Slowenien als transkultureller Zwischenraum und antinationalistische Idee im Werk von Paula von Preradoviæ11 Die Arbeit an diesem Beitrag wurde ermöglicht durch die finanzielle Unterstützung der Slowe­nischen Forschungsagentur im Rahmen des Forschungsprogramms Interkultuelle literaturwissen­schaftliche Studien (Nr. P6-0265). Johann Georg Lughofer Abstract Die Verfasserin der österreichischen Bundeshymne Paula von Preradoviæ wurde von Zeit­genossen als bedeutendste Lyrikerin des Landes wahrgenommen, ihr Gesamtwerk geriet aber nahezu in Vergessenheit. Die Enkelin des wichtigen südslawischen Dichters Petar Preradoviæ wird nur in wenigen wissenschaftlichen Auseinandersetzungen bedacht, dann vor allem der Bezug ihres Werkes zu Kroatien und zu südslawischen Motiven sowie zu Österreich verhandelt. Die bedeutende Rolle des Landes »dazwischen« – nämlich Slowe­nien – in ihrem Oeuvre wurde aber noch nie anaylsiert, was dieser Beitrag leistet. Darüber hinaus wird damit eine aufschlussreiche, nicht unkundige Perspektive auf Slowenien des frühen 20. Jahrhunderts dargestellt. Schlüsselwörter: Österreichische Bundeshymne, Petar Preradoviæ, Transkulturalität, Austrofaschismus 1 EINLEITUNG Paula von Preradoviæ (1887-1951) wurde zu ihren Lebzeiten als »bedeutends­te Lyrikerin des Landes« (z.B. N.N. [ABM] 1950, 387; vgl. Schoolfield 1954, 285) eingeschätzt. Bis heute beschäftigen sich aber nur vereinzelt germanistische Abschlussarbeiten mit dem Werk der Autorin. Besondere Aufmerksamkeit er­hielt dabei der Bezug der Autorin zu Kroatien und zu südslawischen Motiven (z.B. Kostiæ 1957; Orlandiæ 1979). Wenig überraschend war die österreichische Bundeshymne nicht ihre erste Auseinandersetzung mit diesem Land, seinen Landschaften, seinem Schicksal und seinen Personen. Eine Auseindersetzung mit der bedeutenden Rolle des Landes »dazwischen«, mit Slowenien, in ihrem Werk fehlt aber vollkommen, was dieser Beitrag nachholt. 2 KROATIEN UND ÖSTERREICH ALS WICHTIGER BEZUGSPUNKTE Kroatien und Istrien waren in mehrerer Hinsicht für Paula von Preradoviæ von Bedeutung; nicht zuletzt aufgrund ihres biographischen Hintergrunds: sie wuchs in Pula auf, wo ihr Vater als Marineoffizier stationiert war. Mit vierzehn Jahren verließ sie zwar die Halbinsel, um die vom Frauenorden »Congregation Jesu« geführte Mittelschule, das »Institut der Englischen Fräulein« in St. Pölten zu besuchen, kehrte aber nach der Matura wieder zu ihrer Familie nach Pula zurück. Erst nach mehreren Jahren ging sie 1913 nach München für einen einjährigen Pflegerinnen-Kurs des Roten Kreuzes. Danach während des Ersten Weltkriegs lernte sie bei ihrer Tätigkeit im Kriegsspital in der Wiener Universität ihren zukünftigen Mann, den Geschichtsdozenten Ernst Molden (1886-1953) kennen, der nach einer kurzen Diplomatenkarriere in der Zwischenkriegszeit erstmals stellvertretender Chefredakteur der Neuen Freien Presse, später 1946 deren Neubegründer und Chefredakteur wurde und damit eine zentrale Stelle im österreichischen Kulturbetrieb innehatte. Die Bezüge im literarischen Werk zu Kroatien sind vielfältig – die Landschaften, die Ahnen, die Geschichte und Kultur des Landes haben die Dichterin immer wieder inspiriert. Dabei bezieht sie sich oftmals auf ihren Großvater, den bedeu­tenden kroatischen Dichter Petar Preradoviæ, Vertreter des Illyrismus, der Idee einer Einheit der Südslawen im übernationalen Habsburgerreich. Ihr zentrales Werk, ihr einziger Roman Pave und Pero (1940), erzählt die Geschichte ihres berühmten Vorfahrens und seiner ersten Frau, die nach dem Tod ihrer Tochter Suizid begangen hat. Petar Preradoviæ ist bereits zuvor von seiner Enkelin in einigen Gedichten besungen worden und überhaupt für ihre künstlerische Selbstinszenierung von großer Bedeutung gewesen. Im Debutband Südliche Sommer (1929) finden sich volksliedhafte Gedichte, welche die istrische Landschaften – Muschelstrände, Möwen, Olivenbäume und Pinien sowie Leuchttürme, singende Hirten, Guslar und Seeräuber – feiern. Die befreundete Autorin Enrica von Handel-Mazzetti (1929) hörte in der Lyrik die­ses Erstlingswerks »süße Fremdklänge der südslavischen Volkslieder«. Es folgten die Dalmatinischen Sonette (1933), in denen sie in der titelgebenden Gedichtform Städte wie Trogir und vor allem Dubrovnik, Architektur und Skulpturen – von Ivan Mestroviæ (1883-1962) – in Dalmatien besingt. Die Gegend ist zumeist Objekt der Heimweh und Nostalgie. Später folgten Balladen, die kroatische und serbische Sagen bearbeiten, dabei auch den Konflikt mit dem Osmanischen Reich; manche darunter verorten sich nur mit Protagonistinnennamen wie Jelizia und Mandalina in dieser Region. Ihre spätere Literatur bezog sich immer stärker auf den christlichen Glauben wie die Erzählung Königslegende (1950), in der sie sich dem kroatischen König Slavac und dessen vermuteter Verbannung widmet. Aus dem