrten.' Unfolgsam sind der Willenskraft Die Glieder, ohne Wahl gerafft Dom Leib der Riesen und der Zwerge. Wigand neigt sich an Dtto's Ghr: „Das Nenschenkrummholz ist's der Berge, Der Unkenruf im Alpenmoor." — Da tritt ein Bergmann in die Stube Und schüttet vor die Blöden frisch Manch klingend Miinzstück auf den Tisch, 201 Ein Theil des Wochenlohns der Grube: „Zu füllen meinen Arm mit Kraft, Hat euren Arm der Herr erschlafft; Drum mit dem Sold gesunder Glieder Erstatt' ich euer Erbtheil wieder." Da zollt die schöne Sennerin Manch Wecklein Butter in Blättern rein: „Lucht mich das Äug' des Liebsten mein, Euch dank' ich's mit gerührtem Sinn, Die ihr auf euch zu meinem Frommen Des Leibes jeden Fehl genommen." Ein Jäger kam; vom Rücken glitt Des feisten Bockes Aeulenstllck: „Den scharfen Blick, den sichern Tritt, Die feste Hand, das Schützenglllck, Euch dank', euch zahl' ich's gern zurück." Da bringt ein junges Bauernweib Des weißer: Brods manch runden Laib: „Ihr, die von uns mild abgelenkt, Was Leiber lähmt und Seelen kränkt, Nehmt jeden Makel, jede Klage vom Kindlein, das im Schooß ich trage." Herr Vtto sprach: „Dein heitres Lehren, Wigand, hier müßt's ein Herz versteinen; Was ich vergaß, hier lern' ich's: — weinen! And opfre meine ersten Zähren Den Armen, die sie selbst entbehren." Der Priester rief: „Ich aber suche Nach einen: eignen, schöneren Sterne, 202 Der auszusöhnen die Armen lerne Mit Gott und ihrem Lrdensluche." Die Wandrer schritten stumm von hinnen, Mit wunden Seelen, tief im Sinnen. Au Wigand kehrt sich Btto mild: „Dom kfofgetrieb dein schalkhaft Bild Wohl mnßt's vor solchem Graun zerrinnen?" Doch Wigand drauf: Nicht will's zerrinnen! Nur klarer ward's, daß ganz ich's deute: Sieh neben Rraftgestalten wohnen verkomm'nen Geistes Ariixpelleute Wie an den Bergen, so um Thronen; Hier mag wie dort mit Sold und Ehren Lin schöner Wahn des Volks sie nähren." Alpengeister. ,,-Hch hab' es satt, im Buch der Welt Zn lesen nur an deinem Lichte, Als Aindlein, dem beim Unterrichte Lin Lehrer täppisch den Finger hält Auf jedem Wörtlein, jeder Letter; Dein Finger hemmt mein eignes Sehn, Zerknittert mir die reinen Blätter." Da wendet Wigand sich zu gehn: „Li, so versuch's und lies allein!" vor'm Sennenhaus auf einem Stein Sitzt Btto horchend, spähend, sinnend, Das Licht flieht zu den kföhn, zerrinnend, 20Z Und Dämm'rung sargt die Thäler ein. Die Zeit ist's, wo die Nachtigall Auf ihres Busches ragendstem Sprossen, Daß weithin töne des Rufes Schall, Sich wiegt, zu locken den Genossen. Die Sennin ans dem Hüttenraum Tritt an der Felswand steilsten Saum, Nun jauchzt ein Schrei, dort jauchzt er wieder, Drauf hier und dort, bergan, thalnieder, Frau'nstimmen, Ntännerrufe, gemengt, Ein Flöten süß vom Jubeln versprengt, Als ob durch girrende Taubenschaaren Ein brausender Schwarm von Sperber,i gefahren In Lüften wogen, branden, verschwimmen Ulangfluthen rings in tönendem Streiten, Ein wirrer Anäul verschlungener Stimmen! Doch Liebe faßt aus all' den Fäden Den rechten, ihre Bahn zu leiten, Und lieblich löst und knüpft sie jeden. Horch, wie die Stimmen sich entwirren, Je zwei und zwei in seligem Reigen Sich dicht umkreisen, sich näher schwirren, In Eins nun klingen und nun schweigen! Ein Stimmenpaar erstarb nicht ferne, Dann süße Stille, schweigende Sterne; Der Adler schwebt zum Felsenneste, Wildtaube flattert in die Aeste. Im Schweigen schwelgt das Alpenreich, Da wird des Fürsten Seele weich: ,,G seligen Alpenvolks Gemeine, Hier fällt kein Vpfer schnödem Ruhme, Dein Leben ist das Blühn der Blume, Und Rosen deine Grabessteinc!" 2 0-j. Da rinnt's wie Grabluft kalt aus Klüften, Vie Geisterschauer weht's in Lüften; Da regt sich der junge Tannensproß, Als ob er athme und Arme rege: Lin Jäger ward's mit Stab und Geschoß; Lr klimmt empor die Felsgehege, Und wo er wandelt, schweben und schleichen Gestaltengleiche Nebel die Stege, Wie um die Wahlstatt Heldenleichen. Da rührt sich der schwarze Grottenspalt, Erstarkt zum Körper und wird Gestalt; Ein Bergmann ist's mit Schurz und Kammer, Er fährt zur dunklen Grubenkammer, Um ihn die blauen Flammen streichen Wie über versunkenen irr Teichen. Da reckt sich der dürre Strunk am Wege, Ein Holzknecht wird's mit Beil und Säge; Er wallt zum Schlag, dem schlachtfcldgleichen, Gewaltige Trümmer sperren die Wege, Nicht wehrlos fielen diese Leichen! Und wo er zieht, aufsiattern Raben, Als lägen Erschlagne unbegraben. Da streckt sich wachsend der Felsenblock, Wird nun zum Haupte moosbehaart Uiit milden Zügen, krausem Bart, Ein riesiger Mönch in grauem Rock. Er neigt sich an des Abgrunds Rand, Schlägt Kreuze segnend über die Kluft; Lr blickt empor zu Grat und wand, Die Kreuze schlagend in die Luft; Dann in des Schachtes Finsternisse Und in des Gletschereises Risse Wirft luftige Kreuze seine Hand. So pflanzt er, Liebeswerks Vollstrecker, 20Z In Lüften ganze Todtenäcker Don körperlosen Kreuzen ein, Ein würdig Mal den todten Frei'n, Die in der Alpen Leichenhallen Namlos und unvermißt zerfallen; Es drücke sie kein Leichenstein! Des Fürsten Äug' entzückt's zu wallen, Erstarkend, durch die mächtigen Massen, Und Hochmuth will sein Herz erfassen: „G groß Gefühl: dieß Land ist mein! L> Stolz, der Alpen Fürst zu sein!" Mas scholl da wie ein Lachen? — Nein, Es klang entrollend nur ein Stein, Springt räderschlagend über die Wände, Doch stamxft's wie Beine, klatscht wie Hande, Ein Männlein ist's, ein Alpenwichtlein, Und mit ihm kollert und springt ein Lichtlein; Kein Lichtlein! Mas er vor sich rollt, Das ist ein laufendes Krönlein von Gold. Das springt! Den Satz im Bogen sieh! Die Krone schießt zum Gletscherschlunde; Wie tief! Horch, klang's noch nicht am Grunde? Das Michtlein winkt: „Ei, hole sie!" Jetzt schwingt sich's wieder flink nach oben, Zur höchsten Bergeszinn' erhoben, Die noch im Rest des Spätroths glüht. / Der Schelm scheint pagenhaft bemüht, Die königlichen sdurpurdecken Um den granitnen Schemel zu strecken, Am Thronsitz auf dem höchsten Joch; Dann winkt er: „Ei, besteig' ihn doch!" 206 Und neben Btto an der Wand Lin niederflatternd Vuellenband Wogt nun wie Schleifen, blinkt wie Linnen, Blüht wie ein Antlitz liebentbrannt, Schwingt einen Stab in weißer ksand Als lieblichste der Schäferinnen. Die kirtin ist's der Gemsenheerde; Sie leitet Nachts die flinken Gesellen Zu duftigsten Triften, süßesten Quellen; ksa, wie mit traulicher Geberde Die Thierlein klug aus ihrer kand Den Hellen Born des Gletschers naschen, Die süße KrLutersxende Haschen! Nun tost und springt hinab die Wand Das ganze Rudel flink, kopfüber, Die ksirtin treu in ihrer Witten, Durchs Lisfeld rasch, zur Kluft und drüber, Bis sie dem fernen Äug' entglitten. Lin Schalk von Wind, die holde Kleine Umflatternd in verliebten Sitten, verrieth's: ihr Kleid hüllt Ziegenbeine! „Li, wer da muß mit Gemsen stiegen, Nag sich in ihren Schuhen wiegen; Du aber, reicher kserr der Lrde, Nun zähl' und pferche deine kseerde!" Der Vollmond hat indeß die Zinnen, Lin rüstiger Steiger, überklommen; Geräuschlos, still ist er gekommen, Wie in die Seelen trauernder Frommen Die lichten Trostgedauken rinnen, von feinem Leuchten übergossen, Stehn scharf und klar die Berggestalten, Ums Panzereis Waldmantels Falten, 207 Ein Kreis von ragenden Genossen, Als süß' vom Marmorstuhl gehalten, vom Silberstrom des Barts umflossen, Der große Karl und die