Elisabeth Schöggl-Ernst1 COOPERATION BETWEEN THE ASSOCIATIONS OF ARCHIVISTS IN AUSTRIA, GERMANY AND SWITZERLAND IN QUESTIONS OF APPRAISAL Abstract Purpose: The author deals with cooperation of the working groups amongst the associ- ations of archivists in Austria, Germany and Switzerland in questions of appraisal. Com- mon to all three working groups is the intention to support archivists in appraisal work as best as possible, to provide them with assistance and to make appraisal transparent. The cooperating working groups have set the goal of exploiting synergy effects and jointly solving evaluation issues. Method/approach: The author describes the genesis of the three working groups, their terms of reference during their existence, and the results of their discussions. As a next step, she discusses the perspectives and goals of the cooperation. Results: The benefit of cross-national cooperation in appraisal issues is documented and common issues are presented. Key words: cooperation, appraisal, archival science, records management, digital long- term preservation COOPERAZIONE TRA LE ASSOCIAZIONI DEGLI ARCHIVISTI IN AUSTRIA, GERMANIA E SVIZZERA NELLE QUESTIONI RIGUARDANTI LA VALUTAZIONE Abstract Scopo: L‘autore si occupa della cooperazione dei gruppi di lavoro tra le associazioni di archivisti in Austria, Germania e Svizzera in questioni di valutazione. Comune a tutti e tre i gruppi di lavoro è l‘intenzione di supportare al meglio gli archivisti nel lavoro estima- tivo, di fornire loro assistenza e di rendere trasparente l‘attività estimativa. I gruppi di lavoro cooperanti si sono prefissati l‘obiettivo di sfruttare gli effetti sinergici e risolvere congiuntamente i problemi di valutazione. Metodo/approccio: L‘autore descrive la genesi dei tre gruppi di lavoro, i loro termini di riferimento durante la loro esistenza ei risultati delle loro discussioni. Come passo suc- cessivo, discute le prospettive e gli obiettivi della cooperazione. Risultati: il vantaggio della cooperazione transnazionale nelle questioni di valutazione è documentato e vengono presentate le questioni comuni. Parole chiave: cooperazione, valutazione, scienza archivistica, gestione dei record, con- servazione digitale a lungo termine 1 ELISABETH SCHÖGGL-ERNST, Hon.-Prof. Mag. Dr. MAS, Steiermärkisches Landesarchiv, Karmeliterplatz 3, A-8010 Graz, IIAS member, elisabeth.schoeggl-ernst@stmk.gv.at 53COOPERATION BETWEEN THE ASSOCIATIONS OF ARCHIVISTS IN AUSTRIA, GERMANY AND SWITZERLAND IN QUESTIONS OF APPRAISAL ELISABETH SCHÖGGL-ERNST SODELOVANJE PRI VPRAŠANJH VREDNOTENJA MED DELOVNIMI SKUPINAMI ARHIVSKIH DRUŠTEV AVSTRIJE, NEMČIJE IN ŠVICE Abstract Namen: Prispevek obravnava sodelovanje delovnih skupin za vrednotenje arhivskega gradiva iz Avstrije, Nemčije in Švice. Vsem je skupna namera zagotoviti najboljšo pod- poro pri vprašanjih vrednotenja in jim zagotoviti orodja ter narediti vrednotenje trans- parentno. Delovna skupina treh držav si je zadala za cilj, izkoristiti sinergijske učinke in skupaj reševati vprašanja vrednotenja. Metoda: Avtor opisuje nastanek treh delovnih skupin, njihove naloge v času njihovega obstoja in rezultate njihovih razprav. V naslednjem koraku bodo razpravljali o perspek- tivah in ciljih delovne skupine treh držav. Rezultati: Dokumentirana je dodana vrednost transnacionalnega sodelovanja pri eval- vacijskih vprašanjih in predstavljena so pogosta vprašanja. Ključne besede: sodelovanje, vrednotenje, arhivistika, upravljanje z dokumenti, digi- talno arhiviranje ZUSAMMENARBEIT IN FRAGEN DER BEWERTUNG ZWISCHEN DEN ARBEITSGRUPPEN DER ARCHIVVERBÄNDE ÖSTERREICHS, DEUTSCHLANDS