kM ^//^L, ^^^ "^/, ^F^ Eiut MM nm die nördliche Hemisphäre in A'vl'llidlm.q mit der ^stasiatischen Spedition in den Jahren l^l) und !M. ' Wilhelm Mine. Elster Theil. ^cipziss: ^, A. B r o ck l, a i! 5. 16U4. Eine Weltreist um die nördliche Hemisphäre. One Weltreise um die nördliche Hemisphäre in Verbindung mit der Ostasiatischen Expedition in dm Jahren 1800 und 1861. Von Wilhelm Heine. Erster Theil. Leipzig! F. A. Brockhaus. 1864. Das Uebersetzungsrecht ift twrbehalten. Dem Andenken unserer Kameraden vom Schooner Frauenlob ist dieses Buch gewidmet vom Verfasser. Vorwort. 2)ic nachfolgenden Blätter sind eine Sammlnng von Briefen, geschrieben während meiner zweiten Neise um die Erde, Ich unternahm dieselbe als Mitglied der von der königlich preußischen Regierung nach Ostasien entsendeten Expedition. Ueber die Wichtigkeit eines derartigen Unternehmens hatte ich die Ehre, am 7. Mai 1859 vor der Geographischen Gesellschaft in Berlin einen Vortrag zu halten, der in kurzen Zügen die wesentlichsten Punkte der Sachlage berührte. Da verschiedene hochgestellte Personen über den behandelten Gegenstand weitere Besprechungen veranlaßten, auch sonst noch weitläufige Erörterungen, Correspondenzen und Verhandlungen dadurch hervorgerufen wurden, so lasse ich den Wortlaut meines Vortrags im Anhang des zweiten Theils VII l folgen. Es war leider nicht möglich, das mir selbst gestellte Programm in der beabsichtigten Weise auszuführen; die Gründe, warum dies mcht geschah, erhellen aus den Begebenheiten. Ein Theil der folgenden Briefe ist bereits in der Kölnischen, der augsburger Allgemeinen und der leipziger Illustrirten Zeitung veröffentlicht worden; bei dein hohen Interesse jedoch, welches die preußische Expedition erregt hat, dürfte die vollständige Sammlung der Briefe, zumal mehrere derselben bisher noch unveröffentlicht geblieben sind, der Lesewelt nicht unwillkommen erscheinen. Alles ward in seiner ursprünglichen Fassung gelassen; eine umständliche Bearbeitung würde mehr Zeit und Muße erfordern, als mir augenblicklich zu Gebote steht; denn ehe Gegenwärtiges vor das Publikum tritt, werde ich, so Gott will, wieder bei der Nnionsarmee sein, die ich verließ, als Invalidität längern Aufenthalt im Felde unmöglich machte und ich mich genöthigt sah, Heilung in Deutschland zu suchen und Gott sei Dank l auch zu finden. Nachdem meine Gesundheit wiederhergestellt ist, halte ich es für Pflicht, sogleich nach dem Kriegsschauplatz zurückzukehren. Sollten die Schilderungen der Sitten und Gebräuche in China und Japan dürftig erscheinen, so bedenke man IX wie viel in der Neuzeit über diesen Gegenstand geschrieben worden, wozu ich selbst bereits sechs Bände geliefert. Ein wissenschaftliches, Mitglied der Expedition (Hr. Dr. Maron) hat diesen Gegenstand in einer sehr schönen nnd gelungenen Weise behandelt. Aus ähnlichem Grunde unterblieb auch die Beigabe von Illustrationen. Was meine Stellung in der Expedition betrifft, so ward ich vom Chef derselben „zunächst als Zeichner" benannt, meine litcrarische Thätigkeit von ihm „zunächst nicht beansprucht, da die Mitglieder seines diplomatischen Stabes diesem Fach genügen würden". Auch ward gewünscht, daß ich die Aufsicht über die Arbeiten der Herren Photographen führen sollte, und meine früher in jenen Gegenden gemachten Erfahrungen „nicht vorenthalte, wenn ich danach gefragt würde". Ueber den Plan der Expedition belehrt am besten die betreffende Denkschrift des Hrn. Finanzministers; sie ist in einem Artikel der Voß'schen Zeitung vom 18. Febr. 1860, den ich deshalb im Anhang wiedergebe, auszugsweise mitgetheilt worden. Einer Kritik über die Leistungen der Expedition enthalte ich mich gänzlich, denn der königlichen Regierung ist es vorbehalten, eine ausführliche Schilderung von dem Verlauf dieses wichtigen Unternehmens zu veröffentlichen. Indem ich Deutschland wieder verlasse, wünsche ich noch eine Schuld der Dankbarkeit abzutragen. Ich sage hiermit den hohen Gönnern, die mir vor meiner Abreise so ermuthigende Theilnahme bewiesen, meinen wärmsten Dank, ebenso den Offizieren der königlichen Marine für ihre kameradschaftliche Aufnahme und den übrigen Mitgliedern der Expedition für alle mir erzeigten Freundlichkeiten. Berlin, den 25. März 1863. Inhaltsübersicht des ersten Theils. I. Von Berlin nach Korfu. S«te Abreise. Der Lloyddampfer „Kalkutta". Die Küste Albaniens. Korfu. Korfiotcn und Arnautcn. Stadt und Umgegend^ Vegetation. Bauwerke. Trachten und Sitten. Spazier« gange und Ausflüge. Jagd. Abgaben und Verwaltung. Wohlstand. Gastlichkeit...............1—11 II. Alexandria. Weltwunder und Wcltskandal. Abreise von Korfu. Zwei andere «sx-pLän». Südweststunu. Alexandria. Vor Anker. Der Hafen. Ausschiffung. Das Fraukeuviertcl. Atmosphärische Ungeheuerlichkeiten. Esel-Locomotive. Auswüchse und Ungeheuerlichkeiten. Die Pompejussäulc. Der Mah-mudikanal. Mehr Ungeheuerlichkeiten. Landhäuser uud Gärten. Die Nadeln der Klcopatra. Alexandria erschöpft 12—26 III. Kairo. Der P. u. O. Comp.-Dampfer ,,Nnbia". Bahnhof in Alexandria. Der See Mareotis und das Nildelta. Die Station an der NilbrUcke. Kairo. Buckelhieroglyphen. Hotel de l'Orieut. Die Eöbekieh. ' Musikalische Ungeheuerlichkeiten. Die Eitadclle. Die Moschee Mehemcd-Ali's. Der Iussuf-brunnen. Rundschau. Die Bazars. Curiofitä'tenunfug. Tänzer. Frauen. Der Sommerpalast Schubra. Heliopolis. Die Khalifengräber.................27—51 XII IV. Umgebungen von Kairo. Vorbereitungen zu einem Ausflug. Alt-Kairo. Rhoda. Gizeh. Die Fähre und Fährleute. Nach den Pyramiden. Das Nachtlager. Die Nachtwächter. Dialog. Die Sphinx. Ausgrabungen. Besteigung der großen Pyramide. Rundschau. Batschisch! Bakschisch! Die Königsgräber. Die Gräberfelder. Abschied von der Sphinx. Sakarra. Unter Palmen wandelt keiner ungestraft. Apis-Graber. Neue Ausgrabungen. Memphis. Ein nasses Lager nnd trockenes Nachtmahl. Rückkehr nach Kairo. Der Snezkanal. ?ro und oontra,. Die Eisenbahn des Isthmus. Suez. An Vord......................52—75 V. Aden, Point de Galle, Colombo. Aden. Der Hafen. Eine öde Felsenwüste. Die Stadt. Die Insel Sokotura. Point de Galle. Nach Colombo. Eine angenehme Heerstraße. Kokospalmencultur. Fischer und Fischerei. Steuern. Rasthäuser. Bcntotte, Caltura. Zimmt« cultur. Ein Banyanbaum. Colombo. Stadt und Bevölkerung. Dr. Keelart. Eine zoologische Sammlung. Elefantenschädel.................76—94 VI. Ein Ausflug nach Adam's Peak. Verschiedene Arten zu reisen. Die Ausrüstung. Der Weq. Vegetation. Agricultur. Halt. Langsam weiter. Spätes Nachtquartier. Der Kru - Ganga. Ein Pinkammer. Schlangentanz. Ratnapoora. Graben nach Edelsteinen. Nach Gillemalle. Landblutegel. Der Moodliar. In Ungnade entlassen. Palla-Babnlla. Schwierigkeiten. Weiter vorwärts. Ein steiler Pfad. Regen. Nacht. Besorgmß. Die verloren Geglaubten zurück. 'Die Sri-pada. Physiognomie der Pflanzenwelt. Rückkehr nach Ratnapoora. Eine glückliche Familie unter den Halbcivilisirten. Den Kaluganga hinab. Maha Saman Dewale. Ein fliegender Hund. Caltnra. ,,Steck' Gold in deinen Beutel". . 95—128 XIII VII. Kanby. Seite Die Straße. Der Tempel von Kalany. Physiognomie dcr Landschaft. Ambcpusse. Verkehr. Kaffeehanstrer. Der Paß von Kadunagawa. Kanby. Der „Pavillon". Die Stadt. Tempel der Datada. Palast der Könige. Besuch im , Tempel. Die Häuptlinge. Das Sanctuarium. Die Karanbua. Elefanten und Elefantenjagd. Kaffeecultur 129—158 VIII. Geschichtliche Rückblicke. Nach Singapore. Lopez Soarez be Albergaria in Colombo 1517. Erster Krieg mit den Kanbyern 1520. Wimola Dharma. Tod des Don Juan Dharmapola 1597. Jaffna erobert 1617. Die Holländer in Batticaloa 1602. Die Dänen in Cottiar 1620. Die Holländer erobern Colombo 1656. Erobern Kandy 1766. Die Holländer übergeben die Insel an die Engländer 1796. Aufstand dcr Eingeborenen 1797/ Desgleichen 1803. Einnahme von Kandy 1815. Letzter Revolutionsversuch 1817. Abschied von Ceylon. Der Dampfer „Ganges". Pulo Penang. Die Straßen von Malakka. Arkona und Thetis. Der Naja von Iohore. Chinesische Theater....................159—187 IX. Von Singapore nach Jeddo. Das Geschwader complet. An Vord. Der erste Gottesdienst. Ein Mann über Bord. Verloren. Haifische. Ein schwerer Sturm. FusiHama. Die Bai von Jedbo. Ausschiffung. Einzug. Installirt. Atabany, seine Bewohner, Leben und Treiben.....................188—208 X. Yeddo. Charakter der Stadt. Wohnungen dcr Daimios oder Fürsten. Das Schloß des Kaisers. Die Prinzenstadt. Die Tempel. Die Brücken. Niphon-bas. Die Zahl der Einwohner. Straßen und Märkte. Umgegend. Theegärten. Die Bevölkerung in den Straßen. Gründe der Misstimmung gegen Fremde. Ermordung des Gotairo oder Regenten. , . 209—229 XIV XI. Umgebungen von Aeddo. S^ Photographie unter Schwierigkeiten. Sinagawa. Befestigungen. Die Richtstätte. Das Wirthshaus von Omori. Die Kaiser-gräber am Ikegami. Vunizho. Odzhi. Der Fuchstempel. Pickenickpartien..................230—264 XII. Deffentliche Vergnügungen. Der Kauontempel in Asara. Spielwerk. Buddhabilder. Gymnasien und Preiskänipfer. Der Haupttempel. Die Asaxapferde. Eigenthümliche Schaustellungen. Scheibenschießen en miniHture. Gälten. Theater. Gaukler. Reitbahnen. Bogenschützen..............265—288 I. Von Berlin nach Korfn. Abreise. Der Lloyddampfer „Kalkutta". Dic Küste Albaniens. Korfu. Korsioten und Arnauten. Stadt und Umgegend. Vegetation. Banwerke. Trachten und Sitten. Spazicrgänge und Ausflitge. Jagd. Abgaben und Verwaltung. Wohlstand. Gastlichkeit. Alexandria. 17. Mai 1860. Nm 1. Mai waren meine Vorbereitungen für die Reise beendet, und am Abend desselben Tages ward diese angetreten. Der nächste Tag fand mich in Wien, der Morgen des 4. in Trieft. Der Dampfer direct nach Alerandria sollte am N. segeln, allein es lag nicht in meiner Absicht, ohne weiteres aus der kühlen FrWahrstemperatur des nördlichen Deutsch' land in die Sommerhitze Aegyptenö zu gerathen; so benutzte ich den Dampfer vom 5., nm bis Korfu zu reisen und dort das Boot vom 11. zu erwarten. Um Mittag verließen wir den Hafen, der Abend fand uns in blauem Wasser, über welches hinaus nur ein schmaler Streifen niedriges Küstenland mit einzelnen Bergen und Heine, Weltreise, i, 1 2 Hügeln in der Ferne sichtbar. Das,Boot (Kalkutta) war geräumig, die fünf oder sechs Passagiere der Kajüte fanden ein jeglicher ein Zimmer für sich und waren einander nicht im Wege, der Kapitän gefällig, die Luft angenehm, die See still; so verging der Sonntag ruhig und ohne bemerkenswerthe Ereignisse, und die aufgehende Sonne des nächsten Morgens fand uns an der majestätischen Küste Albaniens, starr und steil aus der azurblauen Meeresflut aufsteigend, eine schroffe Felfenstirn bietend, deren Gipfel noch mit Schnee bedeckt waren. Nach Süden zu war das sanft anschwellende Hügelland Korfus, bedeckt mit Olivenhainen, überragt von einzelnen Fclsenhöhen, auf der blauen Flut aber tanzten leichte Fahrzeuge, Zeugniß gebend, daß die Korfioten seit jener Zeit ihre Neigungen noch nicht geändert haben, wo Homer von ihnen sang: Denn nichts hält der Phäaten Geschlecht auf Köcher und Bogen, Aber Mast und Ruder und gleich hinschwebende Schiffe Lieben sie, freudiges Muths grauschimmerndes Meer zu durchsegeln. Bald tritt man in eine Straße, gebildet von einem Vorsprung des Festlandes auf der einen Seite, nnd einem andern von der Insel, auf der sich die Trümmer der Festung Kassöpo, an der Stelle des altgriechischen Kassiope gelegen, erheben. Gegenüber auf der albanifchen Küste zieht sich das Thal von Butrinto hin, wo Aeneas vom Hellenus bewirthet ward, in der Mitte der Straßen auf einem einsamen steilen Felsen aber steht ein Leuchtthurm. Da, wo sich die Straßen in ein etwa 6—8 Seemeilen breites Becken erweitern, erblickt man endlich die Stadt und den Hafen von Korfu, 3 nach Süden zu durch die auf einer Halbinsel gelegene Citadelle, nach Nordosten hin durch die Batterien der befestigten Insel Vido geschützt. Die Hänser sänmen den südlichen Theil einer geränmigen Bai, die Schiffe aber ankern zwischen der Stadt und Vido. Außer zahlreichen kleinen Küstenfahrzeugen lagen zur Feit nur ein Aoyddamvfer, zwei englische Linienschiffe und eine dergleichen Fregatte, nebst einem österreichischen Dampfer, auf dem der Herzog von Brabant, der von Konstantin opel auf einem englischen Dampfer angekommen war, seine Reise weiter fortsetzen sollte. Kaum war der Anker der „Kalkutta" herab, so drängten sich viele Boote an das Schiff, theils Früchte, frische Gemüse und Milch zum Verkauf anbietend, theils ihre Dienste den Passagieren, die ans Land wollen, aufdringend oder neue Passagiere herbeiführend, die nach Griechenland oder Konstantinopel, dem Bestimmungsort des Dampfers, wollen. Unter diesen letztern befinden sich viele grimmig anssehende Arnauten, im malerischen rcichgestickten Costüm, das rothe Käppchen mit blancr Quaste auf dem Kopf, um die Lenden die weitfaltige Fustanella, einen zottigen Filzmantel über die Schultern geworfen und im Gürtel ein ganzes Arsenal von Pistolen, langen und kurzen Messern und Patronentaschen für die lange, oft reich eingelegte Flinte. Sie ziehen entweder nach Konstantinopel, um dort oder anderswo ihre Kriegsdienste anzubieten, oder sind auch wol von dort zurückgekehrt, um über Korfu nach ihrer Heimat zu reisen, wenn es etwa der sie verwendenden Regierung an dcm nöthigen 1* 4 Geld gefehlt hat, ihre Dienste zu bezahlen, nach dem alten Sprichwort: «?oint ä'g.rzslit, point ä6 8ui886.» Wünscht man einige Tage in Korfu zuzubringen, so landet man an der Douane, gibt daselbst eine schriftliche Erklärung ab, sämmtliche ans Land gebrachte Effecten bei der Abreise wieder mit sich nehmen zu wollen, und wird nicht weiter belästigt. Unter' den drei oder vier Hotels besserer Klasse ist kein erheblicher Unterfchied, d. h. sie sind alle mittelmäßig genug, und der Preis ist gleichfalls derselbe, von 10 Sh. bis zu 1 Pf. St. por äism nach Maßgabe der Zimmer, die man bewohnt. Es sollte niemand versäumen, sogleich die Citadelle zu besuchen, von der man eine schöne lohuende Fernsicht über die Stadt, die Insel uud das weite Meer hat. Zu jener Zeit, wo die Penetianer, die etwa um das Jahr 1386 Besitz von der Insel ergriffen uud dieselbe zu einem Waffenplatz und ihrem bedeutendsten Außenposten erhoben, in Korfu regierten, hatte man für das Pflanzen eines jeden Oliveubanmes einen gewissen Prcis ausgesetzt; infolge dieser Maßregel entstanden jene herrlichen Waldungen, die jetzt alle Hügel bedecken, die fruchtbaren Felder und Weingärten der Ebenen umfassend uud sich bis gegen die felsigen Gipfel hindehnend. Die Stadt sowie die hier und da verstreuten Dörfer sind meist mit Gärten voll Blumen uud Fruchtbäumen umgeben. Dichte Hecken blühender Rosen fassen dieselben ein, Jasmin, Citronen- mid Orangenbäume, die zugleich Blüteu und Früchte tragen, erfüllen die Luft mit lieblichen Wohlgerüchen und geben der 5 Landschaft jenen blühenden üppigen Charakter, von dem Nausikaa erzählt: Dort sind ragende Bäume gepflanzt, mit laubigeu Wipfeln, Voll der saftigen Birne, der fußen Feig' und Granate, Auch voll grüner Oliven, und rothgesprenkelter Aepfet; Dieser erleidet die Frucht nie Miswachs, oder nur Mangel Nicht im Sommer noch Winter, das Jahr durch, fondern beständig Vom aufathmcnben West treibt dies, und anderes zeitigt; Birne reift auf Birne heran und Apfel auf Apfel, Traub' auf Traube gelangt und Feig' auf Feige zmn Vollwuchs. Dort auch prangt ein Gefilde von cdclcm Weine beschattet; Einige Trauben, umher auf ebenem Raume gebreitet, Dorren am Sonnenstrahl, und andere schneidet der Winzer, Andere keltert man schon; hier stehen noch Herlingc vorwärts, Eben der Blut' entschwellcnd, nnd andere bräunen sich mählich. Dort auch zierlich bestellt, sind bunt am Ende des Weinlands, Reich au manchem Gewächs, und stets schön prangend das Jahr durch. Es findet alles dieses noch heute ebenso gut seine Anwendung wie zu Homer's Zeiten, und es ist kaum möglich, zu viel zu sagen von dem schönen, lieblichen Lande unter dem milden Himmel dieser begünstigten Insel. Die Citadelle, von deren Höhe man diese Aussicht genießt, nimmt eine kleine Landzunge ein, am östlichen und westlichen Ende von zwei ssclskegcln gekrönt, die mit Batterien befestigt und verbunden sind. Auf dem Plateau zwischen beiden sowie auf den tiefer liegenden Abdachungen befinden sich Kasernen, Vorrathshäuser und anderweitige Gebäude. Nach der Landseitc trennt ein breiter Graben, künstlich bis zur Meeresfläche vertieft, die Citadelle von der Stadt, und ein? einzige schmale Brücke macht den Zutritt 6 möglich; nach der Seeseite aber sind die Befestigungen schwächer, und man bemüht sich noch immer, diesem durch Terrainverhältnisse erzeugten Mangel abzuhelfen. Auf der Westseite der Stadt und nahe dem Ufer erhebt sich eine andere steile Höhe, von Befestigungen gekrönt, die von noch größerm Umfang als die Citadelle, und mit derselben durch Courtinen verbunden, die jedoch am südlichen Theil theilweise niedergerissen worden. Die meisten dieser Werke stammen aus der Zeit der Vcnetianer, und auf den Mauern, über den Thoren und an öffentlichen Gebäuden erblickt man noch häufig den geflügelten Löwen von St.-Marcus. Auf der Esplanade, zwischen der Stadt nnd der Citadelle, steht nach dem Hafen zu die Wohnung des englischen Gouverneurs, am andern Ende aber ist eine verunglückte Nack^ ahmung des Sibyllentcmvels von Tivoli zur Erinnerung der von den Engländern der Bevölkerung der Ionischen Inseln verliehenen Constitution; etwa in der Mitte zwischen beiden, vor der Brücke, befindet sich eine Bildsäule des Marschalls Schulenburg, der im I. 1716 Korfu mit Erfolg gegen die Türken vertheidigte, die bei jener Belagerung, welche den Venetianern 2000 Mann kostete, gegen 5000 Mann verloren. Die Esplanade mit den dieselbe umgebenden schattigen Alleen bildet einen Lieblingsspaziergang der Einwohner; die besten Wohnungen liegen an derselben, und zweimal wöchentlich spielt hier des Abends die Musik eines Regi^ ments. Die Straßen der Stadt sind eng und winkelig; die Hänser, oft mit Säulmgängen nach der Straße zu 7 versehen, bilden ein wunderliches Architekturgemisch, das aus verschiedenen Reminiscenzen der im nördlichen Italien gebräuchlichen Bauweisen zusammengesetzt ist. Die Ver-kaufslädeu liegen ineist offen nach der Straße zu; außerdem aber pflanzen eine Menge ambulanter Verkäufer ihren Kram an den Ecken und vor den Häusern auf, den sie des Abends mit vielen Lampen erhellen, in denen das hier erzeugte Oel ein treffliches Licht gibt. Die mit einer regen Menge gefüllten Straßen bieten dann ein belebtes Bild, iu welchem die nicht unmalerischcn Trachten der Korfioten, bestehend in gestickten braunen Jäckchen, vorn offen über einer gleichfalls gestickten Weste getragen, dazu blaue weite Kniehosen, rothe Mützen uud ditto Strümpfe, sich zum Vortheil zeigen. Die Frauen tragen meist bunte Röcke mit Sammtbesatz, gestickte Mieder, voru mit silbernen Ketten, woran oft Münzen hängen, weite weiße Aermel mit bunten Fransen bis über deu Elnbogen herab, und den Kopf umhüllen sie häusig mit weißen Tüchern, die, nnter dem Kinn über Hals nnd Busen gezogen, daö Gesicht freilassen. Da sie Lasten mcist auf dem Kopfe tragen, fo ist ihr Gang anmuthig, schwebend. Unter diese bunte Menge mischen sich dann wol auch noch zu Zeiten Anmuten, die vom Festland herübergekommen, um etwaige nöthige Lebensbedürfnisse einzukaufen oder einzutauschen; eine weise Polizei hat jedoch Sorge getragen, daß sie ihre Waffen bei der Ankunft anf der Douane zurücklassen müsseu, von wo sie ihnen erst wieder bei der Heimkehr verabfolgt werden. Die englische Garnison liefert gleichfalls ihren Beitrag 8 an Nothröcken, und da stets mehrere Schiffe des Geschwaders aus dem Mittelmeer hier sich aufhalten, so fehlt es auch nicht an Blaujacken, die am Lande während eines knrzen Urlaubs sich für die Entbehrungen des Seelebens schadlos zu halten und die lange gesparte Löhnung los zu werden versuchen. Die Stadt nimmt den Raum zwischen der großen Bai und einem andern Arm des Meeres ein, der See Kalichio-pulo benannt, der, obschon zu seicht für die großen Schiffe der Neuzeit, den Alten für ihre kleinern Galcren leicht zum Hafen gedient haben kann. Aber sobald zu der Stadt wir hinaufgehn, welche die Mauer Hoch umthürmt, rechts auch uud links ein trefflicher Hafen, Aber der Eingang schmal, denn zwiefach rudernde Schiffe Engen den Weg und ruhen anf stützenden Pfählen ciu jedes. Auf der fchmalsten Stelle des Isthmus findet man noch ewige Mauerüberreste und ein Grab mit altgriechischcr Inschrift. Südlich von der Stadt ist die Halbinsel mit Gärten und angenehmen Landhäusern bebaut, an der Spitze, nach dem Eingang des Sees zu, bildet eiuc alte Batterie, «onL 8UN, datte^» genannt, den Endpunkt einer angenehmen Promenade, von wo ans man den südlichen Theil der Insel überblickt. Inmitten deö Einganges zum See steht ein isolirter Felsen, darauf eine Kapelle mit einem kleinen Kloster und einigen Mönchen. Dieser wird als Schiff des Ulysses bezeichnet, von Poseidon zum Felsen verwandelt. --------Schon nahte daher das gleitende Meerschiff, Rasch durch die Wogen gestürmt, da trat ihm nahe Poseidon, Schlug mit der Fläche der Hand und schuf zum Felsen es plötzlich, Der fest wurzelt am Bodeu des Meers, und er kehrte von bannen. Doch hat dieser Fels einen Nebenbuhler für diesen Ursprung in einem andern an der Westküste, der mit gleichem Namen bezeichnet wird. Der Ausflüge nach dem Innern sind viele nnd die meisten davon lohnend. Ein nahe der Mitte dcr Insel gelegener Berg mit dem Dorf Pelleka bietet eine weite liebliche Aussicht, ebenso Santa-Deca weiter nach Süden hin. In der Nähe des lctztern Dorfs hatte bis vor kurzem ein Einsiedler in einer in einer Schlucht gelegenen Hütte feine Wohnung aufgeschlagen, wo er von den Gaben der Landleute lebte, bei denen er sich in den Geruch dcr Heilig-kcit zu setzen gewußt hatte. Sein Ehrgeiz trieb ihn an, anch Wunder verrichten zu wollen, er fing an, Experimente mit giftigen Schlaugen zu machen, ward aber bei diesen Versuchen von einer Viper gebissen, gerieth dadurch in Lebensgefahr und verlor zu gleicher Zeit feine geistliche Kundschaft. In der Folge hatte er seine Hütte zu verlassen uud hält sich jetzt in jenem Kloster am Eingang des Sees auf. Der höchste Punkt dcr Insel ist der Berg St.-Salvador, auf dessen Spitze ein Kloster, das in den Tagen vom ti. bis 18. August der Endpunkt zahlreicher Wallfahrten ist. Nicht wcit davon liegt das Dorf Signies zwischen schönen Olivenwäldern, und ein daselbst befindlicher Brunnen, unter einem großen, schönen, sehr alten Kastanienbaum, wird 9 10 oft zum Ziel von Pickenick-Partien gewählt. Zu dieser Partie wählt man von Korfu aus am besten ein Segelboot, die Bai zu kreuzen, und bestellt sich Wagen oder Reitthiere an den Fuß des Berges. Die Straßen sind in allen Theilen der Insel gut, und da sie meist entweder durch Olivenwälder führen, oder mit Olivenbäumen an den Rändern bepflanzt sind, so bieten sie genügenden Schatten, denn diese, die meist sehr alt sind, wachsen bis zur Höhe von 30 Fuß und darüber; auch hat das Blatt uicht jene dürftige graue Farbe wie im südlichen Frankreich und in Norditalien, sondern ein tieferes satteres Grün, zwischen dem die schwarzen Pyramiden einzelner Cyvrcssen angenehm abstechen. Im Herbst ist Korfu oft das Rendezvous zahlreicher Jäger, besonders kehren viele Engländer, die während des Sommers mit ihren Jachten die verschiedenen Häfen des Mittelländischen Meeres besucht haben, hier ein; denn vom September bis November besuchen zahlreiche Schwärme von Becasscn nnd Becassinen die Insel sowie das nahe liegende Festland, letzteres aber bietet noch außerdem zahlreiches größeres Wild, wie Hasen, Hirsche und Wildschweine. Es ist dann gut, in Gesellschaft uud mit ewiger Vorsicht zu reisen, denn obschon die Arnanten vielleicht selten oder nie mehrere bewaffnete Fremde anfallen, so ist nicht anzunehmen, daß sie völlig gleichgültig gegen eine Gelegenheit sein würden, sich auf leichte Weise den Beutel zu füllen. Die Korfiotm scheinen sich trotz der einmal von ihren Deputirten gefaßten Beschlüsse, die Ionischen Inseln Grie- 11 chcnlaud einzuverleiben, unter ihrem gegenwärtigen Regiment ziemlich wohl zu befinden. Abgaben, mit Ausnahme der auf importirten Waaren lastenden Zölle, bestehen, soviel ich weiß, nicht; zur Erhaltung der Garnison und der Civilbeamtcu trägt der Staatsschatz nnr etwa ein Dritthcil bei, und das Aussehen der Bewohner, der Znstand ihrer Felder, Gärten und Wohmmgen läßt auf einen ziemlichen Wohlstand schließen, znmal in Jahren einer ergiebigen Oliveucrute. Ich hatte alle Ursache, mit meinem Anfenthalte zufrieden zn sein, denn obschon ein Fremder, und nicht mit Empfehlungsschreiben versehen, ward mir nicht nur von feiten des Hrn. F., preußischen Consuls, uud Hru. T., amerikanischen Consuls, die freundlichste Anfnahme zn Theil, sondern auch im Kreise einiger korfiotischcn Familien, deren Bekanntschaft ich machte, verbrachte ich sehr angenehme Stunden nnd bin Hrn. Z . . . ans Athen, sowie Hrn. D . . ., Staatssecretär, auf dessen schönem Landsitz in der Nähe von Santa-Deca ich einen Tag im Kreise seiner liebenswürdigen Familie zubrachte, für liebe Rückermnerungen dankbar. II. Alefandria. Weltwunder und Weltskandal. Abreise von Korfu. Zwei andere «kx-pkde». Südweststurm. Alexandria. Vor Anker. Dcr Hafen. Ausschiffung. Das Frankenviertel. Atmosphärische Ungeheuerlich-feiten. Esel-Locomotive. Auswüchse und Ungeheuerlichkeiten. Die Pompejussäule. Dcr Mahnmdikanal. Mchr Nngcheucrlichtciten. Landhäuser und Gärten. Die Nadeln der Kleopatrci. Alexandria erschöpft. Kairo, ^«. Mai. „Ein Kleinstädter in Aegypten" nennt dieses das Land der wirklichen Unmöglichkeit und der nnmöglichen Wirklichkeit, der ältesten Weltwunder nnd des ncncn Weltskandals, der alten Heiligthümer nnd der neuen Affenschande, Langt man um jetzige Jahreszeit in diesem Lande dcr Pharaonen, des Staubes, des Ungeziefers, des Schmnzes, Lärmcns, der Spitzbüberei und des allgemeinen „Bakschisch"-Geschreics an, so erscheinen einem die obenangeführten Paradofen durchaus nicht aus der Luft gegriffen. Man kann geographischen, atmosphärischen, politischen, socialen und lokalen 13 Einflüssen und Zuständen manches zugute halten, allein eine solche künstlich erzeugte Misere, eine solche systematische, grundlose Prellerei, Schinderei und Schufterei, eine solche endlose Reihe grenzenloser Ungeheuerlichkeiten gehen über den Siedepunkt des Geduld-Thermometers eines empfindsamen Reisenden. Aegypten ist der Sitz der alten Weltweisheit, die Pyramide des Cheops das höchste Bauwerk menschlicher Hände, die Sphinx das großartigste Steingebilde und der Nil der allbefrnchtendste Strom, auf dem es sich in einer gutausgestatteten Barke während einiger Monate ganz wohl aushalten lassen mag, allein alle diese Thatsachen helfen einem noch nicht über den empörenden Schmuz, die schändliche Lumperei, den abscheulichen chronischen Gestank und den raffinirten, barbarischen Discomfort des modernen Aegyp-tcn hinweg. Mit dem Lande und seinen Bewohnern sieht es beinahe aus wie mit seinem civilisation-renommirenden Regenten, bei dein sich die Cultur meist nicht weiter als bis auf die Lackstiefel an den Füßen, die Glacehandschuhe an den Händen und etwas Champagner erstreckt. Kopf und Schweif sehen zum zehnten Theil civilisirt aus, was dazwischensteckt, ist eitel Unfläterei, und zehntausend Suezkanäle würden nicht genügen, dieselbe wegzuwaschen. Nehmen wir jedoch die Sachen der Reihe nach, wie sie aufeinander folgen, und wir werden sehen, wie weit dem so ist. Bis zum 13. hatte ich mir's im Phäakcnlande wohl sein lassen, mich des schönen Landes gefreut, war durch Dörfer, 14 Gärten, Felder und Haine gewandelt, auf Bergspitzen geklettert und in Thäler hinabgestiegen und ließ mir Milch, Wein und Früchte des Landes schmecken, worunter besonders treffliche Erdbeeren waren. Am Abend promenirte man dann durch Felder und Haine zurück und lauschte dem hüpfenden Tanz der Feuerkäfer, von denen Millionen an Millionen die Luft durchschwirrtcn und mit ihrem hellglänzenden Licht ein Netz feuriger Diamanten über die Landschaft zogen. Am 13. hatte diefe Freude ein Ende: der Lloyddampfer „Neptun" traf um 9 Uhr morgens cm, und einige Stunden später befand ich mich mit Sack und Pack auf dem Wege nach Alerandria. Zwei zur Erpedition Gehörige, die Herren v. B. und S., kamen gleichfalls als Passagiere an Bord des „Neptun", verkündend, daß das Gros der Gesandtschaft mit dem nächsten Boot eintreffen würde; und so segelten wir denn durch den Griechischen Archipelagus, entlang der Küste von Cephaloma und Ithaka. Am ersten Tage hatten wir leichte westliche Winde, die darauffolgende Nacht brach ein heftiger Südweststurm los, die Luft mit dem röthlichen Staub der Sahara füllend, das Meer aus einem schönen azurblauen Spiegel in eine bleifarbige Wogenwüste peitfchend. Außer Hitze und sonstiger Ungemächlichkeit erwuchs uns hieraus noch der Nachtheil einer verlängerten Ncise; denn statt am Morgen des 16. kam erst gegen Mittag der Lcuchtthurm von Alerandria ill Sicht. Aus einem weißen Streifen Sand entwickeln sich allmählich die Gebäude der Stadt, aus denen ein lichter und 15 ein dunkler Strich emporsteigen. Ersterer ist der Fanal oder Leuchtthurm, letzterer die hinter der Stadt befindliche Pompejussäule. Der Minarets hat Alexandria nicht viele, und diese sind nicht sehr in die Augen fallend. Bald kam der arabische Lootsc in einem großen zweimastigeu Boot mit Lateinischen Segeln (dreieckige, mit der Hypotenuse an eine lange fchrägstehcndc Naa befestigt) und einer lärmenden, schreienden Mannschaft an Bord und brachte den „Neptun" um eine lange in westlicher Richtung vor dem Eingang des Hafens sich erstreckende Sanddüue iu das geräumige Bassin, wo inmitten eines bunten Gemisches abenteuerlich aussehender levantiner Fahrzeuge sich eine Anzahl von Schiffen westlicher Nationen vorfand. Draußen, wo die englischen Dampfer der P.u.O.-Company und die französischen der Messageries Imperiales lagen, ankerten auch wir. Zu unserer Rechten lag ein dichter Haufe von Nilfahrzeugeu mit ihrcu kurzen Masten nnd langen schrägstehenden Raaen, während zur Linken fünf oder sechs wurmstichig und rostig aussehende Linienschiffe und Fregatten innerhalb eines Steindammcs und vor den Waarenhäusern der Regierung ankerten. Diese schweren, plumper Kolosse bildeten in ihrer Unbeholfcnheit ein passendes Symbol der Znständc des Landes. In der ersten Kajüte befanden sich als Passagiere nur ein englischer Stabsarzt auf dem Wege nach Indien, ein junges Ehepaar uud Schwägerin aus Pointe-de-Galle, Ceylon, nebst uns 6x-x>6cls Befindlichen, in der zweiten Kajüte und im Zwischendeck einige Haudwerkcr, zwei oder 16 drei Mönche aus den Klöstern von Jerusalem und dem Sinai, sowie ein Pilger aus Oberösterreich, der mit achtzig Gulden, einem Hemde, einem Paar dickbesohlter Stiefel und einem großen Stock die Heimat verlassen hatte, um das Heilige Land zu durchwandern. Wir blieben so von dem Gedränge und der Verwirrung befreit, die sonst immer eine Ausschiffung begleiten, wo jeder in die Boote springt, als befürchte er, vergessen zu werden, und hatten bald unser Gepäck nebst uns selbst in zwei Barken untergebracht, die uns dann am Werft der Douane landeten. Hier fand der erste Zusammenstoß statt. Kaum berührte das Boot das Ufer, so bemächtigte sich unser ein schreiender, drängender, schnulziger Troß, die Luft mit unverständlichen Gutturaltönen erzittern machend, und versuchend, sich die willkommene Beute zu entreißen. Wir hatten hier den Vortheil, unter uns einen „Aegypter" zu zählen, Hrn. v. B., der bereits ein Jahr im Lande zugebracht, die Sitten uud Sprache desselben verstand, und mittels einiger Redensarten und mehrerer an die richtige Adresse applicirten Hiebe uns selbst Befreiung, das Gepäck aber auf einen Wagen brachte. Kaum war dies geschehen, so erhob sich ein neuer Hexensabbat, denn jeder der beschäftigt Gewesenen wiederholte: „Bakschisch, Batschisch", unzähligemal in allen nur denkbaren Modulationen, und hielt einem dabei die schmuzigen Hände verlangend unters Gesicht. Diese Schwierigkeit ward gleichfalls überwunden, und nun blieb nur noch das Zollhaus übrig. Dieses erwies sich für den Augenblick als uuüberfteigliches Hinderniß, und um 17 das Oeffnen der Kisten und Koffer, cm lästiges, zeit-ranbendes Unterfnchcn, und sonstige Unannehmlichkeiten zn nmgehen, begab fich Hr. v- B. auf das preußische Generalconsulat. Von dort aus ward der Kawaß oder Polizist des Consuls abgesandt, der auch bald darauf unfer Hab und Gut ohne weitere Belästigung uns zuführte. Es ist ziemlich gleichgültig, welches von den sogenannten ersten Hotels der Stadt man zum Aufenthalt wählt, sie taugen alle nichts und sind theuer genug, 1.2 Sh. oder etwas über 4 Thlr. per äimn ohue die Extras, die mau, ohne sehr extravagant zu sein, beinahe auf ebenso viel anlaufen sieht. Unsere Wohnung lag im Frankenviertel am großen Platz, der, an beiden Seiten Fahrwege enthaltend, in der Mitte einen breiten Raum für Fußgänger bietet. Man hat neuerdings einen Versuch gemacht, hier Schatten zu erzen-gen, indem man zwei Reihen Bäume pflanzte; diese sind zur Zeit noch armselige Skelete mit verschnittenen Aesten, die stnmm und traurig ihre verkrüppelten Arme gen Himmel strecken. An beiden Enden dieser Promenade sind Spring-bruuuen erbant, die dnrch eine Dampfmaschine mit Wasser verschen werden sollen, znr Zeit aber noch trocken sind. Diese Schwierigkeit, sich Wasser zu verschaffen, ist das '^auptleiden des Landes: nirgends eine Höhe, woher dasselbe ;n leiten, deshalb keine Springbrunnen, die andere Städte des Orients noch erträglich machen, nnd gegcn- Heine, Weltreise. I. 2 18 wärtiger Versuch, dasselbe mittels Dampfes zu heben, muß nothwendig mit überaus großen Kosten verknüpft fein in einem Lande, das wenig oder kein Feucrnugs-Material erzeugt, und wohin man die Kohlen aus Europa bringen muß. „Wer Eine orientalische Stadt gesehen, hat sie alle gesehen", ist beinahe zum Sprichwort geworden; Alcxandrias Aussehen ist durch die zahlreiche fränkische Bevölkerung etwas motioirt, die dem von ihr bewohnten Viertel ein etwas abendländisches Aussehen verliehen hat. Dieser Theil ist auch um ein Weniges substantieller gebaut als die alte Stadt, die aus etwaö Holz, einigem Gestein und viel Lehm nnd Schmnz zusammengeklebt ist und ein unendliches Wi»rsal von Backöfen, Taubenfchlägen und Schnmzhöhlcu bildet, die enge, winkelige, krumme Straßen und Sackgassen einfassen. Der trockene Boden, die fortwährend im Bau begriffenen nenen Häuser und die ebenfo unausgesetzt einfallenden alten füllen die Luft an jedem windigen Tage, und deren gibt es im Jahre etwa A65, mit einem feinen Gemisch von Sand, Kalk, Spreu, Pferde-, Esel- und Kameeldü'ngcr. Ist man nicht vorsichtig genug gewesen, seinen Hut mit einem Schleier zu versehen, so muß man die Luft unfiltrirt einathmen. In den meisten Straßen wird gesprengt, d. h. ein Mann mit aus einem Ziegcufcll, dessen Oeffnungcn zugebunden find, gebildeten: Wasser-schlauch auf dein Rücken, geht entlang, den offenen Hals des Felles in der Hand haltend nnd daraus das Wasser durch kreisförmige Bewegungen umhcrspritzend; das hilft 19 ^ ' aber nur für kurze Zeit, denn bald ist cs wieder verdunstet, die Luft in den engen Straßen noch unangenehmer machend, und da, wo der Boden naß ist, wird derselbe so schlüpfrig, daß das Gehen schwierig und lästig ist. Wer es irgend kaun, bedient sich deshalb eines Wagens, bei Einkäufen aber in den engen Straßen der alten Stadt nud auch wol bei andern Ausflügen reitet man einen Esel. Es ist ein gewisser Grad von