2 \ Pfcrvati 8 Hoohzeit Ein indisches Schauspiel. Zum ersten Male ins Deutsche iibersetzt von Dr. K. Glaser, Professor am k. k. Staats-Obergymnasium in Triest. Scparatabdruck ans dem Jaliresbericlite dcs k. k. Staats-fiymnasinms in Triest vom Jahre 18S6. TRIEST. BtTCHDBUCKEREl DES OSTERB.-UNGAR. LLOYD. 1886 . &i ifimo urn^n Selbstverlag des Verfasse V o i- w <» r t. Diese erste Uebersetzung in eine europaische Sprache, die dem Werke Ba«a’s hiemit zu Theil wird, basirt auf einer Ausgabe des Theaterstlickes, besorgt durch den Patzdit Višzzu Parašur&m Sestri, Bombay 1872, in der Dakshina Prize Book Series N. 5 . Diese Ausgabe enthalt auch eine Uebertragung des Scbauspieles ins Marafhi, eine neuindische Sprache, und zwar in der Anordnung, dass auf einer Seite der Sanskrttext, auf der anderen die MarSzhiiibersetzung gedruckt ist. Diese gibt die metrischen Parthien nicht nur metrisch, sondern sogar gereimt und ist im Allgemeinen ziemlicb frei. Indische Theaterstucke so zu verdeutschen, dass man die metrischen Parthien in Prosa wiedergibt, wie es Bohtlingk in seiner Mrcchakatika gethan hat, tviirde den jetzigen Anforderungen an eine Uebersetzung nicht geniigen, da Dr. L. Fritze nicht allein indische Schauspiele*), sondern auch das Pančatantra in einer bis jetzt noch nicht erreichbaren Treue und Schonheit des Ausdruckes in Versen wiedergegeben hat; in Pančatantra tibersetzt er natiirlich nur die eingestreuten Spriiche metrisch. Darin weiche ich von Fritze ab, dass ich die prosaischen Theile auch in Prosa wiedergebe, weil ich glaube, dass dadurch dem Leser die Eigenthumlichkeit der *) Von vvelchen die meisten in der Reclam’schen Universalbibliothek er- schienen; den Reigen seiner Uebersetzungen eroffnete er in seinem „Indischen Theater“, Chemnitz I. und II. Bandchen, .enthaltend Cakuntala und Ratnavali; in der erwahnten Universalbibliothek erschienen dann Urvaci, Malavika, Kaudka’s Zorn, Malati und Madhava; demnachst erscheint Mudrarakšasa. * [V — indischen Form leibbaftiger vor die Augen tritt. Natlirlich konnen liber einen solchen Punct die Ansichten verschieden sein. Der Dichter hat die Fabel des Schauspieles nicht erfunden, sondern einen den Indern sehr gelaufigen Stoff behandelt, den der grosse indische Dichter, der im 3. Jahrhunderte nach Cbristi Geburt lebende Kialidasa in seinem aus sieben Gesangen bestehenden epischen Gedicht Kumara sambhava = Geburt des Prinzen, verherrlicht. Bekanntlicb wird dieses Gedicht in Indien in den Schulen vielfach gelesen. Die Sage ist nach diesem Dichter folgende: Himalaya, der Berggott, erzeugte mit seiner Gemahlin Mena zuerst den Sohn Menaka. Hierauf aber bat Sati,*) die erste Gemahlin des Gottes Civa, die Gemahlin des Berggottes, sie mochte als ilire Tochter geboren werden. Ihrem Wunsche wurde Folge gegeben unči sie wurde als seine Tochter Parvati geboren und zeichnete sich durch grosse Scbonheit aus. Narada, der gottliche Seher, sah sie zufallig und beschloss allsogleicli sie zur Gemahlin des Civa zu machen, denn sie allein sei seiner vvtirdig. Civa selbst aber gab sich nach dem Verluste seiner Gemahlin auf dem Berge Himalaya schweren Btissungen hin. Da der Berggott in die Verbindung seiner Tochter mit Civa einwilligte, so trug er ihr auf, Alles zu unter- nehmen, um sich den Gott gtinstig zu stimmen. Sie sammelte taglich Blumen und Graser und brachte sie ihm in Begleitung ihrer Freundinnen. (Kumarasambhava I. Gesang.) Zu jener Zeit begaben sich alle Gotter, weil sie vom Unhold Taraka bedrangt wurden, zu Brahma und baten um Abhilfe. Freundlich sagte ihnen die oberste Gottheit diese zu, jedoch konne