Nachlass wurden neben mehreren Gedichten Fragmente zur Kindheit in Pula aus dem unvollendeten au­tobiographischen Romanprojekt mit dem ansprechenden Titel »Pelagia auf dem berstenden Stern« in den Gesammelten Werken (1967) veröffentlicht. Am Anfang sowie am Ende dieser Schriftstellerinnenlaufbahn stand also Istrien als Thema. Neben kroatischen finden vor allem österreichische Landschaften und Bezüge in den Lyrikbänden Platz und wurden in den Gesammelten Gedichten (Preradoviæ 1952a) unter dem Titel »Neue Heimat« zusammengefasst. Wir finden darin schon frühe Gedichte zum Mondsee, zur oberösterreichen Landschaft um Bad Hall, zum Leopoldsberg bei Wien oder Stift Melk. Dass es aufgrund der neuen Grenze zum dann italienischen Istrien eine »Heimat ohne Meer« (Preradoviæ 1967, 169) war, vergass sie dabei nicht. Die den »Englischen Fräulein« ihrer klösterlichen Maturaschule gewid­meten Sankt-Pöltener Sonette bilden klar verortete Kindheitserinnerungen in Korridoren, im Schlafsaal und auf Spaziergängen mit einem expliziten Lob der christlichen Erziehung. Die Landschaft mit Pappeln, Weiden und Birken wird zwar als »schlicht« (Preradoviæ 1967, 147) bezeichnet, doch Dom, Madonnenskulptur und »saubrer« (Preradoviæ 1967, 148) Stadtpark – also die Kultur und die darin gespiegelte Gläubigkeit – gewinnen dafür eine eminente Rolle. Religiöse Überzeugung und Landschaften verbindet der Gedichtband Lob Gottes im Gebirge (1936), der nach einleitenden Worten vor allem zwischen 1934 und 1936 in Kühtai entstanden ist. Die Tiroler Berge mit Alpenrosen, Zirben, Enzian, Heidelbeeren, Bergseen, Gletscher und Regenbogen werden dort als Gottesreflexion und -beweis gepriesen. Während des Zweiten Weltkriegs dichtet Preradoviæ über das Leid der ös­terreichischen Bevölkerung, der Soldatenmütter, über die Stadt in Trümmern. In dem Lyrikband Ritter, Tod und Teufel (1946) findet sich der Zyklus »Wiener Reimchronik 1945«, eine beeindruckende Sammlung zum persönlichen Erlebnis der letzten Kriegstage: zu den Fliegerangriffen, zur Schlacht um Wien und zu den Flüchtlingen. Bekannterweise gipfelte die Auseinandersetzung mit Österreich im Gewinn der Ausschreibung zur Verfassung der – heute noch gesungenen, nur minimal adaptierten – Bundeshymne 1949. Damit ist sie mit Abstand die längst­gediente Hymne dieses Landes. Dass ihr Interesse nicht allen Ländern galt, betont die Tatsache, dass sie andere Orte ihres Lebensweges in ihrem Werk vollkommen ignoriert: ihr Ausbildungsort München wird kein einziges Mal erwähnt. Andere Länder wie England, die Niederlande oder Schweden, wo die Diplomatengattin lebte, werden nur in ein­zelnen Gedichten marginal berührt. 3 »GEWISS AUCH SLOWENISCHES BLUT« - SLOWENIEN IN (AUTO-)BIOGRAPHISCHEN TEXTEN UND KONTEXTEN Wenn Preradoviæ von österreichischer Seite als Vermittlerin zwischen deut­scher und südslawischer Kultur gesehen wurde, war zumeist nicht nur die kro­atische, sondern auch die slowenische Kultur mitgedacht, was wohl weniger auf einen illyrischen Einigungsgedanken beruht, sondern auf ein unbekümmertes Subsumieren: So wurde Preradoviæ gerne auf den in Ljubljana geboreren und wir­kenden Anastasius Grün bezogen: Direkt nach dem Tod der Dichterin schreibt der Autor Felix Braun (1885-1973) beispielsweise: »Das südliche Slawentum hat­te der in Krain geborene Anastasius Grün in seinen Volksliedern entdeckt, doch nicht in eigenen Besitz hinüber gewandelt. Dieses war die Sendung Paula von Preradoviæ‘, der Enkelin des nationalen Dichters Kroatiens.« (Braun 1951, 10) Im Vorwort einer Anthologie der Texte der Autorin überlegt der Germanist Karl Röttinger, dass viele Landschaften der Donaumonarchie ihre deutschen Dichter fanden, etwa Böhmen Franz Grillparzer und Adalbert Stifter, Mähren Marie von Ebner-Eschenbach oder Ungarn Nikolaus Lenau und Stifter, doch: »Des südli­chen Slawentums uraltes Kulturgut allein blieb unbeachtet. Den Volkslieder des in Krain geborenen Anastasius Grün mangelte dichterische Größe, Kroatiens bedeutendster deutschschreibender Dichter Peter von Preradovic vermochte kei­ne Breiten- und Tiefenwirkung zu erzielen.« (Röttinger 1961, 5) Erst Paula von Preradoviæ habe diesen echten Einbezug der südslawischen Kultur in die deut­sche Literatur dann nach Röttingers Meinung realisiert. Wenn diese Stellungsnahmen zur deutschsprachigen Dichterin des Südslawentums sich immer wieder auf ein als Einheit gedachtes südliches Slawentum inklusive Anastasius Grün bezieht – und dies vor allem auf eine da­mals fehlende bewusste Trennung zwischen slowenischer und kroatischer Kultur aus österreichischer Perspektive zurückzuführen ist, liegen die Kommentatoren bezüglich eines Aspektes gar nicht so falsch: auch Slowenien spielt eine wesentli­che Rolle im Werk von Preradoviæ. Nicht ganz zu Unrecht sprach Theodor F. Csokor (1957, 15) von ihr als »Dichterin zwischen zwei Welten«, ihr