Selbstbeherrschung nöthig, ein solches Pygma'engeschöpf, nicht viel größer als ein Kalb, zu besteigen, und thut man es, so ist man damit noch lange nicht allen Fährlichkeitcn enthoben. In Aegypten, gleichwie in manchen andern Ländern, gibt cs öffentliche Esel nnd Prwatesel. Letztere sind oft ganz ansehnliche, stattliche Thiere, erstere jedoch einem berliner Droschkenpferde vergleichbar; besonders zeichnen sie sich durch einen unglücklichen Hang aus, auf die Knie zu fallen, und braucht man nicht die Vorsicht, ohne Steigbügel zu reiten, so länft man Gefahr, öfter, als einem lieb ist, im Staub oder Schmuz der Straßen zu liegen. Es ist rathsam, vor dem Aufsteigen zu untersuchen, ob man auf den Kuicu des Thieres Spuren solcher Neigungen vorfindet, nnd für jeden Fall sich auf einen gelegentlichen Sturz vorzubereiten. Bewahrt man dann nur etwas Kaltblütigkeit nnd springt, sobald das Thier stolpert, über seinen Kopf, was nicht schwer ist, da die Fußspitzen nur einige Zoll über dem Boden hangen, so kann man wol nnangenehmeu Folgen öfters vorbeugen. Anfangs glaubt man, iu den oft gedrängt vollen engen Straßen langsam und mit Vorsicht reiten zu müssen; dies ist 2-ft 20 aber nicht nöthig; man lasse nnr den hinterdrein laufenden Eseljungen getrost aufhauen und den Esel unbekümmert lanfen, die Leute macheu schon Platz. Höchstens hat man in kritischen Momenten mit einem „Oah! Oah!" zu warnen. Der Theil des Frankenviertels, wo der Kleinhandel in Boutiquen getrieben, wird, und Restaurants einer untergeordneten Klasse, Wein- oder Kaffeeschenken, nnd Kneipen aller Art grassirou, ist abschreckender als der entsprechende Theil der erbärmlichsten italienischen Stadt. Diese Ans-wüchse Alexandrias werden meist von Griechen, Italienern und Franzosen, seltener von Deutschen verwaltet, sind abscheulich schmuzig und füllen die Straßen mit einem unheimlichen Geruch von ranzigem Fett, schlechtem Fleisch, Knoblauch und anderu unbeschreibbaren Gerüchen, die sich mit dem Aegypten eigenthümlichen chronischen Gestank vermählen. In der That, man muß an Coleridge's Reim zurückdenken: r counted seventy different stenches, All well defined, and several stinks. Am Abend ist dann noch in manchen dieser Etablissements Musik, das Heißt, einer oder zwei Eingeborene winseln auf jämmerlichen Geigm oder Zithern, die anscheinend nur Eine Saite Haben, Wenigstens geben sie immer nur den Einen jämmerlichen, wimmernden Ton Von sich, und mitunter plärrt anch Wol einer auf einer Flöte oder näselt einen melancholischen Gesang Herans. Die von Eingeborenen oder 21 Griechen gehaltenen Restaurants oder Kaffeehäuser sind womöglich noch trauriger beschaffen; das Einzige, was in erträglicher Qualität verabreicht wird, ist Kaffee, der nach türkischer Sitte in kleinen Quantitäten gekocht nnd in diminutiven Täßchen servirt wird; allein auch hier treten oft die schmuzige Gestalt des Dieners und die rußigen unge-fcheuerten Meffingränder, auf denen die Tasse steht, störend in den Weg. Der Sehenswürdigkeiten gibt es in Alexandria nur wenige, deshalb ward gleich am ersten Morgen das große Wahrzeichen der Stadt, die Pompejussäule, die mit Pom-pejns nicht in der geringsten Beziehung steht, sondern vom Präfecten Publins dem Kaiser Diocletian gesetzt ward, besichtigt. Diesen schönen Monolith vassirt mail von der südwestlichen Seite der Stadt dem Mahmudikanal zureitend, wo er auf einer Tcrraiuerhöhnng unweit einer türkischen Grabstätte steht. Die schönen Proportionen der Säule zeigen sich am besten, wenn man etwa 150 — 200 Schritt von derselben nnd etwas tiefer steht; ans sehr großer Ferne sieht der Schaft etwas dick aus. Die ganze Höhe ist nach Prokesch 98 Fuß, wovon 63 auf den Schaft kommen, der oben ? Fuß 3 Zoll, nnten 8 Fuß 4 Zoll im Durchmesser hat uud, ans rothem Granit bestehend, von den Katarakten hierher gebracht ward. An der nordöstlichen Seite sind Säule sowol als Capital stark verwittert, nnd an dein ans leckerm Gestein sehr liederlich aufgeführten Grnndban suchte ich vergeblich nach den Inschriften, die Champollion als Schlüssel zu den Hieroglyphen dicntcu und von denen 22 Leftsius das Fronschild des zweiten Psammetich noch vorfand. Es scheint, daß alle Blöcke der äußern Umfchalung dieses Fundaments, die ältern Gebäuden entnommen waren, in den letzten Jahren hinweggeführt worden sind; denn das Fundament in seinem jetzigen Znstand erscheint mehr als eine Füllung unregelmäßiger Fragmente und Mörtel, die wahrscheinlich von größern Werkstücken eingeschlossen waren. Statt jener alten Inschriften bedeckt jetzt die eine Seite des Sockels der Name „Thompson", in großen schwarzen Buchstaben hingepinselt. Der Schreiber war so ängstlich darauf bedacht, seinen Namen in erkennbaren Schriftzügen auf die Nachwelt zu übertrage», daß er das Maß zu groß geuommcn und deshalb des Namens Schluß nm die Ecke schreiben mußte. Ein anderer, von noch größerm Ehrgeiz beseelt, hatte seinen Namen gleichfalls in Riesenschrift an das Capital geschrieben; derselbe ist jedoch nicht mehr lesbar. Um da hinauf zu gelangen, hatte man sich eines Paftierdrachens bedient, denselben über die Säule fliegen, dann herabfallen lassen, uud an der so über dem Capital liegeuden Schnur ein Seil hinaufgezogen, mittels dessen bald die Gesellschaft die Höhe erreichte und dort ein mitgebrachtes Frühstück einnahm. Man sagt, es seien Offiziere eines englischen Schiffes gewesen, die diesen unsinnigen Streich ausgeführt. Man braucht von der Pompejussäule die Allee, welche mau gekommen, nur eiu wenig weiter zu verfolgen, um an den Mahmudikcmal zu gelangen, der die Wasserstraße zwischen Alexandria und Kairo abkürzt. Noch vor kurzer Zeit 23 endete derselbe etwa hundert Schritt vom Hafen, wo die Barken ausgeladen und das Getreide durch Menschen oder auf Kameelen über die schmale Erdzunge weiter nach den Booten gebracht ward, die dasselbe zur Einschiffung weiter führten. Jetzt hat man dieses letzte Hinderniß weggeräumt uud läßt die Kanalbarken durch ciuc Schleuse iu den Hafen, um dort ihre Fracht gleich an Vord der Schiffe zu bringen. Der Anfang des Kanals ist fast stets mit Barken bedeckt; plumpe, ungeschlachte, rohe Fahrzeuge, schlecht gezimmert nnd ungethccrt, höchstens sind die Fugen mit Lehm und Dünger verschmiert; zwei kurze Masten tragen jeder ein sehr großes dreieckiges Segel an einer schräg stehenden Raa. Correspondirend mit dieser maritimen Architektur in Schmuz uud Uuflaterei sind die Iammerhiitten der Fellah am Ufer, abscheuliche Schwalbcnnester, aus Luftziegeln, Koth und Düuger zusammengcknetet, mit Fenstern nicht viel größer als eine Hand, und Thüren, daß man denkt, die Bewohner kriechen auf allen Vieren hinein. Daneben sitzen oft Francu mit Körben voll Dünger, den sie anf den Straßen aufgelesen, mit diesem mengen sie etwas Stroh oder Spreu nnd kneten flache Kuchen daraus, die in der Sonne getrocknet als Brennmaterial dienen. Fehlt es am Boden an Naum zum Trocknen, so kleben sie die Fladen als passendes Ornament an die Wände ihrer Hütten. Nnd mit welchem Gnsto die Leutchen das Geschäft betreiben! Selbst dic kleinen Kinder sitzen schon am Ufer des Kanals oder der Tümpel und klatschen mit den kleiyen Händchen 24 Dreckkuchen zusammen, gleichsam um sich für die spätere höhere Lcbeusaufgabe vorzubereiten. Und welche Schmuzerci trotz der vom Koran gebotenen mehrmaligen täglichen Abwaschungen! Fast sollte man glauben, die Leute wüschen sich statt mit Wasser mit Schlamm. Dazu kommt, baß viele an Augenentzündung leiden; es fällt aber keinem ein, sich die Fliegen, die das entzündete Organ in dichten Klumpen bedecken, abzuwedeln. Kleine Kinder sieht man auf dem Arm der Mutter von dicker Schmuzkruste umgeben, den Kopf mit Fliegen bedeckt, die dann wieder, sich auf Gesunde setzend, das Augenübel weiter verbreiten. Es ist der Abscheulichkeit und des Ekels kein Ende. Manche, die zur Erreichung specieller Zwecke hierher kommen, oder die auf einer luxuriös ausgestatteten Miethbarke in der schönern Jahreszeit den Fluß hinauffahren, läßt die Be--geisterung über das fremde Land, die schönen uralten Kunstwerke diese Misere übersehen, auf mein Los sind bisjetzt mehr von den Schattenseiten als Lichtseiten dcö Landes gefallen, und ich kann deshalb meine Quote von Information nur auf obige Weise beitragen. Reitet man den Kanal entlang, so wird die Scenerie freundlicher, denn auf der Nordseitc reiheu sich freundliche Landhäuser, manchmal umgebeu von ausgedehnten Gärten, und statt der schmuzigeu Frachtbarkcn sieht man die größern und schönern Lustbarlcn, jetzt, da die Saison vorüber und die Reisenden verschwunden sind, beigelegt, bis im nächsten Winter ihre Dienste wieder in Anspruch genommen werden. Selbst während der Sommerhitze und Trockenheit 25 zeigen die Gärten ein frisches üppiges Grün, denn längs dem Kanal knarren überall Sitteh oder Wasserräder, von Ochsen getrieben, die das nasse Element in einer endlosen Reihe an Stricken befestigter Thonkrüge heraufziehen und in vielen kleinen Kanälen zwischen die Bäume nnd Blumenbeete entsenden. Wählt man die Kühle des Abends, so findet man längs diesem Kanal einen angenehmen Spazierritt, den man eine halbe Stnnde weit verfolgen nnd dann nordöstlich sich wendend eine Höhe erreichen kann, von welcher man einen Ueberblick über die Stadt genießt. Will man dann noch die Nadeln der Klcopatra besichtigen, so reitet man dnrch das Thor von Rosette zurück und dann in östlicher Richtung dem entferntem Ende des alten Hafens zu, in dem früher die Christenschiffe zn ankern genöthigt waren, der aber jetzt wegen feiner ungünstigen Lage nicht mehr benutzt wird. Von den Nadeln ist nur eine sichtbar, die andere liegt umgestürzt im Sande vergraben unter Haufen von Ziegeln. Der noch stehende Obelisk ist sehr verwittert, die Hieroglyphen undeutlich, und das Ganze bietet weder einen schönen noch sehr merkwürdigen Anblick. Ich fühlte schon am zweiten Tage, daß ich Alexandria erschöpft habe, und setzte meinen Stab weiter nach Kairo. Daß dieser Brief nicht voll ale^anbrinischcr Weisheit ist, bitte ich den Umständen zngutc zu halten; es ist schon zn lange her, daß die alcxandrinischc Bibliothek und Gelehrsamkeit ein Ende fanden. Das moderne Alexandria bietet wenig znr Begeisterung Entzündendes. Man bezahlt mit wenig Satisfaction seine lange Rechnnng, schickt seine 26 Koffer und Bündel hinaus nach dem Bahnhof und ist froh, den Staub der Stadt mit dem der Wüste zu vertauschen, welcher letztere wenigstens den Vorzug hat, sich im Urzustand der Schöpfung zu befiuden, uuvermischt mit künstlichen Zuthaten der Menschen. III. Kairo. Der P. u.O.Comp.-Dampfer „Nubia". Bahnhof in Alexandria. Der See Mareotis und das Nildelta. Die Station an der Nilbrücke. Kairo. Vuckelhieroglyphen. Hotel de l'Orieut. Die Esbe-kieh. Musikalische Ungeheuerlichkeiten. Die Citadelle. Die Moschee Mehemcd-Ali'ö. Der Inssufbrunneu. Rundschau. Die Bazars. Curio sitätenun fug. Tänzer. Frauen. Der Sommerpalast Schubra. Heliopolis. Die Khalifengräber. An Bord des P. u. O. Comp.-Steamer „Nubia" (Rothes Meer), 5. Juni 1860. Afrika wäre mm glücklich überwunden, und man ist nicht mehr genöthigt, scine Lungen als atmosphärische Filtrirmaschine zu gebrauchen; das Tympannm genießt eine willkommene Nuhe vor dem fortwährend durch jung und alt gewimmerten „Bakschisch", und der ganze äußere Mensch befindet sich wieder von einem gewissen Comfort umgeben, der stark nach Civilisation schmeckt. Die „Nnbia" ist ein wohleingerichteter Schrauben- 28 dampfer von 2500 Tonnen mit Einrichtungen für 150 Passagiere erster Klasse; an Bord befinden sich diesmal nicht hundert, deshalb ist die Existenz erträglich. Es fangen bereits einige Reminiscenzen aus Ostindien an anfzutauchen. Die Weinflaschen werden in mit feuchten Tüchern umwickelten Strohgefäßen auf den Tisch gestellt, die Getränke kühl zn halten; im Wasser klappern Eisstückchen anf erfrischende Weise hermn; die Hühner und der Reis werden mit „Curry" aufgetragen, und über den Tischen schwingt sich die „Punka." Daß „Curry" eine angenehme Mischuug von spanischem Pfeffer, Safran und verschiedenen andern scharfen Gewürzen ist, die den Magen in heißen Klimaten auf angenehme Weise erwärmen uud die Verdauung befördern helfen, weiß jeder Gonrmand; denjenigen aber, die nicht wissen, was „Puuka" ist, diene zur Erklärung, daß diese ganz vorzügliche Einrichtuug aus einem an einer Stange befestigten, einen Fuß breiten Streifen Segeltuch vou entsprccheuder Lauge besteht, der über dem Tisch in passender Höhe aufgehängt, mittels eines Stricks durch Rollen an der Decke hin bis in eine Ecke gezogen, von einem daselbst befindlichen Mann hin- und hergeschwcnkt wird und so als großer Fächer angenehme Kühlung erzeugt. Engländer, auf welchem Theile der Erde sie sich auch befinden mögen, machen stets ihre Nationalität geltend, indem sie ihre Umgebung nach dem ihnen zusagenden Maßstab einrichten, wie dies jene Personen, die sich mit Vcr? miethnng möblirter Wohnungen befassen, schon oft zu ihrem 29 Leidwesen erfahren haben. Hier und nnter gegenwärtigen Umständen erspricßt daraus für den Reisenden der Vor theil, daß man ans dem Schmuz, der Unordnung und dem Discomfort jeglicher Art, durch den sich die ägyptischen Hotels auszeichnen, wieder in eine menschliche Existenz versetzt wird. 3n Ostindien und China leben die meisten Europäer im Ueberflnß; deshalb ist auch hier die Verpflegung nach einem angemessenen Maßstab eingerichtet. Bei jeder der drei Mahlzeiten ist der Tisch reichlich mit schmackhaften Speisen besetzt; frisches Fleisch und Gemüse, Eier, Milch :c., die anf dem festen Lande zu den Alltäglichkeiten gehören, auf der See aber unter die Luxusartikel gerechnet werden, sind stctö in reichlicher Menge vorhanden, und als Getränk hat man die Answahl unter verschiedenen Weinen und Bieren. Ebenso ist die Beleuchtung hell und reichlich, waS dem Salon am Abend ein freundliches Aussehen gibt. Dicfcs alles sticht auf angenehme Weise gegen viele Dampfer des MittelmecreS ab, wo trotz hoher Preise alles das Gepräge der Knickerei und Halbheit trägt, der Salon, mit einigen Lampen spärlich erhellt, einer Trauer-kapclle gleicht und die Speisen mit sanerm Rothwcin nnd lauwarmem Wasser hinabgespiilt werden. Nur in ciner einzigen Bczichnng haben jene Dampfer die P. u. O.-Comp. imitirt, darin, daß sie zum Thee nichts als trockenes Brot auf den Tisch stellen, dahingegen die Süßigkeiten weglassen nnd die verschiedenen Liqneure, die hier während deö Abends nebst Eiöwasscr anf dein Tisch bleiben, durch ein kleines Flacon Rum ersetzen, aus dem derjenige, welcher gewohnt 30 ist, seinen Thee auf diese Weise zu verderben, einige Tropfen in feine Tasse träufelt.^) Ii6ven0Q8 5. N08 iQ0utoii8, d. h. kehren wir nach Aegyftten zurück und zu dem Augenblick, wo der alexandria-müde Reisende sich nach dem Bahnhof begibt, nnb zwar eine halbe Stunde vor der zur Abfahrt bestimmten Zeit, um das etwas umfangreiche Gepäck wohl zu versorgen. Diese Vorsicht führt nicht zu einein augenblicklichen Resultat; noch ist keiuer der betreffenden Beamten zur Stelle, und man verbringt die Zeit, anf einem schmuzigen Divan sitzend, sich die Fliegen abzuwedeln. Endlich erscheint ein gähnendes Individuum, ein halbes Dutzend zerlumpter Personagen wiegt, ohne sich zu sehr zu beeilen, die verschiedenen Kisten und Koffer, und es wird uns mitgetheilt, daß die 1800 Pfd. Ucbergewicht bis Kairo mit 7'/- Pf-St. zu bezahlen sind. Dieses wird geleistet, und wenn nach einiger Zeit die Thüren geöffnet sind, nimmt man seinen Platz im Wagen ein, der ursprünglich gut genug gewesen sein mag, jetzt aber, voller Staub und Schmuz, einen unangenehmen Aufenthaltsort bietet. Nun brancht man noch etwas Geduld, deun die Zeit der Abfahrt richtet sich mehr danach, ob die Leute fertig sind, als uach der bestimmten Stunde; einiges Zusammenschachteln uud Rücken der Wagen *) Es gibt auch im Mittelmeer Dampfer, auf denen mancherlei Comfort herrscht, ebenso gleichen nicht alle P.u. O.-Comp.< Dampfer der „Nubia". Das Obcngesagte ist nur eine damals gemachte persönliche Wahrnehmung. 31 folgt, und endlich schiebt sich dcr mäßig große Zug auf den Schieueu weiter, in dcr ersten Klaffe meist die Durchreisenden, in der zweiten, schmuzigcrn, meist Griechen nnd Türken der bessern Klasse nebst einigen fremden Handwerkern, und in dcr dritten, allerschmnzigsten, das Gros der zerlumpten Landeskinder. Ich glaube, es gibt auch noch eine vierte Klasse, wenigstens habe ich mehrere Wagen, die sonst zum Transport von Vieh oder Waaren benutzt werden, voller Lcnte gesehen, die standen oder auf den Fersen hockten, je nachdem es die Umstände oder ihre Ideen von Bequemlichkeit erheischten. Die Bahn liegt im Aufaug zwischcu dcm Mahmudi-kanal und dem See Mareotis, dessen Ufern sic in einer Parallelling für einige Zeit folgt. Der hohe öulturzustand diefer Ufer, die uns Hcrodot beschreibt, beschränkt sich heute auf einige mittelmäßig bestellte Felder; die schönen Landhäuser und Gärten sind nur noch in nächster Nähe von Alexandria zu finden, selbst die früher schön gewesenen Gabarrigärteu hat Said-Pascha zum Theil niederhauen lassen, um einen Exercirplatz daraus zu machen; wunderliche Idee in einem Lande, wo rechts und links der Kies-boden der Wüste Excrcirplätze von vielen hundert Quadratmeilen bietet! Bei der Belagerung von Alexandria im I. 1801 durchstachen die Engländer bei Abukir den diesen See einschließenden Damm, um mit ihren Kanouierschalup-Pen bis vor die Stadt zu gelangen, das Meerwasser drang herein, uud so ist dcr See salzig geworoeu. Jetzt waren die seichten Flächen seiner Ufer mit Salz bedeckt, das, von 32 den Eingeborenen in Körben gesammelt, nach dcr Stadt gebracht wird. Im Delta war die erste Ernte nach der Ueberschwcm-mung eben eingebracht, und dcr jetzt vertrocknete nnd verbrannte Boden klaffte in weiten Fugen und Nissen, die, tief in die Erde sich erstreckend, Zengniß geben von der Mächtigkeit des Lagers reiner Pflanzenerde. An wenigen Stellen befindet sich noch Wasser in den Kanälen, die sich in verschiedenen Richtungen durchkreuzen, und wo das der Fall, schöpfen die Fellah entweder durch improvisirte Ziehbrunnen oder mittels durch Ochsen getriebener Wasserräder das zur Bewässerung ihrer Felder nöthige nasse Element. Da, wo die Kanäle ausgetrocknet sind, hat man das noch feuchte Bett derselben umgepflügt, nm Bohnen oder Gemüse in dasselbe zn säen uud so eine zweite Ernte zu gewinnen. Nichts kann der unerschöpflichen Fruchtbarkeit des Bandes gleichkommen, wo es möglich ist, demselben das nöthige Wasser zuzuführen, und es ist nicht schwer, sich vorzustelleu, daß zur Blütezeit Aegyvteus, mit eiuem wohb regulirten Bewässerungssystem, dem Boden die unendlichsten Ernten abgewonnen wurden. Angenblicklich ist der Anblick der Landschaft ein monotoner, selten wird das Gelb dcr Stoppeln oder das Graubrauu der Erde von grünen Stellen unterbrochen, der Bäume sind wenige und auch diese verstreut. Die auf kleinen Tcrramerhöhungen gelegenen Dörfer gleichen mehr einem Haufeu großer Schwalbennester oder großen Backöfen, als menschlichen Wohnungen. Wie mögen es wol die verschiedenen Eroberer des Landes 33 angefangen haben, die Ortschaften zu verbrennen, wie war es möglich, diese Schmuzhaufen durch Feuer zu verheeren? Nachdem man gegen 10 Uhr Alexandria verlassen, gelangt man etwa um 1 Uhr an die Nilbrücke und macht einen Halt von dreiviertel Stunde. Der Fluß, jetzt in seinem niedrigsten Wasserstande, ist nur noch ein schmaler Streifen, der sich durch von hohen Ufern eingeschlossene Sandbänke durchwindet; darauf kommen einige kleine Barken gesegelt oder geschleppt, während größere Fahrzeuge oder Dampfboote beigelegt sind, bis der Fluß, von den in Centralafrika fallenden Regengüssen wieder angeschwollen, die gelbe Flut dahinwälzt nnd, seine Ufer übersteigend, ringsum das flache Land überflutet. Es ist Sitte, hier ein Gabelfrühstück einzunehmen; wer aber sich an dem ersten für die Durchreisenden gedeckten Tisch niederläßt, wird für seine 5 Sh. eine mittelmäßige Mahlzeit davontragen; wählt er den letzten, entferntesten Tisch, wo sich gewöhnlich die Türken und im Lande ansässigen Fremden niederlassen, so kann er auf bessere Bedienung rechnen. Ist die Fütterung vorüber, so läutet eine zersprungene Glocke, die der respective Bahnbeamte in der Hand hält und mit dem abgedrehten Klöppel in der andern bearbeitet. Nun folgen noch einige Stunden des Staubes und Unbe hagens und hierauf die endliche Ankunft in Kairo. Wie lange diese verzögert wirb, hängt einestheils vom Belieben des Conducteurs und Locomotivführers ab, anderntheils Heine. Weltreife. I. 3 34 von andern Umständen. Das eine mal (ich kehrte noch einmal in geschäftlichen Angelegenheiten nach Alexandria zurück) mußte der Zug zwei Stunden an der Nilbrücke liegen bleiben, um einen unterwegs befindlichen Güterzug passiren zu lassen. Nähert mau sich Kairo, so wird die Landschaft interessanter; Bäume sind jetzt nicht blos in nächster Nähe der Ortschaften sichtbar, sondern ziehen sich theils als Alleen die Straßen entlang oder gruppiren sich als Gärten oder kleine Gehölze; besonders Sytomoren oder wilde Feigen, die durch ihre umfangreichen Laubmassen und etwas frischere Farbe dem Auge augenehme Nuhevunkte bieteu. Noch ehe man die Minarets der Stadt aus der Masse der nähcr liegenden Dattelpalmen zu unterscheiden vermag, erblickt man in südöstlicher Richtung die Gruppe der Pyramide«, anscheinend anf niedrigen, langgestreckten, hellfarbigen Sandhügeln ruhend. An heißen Tagen bringt eine Luftspiegelung die Täuschung hervor, als seien dieselben in einem sehr spitzen Winkel erbaut, oft auch scheinen sie ganz in der Luft zu stehen oder beginnen mit einem senkrecht aufgeführten Unterbau. Bald zeigt sich die Citadelle vou Kairo, bekröut von der Moschee Mchemed-Ali's mit ihren Kuppeln und schlanken Thürmen, und endlich schiebt sich der Zug in den Bahnhof. Hier beginnt nun der Hexensabbat, der den Ankömmling schon bei seiner Landung begrüßte, von neuem. Außer den Agenten fur die verschiedenen europäischen Hotels fallen eine Masse von Kutschern, Eseltreibern und Gepäckträgern über 35 ihn her, die alle ihre Dienste in einem wahrhaft babylonischen Sprachcnwirrwarr anbieten, natürlich in der Voraussetzung eines „Bakschisch", der jedoch auch beansprucht wird, ohne daß das Individuum irgendwelche Dienste geleistet. Unsere Gesellschaft hatte hier wiederum Ursache, den glücklichen Umstand zu preisen, daß Hr. v. B., bekannt mit dem Lande uud feinen Gebräuchen, auch mit dem nöthigen Werkzeug versehen war, sich verständlich zu machen, d. h. mit einer gntcn Reitpeitsche aus Nilpfcrdhaut, mittels welches Griffels er seine Wnnfche den Leuten in sehr leserlichen Buckelhicroglyphcn mittheilte. Der Gedanke, jemand zu schlagen, ist ein unangenehmer, mehr noch, wenn es ein verhältnißmäßig Wehrloser ist; allein es scheint, daß sich in diesem Lande das Gemüth verhärtet. In der That ist eiu kräftiger Iagdhicb oft das einzige Mittel, sich Luft und einem lästigen Ansuchen ein Ende zu macheu. Anfangs glaubt man, daß, wenn man die Zudriuglichen nicht beachtet, sie zuletzt er-müden und einen in Ruhe lassen werden; weit gefehlt! Diese Leute haben eine Energie im Betteln, die nicht so schnell zu ermüden ist; ebenso wenig soll man glauben, daß eine kleine Gabe die Lästigen entfernen wird; im Gegentheil, die übel augebrachte Großmuth dieut nur als Auziehuugsmittel für cincu ganzen Haufen Begehrender. Znletzt, mit einiger Selbstüberwindung, entschließt man sich, dem Zudringlichen eins über die nackten Beine zu ziehen, und das hilft augenblicklich; statt unwillig zu werden, lacht er und geht seiner Wege. 3* 36 Man thut am besten, seinen Vagagczettel an den Agenten eines Hotels abzugeben; denn will man das Gepäck selbst in Empfang nehmen, so ist außer andern Aergerlichkeiten noch ein langer Zeitaufwand unvermeidlich in diesem Lande des Schneckenganges. Von den Hotels sind Shepherd's und das Hotel dc l'Orient diejenigen, wo mau vielleicht weniger Unbequemlichkeiten findet als anderswo; das will jedoch nicht viel sagen. Dringt man bei Shepherd (jetzt von einem Deutschen, Hrn. Zech, geführt) darauf, ein gutes Zimmer zu erhalten, und nimmt sich einen Dragoman oder Diener für die Zeit feines Aufenthalts an, so ist man für 12 Sh. (4 Thlr.) per Tag erträglich aufgehoben. Im Hotel de l'Orient kann man mitunter erträgliche Zinnner erlangen, damit hat aber auch die Herrlichkeit ein Ende; der Tisch ist mittelmäßig, die Weine sind theuer und schlecht, sauerer Bordeaux die Flasche 4 Sh. (1 Thlr. 10 Sgr.), andere Getraute a proportion. Die Bedienung ist ein Gegenstand, der sich in der Rechnung vorfindet, sonst bekommt man, außer vielleicht bei Tisch, nur wenig davon zu sehen. Es gibt in den Zimmern zwar Klingelzüge, diese scheinen jedoch nur als pro torina angebrachte Immobilien betrachtet ,;u werden, wenigstens ist mir nicht ein Fall erinnerlich, wo selbst das energischste Bearbeiten derselben zu irgendwelchen praktischen Resultateu geführt hätte; ich hege gerechten Zweifel, daß sich wirklich eine Klingel am Ende des Drahtes befindet. Bedarf man wirklich der Bedienung, so ist es räthlicher, die Sitte des Orients anzunehmen, in den Corridor ;u treten uud drei- 37 mal in die Hände zu klatschen. Wird diese Procedur mit einiger Beharrlichkeit wiederholt, so erscheint manchmal jemand, der den Wünschen des Reisenden nach einiger Zeit gewährleistet. Es scheint, daß das Land auch die in demselben wohnenden Europäer aller Energie beraubt; denn dergleichen Misstäude sind durch nichts bedingt. Alexandria ist fünf Tagereisen von Trieft, acht von Marseille, steht mit beiden in wöchentlicher Verbindung; Kairo ist nur sechs Stunden weiter, und dennoch sind in den Hotels kaum die gewöhnlichsten Bequemlichkeiten zu erlangen, die wir hier an Bord im vollsten Maße haben, wo das Schiff von Point-de-Galle 15 Tage entfernt ist, und auch dort nur einen Theil seiner Bedürfnisse für eine vierwöchentlichc Neise erhalten kann, während der Rest erst aus Europa dahin geschickt wird. Selbst solche gewöhnliche Bequemlichkeiten, wie gutes filtrirtes, in der Sonne durch nasse Tücher gekühltes Wasser, gutes Brot und die gewöhnlichsten Anforderungen der Reinlichkeit, lassen die Leute außer Acht. Hotel de l'Orient sowol als Shepherd's liegen an dem größten öffentlichen Platz, der Esbekieh. Beide dienten zur Zeit der französischen Invasion als Regierungsgebäude; im erstern wohnte der Erste Consul mit seiner Suite, im Garten des zweiten ward General Kleber ermordet. Die Esbetieh ist in den Augen jedes enthusiastischen Reisenden das Paradies auf Erden; jedenfalls ist es der beste, weil der einzige, Spaziergang der Stadt. Ein früher hier befindlicher Teich ward trocken gelegt, auf seine Stelle Ge- 38 büsche und Bäume gepflanzt, uud eine doppelte Allee großer Akazienbäume umgibt denselben an drei Seiten. An einer davon ist der Raum unter der innern Allee etwas planirt, vom Fahrweg unter der äußeru durch einen Gra ben voll stagnirendeu Wassers getrennt, und hier flanirt gegen Abend uud nach Sonnenuntergaug die schöne Welt. Ein halbes Dutzeud Breterbuden, vor jeder derselben eine Anzahl Tische nebst entsprechenden wackeligen Strohstühlcn, stellen Kaffeehäuser vor, wo mau erträglichen Kaffee ^ 1a Wi-Hus in kleinen Tassen mit dem Satz darin, schlechte lauwarme Limonade, Sorbet und verschiedene andere alles Charakters entbehrende Getränke erhalten kann. Iu mehreren dieser Misverguügeusortc gruuzcu uud winseln Musikbandeu; eiuige davou, nach civilisirteu Principien organisirt, begnügen sich, mit den gewöhnlichen Geigen, Klarinetten, Trompeten uud Baßgeigen Opernmusik oder Tänze anf unharmonische Weise vorzutragen; au zwei oder drei Orten jedoch machen türkische Orchester den Aufeuthalt uusichcr. Mit uutergeschlageueu Beinen auf hohen Bänken sitzend, briugeu die Leute eiu abscheuliches Geräusch hervor; einer oder zwei haben jeder ein großes Hackebret auf den Kuien uud sind auschcineud unausgesetzt bemüht, dasselbe zu stimmcu; einige andere haben vielleicht Onitarren vou primitiver Form mit dünnen, schwindsüchtig tönenden Saiten; einer oder zwei bwseu auf einem Holz, das einen Klang wie eine Clarinette von sich gibt, deren Mundstück gesprungeu, und einer wimmert einen kläglichen Gesang dahin, der sich fortwährend in Vicrteltönen zu 39 bewegen scheint und wozu er vielleicht uöch mit kleineu Metallbecken eine Begleitung rasselt. Es ist schwer, den Eindruck dieser Toucaricatur wiederzugeben; würde ein sehr schlechtes Orchester das Finale des ersten Acts von Weber's „Obcron" so spielen, daß jedes Instrument mit seinem Nachbar um einen Viertcltakt im Widerspruch stände, so könnte vielleicht cm annähernder Effect erzielt werden. Am Abend werden an diesen Plätzen einige eiserne Pfannen aufgepflanzt, welche die bestaubtcu Bäume röthlich erleuchten. Da sich um diese Zeit auf dem Fahrweg nicht so viele Pferde, Esel und Kameele bewegen als am Tage, so athmet man eine etwas reinere Luft; weht uicht gerade der Chamsin oder Wüstenwind, so ist die Atmosphäre kühler, uud gibt es just Mondschein, so kann man mit einigem guten Willen sich in einen schwachen Aufguß orientalisch-Poetischer Stimmung versetzen. Man versäume ja nicht, die Citadelle zu besuchen; sie ist in sich selbst merkwürdig, nnd von ihren Wällen kann man die Stadt sowol als das Nilthal hinanf uud hinab überblicken. Aus dem „Musky" oder Frankenvicrtel muß man erst durch ein unbeschreibliches Wirrsal von engen Straßen, Winkeln uud Sackgassen laufcu, die oft so enge sind, daß sich die Nachbarn ohne Schwierigkeit über die Straße die Hände reichen können, falls sie Neignng dazu spüren sollten. Früh am Tage ist das Gedränge uicht groß, und man erreicht ohne Collision das andere Ende der Stadt, wo ein breiter gewundener Weg dnrch ein gewaltiges Thor auf das Platcan vor der großen Moschee 40 Mehemed-Ali's führt. Hier läßt man seinen Esel und be> gibt sich in dieselbe; denn der gläubige Muselman erlaubt heutzutage dem unreinen Christen den Zutritt ins Aller-heiligste, zieht ihm aber an der Thür über seine ketzerischen Stiefel ein Paar große orthodoxe Bastschuhe, für welchen frommen Act er natürlich ein „Bakschisch" beansprucht. Die Dimensionen der Moschee sind gewaltig, der Eindruck großartig, der Stil eiu vermischter, die Details geschmacklos; denn die zum Theil europäischeu Werkleute haben verschiedene übel angewandte Fragmente abendländischer Architektur einschlupfen lassen. Schade, daß das schöne Material ^ ein bräunlich gelber Alabaster — nicht besser verwandt worden ist. Aus einem großen Vorhof, auf drei Seiten von Säulengängen mngeben, während die vierte von der Moschee gebildet wird, und in dessen Mitte sich ein Kiosk befindet mit weitausragendem, von Säulen getragenem Dache, das den darunter befindlichen Brunnen beschattet, tritt man in eine gewaltige, von einer hohen Kuppel überragte Halle, in deren Mitte in großem Kreise Tausende von Glaslampen hangen. Am entgegengesetzten Ende befindet sich die kleine Moschee, in der gewisse Gebete verrichtet werden; zur Rechten, nahe der kleinern Säulenhalle, steht die Kanzel, auf welcher der Koran gelesen wird. In der Ecke rechts vom Eingang und nicht weit von demselben entfernt steht das von reichen Teppichen bedeckte, noch mit einem besondern reich vergoldeten und bunt bemalten Bau überragte Grab Mehemed-Ali's. Schließt man die Augen halb, sodaß man weder die geschmacklosen 41 Details noch die barbarische Farbenzusammenstellung genau unterscheiden kann, sondern nur den gewaltigen Bau mit seinen maumchfachen verworrenen Formen erblickt, so ist der Eindruck ein wunderbarer; zumal muß es ciuen sonderbar märchenhaften Anblick gewähren, wenn die Tausende Lampen ein ungewisses, schimmerndes Licht auf die unter ihnen kniende dichte betende Menge werfen und der Muezzin mit bebender Stimme sein: „^iiak ii ^Iiak, Gott ist Gott, Mohammed sein Prophet, Beten ist seliger als Schlafen!" ausruft. Jenseit der Moschee gelangt man auf ein zweites Plateau, daran ein kleiner Garten mit einem Gebäude, mehrere Säle enthaltend; dicht vor demfelben ist das Parapet der Festung nur etwa vierzig Fuß hoch, und ein schräg abgeflachter Schutthaufen deckt die weiter untcu befindlichen Felsen. Auf dieser Stelle sprengte bei der Ermordung der Mamluken ein einzelner Reiter sein Pferd über die Mauer uud entkam ins Freie. Weiterhin gegen die Ostseite liegen um einen großen Platz noch eine Menge Gebäude, der oberste Gerichtshof, die Münze, Kasernen und andere Baulichkeiten, darunter eine verfallene sehr schöne Moschee, deren Gewölbe auf elcgautcu byzantinischen Säulen ruhen. In der südöstlichen Ecke befindet sich der Josephs- oder Iussufsbrunnen, nach Iussuf Saladin, der dcnfelben erbaut oder erweitert haben soll, so genannt, 250 Fuß tief in den Felfen gehauen. Eine Reihe übereinauder angebrachter Schöpfräder bringen das Wasser aus der Tiefe; ein schneckenförmig gewundener Gang führt in dieselbe hinab. 42 Hat man sich aus dem großen Wirrsal von Neubauten und Schutthaufen, welche das Plateau der Citadelle bedecken, herausgewunden und wiederum die Nestseite erreicht, so genießt man eine schöne, weite Uebersicht der Stadt und dös Landes. Zu Füßen liegt der Rumeylehplatz, dicht an demselben die schöne, große Hassanmoschee mit ihren unver-gleichlicheu erhabenen Hallen und zierlichen Thürmen; nach Süden hin gruppiren sich die Mamlukengräbcr, eiuc Reihe von größer» oder kleinern Moscheen, mit Gebunden von anspruchslosen! Dimensionen und einzelnen kleinen Gräbern dazwischen, eine ausgedehnte Todtenstadt bildend; auf der Nordseitc füllen die Khalifengräbcr einen gleich großen Raum; gen Westen aber dehnt sich die Stadt mit ihren engen Straßen, tastenartigen Häusern und Hunderten von schlanken Minarets und runden Knppeln, zuletzt in einem Labyrinth von Gärten, drangen- und Palmenhainen sich verlierend, bis der Nil, jetzt nur als dünner Silberfadcn dahinschlängelnd, der sich um die grünende Insel Rhoda windet, dem Weichbild ein Ende fetzt nnd am jenseitigen Ufer die weite Fläche grünender Felder Zeugniß gibt, wie weit der allbefruchtende Strom jedes Jahr feine Fluten entsendet. Zuletzt, weithin am Horizont, dehnen sich die gelben Streifen der Libyschen Wüste, und über derselben erheben sich die gewaltigen Dreiecke der Pyramiden, die einzigen Mcnschenwcrke, welche der Zerstörnngswuth der Eroberer, die zu verschicdeneu Zeiteu Besitz vom Lande ergriffen, dnrch Iahrtaufende erfolgreich widerstanden, — räthselhaft, geheimnißvoll, unergründlich. 