sie nur durch einen Spross Civa’s gebracht werden. Indra begab sich nun zu Kama, dem Liebesgott, und bat ihn um seine freund- liche Unterstiitzung. (K. II.) Um dem Wunsche der Gotter zu entsprechen, begab sich dieser, begleitet von seiner Gemahlin Rati und dem Frtihlingsgotte Madhava auf den Himalaya. Wahrend sich die Natur in der herrlichsten Schone zeigte, indem sie ihr schonstes • *) Dakscha war Brahma’s Sohn und Vater der Sati; er vermahlte sie dem Gotte Civa, hasste aber diesen seinen Schwiegersohn so stark, dass er ihn, als er einmal alle Gotter zu einem Opfer einlud, ganz tiberging; aus Gram dariiber sturzte sich Sati ins Feuer, wurde aber als Tochter des Himalaja wiedergeboren, und zwar unter dem Namen Uma oder Parvati. - v — Friihlingskleid anzog, und vvahrend die Vogel den lieblichsten Gesang ertonen Hessen, naherte sich der Liebesgott Civa, welcher unbevveg- lich sich tiefer Andacht hingab. Kima verliert bei diesem Anblick den Muth, ihm sinken schlaff die Arrne herunter. In diesem bedenk- lichen Augenblicke, wo das Werk dem Scheitern nahe ist, erscheint Parvati in Begleitung von Waldgottinen und verleiht Kama neuen Muth. Jetzt beendet Civa seine Andacht, athmet auf und verandert seine Stellung. Da meldet ihm Nandin, einer aus dem Gefolge des Civa, dass Parvati gekommen sei, um ihm ihre Verehrung darzu- bringen. Dieser gibt die Erlaubniss dazu. Des Berggottes Tochter streut ihm Blumen zu den Fussen und verneigt sich tief vor ihm. Civa vviinscht ihr zum Danke fur diese Huldigung einen ergebenen Gemahl, fiihlt aber zugleich beim Anblick dieses schSnen Miidchens eine gevvaltige innere Erregung, deren Grund er nicht begreifen kann; neugierig blickt er herum, um zu sehen, woher sie denn gekommen sei und erblickt — den Liebesgott. Zornerfullt entsendet er aus seinem dritten Auge auf der Štirne ein verzehrendes Feuer, vvelches Kama in Asche verwandelt, und verschvvindet auf der Stelle. Nachdem Himtdaya seine trauernde Tochter auf den Armen in sein Haus gebracht hatte (K. III.) ergeht sich Rati, des Liebes- gottes Gemahlin, in schmerzliche Klagen uber den Verlust, der sie getroffen. (K. IV.) Parvati, voli Schmerz dariiber, dass ihr ihre herrliche Gestalt zum ehelichen Gliicke nicht verhelfen kann, beschliesst ihr Leben in Beschaulichkeit und Busse zuzubringen und kann weder vom Vater, noch von der liebenden Mutter davon abgehalten werden. Zu diesem Zwecke begibt sie sich auf den Berg Himiilaya und kasteit sich hier. Da komnit des Weges einher ein Anachoret und wird von ihr ehrfurchtsvoll ernpfangen. Er erkundigt sich nach der Ursache, vvarum sie denn ein so entsagungsvolles Leben fiihre, bekommt aber, weil Parvati keiner Antvvort machtig ist, von ihren Freun- dinen dariiber Aufschluss. Um ihre Liebe zu Civa auf die Probe zu stellen, erzahlt er iiber den Auservvahlten des Miidchens nur Schlimmes. Sie vertheidigt Civa aufs Warmste und heisst den Anachoreten sich entfernen, wenn er von seinen Schmiihungen nicht ablassen wolle. Dadurch iiberzeugt von der tiefen Neigung des Miidchens, gibt sich der Anachoret als Civa selbst zu erkennen. (K. V.) — VI — Jetzt erscheinen die sieben Rš i’s *) mit ihrer Gattin Arundhati vor Civa, in dem sich beim Anblick der lieblicben Gattin der Seber der Wunsch regt, eine Gattin sich zu nehmen, denn bei Vollfiihrung der guten Handlungen seien Frauen eine Hauptstiitze. Er ersucht die Seher, sich zu Himalaya nach Ošadhiprastha zu begeben und fiir ihn um die Tochter des Bergfursten anzuhalten. Seinem Wunsche vvillfahrend, begeben sie sich zu Himtlaya, welcher, von seiner Gattin und der Tochter begleitet, ihnen