Gatte Ernst Molden (1955, 14) von der »Dichterin beider Heimaten, der verblichenen wie der gegenwärtigen«. Dabei wird aber vergessen, dass ihr Werk in Fragestellungen zu Kulturen nicht dua­listisch zwischen kroatischer Küste und österreichischen Alpen zu fassen ist, sondern viele transkulturelle Elemente in sich trägt (Vgl. Welsch 2017). In ih­ren Texten wimmelt es von beispielsweise italienischen Dalmatinern und der Wiener Gesellschaft des 19. Jahrhunderts in seiner breiten sich vermischenden, ethnischen Vielfalt. Hierein passt die Darstellung Sloweniens, das mehr als nur Kulisse wird und selbst in ihrem übernationalen Familienkult Eingang fand. Ihr Gatte beschreibt in seiner biographischen Skizze über seine Frau ihre vielfäl­tige Familienabstammung, um »die eigenartige Buntheit des Bildes des alten Donaureiches« hervorzuheben: Indem der Herkunft der einen Österreicherin nachgegangen wird, die als Dichterin eine Repräsentantin ihres Kreises geworden ist und in der – echt österreichisch! – kroatisches, italienisches, französisches, serbisches – und ge­wiß auch slowenisches Blut sich mit deutschösterreichischem, ungarischem und ungarländisch-serbischem mischen, ergibt sich die erwünschte Gelegen­heit, abseits von aller Politik festzustellen, wie sehr dieses Sichvereinen und Sichüberschneiden der Zugehörigkeiten zu einem halben Dutzend und mehr verschiedener Sprachen und Kulturen gerade für die führenden Kreise des alten Reiches charakteristisch gewesen ist und welche Bedeutung es besaß. (Molden 1955, 21) Seit diesem Porträt einer Dichterin Moldens nimmt die Forschung immer wie­der starken Bezug auf die Biographie der Autorin. Wie schon in Sachen Kroatien und Österreich interessieren auch im Kontext Slowenien manche Details: So starb in Ljubljana ihre kleine, 1895 in Pula geborene Schwester Helene als drei­jähriges Kind, zwei erst posthum veröffentlichte Gedichte widmete die jugendli­che Paula von Preradoviæ dem Tod ihrer kleinen Schwester. Diese unterstreichen wie bedeutsam der Bestattungsort Ljubljana für die Dichterin ist. Das Klagelied der sechzehnjährigen Nachwuchsdichtern »An mein kleines Schwesterchen« setzt mit der friedlichen Stimmung am Friedhof ein. Dass dieser in Ljubljana ist, wird nicht klar benannt, doch der Friedhof als Ort gewinnt Bedeutung und wird konkret beschrieben. Er lässt eine tröstende Perspektive auf den Kindestod zu. Spannend dabei ist, dass im Gedanken, die Tote aus dem Süden musste die dunklen Seiten des Lebens nicht kennenlernen, der Norden für diese dunklen Seiten steht: »Kanntest nur den Sonnenschein, / Nicht den Sturm des Norden.« (Preradoviæ 1967, 1058) Der Sterbe- und Bestattungsort scheint also nicht dieser dunkle Norden zu sein und eine Zwischenstellung einzunehmen, so positiven Töne im Klagelied zuzulassen. Das Gedicht »Kindergrab (Laibach, Herbst 1906)« der neunzehnjährigen Preradoviæ erlangt Ljubljana explizite Erwähnung. Der Ort wird bereits neben dem Titel mitgenannt, das lyrische Ich ist vom Besuch des Grabs im verregneten Ljubljana ergriffen. Der Blick der Trauernden richtet sich langsam nach oben, vom Grab mit zarten rosa Blüten, zur kleinen Zierpalmen, zur Engelsfigur und zum Grabstein, dessen fehlende Worte nun von dem Gedicht nachgeholt werden. Danach entfernt sich der beschriebene Blick vom bedeutungsschweren Boden. Das Leben versinnbildlicht ein seit dem Tod gewachsenes Birkenbäumchen, eigentlich nicht der klassische Baum des Friedhofs, sondern eher Inbegriff des Weiblichen und des Monats Mai, für Zweisamkeit, Vertrautheit und Liebe. So hat die Birke das Wachsen der Schwester übernommen und zeugt davon, dass der Besuch am Friedhof länger nach dem Ableben der Besungenen stattfindet: »Und heute ist‘s ein manneshoher Baum./ Wär größer schon als Du, wenn Du am Leben/ Geblieben wärst.« Der dichtende Blick richtet sich aber weiter nach oben, geht über einer dem Süden zuzuordnende Palme und schweift zu den »fremden«, »schönen« Bergen. Wenn der Text auch – nicht zuletzt mit diesem nach oben strebenden Blick – lebensbejahend ist, scheinen die entfernten Berge und die Stadt Ljubljana Lebens- und Todeswunsch auf schaurig-schöne Weise zu verei­nen: »Im Hintergrund stehen/ Die fremden Berge voll von neuem Schmerz/ Und kalter Wucht, wenn die nicht kommen können,/ Die Dich voll bittrem Weh und Schmerz verloren./ Als ich die schönen, fernen Berge sah/ Und all den Frieden Deines Kindergrabes,/ Da stieg in mir der bittre Wunsch empor,/ Wie du in einer fremden Stadt zu schlafen« (Orlandiæ 1979, 253) Die »fremde Stadt« und ihre gebirgige Umgebung sind bei diesem Wunsch ein zentraler Faktor. Wieder scheint Ljubljana eine ruhevolle Zwischenstellung zwischen einer Repräsenz des Südens – der Palme – und dem Norden – die Berge –, sogar zwischen Leben und Tod einzunehmen. Doch nicht nur der familiäre Todesfall verbindet Preradoviæ mit den Krainer Gebieten. Sie kannte die slowenischen Region intensiv. Die sommerlichen Urlaubsfahrten der Familie führten in ihrer Kindheit erst ins Salzkammergut, doch »später waren es die von Pola nicht allzuweit entfernten kärntnerischen oder krainischen Gebirgsdörfer, die als Ziele der Sommerfahrten bevorzugt wurden.