43 Ehe man von der Citadelle zurückkehrt, ist schon der Tag etwas vorgeschritten, Straßen und Plätze sind belebt, die Verkanfsläden offen, nnd hat man Lnst dazn, so kann man in den Bazars noch einiges Sehenswerthe aufschnappen. Hat man einen besonders geriebenen Dragoman oder Eseljungm angenommen (beide Klassen verstehen sich gleich gut darauf, die „Howadjis" oder Fremden zn übervorthei-len), so trägt derselbe vor allen Dingen Sorge, den Ankömmling mit ägyptischen Antiquitäten zn versehen. Der Handel in diesem Artikel ist seit einiger Zeit streng untersagt; manchmal, wenn ein Scheikh etwas Seltenes oder Kostbares gefnnden und an Fremde verkanft, setzt es sogar heftige Bastonnaden und Gefängnißstrafcn ab; nichtsdestoweniger hat fast jeder Kuriositätenhändler dergleichen feil. Die Läden, wo man dergleichen findet, liegen im Frankenviertel odcr in der Mhe desselben nnd werden meist von Italienern oder Griechen gehalten. Im Vordergrund pa-radircn arabische Waffen, persische Teppiche, Shawls, Schnitzereien, Pfeifen und allerhand Krimskrams. Hat man diese Gegenstände eine Zeit lang inspicirt, ohne ein Verlangen zn zeigen, etwas davon zu kaufen, so zieht der Händler mit geheimnißvoller Miene eine Schnur hellblauer Perlen, die schnmzige Ledcrschürze einer Nubicrin odcr vielleicht einen Ning mit einem Scarabäus aus den Buscn-falten seines Gewandes, und einen in die Ecke winkend, theilt er auf geheimnißvolle Weise mit, das; er unter dem Versprechen strengster Verschwiegenheit und gegen gute Be-zahlnng sich von diesen Schätzen trennen wolle. Zeigt man 44 noch keine Lust, zu kaufen, so werden neue Vorräche herbeigeschleppt; nun erscheinen Halsbänder, Ohrringe, kleine Figuren der Isis, Miniaturmumien aus grünlichem verglastem Thon, vielleicht sogar die geräucherte Hand einer Mumie, mit einem oder einigen Ringen daran. Bleibt man noch gleichgültig, so fallen die Preise, bis zuletzt der Verkäufer ärgerlich wird und entweder anbietet, einem alles zu schenken, womit es jedoch keineswegs ernstlich gemeint ist, oder in stiller Verachtnng seinen ganzen Kram einpackt. Kann man dergleichen Curiosa für eine geringe Summe erlangen, so ist es ein unschuldiges Vergnügen, seinen Koffer mit denselben zu füllen, jedenfalls sind sie in Aegypten gekauft worden; sollte mau jedoch nie so weit reisen, so kann man auch in Venedig recht gnte Mumien-proben erlangen, nnd in Suhl, Mchlis und andern Städten, die Stahlwaaren fabriziren, werden recht gute lange arabische damascirte Fliutenläufe, Säbelklingen, Streitäxte, Messer und sonstige Cnriosa verfertigt, die dann hierher importirt werden, und die, nachdem sie gehörig zugestutzt sind, ganz refpcctabcl ausscheu. Beschränkt man sich darauf, solche Artikel zn kaufen, wie die Eingeborenen selbst gebrauchen, so ist man dem Betrug weniger ausgefetzt. Manche dieser Artikel werdeu allerdings auch in England, Frankreich oder Deutschland verfertigt, allein bei denen, welche man im täglichen Gebrauch sieht, ist die Imitation meist nicht gut, auch sind, sie billiger als die von den Eingeborenen angefertigten Waaren, die nicht um fo vieles vollkommener sind, um 45 den Preisunterschied zu rechtfertigen. Anscheinend ist in gegenwärtiger Zeit im Orient jener erfinderische, schöpferische Geist erstorben, der nie zufrieden war, alte Formen nachzuahmen, sondern stets neue zu erfinden suchte und dadnrch jene ewig schönen lind denkwürdigen Kunstwerke von Architektur, Waffen, kostbaren Gerathen und Stoffen erschuf; deshalb ist es gleichgültig, ob ein solches neues Machwerk von einem Franken oder einem Orientalen verfertigt worden ist. Es ist anch möglich, schöne orientalische Kunstwerke zn erlangen; diese aufzufinden, erfordert aber Zeit, Ortskenutniß und einen geläuterten Geschmack, und man muß einen hohen Preis für dieselben zahlen; denn meist befinden sie sich in den Händen von Leuten, die ihren Werth ganz wohl kennen. Meine Einkäufe beschränkten sich auf wenige Artikel: eine graue doppelte Decke, die ich bisher nicht von gewünschter Farbe und Textur erlangen konnte, eine Tabackspfeife, möglichst billig, mit kurzem Nohr, Glasspitze, denn Bernstein hätte ich in Deutschland besser und billiger haben können, und eine „Oka", etwa zwei Pfund, Taback; denn selbst wenn man das Rauchen nicht sehr liebt, kann man es hier vorziehen, feine Luugen mit einem schützenden Ueberzug von Tabacksasche zu umgeben. Ich war mit meinen Einkänfen znfrieden; sie erfüllten sämmtlich den Zweck, um dessentwillen ich ihren Besitz wünschte, und überstiegen insgesammt die Summe von 4Thlrn. preuß. Cour. nicht, folglich konnte ich nur nm ein Geringes übervortheilt fein. Man muß sich bei derartigen 46 Einkäufen einen kleinen Zeitverlust nicht verdrießen lassen, auch keinen Anstand nehmen, den dritten Theil vom ursprünglichen Kaufpreis zu bieten, man erhält dann vielleicht 3ZV2 Procent Abschlag und zahlt also nur ein Geringes mehr als der Eingeborene. Der Taback war gut und diente nicht nur meinen Lungen als Schutzmittel gegen Un-rath, sondern gewährte auch einen gewissen Genuß beim Rauchen. Die Handwerker arbeiten oft auf sehr primitive Weise; so bohrt z. B. der Drechsler das Pfeifenrohr, indem er den Bohrer an eine Spindel schraubt, die mittels eines Fidelbogcns mit der rechten Hand gedreht wird, während der Mann das Rohr in der linken hält und den Bohrer mit dem rechten Fuß, zwischen dessen Zehen er ihn klemmt, dirigirt. Am angenehmsten ist ein Spazicrgang, resp. Spazierritt, durch ftne Bazars, wo Stoffe, feine Kleidungsstücke und Luxusartikel verkauft werden. Die Kaufleute sind dort großentheils respectabcl ans-sehende Türken, die Straßen sind sauber gefegt und besprengt, den Staub von den offen liegenden Waaren fern zu halten, und wo nicht die sich fast berührenden Häuser den nöthigen Schatten gewähren, sind Tücher über die Straße gespannt. Das Publikum, welches sich hier bewegt, ist gleichfalls ein besseres, drängt nicht so sehr und spricht nicht so lant, sodaß man die oft sehr schönen nnd theuern Waaren sich mit Muße betrachten kann. Der Cnriositätenhandel wird außerdem noch durch Unterhändler betrieben, meist den Dragoman oder den 47 Escljungcn, den man für die Daucr seines Aufenthalts angenommen hat. Diefer erscheint dann von Zeit zu Zeit im Zimmer und zieht den einen oder andern Gegenstand aus dem Gewand, welchen zu kaufen er einen zu beschwatzen sucht. Auch wenn man in einem der Kaffeehäuser der Esbekieh sitzt, erscheinen oft Individuen in derselben löblichen Absicht; doch wählen sie meist die Dämmer-stuubc zur Betreibung ihres Geschäfts, haben auch im allgemciuen eine Abneigung, ihre Waaren genauer inspiciren zu lassen. Manchmal erscheinen Tänzer, die zum Geräusch einer Flöte und Trommel ihre' Vorstellung geben. Es sind dies meist Männer, als Frauen verkleidet und verschleiert, die eine Reihe der wunderlichsten, abscheulichsten Bcwcgnngen und unsaubersten Gesten aufführen. Auch eingeborene Frauen promeniren gegen Abend häufig auf der Esbekieh, die einen sorgfältig verschleiert, daß man nur die mit schwarzen Ringen von „Kohl" bemalten dunkeln Augen durch einen schmalen, offenen Ritz des dichten Schleiers sieht, über dem manchmal noch ein großer Uebcrwurf von schwarzer Seide getragen wird. Andere sind totaliter verschleiert, die Hülle ist aber von so durchsichtigen: Stoss, baß oft die nicht unschönen Gesichter sowie ein großer Theil der übrigen oft sehr leichten Toilette durch die pro torina, getragenen Schleier sichtbar sind. Ist es wegen der weiten bauschigen Beinkleider oder aus andern Gründen, der Gang der meisten dieser Schönheiten ist ungraziös und wackelig. 48 In der Nähe der Stadt befindet sich ein, irre ich nicht, von Mehemed-W erbauter Sommerpalast, Shubra. Ein Ritt von einer halben Stunde durch eine schöne Allee von Akazien führt zum Eingang der denselben umgebenden Gärten an den Ufern des Nil, welche zu betreten es einer Eintrittskarte bedarf, die man durch die diversen Consulate erlangen kann. Ob dieselben sogleich respectirt werden, hängt dann immer noch von der Laune des Aufsehers ab, der wie jeder andere bedeutende Absichten auf die Börse des Fremden hat. Die Gärten sind ziemlich ausgedehnt, doch nicht besonders merkwürdig, weder durch Seltenheit und Pracht der Pflanzen, noch durch große Entwickelung von Geschmack. Möglich auch, daß sie zu einer andern Jahreszeit schöner sind; deuu in der Hitze nnd dem Staub des Sommers sieht alles dürftig und verkommen aus. Nicht weit vom Eingang stehen zwei uoch unfertige Gebäude; im Hintergrund der Anlagen befindet sich das Sanctuarium des Harems. Ein sehr großes Bassin aus weißem Marmor, in dessen Mitte eine Plattform mit Balustraden und Springbrunnen, wasserspciendcn Krokodilen und Löwen, wird auf allen vier Seiten von geräumigen Säulengängen umgebeu, unter denen Divans zur Ruhe einladen. An jede Ecke stößt ein Pavillon, von denen einer als Staatsgemach oder Empfangzimmer dient, ein zweiter die Billards enthält und die beiden andern zu beliebigen Zwecken zu dienen scheinen. Die Architektur, obschon nicht mit den Meisterwerken altarabischer Baukunst zu vergleichen, macht einen gefälligen 49 Gesammteindruck. Die Verzierungen und Malereien sind manchmal geschmackvoll, die vier Eckpavillons aber mit außerordentlichem Luxus decorirt und meublirt. Im Staatszimmer, dessen Fußboden mit kostbaren Hölzern reich eingelegt ist, stehen mehrere Geschenke europäischer Fürsten, ein Paar schön gearbeitete silberne Candelaber, mit Löwen, Straußen, Gazellen und Pferden verziert, ein großer Glas-krouleuchter und mehrere sehr schöne große berliner Por-zellanvasen, mit Blumen bemalt. Wenn ich nicht irre, überbrachte sie Lcpsius als Geschenk des Königs von Preußen an den Vicekönig. Die übrigen Verzierungen sind etwas barbarischer, sinnlicher Natur. Im Billardzimmer sind Bildnisse von Mehemed-Ali und Ibrahim-Pascha, beide sehr mittelmäßig ansgcführt, besser gelungen hingegen einige Landschaften von einem französischen Künstler. Das Orchester der Eunuchen, das sonst auf der Plattform spielte, die Odalisken, die sich hier badeten oder in den kleinen Nachen umherfuhren, werden nicht gezeigt; das Ganze fcheint schon seit geraumer Zeit nicht mehr benutzt zu werdeu und geht dem Verfall entgegen. Ein anderer Ausflug, den man, gestatten es Zeit und Umstäude, nicht unterlasse« sollte, ist nach den Rninen von Heliopolis, dem On der Bibel, wo Joseph seine Frau Asnath, die Tochter eines Priesters, nahn:, wo im Sonnentempel die gelehrteste Priesterschaft nächst der von Theben wohnte und Mofes seine Stndien begann. Die Stätten, wo man sonst die Ruinen fand, werden jetzt von Haufen Schutt und Scherben bedeckt, und in einem Garten ein Heine, Weltreise. I, 4 50 einziger Obelisk, ganz mit den Zellen von Mauerbienen bedeckt, die nur an Einer Seite die Hieroglyphen etwas durchscheinen lassen, zeigt die Stelle an, wo sonst vielleicht der Tempel des Horus stand. Ehe man diesen Ort erreicht, unweit des Dorfes Matarieh, passirt man einen Brunnen, der, von schattigen Bäumen gegen die Sonnenstrahlen geschützt, ein außerordentlich klares, frisches Wasser enthält; dicht dabei in einem Garten steht ein uralter Sykomorenbaum, unter dem, der Legende nach, Maria mit dem Christuskind geruht haben soll, denn hier befinden wir uns an der Grenze jener gesegneten Landschaft Gosen, aus der Moses sein Volk nach Kanaan zurückführte. Es ist schwer zu bestimmen, ob der Vaum wirklich achtzehn Jahrhunderte alt sein kann, noch läßt sich nachweisen, auf welche Weise die Stelle bekannt wurde, wo die heilige Familie, zu jener Zeit arme Flüchtlinge, sich aufgehalten; doch ist die Sage eine zu poetische, die Stelle, an welche sich dieselbe knüpft, eine zu liebliche, um lange über den Sachbestand zu grübeln. Ich trank von dem klaren Wasser, ruhte in dem kühlen Schatten und pflückte mir beim Fortgehen einige Blätter zum Andenken. Auf dem Heimweg besuchte unsere Gesellschaft die Khalifengräber, schöne Ueberreste einer phantasiereichen arabischen Architektur, mit weiten Hallen, Höfcu, Kuppeln und allerhand Reliquien, darunter zwei Abdrücke vom Fuß des Propheten in Stein. An einigen Stellen bedecken Mosaikarbeiten von überraschender Zartheit die Wände, welche leider zum Theil unter dem Hammer der Touristeu 51 verschwunden sind. In einer Moschee zeigte uns ein Schulmeister, der in der Eingangshalle ein Dutzend Kinder unterrichtete, die Curiosa. Als wir weggehen wollten, fühlte der Pädagoge seinen Ehrgeiz rege werden, er ließ seine kleine Heerde aufstehen und befahl ihr, zu lesen. Sie standen auf, kamen auf uns zu, streckten die Hände aus, und statt eine Stelle des Koran zum Besten zu geben, schrien alle rmi80N0: „Bakschisch, Bakschisch", in das zuletzt der Mcu-tor auch mit einstimmte. 4» IV. Umgebungen von Kairo. Vorbereitungen zu einem Ausflug. Alt-Kairo. Rhoda. Gizeh. Die Fahre und Fährleute. Nach den Pyramiden. Das Nachtlager. Die Nachtwächter. Dialog. Die Sphinx. Ausgrabungen. Besteigung der großen Pyramide. Rundschau. Bakschisch! Bakschisch! Die Königsgräber. Die Gräberfelder. Abschied von der Sphinx. Sakarra. Unter Palmen wandelt keiner ungestraft. Apis-Gräber. Neue Ausgrabungen. Memphis. Ein nasses Lager und trockenes Nachtmahl. Rückkehr «ach Äairo. Der Sueztanal. ?rc» und contra. Die Eisen« bahn des Isthmus. Suez. An Bord. An Nord des P. u.O.-Comp.-Steamer „Nubia", Straße von Vab-el-Manbeb (Rothes Meer), 9. Juni 1860. In Kairo sein und einen Ausflug nach den Pyramiden vernachlässigen, heißt nach Rom reisen und St.-Peter oder das Coliseum nicht sehen. So beschloß denn auch unsere Reisegesellschaft, die Woche, die bis zum Abgang des nächsten Dampfers von Suez übrig blieb, zu einer Excursion in die Umgegend zu verwenden. Ein Koch ward gesucht und gefunden, Zelt, Kochutensilien und Vorräche auf Eseln 53 vorausgeschickt, und am Nachmittag, nachdem die Hitze etwas weniger drückend geworden, brach unsere Gesellschaft auf. Unfer Weg führte durch Alleen und Gärten nach Alt-Kairo. Hier, eine kurze Strecke, nachdem wir eine gewaltige Wasserleitung, im Spitzbogenstil erbaut, in welche das Wasser erst aus dem Nil mittels Wasserräder gehoben und dann nach der Stadt geführt wird, besichtigt, stiegen wir die Ufer des Nil hinab, um uns nach Gizeh übersetzen zu lassen. Nach einigeln Widerstreben von selten unserer Esel befanden wir uns am Bord einer kleinen Barke, und mußten, nachdem wir die obere Spitze der Insel Rhoda passirt, des niedrigen Wasserstandes wegen einen langen Umweg zwischen Sandbänken und seichten Stellen machen. Auf der Insel, deren Ufer sich jetzt hoch über den Flußspiegel erheben, reihte sich Garten au Gartcu, einige Sommerresidenzcn verschiedener Paschas, uud ein oder zwei dergleichen wareu im Bau begriffen. Die Leute scheinen ein Vorurtheil dagegen zu haben, einen Palast zu bewohnen, den ihr Vorgänger gebaut. Ueberall sieht man unvollendete Gebäude vorzeitig in Trümmer zerfallen, und auf oder neben den Schutthaufeu beginnt mau neue, die vielleicht ihre Erbauer uie vollcudet fehen werden. Wie überall, wo es sich um Bezahluugeu handelt, machte auch nach unserer Ankunft in Gizeh unser Fuhr-Manu Einwendungen gegen den von uns gezahlten Preis, trotzdem derselbe die Taxe um mehr als das Dreifache überstieg. Da er uns dabei das Geld fortwährend vor- 54 hielt, so ward ihm alles, was mehr als der festgestellte Tarif war, wieder abgenommen, woranf er zwar etwas verwundert dareinfchaute, sich aber schließlich beruhigte. Es scheint beinahe unmöglich zn sein, die Leute felbst durch die reichlichste Bezahlung zufriedenzustellen; sie schreien immer noch mehr! mehr! Selbst wenn sie mit dem Preise für einen geleisteten Dienst anscheinend zufrieden sind, strecken sie hinterdrein noch die Hand aus und rufen „Bakschisch, Bakschisch"; mau kann deshalb nichts thun, als ihnen eben so viel geben, als man denkt, daß sie verdient haben, und kümmert sich dauu nicht weiter um ihr Geschrei. — Aus den Gärten des Dorfes Gizeh ins Freie gelangend, bekommt mau die Pyramiden in Sicht, hat aber noch ciucu langeu Weg vor sich, ehe man sie erreicht. Groß und gewaltig sehen diese Steinkolossc in der Ferne aus; je mehr man sich ihueu aber nähert, desto kleiner erscheinen sie, bis man, am Fuß angelaugt, kaum meinen -sollte, vor den höchsten Bauwerken zu stehen, welche Menschenhand jemals errichtet. Man wird nur dann zur gehörigen Schätzung ihrer Größe zurückgeführt, wenn Menschen auf denselben stehen und kaum so groß wie Mücken aussehen. Zur Zeit der Ueberfchwemmung muß man einen weiten Umweg auf einem der Dämme machen, welche die Ebene durchschneiden; in gegenwärtiger Jahreszeit kann mau sein Ziel in gerader Richtung verfolgen, muß jedoch auch auf den betretenen Pfaden bleiben, denn über ein Stoppelfeld zu reiten ist fast unmöglich. Die weiten und tiefen Ritzen, welche den ausgetrockneten fetten Boden nach 55 allen Seiten durchfnrchen, bilden eine Oberfläche voll spitzer, harter Erbklumpen, auf denen Pferde und Esel fortwährend straucheln und in die Risse schlüpfen. Dieser Umstand mag dcn Franzosen in den verschiedenen Schlachten, welche im Nilthal gefochten wurden, keinen unerheblichen Vortheil gegen die Cavalerie der Türken und Mamluken gegeben haben, die hier strauchelnd die unbeweglichen Schlachten-Vierecke zu erreichen suchten, an deren fester Masse sich ihr Ungestüm brach. Die Sonne war bereits untergegangen, als wir bei unserm Zelt anlangten, das zwischen der Sphinx und der großen Pyramide aufgeschlagen war, in der Nähe eines Grabes, von welchem der Koch Besitz ergriffen und unsere Mahlzeit bereitete, während ein anderer Theil den Eseln als Stallung dicute. — Schon in dein am Rande des Thales liegenden Dorfe hatten sich verschiedene Beduinen zu uns gesellt, deren Zahl sich stets vermehrte/ sodaß das Zelt bald von vielleicht dreißig Personen umgeben war, die sich anschickten, die Nacht mit uns zuzubringen. Unter Mehemed Ali war ein Beduincnstamm hier angesiedelt, der berechtigt wurde, als Führer zu dienen nnd von allen die Pyramiden besuchenden Fremden eine Taxe zu erheben; dafür übernahm der Scheikh die Verantwortlichkeit, die Reifenden zu fchützen. Nun drängen sich aber stets möglichst viele herbei, um einen Bakschisch zu erlangen. Nach genossenem Mahl und nachdem die nöthigen Vorbereitungen für die Nacht vollendet, saßen wir vor dem Zelt, im Halbkreis um uns aber lagerten eine Menge Beduinen, von denen ein alter, mit einer 56 breiten Nase und das Gesicht voller Pockennarben, sowie ein etwas jüngerer, mit verschmitztem Gesicht, der von verschiedenen europäischen Sprachen etwas aufgeschnappt hatte, die Wortführer machten und sich dabei italienischer, französischer, englischer und manchmal auch deutscher Ausdrücke bedienten. Unser vorsichtiger Mentor v. B. wünschte sogleich alle Ideen auf die Erfüllung übertriebener Ansprüche zu zerstreuen, und begann deshalb die Unterhaltung folgendermaßen: v. B.: Warum sind so viele von euch gekommen? Wir brauchen keine Wache, können uns selbst schützen. Beduin mit dicker Nase: Wir sind gekommen um unser selbst willen, wenn den Reisenden Unglück widerfährt, werden wir bestraft. v. B.: Wenn uus Räuber angreifen, so lauft ihr doch davon oder verkriecht euch hinter uus. Beduin mit verschmitztem Gesicht: Als Lepsius hier beraubt wurde, mußte unser Dorf den Schaden bezahlen; wir sind arme Leute. Meine Wenigkeit: Das ist euch recht geschehen; ihr seid damals davongelaufen wie die Hasen; ich hoffe, baß die Bastonnade euch gut gethan hat. Beduiu mit dicker Nase^ In8i1Mg.I1, Lepsius war großmüthig, er gab uns von uuscrm Gelde zurück. v. B.: Wenn ihr glaubt, daß morgen ein jeder von euch „Bakschisch" erhält, so täuscht ihr euch; ich zahle nur einem einzigen Mann für die Wache, den Rest brauche ich nicht. 57 Beduin: MonZisiii' 1e Varon ist rcich; wir sind nicht hier des Geldes wegen, wir bleiben nmsonst. Damit endete die Unterhaltung für den Abend. Natürlich verlangte am nächsten Morgen ein jeder „Bakschisch". Noch in der Dämmerung besnchtc ich die Sphinx, von der unser Zelt nur wenig entfernt, und faß noch auf einem Sandhügel vor derselben, lange nachdem die Nacht zu dunkel geworden, um mehr wahrnehmen zu können als die Umrisse des gewaltigen Haupts gegen den klarcn Himmel. Am nächsten Morgen ward der Besuch wiederholt, und obschon Ansichten von allen Seiten genommen und auf jede denkbare Weife vervielfältigt worden sind, so konnte ich dennoch nicht umhin, eine Skizze davon zu machen. Es liegt ein eigenthümlicher Zauber, der an die Stelle fesselt, m diesem Ricscnbildwcrk, das trotz aller Zerstörung durch Zeit und Verstümmelung durch Menschen einen uubcfchreibbaren Ausdruck erhabener Ruhe und stiller Majestät bewahrt hat, dessen Zweck und Bedeutung aber bis jetzt noch nicht er-grüudct worden. Selbst ^epsius, nachdem er alle Con-jecturen erschöpft, schließt: „Wann und von wem ist dcr Koloß errichtet, und was war seine Bedeutung? Wir müssen die Beautwortuug glücklichern Nachfolgern über-- lassen, —---------> noch fehlt der rechte Oedipus für diesen König aller Sphinxe." Da, wo selbst die Gelehrten so im Dunkeln tappen, ist es dcm Nichtgclehrteu um so eher zu verzeihen, wenn er sich von allen Theorien diejenige zur Erklärung wählt, die mit dcm Eindruck des Ganzen am besten harmonirt. Nehmen wir nach dcr Bezeichnung 58 «Ilar-sm-eiin», „Horus im Horizont" an, daß es ein Bilduiß des Sonnengottes sei, so haben wir eine Bedeutung, die genügen kann, bis etwas noch Positiveres gefunden worden ist. Betrachtet man die ruhigen, kolossalen Züge des Morgens, wenn sich der östliche Himmel zu färben beginnt, so kann man sich des Gedankens nicht erwehren, daß das Riesenbild die hoffnungsvolle Erwartung ver-sinnlichen soll, mit der die ganze Natur dem Erscheinen der leuchtenden Tagesgöttin entgegensieht, und so überwältigend ist der Eindruck, so harmonisch sind die Züge, selbst in ihrer Entstellung, daß man meint, die vollen, theils zerstörten Lippen müßten sich zu einem Lächeln verziehen, das kalte, glanzlose Auge sich noch einmal in verjüngtem Feuer entzünden. Der Gedanke, einen großen Felsblock zu diesem gewaltigen Bildwerk zu gestalteu, ist imponirender als selbst die Pyramiden, an denen überall sichtbar ist, wie Tausende uud Taufende von Menschen sich abgemüht gleich Ameisen, mn einen Stein auf den andern zu thürmen, und zuletzt uur emeu Haufen Nuiuen erzeugt, etwas größer als die übrigen, während hier nichts als die große Form sichtbar ist, eine zu Stein gewordene Idee, gleichsam ohne mechanische Einmischung des Menschen entstanden. Die Ausgrabungen, welche Lepsius am vordern Theil der Bildsäule vorgenommen, wurden entweder von ihm selbst wieder zugeschüttet, um den zwischen den Tatzen befindlichen kleinen Tempel oder die „Stele" gegen Zerstörung zu schützen, oder sie sind zugeweht. Kürzlich hat 59 ein Franzose, Hr. Mariette, im Auftrag des Paschas verschiedene Ausgrabungen vorgenommen, darunter auch eine an der Seite der Sphinx, wo, wenn ich nicht irre, Caviglia schon im I. 1818 bedeutende Forschungen gemacht. Jetzt war genng Schutt und Sand wcggcränmt, um eine Idee von den Dimensionen des Kolosses zu bekommen. Da das Felsenlager, aus dem das Bild gehauen, nicht überall gleich festes Material bot, so sind einige Theile viel schneller verwittert als der Nest; an manchen Stellen sah man sich vielleicht auch schon beim Bau genöthigt, weiche Theile durch Mauerwerk festerer Blöcke zu ergänzen, die man dann zur nöthigen Form umgestaltete. Von dem Eingang zu dem an der nördlichen Seite und znm Theil in der Sphinx gelegenen Tempel konnte man eben den obern Theil der Oeffnung seheu, doch nicht durch denselben hineingelangcn. In südöstlicher Richtung von der Sphinx und einige hundert Schritte von derselben entfernt hat Hr. Mariette einen andern Tempel von ziemlich beträchtlichem Umfang ausgegraben, der aus gewaltigen Grauitblo'cken erbaut ist, Hallen, parallel nebeneinander, in fich schließt und nicht so sehr zerstört wurde, um nicht deutlich die ganze Anlage zu erkennen. Es wurden hier einige werthvolle griechische Sculpturen gefunden; doch sind dieselben entweder wieder verdeckt oder entfernt worden. An den Säulen und Wänden waren weder Hieroglyphen noch andere Inschriften sichtbar. Die ersten Morgenstunden wurden zur Besteigung der 60 großen Pyramide benutzt. Die Stufen, aus denen dieselbe besteht, sind nahe der Basis etwa 4 Fuß hoch, nach der Spitze hin werden sie etwas niedriger. Zwei Araber nehmen einen bei den Händen, und indem sie zuerst die nächste Stufe besteigen, ziehen sie einen wie einen Waarenballen nach, wobei manchmal noch ein dritter von hinten nachschiebend hilft. Beim Hinabsteigen springen sie voraus, und man stützt sich dann auf ihre Schultern, eine Hülfe, die ganz willkommen ist, wenn man einigen Respect für seine Beinkleider hat und eine Reise nicht als eine Turn-fahrt betrachtet. Wünscht man nur den Genuß der An-strengung zu haben, so kann man sich denselben überall erzeugen, wenn man 150 mal auf einen hohen Tisch steigt und dann wieder herabspringt. Die obern Steinlagen der Spitze fehlen; deshalb kaun auf der so gebildeteu Plattform eine Gesellschaft von fünfzehn oder zwanzig Personen mit Bequemlichkeit ausruheu. Jede sich dazu eignende Stelle ist mit Namen bedeckt; denn selbst wenn man .vielleicht den oft zur Ausrüstung eines modernen Reisenden gehörenden Meißel und Hammer nicht mit sich führt, so sind die begleitenden Araber bereit, gegen eine geringe Vergütung die Schriftzüge, welche man ihnen vorzcichnet, in den Stein zu hauen. Die Aussicht von dieser Höhe ist selbst in jetziger Jahreszeit erhaben, obschon der Hauptzug der Landschaft fehlt, der gewaltige Nilstrom, der, rechts und links über seine Ufer tretend, das ganze weite Thal in einen gewaltigen See verwandelt. Wir befinden uns hier bei den 61 Anfangskaftiteln menschlicher Culturgeschichte; wahrscheinlich sah Abraham diese gewaltigen Bauwerke, Moses führte sein Volk von dem Frondienst hinweg, der dazu dienen sollte, mehrere andere zu errichten, Joseph, Maria und das Christuskind, im fremden Lande Zuflucht suchend, wandelten hier, Kambyses und seine Perser versuchten ihre Zerstörungswuth an ihnen, Alexander mit seinen Macedonian und Nom mit seinen Legionen herrschten einst hier, und selbst in diesem Jahrhundert gelang es einem Häuflein kecker Abenteurer, sich das ganze gewaltige Land zu unterwerfen, nachdem sie deu herrschenden Stamm der Mamluken angesichts ihrer eigenen Stadt geschlagen. Zu jener Schlacht stehen jedoch die Pyramiden in keiner andern Beziehung, als daß sie eben den Namen geliefert haben; das Schlachtfeld liegt mehrere Meilen davon an deu Flußnfern, unterhalb des Dorfes Gizeh. Hat man etwas geruht, so erbietet sich gewöhnlich einer der Araber, innerhalb zehn Minuten vom Gipfel der Pyramide, auf der man sich befindet, den der zweiten zu erreichen, wofür er eine halbe Gmnee oder nach Umständen auch eine ganze verlangt, sich aber auch mit einigen Schillingen begnügt, wenn man eben nicht mehr geben will. Er führt dann seinen Theil der Vorstellung mit großer Behendigkeit innerhalb der gegebenen Zeit aus, indem er, um den Apex der zweiten Pyramide zu erreichen, sich in den Steinritzen festklammert; denn die obersten Lagen find hier nicht stufenförmig, sondern schräg abgeflacht. Sieht man den Mann so an der Steinwand hinaufklunmen, so 62 erhält man einen Maßstab für die gewaltigen Dimensionen der Pyramiden. Beim Hinabsteigen beginnen die Araber gewöhnlich einen Gefang in freien Reimen, die sie nach den Umständen ex-temftoriren und variiren; der Refrain scheint aber immer derselbe, und ohne ein sehr gelehrter Orientale zu sein, kann man verstehen, daß er von dem „Bakschisch" handelt, den sie erwarten. Je weiter man hinabkommt, desto lauter und deutlicher wird derselbe wiederholt, dabei aber allerhand Insinuationen fallen gelassen, daß der Scheikh ein sehr habsüchtiger Mann sei, alles Geld, welches die Leute für ihre Führerdienste erhalten, ihnen abnehme, und wenn man ihnen nicht heimlich noch etwas gebe, sie ganz umsonst gehandelt hätten. Hier gilt es nun, ein standhaftes Gemüth zu bewahren; läßt man sich von Schwachheit übermannen und gibt auch nur Einem etwas, so hat man bald den ganzen Haufen hinter sich. Man wählt zum Hinabsteigen meist die Nordseite, denn hier befindet sich der Eingang zu den Königsgräbern, in geringer Höhe vom Boden und in der Mitte der Basis. Ein Theil der Stufenreihen ist weggebrochen, wodurch ein Mauerwerk, aus gewaltigen Blöcken bestehend, bloßgelegt ward. Zwei dieser Blöcke, in schräger Richtung sich aneinander stützend, überdecken den Eingang, und der zur Rechten enthält die Inschrift, welche Lepsius als Gedenktafel der preußischen Expedition, deren Chef er war, hier zurückließ. Dieselbe ist in Hieroglyphen und nach Art derselben gehauen, von der Farbe jedoch, mit der sie, wie 63 Lepsius' Briefe uns mittheilen, bedeckt wurden, tonnte man nichts sehen. Da, wo die großen Blöcke, die den Eingang umgeben, beginnen, liegen die Schichten nicht mehr wagerecht, sondern in einem steilen Winkel nach innen geneigt, und der ins Innere führende 4 Fuß hohe Gaug folgt demselben Winkel abwärts. Hat man nach einiger Mühe, in gebückter Stellung hinabgleitend, das Ende desselben erreicht, so stößt mau auf einen gewaltigen Gramtblock, der hier früher weitere Fortschritte hemmte; man hat die weichern Steine zur Rechten weggeräumt, und so das Hinderniß umgehend, gelangt man in einen zweiten, sehr hohen, in steilem Winkel aufsteigenden Gang, in dessen Seiten sich ein bantartigcr Vorfprung hinzieht. Das Grab des Königs liegt am obern Ende, am Anfang aber befindet sich der Eingang in einen zweiten Gang, der zu dem unter der vorerwähnten Grabkammer befindlichen Grab der Königin führt. Um den obern Gang zn erreichen, muß man auf den nur 18 Zoll breiten, durch vielen Gebrauch sehr glatt gewordenen Bänken weiter klettern, und hat dann, trotzdem man hier sich aufrecht bewegen kann, immer noch ein hartes Stück Arbeit, bis man zur Grabkammer gelangt. Das Bewußtsein, sich nahe der Mitte der Pyramide zu befinden, ist beinahe aller Lohn für die gehabte Mühe; ein mäßig großes viereckiges Gemach enthält an seiner Westseite die Ueberreste eines Sarges, welcher unter den Anstrengungen der Curiositäten sammelnden Reisenden zu immer kleinern Dimensionen reducirt wird. Die Mauern und die Decke 64 dieses Gemachs sowie die überragenden Seitenwände des zu demselben führenden Ganges sind geschwärzt; Hitze oder Staub, schwer drückende Atmosphäre und das röthliche Licht der Fackeln oder Ker'.n erhöhen den düstern, unheimlichen Eindruck, und ruf> oder spricht man, so hallt die Stimme dumpf und klanglos. Ein Besuch der zweiten Grabtammer verlängert den Aufenthalt und vergrößert die Mühe, bringt aber keine entsprechende Belohnung, denn es sind weder Sculpturen noch Inschriften, noch irgendetwas zu sehen als nackte, geschwärzte Wände von mäßigen Dimensionen, und man begrüßt endlich das Tageslicht mit einem frohen Gefühl der Erleichterung. Man thut wohl, seine Thiere an den Eingang der Pyramide zu bestellen und die weiterhin liegenden Gräberfelder zu besuchen, ehe die Mittagshitze den Weg zu heiß macht. Die theils von Rosellini und Champollion, in viel größerm Umfang aber von Lepsius aufgedeckten Gräber dehnen sich beinahe nach allen Richtungen des Kompasses, gegen Nordwesten hin aber liegt eins der interessantesten Felder. Viele dieser Gräber erkennt man nur aus den großen Steintafeln, welche ihr Dach bilden und häufig über den Sand hervorragen, fodaß man die ganze Anlage erkennen kann; die meisten Ausgrabungen sind entweder vom Wind oder von Menschenhänden wieder zugeschüttet, um die Bild- und Banwerke vor Zerstörung zu schützen, die unter denen, welche noch zugänglich sind, immer mehr überhandnimmt. Wenn die Araber nicht das Ganze einreißen, um die Steine anderweitig zu verwenden, so hämmern und klopfen müßige ' 65 Hände unausgesetzt daran herum, um Stückchen Farbe oder sonst irgendein bedeutuugs- nnd zweckloses Memento abzubröckeln. Pepsins ist seinerzeit oft, und nicht selten mit wenig Mäßigung, deshalb angegriffen worden, daß er einen so großen Theil der alten Knnstschätze dem Grund und Boden entrückte, anf welchem sie entsprungen. Alles, was damals die Expedition mitgenommen, kommt dem nicht gleich, was in einem einzigen Jahre hier muthwillig zerstört wird; das Resultat aber jener Arbeiten war eine Sammlung, die ein vollkommeneres, faßlicheres Bild der ägyptischen öultur- und Kunstgeschichte gibt als selbst die reichern Museen von Paris und London, in der That dem Gelehrten uud Forscher vielleicht besseres Material liefert als selbst das Acgyptm der Gegenwart. Die schönen Sculptnren uud Malereien in den jetzt zugänglichen Gräbern sind so entstellt, daß sich manchmal kaun: erkennen läßt, was sie eigentlich vorstellen sollen. Unsere Gesellschaft besuchte die Umgebuug aller drei großen Pyramiden, und ließ sich, als die Hitze drückend ward, das im Zelt unser wartende Frühstück wohlschmecke.». Ehe wir nach Sakarra aufbrachen, stattete ich der Sphinr noch einen letzten Besuch ab. Selbst in der nüchternen Realität eines glänzend hellen ägyptischen Tageslichts machte das Niescnbild doch einen erhabenen, großartigen Eindruck. Außer einem Theil der Wangen, einem Stückchen Ohr und in Theilen des Kopfputzes ist die Oberfläche verwittert. Die Nase ist abgeschlageu, Ohren, Lippen uud Augen sind verstümmelt, eine parallel mit nnd theil- Heine, Wellreise. I. 5 66 weise durch den Mund lanfende Steinritze entstellt denselben, und trotzdem blickt das Niesenhaupt mit einem Ausdruck von Nnhe nnd Macht in die Ferne, wie ich ihn noch nie in einem andern Bildwerk gefnnden. Ich verweilte, wiederum lange nnd trennte mich nur zögernd von dcm^ selben. Unser Zelt hatten wir gleich nach dem Frühstück nach Sakarra, nnserm Nachtquartier, vorausgeschickt, am Nachmittag folgte die ganze Gesellschaft. Es war ein heißer, mühseliger Weg durch den Sand der Wüste odcr über die aufgerissenen Felder, und wir warm froh, endlich unser Nachtlager ;n erreichen, das am (5ingang des Dorfs unter einigen Dattelpalmen aufgeschlagen war. In einigen Gräben und Löchern war noch etwas Nilwasser zurückgeblieben, ans denen wir jetzt, da die Brunnen hier nicht gnt waren, unser Trinkwasscr entnahmen; allein da Dutzende von Schöpfern den ganzen Tag beschäftigt gewesen, die Felder ans diesen Tümpeln zn bewässern, nnd Büffel, bis an die Schnauze darinlicgend, den Schlamm aufgestört hatten, so war unser Getränk kein sehr labendes; selbst im Kaffee odcr Thee machte sich der unangenehme Geschmack bemerkbar. Ein odcr zwei Skorpionen wnrden im Zelt getödtet, und an anderm Ungeziefer fehlte es anch nicht. „Unter Palmen wandelt keiner nngcstraft." Am nächsten Morgen besnchtc unsere Gesellschaft die großen Grabfelder in der Nähe von Sakarra. Von den Apisgräbern waren nur etwa dreißig fichtbar, der Gang, welcher die übrigen enthielt, war verschüttet. Die Sarge 67 dieses heiligen Thiers, ans angehauenen Porphyrblöcken gearbeitet, befinden sich in Nischen zu beiden Seiten eines langen, unterirdischen, in Felsen gehauenen Ganges. Bei der Ausgrabung dieser Banwerke fand man mit einer einzigen Ausnahme die Särge erbrochen und ihres Inhalts beraubt; um den einen noch unverletzten zu öffnen, war man aber genöthigt, Schicßvulvcr zu braucheu. Welche mechanischen Mittel mögen wol angewandt worden sein, um diese gewaltigen Stcinblöcke in einem Raum fortzubewegen, der nicht viel größere Dimensionen hat als ihr Durchmesser! Erregt es schon Erstaunen, wie die gewaltigen Steinhaufen der Pyramiden zusammengetragen wurden, uud die ungeheuere Bildsäule des Mcmuon zur Stelle gebracht ward, um wie viel schwieriger mußte es nicht seiu, diese großen, Hnuderte vou Ceutnern wiegenden Steinkästen in engen, abgeschlossenen Räumen fortzubewegen, wo auf jeder Seite nur wenige Fuß Raum für Arbeiter und Werkzeuge übrig blieb und keine complicirteu Maschinen, keine langen Hebel angewandt werden tonnten! In nicht zu großer Entfernung vom Serapeum hat Hr. Mariette kürzlich ein Grab mit einen: kleiueu uuvolleu-deten Tempel aufgefunden, das ein Meisterwerk vollendeter Details ist nnd ein interessantes Bild gibt vou den verschiedenen Arbeitsprozessen seines Baues. Die Gruft, von mäßigen Dimensionen, etwa 25 X 12 Fuß, wird durch zwei Pfeiler, welche die Steinplatten deS Daches tragen, in zwei gleiche Hälften getheilt, und am westlichen Ende jedes derselben befindet sich eine kleine Stele. Die Säuleu, 5* 68 aus Kalkstein bestehend, aber so gemalt, daß sie Granit vorstellen, enthalten auf jeder ihrer vier Seiten Reihen von Hieroglyphen, in denen Anfang-uud Ende der Colonne von denselben Zeichen gebildet werden, wahrscheinlich die Legende des Todten