Genossen, Hier feierlich Gericht zu halten; Sein Haupt trägt Stolz und milde Trauer, Zur Grotte, flimmernd, wölbt sich die Nacht, Der Mond als Lampe leuchtend wacht, Und Gtto's Herz ergreifen Schauer. Es tönt kein Laut, kein Hauch sich regt, Kein Halm, kein Blättlein windbewegt; Das tiefe, kalte, eh'rne Schweigen Ist die Beredsamkeit der Vede. Doch aus der Runde, wortesspröde, Vuillt's wie ein Lied, wie Stimmenreigen, Das Schweigen selbst ward ein Gesang, Der nicht durchs Vhr, durchs Herz nur klang: Wir Berge sind die heiligen Wächter Des reichen Hortes wohlbewahrt, Den für die darbenden Geschlechter Der Geist der Welten aufgespart. Auf Erden sei noch eine Scholle Der Armen und Geknechteten Erbe, Das keinem Schwert je zinsbar zolle, Und das kein Zepter je verderbe! Unscheinbar ist, was wir bewachen, Nur Eis und Stein, nur Luft und Wind; Doch Vuarz und Kohle, geraubt dem Drachen, Wird reines Gold dem Feenkind. Bezwing' uns du, der Welt Bezwinger, Erhöh' dein Zelt in unsrem Stein, 208 Nersuch' den Schneestuinn, unfern Ringer, Bastard der Größe, wie bist du klein! Doch du, Bezwungener, aufwärts ringe, Empor dich richtend an unsrer lsand! Dein kserz hat auch, was Reiner zwinge: Die tiefe Kluft, die eherne Wand! Die Gletscherkälte hat es auch, Daran der Lsoffart Strahl sich splittre; kfat ksochluft auch, an deren Nauch Das Niedrige zu Staub verwittre! Daß dich des Erbes nicht entblöße Dein Jagen, stehn wir schutzbereit; Die Freiheit nur ist unsre Größe, Und unser Zauber die Einsamkeit. Eine Bauernhochzeit. Die Wandrer ziehn auf Thalesstegen, Schon gastlich blinkt von fern entgegen Der Rirchenthurm, des StLdtleins Dächer, Das ihnen füllt den Abendbecher. Desselben Weges keucht ein Greis Mit schwankem Tritt und bleicher Wange! „Wohin, o Greis, in solchem Drange?" „„Ihr wohnt wohl hoch im ewigen Eis, Daß ihr's nicht wißt: des Fürsten Fuß Bewandelt jener Mauern Stätte; Da rafft' ich mich vom Krankenbette, Mein Knie zu beugen, ihm zum Gruß."" 2OY „Und dann," spricht Wigand, „dann zu fallen Zur Grube noch vor deiner Stunde." Nun sie des Weges weiter wallen, Nur Schweigen, Trauern in der Runde! Verstümmelte Bäume ohne Aeste Gleich Mördern, denen abgeschlagen Ein blut'ger Spruch die Hände; sie ragen Zum Prunk am Zinnenrand der Veste! Es steigt kein Rauch aus feurigen Essen, Nein Schlag der Hämmer klingt zu Ghren, Die Mühlen stehn wie eingefroren, Und Pflug und Sense ruhn vergessen. Graunvoll, als ob an diesem Tage Rein Brod auf Erden zu wachsen wage. Ein unterbrochenes Gebet Liegt dort das Feld, erst halb besät, Noch liegt des Sämanns Korb am Hage, Er hat zum Fest sich fortgestohlen. „Jetzt ernten vor der Zeit die Dohlen," Spricht Wigand bitter: „Auf allen wegen Der Fürstenreise welch ein Segen!" Doch Vtto drauf: „Nicht wollt verklagen Allein den Fürsten, vor dessen Wagen Ihr selbst zwei lahme Gäule spannt: Die Demut und den Unverstand! Sprich, ist zu schwer die Ladung dann, Wie, oder zu elend das Gespann? Und wenn bei jedem Schritt durchs Land Die eine Mähre den Schädel nickt, Die andere sich zum Aniefall schickt, Sprich, will das Paar aus Ehrfurcht nicken? Will's unter eigner Schwäche knicken?" Sie ziehn durchs Thor, Festranken winken, Anast. Grün's Werke IV. 14 2 10 Ls läuten Glocken, Fähnlein blinken. Am Rathhaus ist ein Thron errichtet, Drauf Nithart sitzt, matt, abgespannt; Als ob der Purpur ihn erdrücke, Scheint Äug' und Körper wie vernichtet^ Erschöpft stützt er die müde lhand Aufs Zepter, wie auf eine Krücke. Am Throne wallt ein Zug vorbei, Landleute, Bürger, Klerisei; Zur Kirche geht's; langsam bewegt Lin Karren sich, der allerlei lhausrathes und ein Wieglein trägt. Lin neues Bild den Fürsten labe: Der Bauernhochzeit fröhlich Wesen. Da ward ein armes Paar erlesen, Das Städtlein steuert die Nochzeitgabe. Lin Pfeifer schreitet vor dem Reigen, Die Schwegelpfcife kreischt mit Nacht, Lin pfeiscr ist's, gar seltsam, eigen, In stattlich schwarzer Nanteltracht. Aufs schwarze Sammtwamms niederrollt Die Kette mit dem Pfennig von Gold, Das kfaupt geschirmt vom schwarzen Barette; Doch wer ihn hört, dem raset die Schneide Des Schmerzes durch die Lingeweide! Lin Zaubrer scheint'?, der von der Kette Gelöst des Mißlauts böse Geister; Doch sühnt er's selbst — sein Blut ist Lis, Auf seiner Stirne perlt der Schweiß. Das ist des Städtleins Bürgermeister; Lr kann sich's heute nicht versagen, Ins Fürstenherz sich einzupfeisen; Ach, wenn zur Flöte Schöffen greifen, Wenn auf dem Rathhaus Pfeifer tagen. — 21I — Ist's gleiche Musik und gleich Behagen! Das Brautpaar naht, — welch herrlich Paar! Der Strauß am Hut wirft böse Schatten Aufs Antlitz doch des künftigen Gatten. Ist in des Bräutchens Lockenhaar Der Aranz so schwer, daß seine Schwere Ihr schönes Haupt zu Boden kehre? Am Busenstranß die Perlen rein, Sind's nur der Morgenthau allein, Der Heimatfluren Abschiedszähre? Ein Balkenbau ragt auf der Straße, Da tröpfelt Wein aus hohem Fasse, Da ruft die Inschrift: „Aommt, die dürsten! Reich quillt der Gnadenborn des Fürsten." Doch die da kamen, dran zu nippen, Derziehn vom herben Trank die Lippen. Am Marktplatz nur Sankt Florian Ist heiter und thut wohl daran, Sein blechern Fähnlein ist neu geglänzt, In blanken Panzer ist er gethan, Mit neuem Heiligenschein umkränzt; Au Fürstenehr' die Bürgerlade Staffirt' ihn neu vom Haupt zur Wade. Herr Vtto sah schier nicken den Blanken, Wie um zu grüßen und zu danken. Da naht dem Bräutchen Gtto leise. „Ist's hier zu Land der Bräute Weise, Den feuchten Blick zum Grund zu schlagen, Wie bangend vor den Wonnetagen?" Dem Äug' der Maid entstürzen Thränen: „Herr, nur das schönste Brautpaar tauge, So sprachen sie, vors FUrstenauge! Sie wählten mich und mir dann — Jenen; 14* 2 I 2 Sie wählten nicht, die blinden Thoren, Den Liebsten, den mein Herz erkoren, Den Schönsten, den dieß Thal geboren! Auch könnt' er nicht ins Meid sich pressen, Dem sie zu knapp das Tuch gemessen: Ein Biirschlein ist's so wunderprächtig, Doch schulterbreit, von eurem Maße, — Ach, wem der Wohlthat Röcklein passe, Der muß von Wüchse sein gar schmächtig! So ward mir dieser sremde Mann, Und, ach, vier Herzen bluten dran." Herr Gtto spricht: „D bittres Scherzen! Bei andern Blumen, die sie heut Dem Fürsten auf den Weg gestreut, Sind auch, ich seh's, geknickte Herzen; Sie sollen blühn, erfrischt, erneut! Gleicht mir dein Liebster, scheint gemacht Mein Röcklein ihm zur Hochzeittracht; Dünkt's wem zu schlicht, dem mag er sagen: Mein Landesfürst hat's selbst getragen, Ihr mögt den dort zu Throne fragen. Du, Bräutigam mit der finstern Stirne, Dort, seh' ich, weint noch eine Dirne; Wohl glänzte, wenn sie wieder lachte, Im Widerschein dein Antlitz sachte. Dem Dirnlein such' ich einen Freier, Aussteuern will ich selbst die Feier, Ein hellroth Röcklein soll sie kleiden, Ein flimmernd Mieder, Bänder von Seiden, Der Schneider karge nicht im Maße, Daß noch das Meid nach Monden passe. Doch daß ich selbst nicht ganz entbehre Des Hochzeitsstaats, o Fürst, gewähre Mir mild von deinem Uebermaße! — 2IZ Nur euren Sxielmann müßt ihr tauschen; Ich weiß den Mann, dem süß zu lauschen, Der euren Socken Flügel bringe, Daß Luch des Wohllauts Woge schwinge, Und Stern' und Mond sich drehn im Ringe!" Da springt vom Thron Nithart behende Und reißt vom Haupt den Herzogshut, Vom Leib den Purpur, als ob Gluth Ihm lodre sengend um die Lende: „Fort, unbequeme