« (Molden 1955, 24) Auch als Erwachsene besuchte sie Slowenien immer wie­der im Sommer, beispielsweise schwärmt sie 1936 in ihrer Korrespondenz von Schloss Wildenegg (Belnek) bei Domžale und der dortigen Umgebung … Hier sind wir in eine unsägliche Weltferne und Stille verschlagen, eine Le­benslage, die ich namenlos genieße… Wenn Du hier sein könntest, das wäre der Ort, um alles nur Mögliche zu treiben und auch zu Ende zu bringen. Schloß Wildenegg muß etwas Ähnliches sein, wie Euer Falkenstein gewesen ist. Ein kleines Schloß in einer Mittelgebirgslandschaft, mit hohem Gebirge (Triglav und Steiner Alpen, dazwischen der Stou) in ferner Sicht. Fast auf jedem der Waldberge eine weiße, spitzige Kirche, Obstbäume, Mais auf den Feldern, unaufhörliches, schönes Glockenläuten. Im Haus unzählige Bilder und An­denken an dahingegangene Zeiten. Die Menschen gütig, weltfern, leidgeprüft. (Brief an Camilla Lucerna vom 15. August 1936, nach Preradoviæ 1967, 1088) Slowenien wird hierbei als ideales Gebiet zur kreaktiven Produktion erkannt, dabei spielen die »weltferne Lage«, die Umgebung sowie die Menschen und ihre ruralen und religiösen Traditionen eine Rolle. 4 LÄNDLICHE UTOPIE SLOWENIEN So entstand ausgerechnet in Slowenien die in politischer Sicht spannende Broschüre Ein Jugendreich. Die Neuland-Schulsiedlung in Grinzing-Wien (1937). Dabei wird die Region nicht nur idyllisch gezeichnet, sondern zur wahrhaf­ten Utopie umfunktioniert. In den ersten Seiten schreibt Preradoviæ von ihrer Schreibhemmung und Unsicherheit, ob sie dem Auftrag gerecht werden könne. Der slowenische Ort und seine Einwohner schienen ihr darüber hinweg geholfen zu haben. Ihre Beschreibung dazu ist eine Hymne auf das »organische« Landleben; dort im »alten Krain« (Preradoviæ 1937, 4) besuchte sie nämlich ein junges Paar auf einem entlegenen Bauernhof, »eine geschützte, kleine Welt« (Preradoviæ 1937, 4). Die Autorin zeigt sich über die spartanische Einrichtung begeistert: Nicht Unnützes gab es, nichts, was nicht unmittelbarem Bedürfnis gedient hätte. Alles war vollkommen einfach und wirkte deshalb edel. In der Küche zeigte uns die junge Frau mit dem herzförmigen, slawischen Gesicht voll Stolz den Sparherd, den ihr Mann vor der Hochzeit aufgemauert hatte, damit sie sich nicht mit dem offenen Feuer abplagen müsse, und in der Schlafkam­mer wies sie freudig auf die von ihrem Vater gezimmerten Schränke und Bettstellen. Schlafkammer, Küche, Stube, mehr Räume hatte das Haus nicht. Hier würde das Bauernleben sich abspielen, hier würden der Mann, die Frau, hier würde das Kindlein, zu dessen erhoffter Ankunft im Spätherbst die jun­ge Mutter Windeln und Hemdchen rüstete, und seine Geschwister, die spä­ter kommen würden, ihr Leben der Arbeit und des frommen Ausruhens nach der Arbeit führen. Nichts Fremdes würde sie stören, nichts Unorganisches ihr Leben verbiegen. (Preradoviæ 1936, 4) Diese Lobpreisung des traditionellen Lebens im landwirtschaftlichen Heimatkontext entspricht der politischen und religiösen Haltung der Autorin. Einer christlichen Heimatliteratur steht sie dabei sehr nahe, aber keinesfalls dem Nationalsozialismus. Dies konnte sie gerade mit der Ansiedlung ihrer Lobpreisung des ländlichen Lebens in Slowenien klar unterstreichen. Wenn dies im deutsch­sprachigen Gebiet erfolgt wäre, kämen diese Worte der Blut-und-Boden-Kunst des Nationalsozialismus allzu nahe. In Slowenien mit explizit slawisch gezeich­neten Protagonisten besteht diesbezüglich keine Gefahr, sondern der Text stellt sogar einen Gegendiskurs zu der im nationalsozialistischen Deutschland betrie­benen Heimatkunst dar und betont eine andere kulturelle Zugehörigkeit. So kann sie sogar die stolze Genealogie besingen, ohne in die Nähe der damaligen deutschen Machthaber zu rücken: Ein Geschlecht von rauhen, der Welt wenig kundigen, einigermaßen einsei­tigen und unwissenden, aber unzersplitterten, in sich ruhenden, selbstverwur­zelten Menschen würde hier auf dem Hügel vor dem schwarzen Walde blühen und sich erneuern, so lange es Gott gefallen würde. Die junge Bäuerin [...] – sie erschien mir als eine verehrens- und preisenswerte Stammutter, und das Un­geborene, das sie trug und das einem mühevollen, aber sinnreichen, in Gottes Ordnung eingegeliederten Leben entgegenwuchs, schien mir beneidenswert. (Preradoviæ 1936, 5) Der Text fügt sich bestens in das Regime der Zeit. Der Austrofaschismus woll­te mit seinem »Ständestaat« eine mittelalterliche Ordnung wiedererrichten. Der Bauernhof diente dabei als Orientierungspunkt zur Gesellschaftsorganisation; der Begründer des austrofaschistischen »Ständestaates« Engelbert Dollfuss selbst war übrigens Bauernkind, Direktor der Niederösterreichischen Landwirtschaftskammer und zwischen 1931 und 1933 Landwirtschaftsminister. In seiner programmatischen Rede auf dem Wiener Trabrennplatz im September 1933 verwendete er als Bild für die projektierte Volksgemeinschaft jenseits jeg­lichen Klassenkampfes eine harmonische Bauernfamilie, die unter dem Kruzifix aus einer gemeinsame Schüssel mit den Bediensteten löffelte. Die Austofaschisten sahen sich als bodenständige Christen, die gegen die sündhafte Großstadt Stellung bezogen. Die Gegenüberstellung des >wahren Lebens< zur Stadt wird auch mehrfach im Text hervorgekehrt. Preradoviæ be­zieht sich auf ein »verlorenes Paradies«. Kultur und Städte verunmöglichen für sie das traditionelle, rurale, gesunde Leben, das auch als Lösung für die tur­bulente Zeit angeboten wird. Dabei finden wir eine Betonung Sloweniens und des Gegensatzes zu deutschsprachigen Gebieten vor. Die Abwendung von der Großstadt und die Hinwendung zur ländlichen Kultur geschieht ohne jeglichen germanischen Nationalismus, richtet sich aber gegen die Moderne und gegen die Stadt. Die Unberührtheit der traditionellen Lebensweise wird besungen. Die »Zwischenstellung« Sloweniens erlaubt dabei eine Heimat- und Traditionsliebe ohne Chauvinismus und Nationalismus. 5 DAS TRANSKULTURELLE LAND IM ROMAN PAVE UND PERO Auch die jahrelangen Recherchen für ihr Hauptwerk, den Roman Pave und Pero (1940), führte sie mitunter in Slowenien durch. Preradoviæ schreibt beispielsweise 1938 aus Triest: Nun hat sich alles dahin kristallisiert, daß ich am liebsten in den ersten August­tagen zwei, höchstens drei Tage in Zagreb sein möchte, und zwar deshalb, weil ich in Laibach, wohin ich Freitag zurückkehre, noch eine geschlossene Zeit von mindestens neun bis zehn Tagen haben möchte, um das Material, das ich auf meinem Abstecher in Italien gesammelt habe, zu verarbeiten… (Brief vom 18. Juli 1938 an Kuæera, nach Vospernik 1966, 9). Dabei war sie Gast der erwähnten Freundin, der bedeutenden slowenisch-deut­schen zweisprachigen Dichterin und Übersetzerin Lilli Novy in Laibach (vgl. Eigl 1967, 1089). Diese war eine wichtige intellektuelle Inspiration für Preradoviæ. Die slowenischen Kontakte bedeuteten für Preradoviæ viel; Molden erinnert sich in seiner biographischen Skizze an ihre Begeisterung für die südslawische Kultur: In vielen Gesprächen mit ihrer mütterlichen Freundin Camilla Lucerna in Agram oder in Laibach, mit Lily Nowy, der Schriftstellerin und ausgezeich­neten Übersetzerin des slowenischen Nationaldichters Prešern, hatte sich ihr Interesse für das Altehrwürdige der südslawischen Volksdichtung immer mehr vertieft. Aber noch ehe diese ihr so vertraut war, klang in ihrer eigenen dichte­rischen Sprache etwas von dem schicksalshaften Dunkel der Stimmen dieser uralten Stämme nach, aus denen ihre Vorväter gekommen waren und deren Heimat sie so stark in ihrem Herzen trug. (Molden 1955, 76) Wenn auch diese mystisch anmutende Vorahnung seltsam konstruiert wirkt, zeigt sich eine Zuneigung, auf die auch der Gatte exemplarisch hinweist: »Diese Reisen legten unter anderem den Grund zur Liebe, die eine besonders ein­drucksvolle Stelle in ihrem Roman >Pave und Pero< über das alte Laibach und die Fahrt durch den Karst bezeugt.« (Molden 1955, 24) Diese Fahrt von Wien Richtung Süden, welche die junge Frau Pave aus Gesundheitsgründen mit ih­ren drei Kindern unternimmt, während ihr Gatte Pero – Petar Preradoviæ – in Wien bleibt, wird im Anschluss an Molden auch in der Sekundärliteratur im­mer wieder als bedeutungstragend hervorgehoben (Vospernik 1960, 48-51; Trojanovic 1977, 16f.; Sobczak 2016, 50 und 67f.). Übersehen wurde dabei von allen Kommentatoren, dass nicht nur die Landschaft, sondern auch der kulturelle Faktor Slowenien dabei eine gewichtige Rolle einnimmt. In Wien scheint die­ses Bewusstsein anderer möglicher Heimaten nicht denkbar, aber sofort auf dem Weg zum slowenisch-ethnischen Gebiet, in die Steiermark. Sie fühlt, dass diese schöne Landschaft Heimat sein kann, und denkt, die von ihrem Mann oft ein­geforderte Begeisterungsfähigkeit aufbringen zu können. Im Stile der Reisenden früherer Jahrhunderte bewundert sie das erhabene Gebirge, »faltete unwillkürlich die Hände« (Preradoviæ 1967, 484)22 Die Quellenangaben aus dem Roman Pave und Pero werden folgend als Seitenzahl in Klammerin in den Text gesetzt. : »Es war ein Anblick von so hinreißender Mannigfaltigkeit, der dennoch majestätisch in sich ruhte, daß Pave vemeinte, so Schönes nicht länger allein ertragen zu könne. Sie riß die Gesichter der Kinder an sich, küßte sie stürmisch und immer wieder und sagte […]: >Ach, wie schön ist dies! Wie schön ist dies! Kinder, merkt ihr, wie wunderbar dies ist!