UND DER SCHWEIZ Abstract Zweck: Im Beitrag wird die Zusammenarbeit der Arbeitsgruppen Bewertung der Archiv- verbände aus Österreich, Deutschland und der Schweiz erörtert. Allen gemeinsam ist die Intention, die Archivarinnen und Archivare in Bewertungsfragen bestmöglich zu unterstützen, ihnen Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen und Bewertung transparent zu gestalten. Die Drei-Länder-Arbeitsgruppe hat sich zum Ziel gesetzt hat, Synergieeffekte zu nutzen und Bewertungsfragen gemeinsam zu lösen. Methode: Die Autorin beschreibt die Genese der drei Arbeitsgruppen, ihre Aufgabenstel- lungen im Laufe ihres Bestehens und die Resultate ihrer Diskussionen. In einem nächsten Schritt werden die Perspektiven und Ziele der Drei-Länder-Arbeitsgruppe erörtert. Resultate: Der Mehrwert einer länderübergreifenden Kooperation in Bewertungsfra- gen wird dokumentiert und gemeinsame Fragestellungen präsentiert. Schlüsselwörter: Kooperation, Bewertung, Archivwissenschaft, Records Management, digitale Archivierung 54 COOPERATION BETWEEN THE ASSOCIATIONS OF ARCHIVISTS IN AUSTRIA, GERMANY AND SWITZERLAND IN QUESTIONS OF APPRAISAL ELISABETH SCHÖGGL-ERNST 1. EINLEITUNG Im Beitrag wird die Zusammenarbeit der Arbeitsgruppen Bewertung der Archivver- bände aus Österreich, Deutschland und der Schweiz erörtert. Die drei Arbeitsgruppen bestehen bereits seit einigen Jahren, haben in dieser Zeit verschiedene Aspekte zur Be- wertung bearbeitet und dazu Beiträge, Anleitungen, Checklisten und Positionspapiere veröffentlicht. Allen gemeinsam ist die Intention, die Archivarinnen und Archivare in Bewertungsfragen bestmöglich zu unterstützen und ihnen Anleitungen zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus soll Bewertung transparent gestaltet und, sofern dies mög- lich ist, vereinheitlicht werden, um der Forschung vergleichbare Resultate vorlegen zu können. Denn lange Zeit wurde Bewertung nach Gutdünken und Erfahrung der Archi- var*innen betrieben. Ihre Bewertungsmethoden waren höchstens im eigenen Archiv bekannt, sie wurden aber für den Nutzerkreis nicht offengelegt. Jede der drei Arbeits- gruppen hat sich zum Ziele gesetzt, die Bewertungsarbeit, wenn möglich, zu verein- heitlichen und die Konzepte und Methoden zu veröffentlichen. Die drei Arbeitsgruppen haben sich inzwischen mit unterschiedlichen Teilbereichen beschäftigt. Aus einer Kontaktaufnahme zwischen Mitgliedern der Arbeitsgruppen hat sich eine Ko- operation entwickelt. Erfahrungen sollen ausgetauscht, Synergieeffekte genutzt und Bewertungsfragen gemeinsam gelöst werden. Dieser Beitrag soll die Genese der drei Arbeitsgruppen, den Nutzen und die Ziele einer Zusammenarbeit darstellen. 2. DIE GENESE DER DREI ARBEITSGRUPPEN 2.1. ARBEITSGRUPPE BEWERTUNG DES SCHWEIZER ARCHIVVEREINS Die Arbeitsgruppe Bewertung des Schweizer Archivvereins besteht derzeit aus zehn Mitgliedern, die alle Ebenen der Archive vertreten, das Bundesarchiv, Kantonsarchive und Kommunalarchive. Geleitet wird die Arbeitsgruppe derzeit von Stefan Boller, Archi- var im Staatsarchiv des Kantons Bern. Innerhalb des Schweizer Archivverbandes wurde bereits 1980 eine Koordinationskom- mission (KoKo) für Bewertung ins Leben gerufen. Die Koordinationskommission wurde vom Verein Schweizer Archivarinnen und Archivare (VSA) als Arbeitsgruppe eingerichtet und mit einem Mandat für ihre Arbeit versehen. Die KoKo war dem Vorstand des VSA un- terstellt. Der Schweizer Archivverein hat demnach als erster im deutschen Sprachraum die Kräfte gebündelt für eine gemeinsame und konzertierte Arbeit an Bewertungsfra- gen. Innerhalb der Kommission wurden Untergruppen gebildet, die