Maskentracht, Du Nessushemd, wenn nicht die Macht Des rechten Herzens drunter schlägt! G wonnig Heimatland der Lieder, Du rufst, du winkst, dein bin ich wieder!" Pfaff Wigand meint: „So srohbewegt Ward noch kein Purpur abgelegt." Awei Träumer. raumgeister zieh» durchs Kärnthnerland, Sternlose Nacht umhüllt das Thal, Es quillt nur eines Lichtleins Strahl Durch dunkler Bäume Zweigesrand. Ein Falter, der, vom Glanz verwirrt, Am Lichte jenes Fensters schwirrt, Er könnte sehn den Bauersmann Die greise Hand zum Abendsegen Auss blonde Haupt des Sohnes legen Und lauschen ihrer Iwiesprach dann. Weib und Gesind ist längst zur Ruh, Der Alte klappt sein Kelchglas zu Und mustert flüchtigen Blicks am Ständer Die neustaffirten Festgewänder, Langt dann vom Wandholz feierlich Ein Kerbholz, staubig, sxinnumwunden. Ein Buch, in braune Haut gebunden, Und wendet zu dem Jungen sich: „Zum Wächter seinem alten Recht Betraut' das Land mein alt Geschlecht; 215 Der Pflug schrieb in die Feldmark tief Uns ährengolden den Ahnenbrief. Durch meinen Mund, durch meine Hand Ergibt dem Fürsten sich das Land, Und will zu Thron sein Herzog schreiten, Muß Einer unsres Stamms ihn leiten Zum Fürstenstein, dem unbequemen, von ihm den alten Eidschwur nehmen Und Landesbrauch mit ihm vertragen; So gilt's zu Recht seit alten Tagen. Dieß Kerbholz ist mit seinen Schnitten Hauschronik uns und Fürstenbuch; So oft ein Ahn' nach vätersitten Empfing des Fürsten Lidesspruch, Ward ir, dieß Holz ein Strich geschnitten; So schneid' ich morgen wieder einen. So bündig faßt kein Schreiber sich, Hier ist ein Fürst nichts als ein Strich, vielleicht die Alten mochten's meinen Dem Schenkwirth gleich, der seinem Zecher Ankerbt die ungezahlten Becher, Mit jedem Strich an eine Schuld Erinnernd, ach, und an — Geduld." Der Knabe sieht ihn an mit Zagen, Dann wagt er bang ein schüchtern Fragen: „Hört sprechen doch die Herzogsleute: Die rohe Sitte taugt nicht heute; Die alten Possen, Schnurren, Schnacken — Wer wisse noch, wie man sie deute? Mögt ihr zum rostigen Zeuge packen! Befahrt von Btto nichts zu Leide, Sie sagen ihn so froh, so gut, — 2l6 Der, was uns frommt, freiwillig timt; Was braucht es da der bindenden Lide?" Der alte Bauer lächelt mild: „Die Antwort geb ich dir im Bild. Weil beut der Himmel wolkenrein, vielleicht noch morgen Sonnenschein, Willst du dein schirmend Dach abtragen? Weil in den dürren Sommertagen Der Waldbach, friedlich murmelnd, schleicht Und nicht des Steindamms Wand erreicht, Des Damms Schutzwehr willst du zerschlagen? Volksbräuche sind der Landessitte, Was Lxheu's Alammern alten Nkauern, Lr hält sie fest, daß sie noch dauern, Wenn längst zerbröckelt die andern Litte; Das fahle harte Gestein verstecken Sie weich in immergrünen Decken. Da wird wohl auch im schlichten Grün Lin glückbegabtes Äug' entdecken Sein reiches, doch verborgnes Blühn. Ukit allen Lebensfasern hängen Und wachsen sich die Ranken ein, Daß, sie zu lösen vom Gestein, Den ganzen Bau du mußt zersprengen. Drum sollst du Landesbrauch nicht schelten, Und auch sein Rauhes lasse gelten! Du kennst in unsrem Alpenland Den Fels, der graue Nkönch benannt, Lin Block ist's, formlos, vielgesxalten, Ukit hundert Llüften, Schrunden, Ritzen, Ukit scharfen Lanten, schroffen Spitzen; Willst du am rechten Standpunkt halten, Wird milde Form, was früher rauh, 217 Die Ecken schmelzen zum Glicderbau, o ragt auch durch die Zeit, die schwanke, Aufrecht ein ewiger Gedanke; Vb ihr ihn Freiheit, Liebe heißt, Vb Ehre, Recht, ob Glauben, Geist, Rein Zerrbild taumelnder Gesellen Wird sein ureigen Licht entstellen. Die Brust, die durch die Welt ihn trägt, Geht, unverwundbar blödem Spotte, In stolzem Schweigen durch die Rotte, Bewußt des Gottes, den sie hegt. Vorahnend stellte dieß zur Schau Der Weister in des Münsters Bau, Als er in den Granit gegossen Den ragendsten all' seiner Gedanken Und doch ihn willig ließ umranken Von Witz und Scherz in steinernen Possen; Nur wer das Ganze kann erfassen, Dem tönt die Harmonie der Massen, Und unabwendbar muß er lauschen Des Menschengeistes seligem Rauschen. Im pfarrhause. Nachtgedanken. Nacht ist hell; im stillen Räume "ur der Sterne Flimmern rege, Als ob am schattigen Himmelsbaume Das goldne Laub sich leis bewege. Am Fenster noch Pfaff Wigand wacht Und blickt hinaus zur Sternennacht Und auf sein Kirchlein, hart am Wege, In Schweigen ruhn die Meg' und Stege, Nur hörbar ist der Donau Gleiten, Zu rauschen scheint der Strom der Zeiten. Schwarz zeichnen sich im Lichtgefild Der Kirche dunkle, harte Massen, Draus nur der karge Strahl des blassen, Einsamen Lämpchens spärlich quillt. „Erlisch, o Lampe, da dein Funkeln Doch nicht erhellt die ewige Nacht, Dein peinlich Kämpfen mit dem Dunkeln Nur mehrt des Dunkels Uebermacht! Schließt euch, ihr Pforten, daß verfallen 271 Ich fürder nicht dem finstern Bann, Zu lehren in den Gotteshallen, Was selber ich nicht glauben kann. Je mehr ich mich in Gott versenke, So wilder schwingt des Zweifels Welle, Mein Senkblei, das ins Meer ich lenke, Erreicht nicht seine tiefste Stelle. Doch muß ich stolzen Trost's mir künden: Ein bessrer Faden wird's ergründen! wo wohnst du, Herr? Die Priester sagen: Im Wonnehain Unendlichkeit! Und dehn' ich auch die Räume weit Au endlos ungemess'nen Hagen, Doch find' ich Grt noch für die Planke; Und wieder rück' ich keine Schranke So fern hinaus, die der Gedanke In keckem Schwung nicht überspringe! Ein Ring ohn' End' und Anbeginn In sich begrenzt endlose Schlinge! Doch selbst im Ring ist Doppelsinn: Ist er der goldne Reif dem Finger, Ein himmlisches verlöbniß reifend, Der eh'rne Ring der Rette, schleifend? In Knechtschaft allzudreiste Ringer? Bist du der Schmerz, bist du die Nacht? Bist du die Freude, bist du das Tagen? Derschwendest du die Weltenpracht Anm Selbstertödten und Entsagen? Bist du der Arzt, der alle Wunden Am glllh'uden Eisen meint gesunden? Heilt Schmerz den Schmerz und Tod den Tod? Schämst du des Tages dich, der loht? Uud ist der Tod die Schlummernacht, Die zwischen zweien Tagen liegt, 272 Vom Abendrothe eingewiegt, Vom Morgenroth zu Häuptern bewacht? Gehört sie einem nur, nicht Beiden? Dem früher», daß sie seine Leiden Verhüll' in liebliches vergessen? Dem künft'gen, daß für sein Beginnen Die Schläfer frische Kraft gewinnen? Doch ist, wie wir's gelehrt vermessen, Nur Tod das Tagen, Nacht das Leben, Laß süßen Traum die Nacht umschweben! Wie soll zu künftigen Tageswerken Schlaflose Kummernacht mich stärken? Und um der Kirche ÜZualgebote, Verneint vom Leben, frag' ich Todte; Die Blumenwacht am Grab doch ruft: Ergründ' erst mich und meinen Duft! Ins tiefste Dunkel dieser Nacht Will meine Seele fragend dringen Und taucht und ringt empor mit Macht, Ein Wandervogel auf Sehnsuchtschwingen; Doch ist sein Flug zur düstern Ferne Umstellt vom Strahlennetz der Sterne! Drin hat das Vöglein sich verfangen Und sitzt auf goldnen Kerkerstangen, Die rings die Welt umgittern dicht, Und singt: „Im Anfang war das Licht!" Pfaff Wigand spricht's im Sternenschein, Mit sich und seiner Seel' allein, vor ihm auf lichtem Sterngefild Stehn schwarz der Kirche dunkle Massen, Draus nur der karge Strahl des blassen, Einsamen Lämpchens spärlich quillt. Da sieht er aus dem Kirchlein wallen 27Z verspätet fromm ein Mütterlein; Ihr hat das blasse Lämpchen allein Mit Glanz erfüllt die düstern Kallen, Daß selbst das