« (486) Die Richtung Süden nach Ljubljana scheint aussagestark, nach dem Semmeringtunnel »ins Steirische«, bergab kommen sie in »eine veränderte, gemilderte, weichere Landschaft« (487) – nicht nur für die Lebenden, sondern auch für die Toten, welche nicht vergessen werden: Ins Abteil kommen eine Witwe und deren Sohn, die um den Mann bzw. Vater trauern und noch lange auf den vorbeiziehenden ländlichen Friedhof blicken. Mit den beiden zieht auch die kulturelle und soziale Ebene der Region verstärkt neben der Landschaft in den Text ein. Ein Absatzsprung bietet einen abrupten Übergang in das alltagskulturelle Leben Sloweniens, in den »zu ebener Erde gelegene, gewölbte Speisesaal des Gasthofes Kaiser von Österreich zu Laibach« (491).33 Das Hotel »Kaiser von Österreich“ bzw. »Pri avstrijskem cesarju« existierte sicher bis 1911 (wohl bis 1918) in der Trubarjeva cesta 5. Vgl. Pešak Mikec, Barbara und Nataša Budna Kordiè: »Lju­bljanski hoteli do druge svetovne vojne«. In: Kronika 2002/3, S. 343-362, hier S. 353f. Für diese Auskunft habe ich Prof. Dr. Mira Miladinoviæ Zalaznik bzw. Dr. Maja Lozar Štamcar herzlich zu danken. Der Ort ist bedeutsame Zwischenstation und wird hervorgehoben. Es ist eine explizit »angenehme Atmosphäre des gediegenen Gasthofs« (491) und selbst die Durchreisenden kleiden sich wie die dortige Gesellschaft elegant. Dabei kommt ein gewisses Lokalkolorit, beispielsweise durch den Èvièek aus der Save-Krka-Region, »den hellroten, dünnen Switschek, den einheimischen Wein« (491), nicht zu kurz. Ein deutschsprachig-österreichischer und ein kroatischer Offizier kümmern sich um die Gattin ihres Kameraden, was einmal mehr eine transkulturellen Komponente, ein Dazwischensein Sloweniens im Roman weiter betont. Die beiden Offiziere sind als verschiedene Typen entworfen: Der junge Oreskoviæ, Taufpate eines der Kinder von Pave und Pero, ist lebendig und zeigt ein »über­mütiges Mienenspiel« (492). Der ältere Major überzeugt durch »die ruhige, kluge Güte seines grellblauen Blicks und durch die verläßliche Freundlichkeit seines Wesens« (492). Ein italienischer Verehrer Paves stellt noch den dritten männlichen Protagonisten um Pave in Ljubljana. Stereotype werden dabei nicht ausgespart: insbesondere bei dem modebewussten, gepuderten, aufdringlichen Italiener. Die deutsche, italienische und südslawische Welt scheint in Ljublana zu­sammenzutreffen und sich im spannungsreichen Zusammenspiel gegenseitig zu beeinflussen. Slowenien wird durch die Verschiedenheit der Chararktere zur besonders attraktiven Mischung gemacht, obwohl durchaus regionale kulturel­le Eigenständigkeit zugestanden wird. Stellvertretend kann hier der kulinari­sche Aspekt wie der bereits erwähnte Èvièek genannt werden. Pave werden die »Delikatesse hierzulande« Krainer Würste angeboten. Am Tisch trinken sie ge­nauso den dunken dalmatischen »Lissaner« aus Vis. Süden und Norden schei­nen sich auf angenehme Weise zu vermengen. Dabei wird keine Idylle gezeich­net, sondern ein bescheidenes Leben mit pragmatischen Vorteilen gegenüber der Reichshauptstadt: Sie fragt Oreskoviæ, »ob er sich eigentlich in Laibach wohl fühle oder nach Wien zurücksehne. >Es ist ein lieber, lustiger Ort, die Leute hier sind freundlich und gebildet, und man kann in so einer Mittelstadt aus dem elenden Offiziersdasein immerhin noch mehr herausschlagen als in Wien.<« (494) Nicht nur der Ort per se scheint sympathisch und verbindend zu sein, der slowenische Gastwirt Herr Jak wird selbst als großer Vermittler dargestellt. Er wird sofort als Freund von Feldmarschall Radetzky vorgestellt, erweist sich als guter Kommunikator und Organisator hinsichtlich der Kutschenfahrt nach Triest und hilft auch Paves Bewunderer, den italienischen Operntenor Lorenzi, dezent mit Informationen zur Destination der reisenden Pave, worauf dieser ein Engagement an ihrem angestrebten Aufenthaltsort Motta annimmt. (529). In Postojna/ Adelsberg wird auf der Weiterreise im »Gasthof zur Krone« Mittagsstation gemacht und auch ein Zimmer dazu genommen. Die schwange­re Wirtin ist freundlich und an Kindern interessiert. Der bedeutende Transitort wird hervorgehoben: Die Strasse zeigt, als es »dem Meere zuging« (503), viel Betrieb, »daß sie hier auf der großen Straße fuhren, die vom Herzen des Reiches nach dessen größtem Hafen führte. Vielerlei Fuhrwerk, hochbepack­te Lastwagen und Bauernkaleschen wurden von Herrn Kusmar überholt oder kamen ihnen entgegen.« (503) Auch hier macht die Umgebung Eindruck, die Erzählerposition konzentriert sich auf den Nanos, der die klarste Verortung auf der ganzen Reise darstellt. Die im ganzen Werk so wichtige Landschaft zeigt auf der Weiterreise ein Dazwischen, einen Übergang: »das wellige Land ringsum, das bald Felder und Wälder aufwies wie zwischen Graz und Wien, bald aber schon karstigen Boden und südlich hartblättriges Buschwerk zeigte, schien ihr anzukündigen, dass es dem Meere zuging.