verschiedene Be- wertungsprojekte bearbeiteten. Einzelne Mitglieder der KoKo erstellten Bewertungs- papiere, die aus den Bewertungstätigkeiten von Archiven hervorgegangen sind. 2008 wurde die Kommission in „Arbeitsgruppe Bewertung“ umbenannt und mit einem erweiterten Mandat versehen (VSA-AAS, 2008). Dieses Mandat wurde letztmals am 3. Mai 2018 vom Vorstand des VSA in aktualisierter Form genehmigt (VSA-AAS, 2018). Die Mitglieder werden von Archiven des Bundes, der Kantone und der Gemeinden in die Arbeitsgruppe entsandt und beschäftigen sich primär mit Bewertungsfragen staatli- cher Unterlagen. Bewertungsentscheidungen sind von großer Tragweite, da sie fest- legen, welches Bild der Gesellschaft künftigen Generationen überliefert wird. Die Arbeitsgruppe hat daher den Auftrag, Transparenz in der Bewertung sicherzustellen, Bewertungsmodelle und Archivierungsempfehlungen zu erarbeiten, Überlieferungs- vereinbarungen von Unterlagen interkantonaler und interkommunalen Organisatio- nen und Institutionen zu erstellen und Bewertungsentscheide in staatlichen Archiven zu verbreiten. Gleichzeitig vertritt sie das Anliegen, die Bewertungskompetenzen von Archivarinnen und Archivaren zu stärken. Darüber hinaus werden neue einschlägige 55COOPERATION BETWEEN THE ASSOCIATIONS OF ARCHIVISTS IN AUSTRIA, GERMANY AND SWITZERLAND IN QUESTIONS OF APPRAISAL ELISABETH SCHÖGGL-ERNST Entwicklungen in Gesetzgebung und Verwaltung beobachtet. Alle publikationsreifen Ergebnisse müssen vor ihrer Veröffentlichung dem Vereinsvorstand vorgelegt werden. In einem Flyer präsentiert die Arbeitsgruppe ihr Motto in prägnanter Form: „Wir sehen die Vergangenheit aus der Perspektive der Zukunft.“ Die Schweizer Arbeitsgruppe stellt sowohl den Archivar*innen als auch den Aktenbild- nern Bewertungsgrundlagen auf ihrer Homepage zur Verfügung. Dazu zählen ein Leit- faden für Sampling, ein weiterer für Klumpenstichproben nach Nachnamen, aber auch Grundlagen zur Bewertung fotografischer Bestände sowie eine sehr nützliche Checklis- te zur archivischen Bewertung von Fachanwendungen. Darüber hinaus bietet sie einen Link zu Diplomarbeiten, deren Autor*innen sich seit 2004 mit Themen zur Bewertung in Archiven beschäftigt haben. Die Arbeitsgruppe hat bereits eine Vielzahl einzelner Bewertungsentscheidungen und Bewertungskonzepte publiziert, die in öffentlichen Archiven entstanden sind und je- dem/r Archivar*in zur Verfügung stehen. So findet man auf der Homepage 46 Empfeh- lungen aus den Jahren 2006 bis 2018 allein für den Bereich der „Innere Organisation“ der Verwaltung. Für den Bereich „Erziehung – Bildung – Kultur“ wurden von 1999 bis 2017 44 Bewertungsgrundlagen veröffentlicht, von denen einige bereits überarbeitet sind. Für Unterlagen zu „Gesundheit und Soziale Sicherheit“ findet man 56 Empfehlun- gen beginnend mit dem Jahr 2003, zum Themenkomplex „Umwelt und Bauwesen“ sind 25 Empfehlungen ab dem Jahr 2004 online, zum „Finanzwesen“ 27 Empfehlungen ab 2001, zur „Sicherheit“ 26 Empfehlungen seit 1998, zu den Themen „Volkswirtschaft – Arbeit“ 29 Dokumente ab 2001, zum Thema „Recht“ 46 Empfehlungen ab 2001, zu den Bereichen „Infrastrukturen – Verkehr – Energie“ findet man 35 Empfehlungen ab 2008, von denen ebenfalls einige wenige bereits obsolet geworden sind; schließlich bietet die Arbeitsgruppe weitere 5 Empfehlungen zum Thema „Außenbeziehungen“ ab dem Jahr 2008 an. Bei dieser Fülle von Bewertungsentscheidungen findet sich kaum ein The- ma, zu dem man sich keine Anregungen holen kann. Die Arbeitsgruppe betont aber, dass dies Bewertungsgrundlagen einzelner Archive sind. Nachfragen zu speziellen Vor- gangsweisen müssen