Helle Sterngefunkel Vor seinem milden Leuchten schwand Und vor den Bogenfenstern stand Als undurchdringlich schwarzes Dunkel. Und mildern Sinnes denkt Wigand:! „Ich will doch nicht die Pforten schließen, Ich will doch Gel ins Lämpchen gießen." Die neue Fahne. „V haltet das Symbol mir werth, So ihr das Wesen selber ehrt! Drum läßt die Braut im Ehrenkranz Bur auserles'ne Blüthen prangen, Weil er der Wonnen Widerglanz, Die sie will geben und empfangen. Drum wallt das Reichspanier zum Streit Im reichsten Schmuck des Fahnenbandes, Weil in ihm rauscht gcsammten Landes Gewalt und Ruhm und Herrlichkeit. So flatt're über euren Bahnen Der Flllgelschlag der Airchenfahnen, Als rühre Schwingen euer Glaube, Des Paradieses lichte Taube. G denkt daran und laßt euch mahnen, Daß euer Täublein flügellos; Der Fahnenschaft ist kahl und bloß, G kauft der Kirche neue Fahnen!" Pfaff Wigand xredigt's der Gemeine, Doch spricht er nur ans Vhr des Winds; Anast. Grün's Werke IV.. 18 274 Der Richter denkt beim Abendweine: „Wie Gold, geschmolzen, funkelnd rinnt's, Die schönsten Fahnenbräme sind's!" Im Tanz der Bursch die Dirne wiegt, Die Bänder flattern, die Schürze fliegt: „Heisa, wie lustig rauschen und wallen Die Fahnen, die mir die liebsten von allen!" Zinsmeister meint: „Wenn Pfaff Wigand, Der Blumenfreund, der Sohn des Lichts, Zum Schaft ein Blüthensträußlein band Und dann es segnet mit srommer Hand, Läßt's auch ganz schön und kostet nichts!" So kam's, daß in den Kirchenmauern Noch fahnenlos die Schäfte trauern. Auch Wigand trauert grambefallen, Selbst durch sein Träumen geht bei Nacht Tin unstät Flattern, Wehn und Wallen, Das ihn wie Zugwind kalt umsacht; Wie fahnenlose Lanzenstangen Durchbohrt sein Herz ein stechend Bangen, Bis er am Morgenstrahl erwacht. Ha, noch am Tag Dämonenhaftes! Das erste Kleidstück, das er suche, Dort hängt's am Kreuz des Ständerschaftes, Lin Fahngesxenst von schwarzem Tuche! Nach Bannerart zweispaltig geschnitten, Ragt's dunkel in des Fensters Mitten, Will's wallend, flatternd sich entrollen, vom Glorienschein des Tags umquollen. Die derbe Wahrheit gibt's zu lesen: Der Pfaff ist ein zweibeinig Wesen. 's ist Dsterzeit; Lenzliiftc locken Die Kirche selbst zu grünen Bahnen, 2/5 Sie flieht die diist'ren fallen erschrocken, Es faßt sie ihres Dunkels ein Ahnen. In langem Festzug trägt sie Fahnen, Monstranzen, Priesterkleider, Glocken Und Kreuze selbst hinaus ins Freie, Daß Lenz ihr die Kleinode weihe; Singt, ihm zu huldigen, Bundespsalme Und tragt als Schmuck sein Zeichen, die Palme, Wann der Verjüngung bsauch berührt Die Bliithenseele, das Lerchenherz, Das Knospenaug', — die Kirche spürt Mitklingen auch ihr heilig Erz. Sie möchte wie die Blumen sein, Drum streut sie lieblich in die Lust Des Weihrauchharzes milden Duft, Den Balsamhauch der Sxezerei'n Und öffnet freudig Kelch und Schalen; Sie möchte sein dem Lichtstrahl gleich, Drum läßt in allen lfänden reich Sie Fackeln flammen, Kerzen strahlen; Sie möchte wie der Vogel sein, Drum stimmt sie mit Gesängen ein, Mit Drgelschall und Glockenklingen Und rührt der Fahnen bunte Schwingen! In Wigands Kirche sammelt sich, Dem Ang sich ordnend, die Gemeine; Spielleute stimmen mit scharfem Strich Die Fiedeln erst zum Klangvereine, Lhorknaben schwingen keck im Kreise Rauchbecken loh zum Fuukentanze, Der Pfarrer faßt in Linnen leise Und prüft die Schwere der Monstranz«, Fahnträger fügt zum heißen Gange ,8* 27Ü Ins Tragband fest die Fahnenstange; Lin neues Banner hängt am Schaft, Doch dunkel schwankt es, schattenhaft Im Düster noch der Kirchenhallen. Lin Fragen und Sagen beginnt zu wallen: „Ift's über Nacht vom ksimmel gefallen Nach der Prophetenmäntel Art?" „Wer ist der Geber fromm und zart?" „Wohl Wigand selbst! Sein eignes Sparen will uns vor Schmach der Kargheit wahren." Der Tadel auch sich leise regt: „Zu dunkelfarb scheint der Damast, Auch fehlt von Gold noch Saum und ÜZuast." Jetzt tönt Gesang. Der Zug bewegt Ins Freie sich, xaarweis ergossen, Der Mann, der hoch das Banner trägt, Zieht durch die Pforten, weit erschlossen, Durch die von außen Tageslicht In Strömen hellsten Glanzes bricht. Da schwebt am Schaft im Lichtportale, Erkennbar jedem Augenstrahle, Das Ungethüm xaniergestaltig, Aus schwarzem Tuche, dopxelspaltig Und läßt die derbe Wahrheit lesen: Der Pfaff ist ein zweibeinig Wesen! Ein Grollen braust durchs Volk gewaltig: „Seht, Meister, euren Kranz von Rosen! G seht des Pfarrers schwarze — —" „Stille!" Gebot des Richters strenger Wille, Beschwichtigend das Zornestosen. „Doch ihr, perr Pfaff, gedenkt ihr wohl Noch eurer Predigt vom Symbol, von Taube, Kranz und Landesfahnen? Soll uns daran auch dieses mahnen?" 277 Doch Wigand lacht: „Schwebt dort am Stabe Kein Täubchen, nun, so ist's ein Rabe; Und ist's kein Kranz in lichter Zier, So ist's ein dunkler Trauerschleier; Ist's nicht das Helle Reichsxanier, So ist's sein schwarzer Wappengeier! Wie euer Glaube karg und bohl, So wählt' ich ihm auch das Symbol; Zieht hin und laßt es besser werden. Das merkt: die leergewordne Stelle, Wo einst das Heilige wohnt' auf Erden, Besetze Heiliges, Edles schnelle, Daß nie das Gemeine, Niederträcht'ge verlass'nen Heiligthums sich bemächt'ge." Ainsmeister drauf begann die Fehde Mit rauhem Ton und scharfer Rede: „Ei, Freund der Blumen und des Lichts, In diesem Schmuck des Fahnenschaftes, Wie sehr ich suche, find' ich nichts Lichtfreundliches und Blumenhaftes!" Doch ernst sprach Wigand: „Wenn ihr kränkt Traumhafte, weiche Seelen, denkt: Solch eine Seele gleicht dem Schwerte, Das Edens Pförtner einst bewehrte. Lichtgeister haben statt aus Stahle Die leichte, körperlose Klinge Geschmiedet blank aus luftigem Strahle, Den schmucken Griff, der leicht sie schwinge, Kunstreich aus Sternengold getrieben; Und Bienenschwärme, Vöglein stieben Gefahrlos durch die luftige Schneide, Sie mäht kein Blümlein auf der Haide Und mit ihr, unbeschadet, spielen Die muntern Himmelrkinder frei; 278 Doch wenn des Schwertes Hiebe fielen Auf ird'schen Leib, gab's ird'sche Schwielen. Begütigend doch fügt er bei: „will euch die Fahne nicht behagen, Rann ich getrost sie selber tragen." Hoher Besuch. Ans Pfarrhaus kam ein Bote trabend, Besuch der jungen Herzogin Zu melden für den nächsten Abend; Herrn Wigand gibt's nicht freudigen Sinn. Zum Kellerraum stürzt er in Hast, Springt mit dem Heber von Faß zu Faß; Doch keines beut so edles Naß, Daß er's kredenze solchem Gast; Zum Garten dann in emsiger Flucht Und schüttelt rings von Baum zu Baume; So tadellos scheint keine Frucht, Daß er sie biete solchem Gaume. Er späht in Hühnerschlag und Koben, Gb sich kein Bratenstück dort mäste; So rund und feist ist keins zu loben, Das prunken könnt' an solchem Feste. Er wühlt im Schacht des Linnenschreines, Vb eins zur Tafelhülle tauge; So fein und blendend dünkt ihm keines, Daß sich's entrolle vor solchem Auge. So blieb das Tischlein ungedeckt, Der Spieß am Heerde unbesteckt. Ulan dächte schier all' irdische Speise verpönt in dieses Pfarrhofs Kreise; 279 Doch bess're Zeiten läßt errathen Im Haus die Refectorienluft: Mysterienhaft gemengter Duft von Weihrauch und von Ferkelbraten. Pfaff Wigand seufzt beklommen fast: „Wenn fürstlicher Besuch im Hause Der Armut Einkehr hält als Gast, Wenn Hoheit huldvoll sich zur Rast Herabläßt zu des Niedern Klause, Mich mahnt's, wie wenn die prächtigen Schlossen Au schlichtem