«(1967, 503) Das transkulturelle Element wird erneut auf positive Weise unterstrichen – auch in der Architektur und bei den Menschen: Nach einem Radbruch wird die kleine Reisegesellschaft von einer italienisch-slowenischen Gutsbesitzerin eingeladen, in »ein Mittelding zwischen Bauern- und Herrenhof«. Dort werden sie herzlichst mit Kaffee und Reindling, einer Kärntner und slowenischen Spezialität (als Pogaèa), bewirtet; die ausgesprochen gastfreundliche Gutsbesitzerin, die Witwe Emilia Kozian wurde »nicht müde, Pave und die Kinder zum Zulangen aufzufordern.« (505)44 Sie beschenkt die Kinder mit Spielzeug ihrer verstorbenen Tochter. Ein so erhaltener Muff sollte später sogar ins Grab der gestorbenen Tochter gelegt werden. Die genaue Beschreibung dieses Kinderbegräbnisses im Roman ist dann wohl von dem ihrer Schwester in Ljubljana beeinflusst, was einen Kreis im Bezug auf Slowenien schließt. An dieser slowenischen Station wird die transkulturelle Gesellschaft wiederum betont. Die Amme der reisenden Familie fühlte sich so »im Kreis der Italiensch verstehenden Dienstleute sehr wohl« (505). Die Gutsherrin mit triestini­schen Hintergrund hat den slowenischen Besitzer geheiratet. Das slowenische Element ist in dieser Familie keineswegs verschwunden: Ihr Neffe fragt Pave wegen des Namens Preradoviæ an den Koffern nach dem Dichter, den er im Priesterseminar in Ljubljana mit nationalistischer Begeisterung gelesen hat. Alle beschriebenen Orte der fünftägigen Reise sind auffallenderweise in Slowenien – immerhin geht die Reise mehrere Tage inklusive Schiffsreise über Triest, Venedig und Treviso weiter nach Motta, von all diesen Orten lesen wir genau nichts, was die Relevanz der slowenischen Region für den Text einmal mehr unterstreicht. Slowenien wird als trans- und interkultureller Ort des Treffpunkts gezeichnet. Es scheint sogar, Slowenien wäre für die kranke Mutter die richtige Mitte gewesen, welche die Familie gerettet hätte – nahe bei Wien, dem Ehegatten und dessen fürsorglichen Kameraden. 6 FAZIT Slowenien darf im Werk Paula von Preradoviæ keinesfalls überlesen werden – neben, oder besser zwischen Kroatien und Österreich. Slowenien wird als transkulturelle Region präsentiert, was auch der außerliterarischen Mittellage zwischen deutsch-österreichischer, südslawischer, ungarischer und italieni­scher Kultur entspricht. Dies wird im Roman Pave und Pero von den beiden unterschiedlichen Offizieren, von dem lebendigen kroatischen und den ru­higen deutsch-österreichischen, und dem italienischen Sänger repräsentiert. Ljubljana wird sehr trans- und interkulturell gezeichnet, auch ganz Slowenien – wie mit der italienisch-slowenischen Familie in Postojna. Slowenien wird dabei wohl weniger ein Symbol für die Donaumonarchie, sondern vielmehr steht diese Multi- und Transkulturalität einem Loblied der traditionellen, ein­fachen Lebensweise, seiner rural-landwirtschaftlichen Lebensweise dar, ohne einer Blut-und-Boden-Ideologie der Nationalsozialisten nahezukommen, was insbesondere in einer dem austrofaschistischen Gedankengut nahestehende Broschüre von 1937 Betonung erfährt. Preradoviæ hatte Ahnung von der Region und der Kultur. Sie lebte lange in Istrien und besuchte oft die Krain, als Kind auf Sommerurlaub, als Erwachsene zu Arbeitsaufenthalten. Zu Ljubljana hatte sie auch mehrere persönliche Bezüge: dort starb ihre kleine dreijährige Schwester, was sie auch in ihren Texten aufnahm; gute Freundinnen wie die Intellektuelle Lili Novy lebten ebenso in der Stadt. So konnte Preradoviæ selbst eine kundige, vermittelnde Rolle einnehmen, wenn sie z.B. in der Wiener Presse im Februar 1949 einen Aufsatz zum hun­dersten Geburtstag France Prešerens veröffentlicht. Sie vergleicht ihn mit Luther und hebt mehrmals hervor, dass er »durch eine nicht sehr große Anzahl lyrischer Gedichte seine Muttersprache nicht allein aus einem Bauerndialekt in eine Literatursprache verwandelt, sondern diese Muttesprache geradezu vor dem Verschwinden, vor dem Aufgehen in verwandte Sprachen gerettet hat«. (Preradoviæ 1949) Es klingt positiv, wenn sie argumentiert, dass die durch Prešeren gefestigte slowenische Sprache einer gemeinsamen südslawischen Sprache und einem Illyrismus, dessen begeisterter Vertreter ihr Großvater war, widerstanden hatte. Auch der Bezug zum Bauernstand hat bei Preradoviæ nur angenehme Konnotationen: »Ein Dichter von Gottes Gnaden, nahm er von seiner Muttersprache den Bann der Subalternität, er machte sie, die über ein Jahrtausend lang in den fleißigen Häusern der frommen Bauern still gewachsen war, literaturfähig und bereitete ihr den Platz an der Sonne, der ihr zukam.