daher direkt bei den Archiven eingeholt werden. Ältere Bewer- tungsempfehlungen werden überarbeitet. Diese Revision ist noch nicht abgeschlos- sen. Zusätzliche Bewertungsentscheidungen werden gerne entgegengenommen. Die Arbeitsgruppe stellt dafür ein Formular auf der Homepage zur Verfügung. Die Schweizer Arbeitsgruppe beschäftigt sich auch in Vereinbarungen mit den Proveni- enzbildnern für eine konzertierte Überlieferungsbildung. Diese Vereinbarungen werden schriftlich festgehalten und stehen auf der Homepage zur Einsichtnahme zur Verfügung. Sie enthalten die rechtlichen Grundlagen, die den Aufgabenbereich der jeweiligen Ins- titutionen definieren und beschreiben. Darin wird auch die Zuständigkeit der Archive für die Übernahme der Bestände in den einzelnen Bereichen festgelegt. Insgesamt bietet die Arbeitsgruppe 23 Vereinbarungen in acht thematisch geordneten Gruppen. Ein weiteres Thema, dem sich die Arbeitsgruppe widmet, ist die Koordination der Be- wertung von Informationssystemen, die gemeinsam von Bund und Kantonen geführt werden. Die Dienststellen bieten Daten aus solchen Applikationen vorwiegend dem Bundesarchiv an, das eine Bewertungsentscheidung trifft. Die kantonalen Archive sind jedoch ebenfalls in die Bewertung miteinzubeziehen, da sie Daten in diese Systeme einspeisen. Die Arbeitsgruppe hat eine Liste solcher Informationssysteme erstellt, die 32 Applikationen mit ihren Beschreibungen und den Bewertungsentscheidungen ent- hält. Gleichzeitig verweist man in der Homepage auf die KOST (Koordinierungsstelle für die dauerhafte Archivierung elektronischer Unterlagen), da Ebenen übergreifende In- formationssysteme auch in deren Kompetenzbereich fallen. 56 COOPERATION BETWEEN THE ASSOCIATIONS OF ARCHIVISTS IN AUSTRIA, GERMANY AND SWITZERLAND IN QUESTIONS OF APPRAISAL ELISABETH SCHÖGGL-ERNST Die Arbeitsgruppe beschäftigt sich derzeit näher mit der Checkliste zur archivischen Be- wertung von Fachanwendungen und erarbeitet weitere Bewertungsentscheide und Archivierungsempfehlungen – etwa zu den kantonalen Ethikkommissionen und zu Pa- tientenakten von Krankenanstalten. 2.2. ARBEITSKREIS ARCHIVISCHE BEWERTUNG – DEUTSCHLAND 2001 wurde die Absicht zur Bildung eines fachübergreifenden Arbeitskreises innerhalb des Verbandes deutscher Archivarinnen und Archivare (VdA) diskutiert und diese Diskus- sion im Publikationsorgan „Der Archivar“ dokumentiert. Ziel dieses Arbeitskreises soll- te es sein, „die aktuelle Bewertungsdiskussion praxisorientiert zur Überwindung eher ideologischer Gegensätze voranzutreiben und aus einer solchen Sichtweise heraus kon- krete Hilfsmittel für die tägliche Arbeit zu erarbeiten“ (Kretschmar, 2001). Der Vorstand des VdA begrüßte in der Folge diese Initiative. Vertreter aus allen Fachgruppen sollten in diesen Arbeitskreis entsandt werden. Robert Kretschmar rief bei dieser Gelegenheit zur Mitarbeit auf. Die konstituierende Sitzung des Arbeitskreises Archivische Bewertung fand am 4. Dezember 2001 im Hauptstaatsarchiv Stuttgart statt. Dem oben genannten Aufruf waren 15 Personen gefolgt, die das Programm und die Ziele dieses Arbeitskreises diskutierten. Konkrete Bewertungsentscheidungen sollten kommuniziert und daraus theoretische Grundlagen erarbeitet werden, die man in Empfehlungen zu publizieren beabsichtigte. Zu Bewertungsmodellen waren Stellungnahmen geplant, und die Über- lieferungsbildung digitaler Unterlagen musste miteinbezogen werden. Auch die Nut- zerperspektive wollte man beleuchten. Schon damals wurde vorgeschlagen, die Kom- munikation mit ausländischen Kolleginnen und Kollegen zu suchen. Robert Kretschmar übernahm die Leitung dieses Arbeitskreises (Kretschmar, 2002). 