Korn herab sich lassen; Wie wenn Blitzstrahle, glauzumflossen, Den Sitz auf niedrem Strohdach fassen; Wie wenn sich zu den Blüthenbäumen Schueewolken neigen zum Besuch, Es sinkt auf warmes Erdenträumen Der Höh'n erkaltend Leichentuch." Doch lieblich wie ein Maienstrahl Eintrat des Herzogs jung Gemahl, Das Grüßen ihres Mundes klang Wie aus den Höh'n der Lerche Sang, Das Neigen ihres Hauptes war, Als neige sich iin Frühlingshauch Ein blüthenlichter Rosenstrauch Au schlichter Haideblumenschaar. Es folgen, wie den Maientagen Sommer und Herbst mit reichen Gaben, Der hohen Frau zwei Edelknaben, Die Körbe, schwer von Früchten, tragen. Da ist die blaue, runde Pflaume, Die Sinnbildfrucht der nordischen Nacht, Die hier in Form auf einem Baume 2 8o Ihr dunkelblaues Rund gebracht. Dort der Grange dunkles Gold, Der Feenball der Südensonnen, Die ihren Strahl zu Fäden gesponnen Und schön zu goldnem Rnäul gerollt. Der Pfirsich hier, wie Rinderwangen Mit srischer Rothe, sammt'nem Flaum, Gemahnt wie nach dein Rindheittraum Lin schönverkörpert Riickverlangen. Dort ist ein Rrug mit dunklen: Wein, Man sollt' ihn kaum so lieblich wähnen. Sein Name mahnt an blutige Thränen, Lacrymä Lhristi, blutiger Schein! Doch Zechern soll er Mahnung sein, Daß unsres Lebens vollste Welle Gst nur aus sremden Thränen quelle. Den Rrug entsiegelt Wigand zart: ,,Grab' aus vcsuvischer Asche, grabe, G welscher Winzer, uns zur Labe Manch Thränenfläschchen solcher Art!" Die Fraue sprach: „Nun aber lodre ksell im Ramin der Flammenschein, Daß Speis' und Trank erst recht gedeih'n. Daß nicht im Mund das Wort vermodre! Gesellig ist des Feuers Geist; Stockt eure Rede, spricht statt euer Mit Flüstern, Rnistern gern das Feuer, Wißt ihr kein Lied, für euch singt's dreist; Ls weiß zu jauchzen, weiß zu stöhnen, Jed' Fühlen liegt in seinen Tönen; verarmt ihr an Gedanken gleich, Das Feuer hilft gedankenreich; Ließt ihr zu Grab Lrinn'rung gehn. 28l Das Feuer läßt sie auferstehn. V starr' ins Flammenspiel hinein, Du find'st darin dein All und Lein! Liebst du des Waldes schöne ksallen, kforch auf, du hörst darin ihr Säuseln, Siehst Flammen auch wie Laub sich kräuseln Und flockige Wipfel wanken und wallen; Wohl gar ein Vöglein findet sich auch, Das zwitschernd flattert im Flammenstrauch. Fuhrst du zu Uleer, sieh, feurige Wellen Drin zischen und branden, ebben und schwellen; Die Windsbraut hörst du ächzend klagen, Siehst, wie ein Wrack, am Riff zerschlagen, Aus Feuerfluth die Scheiter ragen. Freut, Landmann, dich's, im Korn zu gehen, Du siehst drin goldne Garben wehen Mit blauen Flämmchen, rothen Funken, wie mit Kornblum' und Feldmohn prunken; Du hörst's darin, willst du nur lauschen, Genau wie Sommerregen rauschen, ksat eine Mutter ihr Kind verloren, In Flammeri wird ihr's neu geboren; Das schaukelt lind wie eine Wiege, Als ob darin ihr Kindlern liege, Das athmet wie sein Schlummerhauch, Glüht rosig wie sein wänglein auch. Das wallt so golden wie seine Locken, Flammt wie sein Äug' in blauem Schein; Sie horcht bewegt, — sogar das Schrei'n Des Kindes hört sie süß erschrocken! — G laßt aufs Knie die kseiden fallen, Sie sah'n den Gott im Feuer wallen Und Gaben ausstrcun Allen, Allen, Der Ehrsucht selbst den Purpurschimmer, 282 Der Habsucht den metallnen Flimmer. Das Fen'r ist Leben! Ewig (Fahren Und Ringen, Fluthen, Sichselbstverzehren! Lin ewig Hungern, ewig Naschen, Lin stät Entflattern und sich Haschen! Und all' des Glühns und Glänzens Ende? Ach, eine Handvoll weißer Aschen, Das Sterbehemd der Lebensbrände. Drum, Wigand, laßt erglimmen den Span, Und facht die Hellen Flammen an!" Sprach Wigand drauf: „V Armut bitter! Auf meinem Holzhof ist kein Splitter! Traun, daß die Flamme würdig euer, Trüg' ich Gewürz und Aimmt zusammen, Wie für des Sonnenvogels Flammen, Und stieg' als Phönix selbst ins Feuer. Nicht also! Bessres fällt mir ein, Viel edler soll die Flamme sein!" Lr läuft zur Kirch' und bringt alsbald von dort vier Männer ungestalt, Ein Arm zu lang, ein Rumpf zu zart, Zu kurz ein Bein, zu breit ein Kopf; Lr führt sie nicht mit feinster Art, Den einen hält er rechts am Bart, Den Andern trägt er links am Schopf, Zwei Andre unter den Armen stolz; Die Männer sind allsammt von Holz. Nochmals hinab zur Kirche springt er, Und andre vier Gestalten bringt er, Enteilt aufs Neu in hastigem Lauf Und trägt die letzten vier herauf. Den glimmen Span zu Flammen schwingt er, - 28z - Fasst dann ein Männlein nach dem andern Und läßt sie all' in den Vfeu wandern: „Iakobchen, sein dich rück' und bücke. Daß dir's nicht ans die Glatze drücke! Gestrenger Paul, laß dich's nicht härmen, Einmal ein Frauenherz zu wärmen! Thoms, leg' die Hand zum Feuerschlunde, Und prüf', ob's brennt, — wie jene Wunde! Ach, um dein schön Alumnenkleid, Sanfter Johannes, thut mir's leid! Laß sehn doch, Peter, ob der Braud Die Schlüssel schmilzt in deiner Hand? Seht Felsen-Peters neu Mirakel: Ein Felsen brennt wie eine Fackel!" So trieb er's sort, bis die zwölf Boten Hellauf in goldnen Flammen lohten. Ihr heilig Haupt umleuchtet prächtig Ein neuer wallender Glorienschein; Lin andres Pfingsten scheint's zu sein, Die Stirnen sprühn von Funken mächtig, Ein tönend Brausen ist erklungen, Als sprächen sie in allen Zungen. Doch mild verweist die Herzogin: „Das nenn' ich sündigen Beginn, Das Gute schleudern in die Flamme, Unwissend, wo das Bessre stamme; Die alten Götter wild zerschlagen, Bevor im Haus die neuen ragen. Weh Jedem, unter dessen Dache Lein liebes Heiligthum hält Wache!" Drauf Wigaud spricht: „Uebt milde Rache! Mir kam ein Traum, und nicht voin Bösen, 284 Schon harre unter eurem Dache Die heil'ge Mannschaft, abzulösen Der alten Krüxpelmänner Mache. Der Traum ist leicht euch auszulegen: Ihr werdet bald von Kiinstlerhänden Uns neue zwöls Apostel senden; Nur laßt nebstbei die heiligen Streiter Auslesen unterwegs die Scheiter Im Herzogswald, im Buchenhagen, Und sie auf meinen Holzhof tragen." Die holde Frau Gewährung lächelt. Uns aber mahnt das Wort des Pfaffen Der fernen Zeit, als laubumfächelt Die Glaubensboten irr Waldesgängen Noch schritten, Reisig aufzuraffcn; Im Dhr blieb mancher von den Klängen, Am Kleide manche Bliithe hängen, Manch grünes Blatt an ihren Reisern. So trugen sie zu dumpfen Häusern Den frischen Hauch, den würzigen Duft, Die sonnenwarme Lebenslust. Lin Sterbender. In dunkler Nacht ein Jäger bringt Ins stille Pfarrhaus rasch die Kunde: „Waldbruder mit dem Tode ringt, verlassen, tief im Tannengrunde." Zwei Männer ziehn durch Ncbelfeuchte, Herr Wigand trägt den Leib des Herrn, - 28z - Der Meßner das Glöcklein und die Leuchte; So schritten sie in Nacht; es deuchte von fern ein klingender, wandelnder Stern. Schier zauberisch lenkt in Waldesschweigen Dieß grelle Licht, dieß schrille Klingeln Durch Büsche, die sich schlummernd neigen, Auf Wurzeln, die sich träumerisch ringeln; Da überkommt die Waldesbahnen Lin rasches, kurzes Tagesahnen, Der Baum, auf den das Streiflicht sprüht, Will Ast und Wipfel freudig strecken. Als hätt' ihn Frllhroth angeglüht; Waldvöglein, das die Klänge wecken, Durchwühlt sein sträubend Flaumgefieder Und sinnt auf frische Morgenlieder, Ihm ward, als klänge Tagesläuten; Waldblumen öffnen den Pokal, Zu goldnem Frühtrank zu erbeute» Den Thau, kredenzt vom Morgenstrahl. Am schwanken Licht, am flüchtigen Klang Erwachte Keimen, Blühn, Gesang; Doch Licht