enthaltend. Die Wände sind mit verschiedenen Darstellungen des Ackerbaues und der Jagd bedeckt. Der Stein ist hier ein sehr feinkörniger, deshalb sind die Sculpture« in hohem Grade ausgeführt, die Farbe aber ist gleich auf den Stein aufgetragen, ohne daß man genöthigt war, eine Decke von Mörtel oder Gips darüberzubrei-teu; deshalb haben sich alle Bilder außerordentlich frisch erhalten. Die Darstellungen sind höchst lebendig, in einer Wasserjagd auf Nilpferde, Krokodile u. s. w. stud die Thiere ungemein getreu wiedergegeben. Sieht man die Darstellnn-gen der Verrichtungen des Ackerbaues an, so erkennt man leicht, wie wenig in diesen Tagen die modernen Aegypter von denen der Vorzeit abweichen. Dieselben Werkzeuge werdeu gebraucht wie vor 2000 Jahren, der Acker wird auf dieselbe Weise bestellt, die Frucht ebenso eingebracht, gedroschen, aufbewahrt, uud selbst die Packthiere werden auf dieselbe Weise beladeu wie ehedem. Eine kleinere Grabkammcr befindet sich neben dieser ersten, uud ein Corridor führt zu derselben durch einen kleinen Tempel oder ein Atrium. Letzteres scheint nie volleudet wordeu zu sein. Die Steine sind nur abgeflacht und vorbereitet, die Sculp-tureu zu empfaugen, während im Corridor dieselben bereits ausgehauen sind, aber noch die Malerei fehlt. Hr. Mariette hat zwischen den Gräbern ein Haus bauen 69 lassen und bewohnt dasselbe manchmal mit seiner Familie und seinem Personal; denn die Ausgrabungen werden noch immer fortgefetzt; zur Zeit war er jedoch abwesend. Am nächsten Abend campirten wir in der Nähe der Rninen von Memphis, dessen Lage sich leicht durch die Schutthaufen seiner Mauern bestimmen läßt; außer einer einzigen kolossalen Figur, die halb im Schntt begraben liesst, und einigcu verstreuten Fragmenten ist wenig zu sehen, was daranf schließen läßt, eine glänzende Königs-stadt habe einst hier gestanden. Auch hier hatte Hr. Mariette Ausgrabuugen bcgouncn; allein noch waren keine Nesnltate sichtbar. Diese Ruinen sind nicht im Sande begraben, sondern erstrecken sich über eine Reihe niederer Hügel inmitten des Nilthals, die jetzt mit Dattclpalmcu bepflanzt sind, unter denen mehrere arabische Dörfer angelegt wurden; deshalb ist es sehr schwierig, die alten Ruinen zu erreichen, ohne Bäume und Wohnuugeu umzustürzen. Wir verweilten hier nicht lauge, sondern brachen beizeiten auf, um vor Einbruch der Dunkelheit deu Fluß zu passircu uud in der Nähe von Tura ;n übernachten, dessen Steinbrüche wir am nächsten Morgen besichtigten. Im Laufe des Tags hatten Hr..v. B. und ich sieben Wildenten nnd mehrere Dutzeud Tauben geschosseu. Letztere gestaltete« sich in den Händen des Kochs zu schmackhaftcu Suppen; erstere waren mager und hatten eiueu uuaugeuehmen, ranzigen Geschmack. Wegen des niedrigen Wasserstandcs hatten wir zwei seichte Arme des Flnsfes zu passircn, ehe wir die Fähre erreichten; die Folge davon war, daß, indem einige unserer 70 Esel sich niederlegten, zwei von der Gesellschaft und nnscre Mundvorräthe durchnäßt wurden; unser Nachtmahl bestand deshalb in Thee, kalt aufgegossen, etwas arabischem Durrabrot und Ziegenkäse, die der Koch im Dorfe gekauft; sie schmeckten wie eine Mischuug von Pfeifeuthon und grüner Seife, stillte« jedoch den Hunger. Am nächsten Morgen hatten wir eine mehrstündige Wanderung durch die Steinbrüche, aus deren gewaltigen Höhlen das Material zum Van der Pyramiden genommen ward, kehrten am Nachmittag zur Stadt zurück und beschlossen die Genüsse des Tags, indem wir auf der Esbekieh dem Gewinsel dcr türkischen Musik zuhörten und dabei in lanwarmer Limonade schwelgten. Die Zeit der Abfahrt dcs nächsten Dampfers nach China näherte sich nun, und am Morgen des 4. Juni begab ich mich per Ciseubahn nach Suez. Im Indischen Ocean, 13. Juni. Ich versprach Ihnen, solche Nachrichten über deu Fort schritt des Kanalbaucs von Suez mitzutheilen, als sich.mir bieten würden. Dcr Vorstand der Compagnie hat in seinem jährlichen Bericht Sorge getragen, alles zu crw'ähneu, was gethan worbcu ist; deshalb bleibt mir weuig hinzuzufügen. Ich beabsichtigte, wenigstens ciucn Theil dcr Kaualliuie zu sehen, gab aber diesen Plan auf, nachdem ich mich überzeugt, daß ich wenig mehr sehen könnte, als was 71 bereits zur Genüge bekannt. Nach aller Information, die ich mir über diesen Gegenstand verschafft, sind es nicht die Tcrrainschwierigkeiten, die der Ausführung des Unternehmens im Wege stehen; in der That ist vielleicht der Bau des Kanals selbst bei weiten: nicht ein so riskantes Werk, als es scheint. Die Berichte nnd Controversy i'i'o nnd oouti-a stellen znr Genüge fest, daß der höchste zu durchschneidende Pnnkt des Isthmus nur 17 Fuß über der Meercsflächc liegt, der Gruud an einigen wenigen Stellen Felsen, meist aber ein guter, solider, widerstandsfähiger, dabei jedoch leicht zu bearbeitender Kiesboden ist; darin einen Graben von gehöriger Breite nnd Tiefe herzustellen, ist kein unausführbares Unternehmen; selbst mit den wenigen Arbeitskräften, die das Land bietet, läßt sich dnrch Hülfe passender Maschinen, voll denen einige bereits in Thätigkeit sind, viel erreichen. An die alten Fabeln über die Verschiedenheit des Mvcan zwischen dem Rothen nnd dem Mittclmeer glaubt niemand mehr, und daß die Ebbe nnd Flut nur zwei Fuß steigt und fällt, ist eher eiu Vortheil als ein Nachtheil. Selbst passende Häfen ließen fich vielleicht an beiden Enden künstlich errichten nnd mit dem nöthigen Anfwand von Geld nnd Vorsicht wenigstens für geraume Feit gegen das Versanden sichern. Hiermit sind aber die Hindernisse bei weitein noch nicht beseitigt. Wenn der Kanal vollendet ist, wird ein lebhafter Verkehr nöthig, um das bedeutende Kapital zu verzinsen, und dieser Verkehr hat auf der Südseite das Rothe Meer zu pafsiren. Wir leben heute nicht mehr in den Tagen, 72 wo Salomon seine Schiffe nach Ophir schickte und eine Reife von Thor nach Ceylon ein Unternehmen war, welches auszuführen Jahre kostete, bei desfen Anfang niemand wußte, ob ihm jemals eine Rückkehr beschieden sei. Die gefahrbringenden Niffe und Sandbänke des Nöthen Meers sind genügend bekannt, nnd Dampfschiffe können mit vollkommener Sicherheit in sechs Tagen von Sncz die Straße von Bab-el-Mandeb erreichen. Dies genügt jedoch nicht für einen billigen Verkehr. Augenblicklich sind Frachten nnd Passagen hier sehr thencr; der Kanal — wird er jemals vollendet — wird sie nicht viel billiger machen, denn Fcncrnngsmaterial wird stets ans weiter Ferne herbeigeschafft, das Personal der Schiffe hoch bezahlt werden müssen, um Leute für den unangenehmen Dienst in dieser heißen Gegend zn gewinnen. Segelschiffe werden stets eine schwierige, langwierige und gefährliche Fahrt haben, selbst wenn alle Gefahren dnrch öenchtthnrme bezeichnet werden, deren Errichtung nnd Unterhaltung die Kanalcompagnie nicht unterlassen darf, in ihrem Kostenanschlag ,zn bedenken. Unter den günstigsten Umständen jedoch und nach Ueberwindung aller Schwierigkeiten wird sich der Verkehr immer nnr auf die Küstenländer des Mittelländischen Meers mit jenen des Indischen Oceans beschränken; alle Häfen nördlich von Gibraltar, welche Schiffe weiter als nach Singapore senden wollen, finden einen kürzern und sicherern Weg um das Cap der guten Hoffnung. Der Weg von irgendeinem englischen Hafen oder von den Häfen der Nord- nnd 73 Ostsee bis Alexandria ist ein langer und schwieriger, das enge Nöthe Meer zn durchschneiden, für ein Segelschiff unter den günstigsten Umständen mit großem Zeitaufwand verbunden. Seit aufmerksame Beobachtung uud ernste For-schnngcn uns mit den zu jeder Jahreszeit in den verschiedenen Theilen des Oceans herrschenden Winden bekannt gemacht, kann eine Reise aus der Nordsee bis Singapore mit ziemlicher Gewißheit in weniger als hundert Tagen vollbracht werden. Es wird schwierig sein, dies mit einem Segelschiff durch den Suezkanal in kürzerer Zeit zu thuu, die Kosteu des Zolls und das vermehrte Nisico nicht in Anschlag zn bringen. Ob aber Dampfschiffahrt allein einen solchen Verkehr herbeiziehen kann, ist zweifelhaft, auch der Vortheil, die ganze Reise in demselben Schiff zu machen, nicht so groß als bei einem Segelschiff, wo, wenn die Verladung einmal erfolgt, nicht mehr Kohlen eingenommen oder vielleicht die Maschine reftarirt zu werden braucht. Die Unterzeichnungen von Kapital für die Compagnie sprechen ein Urtheil hierüber aus. Mit Ausnahme von vielleicht ganz unbedeutenden Summen siud alle Actien in Frankreich untergebracht oder in den Händeu des Vicetönigs von Aegypten. Hoffentlich wird es mm keiuem der Actien-inhaber an Geldern fehlen, das volle Kapital uud vielleicht darüber einzuzahlen, was besonders von Said-Pascha zn wünschen ist, der außer deu 80 Millionen Fr. seiner nr-sprünglichcn Uuterzeichnnng nun auch noch die 15 Millionen übernommen hat, welche das Directorium iu großmüthiger Weise der europäischen Handelswelt überlassen wollte, nach- 74 dem Frankreich mit 100 Millionen bedacht worden war, welche Großmnth jedoch von besagter Hanbelswclt nicht genügend geschätzt wurde, um durch Unterzeichnungen darauf zn antworten. Es ist jedenfalls ein gewaltiges Zeugniß für französischen Unternehmungsgeist, auf ciumal zwci Unternehmungen in die Hand zu nehmen, welche jede einzeln auszuführen alle übrigen Nationen sich nicht stark genug gefühlt hatten: ich meine Hrn. v. Lesseps' Suezkanal uud Hrn. Felix Belly's Nicaraguatanal. Es ist ein gutes Ding, nichts halb zu thun, so auch hier. Wenn man einmal am Weltbeglücken ist, muß man es auf durchgreifende Weise thuu, und jeder wohlmeinende Weltbürger kann allen derartigen Unternehmen nur dcn besten Erfolg wünschen; jedenfalls bieten sie der Nation, die sie in die Hände genommen, eine gute ernsthafte Beschäftigung, uud diese kann nie verfehlen, ans den Nationalcharakter einen günstigen Einfluß zn üben. Sollte jemals eine Wüsteureise mir beschicden sein, so würde ich vorziehen, dieselbe per Eisenbahn zn machen, statt anf einem Kamecl. Die Luft, welche man emathmet, ist ganz herrlich und rein, und die Schnelligkeit, mit welcher der Zug dahinrollt, erzeugt einen angenehmen kühlen Lnft-zug, der die Sonnenhitze weniger fühlbar macht. Die Beschreibung des Wegs von Kairo bis Suez ist bald gethan. Sobald man die Stadt verlassen und die Gärten von Helio-polis zur Linken aus dem Gesicht verloren, kommt zuerst eine Ebene, mit rundlichen Kieseln mäßiger Größe bedeckt, dann einzelne Strecken von Sand, bald in Flächen, bald 75 als kleine Hügel verstreut, später einige felsige Berge, gen Süden, längs der Bahnlinie in angemessener Entfernung einige kleine Schmnzhänschen, als Stationen dienend, und zuletzt eine sich sanft neigende Ebene, an deren Ende blanes Wasser und daran Sncz sichtbar wird. Voilk tout. Dort wartet man einige Stunden in einem geräumigen Hotel, denn die 20 Häuser der Stadt zu besehen, erfordert nicht viel Zeit, und erfreut sich in einer schattigen Veranda sitzend mit der Aussicht auf den Hafen der kühlen Seebrise. In Anbetracht, daß der Ort an einer unfruchtbaren Küste liegt, selbst von Kairo durch 60 Meilen Wüste gctreunt, kann man das Hotel gut nennen, wenigstens ist es geräumig, die Speisen gnt, die Preise nicht höher als anderswo, die Bedienung (meist Hindus) aber bedeutend besser und aufmerksamer. Um 4 Uhr nachmittags schiffte man sich an Bord eines kleinen Dampfers ein, der, gedrängt voll, zuerst die Passagiere für Mauritius uud Australien an Bord des auf sie wartenden Dampfers brachte, während wir andern später an Bord der „Nubia" gebracht wurdcu. Wie wohl ich mit diesem Schift zufrieden war, habe ich bereits weiter oben gesagt nnd noch nicht Ursache gefunden, meine Ansicht zu ändern. Die Promptheit des Schiffsdicnstes, die Aufmerksamkeit und Höflichkeit des Kapitäns, die schnelle und gute Bedienung und Bewirthung sind dieselben geblieben. V. Aden, Point dc Gallc, Colombo. Aden. Der Hafen. Eine öde Felseuwüste. Die Stadt. Die Insel Sokotura. Point be Galle. Nach Colombo. Eine angenehme Heerstraße. Kokospalmeucultur. Fischer und Fischerei. Steuern. Rasthäuser. Bmtotte, Caltura. Zimmtcultur. Ein Banyaubamu. Colombo. Stadt und Bevölkerung, vi-. Keclart. Eiue zoologische Sauunluug. Elefantenschädel. Point dc Galle, 3. Juli 1860. Sollten meine Ncifeepisteln sich bisher als zu trocken erwiesen haben, so wäre dies nicht zu befremdlich in einem ^ande, wo es nnr selten regnet. Diese Entschuldigung läßt sich jetzt nicht mehr vorbringen, in der nassen Jahreszeit dieser feuchten Insel. Die Regenzeit ist dieses Jahr ungewöhnlich spät eingetreten, daher sind Stürme und ein oder zwei Regengüsse im Lauf des Tags eine gewöhnliche Sache, und die Gesichter der Kaffeepflanzer, die ob der Trockenheit und Besorgniß für ihre Ernten schon sehr lang zn werden anfingen, nehmen wieder eine runde Form an. Die Anknnft der „Nubia" ward um einen Tag verzögert, da am Eingang in die Straße von Bab-cl-Mandcb ein 77 Zapfen in der Maschine brach, man deshalb während der Nacht und eines Theils des Tags beilegen mußte und so erst am Sonntag früh Aden erreichte, wo das Schiff bis Montag früh 8 Uhr liegen blieb. Welch ein wunderliches, verbranntes Stück von Gottes Erdboden, auf welchem diese Stadt erbaut worden ist! Die Küste besteht aus steilen, sterilen, schwarzen Felsen, an denen sich eine heftige Brandung wild bricht; darüber ragen krause, zackige Bcrgsvitzeu, und hat mau endlich den geräumigen, wohlgcschützten Hafen erreicht, so sieht mau sich vergeblich nach der Stadt um; denn die eiuzeluen verstreuten Häuser und Hütten, die mau erblickt, köuueu unmöglich dieselbe vorstellen. Da das Schift hier Kohlen einnimmt, so sind in den uuteru Mumen die Luken geschlossen, und die Hitze ist drückend, auf dein Deck aber der Kohlenstaub zu dick, und deshalb benutzt man eins der zahlreichen Boote, bemannt von magern schwarzen Wollköpfcn, deren Ruder aus einer Stange besteht, an welcher unten cin rundes Stück Bret befestigt ist, um ans Land zu gehen. Inmitten einer Menge hoch aufgeschichteter Kohlen betritt man das Ufer, sucht aber bald den Schntz eines Hauses zu gewmuen, 'den einzigen Schatten außer dem eines Souucuschirms, den mau hier findet; deuu die fast scukrecht stehende Mittagssonne hat den aus verwitterter Lava bestehenden Boden so erhitzt, daß man selbst mit dickbesohlten Schuhen nicht bequem geht. Ein Hotel, unweit des Kohlendepots der P. u. O.-Comp. gelegen, bietet einen Zufluchtsort, doch keiue Erfrischuug; denn da just das Eis ausgegaugen, so waren 7tt Wasser oder andere Getränke lauwarm. Ein Trnpft kleiner ebenholzfarbiger Inngen hängt sich an die Fersen eines jeden, und cincr von ihnen beginnt alsbald, einen aus Stroh geflochtenen Fächer zn schwingen; gibt man ihm aber aus Erkenntlichkeit für genossene Kühlung „Bakschisch", so verschwindet er sogleich, und ein anderer nimmt scine Stelle ein, der bald darauf anch eine Belohnung beansprucht. Die Briefpost liegt einige hundert Schritte weiter am Ufer, und um diese sowie die etwa 3 Miles weiter gelegene Stadt zu erreichen, sucht man nnter den mittlerweile vor der Thür versammelten Eseln und Maulthicren eine Nahl zu treffen. Eine traurige Versammlung von Langohren ist dies, in Magerkeit miteinander wetteifernd, so-daß ihre Brüder in Kairo im Vergleich mit ihnen muthigen Streithcngsten ähneln. Trotz aller Thierfreuudlichkeit aber muß hier die Stimme des Mitleids vor der Pflicht der Sclbsterhaltung schweigen, nnd mau vertraut sich ihrem Nucken an, der augenscheinlich uur dem Gewicht der magern Araber gewachsen zu sein scheint. Eine vortreffliche Straße führt dem Mceresufer entlang, an einer Batterie vorüber, durchschneidet einen Hügel, wo sich ein Wachtposten eingeborener Polizei befindet, und man erreicht eine geräumige Ebene, au deren Ende ein Dorf von mehreren hundert hölzernen Hütten liegt. Auf diesem ganzen Wege erblickt mau keinen Baum, keinen Strauch, ja nicht ein Hälmchen Gras oder grünes Moos, nichts als Felsen, Steinbrockcn und Geröll. An der hohen Fels--wand znr Rechten deuten lange weiße Streifen von Guano 79 an, daß dort iu dcr Hoho viele Secvögcl nisten, nnd ehe Aden von dcn Engländern zu einem ihrer Seehäfen gemacht, waren diese in ungestörter Einsamkeit vielleicht die einzigen Bewohner. Am Ende der Ebene zieht sich die Felswand nach der See zu, dort in eine Spitze, die sich einige hundert Schritt ins Wasser erstreckt, auSlcmfcnd; der auf diese Weise versperrte Weg aber führt nun einige hnndert Fuß aufwärts, dann aber plötzlich durch eine tiefe, enge, künstlich angelegte oder wenigstens erweiterte Schlucht, die durch ein vor derselben befindliches befestigtes Thor verschlossen wird. Ans den Höhen rechts nnd links stehen einige Thürme und Batterien, welche entweder isolirt oder dnrch crenelirle Mauern miteinander verbunden sind; die Schlncht selbst aber ist von einer hoch in der Luft schwebenden Brücke überspannt. Diese wunderliche, ausgedehnte Felscnfestung mit ihren sonderbaren, malerisch gelegenen Thürmen bietet schon hier einen außergewöhnlichen Anblick, wunderbarer aber nnd fast märchenhaft erscheint die Stadt selbst. Die knrzc Dämmernng war schon angebrochen, als vr. L. und ich den Ausgang jener engen Schlncht erreichten. Hier öffnete sich plötzlich ein weites Thal, von hohen Felsen nach allen Seiten eingeschlossen, nnd inmitten desselben reihte sich Haus an Haus, die weißen steinernen Gcbände mit flachen Dächern von Minarets uud einer christlichen Kirche überragt, dazwischen aber Bäume uud sogar der Versuch zu Gärten, bnrch deren Grün die Ächter freundlich schimmerten. Weiter hinauf an dcn Hügeln standen noch 80 vereinzelt die Wohnung des Gouverneurs, ein Meßhans für die Offiziere der Garnison und zwei oder drei andere Gebäude. Es schien wie ein Wunder ans Tausendundeine Nacht, in dieser Einöde eine große Stadt mit zahlreicher Bevölkerimg zu finden. In der Dunkelheit ritten wir noch etwas in den Straßen umher, sahen den Bazar an, wo Waffenschmiede, Schuhmacher, Sattler und Händler in allen möglichen Artikeln emsig bei der Arbeit saften oder Geschäfte triebeil, fanden im Markte Datteln, Feigen und sogar frische Orangen zum Verkauf ausgeboten, befeuchteten bei einem Parscn den innern Menschen mit lauwarmem Sodawasser und kehrten nach dem Hafen zurück. Am nächsten Morgen um 8 Uhr segelte die „Nnbia". Zwei Tage später kameu wir in Sicht von Sokotura, einer öden, gebirgigen Felseninsel, ohne solche Vegetation, die sich in der Ferne wahrnehmen läßt; der südwestliche Monsun, dessen Region hier begann, blähte unsere Segel auf angenehme Weise, und am 19., nachmittags, hatten wir Ceylon in Sicht. Am Abend vorher war an Bord noch eine theatralische Vorstelluug des Schiffspersonals, an der einige Passagiere theilnahmen, das erste mal, daß ich auf offener See Theater fpielen sah; auf Kriegsschiffen wartet man damit, bis man im Hafen ist. Um 4 Uhr ankerten wir im Hafen von Galle und nahmen vom Kapitän Th. Abschied, indem wir ihm herzlich dankten für seine persönliche Aufmerksamkeit, die sein Schiff in so guter Ordnung hält und seinen Passagieren eine angenehme Reise 81 bereitete. Hr. B-, der schon vor vierzehn Tagen hier eingetroffen, war so freundlich gewesen, uns Zimmer in einem guten Gasthause zu bestellen, und so saßen wir denn am Abend in einer geräumigen, luftigen Veranda bei einem guten Mahl mit Südfrüchten, Karry, Punkha, Lampen unter großen Glasschirmen, Dienern mit braunen Gesichtern, langen Frauenhaaren und Unterröcken, und allem übrigen Zubehör indischen Comforts. Einen weitentlegenen Ort, den man vor langer Zeit besucht hat, ohue an eine einstige Rückkehr zu denken, wiederzusehen, erregt wunderliche Empfindungen; feltsame, ungewohnte und doch lange vorher gekannte Formen uud Gegenstände begegnen dem Auge, und fragend sieht man sich unter den fremden Gestalten um, als sollte man welche von ihnen wiedererkennen, bei der Hand fassen und fragen: „Nun, wie geht's, alter Bursche?" Die Stadt hatte ihr Aussehen in nichts verändert; die wunderlichen alten Mauern mit ihren altmodischen Geschützpforten, beschattet von schönen alten Bäumen, spiegelten sich so ruhig im Wasser wie früher. Die alte holländische Kirche zeigte ihre Spitze wie vordem. Die engen doppelten Canots mit ihren orangefarbigen Ruderern tanzten über die Wogen, schlanke Palmenstämme bedeckten das Ufer, soweit das Auge reichte, die Schifte in dem wenig geschützten Hafen rollten und schaukelten nicht weniger als ehemals, und das alte gewölbte Thor, durch welches man die Stadt betritt, blickte so finster und düster darein wie immer. Nur zwei ungewohnte Gegenstände sah ich im Hafen: das Haus des Agenten der Heine, Weltreise. I. 6 82 P. u. O.-Compagnie, auf einem Felsen am östlichen Ufer kürzlich errichtet, nicht weit davon aber ragten die Masten und die Esse des Dampfers „Malabar", der Lord Elgin nach China bringen sollte, aber auf einen Felsen rannte und sank. Gewöhnlich tritt die Regenzeit in Ceylon mit Anfang des Monats April ein, und im Juni wird das Wetter klarer, mit einem gelegentlichen Regenschauer am Nachmittag. Dieses Jahr hatte es in der Umgegend von Galle noch wenig geregnet, auch jetzt war das Netter trocken; deshalb beschlossen wir beiden Fragmente der Expedition, Hr. B. und meine Wenigkeit, mit I)r. L., der eben aus Marokko kam und nach China ging, um während des dort zu erwartenden Krieges seine Erfahrungen als Arzt zn erweitern, einen Ausflug nach Adam's Peak zu machen. Bis Colombo fährt man mit der 8taFL-Ooa,(?Ii; da dieselbe aber nur fünf Plätze hat, die am Tage nach der Ankunft des Dampfers alle belegt waren, so mußten wir bis zum 21. warten, an welchem Tage nm 5 Uhr des Morgens wir in einen leichten Wagen stiegen, gezogen von zwei Hengsten, die sich im Geschirr nicht behagten, fondern allerhand Ertra-touren ausführten und gelegentlich über die Stränge schlugen. Die Entfernung bis Colombo beträgt 65 Miles, und man wechselt die Pferde achtmal; dadurch legt man bei der sehr guten Straße in 10 Stunden den ganzen Weg zurück. Die Gegend, durch welche diese Straße führt, ist voller Reiz und bietet des Interessanten viel. Fast auf der ganzen 83 Länge genießt man den angenehmen Schatten der Bäume, zwischen denen, mit geringer Unterbrechung, sich die Hütten der Eingeborenen reihen, hier und da unterbrochen von malerisch gelegenen Tempeln und Kapellen oder den sub-stantiellern Wohnungen der wohlhabender:: Klasse, die, nach dem Muster der Landhäuser aus der Zeit der Holländer erbaut, mit ihren Ziegeldächern und dem Weiß ihrer Wände einen angenehmen Contrast gegen das üppige Grün des Laubwerks bilden. Brotfruchtbäume mit ihren schön gezeichneten großen Blättern bilden hier uud da imposante Gruppen, gegen die das zartere, lichtere Grün der langen und breitblätterigen Bauanenpsianzen sich hell lossetzt, und Millionen von Kokospalmen bilden einen fortlaufenden Wald, der sich zur Rechten weiter erstreckt, als das Auge sehen kann, während durch den leichtern Wuchs zur Linken oft die grünliche See mit ihren Felsennfern uud ihrer weiß-schäumenden kochenden Brandung sichtbar wird. An vielen Stellen deckt ein üppiger grüner Rasen die Erde, au andern erheben sich große Massen röthlicher Felsen uud schieben sich weit iu die See vor. Vögel mit gläuzendcm Gefieder, buntfarbige Schmetterlinge und schnell dahingleitende große und kleine Eidechsen beleben die Scenerie, dazwischen aber wandeln die bronzefarbenen Eingeborenen mit ihren graziös geformten Gliedern und aumuthigeu Bewegungen. An einem sonnigen Morgen durch diese fast ununterbrochene Allee zu fahreu, die den Weg beschattet, ist in der That ein hoher Genuß. Wenig Bäume werden wol in allen ihren Theilen auf 6" 84 eine so mannichfache Weise benutzt als die Kokospalme: die Stämme dienen als Bau- oder Feuerungsmaterial, die Blätter, ineinander geflochten, zur Bedachung der Häuser und Boote, oder zur Einzäunung von Feldern, die Früchte entweder als Speise, während das darin enthaltene Wasser ein kühlendes, angenehmes Getränk bildet, oder im reifen Zustand wird aus dem Kern das wohlbekannte vortreffliche Oel gepreßt; die harte Schale dient zur Verfertigung von allerhand Oeräthschaften, aus der äußern haarigen Hülle aber verfertigt man sehr haltbare Stricke. In keinem Theil der Erde sind wol die Lokalverhältnisfe günstiger für die Kokospalme als hier; ein leichter lockerer Boden, reichliche Sonnenwärme, und die von dem Sprühregen der Brandung ein wenig feucht gehaltene Luft, der sich die Gipfel der meisten Bäume zuneigen. Deshalb ist auch vielleicht in keiner Gegend der Erde die Zahl der Bäume so groß, und längs dem Wege hat man häusig Gelegenheit, die verschiedenen Weisen zu sehen, wie dieselben benutzt werden. In allen Flüssen, oder wo sonst frisches Wasser zn finden ist, befinden sich kleine Einzäunungen, in denen die äußern Schalen der Kokosnüsse weichen, um die Fibern voneinander zu lösen, an andern Stellen sind Leute beschäftigt, dieselben zu klopfen, die gewaschenen Fasern zn hecheln und in Fäden zu spinnen, während andere die Blätter der Länge nach spalten und dann siechten. Auch ein sftirituöses Getränk wird aus dieser Palme bereitet, indem man die Enden der Blütenstengel zerquetscht, den herausquellenden Saft in einem darunter aufgehängten 85 Gefäß auffängt und ihn entweder frisch trinkt oder destil-lirt, wo ein dem Arak ähnlicher Spiritus gewonnen wird. Ein großer Theil dcs Vesitzthums der Singhalese« besteht in Kokospalmen, die Gärten, welche dieselben enthalten, bilden das Erbtheil der Familie, und ein Versuch im I. 1797, eine Steuer auf die Nüsse zu erheben, rief einen Aufstand hervor. Bei Erbschaften wird manchmal der Besitz dieser Palmen so oft getheilt und wieder vertheilt, daß, wie uns Sir Emmerson Tennent in seinem vortrefflichen Werk mittheilt, vor nicht gar langer Zeit im Kreisgericht von Galle ein Proceß vorkam, der sich um den Besitz des 2520. Theils von 10 Kokospalmen handelte. Noch mehrere Miles von Galle aus werden vicle der Hütten läugs der Straße von Handwerkern bewohnt, die, meist der sogenannten Chaliakaste angehörend, sich als Weber, Tischler und Holzschnitzer, oder mit Flechten zierlicher Korbwaaren beschäftigen, während die Geschäfte des Kleinhandels meist von Mauren betrieben werden, vor denen man bei Einkäufen ganz wohl auf seiner Hut zu sein hat, denn es sind geriebene Gäste. Die Nähe von Galle, jetzt bereits ein bedeutender Zwischenhafen, wo Dampfschiffahrts-Anien zwischen Snez, Indien, China und Australien, wo ein reger Handel erblüht, der ihnen einen willkommenen Markt für ihre Waaren bietet, hat diese Leute hierher gezogen. Weiterhin an der Küste siud die Wohnungen der Fischer in überwiegender Zahl, deren Kaste, Karawe genannt, wieder in verschiedene Unterabtheilungen zerfällt, je nach der Art, wie sie den Fang betreiben. Die Madell und Baroodell 86 fischen mit Netzen, die Daudus mit der Angel, die Oroos aus Booten, und die Gode Kawoolo zwischen Felsen, während die Kisbais nur Schildkrötenfang treiben. Der sociale Unterschied zwischen diesen verschiedenen Unterabtheilungen ist so groß, als ob sie verschiedenen Kasten angehörten, und soll sich so weit erstrecken, daß Heirathen nnr zwischen Leuten der gleichen Klasse stattfinden. Zur Zeit der Portugiesen ward eine Steuer vom vierten Theil des Ertrags auf den Fischfang gelegt, und so ergiebig war derselbe, daß selbst unter dieser harten Beschränkung kein Mangel unter der Bevölkerung eintrat; die Holländer behielten den Gebrauch bei, als jedoch die Engländer in Besitz der Insel kamen, schasste man dieselbe ab und wollte dafür eine geringe Geldsteuer auf die Boote einführen. Dieser Versuch scheiterte, indem die Fischer lieber ihr Geschäft aufgeben, als von dem alten Herkommen lasfen wollten, und nach verschiedenen vergeblichen Persuchen sah man sich genöthigt, zum Alten zurückzukehren, wodurch eine Einnahme voll 7389 Pf. St. (etwa 43000 Thlr.) im I. 1833 erlangt ward. Im I. 1834 ward die Tare auf ein Sechstel, im I. I837 auf ein Zehntel herabgesetzt und endlich 1840 gänzlich abgeschafft, außer einer Abgabe, welche die römisch-katholischen Priester der verschiedenen Kirchen an der Küste von ihren Bekehrten erheben. Merkwürdigerweise hat die Abschaffung der Taxe den Fischfang nicht gehoben; die Fischer, jetzt nicht so sehr zu außerordentlichen Anstrengungen getrieben, wurden träge, die Zahl der Fischerboote nahm ab, und der Preis der Fische ist jetzt doppelt so hoch, als er in den 87 Zeiten war, wo diese hohe Steuer erhoben ward. Die vorerwähnten Kirchen verpachten jetzt alljährlich den Ertrag ihrer Fischstcuer an einzelne Personen, die dann die Mühe des Eintrcibens übernehmen. Die ganze Verhandlung beruht auf freiwilligem Uebereinkommen, mit dem die Regierung nichts zu thun hat. Ich erkundigte mich mehrfach nach der Art, in welcher die Eingeborenen besteuert worden und wie hoch; man sagte mir, daß eine Einkommensteuer von 2 Procent nach Abschätzung existire; Personen, welche keinen Grundbesitz oder kein nachweisbares Einkommen haben, sind verpflichtet, sechs Tage im Jahr au den öffentlichen Straßen zu arbeiten, doch kann diese Arbeit für die Summe vou 4 Sh. abgelöst werdeu. Bei weitem lästiger sind verschiedene sehr hohe Steuern auf Einfuhr von Reis uud Getreide, Mouoftole von Salz, Destillation vou Spirituofen, Steuern auf den Reisbau, die Gärtnerei uud verschiedene Privilegien. In angemessener Entfernung die Straße entlang sieht man kleine Hallen als Ruhepunkte für Fußreisende oder Karrenführer, dazwischen befinden sich aber noch an den vorzüglichsten Punkten größere Gebäude, von der Regierung angelegt, welche als Rasthäuser für wohlhabendere Reifende dienen und in denen Verpflegung und Nachtlager zu finden ist; diese letztern sind ein großer Comfort in einem Lande, wo es, mit Ausnahme von den größern Städten Galle, Colombo und Kandy und einigen Boardinghäusern in Nuera-Ellia, keine Hotels gibt. Gegen bestimmte, tarifmäßig festgestellte Preise erhält man überall gute und reich- 88 liche Mahlzeiten und in den meisten auch Betten nebst solchen Luxusartikeln wie Bier, Wein und Spirituosen. In Bentotte, ungefähr auf halbem Weg nach Colombo, befindet sich eins der angenehmsten dieser Häuser, auf einem Felseu-vorsprnng nahe der See gelegen, geräumig, kühl und in guter Ordnung gehalten. Hier laugt man gegen 10 Uhr an und frühstückt, wobei sich stets Fische der trefflichsten Art, welche hier in reicher Menge gefangen werden, fowie Austern auf dem Tisch befinden; letztere haben einen etwas weichlichen Geschmack, sind klein und in dieser Jahreszeit nicht sehr gut, sodaß die angenehmen Reminiscenzen, die ihr Anblick erweckt, den größten Theil des Genusses bildeu. Der nächste Punkt von Interesse, welchen mau erreicht, ist Caltura, an der Mündung eines ziemlich bedeutenden Flusses, des Kaluganga, gelegen, der bis Ratnapoora, eine Entfernung von über 60 Miles, für große Boote schiffbar ist. Wegen seiner gesunden Lage, der erfrischenden Nähe der See und der angenehmen Umgebung ward dieser Platz schon seit den Zeiten der Holländer oft zu einem temporären Aufenthalt von Personen gewählt, die Erholung suchten; erst in neuerer Zeit, wo das hochgelegene Thal von Nuera-Ellia zugänglicher geworden, hat sich das Publikum iu jene Gegend gewandt, um die heißen Monate der trockenen Jahreszeit dort zuzubringen. An der Flußmündung stehen die Ueberreste eines Forts, von schattigen Bäumen überragt, das wol schon lange seine kriegerische Bestimmung gewechselt und jetzt als Wohnung von Civilbeamten der Colonie dient. 89 Von Bentotte bis hinter Caltura sieht man oft auf den Kokospalmen von Gipfel zn Gipfel Seile gespannt. Es wird besonders hier der Saft gewonnen, um Arak zu dcstilliren, und auf diesen Seilen laufen die Leute von Baum zu Baum, um die bereits gesammelte Flüssigkeit in ein größeres Gefäß zu gießen und an einem Strick hinabzulassen, wo alsbald der so gewonnene Toddy, in Fässer gefüllt, nach den Destillirhäuseru gebracht wird. Nachdem man den Kaluganga bei Caltura und weiterhin einen Arm des Sees Bolgodde bei Pantura auf Boot-brückcn passirt, gelangt man in der Nähe von Morottu in die Gegend der Zimmtcultur. Weiter, bis Colombo, etwa 9—10 Miles, und dieselbe Entfernung darüber hinaus führt der Weg mit wenig Unterbrechung durch weitläufige Pflanzungen, in denen dieses kostbare Gewürz gewonnen wird. Die Zeiten, wo Ceylon fast ausschließlich die Welt mit diesem Artikel versorgte, sind vorüber, eine misver-standene Monopolpolitik hat auf der einen Seite eine nöthige Entwickelung dieses Zweiges der Agricultur verhindert, auf der andern Seite die Preise so hoch gehalten, daß später, als man fand, daß Indien, Java, China, Mauritius, Guiana und Martinique sich gleichfalls zum Zimmtbau eigneten, ein geringeres Prodnct die kostbare Ninde von Cehlon aus dem Markt verdrängte. Vor etwa hundert Jahren wurden diese berühmten Gärten von den Holländern angelegt, und zur Zeit der Blüte derselben gab es Plantagen von 15 — 20 Milcs im Umfang. Nachdem sich das längere Fortbestehen des 90 Monopols als unmöglich erwiesen, verkaufte die englische Regierung im I. 1832 die Plantagen, und die Kaufleute von Colombo und Galle begannen jetzt die Ausfuhr zu betreiben, wofür sie einen Zoll von 3 Sh. für das Pfund zahlten; als auch diese Steuer zu drückend geftmden wurde, redncirte man dieselbe auf 1 Sh. und schaffte sie später gänzlich ab; allein der Handel hatte bereits seinen Todesstoß erhalten, denn auch Cassia begann jetzt als Concnrrenz im Markt zu erscheinen. Hente wird nut noch grober Zimmt erzeugt, der geringen Preis bringt, denn von 5 Sh. per Pfund, die im I. 1840 in London dafür bezahlt wurden, ist derselbe jetzt auf 1 Sh. 0 Pence gefallen. Die Pflanzuugen selbst bieten jetzt einen traurigen Anblick dar, die Büsche, die nur als junge Sprossen das feine Gewürz liefern, sind jetzt vernachlässigt, schießen wild empor und sind von reichwuchernden Schlingpflanzen überwachsen, an andern Stellen aber kaum mehr sichtbar in der dichten Dschungle, die zwischen ihnen aufgeschossen ist. Eine kurze Eutfernung von Colombo steht an der Straße ein schöner alter Banyanbaum (I^icm« InäioiiF), der, ob< schon der zweite der Insel in Umfang, dennoch in Form der schönste von Ceylon ist und, soviel mir bekannt, nur noch von einem andern in Indien übertreffen wird. Derselbe hat seine Wurzeln von den Aesten auf beiden Seiten der Straße so gesenkt, daß sie dieselbe gleich einer Laube überspannen. Nach 3 Uhr hielt der Wagen vor dem Galle-Face-Hotel, einem geräumigen, anständigen Hause mit erträglichen Ac- 91 commodationen, diesseit der großen Esplanade gelegen, welche südlich von Colombo eine zu der Stadt führende schmale Landzunge bedeckt. Dieses Hotel gehört Hrn. Wiscardy, einem Sohne Sir Hudson Lowe's, der von St.