2004 veröffentlichte der Arbeitskreis sein Positionspapier auf der Homepage des VdA, das 2005 im Journal „Der Archivar“ publiziert wurde. Mit dem Positionspapier beabsich- tigte der Arbeitskreis, bundesweite Standards zu setzen, den Archivar*innen Werkzeu- ge bereit zu stellen, dem Nutzerkreis die Grundsätze einer Überlieferungsbildung zu vermitteln und die Bewertungsdiskussion anzuregen. Der Arbeitskreis sprach sich da- mals für das Erstellen von Dokumentationszielen aus und lehnte die bloße Evaluierung von Funktionen und Aufgaben der Provenienzbildner ab. Bewertungsmodelle und de- ren Anwendbarkeit wollte man diskutieren. Das Positionspapier wurde mit 15. Oktober 2004 datiert. Es hält eingangs grundsätzliche Überlegungen fest: Den Bewertungsent- scheidungen muss ein Dokumentationsziel zugrunde gelegt werden. Sowohl die Seite der Nutzer wie auch die Beratung der Provenienzbildner sind miteinbezogen. Im zwei- ten Kapitel werden Bewertungverfahren erläutert und schließlich die Bewertung von Massenakten und statistischer Unterlagen thematisiert. Bei der Bewertung elektroni- scher Unterlagen, die in ihrem Gesamtkontext zu erfolgen hat, werden die allgemeinen Grundsätze der Bewertung beibehalten und zusätzlich die Funktionalitäten untersucht. Dies gilt auch für die Bewertung audiovisueller Unterlagen (Kretschmar, 2005). 2011 hat der Arbeitskreis ein Positionspapier zur Überlieferungsbildung im Verbund herausgegeben. In der Folge konzentrierte man sich auf die Bewertung elektronischer Fachverfahren. 2013 wurde dazu ein Diskussionspapier veröffentlicht. Bereits 2015 wurde im Arbeitskreis die Evaluierung von Bewertungsdokumenten diskutiert. Die Mit- glieder des Arbeitskreises stellten Überlegungen an, wie eine solche Evaluierung um- gesetzt werden könnte, welche Maßstäbe dabei zu setzen und welche Ergebnisse zu erwarten sind. 2018 erschien diese Publikation in der Reihe der Sonderveröffentlichun- gen des Landesarchivs Baden-Württemberg (Arbeitskreis „Archivische Bewertung“ im Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e. V., 2018). 57COOPERATION BETWEEN THE ASSOCIATIONS OF ARCHIVISTS IN AUSTRIA, GERMANY AND SWITZERLAND IN QUESTIONS OF APPRAISAL ELISABETH SCHÖGGL-ERNST Der Arbeitskreis besteht heute aus 15 Mitgliedern unter der Leitung von Andrea Wen- denburg vom Historischen Archiv der Stadt Köln. 2.3. DIE ARBEITSGRUPPE ÜBERLIEFERUNGSBILDUNG UND BEWERTUNG IM VERBAND ÖSTERREICHISCHER ARCHIVARINNEN UND ARCHIVARE (VÖA) Die Arbeitsgruppe Überlieferungsbildung und Bewertung im VÖA ist die jüngste in- nerhalb der drei Länder. Sie wurde erst 2018 gegründet und besteht aus sechs Mit- gliedern, die sich aus Vertreter*innen des Österreichischen Staatsarchivs, der Landes- archive, eines kirchlichen Archivs und eines Kommunalarchivs zusammensetzen. Den Vorsitz für Brigitte Rigele vom Wiener Stadt- und Landesarchiv. Das Auftakttreffen fand am 16. Juli 2018 im Wiener Stadt- und Landesarchiv statt. Hier wurden Ziele son- diert und der Aufgabenbereich besprochen. Der Bedarf nach Austauschmöglichkeiten in Bewertungsfragen war evident und wurde von der Arbeitsgruppe aufgenommen. Man wollte Erfahrungsberichte sammeln, Musterbespiele erstellen und sich mit Be- wertungskonzepten und -entscheidungen beschäftigen. Wie bei anderen Arbeits- gruppen des VÖA sollten auch in dieser die Ergebnisse der Diskussionen in möglichst praxisbezogenen Empfehlungen münden. Als erstes Thema wurde die Bewertung von Strafakten der Landesgerichte bis 1974 gewählt. Die Empfehlung wurde zuerst dem VÖA-Vorstand zur Diskussion und zur Genehmigung vorgelegt und anschließend