und Klang schwand in den Zweigen, Und Alles kehrt in Nacht und Schweigen. kferr Wigand eilt durchs Waldesthal: „D käm' ich selbst wie solch ein Strahl Zum Sterbenden, ihm noch zu zeigen Im Hellen Streiflicht all' sein Glück, Sein irdisch Blühn, bevor ins Schweigen Der ewigen Nacht er sinkt zurück! Mein freudig Priesterherz nicht zage Selbst an den Pforten der Ewigkeit Au mahnen an die goldnen Tage Der flüchtigen Erdenseligkeit; 286 So wird voran der Seele wallen Als Leuchte in die dunklen krallen Ihr eigner funkelnder Lebensstern, wo ein gesunder Lcbenskern In Freiheit sich entfalten konnte, Dem lächeln selbst im Blätterfall Die Blüthen schönern Daseins all', In dessen Glanz er sich einst sonnte. Drum sprich dem kranken Pflüger treu vom Gold der Aehren, die sich neigen, Er schläft dann ein wie im duftigen kfeu Am Erntefest beim Schall der Geigen. Dem Gaukler rede noch vor'm Grab vom Schwindelseil, vom Bühnengexränge, Dann ist sein Tod, als trät' er ab Im Beifallrauschen der klatschenden Menge. Dem Schiffer sprich vom Vzeane, vom lvogenschlag, von Rudrersiegen; Entschlummern wird er, wie im Rahne, Den flüsternde Wellen ans Jenseits wiegen. Dem Freier, der zum Sterben kam, G red' ihm von Ruß und Ring und Locken; Das löst sein köerz so wundersam, Als ging's zum Dom bei kfochzeitglocken. So soll der kranke Eremite Der blühenden Einsamkeit noch lauschen; Er wallt hinüber dann, als schritte Er sinnend durch das Waldesrauschen." Den Bildern, die er wecken will, wie zum Symbol pflückt Wigand still Waldblumen, die im Dämmer schwanken, Der wildniß lieblichste Gedanken. 287 Wie eine Seele weltverdrossen, In eigne Tiefen streng verschlossen, Barg tief im Waldgrund sich die Zelle. Die wilde Rebe klimmend umspannt Das Fensterlein und dämpft die Delle, Die fahl durch matte Scheiben bricht; So legt auch Scham die bergende Hand Dors Antlitz, das durchs Auge nicht Das innere Fühlen sich offenbare. Die Reue nur baut solche Verstecke, Daß durch die undurchdrungne Hecke Kein Lichtstrahl scharfer Mahnung fahre. Sie treten ein. Kein Bibelspruch Grüßt von der Wand; da liegt kein Buch, Kein Rosenkranz, kein Weihbrunnbecken; Das einzige Kreuzbild ist ein Schwert, Um das troxhäengleich sich strecken Manch alte Waffen rostverzehrt, Kampfschärpen dran, verblaßt, bestaubt, Festkränze, fahl und halbentlaubt. Dom Prunkgeräth der dunklen Wand Bis an das Bett des Siedlers spannt Die Spinne ihre feine Schlinge; So spinnt wohl auch das Herz des Kranken Nur leise Fäden der Gedanken An jene welken, eitlen Dinge. sdfaff Wigand senkt die Blicke nieder Zum Sterbenden im Mönchsgewand, — Dieß Antlitz dünkt ihm fast bekannt, — Und dann auf seine Blume,i wieder, Als ob er in dem Straußgewinde Den Spruchtert seiner Rede finde: 288 „V laß durch grüne Waldeshallen Noch einmal deine Seele wallen, Als schritt'st du hin im Morgenschcine, Sein Gold umries'le Laub und Schaft, Der Eichbaum taufe xriesterhast Mit Thau die Gräser und die Steine, Des Waldes Tagwerk hold beginne Nit Blühn und Rauschen, Sang und Minne Der Finke Morgengrüße stammle. Wie wird dein kserz so weich, so weit! V schöner Gang! Noch einmal sammle Die Blumen deiner Einsamkeit. Da ist die tiefe Selbstbetrachtung, Der Wildniß hold, wie Lrdbeerblüthe, Daß sie die eigne Frucht ihr hüte; Da ist die strenge Weltverachtung, Dem Geisblatt gleich, das Farbenpracht Und Duft verbarg in Waldesnacht; Da ist der beflügelte Gottgedanke, Der wie die wilde kfopfenranke vom dunklen Grund durchs Wipfeldicht Empor sich schwingt ins goldne Licht, Au Wolkenflug und Sonn' und Stern! Wo ein gesunder Lebensfern In Freiheit sich entfalten konnte, Dem lächeln selbst im Blätterfall Die Blüthen schönern Daseins all, In dessen Glanz er sich einst sonnte." Der Siedler drauf kopfschüttelnd spricht: „Mein Leben war die Pflanze nicht. Die freudigen Wuchses sprießt zum Licht; Der Reim war welk, bevor entfaltet, Das Dasein todt, bevor erkaltet. - 289 - Ich war, dieß Wort mag Alles sagen, Ein Fürstendiener in frühern Tagen; Ich war, wie jener Lanzenschaft, Ein Werkzeug nur für fremde Araft; Lei auch die Hand stark und gerecht, Die ihn geführt, doch muß er klagen: Er könnte grün und ungeschwächt Der schönste Baum des Waldes ragen! Ich war der Seidenschärpe gleich, Nur Hülle für ein fremdes Herz; Sei dieses Herz auch mild und reich, Doch rauscht durch sie ein tiefer Schmerz Der Seelen all' der Schmetterlinge, Die nicht entfaltet ihre Schwinge. Der Dunstraum einer prunkenden Gruft Dünkt' eine Zeit mir Lebenslust. V Freiheit, als mir ward ein Zeichen, Wie brach ich in mein Nichts zusammen, Gleichwie geschminkte Aönigsleichen Zerfallen an den Sonnenflammen! Kein Teppich, drauf ich weichlich walle, Ist mir die Einsamkeit, sie falle Als dunkler Vorhang, wie um Särge, Der mich der Welt, die Welt mir berge. Sie war die düstre Uerkerhalle, In die ich, strafend, selbst mich bannte, Daß ich zu spät das Sein erkannte." von Wigands Wund ein Trostwort fließt: „Nicht nur der Baum, der einzeln sprießt, Wag sich nach freiem Drang entfalten; Es keimt in gleich gesundem Malten Die Ranke auch, die ihn umschließt." Anast. Grün's Werke IV. l9 — 2Y0 - Da seufzt der mönchgewordne Ritter, Rafft sich empor und lächelt bitter: „Ein Mann, ein Hund zusammen reisen, Der Mann gradaus auf gebahntem Wege, Der Hund seituin durch Feld und Stege, Umzirkend ihn in hundert Kreisen. Und zeichnest du im Sand die Bahnen, Gradzeilig wird dich jene gemahnen Vie Stab und jdfahl, doch diese schwanke Wie die um ihn geschlnngne Ranke; Solch eine Ranke war mein Leben! Kommt dann das Hündlein einst zu sterben. Das weiche Fell, sein Herr wird's erben; Ein tüchtig Handschuhpaar soll's geben. Da schcint's, dem Handschuh selbst vermähle Sich noch des treuen Thieres Seele; Das ist ein lindes Schmeicheln, Schmiegen, Ein treu Umzirken der Gelenke, Daß nian der Theile Winden und Biegen Schier ein genähtes Wedeln denke; Dem Wink der Herrenhand ergeben, Gleich folgsam gilt es, ohne Aieren, Schwert oder Festkranz apportiren. Und solch ein Handschuh war mein Leben! Ich schleudr' ihn, nun das Herz mir bricht, Der feigen Welt ins Angesicht." Da siel zurück das Haupt des Kranken, Aus Wigands Hand die Blumen sanken. Der Mann, erkrankt am Weh der Zeit, Geht sterben tief in Einsamkeit, Ein wunder Hirsch, auf daß die Föhre Der Wildniß nur sein Röcheln höre. Ein Winzerfest. Herbstgefühle. Herbst, in deinen lichteren Tagen, AAHH In deinem sonnigen Behagen, deiner stillen, tiefen Alarheit, Mir bist du Bild und Zeit der Wahrheit; Zeigst scharf wie sie, bist mild und weich Und doch erbarmungslos zugleich! Daß seine Nacktheit sichtbar werde, Entschleierst du den Leib der Erde, Entreißest ihm den Aranz von Dolden, Des Ulummenxrunks grünsammtne Fetzen, Die Stickerei'n von Aehren golden, Fast Wonnen wandelnd in Entsetzen. Hinfällig deinem Hauch zerfallen Das Laubgetändel, die Blüthensxiele, Wie rauhe Wahrheit weist er Allen Die nackten Stämme, dürren Stiele; Und so verwehn in Herzen auch Scheinfreuden an der Wahrheit Hauch. Nach Süden Wandervögel streichen, Die aus den Büschen du gestoben, wie liebe Täuschungen entweichen, 2Y2 Wenn rauhere Zeit sie will erproben. Durch allen Raum geht ängstlich Beben, Lin Niederflattern und Entschweben; Dahin ist all das Tongemenge, Das Blüthengewirr, das Keimgedränge, Denn bleiben darf nur Echtes, Wahres, Die schwere Lrntefrucht des Jahres, Du