^Hcleua als Gouverneur nach Ceylon versetzt ward. Da Hr. W. noch einen Laden und ein anderes Hotel im Fort von Colombo befitzt, so ruht die Verwaltung zum Theil in deu Häuden seiner Diener, und dies macht sich zum Theil auf unangenehme Weise fühlbar. So ist z. B. bei Tisch nicht jene Opulenz in Früchten, Fisch lc. bemerkbar, die man sonst hier findet, und obschon mau diese Sachen nicht in großer Quantität genießt, so ist doch der Anblick derselben ein so angenehmer, der Preis ein so billiger, daß Sparsamkeit in diesem Punkt eine sehr mißverstandene Oekonomic ist, die den Genuß des Aufenthalts iu diesem sonst so angenehmen Hause sehr schmälert. Die Lage des Hauses, in einem Palmenhain, dicht am Mcercsufer, ist vorzüglich, nnd in einer schönen Mondnacht in der Veranda sitzend, dem Donner der Brandung zu laufchen und die erfrischende kühle Seeluft zu gcuießeu, verursacht ein selteues Wohlbehagen. Die Lage von Colombo, als Hauptstadt und vorzüglichster Ausfuhrhafen der Insel, ist nichts weniger als günstig gewählt. Der Hafen ist nichts als eine offene Nhede, der gauzen Wogenwucht des Indischen Oceans bloßgestellt, die Schisse sind durch nichts auf ihrem Ankergrunde gesichert, und können nur bei sehr ruhigem Wetter Ladungen einnehmen, welche in Lichtern oft eine Mile vom 92 Ufer gebracht werden müssen. Jedenfalls wurden die Holländer zur Wahl dieses Orts durch seine centrale Lage im Zimmtdistrict bestimmt, sowie durch die Leichtigkeit, mit der sich das fast isolirt gelegene Fort vertheidigen läßt, — Gründe, welche heute kein Gewicht mehr haben, wo der Besitz von Colonien und deren Sicherstcllung von der Organisation einer achtunggebietenden Seemacht abhängig ist. Die Befestigungen selbst erhöhen die Vortheile der natürlich starken Position, die durch einen See auf einer, Seite und die Seeküste auf der andern gedeckt ist; sie bestehen aus vier Bastionen mit den nöthigen Verbindungswerken nach der Laudseite und sieben Batterien nach der See zu, und die weiße Bevölkerung benutzt fast sämmtliche Gebäude im Fort. Die Häuser haben ein gefälliges Ansehen, die Straßen sind geräumig und, wie überall, wo die Holländer sich angesiedelt, genügend mit schattigen Bäumen versehen; das Gauze hat einen Anstrich von behäbigem Wohlleben nnd macht einen angenehmen Eindruck. Die Eingeborenen bewohnen Kalantotta, jenseit des Flusses, von dem die Stadt ihren Namen hat, diese wird aber jetzt einfach mit dem Spitznamen Llaok-tonii (schwarze Stadt) bezeichnet. In frühern Zeiten, wo nur ein schmaler Küstenstrich in den Händen der Europäer war, wagte sich niemand weit von: Schutz der Kanonen des Forts, später, als friedlichere Verhältnisse den Aufenthalt sicherer machten, entstanden überall Landhäuser; viele der Kaufleute vou Colombo haben nur ihre Geschäftslokale in der Stadt und bewohnen Sommerhäuser oft mehrere Miles von der Stadt entfernt. 93 Man sieht deshalb des Morgens und Abends die Straßen gewöhnlich mit Reitern oder kleinen leichten einspännigen Wagen belebt, und viele der wohlhabender« Eingeborenen fahren in leichten, zweiräderigen Karren, von kleinen munter dahintrabenden Oechslein gezogen. Ans Slave-Island sind besonders viele oft sehr elegante Landhäuser, meist mit schönen Gärten umgeben, in denen nicht nur die reiche Flora der Insel, sondern auch viele exotische Pflanzen des Indischen 'Archipelagus und Australiens cultivirt werden. Es ist eine bunte, gemischte Bevölkerung, die sich hier bewegt. Nächst den Engländern bildet die eingeborene Nachkommenschaft der Holländer uud alten englischen Colo-nisten, oft gemischt mit singhalesischem Blut, die einflußreichste Klasse, die meist den großeu Grundbesitz innehat. Die Nachkommen der Portugiesen befinden sich selten in so guten Umständen, viele der Handwerker gehören dieser Klasse an. Unter den Kaufleutcu sind viele Parsen, und die Mauren sind entweder Steinschneider oder Kleinhändler. Die Malaien werden entweder Soldaten, Constabler oder Diener, uud die Singhalese,: meist Handwerker, Feldbauer, Fischer oder auch Köche und Diener. Unter diesen letztern ist der Kastengeist so mächtig als irgendwo in der Welt, und nicht nur ist die Scheidung zwischen den verschiedenen Kasten die strengste, sondern das, was von den Unterabtheilungen der Fischerkaste bereits gesagt worden, findet auch in allem Uebrigen seine Anwendnng. Hr. B. überbrachte einen Brief Prof. Schmarda's, der bor einigen Jahren mehrere Monate hier zugebracht, an 94 Dr. Keelart*), Stabsarzt in Colombo, der uns freundlichst aufnahm und eine in seinen Händen befindliche zoologische Sammlung zeigte, welche die Fauna Ceylons ziemlich umfassend umschloß. Hier sah ich zum ersten mal einen Elefantenschädel in der Mitte durchgeschnitten. Die Masse von Knochen, die das nicht mehr als 8 X 10 Zoll messende Gehirn umgeben, ist erstaunlich und läßt nur zwei Stellen übrig, wo eine Verwundung durch eine Büchsenkugel möglich ist. Die eine ist dicht hinter der Oeffnung des Ohrs, etwa 6 Zoll im Durchmesser, die andere auf der Stiru, etwa ebenso groß. Der Stirnkuochen hat sich hier zu einem Zellengewebe von beinahe eiuem Fuß Durchmesser entwickelt; da jedoch die Zellen groß sind und alle rechtwinkelig gegen die Stirn laufen, so kann eine Kugel durch dieselben ins Gehirn dringen, wenn der Schuß rechtwinkelig gefeuert wird. Dies geschieht meist in Fällen, wo der Elefant auf den Schützen loskommt und den Kopf tief hält. *) Bekannt durch seine werthvollen Beobachtungen der Mollusken Ceylons. Starb wenige Monate später während einer Reise nach England am Bord des Schiffes. VI. .Ein Ausflug nach Adam's Peak. Verschiedene Arten zu reisen. Die Ausrüstung. Der Weg. Vegetation. Agricultur. Halt. Langsam weiter. Spätes Nachtquartier. Der Kru-Ganga. Ein Pinkammer. Schlangentanz. Ratnapoora. Graben nach Edelsteinen. Nach Gillemalle. Landblutegcl. Der Moodliar. In Ungnade entlassen. Palla-Badulla. Schwierigkeiten. Weiter vorwärts. Ein steiler Pfad. Regen. Nacht. Besorgmß. Die verloren Geglaubten zurück. Die Sri-Pada. Physioguomie der Pflanzenwelt. Rückkehr nach Rawapoora. Eine glückliche Familie unter den Halbcivilisirten. Den Kaluganga hinab. Maha Saman Dewale. Ein fliegender Hnnd. Caltura. „Steck' Gold in deinen Beutel." Point bc Galle, 5. Aug. 1860. Außer der Poftverbinbung zwischen Galle und Colombo bestehen dergleichen nur noch von Colombo nach Kandy nnd von dort nach Nnera-Ellia, alle übrigen Reisen mnß man mit solchen Transportmitteln unternehmen, als man sich verschaffen kann. Dies sind auf guten Straßen kleine einspännige'Wagen für zwei bis drei Personen; da aber ein Pferd in diesem heißen Klima nicht mehr als vielleicht 8 Miles weit gebraucht werden kann, so ist man genöthigt. 96 Relaispferde vorauszuschicken, was diese Art zu reisen sehr theuer macht. Ein anderes Locomotionsmittel sind kleine zweiräderige Ochsenkarren mit einem großen Dach von Kokosblättern. Diese halten entweder eine Gepäckladung von 1000—1500 Pfd. oder können von zwei Personen benutzt werden, um auf Matratzen darin zu liegen und einen kleinen Mantelsack nebst Flinten und sonstigen Reisebedürfnissen unterzubringen. Diese sind nicht so theuer als Wagen, allein langsam. Die Ochsen machen durchschnittlich 2 Milcs die Stunde und legen besonders, wenn sie schwer geladen haben, mcht mehr als 20 Miles täglich zurück; da man aber ziemlich bequem in diesen Karren schläft, wenn der Weg nicht zu schlecht ist, so kann man auf ebeuen guten Straßen des Nachts reisen uud den Tag dann an irgendeinem angenehmen Ort zubringen. Die dritte Art zu reisen ist in der Dschungel oder in gebirgigen Gegenden zu Fuß, uud das Gepäck wird von eingeborenen Lastträgern (Kulis) getragen. Der Palantin wirb hier nicht oft gebraucht. Unsere Gesellschaft war eifrig bemüht, Erkundigungen einzuziehen über die Entfernung von Colombo nach Rat-napoora, den Zustand des Weges dahin uud iuwieweit man sich auf die in den am Wege liegenden Rasthäusern zu erwartende Verpflegung verlassen könne. Trotz aller angewandten Mühe blieb die erlangte Information eine äußerst magere, nicht einmal die Entfernung wußte jemand mit Genauigkeit anzugeben. Einen Wagen und die nöthigen Nelaiöpferde zu finden, war gleichfalls schwierig, darin aber 97 zugleich unser Gepäck unterzubringen, unmöglich. Ein Eingeborener, der zuletzt sich bereit erklärte, Wagen und Pferde zu stellen, sagte, die Straße fei nur bis Anivisavella fahrbar, von dort müsse man auf einem Dschungelpfade zu Fuß weiter reisen; mn die nöthigen Relais vorauszuscnden, brauche er jedoch Zeit, und so wurden wir zwei Tage, bis zum Montag früh, in Colombo aufgehalten, nachdem wir unsere Betten, Koffer :c. nebst einer Kiste mit Kochgeschirr und den nöthigen Provisionen am Samstag auf einem Ochscnkarreu vorausgeschickt. Der Preis für den Wagen war 4 Pf. St., für dcu Ochsenkarren 2 Pf. St., was eine Summe vou über 40 Thlr. Pr. Crt. für eine Entfernung von angeblich 36 Miles ausmachte, von der wir noch 16 Miles zu Fuß gehen sollten. Am Montag den 24., 5 Uhr morgens, traten wir unsern Ausflug au, eiugezwäugt in das enge Wägelchen, auf dem Bock nebeu dem Kutscher unser siughalesischcr Diener „Shamyl", der sich zur römischkatholischen Kirche bekannte; der Koch war schon am Samstag vorher mit dem Ochsenkarren abgegangen und sollte uns in Auivisavella erwarten, allem 8 Miles vor diesem Ort überholten wir ihn auf dcr Straße und mußten dann bis Nachmittags 3 Uhr warten, ehe wir unsern Weg fortsetzen konnten. Hier fanden wir, daß es nach Natnapoora nicht 16, sondern 27 Miles, folglich unmöglich sei, noch am selben Tage zu Fuß dahin zu gelangen; allein der Weg war teiu Dschungelpfad, sondern eine gnte schöne Straße, wie irgendwo in der Insel. Uns des Wagens länger zu bedienen, war Hciue, Weltreise. I, 7 98 nicht möglich, der Besitzer hatte, statt die Relaispferde am Samstag vorauszuschicken und ihnen einen Tag Ruhe zu gönnen, dieselben bis zum Sonntagabend in der Stadt behalten, um bort durch ihr Vermietheu noch einigen Nutzen zu ziehen; die Thiere hatten in der Nacht den weiten Weg gemacht und waren jetzt nicht im Stande, weiter gebraucht zu werden, überdies ging das letzte lahm. Der Karrenführer lameutirte gleichfalls und verlangte Zeit znm Füttern seiner Ochsen; es ward ihm eine Stunde bewilligt, und wir gingen zu Fuß voraus, nach'dem nächsten Rasthause, 15 Miles entfernt. Die Straße windet sich von hier aus durch Hügelland und manchmal über kleine Anhöhen, bewaldet mit schönen majestätischen Bäumen und zwischen denselben oft eine undurchdringliche Dschungel der üppigsten tropischen Pflanzenwelt. In dem Maße, wie man sich von der Küste entfernt, werden die Pflanzungen von Kokospalmen spärlicher, doch hörten dieselben nie gänzlich auf, soweit menschliche Wohnungen reichten; ebenso war in der Nähe der Hütten und Felder überall die Arecavalme zu finden, von der die Betelnuß gewonnen wird, welche die Eingeborenen mit solcher Leidenschaft kauen. Die Niederungen der Thalgründe sind meist zu Reisfeldern umgebrochen, an einzelnen Stellen liegen sie auch vielleicht als Wiesengründe brach. An den Seiten der Hügel bemerkt man manchmal große Strecken, die früher scheinbar urbar gewesen, jetzt wieder von dichter Dschungel überwuchert werden. In einigen Fällen sind dies frühere Kasseepflanzungen, die wieder eingegangen, in an- 99 dern jedoch wurden derartige Stellen benutzt, um den sogenannten Hügelreis zu bauen. An mehreren Orten sahen wir das frisch urbar gemachte Land, von welchem in der trockenen Jahreszeit die Vegetation niedergebrannt war; in den so bloßgelegtcn, durch Asche gedüngten fetten Boden ward dieser Reis gesäet, der zwar wenig Wasser, aber dennoch fruchtbares Land verlangt; nach eingebrachter Ernte wird der Acker während 10—12 Jahre der Ruhe überlassen und ist bald von neuem mit Vegetation bedeckt, die im Lauf der Zeit wieder niedergebrannt wird, um einer spätern Ernte Platz zu machen. Der Ueberflnß von uube-nntztem Land macht es den Leuten möglich, ihre Aeckcr so lange brach liegen zu lassen. Die Bevölkerung war hiev viel dünner als an der Küste, nnr in langen Zwischen-räumen traf man kleine Gruppen vou Hütten, öfter aber noch lagen dieselben einsam und im grünen Laubwerk versteckt; manchmal ahnte man ihr Vorhandensein nur durch den Anblick der Kokospalmen, welche ihre gefiederten Häupter über dem dunkeln Grüu des Waldes erheben und nnr da erscheinen, wo sie künstlich gepflanzt werden. Von Wild ließen sich keine Spnren entdecken, doch sagten die Leute, daß in den weiter zurückliegenden Hügeln Hirsche seien uud wilde Schweine oft des Nachts in ihre Reisfelder brächen, was sie nöthigte, Wache über denselben zu halten. In der That waren auch überall iumitten der Felder kleine, auf Pfählen errichtete Hüttcu für die Wächter sichtbar. Wir waren auf diese Weise 6 Miles gegangen und Wachten bei einigen Häusern Halt, mn unser Gepäck herau- 7* 100 kommen zu lassen; allein Stunde auf Stunde verging, und dasselbe erschien nicht. Der Eigenthümer des größten dieser Häuser hatte in demselben einen Laden, in welchem billige Stoffe, Messer und Lebensmittel, so wie die Eingeborenen sie brauchen, zu verkaufen waren; da wir keinerlei Proviant bei uns hatten, so erwies sich eine Schüssel mit gesottenen Eiern, welche später erschien, nicht unwillkommen. Die Nacht kam heran, unser Gepäck jedoch nicht, und Shamyl ward abgesandt, sich danach umzusehen; er ging „und ward nicht mehr gesehen", bänger zu warten, wnrde langweilig, ohne das Gepäck weiter zu gehen, war nicht rathsam, deshalb faßte man nach gehaltenem Kriegsrath den Beschluß, vorläufig zurückzukehren, bis der Wagen gefunden sei. Glücklicherweise, noch ehe die erste Mile zurückgelegt, machte sich das Knarren der Räder nud das «ää, ää,», mit dem der Führer seine Ochsen antrieb, auf willkommene Art hörbar. Nun folgte ein Strafgericht, dem der Ochsentreiber Entschuldigungen entgegensetzte: daß seine Ochsen müde seien, Zeit zum Füttern gebraucht hätten :c. lc.; eine gelinde Zurechtweisung durch Wort und That folgte, und die Reise ging weiter. Im langsamen Schritt hinter einem Ochsentarren hcr-zutraven in finsterer Nacht und im Regen, der jetzt zu fallen begann, ist nicht angenehm; nach gemachter Erfahrung wieder vorauszugehen nnd das Gepäck ohne Aufsicht zu lassen, war nicht anzurathen, das nächste Rasthaus noch 8 Miles entfernt und zweifelhafter Beschaffenheit; so ward beschlossen, daß Hr. B. und vi. L. vorausgehen, ich aber 101 beim Wagen bleiben sollte. Beim Schein einer kleinen Laterne ging nun die Reise weiter und schien in ihrer langsamen Weise gar kein Ende nehmen zu wollen. Ich versuchte, im Wagen Zuflucht zu finden, doch vergeblich; das langsame Gehen war überans ermüdend, und zwei Eingeborene mit Fackeln, welche, vom Raschanse uns entgegengeschickt, um halb 3 Uhr des Morgens erschienen, wurden als willkommene Friedensengel begrüßt. Die beiden andern Herren waren in der Dunkelheit (der Mond ging noch vor Mitternacht unter) mehr als eine Mile über das Rasthans, das etwas seitab von der Straße lag, hinausgelaufen, hatten an einem Meilenstein, an dem sie die Nr. 46 mit den Fingern heraustasteten, ihren Irrthum entdeckt, dann umkehrend einige Hütten gefunden, und ein Eingeborener führte sie zum Rasthansc. Sehr ermüdet angelangt, wurden sie ans angenehme Weise durch ein „Tischlein deck dich" erfreut, dessen Teller und Gläser sich bald mit etwas zu essen und gutem Nast Inäi«. ^1« füllten. Als ich nach 3 Uhr anlangte, lagen beide im tiefsten Schlaf in erträglich guteu Betten und waren unempfindlich gegen alle äußern Eindrücke, ich selbst aber zu müde, um an Essen ober Trinken zu denken, und da nur zwei Vetten im Hause waren, so lag ich bald auf einer Setec in ebenso tiefem Schlaf, wie die andern. Die Sonne stand schon hoch am Himmel, als unsere Aufmerksamkeit sich wieder dem Reich der Wirklichkeit zuwandte, und beim Frühstück theilten wir uns gegenseitig die Erlebnisse der verflossenen Nacht mit. 102 Es war bereits 9 Uhr, als wir von Puzell, so hieh das auf einem Hügel gelegene Nasthaus, aufbrachen; die Sonne brannte bald heiß hernieder, nnd nach einem kurzen Marsch von 3 Miles machten wir am Ufer des Kruganga Halt. Dieses kleine Flüßchen war jetzt noch zu fürten, während, wenn es durch die Regengüsse auf 15 oder 20 Fuß angeschwellt, eine große Fähre, mit Seilen an beiden Ufern befestigt, zwischen denselben hinüber- und herübergezogen, die Reisenden befördert. Die Ochsen und der Wagen gingen durch die Furt, ein kleines Floß, bestehend aus zwei Kähnen, mit einer Plattform ans Bambusrohr zwischen denselben, brachte uns nnd unser Gepäck hinüber. Jenseits, auf einer kleinen Wiese dicht am Ufer, sahen wir ein großes, bequemes Zelt aufgeschlagen nnd einige Soldaten um dasselbe. Es war dies die Escorte eines Goldtransports, der nach Ratnapoora ging, und da der Unteroffizier uns den Gebrauch des Zeltes anbot, so beschlossen wir, hier die Hitze des Tages vorübergehen zn lassen. Unweit des jenseitigen Ufers waren wir an einem Ort vorübergekonnnen, wo man eben eine religiöse Festlichkeit beging — in einen: großen, ans Bambusrohr zum temporären Gebrauch errichteten Tempel, innen sowol wie außen mit den Blättern der Kokospalme geschmückt, aus denen man die verschiedenartigsten Ornamente gebildet hatte, zwischen welchen Flaggen aus bunten Stoffen aufgehängt waren. Inmitten des einzigen großen Raumes und unter einem kuppelartigen Bau, der denselben überdeckte, lagen auf einem Stuhl ein Büschel von Kokosblüten und etwas 103 von der faserigen Hülle der Nuß; eine Menge Menschen war versammelt und schien sich mit nichts Besonderm zu beschäftigen, sondern sie standen oder hockten in kleinen Gruppen umher, kauten Betel und unterhielten sich miteinander, während einige kleine, helltöncnde Trommeln und Kesselpauken von andern kräftig bearbeitet wurden. Eine andere Gesellschaft hatte ein Modell dieses Tempels, etwa 6 Fuß hoch und in ähnlicher Weise ausgeschmückt wie das Gebäude, auf eine Tragbahre gesetzt, die, von Priestern mit geschorenen Köpfen, in gelbe Gewänder gekleidet, gefolgt, auf den Feldern und in den Gärten umhergetragen wurde. Das Ganze wird, wie ich später in Natnapoora erfuhr, Pinkammer genannt und trägt einestheils den Charakter eines Erntefestes, anderntheils gleicht es den im Süden der Vereinigten Staaten so häufigen Campmeetings. Irgendeiner, der sich vom Geist dazu getrieben fühlt, veranstaltet unter feinen Nachbarn eine Subscription, um di Kosten des Festes zu decken; hat er eine genügende Summe aufgebracht, so ruft er Priester aus einem der vielen buddhistische« Tempel herbei, die die Werkleute, welche die nöthigen Vorbereitungen treffen, dirigiren; sie liefern auch das nöthige Quantum von Trommeln, den etwa nöthigen Gefäßen, Gerathen und Büchern und leiten dann die Ceremonien. Der Urheber des Festes, bei dem die Trommelei, Verlesen von Gebeten und Almosengeben die Hauptingredienzien bilden, trägt 'dann meist Sorge, daß die Subscription reichlich genug ausfalle, daß auch er für die gehabte Mühe belohnt werbe. 104 Auch einen sogenannten Schlangentanz sahen wir unweit jenes Tempels. Ein Mann mit einer etwa 5 Fuß langen Brillenschlange begegnete uns ans der Straße und erbot sich, dieselbe tanzen zu lassen. Er begann damit, das Thier, welches er in ein Tuch eingewickelt trug, vor sich auf die Erde zu legen und ihm den Rücken zu streichen, wie ein Magnetiseur zu thun pflegt, wobei er den Schwanz der Schlange zwischen der großen und der zweiten Zehe festhielt, um sie am Entschlüpfen zu verhindern. Bald darauf drehte sich die Schlange gegen ihn und erhob züngelnd ihren Kopf. Nun zog er ein Instrument hervor, bestehend aus einem Flaschenkürbis mit einem Clarinettenrohr am untern Ende, ähnlich, wie die Pfeifen an einem Dudelsack angebracht sind, mit dem auch der Ton einige Aehn-lichteit hatte, und begann eine einfache, etwas monotone Melodie zu spielen. Dabei bewegte er das rechte Knie wackelnd vor der Schlange auf und nieder, die der Bewegung mit dem Kopfe folgte und sich dabei mit dem Körper etwa 2 Fnß von der Erbe aufrichtete, den Hals nahe dem Kopf flach und breit zusammenquetschte und fortwährend bereit schien, nach ihm zu schnappen. Wenn immer das Thier müde ward oder entfliehen wollte, strich er ihm wieder den Rücken, nnd schnappte es nach ihm, so ließ er es in das Tuch beißen, schien sich auch sonst sehr vor dem Biß in Acht zu nehmen. Als die Vorstellung einige Minuten gewährt, machte er einen tiefen Salaam, hängte die Schlange um den Hals und verlangte ein Geschenk. Dieses erhielt er, und damit war die Porstellung zu Ende. Ob 105 der Schlange die Giftzähne ausgezogen waren, konnte ich nicht entdecken. Bei der Weiterreife gebranchten wir die Vorsicht, fortan den Nagen mit dem Gepäck vorauszufchicken; infolge dessen fanden wir dasselbe im Rasthause von Ratnavoora, wo wir um 8 Uhr anlangten; unser Koch aber, den wir seit Colombo noch nicht erblickt, war auch hier nicht zu finden. Das Hans enthielt, wie die meisten andern, drei Räume, mit zwei Betten uud einigen Setees und bot die nöthigen Bequemlichkeiten. Dr. Keelart war so freundlich gewefen, uns an Hrn. Power, Negierungsbeamten für den District Ratnapoora, zu empfehlen; dieser Herr unterstützte uns mit seinem Rath und durch Beschaffung der nöthigen Lastträger für unser Gepäck, denn der weitere Weg zu Adam's Peak ist wenig mehr als ein Dschungelpfad und muß zu Fuß zurückgelegt werden. Ratnapoora ist ein Dorf mit einer einzigen Straße, bestehend aus einigen Dutzend Häusern, meist Verkaufslädeu enthaltend, und ein kleines Fort beherrfchte in frühern Zeiten die Stellung. Jetzt ist dasselbe nicht garnisonirt, sondern dient nur, um in den darin befindlichen Gebäuden Gerichtssitzungen uud andere amtliche Verrichtungen vorzunehmen; ebenso befindet sich in demselben eine kleine Bibliothek mit einem Lesezimmer, in welchem einige Dutzend englischer Zeitungen liegen, die viel von den bessern Klassen der Eingeborenen benutzt werden. Hr. Power mit feiner Familie bewohnt ein anderes geräumiges Gebäude, unweit 106 des Forts unter schattigen Bäumen mit einem hübschen Garten freundlich gelegen. Es macht einen angenehmen Eindruck, inmitten der fremdartigen Bevölkerung und in fremdartiger Umgebung eine Familie mit solchem Comfort umgeben zu sehen, wie die Engländer in den meisten Fällen Sorge tragen für ihre Frauen und Kinder zu finden, und die großen luftigen Räume, die offenen Verandas machen den Aufenthalt jedenfalls sehr angenehm. Die Umgegend von Ratnapoora, besonders in südöstlicher Richtung nach Ballangodde zu, enthalt den größten Theil jener Orte, in welchen Edelsteine gefunden werden, besonders Rubine, Saphire und Topase. Hr. P. zeigte uns dicht hinter seinem Garten ein Stück Land, in welchem mehrere kostbare Steine entdeckt worden waren, allein da der Besitztitel dieses Grundeigenthums nicht klar erwiesen, so machten mehrere Processe, jetzt im vollen Gange befindlich, es unmöglich, die Arbeiten weiter fortzusetzen. Eine kurze Strecke davon hatte man in einem andern Felde Versuche gemacht, ohne Resultate zu erlangen. Man gräbt, ebenso wie in den Goldwäschereien von Californien und Australien, in den Betten von Flüssen. Die obern neuern Kiesschichten werden bis zu einer Tiefe von 10—20 Fuß weggeschafft, bis man auf eine Schichte einer eigenthümlichen Art erhärteten Lehms, vermischt mit Kieseln, stößt, von den Eingeborenen Nellan genannt. Diese, einer ältern Periode angehörend, liegt unter dem gegenwärtigen Bett der Flüsse und wird von dem Kies derselben durch eine verhärtete Kruste, Kadua genannt, getrennt, die einige Zoll 107 dick, dem Material nach, Luftziegeln gleicht. Der Nellan führt oft zu einer beträchtlichen Tiefe, liegt in den Thalgründen meist horizontal, nur an den Seiten der Hügel sanft ansteigend. Gelegentlich kommen große Brocken von Granit oder Gneis in diesem vor, und unter oder neben denselben findet man nicht selten die Edelsteine, die wahrscheinlich vom Wasser dahin gewaschen wurden. Das meiste Graben findet in den Monaten December bis März statt, wo es selten regnet und die Flüsse niedrig sind. Hat man den Nellau erreicht, so wird derselbe in Körben nach dem nächsten Wasser getragen, um dort von Sand und Erde durch Wascheu befreit zu werden, und uuter den übrig bleibenden Kieseln sucht mau dann nach den edlern Steinen. Verschiedene Steine, die ich in Ratnapoora sah, hatten rundliche abgeschliffene Formen und waren augeuschcinlich vom Wasser weit fortgeführt wordeu. Jedenfalls müssen in den höhern Gebirgen, aus welchen diese Flüsse ihren Ursprung haben, große Lager vorkommen, die dergleichen enthalten. Sir Emerson Tennant gibt uns im ersten Theil seines Werks die Ansichten von Dr. Gygox über diesen Punkt folgendermaßen: „Ich fand in Hema Polmra, am südöstlichen Abhang der Pettigalle-Kanda, etwa auf halber Höhe ein Stratum vou grauem Granit, in welchem außer Eisenvtzriten und Molybdän eine ungeheuere Menge don verwitterten Rubinen, Vi.,^-1 Zoll im Durchmesser haltend, vorkamen. Es ist dies nicht ein isolirtes Bett, sondern ein regelmäßiges Stratum, das sich wahrscheinlich ebenso weit und tief erstreckt als die übrigen Granit- 108 formationen. Ich folgte demselben so weit als möglich, um es genauer zu untersuchen, allein im untern Theil des Thals war das Gestein so verwittert, daß sich der Hammer in den Felsen senkte, die Rubinen gespalten waren, in Staub zerfielen nnd selbst Bambusrohr darauf wuchs. Auf dem höher gelegenen Terrain, in der Nähe von einigen kleinen rundlichen Hügeln, die sich hier befinden, waren die Rubinen in braunes Corundum verwandelt; auf den Hügeln felbst aber verlor sich jede Spur, und statt eines Stratums fand ich hier nur ein wildes Chaos großer Brocken gelben Granits. Ich untersuchte alle Mineralien, aus welchen dieses Stratum besteht, auf das sorgfältigste (Feldspath, Mica, Quarzmolybdän und Eisenpyriten) und fand alle denjenigen vollkommen ähnlich, welche ich früher an ungeschliffenen Rubinen hangend gefunden, die man mir in Colombo zum Verkauf angeboten. Ich bin überzeugt, daß aus solchen Straten die Rubinen Ceylons herstammen, und daß diejenigen, welche man in Ballangodde und Ratnapoora findet, nur secundären Depositen angehören, und es fcheint mir, daß sich diese über die ganze Insel erstrecken, obschon oft durch Lager von gelbem Granit unterbrochen oder verschoben." Hieraus läßt sich vermuthen, daß, wenn man das Suchen dieser Edelsteine auf regelmäßige bergmännische Weise betriebe, vielleicht erhebliche Resultate zu erlangen wären; da dies aber nicht ohne bedeutendes Kapital unternommen werben könnte, dessen Verinteressirung eine ungewisse, jedenfalls von vielen Zufälligkeiten abhangende fein würde, so haben Kapitalisten 109 bisher vorgezogen, andere, gewissere Arten einzuschlagen, um ihre Gelder anzulegen. Die Eingeborenen, welche sich mit Suchen der Edelsteine beschäftigen, haben oft ganz wilde Ideen vom Werth derselben. Meistens verkanfen sie dieselben nur in Augenblicken großer Noth, und ziehen es vor, sie mittlerweile zu verstecken. Jemand, der Ratnapoora besuchte, als just die Zeit des Waschens ihre Höhe erreicht hatte, bot den Gräbern 1 Pf. St. für einen Korb Erde, dabei das Rifico übernehmend, ob derselbe etwas von Werth enthalte oder nicht; allein trotzdem Korb nach Korb gewaschen und gehaltlos gefunden wurde, fand sich niemand bereit, das Anerbieten anzunehmen, wahrscheinlich fürchteten die Leute auf diese Weise ihr Glück zu verkaufen. Mittwoch den 29. Febr. um 12 Uhr erschienen etwa 20 Kulis, von Hrn. P. gesandt, im Rasthause, und aus dieseu suchten wir die 12 Stärksten als Lastträger für unsere Excursion aus. Diese Leute werdeu gewöhulich mit 9 Peuce oder etwa 7^2 Sgr. den Tag bezahlt; allein der sehr strapaziöse Weg sowie die drohenden Regenwolken, welche in den letzten Tagen die Berggipfel mnhingcn, trugen Schuld, daß sie nicht unter einer Bezahlung von 9 Sh. oder 3 Thlrn. Preuß. Crt. für die ganze Excursion gehen wollten. Da die Summe vou 36 Thlrn. für den Transport des Gepäcks anf einer Fußtour von höchstens drei Tagen uns zu hoch schien, so versuchten wir davon abzuhandeln, allein vergeblich. Die Leute erklärten die Anstrengungen dieser Besteigung für so bedeutend, daß sie 110 lieber die ganze Last nach Colombo und wieber zurücktragen wollten. Wir beschlossen endlich, das Gepäck nur bis zum letzten Hause mitzunehmen, dann den Gipfel allein zu besteigen, und kamen für den Preis von 5 Sh. oder 1 Thlr. 20 Sgr. per Kopf für die Excursion mit ihnen überein. Um 4 Uhr bracheu wir auf und erreichten gegen 7 Uhr Gillemalle, wo wir beschlossen, die Nacht zuzubringen. Die Entfernung von Natnapoora bis Gillemalle beträgt etwa 7 Miles. Auf der Lange der ersten Mile ist eine gute breite Fahrstraße angelegt, die man bis zum Fuß der großen Gebirgskette, welche von Adam's Peak bekrönt wird, fortsetzen will, der Rest der Entfernung ist aber jetzt noch ein schmaler Pfad, entlang den Ufern des Knlaganga führend, auf welchem die Gesellschaft eiuer hinter den: andern zu gehen hatte. Wir befanden uns jetzt in eincr Region, welche als wildreich bezeichnet wird, allein außer einigen Tauben sahen wir keine jagdbaren Vögel und konnten ebenso wenig Spuren von größerm Wild entdecken. Auf halbem Wege wurden wir mit einer kl«nen Fähre, ähnlich der auf dem Kruganga, vom rechten auf das linke Ufer übergesetzt, und da nur einige Persoueu auf einmal auf derselben Platz fanden, so verstrich einige Zcit, ehe dies vollbracht war. Bei diesem Aufenthalt machte sich eine der unangenehmsten Landplagen Ceylons, die Landblutegel, auf unangenehme Weise bemerkbar. Diese höchst lästigen Thiere kommen selten in den Ebenen vor, wo es ihnen zu trocken ist, allein in dcr mit dichter Vegetation bedeckten feuchtern Region am Fuß der Ill Hügel schwärmen sie und fügen Menschen und Vieh mancherlei Ungemach zu. Sir E. Tennant citirt im ersten Bande seines Werks, S. 302-303, folgende Beschreibung Bosc's, die so charakteristisch ist, daß eine andere nicht besser sein würde. ,M^6inaäii)8H (^lanica ist rund, etwas abgeplattet an der innern Oberfläche, und an den: hintern Ende etwas dicker als am vordern. Die Sangwarze am Anns besteht aus vier Ringen, und ist im Verhältniß etwas weiter als bei den andern Speckn. Seine Farbe ist hellbraun mit einem gelben Streifen längs beiden Seiten und einem grünlichen auf seinem Rücken. Der Körper besteht aus 100 Ringen, und die fünf Paar Augen find auf dem Hintertheil des Kopfs befindlich. Die ersten vier Paar befinden sich in auseinander folgenden Ringen, die zwei nächsten Ringe sind frei, und das fünfte Paar sitzt im siebenten Ringe. Der Mund ist gleich dem eines gewöhnlichen Blutegels, die drei Fahne oder Zahnreihen sägenförmig mit deutlich ausgedrückter Muskulatur. Die Zahl der einzelnen Zähne in jeder der drei Reihen 70—80." Diefe Thiere suchen nie das Wasser der Flüsse oder Teiche auf, und ich habe fie von der Länge eines Zolls und so dünn wie eine Nähnadel bis über zwei Zoll groß gesehen und so dick wie ein Federkiel. Auf den Steinen des Wegs, unter dem Grase und den Blättern am Rand desselben lauern sie auf ihre Beute. Es ist interessant, wahrzunehmen, wie scharf ihr Instinct ist. Unsere Gesellschaft verweilte einige Minuten auf einer mit Kies bedeckten 112 Stelle, welche ganz frei von diesen Thieren war. Schon nach wenigen Secunden kamen sie von allen Seiten herangekrochen, und ehe wir weiter gingen, waren schon Dutzende da, welche fortwährend neue Verstärkungen erhielten. Sie standen gewöhnlich, mit dem Anus auf der Erde festgesaugt, fast senkrecht empor und bewegen sich weiter, indem sie den Körper bogenförmig krümmen, sich mit dem Kopf auf der Erde feststemmen, dann den Körper nachziehen und dasselbe Manöver mit unglaublicher Schnelligkeit wiederholen. Ebenso ist es interessant, zu sehen, mit welcher Schnelligkeit sie sich einem an die Fersen heften. Der Bruchtheil einer Secunde genügt ihnen, um den Fuß, der den Stein, auf welchem sie vielleicht lauern, flüchtig berührt, zu erfassen und sich daran festzusetzen. Ist ihnen dies gelungen, so kriechen sie schnell herum, bis sie eine Oeffmmg gefuuden, um sich festzusaugen, und die kleinsten Maschen eines Strumpfes, das kleinste Loch in einem Stoff genügt ihnen, um sich durchzuzwängen. Eine Lieblingsstelle, sich festzusetzen, sind die Knöchel an den nackten Füßen der Eingeborenen, allein sie kriechen auch am ganzen Körper herauf, bis an den Hals und die Schläfe, wo sie sich dann die zartesten Stellen aussuchen. Wir sahen sie manchmal in großen Klumpen au den Füßen der Lastträger, von denen das Blut herabrann, und keiner von uus entkam mit heiler Haut, trotzdem wir die Enden der Hosen in die Strümpfe steckten, die Stiefel darüber heraufzogen und von Zeit zu Zeit nachsahen, ob wir welche von diesen ungebetenen Gästen bewirtheten. Die Pflanzer tragen lange, biö ans Knie 113 reichende wollene Gamaschen, welche sie in gewissem Grade gegen die Angriffe der Landblutegel schützen. In Gillemalle angelangt, empfing uns der Moodliar oder eingeborene Vorsteher des Orts, und wir'fanden in einem geräumigen Hause, auf einer kleinen Terrasse gelegen, ein ziemlich gutes Unterkommen; man brachte später Betten aus geflochtenem Bambusrohr herbei, auf denen wir vortrefflich schliefen, und einige Hühnereier, ja sogar Milch, ein nicht sehr gewöhnlicher Luxusartikel, da die Singhalesen gewöhnlich ihre Kühe nicht melken, ließ der Moodliar her-beibringen, sich dabei entschuldigend, daß er geglaubt habe, wir würden die Nacht in Palla-Badulla, 4 Miles weiter, zubringen, wo er bessere Anstalten zu unserer Bewirthung getroffen habe; denn Hr. P. war fo freundlich gewesen, einen Boten vorauszuschicken, welcher unsere Ankunft angezeigt hatte. Ms wir bei Tisch saßen, erschien plötzlich unser Koch, als Grund seiner Abwesenheit angebend, daß er unterwegs krank geworden sei; da er aber, trotz erhaltener Weisung, sich nicht vom Wagen zu entfernen, immer allein gegangen war, und wir mittlerweile in Ratnapoora einen andern Koch angenommen hatten, so ward schnelle Justiz geübt und er in Ungnade entlassen, ein Exempel, welches später vortheilhaft auf die Disciplin unserer Leute wirkte. Den Vorschuß von 10 Sh., den er in Colombo erhalten, ließen wir ihm, um seine Reisekosten auf dem Heimweg zu bestreiten. In der Nacht fielen heftige Regengüsse, wie ne nur in den Tropen vorkommen, und machten allerhand Heine. Weltreise. I, o 114 unangenehme Befürchtungen über den weitern Verlauf unserer Excursion in uns wach. Der Regen währte bis zum nächsten Morgen gegen 7 Uhr, und wir'brachen deshalb erst spät auf. Das Thal erweitert sich hier, und sein geräumiger Kessel wird theils zum Reisbau, theils als Wiefengrund benutzt, durch welchen sich der Weg fortschlä'ngelte, nachdem wir dicht hinter Gille-malle, doch abermals auf einer Fähre, über den Fluß gefetzt waren. Man geht noch einige Zeit am Fuß der Hügel hin und beginnt dann, dieselben zu besteigen. Bis Palla-Badulla scheint das Hauptgestüt und irdische Paradies der Blutegel zu sein; denn nirgends sah ich diese Thiere in so ungeheuern Schwärmen wie in dieser Lokalität. Wir wurden von Zeit zu Zeit durch reichliche Regenschauer erfrischt, und als wir Palla-Badulla erreicht hatten, trieb ein gewaltiger Gewitterguß alle unter Dach. Die Quantität von Wasser, welche ein solcher tropischer Negen auf die Erde schüttet, ist ganz erstaunlich; demselbeu bloßgestellt, ist man in weniger als einer Minute bis auf die Haut durchnäßt und kein Baum dicht genug, um Schutz zu gewähren; Wege sind in wenigen Minuten in Gießbäche umgestaltet, und ein Nachtrcgen verwandelt manchmal die Reisfelder und Wiesengründe des Thals in einen See. Palla-Badulla ist ein Tempel mit einer Art von Kloster dabei, in welchem Pilger nach Adam's Peak, von denen alljährlich in der trockenen Jahreszeit Tausende die Wallfahrt machen, aufgenommen werden. Eine Zeit lang bewahrte man hier den heiligen Zahn des Buddha, der jetzt 115 in Kandy ist; ein kleines metallenes Modell von dem goldenen Baldachin, der früher den Fußtapfen auf der Spitze des Berges bedeckte, befindet fich noch hier, und der Platz steht im Geruch großer Heiligkeit. Eine Anzahl von Priestern in gelben Gewändern trägt Sorge für den Tempel, der ein unbedeutendes kleines Gebäude ohne irgendwelche merkwürdige Charakteristik ist, und verpflegt die Pilger, welche dann durch Opfergaben die Kosten der Anstalt decken. lim 1 Uhr, nachdem der Regen etwas nachgelassen und wir gefrühstückt, brachen wir auf, allein nicht ohne vorher einige Schwierigkeiten mit unsern Lastträgern gehabt