« (Preradoviæ 1949) Preradoviæ, die Autorin der österreichischen Bundeshymne, beweist sich als Kennerin Sloweniens und Bewunderin seiner trans- und interkulturellen Aspekte. LITERATURVERZEICHNIS Primärliteratur: Preradoviæ, Paula von (1929): Südlicher Sommer. Gedichte. München: Josef Kösel & Friedrich Pustet. Preradoviæ, Paula von (1933): Dalmatinische Sonette. Berlin, Wien, Leipzig: Paul Zsolnay. Preradoviæ, Paula von (1936): Lob Gottes im Gebirge. Gedichte. Salzburg, Leipzig: Anton Pustet. Preradoviæ, Paula von (1937): Ein Jugendreich. Die Neuland-Schulsiedlung in Grinzing-Wien. Wien: Deutscher Verlag für Jugend und Volk. Preradoviæ, Paula von (1940): Pave und Pero. Roman. Salzburg: Otto Müller. Preradoviæ, Paula von (1946): Ritter, Tod und Teufel. Gedichte. Innsbruck: Österreichische Verlagsanstalt. Preradoviæ, Paula von (1949): »Der Dichter der Slowenen. Zum hundersten Geburstag France Preserens«. In: Die Presse, 19. Februar 1949. Preradoviæ, Paula von (1950): Königslegende. Innsbruck: Österreichische Verlagsanstalt. Preradoviæ, Paula von (1951a): Die Versuchung des Columba. Salzburg: Otto Müller. Preradoviæ, Paula von (1951b): Verlorene Heimat. Der gesammelten Gedichte erster Teil. Hg. von Ernst Molden. Innsbruck: Österreichische Verlagsanstalt. Preradoviæ, Paula von (1952a): Schicksalsland. Der gesammelten Gedichte zweiter Teil. Hg. von Ernst Molden. Innsbruck: Österreichische Verlagsanstalt. Preradoviæ, Paula von (1952b): Gott und das Herz. Der gesammelten Gedichte drit­ter Teil. Hg. von Ernst Molden. Innsbruck: Österreichische Verlagsanstalt. Preradoviæ, Paula von (1955): »Kindheit am Meer, Fragmente eines autobio­graphischen Romanes«. In: Ernst Molden (Hg.): Portät einer Dichterin. Innsbruck: Österreichische Verlagsanstalt. Preradoviæ, Paula von (1967): Gesammelte Werke. Wien: Fritz Molden. Sekundärliteratur: Braun, Felix (1951): „Alpbacher Gedenkrede auf Paula von Preradoviæ«. In: Die Presse Wochenausgabe, 34, August 1951, 10. Csokor, Franz Theodor (1957): »Dichterin zwischen den Völkern. Zum 70. Geburtstag Paula von Preradoviæ«. In: Die Presse, 13. Oktober 1957, 15. Eigl, Kurt (1967): »Nachwort«. In: Preradoviæ, Paula von: Gesammelte Werke. Wien: Fritz Molden, 740-745. Eigl, Kurt (1995): »Biographie Paula von Preradoviæ 1887 – 1951«. In: Paula von Preradoviæ: Wiener Chronik 1945. Wien: Ibera Verlag, 115-124. Handel-Mazzetti, Enrica von (1929): Klappentext. In: Preradoviæ, Paula von: Südlicher Sommer. Gedichte. München: Josef Kösel & Friedrich Pustet. Lughofer, Johann Georg (2018a): »Österreichisches Alphabeth: Paula von Preradoviæ«. In: Literatur und Kritik. März 2018, 101-110. Lughofer, Johann Georg (2018b): »Habsburško nasljede u djelu Paule von Prerardoviæ, autorice austrijske himne«. In: književnja smotra. Èasupis za svjetsku književnost. 188/2, 47-54. Kostiæ, Strahinja (1957): »Jugoslovenski motivi u delima Paule fon Preradoviæ«. In: Godišnja Filozofskog fakulteta u Novom Sadu 2, 7-15. Molden, Ernst (1955): »Skizzen zu einem Porträt«. In: Ernst Molden (Hg.): Paula von Preradoviæ: Porträt einer Dichterin. Innsbruck: Österreichische Verlagsanstalt, 9-82. N.N. [ABM] (1950): »Paula von Preradoviæ«. In: Paula von Preradoviæ: Pave und Pero. Wien: Österreichische Buchgemeinschaft, 385-388. Orlandiæ, Zorka (1979): Südslawische Motive in der Dichtung der Paula von Preradoviæ. Wien: unpubl. Diss. Röttinger, Werner (1961): »Vorwort«. In: Paula von Preradoviæ: Meerferne Heimat. Hg. von Werner Röttinger. Graz, Wien: Stiasny (=Das österreichische Wort 87), 5-23. Schoolfield, G.C. (1954): »Paula von Preradoviæ. An Introduction«. In: German Life and Letters 7, Oxford, 285-291. Sobczak, Michael (2016): Das christliche Weltbild in der Prosa der österreichis­chen Dichterin Paula von Preradoviæ. Kraków: Wydawnictwo Uniwersytetu Jagiellonskiego. Trojanoviæ, Danuška (1977): Die lyrische Dichtung von Paula von Preradoviæ. Zagreb: unveröffentlichte Magisterarbeit. Vospernik, Reginald (1960): Paula von Preradoviæ. Leben und Werk: Wien: un­veröffentlichte Dissertation. Johann Georg Lughofer University of Ljubljana johanngeorg.lughofer@ff.uni-lj.si Slovenija kot transkulturni vmesni prostor in antinacionalistièna ideja v delu Paule von Preradoviæ Povzetek Avtorico avstrijske državne himne Paulo von Preradoviæ so sodobniki dojemali kot naj­pomembnejšo avstrijsko pesnico, njen celoten opus pa je skorajda pozabljen. Vnuki­njo pomembnega južnoslovanskega pesnika Petra Preradoviæa obravnavajo le nekatere znanstvene razprave, in èe že, potem zlasti v povezavi njenega dela s Hrvaško in južno­slovanskimi motivi kot tudi z Avstrijo. Pomembne vloge dežele “nekje vmes” – namreè Slovenije – in kakšen pomen ima ta prispevek za njeno celotno življenjsko delo, doslej še nihèe ni analiziral. Poleg tega je prikazan pomemben in informativen pogled na Slo­venijo z zaèetka 20. stoletja. Kljuène besede: avstrijska državna himna, Petar Preradoviæ, medkulturnost, avstrofašizem ACTA NEOPHILOLOGICA UDK: 821.112.2(436).09:929Preradoviæ P.v. DOI: 10.4312/an.52.1-2.167-182