speicherst sie in Tennenräumen; So aus zerstob'nen Lebensträumcn Gewinnt das Herz einst eine Aehre, Lin Körnlein Wahrheit, dran es zehre." Pfaff Wigand denkt's, im Gartenbette Zur Rast gelehnt auf seinen Spaten, Mit rüstigem Werk den künftigen Saaten Bereitet er die linde Stätte. Dis Linnenärmel aufgeschürzt, Hat er die Schollen umgestürzt, vorpflückend seines Taglohns Zoll Füllt er den Korb mit Trauben voll; Des schwarzen Priesterrocks Gewicht Hängt er auf einen Baum, daß nicht Welttreiben den Geweihten gräme, Der Heilige irdischen Werkfleiß lähme. Der Ast scheint nicht so fromm gesinnt, Er schwankt, bemüht ihn abzuschüttcln; Nicht also gläubig denkt der Wind, Der nicht ermüdet, ihn zu rütteln; Die Sonne hat, nicht gleich verschämt, Sein Schwarz mit rothem Gold verbrämt, Als ob es die Natur empöre, Daß ihren Glanz ein Dunkel störe. Dem Spiel sieht Wigand zu und spricht: „Lin Wettkampf will das All' ergreifen, 2YZ Unholdes von sich abzustreifen; Natur ist Freude, Glanz und Licht! Dem Tod tritt sie mit Blühn entgegen, Der Trauer mit dreifachem Legen, UUßtönen mit des Wohllauts Beben, Dem Welken mit urewigem Leben; Schönheit ist selber ihr Schmerzenskrampf, Lin Lächeln selbst ihr Todeskampf. Hier auf dem Plan in meinem Garten Stirbt jede Blume cäsargleich, In ihren Blüthenmantel weich Sich hüllend, ruhig zu erwarten, Bis ihr ins Herz die Todesklingen, Der Sonne Strahlendolche, dringen. Die Lrde, wund vom Pstügererz, Strömt aus den Wunden göttlichhelle Ihr goldnes Blut, die Garbenwelle; Und bohrst du tiefer in ihr Herz, Dich überschüttet ihr sprudelnder Zorn Lin klarer, frischer, lebendiger Born, Als räche sie ein munterer Scherz. Sangmeister ist dem Schwan der Tod, Und allen Zauber, alle Flammen Fasst in den Scheideblick zusammen Die Sonne, in ihr Abendroth. Getret'ue Blumen strömen ihr Weh In Düften süßer aus als je; Lin Schlag macht stummes Lrz erklingen, Wie um dafür den Dank zu singen; Der mächtige Strom geht mit Gesang Durch Klippen seinen Todesgang. Wer wird so göttergleich bestattet Wie fern im Wald die dürre Liche? Lin grüner Schrein umschließt die Leiche, 2Y4 Der Lphcukranz, der sie umschattet; Den Tod verschließt Natur vollständig In einem Large, der lebendig. Kein Räthsel ist, das sie nicht lichte, Kein Leid, dem sie nicht Balsam trage. G suche nur, o kserz, und frage Um ihre lieblichen Berichte! Unscheinbar lag die Reb' am ksang, Ivie Knochen und Gebein von Todten, Lin dürres Zweiggeripp voll Knoten; Doch Vater Noah schlich so lang Um sie, bis aus der scheinbar todten Der Feuerborn des Lebens sprang! Und hat das Glück, die schöne Spröde, Dem Freier ihren Korb gesandt, Die Welt ringsum ist keine Gede, Mit Blumen füll' er ihn zum Rand! Du unerforscht, unnennbar Wesen, Dsß Priester und deß Kind ich bin, Preist dich kein Blühn, nur das verwesen? Soll ich von deinen Büchern lesen Nur jenes mit dem dunklen Sinn, Nur jenes voll der Schmerzenskunde, Doch dieses mit den lichten Lettern, voll Freudenbotschaft auf den Blättern, versiegeln meinem Sehermunde?" Lr hüllt die Brust, die bliithenvolle, Ins Priesterkleid, als ob er wolle, Daß auf die dreisten Lustgedanken, Aus des Gefühls zu üppige Ranken Lin schwarzes Bahrtuch dämpfend rolle; Doch kserzen, die da glauben, sehen Die Lingesargten einst erstehen. 2Y5 Weinlese. <§in Knabe sitzt am Weg im Staube Und läßt sich munden eine Traube. Ein schlichtes Bild, und doch zugleich Wie deutungsschwer und farbenreich! Ums Knabenantlitz stießt ein Glanz, So seelenfroh, daß der Genuß In Andacht sich verklären muß. Die Traube wird zum Rosenkranz, Die Beeren dran zu rundgedrehten Korallenreihn; er will ihn ganz In frommer Gier zu Ende beten. Das Träublein in des Knaben ksand ksält eine reiche Welt umspannt; Dem Auge, das die Freude weiht, Sind all' die Beerlein saftighelle, Freudvolle kleine Weltenbälle, vom Freudengeist in Lins gereiht. Ein Seraph, der die Sonnen pflückt, Ist seine 6and, auf sie gezückt; Doch, hat er abgebeert die Stämme, Lockt keiner mehr die Seraphlippe, Dann wirft er weg die dürren Kämme, Das freudenleere Weltgerippe. Die Beeren, die in reinen Kreisen Die grünen Kämme dicht umgeben, Sie gleichen dcm Tanz, den Llfenweisen, Die Nachts den Zauberbaum umschweben; Jed' einzler Kreis so regelrund, Das Ganze ein wirrer Knäuelbund! Den Ukenschengeist an eigne Bahnen Vorbildlich will solch Träublein mahnen, Indem es Beer' an Beere reiht — 2yb — Zum Dopxelbild der Begeisterung: Im einzleü Rund der schöne Schwung, Im wirren Ganzen die Trunkenheit! Die Traube trägt im engen Schooß, Im kleinen Maß ihr künftig Loos, Denn jede Beere ist ein Faß, vollauf gefüllt mit goldnein Naß; Die naschenden Insekten hängen Am Rand, vom süßen Born zu nippen, So werden einst die Zecherlippen Sich um die vollen Tonnen drängen; Die Traube wölbt sich rund zum Keller voll süßer Fäßlein Muskateller. N)enn je dein Auge das große Faß In Neuburgs Klosterkeller maß, Ist Hebrons Segen dir kein Wahn, Die Traube Kalebs dir kein Märlein, Du sahst ja selber dort das Beerlein Der heiligen Traube von Kanaan. Mich aber rührt das schlichte Bild Im Herzensgrund mit Zaubern mild, Lin Ahnen weckt's, das ich nicht hehle: Ls liegt im Lebenskeim der Traube Lin Lichtberuf, ein ewiger Glaube Und eine priesterhafte Seele. Unstörbar saugt die kleinste Beere Bei Tag, bei Nacht, bei Thau, bei Frost, Bei Sternenschein, bei Sonnenkläre Des Lichtes fromme Himmelskost, Läßt sich nicht irren durch Wind und Regen Und Falterstug und Wesxenheere, Allimmer sammelnd Gottessegen, Schöpft Perlenschaum aus jeder Duelle, Trinkt Klarheit selbst aus trüber Luft, 2Y7 Schlürft aus den Blumen den feinsten Duft lind aus der Nacht die Dollmondhelle, Senkt tief die Wurzeln in den Schacht Um lantres Gold, vom Gnom bewacht, Nimmt in sich auf den Sonnengeist, Der hoch im Feuerballe kreist, Bis sich zu süßem Born geklärt Die Kraft, die ihr im Kelche gährt, Auf daß die reinste Vxfergabe Die Lippen, die da dürsten, labe. Jin kleinen Kelch welch große Lehre! G Herz, bist du nicht wie die Beere Und saugst ans guten, schlimmen Tagen, Aus That und Wort, in Leid und Magen, Das Gute nur, das Reine, wahre, Das UUlde nur, das Schöne, Klare Und klärst den stolzen Sonnengeist, Der zündend durch die Welten kreist, In dir zu laut'rem, mildem Wein? Zum Becherspiegel, muß er denken Des Winzers auch in dürftiger Hütte, Des steilen Bergs, der schweren Bütte. Kelterspruch. ^>ie sitzen noch im Frei'n und trinken. Die Sonne will zur Neige sinken, Das Weinlaub knistert welk zum Grunde, Die Becher hallen in der Runde. Nithart, der Sänger, hob den Pokal: „Ich lieb' im wein die tiefe Klarheit, Die reine, doch verklärte Wahrheit! Rings Erd' und Himmel, Höh'n und Thal, Mein eigen Äug' und Angesicht Zeigt mir sein Spiegel, treu und rein, Nur in verklärtem, goldnem Licht! Mein Lied soll gleich dem Becher sein." Rudwin, der Abt, das Kelchglas hebt: „Ich lieb' im wein das Körperlose, Die unsichtbare, mystische Rose, Den Geist, der über Fluthen schwebt, Den Duft, der aus dem Borne strebt, — Zoz - Ungreifbar und untrennbar auch, Das Ewige im flücht'gen Hauch! So wird der Freudenbecher wohl Mr eines heil'gern Kelchs Symbol." Fürst Gtto hebt den Goldpokal: „Ich lieb' im Mein die Freudengluth, Ich lieb' im Kelch die treue Hut, Das schöne Maß dein wilden Strahl; Mir gilt nur Mein und Kelch beisammen, Im goldncn Hort die goldnen Flammen! Mich mahnt's