zu haben, welche der Ansicht waren, dies sei das letzte Haus, und sie brauchten nicht weiter zu gehen. Mit Hülfe des Moodliar, der uns bis hierher begleitet und der jetzt trotz dem besten Landrath seine Autorität geltend machte, ward biese Meinungsverschiedenheit geschlichtet, und wir kletterten weiter. Der Weg führte von hier an einen sehr schroffen Hügel hinauf, und man kann sich eine Vorstellung von seiner Steilheit macheu, wenn man in Betracht zieht, daß auf der kurzen Strecke von Palla-Badnlla bis zum Gipfel °der ungefähr 6 Miles eine Höhe von über 6000 Fuß erklommen werden muß. Zwei Miles weiter erreichten wir Diebetnc, eine Gruppe von einigen Häusern, um eine geräumige Halle liegend, welche gleichfalls zur Bequemlichkeit d^' Pilger errichtet ist. Hier machten die Kulis neue "ustlichc Nemonstrationen und erklärten, dies sei das letzte Haus, weiter sei es nicht möglich, Bagage zu tragen. Der 8* 116 Moodliar ward von neuem herbeigerufen; allein er erklärte es gleichfalls für unmöglich, das Gepäck weiter zu schassen; oben am Berge feien nur noch einige an alleu Seiten offene Schuppen, in denen man nicht schlafen könne, auch sei es dort oben zu kalt, und die Kulis aus der Ebene würdm krank werben. Wir waren entschlossen, noch am selben Tage weiter zu gehen und womöglich in einer kleinen Hütte unweit des Gipfels zu übernachten. Zwei kräftige Kulis, vom Moodliar in Diebetne requirirt, welche uns begleiten sollten, bekamen nur unsere Decken, etwas Schiffsbiscuit, ein wenig Schinken und einige Flaschen Wein zu tragen, und so ging es weiter. Sehr bald wurde es klar, weshalb unsere Kulis das Gepäck nicht weiter schaffen wollten. Der Weg war so steil, daß es uns, auch ohne Lasten zu tragen, schwer genug ward, denselben emporzuklettern. Große Felsbrocken oder Wurzeln von Bäumen bildeten eine Art von Treppe mit gewaltigen unregelmäßigen Stufen; an manchen Stellen, wo man genöthigt war, über einzelne sehr große Blöcke zu klimmen, waren einige Knüppel leiterartig darauf befestigt. Die Erde und die kleinen Steine waren überall von den gewaltigen Regengüssen weggewaschen, und nur langsam konnte man aus dem schlüpfrigen Pfade emporsteigen. Nach einer und einer halben Stuude erreichten wir die erste jener kleinen offenen Hütten und machten eine kurze Rast. Die Berggipfel waren jetzt von dunkeln Wolken umzogen, die auch uns manchmal einhüllten; es schien zweifel- 11? haft, ob wir die letzte Hütte erreichen würden, allein hier zu bleiben war nicht rathsam, und umkehren wollte keiner; so stiegen wir weiter. Je höher wir kamen, desto steiler wurde der Weg, der jeyt längs einer tiefen Schlucht hinlief, in deren Tiefe ein Bcrgstrom brauste. Ueber die Felswände, welche noch gestern trocken gewesen, liefen jeyt überall Wasserfälle, Zeugniß gebend, wie viel Regen in den obern Regionen gefallen sein mußte. Es dauerte auch nicht lange, so begann es heftig zu regnen und das Wasser in dem engen Hohlweg hcrabzuflicßen; die Dämmerung brach an, und es erschien mir nicht räthlich, noch weiter zu gehen. Die beiden andern waren etwas voraus, ich rief ihnen zu, allein erhielt keine Antwort, oder wenn eine kam, hörte ich sie nicht, denn der Sturm brauste laut durch die ^uft. In Betracht, daß unser Weg über einen Fluß führte, der immer noch mehr anschwoll und uns an der Rückkehr verhindert haben würde, schien es mir jetzt am gerathensten, wenigstens bis zu der Hütte zurückzukehren, dic wir vor einiger Zeit verlassen hatten, dort die Nacht zuzubringen und am nächsten Morgen, sollten die Umstände es gestatten, weiter zu gehen. Ich sandte den Diener, der bei mir geblieben war, an die beiden andern und begann bergab zu steigen. In dieser Region fingen Elefantcnspuren an sichtbar zu werden, die rechts und links in das Gebüsch führten, einige derselben ziemlich neu, und frische ^osuug war häufig zu finden. Es war ein trauriges Gefühl, sich endlich in der langersehnten Wildregiou zu befinden, wo einige Stunden 118 ruhiges Spüren mich in die Nähe der Heerde gebracht haben würden, nnd nun von derselben weggeschwemmt zu werden oder im günstigsten Fall, wenn einem ein Elefant begegnen sollte, mit gänzlich durchnäßter Büchse vor ihm zu stehen; doch vertröstete ich mich mit der Hoffnung auf besseres Wetter am nächsten Morgen. In die Hütte zurückgekehrt, ward es nöthig, Fener anzuzünden, und nach einigen vergeblichen Versuchen gelang mir dieses. Ich wartete noch einige Stunden, doch meine Freunde erschienen nicht; jedenfalls hatten sie mein Rufen nicht gehört, und der nachgesandte Diener hatte sie erst spät eingeholt, sodaß sie näher an der höher gelegenen Hütte waren als an der, in welcher ich mich befand. Naß und müde, ohne Decken und ohne etwas zu esseu, das Feuer nur mit Schwierigkeit brennend erhaltend, denn alles Holz troff vor Nässe, die auch durch das Dach der Hütte drang und sich in kleinen Pfützen auf dem Boden sammelte, war hier für mich an keinen Aufenthalt zu denken; mismuthig trat ich den Rückweg an und erreichte nach einem beschwerlichen Nachtmarsch Diebetne, wo mich der Moodliar mit Kopfschütteln empfing und mir zu verstehen gab, daß er befürchte, meine Freunde könnten durch die angeschwollenen Flüsse an der Rückkehr verhindert werden. Vorläufig war in der Sache nichts weiter zu thnn, und deshalb legte ich mich znr Nuhe. Während der ganzen Nacht blieben die Schleusen des Himmels geöffnet; als der Tag graute, überlegte ich, was am besten zu thun sei, und wollte einen Versuch machen, 119 mit zwei Kulis, die der Moodliar hatte nachkommen lassen, meinen Freunden einige Provisionen entgegenzubringen. Der Hohlweg, der noch gestern einer Treppe geglichen, war heute zum Gießbach geworden, in welchem ich strauchelte und fiel. Ich war gekommen, einen Berg zu ersteigen, allein nicht einen Wasserfall hinaufzuklettern; deshalb sandte ich die Knlis mit den Provisionen allein, denn mit ihren nackten Füßen fanden sie einen bessern Halt am Boden. Stunde auf Stunde verstrich, und niemand kehrte zurück. Hatte unsere Excursion schon gestern begonnen einer Turnfahrt zu gleichen, so begann nun die Sache ins Tragische überzugehen; denn waren die Flüsse zu hoch, um sie zu pafsiren, so konnten meine Freunde genöthigt sein, mehrere Tage auf der Höhe zuzubringen, ein misliches Ding ohne Provisionen und ohne warme Kleidung. Gegen Mittag beschloß ich, mit sämmtlichen Knlis aufzubrechen, jeder mit einer langen Bambnsstange, um, eine an die andere gebunden, eine Verbindung über den Fluß herzustellen, als zu meiner nicht geringen Beruhigung und Frende beide Herren erschienen. Sie hatten in der weiter oben gelegenen Hütte eine uncomfortable Nacht zugebracht, am nächsten Morgen beschlossen, umzukehren, da man keine fünf Schritte weit sehen konnte, waren lange am Ufer des bereits sehr geschwollenen Flusses aufgehalten worden, und hatten endlich mit großer Mühe ihren Rückzug bewerkstelligt. Die von mir gesandten Knlis mit Provisionen hatten sie halbwegs getroffen, bei den Ruinen eines Hauses, das vor mehreren Jahren Major Rodgers, der bedeutendste Ele- 120 fantenjäger Ceylons, bewohnte, der mehr als tausend Stück dieses großen Wildftrets getödtet hat. Nachdem wir uns einer guten Mahlzeit, die ich hatte bereiten lassen, erfreut, traten wir unsern Rückweg nach Ratnaftoora an, das wir am selben Abend naß bis auf die Haut und in traurigem Anfzug erreichten, der Doctor minus einer Gamasche, die er im Fluß verloren, und die Hacke feines rechten Schuhs, mehrmals um die eigene Achse gedreht, zu einer wunderlichen Form zusammengeschrumpft. Wir waren fo auf gewaltsame Weise verhindert, einen jener Plätze zu sehen, welchen sich die Verehrung von Hunderten von Millionen Menschen, die Gesammtzahl der Anhänger Buddha's zuwendet und zu welchen alljährlich Tausende wallfahrten. Auf dem steilen Felskegel, welcher die äußerste Spitze von Adam's Peak bildet, befindet sich die «8ri-paäg,», der geheiligte Abdruck von Buddha's Fuß, als er sich zum Himmel aufschwang, wie uns die heiligen Bücher der Buddhisten melden. Der erste Pilger zu diesem Heiligthum, dessen die singhalesischen Geschichtschreiber erwähnen, war ein König von Kaschmir, der um das Jahr 24 n. Chr. Adam's Peak besuchte, und der chinesische Reisende Fa-Hian erwähnt desselben im I. 413 n. Chr., doch spricht er davon als dem Fußtapfen „des ersten Mannes" oder Pwan-Koo, des Adam der Chinefen. Andere Fürsten wurden erwähnt, welche im 12. Jahrh., sowie 1201 und 1267 Pilgerfahrten vornahmen, und König Prakrama-Bahu ließ einen Tempel über der Reliquie errichten. Die Be- 121 zeichnung „Adam's Peak" rührt von den Mohammedanern her, welche durch Irrthümer in der christlichen Lehre zu dieser Annahme verleitet wurden. Die Gnostiker, welche schon bei Lebzeiten der Apostel der christlichen Religion Elemente aus dem Mysticismus des Plato beifügten, wiesen Adam als „56Ü dem Urmenschen" eine hohe Stellung nächst dem „Noos" und „Logos" als dritter Kundgebung der Gottheit an, und Verehrung für Reliquien bildete einen Theil ihres Cultus. In einem Manuscript aus dem 4. Jahrh., welches die koptische Lesart der Glaubenslehre enthält und von Tertullian dem berühmten gnostischen Häresiarchen Valentinus zugeschrieben wird, geschieht zuerst Erwähnung von Adam's geheiligtem Fußtapfen. Der Erlöser theilt der Heiligen Jungfrau mit, daß er den Geist Kalapataraoth zum Wächter über die Fußtapfen (Stemmut) gesetzt, die vom Fuß ««ssü's» herrühren, sowie, daß er die Bücher des «^eü», von Enoch im Paradiese geschrieben, seiner Obhut anvertraut. Während der Verfolgung und Verstreuung der Gnostiker unter den Kaisern scheinen sie diesen letztern ihre mystische Verehrung für Adam mitgetheilt zu haben, der in Mohammed's Lehre aus dem Hauch der Gottheit hervorgegangen als „Khalifi-y°Ekber" der erste von Gottes Statthaltern auf Erden war. Die Mohammedaner glauben, daß Adam nach der Verstoßung aus dem Paradies einige Jahre auf einem Berge in Indien in Verbannung lebte, ehe er auf dem Berge Arafath, in der Nähe von Mekka, wieder mit Eva vereinigt ward. Der Koran bezeichnet den Ort, wo 122 Adam wohnte/ nicht genauer, und vielleicht hatten Mohammed und seine ersten Nachfolger Ceylon noch nicht als denselben anerkannt; allein als arabische Seefahrer, aus Indien zurückkehrend, Erzählungen von jener mystischen Fußspur auf dem Gipfel von Al-rahoun, wie sie Adam's Peak bezeichneten, mitbrachten, scheinen ihre Landsleute allmählich diese Insel als den Ort, wo Adam feine Bußzeit zubrachte, angenommen zu haben. Die ältesten arabischen Schriftsteller, sprechen mit Verehrung davon, und im 10. Jahrhundert ward Ceylon, einer der heiligsten Wallfahrtsorte für mohammedanische Pilger. Die „Sri-pada" wird jetzt von buddhistischen Priestern bewacht, und Pilger der verschiedenen Stämme drängen sich herbei, ihre Anbetung zu verrichten. Bei schönem Wetter kann man von der letzten Hütte, welche unsere Gesellschaft erreichte, die höchste Felsenspitze des Berges vor sich sehen, die weiter unten von den näher liegenden Felswänden verborgen wird. Das Besteigen derselben ist sehr beschwerlich, und an der gefährlichsten Stelle kann man sich nur auf den schmalen schlüpfrigen Stufen, welche hier in den Stein gehauen sind, erhalten, wenn man die Ketten ergreift, welche hier befestigt sind. Eine eiserne Leiter, senkrecht in dem letzten etwa 40 Fuß hohen Felskegel befestigt, bringt den Pilger auf ein kleines Plateau, die Spitze des Berges bildend, nnd hier, in einem Block aus Gneis und Hornblende, sieht man unter einem kleinen Baldachin den heiligen Fußtapfen, aus einer natürlichen Vertiefung bestehend, die künstlich erweitert worden, 123 etwa 5 Fuß lang und verhältnißmäßig breit ist. Blumen der Rhododendronsträucher, mit denen die letzten tausend Fuß des Berges bedeckt sind, liegen als Oftfergaben da, welche die Pilger darbringen, indem sie „Sadu" (Amen) ausrufen. Die Ceremonie wird beschlossen, indem jeder eine sehr alte Glocke anschlägt und aus einer Quelle trinkt, welche ciuige Fuß vom Gipfel eutspringt. Die Aussicht soll bei schönem Wetter außerordentlich großartig sein, denn in südlicher und westlicher Richtung überblickt man das Hügelland und die Niederungen bis zum Ufer des fernen Oceans, während nach Norden und Nordosten die Gebirgsmassen der Umgegend von Kaudy, Nuera-Ellia und Horton Plains, sich in majestätischen Formen anfthürmeu. Die Höhe des Berges beträgt etwas über 7000 Fuß; dadurch jedoch, daß seiu Fuß in einer Ebene wenig höher als die Meeresfläche liegt, erscheint dieselbe viel bedeutender. Wer in den verschiedenen Höhen des Berges einen ähnlichen Reichthum und Wechsel von Vegetation erwartet wie in der Andeskette von Südamerika, wird sich getäuscht finden. Die Physiognomie der Pflanzenwelt ist im ganzen ziemlich monoton; Fächerpalmen und Baumfarru kommen nur vereinzelt vor, uud wo die Bäume aufhören, bedecken einförmige Massen von Rhododendron den Boden. Wie aus dem Obigen zu ersehen, ist es nur während der trockenen Jahreszeit rathsam, die Besteigung zu unternehmen. Die Monate, wo am meisten zu hoffen ist, eine klare Aus- 124 ficht zu genießen, sind Februar und März. In der Regenzeit kommen vielleicht einzelne Perioden, wo es möglich ist, den Gipfel zu erreichen; allein ganz frei von Wolken ist derselbe dann nie, nnd man setzt sich großen Mühen und Beschwerden aus, ohne durch ein befriedigendes Resultat belohnt zu werden. Der Sabbat und seine Ruhe in Ratnapoora bot uns eine sehr willkommene Erholung, und Hrn. und Mad. P.'s Gastfreundschaft machte dieselbe sehr angenehm. Das Bild einer glücklichen Familie inmitten von barbarischen und halb-civilisirten Völkern hat stets etwas Rührendes und Erfrischendes, warme Sympathien erregend; die Würde der Hausfrau und Mutter tritt hier in frischern, eblern Farben hervor, denn die Erziehung der Kinder ruht hier, fern von allen Hülfsmitteln der Civilisation, ganz auf ihren Schultern, und die drei kleinen Mädchen und zwei Knaben nahmen Mad. P.'s Thätigkeit und Aufmerksamkeit genügend in Anspruch. Hr. P. begleitete uns, um uns die anziehendsten Punkte der Umgegend zu zeigen. Wie bereits erwähnt, liegt Natnapoora in einem Delta verschiedener kleiner Flüsse, welche hier in den Kaluganga münden. Dieser letztere Fluß ist bis hierher für große Boote schiffbar, und Hr. P. hatte die Güte, eins derselben für uns herrichten zu lassen. Dasselbe war ungefähr 25 Fuß lang und 10 Fuß breit, vorn uud hinten nicht spitz, sondern breit auslaufend, und da der Boden flach, fo konnte es, leicht beladen, in einem Fuß Wasser schwimmen. Man hatte einen Stamm von der Länge des Boots 125 getrennt, die beiden Hälften ausgehöhlt und durch Rippen miteinander verbunden, die dann mit Planken bekleidet sind. Diese Bauart ist einfach, leicht, gewährt viel Raum für Waarentransport, und die beiden starken Stämme, welche aus den Seiten Herborstehen, schützen dieselben genügend gegen Stöße. Ein spitzes Dach aus Kokosblättern deckt das Ganze, im Hintertheil befindet sich die Küche und Wohnstätte für die Bootsleute, in das Vordertheil, dessen Fußboden mit Matten belegt war, hatte Hr. P. e'men Tisch und einige Stühle stellen lassen, und des Nachts wurden unsere Decken auf dem Boden ausgebreitet. Unser Aufenthalt war während der kurzen Fahrt so angenehm als möglich, und herzlich bedauerte ich, nicht alle Ausflüge in der Insel auf ähnliche Weise machen zu können. Die Ufer des Flusses, welcher hier durch Hügel fließt, oft mit steilen Felswänden, odcr von großen Felsmassen bekrönt, find mit einer außerordentlich reichen Vegetation bedeckt und sehr malerisch. Leider waren die Gipfel der entfernter liegenden gewaltigen Gebirge in Wolken gehüllt, und so schieden wir denn, ohne Adam's Peak auch nur gesehen zu haben. Etwa eine Mile von Ratnapoora am Ufer des Flusses liegt ein großer Tempel mit ausgedehnten Anlagen um denselben, Naba, ßaman I>6vini6 (Tempel der großen Gottheit) genannt. Die singhalesischen Buddhisten haben aus den Zeiten, wo andere Lehren ihnen aufgezwungen wurden, neben der Verehrung des guten Princips ein gutes Theil von Dämonologie in ihren Gottesdienst aufgenommen. Während sie vor den Reliquien Buddha's 126 Opfer bringen und die geheiligten Bücher lesen, besuchen sie gelegentlich die Tempel des bösen Genius und opfern daselbst, um sich so von beiden Seiten sicherzustellen. Als wir den Tempel passirten, hielten unsere Bootsleute eine Weile an, der Führer ging hinauf, brachte den Priestern ein Geschenk, man hörte ein wenig trommeln, und die Angelegenheit war beseitigt. Das Boot glitt während des ganzen Tags ruhig den Fluß hinab; einige Stromschncllen, die wir zu passiren hatten, waren nicht sehr bedeutend, nnd bei Einbruch der Nacht hatten wir bereits jenen Theil erreicht, wo der größte Theil des Landes unter Cultur war und zahlreiche Gruppen von Kokospalmen die in ihrer Nähe liegenden Wohnungen andeuteten. Bisher waren weder jagdbare noch seltene Thiere gesehen worden, mit Ausnahme einer 5 Fuß langen Eidechse, ähnlich dem Alligator, ein gefährlicher Feind des Geflügels und kleiner Vierfüßler, die Hr. B. schoß, und einer 5 Fuß langen Brillenschlange, die ich to'dtete. Seit Anbruch der Nacht sahen wir hier eine Menge sehr großer Vögel mit langsamem Flügelschlag sich zwischen dcn Kotosbämnen umherbewegen oder den Fluß kreuzen; wir hielten sie anfangs für Eulen, doch machte uns ihre große Menge sowie ihr sonderbarer Flug zweifelhaft. Um Gewißheit zu erlangen, versuchten wir einen davon zu schießen, allein erst nach mehreren misglückten Persuchen gelang es mir, einen zu treffen. Dieser fiel mit so lantem Geräusch ins Wasser, daß es nicht eine Eule sein konnte, die Bootsleute aber, 127 welche wir in unserm kleinen Eanot danach schickten, konnten ihn in der Dunkelheit nicht finden; bald darauf schoß Dr. L. einen andern, welcher in einige das Wasser überhangende Büsche fiel, aus welchen ihn die Bootsleute herabschüttelten. Das Thier war eine jener großen Fledermäuse, gewöhnlich mit dem Namen fliegender Füchse oder fliegender Hunde benannt (ktsroM» Nänai-äsii), maß etwa 6'/2 Fuß von Flügel zu Flügel, war von dunkelrostbrauner Farbe und Flügeln aus dünner Haut, gleich denen der Fledermaus, mit Haken an deu untern Enden, sowie am Elnbogengelenk, an denen sie sich bei Tage an den höchsten Aesten der Bäume mit dem Kopf nach unten aufhängen. Sie nähren fich meistens von saftigen Früchten sowie von Knospen und Blättern verschiedener Pflanzen, besonders aber halten sie sich gern in der Nähe von Kokospalmen ans, in denen man den Saft zu Toddy abzapft, in welchen: sie sich gern berauschen. Mehrmals sahen wir sie in ungewöhnlich großer Zahl in derartigen Lokalitäten, und hörten, wie sie sich in deu Baumgipfeln herumjagten. Zu Anfang der Nacht schienen dies nur freundschaftliche Dispute zn fein, gegen Morgen jedoch, wo die Köpfe wahrscheinlich anfiugeu, schwer zu werden, glich der Lärm einem Wirthshausskandal von Betrunkenen. Das erlegte Exemplar blickte, als es auf den Tisch gelegt ward, mit einem dummgutmüthigen Ausdruck in das Licht, doch warnten die Bootsleute vor seinen: Biß, uud seiue Zähne waren lang und scharf genug, um empfindliche Wunden beizubringen. Das Thier hatte ein fehr zähes Leben, nnd es bedürfte eines 128 starken Schlags auf die Nase, um seinen Leiden ein Ende zu machen. Im hellen Mondschein ruderten die Bootsleute weiter und kamen gegeu Morgen in Caltura an, wo sich die Gesellschaft trennte. Hr. B. ging nach Kandy, l)r. 8. und ich nahmen Post nach Point de Galle, um dort die Ankunft der Gesandtschaft zu erwarten, welche am 5. von Suez eintreffen sollte. Bei meinem ersten Aufenthalt in Ceylon, während der amerikanifchen Expedition, sprach ich von den billigen Preisen, die ich für verschiedene Sachen bezahlt, und fand dieselben auch diesmal noch so. Man möge aber nicht glauben, daß reisen in Ceylon billig sei, wenn man schnell reisen muß, deshalb füge ich eine Liste unserer Ausgabe bei: Post nach Colombo ^ 1 Pf.St. 10 Sh.. . .^4 Pf.St. 10 Sh. Wagen nach Anivisavella......... 4 „ — „ Ochsenkarren................ 2 „ — „ Lastträger nach Adam's Peak 12 Mann i. 5V-—6 Sh.............. 3 „ 12 „ Provisionen, Wein lc........... . 12 „ — „ Boot nach Caltura............ . 3 „ 12 „ Ausgaben in verschiedenen Rasthäusern . . 6 „ — „ Diener, Koch und diverse Trinkgelder und Geschenke................ 5 „ — „ Post nach Galle.............. 4 „ 10 „ Summa 45 Pf. St. 4SH. oder 15 Pf. St. per Kopf für eine Excursion von 12 Tagen. Wer in Ceylon reisen will, nehme sich Iago's Rath zu Herzen: „Steck' Gold in deinen Beutel, Rodrigo." VII. Kandy. Die Straße. Der Tempel von Kalany. Physiognomie der Landschaft. Ambcpusse. Verkehr. Kaffeehausircr. Der Paß von Kabuua-gawa. Kandy. Der „Pavillon". Die Stadt. Tempel der Datada. Palast der Könige. Besuch im Tempel. Die Häuptlinge. Das Sanctuarinm. Die Karandua. Elefanten und Elefantenjago. Kaffee- cultur. Au Bord des P. u. O. Comp.-Dampfers „Ganges", 27. Juli. Am 5. Juli langte die Gesandtschaft in Point de Galle an. Der Gouvernementsagent oder oberste Beamte der Provinz, Mr. Forbes, hatte seinen Haushofmeister an Bord des Dampfers gesandt, um dem Gesandten und seinem Gefolge das Queens-House oder die Residenz des Gouverneurs, wenn derselbe Galle besucht, zur Verfügung zu stellen. Der Gesandte zog es vor, sür einige Tage eine Privatwohnung in einem unfern der See gelegenen Hause zu beziehen. Der hanseatische Consul, Hr. S., stattete am nächsten Tage seinen Besuch ab und bemühte sich, den Neuangekommenen durch Heine, Weltreise. I. 9 130 seine Gastfreundschaft ober kleine Excursionen in die Umgegend, wo er eine Pflanzung besitzt, den Aufenthalt angenehm zu machen. Nach einigen Tagen der Ruhe brach die ganze Gesellschaft in zwei Wagen nach Colombo auf, um von dort einen Gesuch in Kanoy zu machen, sowie einen Elefanten-corral oder Kraal, wie manche diese Einzäunung nennen, zu sehen, der am 14. in der Nähe von Kornegalle stattfinden sollte. Ist ein Fang wilder Elefanten beabsichtigt, so schließen eine Menge Treiber die Heerde in weitem Cirkel ein, der allmählich verengert wird, und treiben sie nach einer Einzäunung aus starken Baumstämmen hin; ist es gelungen, die Heerde in diese letztere zu treiben, so werden ihnen Schlingen aus starken Seilen um die Füße befestigt und diese wieder um Bäume geschlungen. Man benutzt gezähmte Elefanten, um dies zu bewerkstelligen, die sich den wilden nähern, ihre Aufmerksamkeit von dem Jäger ablenken, der sich verstohlen nähert und die Schlinge befestigt. Die auf diese Weise machtlos gewordenen Thiere matten sich nun oft durch Schreien und Toben ab, bis zuletzt Hunger und Erschöpfung ihre Unterwerfung und endliche Zähmung vollenden helfen. Der in Rede stehende Kraal wurde von Eingeborenen unternommen, um eine Anzahl von Elefanten für buddhistische Tempel zu fangen, welche dieselben häufig bei ihren Processionen figuriren lassen. In Colombo angelangt, fand man, daß die per Telegraph von Galle bestellten Plätze in der Postkutsche nicht alle am selben Tag erhalten werden konnten; deshalb theilte 131 sich die Gesellschaft. Vier reisten am nächsten Morgen weiter, der Gesandte aber und der Rest folgten ihnen am folgenden Tage, nachdem vorher einige nöthige Besuche in Colombo abgestattet und eine kleine Spazierfahrt in die Umgegend unternommen worden war. Um 5 Uhr des Morgens, als eben die Morgenkanone im Fort abgefeuert wurde, setzte sich der leichte Wagen in Bewegung, der außer den vier Personen unserer Gesellschaft noch den Oberrichter enthielt, welcher für seine Familie eine Sommerwohnung in Nuera-Ellia suchen wollte. Ebenso wie auf dem Wege von Galle nach Colombo gleicht auch hier besonders im Anfang der Weg einer langen Häuserreihe, nur gelegentlich von einigen Feldern oder etwas Gebüsch unterbrochen. Erst später, wenn man in die Hügel gelangt, wird die Bevölkerung dünner, und Agricultur vertritt die Stelle der mannichfachen Gewerbe, welche die Eingeborenen in der Nähe der Städte betreiben. Dbschon eben erst die Dämmerung angebrochen, war dennoch die Straße bereits ziemlich belebt von Leuten, die allerhand Lebensmittel für den Bazar nach Colombo trngen. Außer Gemüsen und Früchten waren es hauptsächlich lebende junge Schweine und Geflügel, erstere mit zusammengebundenen Füßen auf eine Stange gehängt, letztere in Bündel bon je einem halben Dutzend oder so mit herabhängenden Köpfen auf die roheste, grausamste Weise transportirt, und oft durch ihr Geschrei gegen diese barbarische Behandlung protestirend. 9* 132 Unweit von Colombo in einem Gehölz liegen die Nniuen und der Tempel von Kalany, der 500 v. Chr. erbaut, 300 Jahre später erweitert ward. Nach spätern Zerstörungen ward derselbe in den I. 1240 und 1301 wieder neu hergestellt. Die Holländer unterdrückten während ihrer Herrschaft den Buddhismus, soweit in ihren Kräften stand, und im I. 1692 vertrieben sie die Priester aus diesem Tempel, den sie gleich vielen andern schlössen. Jetzt ist dieser Ort wieder ein Sammelplatz zahlreicher Pilgrime, besonders im Juli bei dem großen Fest der Pera-Hara, wo allerhand Ceremonien bei Fackelschein gefeiert werden. In dieser Gegend waren Bäume mit sehr großen Blüten in lebhaften Farben sehr häufig, die dem Charakter der Landschaft eine reiche Mannichfaltigkeit verleihen. Große Dolden oder kelchartige Formen von gelber, violetter oder rosiger Farbe sproßten üppig aus dem reichen Grün, und ein Baum trug eine Blüte ähnlich jener der Kartoffel, die sie an Größe und Lebhaftigkeit der Farbe jedoch bedeutend übertraf. Die Thalgründe sind durchgängig zu Reisfeldern benutzt, die in ihren terrassenförmigen Abtheilungen architektonische Linien in die Landschaft bringen, welche im Verein mit dem frischen Grün der jungen Halme, den dichten dunkeln Waldnngen uud den gewaltigen Felskegeln, die manchmal die Spitze der Hügel bilden, keineswegs die Lieblichkeit derselben beeinträchtigen. In Ambepusse auf halbem Wege treffen sich beide Wagen; hier wird gewöhnlich das Frühstück eingenommen, und nach einer halben Stunde setzt man die Reise fort. Die 133 Pferde auf dieser Linie übertreffen die Rosse der Galle-Colombo-Post in Schlagen, Beißen, Widerspenstigkeit und allerhand Unart noch um ein Bedeutendes. Es scheint, als ob die widerhaarigsten Gäule der ganzen Insel hier versammelt seien, und durch die Regelmäßigkeit, mit der diese Thiere mit Nasenknebcln, Stricksägen an den Vorderfüßen oder unter dem Schwanz und andern Delicatessen tractirt werden, scheinen sie es für ungehörig zu halten, sich in Bewegung zu setzen, ohne diese Behandlung angewandt zu sehen; die Kutscher selbst aber sind meist sehr unerfahren in Behandlung der Pferde und wissen sich nicht zu helfen. Auf der Straße zwischen Colombo und Kandy begegnet man einer ungewöhnlich großen Anzahl zwciräderiger Ochsenkarren, entweder Waaren, Reis oder andere Lebensbedürfnisse nach den Hügeln führend, oder Kaffee nach der Küste transportirend. Statt der kleinen schwächlichen Ochsen aus den Ebenen sieht man hier etwas größere, kräftigere, weiße Ochsen aus Indien. In gewissen Entfernungen längs der Straße sind lange Schuppen angebracht, in welchen die Wagenführer und ihr Gespann übernachten, und man gibt die Zahl der so verwendeten Fuhrwerke auf über 10000 an, was leicht begreiflich scheint, wenn man bedenkt, daß jetzt verhältmßmäßig wenig Verkehr ist, zur Zeit der Kaffeeernte aber zehnmal so viel Fracht transportirt wird als jetzt. Die Schwierigkeit und Kostspieligkeit des Transports sind schwere Lasten für den Pflanzer, der je nach Verhältniß des Weges 2 Pf. St. 10 Sh. für je 1000 — 1500 Pfd. Kaffee, in Colombo abgeliefert, zahlen muß. Oft auch sind 134 Mauren aus Malabar Besitzer solcher Fuhrwerke, und diese treiben dann gewöhnlich eine Art von Hausirhandel. Moist kaufen sie in den Niederlagen der Regierung an der Küste Salz ein, das sie gegen Kaffee, welchen viele Eingeborene in kleinen Parcellen anbauen, eintauschen, oder sie haben auch billige Baumwollstoffe, Haushaltgeräthe, Glasperlen, getrocknete Fische und andere derartige Gegenstände zu gleichem Zweck bei sich und führen so ein nie eichendes Wanderleben. Je mehr man in die Hügel kommt, desto großartiger wird die Landschaft, und der Paß von Kadunagawa, wo die Straße einen Bergrücken übersteigt und dann in das Thal hinabführt, in welchem Kandy liegt, ist eine der großartigsten Gebirgsgegenden der Insel. Nahe dem Gipfel führt der Weg durch einen künstlich ausgehöhlten Felsen, von dem eine alte Prophezeiung sagt, daß der Glanz des Königreichs Kandy ein Ende erreichen würde, wenn ein Reiter durch diesen Felsen passiren könnte. Jetzt geschieht dies beinahe täglich. Diese Straße wurde vom Kapitän Dawson während der I. 1820 — .31 angelegt, und auf der Höhe des Passes hat man dem Erbauer sowie dem Gouverneur Sir E. Barnes, unter dessen Auspicien die Arbeit ausgeführt Ward, eine Denkfaule errichtet. Acht oder neun Miles von hier passirt man den Mahawelliganga, einen bis Trin-comalie an der Ostküste führenden, leider nicht schiffbaren Fluß, auf einer schönen Brücke unweit des Dorfs Peradema, und 3 Miles weiter erreicht man Kandy, in einem lieblichen Thalkessel am Ufer eines kleinen künstlichen Sees gelegen. 135 Der Regierungsbeamte des Districts Kandy hatte die Residenz des Gouverneurs zur Wohnung der Gesandtschaft vorbereiten lassen, und so ward die ganze Gesellschaft in diesem schönen geräumigen Gebäude, inmitten geschmackvoller Promenaden gelegen, auf die angenehmste Weise untergebracht. Der Pavillon, wie das Gebäude, in welchem die Gesandtschaft einquartiert wurde, gewöhnlich genannt ist, ward von Sir E. Barnes erbaut, der im I. 1820 Gouverneur war. Unter seiner Verwaltung begann man jenes Netz von Straßen anzulegen, welches jetzt beinahe die ganze Insel bedeckt, und er hielt sich die meiste Zeit des Jahres in Kandy auf, theils der centralen Lage wegen, theils durch das angenehme, gesunde Klima angezogen. Nach einiger Zeit wurde die Eifersucht der Colombesen rege; sie petitio-nirten nach England, und die Folge davon war eine Weisung an den Gouverneur, wenigstens neun Monate des Jahres in Colombo zuzubringen. Später, als Nuera-Ellia, noch höher in den Bergen gelegen, zugänglich gemacht war, zog der Gouverneur meist vor, die ihm bleibenden drei Monate an jenem Ort zuzubringen, und so wird denn der Pavillon nur selten benutzt. Am Fuß eines Hügels gelegen und von schönen Anlagen umgeben, die in der Nähe des Hauses aus großen Gras-Plätzen, sich schlangelnden Laubengängen und zahlreichen Blumenbeeten voller Zierpflanzen bestehen, nach der Höhe des Berges aber mehr in die natürliche Vegetation über gehen, bildet dieses Gebäude einen so angenehmen Aufent- 136 Haltsort, baß einige von uns es vorzogen, nicht nach Nuera-Sllia zu gehen, sondern da zu bleiben, wo es gut war Hütten zu bauen. Von der Spitze des Hügels hinter dem Pavillon, um den sich ein Reitpfab rundet (Lady Horton's Walk genannt), hat man eine freie Uebersicht über die Stadt, an der Nordseite jenes vorerwähnten kleinen Sees gelegen. Die sich rechtwinkelig durchschneidenden Straßen theilen die Häusermasfen in regelmäßige Vierecke, von denen ein Theil mit Gärten bebeckt ist. Drei Kirchen, eine englische, eine schottische und eine katholische, sind dazwischen vertheilt, und am östlichen Ende eines ziemlich großen Platzes am Seeufer steht der große Tempel von Kandy, die Dalada, an welche sich der Palast der frühern Könige fchließt, dessen Ueberreste jetzt den obersten Regierungsbeamten zur Wohnung dienen. Der See ward gebildet, indem man das Thal durch einen starken Damm sperrte und das Wasser eines kleinen Flüßchens in dem so gebildeten Becken sammelte. Einige hundert Schritt unterhalb dieses Dammes sind die Ueberreste eines andern ähnlichen sichtbar, vom letzten König von Kanby erbaut, der sich durch die bei diesem Bau ausgeübten Bedrückungen den Haß seiner Unterthanen zuzog, welcher ihn später stürzte. Da der so gebildete See oft Miasmen und durch sie Krankheiten erzeugte, so erbante man später den neuen Damm und riß den alten ein; dadurch warb der untere Theil des Thals trocken gelegt und in Ackerland verwandelt; das Niveau des Sees aber stieg um mehrere Fuß, und es ward möglich, sein Wasser durch alle Straßen der Stadt 137 zu leiten, was zur Reinlichkeit derselben wesentlich beitrug. Ein guter Reit- und Fahrweg längs dem Ufer des Sees bietet den Kandyern eine angenehme Promenade, die sie in den kühlen Abendstunden fleißig benutzen. Hr. B., der Regierungsbeamtc des Districts, bemühte sich auf die liebenswürdigste Weise, seinen Gästen den Aufenthalt so augenehm als möglich zu machen. Die ganze Gesellschaft dinirte mehrmals in feinem Hause und verbrachte dort angenehme Stunden. Am Abend nach der Ankunft ward der Gesandte eingeladen, das Innere des Tempels der Dalada zu sehen, wo jeden Abend, halb 7 Uhr, Gebete gehalten und Opfer dargebracht werden. Dieser Tempel besteht aus einem zweistöckigen Gebäude aus Holz, Steinen und Lehm, inmitten eines von Säulengängen umgebenen Hofes erbaut. Dieser ist um 12—15 Fuß höher gelegen als der große Platz davor, und man gelangt zu demselben durch ein großes thurmartiges Thor, über eine Treppe und durch eine geräumige davor gelegene Halle. Rechts von dieser uud etwas vorspringend ist ein achteckiger thurmähnlicher Ausbau mit einem spitzen Dach und einer offenen Galerie nm das oberste Stockwerk. In diesem Gebäude befinden sich mehrere Statuen Buddha's aus Metall oder Bergkrystall, vor denen gleichfalls geopfert wird. Der Zahn Buddha's wirb im hintersten Gemach des obersten Stockwerks jenes kleinen Gebäudes (der Wihara) im innern Hofe aufbewahrt. Einige Stufen führen aus der Vorhalle zum Eingang, über welchem einige Ungeheuer, im Charakter zwifchen Bären, Drachen und Hund schwe- 138 bend, freundlich die Zähne fletschen. Vier große Elefantenzähne, in hölzerne Sockel gefaßt, stehen zu beid'en Seiten desselben. Durch die Thür gelangt man in einen kleinen Raum und über eine enge Treppe in der rechten Ecke in das obere Stockwerk. Dieses enthält zwei Räume, durch eine Thür aus vergoldetem Silber voneinander getrennt, und hinter dieser liegt das Allerheiligstc. An diesen Tempel stößt der alte Palast der Könige von Kandy. Der Eingang zu diesem liegt in einer Verlängerung der Hauptfronte des Tempels, etwa Z0() Schritt nördlich von dem thurmartigen Ausbau. In frühern Zeiten erstreckte sich ein mit Wasser gefüllter, 20 Fuß breiter Graben vor dem Tempel und dem Palast; jetzt ist nur noch das Stück zwischen dem achteckigen Thurm und dem Eingang zu letzterm übrig, der Rest mit Erde ausgefüllt. Die hölzerne Galerie, welche Tempel und Palast verband, besteht jetzt nicht mehr; eine einzige große steinerne Halle mit einigen daranstoßenden Gemächern ist alles, was auf dieser Seite übrig blieb. Eine Veranda, auf steinernen Säulen ruhend, erreicht man von der Straße ans auf einer von zwei Treppen, die rechts und links davon den Aufgang bilden. Von diesem Punkt aus, der auf der Achse des Winkels zwischen zwei sich kreuzenden Straßen liegt, pflegte der König bei festlichen Gelegenheiten den Processionen oder Elefantentämpfen, die hier abgehalten wurden, zuzusehen. Hinter dieser Veranda führen mehrere Stufeu in eine geräumige Halle, nächst deren Eingang einige Figuren angebracht sind, gleich den heutigen Singhalese» mit cinem 139 Schurz um die Lenden bekleidet, auf dem Haupte einen wunderlichen Kopfputz, ähnlich dem, welchem man oft in den Bildwerken Aegyptens begegnet, und iu den Händen eine gewisse Art von Fliegenwedeln, die Embleme der Royalität, und hinter diesen Figuren befinden sich Abbildungen mystischer Vögel, von Hrn. B. als heilige Gänse