reiche Ehren- geschenke entgegenbringt und sie ehrfurchtsvoll nach ihrem Begehr fragt. Wahrend sie ihr Anliegen vorbringen, steht Ptrvati beschamt an der Seite des Vaters und spielt mit Blumen. Him§laya gibt natiirlich freudeerfiillt seine Zustimmung, es wird der dritte darauf- folgende Tag als Hochzeitstag festgesetzt. (K. VI.) Alle Hauser der Stadt Ošadhiprastha, wo Himalaya residirte, legten festlichen Schmuck an, um den Ehrentag der Bergestochter mitzufeiern. Sie selbst wird prachtvoll geziert, um im schSnsten Glanze den Brau- tigam zu empfangen. Nachdem alle Vorkehrungen getroffen worden waren, erscheint Civa, und vvird vom Bergfursten begriisst, in das Haus geleitet und mit Festgeschenken geehrt. Neugierige Frauen waren auf die Gasse geeilt, um den Hochzeitszug sich anzusehen. In Gegenwart von Berg- und Himmelsgottern und der sieben Weisen, vvurde die Vermahlung vollzogen. Darauf baten die Gotter Civa, er moge den in Asche vervvan- delten Kama vvieder ins Leben rufen, welchen Versuch er gern und sogleich erfiillte. (K. VII.) In neuerer Zeit vvurden noch 11 Gesange von Kumara- sambhava aufgefunden, von denen der erste, die vorausgehenden sieben mitgezahlt, der achte, noch wie seine Vorganger von Mallinatha commentirt sind. Den Rest IX.—XVIII. halt A. Weber, Zeit- schrift der Deutschen Morgenlandischen Gesellschaft XXVIII., pag. 181 —182, fiir verdachtig, Jakobi, Verhandlungen des fiinften orientalischen Congresses, Berlin 1882, pag. r 33 — 35 , fiir ent- schieden unecht. *) Die .R š i ’s sind Sanger und Dichter der heiligen Lieder, in der spateren Zeit die Heiligen derVorzeit; am Himmel sind die sieben Z?ši’s die sieben Sterne des grossen Baren; spater bezeichnet es Oberhaupt einen heiligen Mann. Arundhati = Schlingpflanze, Gattin des Vasišt/ta; und Gattin der i?ši’s und als solche auch im Gestirn. - VII Diesen Sagenstoff, soweit er in den sieben ersten Gesangen behandelt wird, bearbeitete der Dichter Bž«a fiir sein Theaterstiick. Wie weit sich der Dichter sowohl in Bezug auf Stoff wie Diction an den epischen Dichter KalidSsa anschloss, dariiber berichtete genauer der Uebersetzer in einer von der k. k. Akademie der Wissenschaften zu Wien 1883 berausgegebenen Abhandlung; fiir den mit der vorliegenden Uebersetzung beabsichtigten Zweck mogen kiirzere Andeutungen geniigen ; auch kann der geneigte Leser die Entwicklung der Handlung selbst mit der hier vorausgeschickten Inhaltsangabe von Kumarasambhava I.—VII. vergleichen. Er lasst alle vveitlaufigen Schilderungen von Orten und Per- sonen, breite Darstellungen von Gemuthszustanden und lang aus- gesponnene Reden aus, z. B. die Beschreibung des Berges Himalaya, K. I, 5—r 8, die Schilderung der Schonheit der Parvati, K. I, 29 — 50, die Darstellung von T§raka’s Unthaten, K. II, 3o—51, die Beschrei¬ bung des Aufenthaltes des Civa, K. III, 25 — 44, die Klage der Gemahlin des Liebesgottes, K. IV, 1—46; die biissende Parvati, K. V, 9-29; in der Schilderung der Ausschmiickung Parvati’s dehnen sich beide Dichter ungefahr gleich weit aus, — 14 Cloken — in K. VI, 53 —63, 66—83. Es sind auch nicht alle Gesange von Kumarasambha in gleicher Weise ausgeniitzt; vvahrend der siebente gleichsam nur paraphrasirt erscheint, ist der ganze vierte, die Klage der Rati enthaltend, nur durch einen Cloka vviedergegeben; dazwischen liegen die iibrigen in der Reihenfolge 6, 3, 5, 2, 1. Eine Neuerung des Schauspieldichters ist die Einfiihrung des Kammerers, welcher die Ošhadiprasther zur Ausschmiickung ihrer Stadt auffordert; abweichend vom Epos treten noch auf Brhaspati end mehrere Matronen; es ist wohl im Epos