an ein befriedet Land, von mildem Kronenreif umspandit." Pfaff Wigand hebt das Glas mit weine Leert's und zerschmettert's dann am Steinen „Nicht ein Gefäß, so leicht in Scherben, Mir gilt, was nimmer zu verderben! Ich lieb' im Wein ein ganzes Leben, Den jungen Most, die alten Reben; Im klaren Born erkenn' ich drum Der Menschheit heiligst Symbolum. Aus jeder Ranke jener Stäbe Spinnt sich ein leiser Feuerfaden, Still keimend auf verborgneu Pfaden, Zurück zu Noah's erster Rebe, Und von dem Geist, den er getrunken, Sprüht noch in unsrem Kelch ein Funken. Ls geht ein tief geheimes Band vom grünen Schößling, der sich wiegt Am Rebspalier der Kellerwand, Hinab zum Goldborn, der gebannt Tief in der dunklen Wölbung liegt; Wenn Blüthendrang die Sprossen spüren, Muß auch der alte Born sich rühren; Anasl. Grün'tz Werke IV. 20 — zob — Ihr fühlt die Geisterboten fliegen Aus Ahnengrüften zu Enkelwiegen, wir heimsen jetzt den jungen ein, Doch mundet uns nur alter Wein! was ihr so hoch an diesem preist, Die Kraft und wilde, Blut und Geist, Das Alles trägt schon, euch zu Trost, In sich der junge, trübe Most. Das aber ist des Weines Art: wenn ihr ins Grab die Rebe scharrt, Sie wird im Lenz doch auferstehn, Mit frischem Äug' ins Licht zu späh'n; And ob ihr um den Fruchtbaum leise Nach welscher Art empor sie windet, Gb ihr sie fest nach deutscher weise An niedre, schnöde Stöcke bindet, Doch nur nach eigenem Behagen wird sie die neuen Ranken schlagen, wenn ihr die Frucht habgierig brecht Und ihr zu Leibe geht mit Messern, Dabei euch in die Finger stecht, And euer Blut den Most will wässern; Und wenn ihr dann den süßen Raub Mit euren morschen Knütteln schlagt, Mit Füßen tretet, Koth und Staub Hinein von euren Pfaden tragt, Ihn schändet's nicht! Ein feurig Gähren wird des Unreinen ihn erwehren; Hat er's im Herbst nicht ganz vollbracht, wird's neu vom Lenzstrahl angefacht! Nicht ruht das edle Zorngewitter, Bis er den Staub, das Blut, die Splitter, Die Erdentheile von sich warf, Und, was er sein soll, werden darf: Z07 Klarheit und Milde, Geist und Licht, Der Menschheit lauterstes Symbol!" Die Gäste lauschen dem Bericht Und fragen sich: „Mas meint er wohl?" — Au Thal steigt Migand, bis er schwand Im Dörflein an der Kirchhofwand, Klimmt wieder zu den Gästen frisch, Schwer den Talar von reichem Zoll, Und schüttet vor sie auf den Tisch Den Schurz, von Todtenschädeln voll. „Mas schreckt ihr vor so schlichten Mesen? Ls sind ja nur die leeren Trestern von einem größer«, reichern Lesen; Zermalmte Beeren, drin noch gestern Dieselbe Flamme sich geklärt, Die in den goldnen Reben gährt! V daß sie all' nach Rebenbrauch Die Gluth zu Licht geläutert auch Und jeden heiligen Sonnenfunken Andächtig still in sich getrunken; Ihr Born schon quölle hell und rein Im Kelch, den jede Lippe koste! Noch ward er nicht zu klarem Mein, Noch ist's die Zeit der trüben Moste; Noch kocht es, gährend auszuscheiden Den Staub, das Blut, die Schmach, die Leiden! Ihr aber sollt im ärmsten Leben Bewahren treu die Art der Reben! Doch was die Lebenden nicht wagen, Das sollen euch die Todten sagen." Er faßt und wirft den Berg hinunter Die Schädel, einen nach dem andern; Die Linen kollern im Sprunge munter, 20* — zo8 — Die Andern träge taumelnd wandern, Und rollende Anochenbälle blinken Hier, dort, zur Rechten und zur Linken. So viel der Aöxfe, so viel der Wege! Und jeder tritt sich selbst die Stege, Nach eigner Wahl, in sreiem Flug! Lin Schädel bleibt im Weinberg liegen; Ihm dünkt' es einst wohl Zieles g'nug, Genuß zu schlürfen in vollem Zug, In Sinnenlust sich froh zu wiegen. Lin Andrer fiel zu deinen Füßen, G Fürst, der Staub den Staub zu küssen: Ehrsucht und Anechtsinn im Vereine, Staub fliegt ja höher als Quadersteine. Li, vor der schönen Winzerdirne Neigt jener die galante Stirne! So lieblich girrt die Liebestanbe, Daß Jeder gern am Ziel sich glaube. Lin Schock von Schädeln rollt in Lile Thalab dort in des Dörfleins Zeile; Der Line läuft zur Arämerlade: Ihm xflastre Gold die Lrdenpfade; Lin Andrer hält am Airchenchor, Will nicht allein die Irrfahrt wagen, Der Pfaff soll ihm die Leuchte tragen. Hoho, dem Waffenschmied ins Thor Springt jener ungestümen Pralles! Ihm soll das Schwert erringen Alles. Lin Schädel stürzt in Donauwellen; Im Abgrund sang's wie frische (puellen, Die Schwermut lauschte des Gesanges Und taucht zur Fluth des Unterganges. Ein Anochenhaupt blieb vor uns liegen In: Gras, — so lag es einst auch gerne, — zoy — Läßt über sich die Wolken fliegen, Läßt neben sich die Blumen wiegen Und starrt hohläugig in die Sterne." „Mich aber will es fast gemahnen, Der Line sei auf guten Bahnen, Weil er sein Haupt aufs Ewige lenkt Und nur mit Licht die Wimpern tränkt! Das Graun der ewigen Nacht entriß Dem Schöpfer selbst der Finsterniß Den Angstschrei einst: Ls werde Licht! So rief, verfallen dem Gericht In eigner Brust, vom Sündgeschlecht Der erste Sünder: Ls werde Recht! Ivie vom Beginn zum Weltenende Der Bimmel eins und ewig bleibt, Vb auch die Zeit darüber treibt Gewölk und Dünste, Nacht und Brände: Wie eins und ewig bleibt die Erde, Fest ruhend in granitner Veste, Vb sie auch wechselt Frucht und Heerde, Iahrszeiten und viel bunte Gäste; Wie eins und ewig bleibt das Neer Im wallenden Korallenbette, In Lbb' und Springfluth, Sturm und Glätte, von Flotten oder Trümmern schwer. So bleibt auch eins und ungeschwächt Lin ewig Gutes, ewig Wahres, Lin Heiliges, allen Seelen Klares, Lin unzerstörbar ewig Recht, Das keine Nenschensatzung wende, vom Weltbeginn zum Weltenende! An dem Unwandelbaren gleiten vorüber wechselnd Völker und Zeiten; zio Doch aufrecht von Geschlecht zu Geschlecht, In künft'gen, in vergang'nen Souneu, Ragt als ein heiliger Baum dar Recht ; Aus seinem Marke springt ein Bronnen. Mas Priester lehrten, Seher sangen, Oie ehernen Tafeln der Gesetze Sind nur Gefäße, aufzufangen Den Schaum des «Duells, der Durstige letze. Die Schalen wechseln, doch die (Duelle wird eine und dieselbe fließen, Mag sie in hohle Hand die Melle, In Urnen oder Reiche gießen. Rümpft um Gefäße euer Zorn, verschüttet ihr gar leicht den Born! Lebendig rauscht durch alle Tage Die Deutung jener Grientsage: Begraben ward in Felsengrund Der erste Mensch, von Lden fern, verschlossen in des Todten Mund Lag eines Fruchtbaums kleiner Reru; Doch keimend wuchs er aus den Lippen, Senkt in das Herz die Fasern tief, Drang frisch zum Lichte, das ihn rief, Sich klammernd in der Erde Rippen, Rang in die Molken auf und hält Auf seinen Aesten empor die Welt; Die Wurzeln ihm die Meere tränken, Die Wipfel in die Sterne lenken, Mesthauch und Sturm im Laube ringen, Da säuselt's wie Harfen, rasselt's wie Rlingen, Und wollt ihr lauschen treu und echt, Hört ihr's wohl rauschen: „Ls werde Recht!" Inhalt. Nibelungen im Frack. Widmung. 7 Ein Stück Exposition, Invoeation nebst etlichen Episoden . . io Intermezzo als Arabeske ... zo wie der Merseburger Hofpoet grsungen haben würde . . Z2 Der Herzog bestellt sein Zeughaus und wirbt sein Heer. ... zz Der Herzog meint die Harmonie zu finden. Z9 Etwas von dem alten Riesen Einheer. 47 Der Herzog besiegt die Hydra der Pfaff vom Kahlenberg. Widmung. 81 Vorspiel. 85 N i t h art. Rithart ein Prediger . . . 109 Ein ländliches Fest .... 116 List gegen List.124 Ein Pilger.iZZ Otto. Reuberg.177 Ein Festspiel.18z Urmenschen.194 — z- Seite Alxengeister .202 2 —