bezeichnet, in Wirklichkeit aber mehr einem Hahn gleichend, dessen Kopf mit einem absonderlichen Kamm geziert ist. Dieser Palast ward im I. 1ttO0 von Wimala Dharma erbaut, und der holländische Admiral Spilberg, der Kandy im I. 1tt02 besuchte, meldet, daß sich der König beim Bau der portugiesischen Gefangenen, die er gemacht, als Werkleute bediente. Die an diese großen Hallen stoßenden Gebäude, wahrscheinlich aus leichtern: Material bestehend, wurden in den verschiedenen Kriegen mit den Portugiesen und Holländern, in deren Verlauf Kandy mehrmals genommen ward, zerstört, bis auf ein anderes großes Gebäude, das an die linke hintere oder nordöstliche Ecke des das Allerheiligste des Tempels umgebenden Hofes stößt. Dieses dient jetzt als Gerichtshof, nnd die rcichgeschnitzten Säulen aus dem fast unzerstörbaren Teakholz mit ihren phantastischen Capitalen uud dem ebenso verzierten Gebälk des Dachstnhls scheinen aus einer ältern Periode der Hindu-Architektur herzustammeu. Dies war die Audienzhalle der Könige, die, bei Nacht mit Wachskerzen glänzend erleuchtet, die Scharen der Höftinge aufnahm, welche kniend zwischen den Säulen an beiden Seiten Platz nahmen, während der König in einem dunkel gehaltenen anstoßenden Zimmer auf 140 seinem Throne saß, dem diejenigen, welche der Ehre eincr Audienz für würdig befunden worden, sich auf Händen und Füßen im Staube kriechend näherten. Grabmäler der Könige finden sich nicht vor; war der Leichnam des verstorbeneu Herrschers verbrannt, so trug ein Mann mit einer schwarzen Maske die Urne, welche die Asche enthielt, au das Ufer der Mahawelliganga, auf welchem er ein Canot bestieg. Auf der tiefsten Stelle angelangt, zertrümmerte er das Gefäß durch einen Schwerthieb, streute die Asche in den Strom, und sich selbst in das Wasser stürzend, tauchte er unter, um erst am andern Ufer wieder zu erscheinen und bann im Walde zu verschwinden. Das Canot schwamm den Strom hinab; die Pferde und Elefanten, welche man bei der Procession gebraucht, wurdcu im Walde in Freiheit gefetzt; die Frauen aber, welche Reis auf den Sarg gestreut hatten, wurden gleichfalls über den Strom gesandt, und es war ihnen verboten, je wieber zurückzukehren. Der Gesandte ward von Hru. B. aus seiner Wohnung nach dem Tempel geführt, wo ihn der Häuptling des Tempels, Dehigama, begleitet von drei andern Häuptlingen, Nungawele, Moladandi und Bibile, in ihrer Staatstracht, empfing. Die drei erstgenannten waren Greise, der vierte ein wohlbeleibter Mann in mittlern Jahren. Molabandi, ein würdig aussehender Alter, in einfacher weißer Kleidung, War von Geburt der vornehmste der Gesellschaft; Dehigama aber war wegen seines großen Reichthums zum Moodliar der Dalada gewählt worden und trug mit sichtlichem Stolz 141 eine große Medaille an goldener Kette, ihm von der Königin für seine Loyalität verliehen. Die Kleidung dieser Häuptlinge bestand aus dem allgemein üblichen Serrong oder Lendentuch, hier aus kostbaren dünnen Stoffen mit Gold und Seide durchwebt und in weite Falten zusammengezogen, die vorn eine Oeffnung ließen, durch welche man wahrnehmen konnte, daß die Beine in ziemlich civilisirt aussehenden weißen Musselinhosen staken, am Knöchel eng anschließend und mit Spitzen besetzt, die Füße aber waren in der ursprüngliche« Nacktheit des Naturzustandes geblieben. Ein breiter Gürtel, die untern Falten des Serrong zusammenhaltend, war mit Gold aufgestickt, eine weiße Weste, über dem Hemde getragen, hatte Knöpfe von Gold oder Edelsteinen, und ein' kurzes Jäckchen mit sehr weiten ballonartigen Aermeln, bis zum Elubogeu reichend, wie Damen sie vor 40 oder 50 Jahren in Europa trugen. Die von Dehigama und Nungawele bestanden aus Goldbrocat, der bei ersterm blau, bei letzterm von rother Seide war; Moladandi trug sich, mit Ausnahme des Gürtels, ganz in Weiß; Bibile aber hatte die seinigen augenscheinlich aus dem Hochzeitskleide einer der Großmütter des gegenwärtigen Geschlechts machen lassen, so wenigstens erschien der schwere orangengelbe Seidenstoff mit den darauf gestickten bunten Blumen, Vögeln, Schmetterlingen, Affen und anderm Ge-thier. Auf dem Kopf trug ein jeder ein wunderliches Gebäude, am besten als ein viereckiger Dreimaster zu bezeichnen, denn dasselbe schien aus einem runden Hut mit sehr breiter Krampe construirt zu few, die an vier Seiteu 142 aufwärts gebogen vier Ecken bildeten, auf sinnige Weife den vier Himmelsgegenden des Körpers entsprechend: bei den Ohren, der Nase und dem Haarzopf, von denen die alten Herren noch einige Ueberreste, sorgsam mit Haarnadeln zusammengesteckt, zeigten. Der Rand der Krampe war mit gefälteltem Band eingefaßt, auf der Spitze des Hutes hatte ein jeder ein Büschlein künstlicher Blumen und Flittergold, und eine riesige mit Spitzen besetzte Halskrause, weit über Schultern und Rücken hinabfallend, vollendete den Staat. Dehigama war etwas corpulent, gutmüthig aussehend, gleich einem „dicken freundlichen Prälaten"; Moladandi und Nungawele bewegten sich in angemessener Weise, nicht ohne einen Anstrich von Würde; Bibile aber glich einem besonders brillanten Orientalen. Er hatte an ^edem Theil seines Costüms noch einige Vervollkommnungen vorgenommen, fein Serrong war weiter, seine Halskrause länger und faltenreicher, sein Hut imposanter als der der Uebrigen, dazu hatte er sein fettes Doppelkinn glatt rasirt, seine Ohren in einen: riesenhaften Vatermörder verborgen, an jeder der Hände aber trng er ein großes Schmuckstück von der Größe eines Zweithalerstücks, aus Edelsteinen, in Gold gefaßt, bestehend und mit einem Bindfaden an dem vierten Finger fo befestigt, wie mau einen Siegelring trägt. Ein belustigendes Bild dummen Golddünkels und ungebildeter Arroganz. Diese edeln Tempelvorsteher erwarteten den Gesandten in der Vorhalle, und unter ihrer Leitung begab sich unsere Gesellschaft in das Sanctuarium. Unten im Hofe rasselten 143 drei Jungen aus Leibeskräften auf einigen Kesselpauken, wozu ein anderer eine an einem Flaschenkürbis befestigte Flöte blies, ähnlich der, welcher sich der Schlangenbeschwörer bedient. Als wir die enge Treppe hinaufgekommen waren und das Sanctuarium erreicht hatten, mifchte sich noch eine sanftere Musik in diese rauhe Weise: eine Spieluhr, von Sir E. Barnes vor geraumer Zeit dem Tempel zum Geschenk gemacht, war hinter einem Vorhang aufgestellt und versuchte jetzt mit ihren Glasglöckchcu, von denen leider einige zersprungen waren oder fehlten, in langsam gemessenem Takt „Catharine Mavournem" abzuftöten. Die Gesellschaft betrat nuu einen kleinen im hintersten Theil der Wihare gelegenen Nanm, ohne Fenster voll schwüler Atmosphäre, erfüllt mit dem Geruch vieler Blumen, die als Opfergaben auf eiuigcn Tischen lagen, vermischt mit dem Rauch einer Menge durch Kokosöl genährter Lampen. Ein mitten in diesem Gemach stehender silberner Tisch ist mit einem starken eisernen Gitter umgeben, und hinter diesem sieht man die glockenähnlich geformte Karandua oder den Schrein, welcher die heilige Reliquie, den Zahn Buddha's, enthält. Diese, aus massivem Gold gebildet und mit Ketten und Juwelen behängt, welche von Zeit zu Zeit als Opfergaben dargebracht wurden, enthält eine Anzahl anderer ähnlich geformter Glocken, eine von der andern bedeckt, die letzte aber befindet sich in einer goldenen Lotos"-blume, deren Blätter sich durch einen Mechanismus öffnen und den in ihrer Mitte ruhenden Zahn zeigen. Eine Anzahl anderer kleiner Nachbildungen der Karandua, in ver- 144 schiedene Tücher sorgfältig eingehüllt, standen auf demselben Tisch, und die Priester brachten noch verschiedene andere zum Tempeldienst gehörige goldene Gefäße herbei, von denen einige ziemlich kunstreich gearbeitet waren. Die kleinern Nachbildungen der Karandua werden bei Processionen in der Stadt herumgeführt, besonders bei Gelegenheit des großen Festes der Pcra-Hera am 25. Juli, wo sie, von Elefanten getragen, hervorragende Stellen in der Procession einnehmen. Die Dalada oder der heilige Zahn selbst ward nicht gezeigt. Diejenigen, die ihn gesehen, sagen, die Abbildung und Beschreibung desselben in Sir Emerson Tennant's Buch seien richtig. Diese stellen ihn als ein vergilbtes Stück Elfenbein dar, ungefähr zwei Zoll lang und etwas weniger als einen Zoll im Durchmesser haltend, seiner Form nach eher dem Zahn eines Krokodils ähnelnd als dem eines Menschen. Die Reliquie, welche man heute hier anbetet, ist ein Fabrikat späterer Zeiten; der Zahn, den man früher als solchen betrachtete, wurde im I. 1500 durch die Portugiesen zerstört. Don Constantin de Braganza hatte denselben erbeutet, und sobald dies bekannt ward, sandte der damalige König von Pegu Botschafter an ihn und bot b> beutende Schätze sowie allerhand wichtige Dienste an, wenn man ihm das Heiligthmn überlassen wollte. Die Cavaliere waren nicht abgeneigt, ihre geleerten Börsen auf fo leichte Weise wieder zu füllen, allein der Bischof von Goa widersetzte sich diesem Plan und brachte es dahin, baß er den Zahn öffentlich in einem Mörser zerstampfen, die Ueber- 145 reste verbrennen und die Asche in das Meer werfen tonnte. Der Bischof erntete damals den vollsten Beifall semer fanatischen Landsleute für diesen Angriff auf den Götzendienst; allein nach Ablauf einiger Jahre war die ganze Verehrung des Zahns wieder im vollsten Gange, der jetzt in drei Exemplaren in Ceylon und in Pegu auftauchte, in einer Weise, die zeigte, wie stark einerseits dcr Glaube der Verehrer Buddha's ist, auf der andern beweist, mit welcher Leichtigkeit sich die buddhistischen Priester aus Schwierigkeiten zu helfen wissen. De Conto erzählt uns die Geschichte der Wiederanffindung der Reliquie auf folgende Weise: Dem ätömg von Pegu war von seinem Astrologen angezeigt worden, daß er eine singhalesische Prinzessin heirathen müsse, und zu diesem Zweck sandte er Botschafter nach Ceylon. Der damalige König der westlichen Provinzen, Don Juan Dharma Pala, war unglücklicherweise kinderlos; allein sein Kämmerer, der gleichfalls von königlichem Blute war, wußte seine eigeue Tochter als Braut zu substituiren, uud es gelang ihm, die Gesandten von Pegu zu überreden, daß es ihm geglückt sei, die heilige Dalada bei Seite zu schaffen, indem er einen nachgemachten Zahn unterschob, der von den Christen zerstört worden sei. Der Plan gelang; die Braut ward mit hohen Chren empfangen, uud einer der Gesandten brachte die Reliquie nach Arracan. Als der König von Kandy, Wikrama Bahu, von diesem Vorfall Kenntniß erhielt, suchte er dem König von Pegu die Augen über den Betrug zu öffnen, den sein Hein«, Weltreise. I. 10 146 Vetter aus Eotta gegen ihn ausgeübt, und bot ihm seine eigene Tochter zur Frau au, der er als Mitgift den wirk--lichen heiligen Zahn mitgeben wollte; denn sowol der von den Portugiesen zerstörte, wie auch der kürzlich aus Colombo ihm gesandte seien Nachahmungen des echten, der sich in seinen Händen befinde. Der König von Pegu wollte nicht zugeben, daß er der Angeführte sei, und, wie Faria y Souza meldet, „er lieh sein Ohr den Gesandten, doch nicht ihrer Botschaft. Hätte Don Konstantin de Braganza den Zahn vertauft, wie ihm angerathell worden, so hätten später nicht zwei existiren können, welche so viele Leute anbeteten." Dieser Vorfall, sehr ausführlich erzählt, wird von vielen Zeitgenossen genügend beglaubigt, um annehmen zu können, daß die gegenwärtige Reliquie das Machwerk Witrama Bahu's ist und aus dem Jahre 1506 datirt. Wenn bei Gelegenheit der Pera-Hera der Zahn dem Volke gezeigt wird, so geschieht dies unter dem Haupteingang des Tempels, wohin die ihn enthaltende Lotosblume unter einer Glasglocke vom Oberpriester getragen wird. Die kleine Nachbildung der Karandua wird, von einem Elefanten getragen, in Procefsion umhergeführt, enthält aber nur einige Knochen Buddha's, von denen nach seiner Verbrennung W Scheffel aus der Afche aufgelesen und als Reliquien an die verschiedeneu Tempel seiner Anhänger vertheil^ wurden. Die Hoffnungen, den Kraal zu sehen, wurden in Kandy sehr unverhofft zu Wasser; nach kürzlich von Kornegalle eingetroffenen Nachrichten war eine Heerde von 17 Elefanten 147 durch die Treiber gebrochen, und obschon man sie von neuem umzingelt hatte, so mußte nothwendig viel Zeit verstreichen, ehe sie wieder in die Nahe des Kraals getrieben werden konnten. Nichtsdestoweniger beschlossen drei Herren der Gesellschaft, der jüngere Graf E., Hr. v. B. und Dr. L., nach Kornegalle zu reiten, um vielleicht die Elefanten im Walde zu sehen. Dies konnte allerdings möglich sein, wenn auch anzunehmen war, daß, nachdem die Thiere schon feit mehrern Wochen beunruhigt worden, dieselben nicht leicht jemand heranlassen würden; jedenfalls aber war es gänzlich uumöglich, dieselben zu schießen, außer im Falle äußerster Nothwehr. Ich überlegte, ob ich mit von der Partie sein sollte oder nicht, uud da ich etwas Zeit brauchte, um einige sehr interessante Sachen in Kandh zu skizzireu, darunter die Porträts der Häuptlinge, die Partie einen mehrtägigen anstrengenden Nitt in der Sonnenhitze, ohne Aequivalent von Iagdabenteueru, versprach, so beschloß ich, in Kandy zurückzubleiben. Es ist nicht zu leugnen, daß der angenehme Aufenthaltsort und die gastfrcuudliche Aufnahme einen gewissen Einfluß auf diefeu Entschluß ausübteu, allem eine wesentliche Peränderung meiner Ideen über Elefantenjagden war durch eine nähere Bekanntschaft mit diefeu Thieren vorangegangen, die ich mehrmals bei der Arbeit beobachtet hatte. Ihre Beschäftiguug bestand entweder im Hlufthürmen von Zimmerholz, oder sie hatten beim Bau von Straßen große Steine beifeite zu fchaffen und für die Arbeiter zurecht zu legen. Hier zeigt sich nun die Intelligenz und das Denk- 10* 148 vermögen dieser Thiere auf eine ganz andere Weise, als wenn sie in der Thierbude mit dem Hammer klopfen, Flaschen entstöpseln nnd austrinten oder Silbergroschen vom Boden aufheben. Jeder Stamm, jeder Stein ist in Form und Größe von dem andern verschieden nnd erfordert eine gewisse Nnwendung von Urtheils kraft, um von einem gegebenen Ort nach dem andern auf die beste und schnellste Weise gebracht zn werden. Es ist dann ein wahres Vergnügen, wie die klngen Thiere den Stamm oder Stein erst von der einen, dann von der andern Seite betrachten, um zu entdecken, wo derselbe am besten anzufassen sei, ihn dann mit dem Rüssel fassen, oder ihre langen Zähne, wenn sie dergleichen haben, darunter schieben, bis sie ihn gepackt; dann denselben anscheinend ohne Anstrengung an den Bestimmungsort tragen und dort genan auf der bezeichneten Stelle niederlegen. Oder wenn sie beim Aufführen von Mauerwerken aus großen Steinblöcken helfen, mit dem Rüssel den Stein befühlen, wie er liegt, dann Knie oder Stirn daranstemmen, um ihn zur Seite zn schieben, und manchmal den Rüssel dabei unterlegen, theils um als Polster zu dienen, theils um durch Ziehen mit demselben die Richtung zu dirigiren. Zieht man in Betracht, daß diese Thiere eben nur durch die Stimme nnd die Zeichen ihrer Mahouts oder Wärter dirigirt nnd nie gezwungen oder gestraft werden können, sondern alles das verrichten, weil es ihnen vielleicht ein angenehmer Zeitvertreib scheint, — denn wer wollte sie an der Flucht verhindern? — so macht schließlich der Elefant den Eindruck eines Hausthieres 149 und Gefährten des Menschen, den zu schießen ähnlich einer Jagd auf wilde Pferde sein würde; obschon größer und stärker als jenes, ist der Elefant dennoch eher schüchtern als gefährlich, greift den Jäger, selbst wenn von ihm verwundet, nur selten an und gewährt, wenn getödtet, nicht den geringsten Nutzen. Weder Haut, noch Fleisch, noch Knochen können zn irgcndetwas verwandt werden, außer wenn sich einmal ein Jäger der Seltenheit dcr Sache wegen ein Stück Nüssel oder etwas von dem Fuß bratet. Die Eingeborenen essen kein Fleisch, und so verfault das arme Thier, die ganze Umgegend verpestend, sodaß, wenn es zufällig in der Mhe eines Dorfes getödtet worden, man noch die Mühe hat, es begraben ;u lassen. Zähne haben in Ceylon selbst die männlichen Elefanten nnr selten, sodaß selbst kein Gewinn von Elfenbein aus solch einem Mord erwüchse; denn die sogenannten „Tushs" sind von l> — 10 Zoll lang uud vou I.—I Vs Zoll breit und geben kein gutes Elfenbein. Hört man nnn überdies noch fortwährend von Personen, die 100, 200, l>00 oder sogar über 10W Elefanten mit eigener Hand getödtet haben, so schwindet der Respect, den man vor solchem anscheinend sehr gefährlichen Unternehmen hat. Wahrscheinlich ist es hierbei wie bei allen andern Sachen: l^6 n's»^ qu6 is premier M8 ^ui coüte. Hat man sich erst mit dem Gedanken vertraut gewacht, daß ein so großes, gewaltiges Thier durch einen rin;igen Schnß getödtet werden kann, fo verschwindet auch wol das Äockfieber, das ein Anfänger vielleicht empfindet. Hr. B.pt, der Regierungsbeamte, selbst ein eifriger Elefanten^ 150 jäger, der sich bereits im dritten Hundert befindet, versichert, daß für einen einzelnen entschlossenen und vor allen Dingen ruhigen, mit Ueberlegung handelnden Schützen nicht die geringste Gefahr vorhanden sei, und daß manchmal vorkommende Ungelegenheiten meist durch unerfahrene Neulinge herbeigeführt werden, die durch ihre Hast sich selbst oder ihren Begleitern Verlegenheiten bereiten. Hr. B.pt meinte, es sei stets rathsamer, allein auf die Jagd zu gehen, denn wenn mehrere Jäger- die Elefanten von verschiedenen Seiten drängten, käme es wol manchmal vor, daß in ihrer Hast, zn entkommen, sie einen Jäger über den Haufen liefen oder, indem sie in ihrer wilden Flucht Gebüsch und junge Bäume uiederrenuen, ein stürmender Banmstamm Schaden anrichtete. Die Schnelligkeit, mit der diese Thiere dann laufen, sodaß sie einen Mann ;u Pferd oder zu Fuß leicht überholen, und die Leichtigkeit, mit der sie selbst steile Abhänge hinaufklettern, ist ganz unglaublich. In der Nähe von Kandy sah ich zwei Elefanten nach beendigter Arbeit im Fluß badeu und gleich darauf die hohen steilen lehmigen Ufer, die ein Pferd unter gewöhnlichen Umständen gezögert haben würde, hinaufzugehen, mit der größten Leichtigkeit und Schnelligkeit ersteigen. Sobald sie das Terrain etwas mit dem Rüssel befühlt und sich von der Festigkeit desselben überzeugt hatten, kletterten sie daran hinauf wie geübte Turner, ohne auch nur einen Augenblick stehen zu bleiben. Sir Emerson Tennant erwähnt in seinem vortrefflichen Buche, daß er auf der letzteu Spitze von Adam's Peak, der schon für Menschen schwierig genug zu ersteigen ist, die 151 frische Spur eines Elefanten gefunden. Der vortreffliche in diesem Buch enthaltene Aufsatz über Elefanten behandelt die Naturgeschichte derselben aufs umfassendste. Eine zweite Gesellschaft, bestehend aus dem Gesandten, Hrn. B., dem Maler, und Hrn. v. N., dem Geologen, hatte beschlossen, die Berge von Nnera-Ellia zu besuchen, und dieser Ausflug würde mehr Anziehungskraft für mich gehabt haben, hätte nicht die Besteigung von Adam's Peak gelehrt, was eine Bergpartie während der Regenzeit zu bedeuten hat, wo die schöue, großartige Landschaft in dichte Nebel-wölken gehüllt ist. Auch viele große Kaffeeplantagen lagen in jener Richtung, die ich gern gesehen hätte, doch konnte ich später in der Umgegend von Kandy sowie auf der Straße nach Gampola und in der Nähe des Kaduganawa-passes mir noch genug Auskunft über diesen Punkt verschaffen. Die Kaffeecultur, jetzt bereits eine erhebliche Quelle des Wohlstands der Colonie, ist erst seit verhältnißmäßig kurzer Zeit in großartigem Maßstabe betrieben worden; in der That begann Sir E. Barnes erst im I. 1825 die erste Plantage im Hochlande, und es dauerte uoch geraume Zeit, bis sich die Zahl derselben vermehrte. Die Holländer führten im I. 1690 die Kaffeepflanze in Batavia ein, und begannen ungefähr um dieselbe Zeit die Cultur derselben in Ceylon; doch waren sie durch die Verhältnisse gezwungen, sich auf die Districte in der Nähe von Negombo, Colombo und Galle zu beschränken, welche sich nicht gut dazu eigneten. Da überdies die Eingeborenen den Anbau dieses 152 neuen Products nicht sehr begünstigten, so fand man, daß eine Concurrenz mit Java, wo der Versuch außerordentlich glücklich ausgeschlagcn, nicht möglich war, und stand vom I. 17.39 an von allen großartigen Versuchen ab. Einige Singhalese« hatten eine kleine Anzahl Sträucher um ihre Hütten gepflanzt, und brauchten entweder die Blätter als Zusatz zu ihren Curries, oder verkauften auch die Bohnen in kleinen Quantitäten an die Mauren, welche sie damals, wie noch jetzt, im Kleinhandel gegen die gewöhnlichsten Lebensbedürfnisse vertauschten. Als die Engländer im I. 1815 Kandh besetzten, fanden sie große mit Kaffee bepflanzte Gärten an den Ufern der Mahawelliganga und in der Nähe des königlichen Palastes von Hangunan-Kctti. Sir E. Barnes, der während seiner Verwaltung den Grundstein zum spätern Wohlstand der Colonie legte, richtete bald feine Aufmerksamkeit auch auf diesen Gegenstand, und ward selbst der erste Pflanzer der Insel durch Begrün^ bung einer Kaffeeplantage auf seinem Landgut Gangaroowa in der Nähe von Peradenia. Sehr begünstigt ward er in seinen Bestrebungen durch die im I. 1825 in England auf die Hälfte herabgesetzten Einfuhrtaxen für Kaffee und den dadurch vermehrten Gebrauch desselben, nicht nur in England, sondern durch ganz Europa, wo der Geuuß von Kaffee bald ein tägliches Bedürfniß selbst der ärmsten Klassen ward. Dazu kamen die Schwierigkeiten, in welche sich die Pflanzer von Jamaica, Dominica und Guiana durch die plötzliche Emancipation ihrer Sklaven versetzt sahen, und die Producte jener Colonien jetzt zu einer Zeit 153 abnahmen, wo ihnen ein immer gefährlicherer Rival am europäischen Markt entstand. Das Beispiel des Gouverneurs fand bald Nachahmung, und als hauptsächlich auf Veranlassung Sir E. Barnes' die Regierung Englands im I. 1835 die Zölle für ostindi-fchen Kaffee den für den westindischen geltenden gleichstellte, empfing dieser Erwerbszweig einen neuen Impuls. Schon im nächsten Jahre wurden 4000 Acker Wald gelichtet und bepflanzt, und bald erstiegen die zu solchen Zwecken augekauften Staatsländereien den Getrag von 40000 Ackern im Jahr. Die Hügel in der Umgebung von Kandy, die großen Thäler von Doombera, Ambogamma, Kotmalic und Pusilawa wurden bald mit Kaffecplantagen bedeckt, und selbst die Umgegend von Nuera-Ellia, Badulla, Oovah bis hinab nach Ratnapoora wurde zu gleichen Zwecken explorirt. Alle Welt speculirte in Kaffceland; viele verließen ihre Geschäfte in Galle und Colombo, um durch das ^and zu ziehen, nach vortheilhaften Ländereicn zu suchen und inmitten der Dschungel oder des Urwaldes ein Pionnierleben zu führen. Kapitalisten erschienen ans Europa, um Gelder in diesen so große Vortheile versprechenden Unternehmen anzulegen. Die Mehrzahl der Regierungsbeamten spcculirte in Kaffeeland oder legte selbst Plantagen an, worin sie von oben herab sehr aufgemuntert wurden, da man daraus einen blühenden Wohlstand der Colonie cmporsprießen sah, und es wird versichert, daß während der Jahre 1840 — 45 die Summe von 5' Millionen Pf. St. auf diese Weise in Ceylon angelegt worden sei. 154 Nie aber alle derartigen Unternehmungen früher oder später Ueberspeculationen und diese eine Krisis herbeiführen, so blieb dies auch hier nicht aus. Die finanziellen Umwälzungen, welche England im I. 1845 erlitt, übten auch auf Ceylon einen Rückschlag aus. Gelder trafen spärlicher ein, die Preise fielen, der Credit gerieth ins Stocken, und nm das Unglück vollkommen zu macheu, beraubte eine neue Veränderung der Kaffeezölle in England die einheimischen Colonien des Schutzes gegen ihre Rivalen in Java und Brasilien. Dazu kam noch ein anderer Uebelstand; manche der Personen, welche beschlossen hatten, Kapitalien in Kaffeepflanzungen anzulegen, fanden es vortheilhafter, ihre Gelder gegen hohe Procente auszuleihen und erste Hypotheken auf Kaffeeftlantagen zu nehmen. Als die große Krisis hereinbrach, fing ihnen au bange zu werden; sie drängten auf Zahlung und beschleunigten einen Sturz, der sonst vielleicht wenig unheilbringend geworden wäre. Andere hatten vielleicht von Anbeginn nur darauf gedacht, sich in Besitz einer guten Plantage zu setzen, ohne sich die Mühe zu machen, sie selbst anzulegen, und benutzten jetzt die Gelegenheit, dieselbe in ihre Hände zu bringen; denn es gibt auch Haifische auf dem festeu Laude. Die Furcht stieg dadurch auf den höchsten Grad, alles Vertrauen verschwand, viele glaubten sich in einer viel schlimmern Lage, als sie wirklich waren, schlugen ihr Vesitzthum mit großem Verlust los, und so entstand ein Zustand, welcher der uuter so günstigen Auspicien begonnenen Unternehmung gänzliches Verderben drohte. 155 Die Zeit verwischte allmählich die Folgen dieser Krisis, Vorsicht und auf Erfahrung gegründete ruhige planmäßige Arbeit trat an die Stelle extravaganter Speculation, und die Kaffeccultur befindet sich heute in einen: befriedigenden Zustande, den einen ein gutes genügendes Einkommen sichernd, für manche sogar den Weg zum Reichthum bildend. Es sind jedoch noch mancherlei Schwierigkeiten übrig, mit denen der Pflanzer zu kämpfen hat. Ohne ein ziemlich beträchtliches Kapital ist es nicht räthlich, eine Pflanzung zu beginnen. Hat dieselbe zu geringen Umfang, so macht sich die Arbeit weniger gut bezahlt; will man mit wenig Kapital eine große Pflanzung anlegen, fo läuft man Gefahr, entweder im entscheidenden Angcnblick sich von Mitteln entblößt zn finden, oder sich genöthigt zu sehen, dieselben mit großen Opfern zu erkaufen und schließlich das bereits erworbene Besitzthum zu verlieren. Die Wahl des Terrains ist gleichfalls schwierig, und obschon gewisse Anzeichen daranf hindeuten, ob sich der Boden zur Kaffeecultur eignet oder uicht, so kann ein entscheidendes Urtheil erst gebildet werden, wenn die Bäume anfangen zu trageu, das Kapital also schou im Boden steckt. Ein mislicher Umstand wird es ferner stets für den Pflanzer bleiben, seine Arbeit von dem Eintreffen der Emigranten von der Küste von Malabar abhängig zu sehen; denn die eingeborenen Singhalese« lassen sich höchstens dazu bewegen, den Urwald auszuroden, wollen aber nicht beim Betrieb der Plantage als Tagelöhner dienen. Außerdem drohen der Pflanzung noch manche Gefahren. Heftige Winde entwurzeln oder beschädl- 156 gen manchmal die Pflanzen, oder schütteln die noch nicht gänzlich reifen Beeren ab; Eichhörnchen, Affen, wilde Katzen zerstören die Frucht; Raupen und Insecten, besonders aber wird die Larve eines Insects, der Kaffeekäfer (^.eoemium ^osskk) genannt, den Blättern sehr schädlich, oder Golunda-ratten überziehen in ganzen Schwärmen oft die Pflanzungen, wo sie dann die Knospen und Blüten abnagen. Große Trockenheit bringt gleichfalls manchmal der Ernte Verderben; denn obschon die Kaffeepflanze stets nnd zu allen Zeiten bereit ist, Blüten und Früchte anzusetzen, so kann doch ungewöhnliche Trockenheit die Ausbildung derselben zu lange verzögern, und entwickelt endlich spät eingetretener Regen dieselben, so werden die Beeren meist klein, weniger zahlreich und die Ernte eine spärliche. Ebenso ist es schwierig und oft kostspielig, den nöthigen Dünger, den die Kaffeepflanze in reichlichem Maße braucht, zu erlangen. Manche Pflanzer halten nur zu diesem Zweck beträchtliche Vieh-heerden, von denen sie außer diesem nur geringen Nutzen haben. Andere kaufen zu theuern Preifen Guano, oder bedienen sich der ebenfalls nicht billigen Kuchen, aus denen das Kokosöl gepreßt worden ist. Gewisfe Sorten von Unkraut drohen den Pflanzungen gleichfalls oft Verderben, so-daß viele Sorgfalt und kostspielige Arbeit nöthig ist, um dieselben rein zu halten. Sind alle diese Schwierigkeiten glücklich überwunden, und ist die Ernte glücklich eingebracht, so bietet die kostspielige, schwierige Transportation dem Pflanzer noch ein letztes erhebliches Hinderniß. Man beschäftigt sich damit, 157 diesem Uebel, durch den Bau einer Eisenbahn abzuhelfen. Eine Compagnie ward zu diesem Zweck gebildet, Vermessungen und Abschätzungen vorgenommen, anch ein Stück Bahn gebaut; seitdem scheinen jedoch Befürchtungen wach geworden zu sein, daß die Anschlagssmmne von ^ Millionen Pf. St. nicht genügen würde, die Bahn zu vollenden; eine größere Summe in der Kolonie aufzutreiben, scheint nicht für möglich erachtet zn werden, und die Aussichten auf die Einträglichkeit des Unternehmens nicht glänzend genug, um fremdes Kapital herbeizulocken. So ward das Eisenbahnproject zum Gegenstand eines Streits zwischen dem Gouverneur und dem Rath der Eolonie und bleibt, wie manches andere, eine schwebende Frage. Bei Anlage von Plantagen wird besonders darauf gesehen, daß das Land den kältern und heftigern nördlichen und nordöstlichen Winden nicht zu sehr ausgesetzt sei; man wählt vorzugsweise die etwas steilen Seiten der Hügel, die gewöhnlich etwas mehr Feuchtigkeit enthalten, sieht aber dabei auch darauf, daß Felsen und große Steinbrocken nicht gänzlich mangeln, um die Erde nicht dnrch heftige Regengüsse fortschwemmen zu lassen. Kalkartige Substanzen, im Boden vorkommend, sollen die Formirung vieler großen und guten Beeren begünstigen; stets aber sieht man darauf, daß ein dichter, hochstämmiger Wald die Stelle vorher bedeckt hat, dies theils als Zeichen eines guten Bodens betrachtend, theils um der aus den verbrannten Stämmen gewonnenen Asche willen, die wenigstens für den Anfang ein gutes Düngmittel abgibt. Ist es möglich, ein fließendes 158 Wasser auf den höchsten Punkt der Pflanzung zu leiten, so gewährt dies den größten Vortheil, theils der Bewässerung wegen, theils um die Beeren zu transportiren. Längs den Hügeln und nach uuten führend sind Blechröhren von 4— 6 Zoll Durchmesser gelegt; in diese wird ein mäßiger Lauf Nasser geleitet und die Beeren in kleinen Quantitäten geworfen, wo sie dann weiter rollen und unten in einem Behälter aufgefangen werden. Später werden sie getrocknet und von der äußern Hülle befreit, die feine innere jedoch beim Transport darauf gelassen, und erst am Bestimmungsort angelangt, wird dieselbe vor der Einschiffung entfernt. Glaubwürdige Personen nehmen die Summe von 6000 Pf. St. als genügend an. eine Pflanzung von etwa 1500 Ackern zu begründen und in Stand zu halten. Besitzt der Eigenthümer die gehörige Umsicht und Erfahrung und leitet seine Angelegenheiten selbst, so kann er, wie man mehrfach angab, unter gewöhnlichen Umständen darauf rechnen, etwa 25 Procent von seinem Kapital zu erlangen; allein es gibt auch andere, die durch Auslage eines bedeutenden Kapitals, Aufstellung guter Maschinen und Einführung eines künstlichen Bewässerungssystems sich fast stets einer ergiebigen Ernte und noch größerer Interessen versichert haben. VIII. Geschichtliche Rückblicke. Nach Singapore. ^'opez Soarez de Albergaria in Colombo 1517. Erster Krieg mit den Kandyern 1520. Wimola Dharma. Tod des Don Juan Dhar-mapola 1597. Jaffna erobert 1617. Die Holländer in Batticaloa 1602. Die Dänen in Cottiar 1620. Die Holländer erobern Colombo 1656. Erobern Kandy 1766. Die Holländer übergeben die Insel an die Engländer 17l)6. Aufstand der Eingeborenen 1797. Desgleichen 1803. Einnahme von Kandy 1815. Letzter Revolutionsversuch 1817. Abschied von Ceylon. Der Dampfer „Ganges". Pulo Penang. Die Straßen von Malakka. Arcona und Thetis. Der Raja von Iohore. Chinesische Theater. Sr. Majestät Dampfcorvette „Arcona", 16. Aug. 1860. Der Inhalt der Briefe über Ceylon behandelt meist tägliche Erlebnisse oder solche Gegenstände, wie sie dem Neisenden an der Wegseite in die Augen fallen; ich kann Mir nicht versagen, einige weitere Bemerkungen über eine Colonie zu machen, die als seltenes Beispiel dasteht, nicht nur alle Verwaltung«- und Erhaltungskosten ohne Hülfe vom Mutterland bestreitet, sondern alljährlich einen Ueber- 160 schuß in den öffentlichen Schatz niederlegt, der zu gemeinnützigen Zwecken verwandt wird. Ebenso bietet Ceylon ein merkwürdiges Beispiel, wie weit eine mit Umsicht, Energie und Discretion ausgeübte Bormundschaft einer christlichen Nation die Vornrtheile der Eingeborenen besiegen kann. Um diesen Fall vollständig zu erklären uud zu belegen, scheint es nöthig, zu jener Periode zurückzukehren, wo die ersten Europäer, die Portugiesen, in Ceylon erschienen; denn manches jetzt bestehende Gute hat seinen Ursprung aus jener Epoche, während manche noch heute bestehende Uebelstände in Misgriffen ihren Ursprung haben, die zu jener Zeit gemacht wurden. Vasco de Gama besuchte Calcut (in der Präsidentschaft Madras) zum ersten mal im I. 1498, und Lorenzo de Al-meyda kam 1505 nach Galle; doch erst im I. 1517 dachte ^opez Soarez, der dritte Bicekönig von Indien, daran, einen Handelsposten in Colombo zu gründen. Um jene Zeit waren alle Seehäfen im Besitz der Mauren, der nördliche Theil der Insel befand sich in den Händen der Malabaren, deren Hauptstadt Iaffnapatam war; das Innere aber, oder das sogenannte Wanny, zerfiel in eine Anzahl von Clans, jeder von einem Wanniya oder Häuptling beherrscht, der sich zwar selbst einen Basallen nannte, allein in der That ein ziemlich unabhängiges Regiment führte. Die Herrschaft der Portugiesen in Indien breitete sich durch die Eroberung von Ormuz, die Befestigung von Goa, vieler Plätze in Malabar und die Besitzergreifung der Gewürzländer von Malakka fo aus, daß der Besitz Ceylons, in der Mitte 161 dieser verschiedenen Punkte gelegen, von großer Wichtigkeit für sie ward. Lopez Soarez de Albergaria erschien im I. 1517 mit einer Flotte von 17 Fahrzeugen, die 7M Soldaten an Bord hatten, vor Colombo und bewog nach einiger Zeit den siughalcsischcn König, sich als einen Vasallen der Krone Portugal anzuerkennen. Bei seiner Abreise ließ er Juan de Silveira als Gouverneur der neuen Kolonie zurück. Es scheint, daß die Portugiesen nicht verstanden, die Sympathien der Eingeborenen zu gewinnen, denn schon im I. 1520 brach ein Krieg ans, der so lange währte, als die Portugiesen Besitz von den Küstenländern hatten, und der allmählich alle Einkünfte der indischen Besitzungen sowie einen großen Theil der Kräfte des Mutterlandes aufzehrte. Es waren besonders die Bewohner des Districts von Kandy ulld der umliegenden Hügel, welche zuerst einen organisirten Widerstand gegen die Fremden leisteten; denn gleich den meisten Bergvölkern hatten sie den kräftigen unabhängigen Geist ihrer Vorväter bewahrt und bereiteten sich jM vor, die Eindringlinge, deren Anmaßung, mit Hinterlist gepaart, ihnen täglich unerträglicher erschien, zurückzuschlagen. Ihr erster Führer in diesem Kampfe war Maaya Duunai, der jüngste Sohn von Wijaya Bahu VII., ein Enkel jenes Fürsten, der deu Portugiesen erlaubt hatte, sich in Colombo niederzulassen. Empört über die demüthigeude Politik seines Vaters, der ihn und feinen Bruder von der Thronfolge ausschließen wollte zu Gunsten seiner Kinder aus zweiter Ehe, ließ er den König ermorden und setzte den Thronerben Heine, Weltteis«. I. 11 162 Bhuwaneka Bahu VII. an die Spitze der Regierung, für sich selbst die Herrschaft über die Provinz Sita-wacca vorbehaltend. Der neue Fürst entfremdete sich gleichfalls sehr bald die Sympathien seiner Landsleute, ein neuer Aufstand brach aus, während dessen der König zufällig von einem Portugiesen erschossen ward. Maaya Dnnnai setzte seinen Widerstand bis zum Tode fort; fein jüngster Sohn erbte seines Vaters Haß gegen die Fremden nebst aller Energie, sodaß er dessen Ruhm fast verdunkelte und den Namen „Raja Singha" oder „Löwenkönig" erwarb. Im I. 1586 trieb er die Portugiesen in das Fort von Colombo zurück und hielt sie daselbst bis zum Eintritt des nächsten Jahres eingeschlossen. Diese rächten sich, indem sie Schiffe entlang der Südküste schickten und dort mit der größten Grausamkeit die Ortschaften plünderten, verheerten und die Einwohner quälten oder tödteten. Die Ankunft zahlreicher Verstärkungen und ein zweiter, noch verheerenderer Raubzug bewogen Raja Singha, die Belagerung aufzugeben und sich ins Innere zurückzuziehen; er überlebte diesen Schlag nur einige Jahre und starb im I. 1592 in Sita-wacca hochbejahrt. Die Portugiesen, um die Aufmerksamkeit der Belagerer zu theilen, entsandten einen christlichen Eingeborenen von königlichen: Blut, der in der Taufe den Namen Don Juan angenommen, mit Truppen gegen Kandy, um dort die Tochter des von Raja Singha vertriebenen Königs, Donna Catarina, auf den Thron zu setzen; da aber die Hand dieser Fürstin nicht ihm, sondern einem andern Eingeborenen, 163 Don Philipp, zugesagt worden, so ließ er seinen Neben^ buhler vergiften, erklärte den Portugiesen den Krieg und bestieg den Thron unter dem Namen Wimala Dharma, den er bis zu seinem Tode, zwölf Jahre später, behauptete. In dem nun folgenden Kriege gelaug es manchmal den Portugiesen, bis Kandy, Oovah und Saffragam vorzudringen, Ortschaften zu verheeren, das Eigenthum der Bewohner zu beschäbigen oder zu rauben, während diese selbst in Sklaverei weggeführt wurden; allein diese Erfolge waren nie von langer Daner. In der Mitte dieser Wirren starb der letzte legitime König von Ceylon, Don Juan Dharmaftala, in Colombo im Mai 1597, und vermachte seine Krone an Philipp II. von Spanien, der so rechtmäßiger Souverän des ganzen Landes wurde, mit Ausnahme von Jaffna, dessen Könige man noch nominell anerkannte, und von Kandy, das dem Namen nach Donna Catarina zugehörte. Ein großer Theil der eiugeboreuen Häupter leistete jetzt den Vasalleneid, allein die Kandyer, beschützt von ihren Gebirgspässen, hielten muthig aus und brachen von Zeit zu Zeit verheerend in die Niedcrnngen. Die Portugiesen, um ihre Besitzungen zu schützeu, waren genöthigt, zwei befestigte Lager zn etabliren, das eine in Manicaoare, in den vier Corles, das andere in Saffragam und Oovah. Diese sowie 'die Forts an der Küste waren mit ^0000 Mann garni-somrt, von denen ungefähr 1000 Europäer waren. Der Handel war um jene Zeit strenges Monopol, selbst den Eingeborenen war er versagt. Die Exportartikel waren 11" 164 Zimmt, Pfeffer, Moschus, Cardamom, Sapauholz, Areca nüsse, Ebenholz, Elefanten, Elfenbein, Edelsteine nnd Perlen, sowie etwas Taback, Seide und Baumwolle; Schiffe aus Persien, Arabien, dem Rothen Meer, China, Bengalen und Europa kamen nach Colombo, um diese kostbaren Waaren nach allen Weltgegenden zn führen, und wie uns Ribeyro meldet, ward jedes Jahr aller nicht verkaufte Zimmt verbrannt, einestheils, um den Preis der Waare hoch zu halten, andcrnthcils, damit die Chalias, deren Kaste das Aufsuchen dieses Gewürzes zu betreiben hatte, nicht in ihrem Eifer nachlassen möchten. Die Abgaben wurden in Materialien bezahlt, und da fast aller Verkehr in Tauschhandel bestand, so war mit Ausnahme der Seehäfen der Gebrauch von Geld fast gänzlich unbekannt. Colombo war der Sitz der Regierung nnd des Hanpthandels, steinerne Befestigungen ersetzten die frühern Palissaden uud Erdwerte, und über 200 Kanonen vertheidigten dieselben. Kirchen, Klöster und Hospitäler errichtete man innerhalb der Mauern, und als die Holländer im I. 1656 die Stadt einnahmen, fanden sie in derselben 900 adeliche Familien, nebst 1500 Familien, deren Mitglieder in den Gerichtshöfen angestellt waren oder Handel trieben. Galle schien den Portugiesen ein natürlich gnter nnd starker Hafen und ward von ihnen benutzt, wie sie es vorgefunden; Caltura und Negombo dienten als Hauvtstationen für das Sammeln des Zimmtö, Batticaloa und Trincomali aber an der Ostküste wurden erst kurz vor Ende ihrer Herrschaft von den Portugiesen besetzt und befestigt. 