auch die Rede von Freundinen; hier werden aber JayS und Vijaya speciell auf- gefiihrt und greifen selbststandig in die Handlung ein, nicht m.nder die in den indischen Schauspielen so beliebten Wald- gottinen Rambha und Vasanta. Die Freundinen treten vorvvie- ger.d im vierten Act, die Gottinen im zweiten auf. Es musste natiirlich nach dem Gebrauch des indischen Theaters im Vorspiel der Director auftreten, der sich in ein Gesprtich mit der Schau- spielerin einlasst; neu sind auch der GStterbote, dann Višnu selbst und die Kauciki. Mit dem vierten Act hiitte die Handlung schliessen konncn. — VIII — Was den Dichter Bina selbst anbelangt, so ist zu bemerken, dass er am Anfange des siebenten Jahrhundertes am Hofe des Konigs Cribarša lebte. Er war ein Spross des Vatsastammes, wie es im Vorspiel selbst heisst', sein Vater hiess Citrabhlnu, seme Mutter Rljyadevi, sein Grossvater Arthapati, sein Urgrossvater Kuvera. Im 14. Lebensjahre verlor er seinen Vater, (er lebte im Dorfe Pritikata). Nachdem er Jaštigrha, wo er sich einige Zeit aufgehalten hatte, verlassen, begab er sich nach der Stadt Manipura und lebte dort am Hofe des oben genannten Harša, welcher auch Haršavardhana hiess.*) Als Jugendgenossen des Dichters werden Bhadra und Nlrlyana genannt. Er ist auch Verfasser des Haršacarita und der Kadambari; die Ratnavali, welche Wilson ins zvvolfte Jahrhundert setzte, und dem Dichter Dhlvaka zuschrieb, ist auch von Bina verfasst. Diese Meinung sprach zuerst Fitz Edward Hall in der Einleitung zur Vlsavadattl p. i5 aus (vergl. auch Weber, Ind. Streifen I, 356). Derselben Ansicht huldigt auch Biihler, welcher nachwies, dass in Kaschmir an den Stellen des Kavyapraklca „Blna“ und nicht „Dhavaka“ gelesen wird, vvelchen diePandits daselbst gar nicht kennen. In der Analyse der Kadambari bemerkt Weber, Ind. Streifen I, 353, dass er dieses Werk chronologisch nach Dandin’s Dacakumara (zuerst von Wilson, dann 1873 von Biihler berausgegeben) setzt und „ungemein viel wichtige Data. fiir die Gulturverhaltnisse des indischen Lebens, insbesondere des Hoflebens und eine sehr reiche Ausbeute fiir das Lexikon“ daraus erhofft, obgleich er ihm „eine bis ins Widerliche gehende Weitschweifigkeit und Tautologie und durch eine alles Mass iiberschreitende Ueberladung der einzelnen Worter mit Epithetis" mit Recht vorvvirft. Ausser diesen Werken wird auch Cant/ikacataka, von welchem Biihler Indian Antiquary I, 111 — x 15, Kunde gibt und 6 Stropbeu davon veroffentlicht, Bana zugeschrieben. Dort wird erzahlt, dass Mayura sich mit dem Gedichte Survacataka vom Aussatze befreit habe; Bina habe sich selbst verstiimmelt und in einem aus *) Damit stimmen auch die Angaben des chinesischen Pilgers Hiuen Thsang, welcher von 629—645 Indien bereiste, und ilber den in Kanyakubja herrsclienden K6nig gleichen Namens Bericht erstattet. IX 102 Cloka’s bestehenden Gedichte an Caarfika (Beiname der Durga), mit Erfolg um Abhilfe gewendet. Eine genaue Analyse ist schwer zu geben, da der Dichter nach keinem einheitlichen Plane vorging. Mehrere Handschriften und einen Commentar dieses Werkes erwarb Buhler fur die indische Regierung, Das Gedicht ist in Cardulvikridita- strophen verfasst. Im Haršacarita preist Bž«a in Versen mehrere Vorganger, unter anderen Caura, VSsavadatti., Batfa-Haricandra, Satavahana als Verfasser eines Worterbuches, Basa als Dramatiker u. s. w. Als nach Ba?za’s Zeit lebend ergeben sich Govardhana, Jayadeva Trivikramabatta, Verf. der Damayantikatht Weber 1. c. p. 358. Schon zu Da«din’s Zeit hatten sich „landschaftlich geschiedene , Stylarten (rti)“ gebildet, namlich der Gau