auf der Homepage veröffentlicht. Eingehende Anregungen wollte man laufend ein- arbeiten. Diese Empfehlung wurde im Publikationsorgan des VÖA, Scrinium, Band 74, veröffentlicht (Scrinium, 2020). Als nächstes Thema wandte man sich der Bewertung digitaler Unterlagen zu. Dazu wur- de eine Handreichung erstellt, die den Kolleg*innen als Anleitung zum Einstieg in die digitale Archivierung dienen soll. Die Empfehlung wurde zum besseren Verständnis mit Beispielen angereichert. In einem Glossar sind die wichtigsten Begriffe festgehalten. Nach eingehender Prüfung durch den Vorstand und anschließender Zustimmung wurde die Empfehlung 2021 veröffentlicht (Scrinium, 2021). Die Arbeitsgruppe beschäftigt sich derzeit mit der Bewertung von Fachanwendungen und konzentriert sich im Speziellen auf die Analyse von ausgewählten Beispielen. 3. KOOPERATION DER BEWERTUNGS-ARBEITSGRUPPEN (DEUTSCHLAND, ÖSTERREICH, SCHWEIZ) Im März 2021 wurde die Idee einer Kooperation der drei Arbeitsgruppen im Zuge von Kontakten zwischen Mitgliedern der Arbeitsgruppen geboren und dieses Vorhaben in allen drei Gruppen diskutiert. Die Pläne für eine Zusammenarbeit wurden im Juni 2021 konkretisiert. Noch vor einem gemeinsamen Treffen überlegten einzelne Mitglieder aller drei Gruppen mögliche Themen für eine Kooperation, die von einem gegenseiti- gen Peer-Review für die Publikationen und Empfehlungen, grundsätzlichen Diskussio- nen über Bewertungsfragen bis hin zur Veröffentlichung der Bewertungsunterlagen in den jeweils anderen Publikationsorganen, um den Austausch und den Diskussions- radius zu verbreitern, reichten. Auch Fachtagungen und Workshops wurden überlegt, die man gemeinsam gestalten könnte. Ende Juni fand ein erstes „Dreiergespräch“ mit jeweils einem Vertreter aus allen drei Gruppen statt, in dem die Vorbereitungen für ein Drei-Länder-Gespräch getroffen wurden, das man für November 2021 fixierte. Ein analoges Kennenlernen wurde zwar angestrebt, doch ließ die Covid-19-Epidemie ein solches nicht zu. Das Online-Format erleichterte andererseits die Terminfindung. Das Stadtarchiv Köln stellte seine Onlineplattform zur Verfügung und übernahm die Koordi- nation der Gespräche unter der Leitung von Andrea Wendenburg. 58 COOPERATION BETWEEN THE ASSOCIATIONS OF ARCHIVISTS IN AUSTRIA, GERMANY AND SWITZERLAND IN QUESTIONS OF APPRAISAL ELISABETH SCHÖGGL-ERNST In der ersten gemeinsamen Sitzung am 10. November 2021, entstand nach einer Ken- nenlernrunde eine rege Diskussion um die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit, die in der zweiten Sitzung am 1. Februar 2022 fortgesetzt wurde, an der sich 22 Personen beteiligten. Schließlich einigte man sich auf das Thema Bewertung von Fachanwendun- gen, dem man sich in der Folge zuwenden wollte. Dazu stellte die Schweizer Arbeits- gruppe eine Reihe von Links zu Checklisten und Empfehlungen zur Verfügung, die als Diskussionsgrundlage dienten. In der dritten Sitzung am 25. Mai 2022 erfolgte ein reger Austausch von Informationen und Erfahrungen mit Fachanwendungen. Terminologische Unterschiede wurden the- matisiert, die verschiedenartigen Wege der Erfassung von Fachanwendungen bespro- chen und Bewertungsdetails anhand von konkreten Beispielen erörtert. Offen disku- tierte man über Probleme bei der Übernahme von Fachanwendungen. So wurden etwa Ressourcenprobleme angesprochen. Man ist sich einig, dass eine Sensibilisierung bei den Behörden hinsichtlich der Anbietung von Fachanwendungen erforderlich ist, denn die Aufbewahrungsfristen der Daten in den Behörden sind oft nur sehr kurz und das Be- wusstsein für Archivierung von Fachanwendungen noch relativ gering. Alle drei Län- dergruppen einigten sich schließlich auf Fragestellungen zum Thema Bewertung von Fachanwendungen, die bis zur nächsten Sitzung im Herbst 2022 in Form von Statements beantwortet werden müssen. Das Zustandekommen einer Kooperation ist begrüßenswert. Die Bereitschaft war in al- len drei Arbeitsgruppen vorhanden. Von der Zusammenarbeit erwarten sich die Grup- pen Synergien in der Bearbeitung von Themen. Die Möglichkeit des Erfahrungsaus- tauschs wird besonders hervorgehoben. Da die Arbeitsgruppen aber zu verschiedenen Zeiten gegründet wurden, ist der Output der Gruppen verschieden groß. Trotz dieser unterschiedlichen Ausgangspositionen sind die Problemstellungen ähnliche. Man ist daher zuversichtlich, Bewertungsfragen gemeinsam bearbeiten zu können. Die Koope- ration währt erst kurz, daher sind noch keine Ergebnisse der Zusammenarbeit zu prä- sentieren. Die Mitglieder aller drei Gruppen können sich gemeinsame Projekte und die Publikation der Ergebnisse vorstellen, wie auch bereits vorhandene Empfehlungen in den jeweils anderen Ländern Verbreitung finden könnten. Für die Zukunft böte sich die Möglichkeit, Workshops zu speziellen Themenkreisen der Bewertung zu organisieren oder auch eine Fachtagung zu veranstalten. Die Mitglieder sind optimistisch und hoffen, dass die Zusammenarbeit Früchte tragen wird. ZUSAMMENFASSUNG In der Schweiz, in Deutschland und in Österreich wurden zu unterschiedlichen Zeiten innerhalb der archivischen Fachverbände Arbeitsgruppen gegründet, die sich mit den Themen Überlieferungsbildung und Bewertung auseinandersetzen. Die älteste die- ser Arbeitsgruppen ist jene der Schweiz, die bereits 1980 entstand. 2001 rief man den Arbeitskreis Archivische Bewertung innerhalb des Verbandes deutscher Archivarinnen und Archivare ins Leben. Erst 2018 entstand die Arbeitsgruppe Überlieferungsbildung und Bewertung im Rahmen des Verbandes Österreichischer Archivarinnen und Archiva- re. Alle drei Arbeitsgruppen haben Materialien zu unterschiedlichen Teilaspekten der Bewertung veröffentlicht. Diese Empfehlungen und Konzepte stehen den Kolleg*innen aus den Archiven zur Verfügung, sie sollen die Kooperation mit den Anwendern verein- fachen, sie dienen aber auch der Transparenz der Bewertungsarbeit in Archiven. Im Laufe des Frühjahrs 2021 wurde eine Zusammenarbeit der drei Ländergruppen über- legt und vorbereitet. Die erste virtuelle Sitzung fand im November 2021 statt. Hier wurden die Möglichkeiten einer Kooperation ausgelotet und die Ziele überlegt. Die 59COOPERATION BETWEEN THE ASSOCIATIONS OF ARCHIVISTS IN AUSTRIA, GERMANY AND SWITZERLAND IN QUESTIONS OF APPRAISAL ELISABETH SCHÖGGL-ERNST Kräfte sollen gebündelt werden, Erfahrungen ausgetauscht und Synergien gefunden werden. Zukünftig könnten gemeinsame Workshops oder auch Fachtagungen organi- siert werden. Als erstes gemeinsames Arbeitspaket widmet sich die Drei-Ländergrup- pe dem Thema Bewertung von Fachanwendungen. Dazu sind bereits Vorarbeiten von den Arbeitsgruppen in unterschiedlichem Umfang geleistet worden. Als erster Schritt werden in allen drei Ländern Erhebungen zu den Fachanwendungen getätigt, die den Stand der Bewertung und Archivierung dokumentieren sollen. Die Drei-Ländergruppe hat sich erst vor wenigen Monaten konstituiert. Die Mitglieder der Gruppe sind zuver- sichtlich, dass gemeinsame Ergebnisse erzielt werden, über die in Zukunft berichtet werden kann. REFERENCE LIST Arbeitskreis „Archivische Bewertung“ im Verband deutscher Archivarinnen und Archiv- are e. V. (VdA) (ed.) (2018). Evaluierung von Bewertungsdokumenten. Beiträge zur archivischen Überlieferungsbildung. Stuttgart: Sonderveröffentlichung des Lande- sarchivs Baden-Württemberg. Arbeitsgruppe Überlieferungsbildung und Bewertung, VÖA (2020). Empfehlung zu Be- wertung von Strafakten der Landesgerichte 1945 bis 1974. Scrinium 74, 179–194. Arbeitsgruppe Überlieferungsbildung und Bewertung, VÖA (2021). Handreichung zur Bewertung digitaler Unterlagen. Scrinium 75, 105–132. Kretschmar, R. (2001). Gründung eines fachgruppenübergreifenden Arbeitskreises zur archivischen Bewertung innerhalb des VdA. Der Archivar 54(3), 231. Kretschmar, R. (2002). Der Arbeitskreis „Archivische Bewertung“ im Verband deutscher Archivarinnen und Archivare. Der Archivar 55(3), 245. Kretschmar, R. (2005). Positionen des Arbeitskreises Archivische Bewertung im VdA – Verband deutscher Archivarinnen und Archivare zur archivischen Überlieferungs- bildung. Einführung und Textabdruck. Der Archivar 58(2), 88–94. Verein Schweizerische Archivarinnen und Archivare (VSA-AAS). (2009). Jahresbericht des Vereins Schweizer Archivarinnen und Archivare aus dem Jahr 2008. Bern. https://ar- chiv.vsa-aas.ch/wp-content/uploads/2015/06/Jahresbericht_VSA_2008.pdf. Verein Schweizerische Archivarinnen und Archivare (VSA-AAS). (2018). Mandat der VSA-Ar- beitsgruppe Bewertung vom 3. März 2018. https://archiv.vsa-aas.ch/wp-content/ uploads/2018/05/VSA-AAS_Mandat-AG-Bewertung_d_20180326_20180503.pdf. VdA-Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e.V. (2023). Arbeitskreis Archivische Bewertung. https://www.vda.archiv.net/ueber-den-arbeitskreis-1.html. VdA-Arbeitskreis “Archivische Bewertung”. (2019). Bewertung elektronischer Fachver- fahren.https://www.vda.archiv.net/fileadmin/user_upload/pdf/Arbeitskreise/Ar- chivische_Bewertung/Bewertung_Fachverfahren_Positionen_StandDez2014.pdf. 60 COOPERATION BETWEEN THE ASSOCIATIONS OF ARCHIVISTS IN AUSTRIA, GERMANY AND SWITZERLAND IN QUESTIONS OF APPRAISAL ELISABETH SCHÖGGL-ERNST SUMMARY The association of archivists in Austria, Germany and Switzerland formed working groups at different times, which deal with questions of appraisal. The working group of Switzerland is the oldest amongst the tree ones. It was founded in 1980, whereas the German working group was established in 2001 and the Austrian one in 2018. Since their establishment, the three working groups have published several papers concern- ing partial aspects of appraisal. These recommendations and appraisal models are available for archivists; they should simplify the cooperation with their users and more- over, they serve the transparency of appraisal work. During spring 2021, some members of the working groups considered cooperation be- tween the working groups of the three countries, and they prepared the first meeting. In autumn 2021, they organized the first online meeting. On this meeting, all members considered the possibilities of cooperation and explored the goals. The forces are to be bundled, experiences exchanged and synergies found. At first, the three-country group deals with appraisal of specialized information systems. Preliminary work is carried out to varying degrees within the three working groups. As first step, the members of the three groups make surveys about appraisal and acquisition of information systems in their countries. In the future, joint workshops or symposia could be organized. The co- operation between the three working groups lasts since few months. But the members are confident that they will achieve common results they can report on in the future. 61COOPERATION BETWEEN THE ASSOCIATIONS OF ARCHIVISTS IN AUSTRIA, GERMANY AND SWITZERLAND IN QUESTIONS OF APPRAISAL ELISABETH SCHÖGGL-ERNST