165 Im I. 1617 stieß man den letzten König der Malabar-dynastie vom Thron und ergriff Besitz von Jaffna. Die Veranlassung dazu war dic Hinrichtung' von 600 Christen, bekehrt durch Missionare unter der Leitung Franciscus Taverius'. Die beiden Söhne des Königs befanden sich unter den Bekehrten, von denen der älteste hingerichtet ward, während bcr jüngste nach Goa floh. Johann III. befahl dem Vicekönig von Indien, eine „langsame, sichere, aber schreckliche Nachc" auszuüben. Dou Constantin de Braganza führte die Expedition, der Bischof von Cochin begleitete ihu, errichtete emeu Altar vor der belagerten Stadt, uud versprach allen denen, welche im Kampfe sterben wollten, Ablaß. Der Sieg ward errungen, doch theuer erkauft; unter der Beute befand sich die Dalada oder der heilige Zahu Buddha's, iu Gold gefaßt, der in einem der Tempel aufbewahrt ward. Wie bereits erwähut, wollte der König von Pegu die Reliquie um hohes Wscgcld zurückkaufen; die Hidalgos, iu deren Börsen tiefe Ebbe eingetreten, suchten den Vicekönig zu bestimmen, das Anerbieten anzunehmen; allein der Erzbischof Don Gaspar trug den Sieg über sie davon, zerstörte die heidnische Reliquie, und obschon alle seinen frommen Eifer lobten, hatte der edle Prälat dennoch bald darauf den Kummer, statt des einen Zahnes iu verschiedeueu Plätzen zwei andere verehrt zu sehen. Dieser Sieg war einer der letzten Vortheile, den die Portugiesen iu Ceylon errangen. Ungefähr zur selben Zeit, wo Philipp II. das Königreich Portugal seinen Kronländern 166 einverleibte, erklärten die Vereinigten Niederlande ihre Unabhängigkeit, und 1595 führte Cornelins Houtmann die erste Flotte freier Kaufleute um das Cap der guten Hoffnung, der bald andere folgten. Java, die Molukkcn und China wurden befucht, und am 30. Mai 1602 ankerte der holländische Admiral Spilberg mit der Fregatte La Brebis in Batticaloa. Wimala Dharma, Donna Catarina's Gatte, war damals König von Kandy, und der Häuptliug oder König von Batticaloa, der Sache der Eingeborenen zugethan, gestattete dem Holländer, die Accreditive des Prinzen von Dramen dem König in Kandy zu übertragen, nachdem man sich vorher überzeugt, daß die Fremden nicht verkleidete Portugiesen seien, mit denen man damals noch im Kriege war. Der König empfing den Admiral mit einer Ehrenwache von 1000 Mann, ausgerüstet mit Waffen und Standarten der Portugieseu, in der Schlacht erbeutet, und gefangene Portugiesen befanden sich unter ihnen, denen man die Ohren abgeschnitten, zum Zeichen, daß sie in den Dienst des Königs getreten. Spilberg ließ von seinem Standarten-träger neben der Flagge der vereinigten Provinzen die portugiesische Flagge mit umgekehrtem Wappen zu des Köuigs Füßen legen nnb bot ihm im Namen seines Landes ein Freundschaftsbündniß an, das sogleich mit Freuden angenommen wurde. Der Admiral kehrte reich beschenkt nach Batticaloa zurück und ließ seinen Secretär und zwei Musiker beim König. Im I. 1603 verließ Sibalt de Weert mit drei Schiffen 167 Batticaloa, um als Alliirter Wimala Dharma's gegen die Portugiesen zu kreuzen; es entspannen sich jedoch Zwistig-keiten, und bei einer Gelegenheit, wo der holländische Offizier in der Trunkenheit beleidigende Aeußerungen gegen die Königin ausstieß, ward er mit seiner Bootsmannschaft getödtet. Die niederländische Negierung nahm keine Notiz von diesem Vorfall, sondern suchte ihren Einfluß in Ceylon nach besten Kräften zu vermehren und sandte gegen das Jahr 1617 Marcellus de Bofchouwer als Gesandten mit ausgedehnten Vollmachten nach Kandy. Dieser schloß neue Verträge ab und blieb in der doppelten Eigenschaft als Mlnisterresideut und Nathgebcr des Königs zurück. Der Krieg mit den Portugiesen aber nahm oft eine so unglückliche Wendung, daß diese mehr als einmal bis wenige Stunden vor Kandy vordrangen. Die Holländer befestigten später Cottiar, das jedoch sehr bald vou deu Portugiesen zerstört ward. Die Dänen sandten auf Zureden Boschouwer's fünf Schiffe nach Ceylon, um Theil am Krieg gegen die Portugiesen zu nehmen; als sie aber 1620 in Cottiar anlangten, war Boschouwer gestorben, der König war nicht günstig für die neuen Ankömmlinge gestimmt, und sie kehrten unverrichteter Sache heim. 1622 befestigten die Holländer Trincomali, 1627 Batticaloa, und ihr Einfluß begann wieder zu steigen. Der Gouverneur von Colombo, Don Constantin de Saa y Novonna, davon beunruhigt, beschloß, einen großen Schlag gegen die Feinde seines Landes auszuführen, und marschirte im August 1630 mit 1500 Europäern, ebenso vielen Halbblut Soldaten und 168 8— 10000 eingeborenen Verbündeten in der Richtung von Badulla gegelt Kandy. In den Gebirgspässen gingen plötzlich die Eingeborenen zu den Kandyern über; der größte Theil der Portugiesen ward niedergehauen und Colombo selbst nur durch das rechtzeitige Eintreffen von Verstärkungen aus Goa vom Untergang gerettet. König Senerat starb 1632, und fein Sohn Raja Singha II. gelangte an die Negierung, unter dem die Portugiesen aus Ceylon vertrieben wurden, etwa 150 Jahre nach ihrer Ankunft. Im Mai 1638 traf Admiral Wester-wolb mit einer Flotte und Hülfstruftpen von Batavia ein; ein neuer Krieg begann und währte mit wechselndem Glück 20 Jahre, bis im October 1655 der Generaldirector Gerard Hülst ankam und am 12. Mai 1656 Colombo zur Capitulation brachte. Die Politik der Holländer, jetzt der einzigen Europäer auf Ceylon, war wesentlich verschieden von der der Portugiesen. Während diese mit fanatischer Bekehrungswuth die Lehre der Kirche Roms predigten und auf chevalereske Weise jede thatsächliche oder eingebildete Beleidigung auf der Stelle zu rächen suchten, war der Hauptzweck jener hauptsächlich, ihren Handel auszudehnen und alles zu vermeiden, was diesen beeinträchtigen konnte. Diese unwürdige Fügsamkeit zog ihnen die Verachtung des übermüthigen tyrannischen Raja Singha II. zu, der alles that, um die ihm verhaßten Fremden zu demüthigen, welche zu vertreiben es ihm an Macht fehlte. Im I. 1679 befanden sich in Kandy nicht weniger als 50 gefangene Holländer, darunter 169 fünf Gesandte nebst vielen Franzosen und Engländern. Die Holländer trugen jedoch Sorge, die Hauptplätze an der Küste wenigstens gegen einen Handstreich zu schützen, und Matura, Galle, Caltura, Colombo, Ncgombo, Chilaw und Jaffna wurden start befestigt; der Handel blühte auf seltene Weise, denn Ceylon war damals noch der einzige Ort, welcher die Welt mit Zinnnt und manchen andern kostbaren Gewürze« versorgte. Der König von Cotta hatte der sogenannten Chaliakaste aufgetragen, gegen gewifse Porrechte, die er ihr gestattete, den Zinnnt zu fammeln, den die Portugiefcn brauchten, und als diefe aus dem Lande vertrieben waren, veränderten die Holländer die bestehende Einrichtung nicht, sondern legten große Psianzungeu dieses Gewürzes in dazu geeigneten Gegenden an, unter denen sich besonders dcr Küstenstrich zwischen Caltura bis Chilaw als besonders paffend erwies; Zimmtgärtcn von ^> engl. Meilen im Umfang wurden in jener Zeit angelegt. Die Kanbyer, wohl erkennend, welchen Vortheil ihre Feinde aus dem Handel mit diesem kostbaren Gewürz zogen, suchten diese zu belästigen, indem sie die Pflanzer und Sammler der Pflanze von ihrer Arbeit zu vertreiben suchten. Die großen Kosten, welche die Erhaltung einer Armee zum Schutz der Pflanzungen verursachte, bestimmte die Holländer, dieselben in nächster Nähe der Festungen anzulegen, und um den größtmöglichen Nutzen aus diesem Monopol zu ziehen, wurde der Verkauf fclbst eines einzigen Stückes Zimmt durch andere als die Beamten der Compagnie oder die muthwillige Beschädigung einer Zimmtpflanze mit dem 170 Tode bestraft. Agricultur versuchte man zu heben, denn es war sowol umständlich als kostspielig, den zur Verpflegung der Truppen nöthigen Neis von Batavia oder der Küste von (5anara zu importiren; allein alle Nachrichten, welche uns die Holländer von der Zeit ihrer Herrschaft überlassen haben, beuten auf eine sehr engherzige, selbstische Politik. Es liegen keine Nachrichten vor, daß man irgendwelches Interesse daran genommen, den Zustand der Eingeborenen zu verbessern nnd sie ans einen höhern Standpunkt ;u erheben. Selbst die Erbauung von Kirchen scheint mehr aus der Absicht unternommen worden zu sein, um durch protestantische Prediger den Einfluß der noch verbleibenden portugiesischen Katholiken zn schwächen, und nirgends ist angedeutet, daß auch nur eine Schule für die Eingeborenen errichtet worden fei. Unter den Portugiesen war den Mauren gestattet worden, ihren Handel fortzusetzen, denn man hatte keinen Grund, zn glauben, daß sie sich mit den Eingeborenen gegen die Fremden verbinden würden; die Holländer machten diesem augenblicklich ein Ende, und nur auf die verstohleuste Weise konnte jetzt noch ein Schleichhandel mit dem Innern betrieben werden. Während des Kriegs zwischen Louis XIV. und den Vereinigten Niederlanden erschienen auch die Franzosen in Ceylon. Im I. 1672 ergriff Admiral de la Haye Besitz von Trinco-mali, konnte sich aber nur kurze Zeit halten nnd verließ bald darauf die Insel. Raja Singha starb 1687, sein Sohn und Nachfolger, Wimala Dharma II., bald darauf, und nach dem Tode 171 seines Enkels, Koondasala, 1739, erlosch die Erbfolge sing ha-lesischer Fürsten, an deren Stelle ein Prinz von Malabar, Brnoer der Königin, nntcr dm Sri Wijago Raja oder Heenguratetta trat. Zwei andere Souveräne fremden Bluts folgten, und unter ihrer Negiernng wurden stete Versuche gemacht, die Bewohner der Küstenländer aufzureizen, sich mit den Kandyern gegen die Holländer zu vereinigen; doch die Zeit der alten Kraft war vorüber, die Holländer unternahmen einen energischen Feldzug gegen Kandy, eroberten und hielten dasselbe während mehrerer Monate, und 17W schloß der Gouverneur M. Falk eineu Vertrag ab, der den Holländern ein vergrößertes Territorium und mancherlei andere Vortheile sicherte. Unter der Regierung dieses trefflichen Mannes sowie Imhoff's scheinen einige Maßregeln unternommm wordcu zu sein, die schwache Lichtblicke auf die Zeit der holländischen Oberherrschaft werfen; leider aber wurden sie durch die Herrschaft anderer minder, großherziger Männer paralysirt. Im I. 1795, wo Holland in die Hände französischer Herren gerieth, nahte sich auch das Ende seiner Oberherrschaft in Ceylon. Am I.Aug. d. I. landete eine von ^ord Hobart, Gouverneur von Madras, ausgerüstete Erpedition unter Befehl des Obersten James Stuart in Trincomalie, das nach einer Belagerung vou drei Wocheu caftitulirte; Jaffna folgte im nächsten Monat und Ealpentyn am 5. Nov. Im Anfang des I. 1796 besetzte Oberst Stnart Negombo und forderte die Garnison von Colombo auf, sich zu ergeben, was am 1U. Febr. geschah. Der Gouverneur 172 Van Angelbeck hatte vorher eine Convention abgeschlossen, der zufolge auch Ealtura, Point de Galle und Matura an die Engländer übergeben wurden, und so wurde Ceylon mit allen seinen Befestigungen und seinem Staatseigenthum ein Theil des britischen Reichs in Ostindien; Privateigenthum blieb ungeschmälert in den Händen seiner Beswcr. Die Zeit der holländischen Oberherrschaft in Ceylon war nur wenig kürzer als die der Portugiesen, ungefähr 140 Jahre. Unter allen Einrichtungen, die sie im Lande getroffen, bleibt nur das Römische Recht übrig, nach welchem noch jetzt die Gerichtshöfe Urtheile fällen; aus den Feiten der Portugiesen jedoch ist außer einer sehr starren katholischen Kirchenherrschaft bei den Eingeborenen auch eine große Vorliebe für die christlichen Namen jener Zeit geblieben, sowie die Sitte unter den Häuptlingen im südlichen Theil, sich den Titel Don beizulegen. Als Ceylon durch Eroberung ein Theil des britischen Reichs geworden, wünschten Mr. Pitt sowol als Lord Melville, diese Provinz unter der directen Aufsicht der Krone zu wissen; da jedoch Truppen der Ostindischen Compagnie im Namen derselben in diesem Feldzug verwandt worden warm, und die Directoren derselben, diesen Umstand benutzend, allen ihren Einfluß anwaudten, die Insel unter ihre Jurisdiction zu bringen, so ward die provisorische Verwaltung dem Gouverneur und dem großen Rathe von Madras übertragen und Mr. Andrews, ein Civilbeamter von Madras, in der Eigenschaft eines Gesandten zum Sufterintendanten von Ceylon ernannt. Dieser erwies sich seiner Stellung 173 nicht gewachsen. Um das Eintreiben der Steuern zu erleichtern, verpachtete er dieselben an dic Mauren Parsees und Chetties an der Küste, und die Moodliars und eingeborenen Häuptlinge, die vorher diese Angelegenheiten besorgt, wurden durch Dubaschc von Malabar ersetzt, die das Volk als Fremde und Feinde seiner Religion haßte. Infolge der Bedrückungen und des Uebermuths dieser 3eute entstand 1797 ein gefährlicher Aufstand, welcher, begünstigt von den noch in Ceylon befindlichen Holländern, eine bedenkliche Ausdehnung gewann. Innerhalb fünf Monate starben drei Militärgouverneure der Colonie, und nur mit ziemlich bedeutendem Verlust an Menschenleben ward die Ruhe wiederhergestellt. Infolge dieser Vorfälle beschloß Mr. Pitt, der Ostindischen Compagnie die Verwaltung zu entziehen. Im October 1798 landete der Hon. Frederick North, später Earl of Guilford, um feine Stelle als Gouverneur auzutreten. Obschon vom König ernannt, der auch alle Civilanstellungen seiner eigenen Controle vorbehielt, war er doch in feinen geschäftlichen Angelegenheiten unter die Leitung des Generalgouvernems von Indien gestellt, und diese Anordnung blieb in Kraft bis zum Abschluß des Friedens von Amiens, 1W2. Mr. North stieß auf allerhand Schwierigkeiten, von denen er manche mit vieler Gefchicklichkeit beseitigte; allein Manchmal waren die Mittel, die er dazu verwandte, nicht geeignet, als vollkommen über alle Kritik erhaben bezeichnet zu werden. Die Kandyer, obschon nicht offenen Krieg erklärend, behielten dennoch ihre feindliche Haltung gegen die 174 Fremden bei, und um diesen unbehaglichen Zustand zu Ende zu bringen, beschloß Mr. North, ein militärisches Protectorat, ähnlich dem in Indien, zu etabliren, und der Adigar, oder Premierminister des Königs, bot ihm dazu die Hand, um durch den Sturz seines Herrn seine eigenen Interessen zu fördern. Es ist nicht befremdlich, einen hohen Staatsbeamten zn so wenig rechtlichen Mitteln zur Erreichung seiner Zwecke greifen ^u sehen, zu einer Zeit, wo Lord Clive in Indien offen den Grundsatz aufgestellt, daß man die Hinterlist und Tücke der Indier mit gleichen Waffen bekämpfen müsse. Der Adigar verleitete den König zu verschiedenen feindseligen Maßregeln, in deren Folge General M'Donell mit 3000 Mann im Februar 1803 Kandy besetzte. Eine Garnison von 300 Europäern und 700 Malaien ward hier zurückgelassen, und das Heer kehrte nach Colombo zurück; allein schon am 24. Juni umgaben Tausende von bewaffneten Eingeborenen das Fort, nöthigten nach hartem Kampf die Garnison, unter Major Davic, sich zn ergeben, und ermordeten später alle mit Ausnahme eines einzigen. Diese blutige That war das Zeichen zu einem allgemeinen Aufstand, uud bald befand fich, mit Ansnahmc der Festungen, das ganze Land in Waffen gegen die Fremden. Der neue Krieg gegen Frankreich, der im I. 1803 ausbrach, machte es unmöglich, genügende Truppen zu einem Feldzug zu schicken, die Engländer mußten sich darauf beschränken, den schmalen Küstenstrich zu behaupten, und erst im I. 1815 wurde die zugefügte Unbill gerächt. 175 Die Grausamkeit eines neuen Königs von Kandh überstieg die aller seiner Vorgänger. Sir Emerson Tennant, dessen vortrefflichem Werke ich das Material für diese kurze historische Skizze entlehne, erzählt die unerhörtesten Beispiele, wie die Hinrichtung einer Mutter, die gezwungen ward, vor ihrem Tode die Leichen ihrer eben hingerichteten Kinder in einem Mörser zu zerstampfen, und noch leben Augenzeugen dieser entsetzlichen Scene in Kandy. Endlich, im Januar 1815, fühlten sich die Engländer stark genng, den Krieg zu beginnen, und innerhalb weniger Wochen befand sich Kandy in den Händen der Sieger, der Tyrann aber gefangen in Colombo, von wo er später nach der indischen Festung Vcllore transportirt ward und daselbst starb. Im I. 1817 brach noch ein Anfstand aus, der mit Mühe gedämpft ward. Seit jener Zeit aber hat steter Friede geherrscht, und man konnte beginnen, der weitern Entwickelung des Bandes die nöthige Aufmerksamkeit zu schenken. Im I. 1820 ward Sir E. Barnes zum Gouverneur von Ceylon ernannt, und von jener Zeit datiren sich die Meisten Einrichtungen und öffentlichen Werke, welche die Eolonie auf eine Stufe der blühendsten Entwickelung erheben. Als die Engländer im I. 1796 landeten, fanden fie nicht eine einzige Heerstraße vor; jetzt wurden Felsen gesprengt, steile Höhen umgangen oder anf leichte Weise verstiegen, Ströme überbrückt; und ehe Sir E. Barnes sem Um; niederlegte, befand sich keine bedeutende Ortschaft W der Insel, zu der man nicht auf einem guten Wege 176 gelangen konnte. Eine herrliche Straße führte bis in das Herz der Hügel von Kandh, nach Nuera-Ellia, bis zu einer Höhe von 6000 Fuß über der Meeresfläche. Die Leichtigkeit, mit der jetzt Truppen nach allen Theilen der Insel bewegt werden konnten, verhinderte in der Zukunft Aufstände auf wirksamere Weise, als vorher vereinzelte Forts in den Bergen gethan hatten. In den Reformen des Civildienstes war Sir E. Barnes gleichfalls sehr glücklich. Sklaverei und Frondienst ward abgeschafft, das Gerichtswesen mehr geregelt, Monopole unterdrückt, dem Handel die größte Freiheit und Entwickelung gestattet, Wälder gelichtet uud Berge zu Kaffeeplantagen umgeschaffen, deren Producte bald den Bedürfnissen von ganz England genügten. So erlitt der Charakter der Eingeborenen eine gänzliche Umwandelung, gesicherte friedliche Verhältnisse ennuthigten den Agricnlturisten und Handelsmann, Vermögen zu sammeln, und die Bewohner von Kandh verloren viel von ihrer wilden Scheu, als alljährlich Tausende von fleißige» Arbeitern aus Indien, in den Kaffeepftanzungen Beschäftigung findend, sich unter sie mischten. Eine andere außerordentlich wichtige Reform wurde zu der Zeit meines Aufenthalts erfolgreich durchgeführt, die Abschaffung dcr Polyandrie. Im ehemaligen Königreich Kandy herrschte der Gebrauch, daß mehrere Männer eine Frau heiratheten. Meist sind dies Brüder, die dann das Familienerbe gemeinsam übernehmen. Die Art der gewöhnlichen Heirathen und Scheidungen an der Küste sieht der Polyandrie gleichfalls sehr ähnlich. Derjenige 177 Theil des Paars, der den Grundbesitz mit sich gebracht, schließt die Ehe ab und vollzieht, wenn es ihm genehm, die Scheidung dadurch, daß er den andern Theil vor die Thür setzt. So hatte vor einiger Zeit die Tochter eines Moodliars in Natnapoora sich von ihrem sechsten Manne geschieden. Durch Beschluß des Executivcommissars sollten vom 15. Oct. d. I. ab die englischen Ehegesetzc eingeführt werden. Zur Zeit, wo ich in Kandy war, hatten die Eingeborenen sich mit dieser Reform vollständig einverstanden erklärt und wählten diejenigen Personen, welche die Registratur der Ehen vollziehen sollten. Ist es möglich, eine so tief eingewurzelte Einrichtung wie die Polyandrie in Kandy umzustoßen, so muß der Einfluß der Regierung ein sehr bedeutender sein, und es scheint, als ob die vielen öffentlichen Schulen, welche Kinder von Europäern, Eingeborenen und Halbblutleuten gemeinschaftlich besuchen, nicht ohne Nutzen bestehen. Ceylon ist das schönste Beispiel einer Colonie barbarischer Völker, auf humane Weise der Civilisation zugänglich gemacht. 18. Aug. Die Zeit unsers angenehmen Aufenthalts in Kandy nahte sich ihrem Ende. Der Gesandte mit Hrn. B. und Hrn. v. N. hatte seinen Ausflug nach Nuera-Ellia vollendet und kehrte nach drei Tagen zurück. In der Nähe von Pucilama hatte die Gesellschaft eine Einladung von zwei Heine, Weltreife. I. 12 178 Deutschen erhalten, ihre Kaffeepflanzungen zu besuchen. Es waren zwei alte Junggesellen, Brüder und Verwandte der Familie Rothschild, die hier eine große Pflanzung in herrlichem Stande hielten und ein bedeutendes Einkommen davon genossen. Als Illustration sowol der Größe der Pflanzung als des vielen Düngers, der in derselben gebraucht wird, diene der Umstand, daß 300 Stück Rindvieh nur des Düngers wegen gehalten wurden, zudem auch außerdem große Quantitäten von Guauo und den Ueberresten von Kokosnüssen, aus denen das Oel bereits gepreßt war, verbraucht wurden. In Nuera-Ellia fauden die Herren die Atmosphäre so dünn und kühl, daß die durch das warme Klima der Küste etwas verweichlichte Haut durch frisches Wasser auf unangenehm kalte Weise berührt ward. Die theuerste Art von Transportmitteln ist gleichfalls auf dieser Straße. Um eine Entfernung von 54 Miles hin- und zurückzufahren, zahlten vier Personen für einen einspännigen Wagen, mit Pferdewechsel alle 6 Miles, die Summe von 14 Pf. St., oder nahe an 90 Thlr. vreuß. Cour., excl. der Weg- und Brückengelder und Geschenke, jedenfalls die theuerste Art zu reisen, die irgendwo gefunden werden kann. Als endlich die Stunde des Abschieds schlug, fühlten alle ein lebhaftes Bedauern, Kandy mit seinen lieblichen Umgebungen sowol als unsern gütigen Wirthen Lebewohl sagen zu müssen. Ich war einen Tag früher aufgebrochen, um eine Skizze des großartigen Passes von Kaduganawa zu machen. In der Nähe dieses Orts befindet sich ein 179 Dorf sogenannter Rooms, die unter den Singhalesen eine ähnliche Stellung einnehmen wie die Parias in Indien, und von allen verachtet werden. Sir Emerson Tennant beschreibt die Frauen dieser Kaste als die schönsten der Insel; die wenigen jedoch, die ich sah, waren arme, elende, verkommene Wesen, nichts weniger als schön. Am 24. Juli schiffte sich die Gesandtschaft im P. u. O.-Comp.-Damftfer „Ganges" ein, und um 3 Uhr nachmittags verließ das Schiff den Hasen von Galle. Bei einer frühern Gelegenheit gewährte es mir große Freude, die vorzüglichen Einrichtungen des Dampfers „Nubia" zu erwähnen, diese ward mir diesmal versagt. Der „Ganges" war ein kleiner, alter, unbequemer Naddampfer, der, wenn man die Maschine anstrengte, eben acht Knoten machte; dabei war das Schiff so voll Waaren und Speciesendungcn, daß die Passagiere ihr Gepäck in die Cabmen nehmen mußten. Die Verpflegung war weniger als mittelmäßig, das Wasser nntriukbar, und das dafür substituirte Sodawasser, welches allerdings gratis verabfolgt wurde, konnte mau nur bei den Mahlzeiten erhalten. Selbst Eis, dieser nöthige Artikel in den Tropen, war nicht am Bord, trotzdem, daß eben ein neues Eisschiff in Galle eingetroffen war. Das Opium, das sich unter der Ladung befand, erfüllte das Schiff mit einem süßlichen, widerlichen Geruch, und erzeugte ein unbehagliches Gefühl. Als wir in Singapore das Schiff verließen, wurde noch eine sehr kleinliche Schmuzerei verübt. Weder zwischen Trieft und Alexandria noch zwischen Suez und Galle hatte irgendjemand daran gedacht, unser Gepäck zu wiegen. Das 12" 180 Regulativ sagt ausdrücklich, daß alles in den Cabmen befindliche Handgepäck frei ist. Wir hielten fast unfer sämmtliches Gepäck in den Cabmen und litten dadurch nicht wenig Unbequemlichkeit; am letzten Tage jedoch ward alles aufs Verdeck geschafft und gewogen, darin selbst Decken nnd Mäntel eingeschlossen, und ein jeder hatte eine nicht unbeträchtliche Summe (bis 5 Pf. St.) Ueberfracht zu zahlen. Dabei beging man in der Berechnung die Schmuzerei und stellte, wenn ein Centner anch nur um wenige Pfunde überschritten war, stets einen Viertelcentner mehr in Rechnung. Der Preis wird zu 1 Pf. St. pr. Ctr. zwischen Galle und Singapore gestellt, oder ebenso theuer als vou Southampton, und da wir in Galle alles Geld in Dollars gewechselt, weil man auf Gold in Singapore viel verliert, wo die Preise alle nach Dollars gerechnet werden, so mußten wir die nach Pfund Sterling gestellte Rechnung in Dollars bezahlen, die in Singapore 4 Sh. 7 Pence kosten, hier aber zu demselben Preise wie in England, d. h. 4 Sh. 2 Pence, genommen wurden. Nicht alle Schiffe der P. u. O.-Comp. gleichen der „Nubia". Da der „Ganges" sehr langsam segelte, so langten wir erst am 31. in Pulo Penang an. Am selben Morgen hatten wir das Schauspiel einer Wasserhose in seiner ganzen Vollkommenheit gesehen. Dieselbe entwickelte sich, wie es im Buche steht. Eine trichterförmige Masse senkte sich aus einer Wolke herab; als sie sich der Oberfläche des Meeres näherte, trieb ein Wirbelwind eine Masse Wasserstaub im Kreise umher und in die Luft, vereinigte sich mit der Säule 181 darüber, die nun einen weißlichen Kern soliden Wassers zeigte, und nach kurzer Zeit löste sich das Ganze in Staub auf. Pulo Penang ist eine liebliche kleine Insel, auf der jeder gern länger als sechs Stunden geblieben wäre, während deren der Dampfer sich aufhielt. Der Gouverneur und die Behörden empfingen den Gesandten mit öffentlichen Ehren. Als er ans Land fuhr, salutirte das Fort am Nordenbe der Insel, am Kai war die Garnison unter Waffen, und der Gouverneur mit seinem Stäbe empfing seinen Gast. Der bremer und mecklenburger Conful, Hr. Küstermann, war fogleich nach Ankunft des Dampfers an Bord gekommen; auf die Frage, ob die Schiffe der Expedition angelangt feien, gab er uns eine verneinende Antwort, allein wenige Stunden später theilte uns derselbe Herr mit, daß ein eben eingetroffener Hamburger Schooner die Nachricht mitgebracht, die Corvette „Arkona" und die Fregatte „Thetis" seien in Singapore angelangt. Die wenigen Stunden, während deren wir uns in Penang aufhielten, wurden zu einem Ausfluge nach einem lieblichen Thal, an dessen Ende ein Wasserfall war, benutzt. Die Straße dahin führte durch Pflanzungen von Pfeffer, Kokos- und Arecanüssen. Letztere werden als rother Färbestoff viel auf der Infel gezogen und exportirt. An einigen Stellen ragten sehr schöne und schlanke Casuarinen hoch über die andern Bäume empor. In einer Muskatpflanzung fingen die Früchte an zu vertrocknen, ehe sie reif waren; man sagte uns, daß unter diefen Pflanzen eine Krankheit ausgebrochen, in deren Folge 182 erst die Früchte abfallen, später aber der Baum eingeht. Die Ursache davon hatte man noch nicht aufgefunden. Die Straßen waren, gleichwie in Ceylon, mit Häusern gesäumt, von denen die meisten Verkaufsläden enthielten, die hier meist im Besitz von Chinesen zu fein schienen. Eine große Menge Bürger des Himmlischen Reichs hat sich hier niedergelassen, theils als Kaufleute, theils als Handwerker und Arbeiter in Plantagen, und znm ersten mal seit acht Jahren sah ich ihre wohlbekannten Gestalten wieder halbnackt mit ihren schweren basten unverdrossen in der Hitze des Tages dahmtrollen. Die Mangusteens waren eben in der Reife, und bei Hrn. Küstermann sowie beim Gouverneur ließen sich alle diese herrlichen Früchte wohl schmecken. Meist machen Europäer, wenn sie eine tropische Frucht zum ersten mal essen, ein zweifelhaftes Gesicht, ehe sie sich entscheiden, ob sie gut schmeckt oder nicht; hier strahlten alle Gesichter vom unzweideutigsten Wohlbehagen. Um 2 Uhr nachmittags begab sich der Gesandte wieder an Bord; ein Abschiedssalut begleitete ihn, und der „Ganges" segelte sogleich weiter. Am 2. Aug., nachmittags 2 Uhr, hatten wir den Leuchtthurm der Straße von Malakka in Sicht; es war aber schon dunkel, ehe das Schiff die letzte der Inseln passirte, welche die Westseite der Rhede von Singapore bilden. Der „Ganges" ankerte eine Viertelmile von einem englischen Kriegsdampfer, der an seinem Radtasten ein blaues Licht zeigte; weiterhin, gesondert von allen übrigen, lagen zwei sehr große Schiffe; es war zu dunkel, um sie genau unterscheiden zu können. 183 Da tönte plötzlich die Nationalhymne durch die stille Nacht zu uns herüber und setzte, allem Zweifeln ein Ende. Es waren „Arkona" und „Thetis", die so grüßten, und bald befanden sich Boote langseits des „Ganges", in denen die Kapitäne und einige Offiziere dem Gesandten ihren Befuch abstatteten. Ebenso war der Consul vom Lande gekommen, und durch diese Herren erfuhren wir, daß die Schiffe eine stürmische, zugleich aber sehr schnelle Reise gemacht, und daß man hoffe, der Schooner „Frauenlob" und das Transportschiff „Elbe" würden in den nächsten Tagen eintreffen. Ohne Bedauern trennten wir uns von dem alten Dampfer und folgten am nächsten Morgen um 9 Uhr dein Gesandten ans Land. Die Empfangsceremonien waren die bei solchen Gelegenheiten üblichen; ein Salut ward gefeuert, als der Gesandte das Ufer betrat; der Gouverneur mit seinem Stabc, verfchiedcne Beamte, Offiziere und Consnln empfingen ihn am Ufer, wo eine Ehrenwache aufgestellt war, uud als die Gesandtschaft die Wohnung im Hotel Esperance bezogen, ward ein Doppelposten davor aufgestellt. Es folgteu uun für jeden einige geschäftige Tage, um sich selbst und sein Gepäck vorzubereiten, an Bord der Schiffe zu gehen; denn der Gesandte wünschte, die Expedition baldmöglichst organisirt zu sehen. Und in der That ward alles in der kurzen Zeit von zehn Tagen vollendet. Der Gesandte sowol wie verschiedene von den Herren seines Gefolges fanden Gelegenheit, während dieser Zeit noch manches von Singapore und der Umgegend zu sehen, und am 7. statteten alle dem alten Naja von Iohore einen Ae- 184 such auf feinem Landhause in Tu-mong-gong ab. Der alte Herr hatte sich nicht fehr verändert; allein sein Sohn, der zur Zeit meines ersten Besuchs ein schlanker 18jähriger Jüngling, war jetzt, obwol erst 25, sehr wohlbeleibt geworden. Dennoch erkannten ihn verschiedene von der Gesellschaft nach dem Porträt meines ehemaligen Collegen Hrn. Brown, das sich in der Quartausgabe von Comm. Perry's Werk befindet. Nachdem der Besuch beim alten Raja vorüber, bewirthete der Sohn die Gesellschaft in seinem eigenen Hause mit einem Gabelfrühstück, und obschon er als strenger Mohammedaner nur Wasser ober Limonade trank, so fehlte es nicht an den besten Weinen, mit denen seine Gäste auf sein Wohl tranken. Viele der Offiziere fowol als andere Mitglieder der Expedition rühmen die Gastfreundschaft deutscher Landslente in Singapore sehr. Ich selbst kann über diesen Punkt nur mittelbar sprechen, dringende Geschäfte nahmen meine Zeit so in Anspruch, daß wenig für gesellige Zwecke übrig blieb; bei einem großen Diner aber, welches im Hause eines der deutschen Consuln dem Gesandten gegeben wurde, waren die Einladungen an drei der Herren im Gefolge nicht an ihre Adressen gelangt. Singapore ist ein so kosmopolitischer Ort, daß einige Züge von den meisten asiatischen Nationalitäten hier zu studiren sind; dadurch aber entbehrt wieder die Stadt aller und jeder besondern Charakteristik. Die verschiedenen Elemente laufen ineinander, verleihen eins dem andern einen Theil ihrer Färbung, rauben ihnen dadurch aber alle 185 Ursprünglichkeit. Am meisten Anziehungskraft für den Beobachter haben vielleicht die chinesischen Theater, nicht weil sie besser wären, vielleicht nicht einmal so gut sind als in China, sondern weil man hier Gelegenheit hat, das Leben auf der Bühne zu beobachten, was in China nur mit eminentem Nisico für den Schädel vollbracht werden kann. Thalia's Tempel ist hier eine aus Bambus erbaute, mit Schilf oder Palmenblättern gedeckte Halle, die vielleicht 12—1500 Personen fassen kann. Die Bühne ist ein die ganze Breite des Saales einnehmendes Gerüst, gegenüber dem Eingang, dessen Mitte, im Hintergrunde, das Orchester einnimmt, während die Schauspieler davor agiren. Zwei Thüren führeu rechts und links vom Orchester zu einem großen Raum, der als gemeinschaftliche Garderobe dient; durch diese Thüren treten alle auf oder gehen ab. Das Orchester besteht, wie gewöhnlich, aus einigen Fiedeln mit Metallsaiten, einigen Flöten und Clarinetteu und einigen Kesselpauken, alle sehr hohe, schrille Dissonanzen von sich gebend. Unsere Gesellschaft, aus einigen Offizieren des Geschwaders, einigen der zu der Gesandtschaft gehörigen Herren und ewigen Residenten von Singapore gebildet, nahm auf der Bühne Platz, und es war ein eigener Genuß, die Mimen in der Nähe zu beobachten, besonders aber ihre Gesichter, wenn dieselben vom Publikum abgewandt waren. Wie üblich, wurden alle Rollen von Männern dargestellt, die männliche Liebhaberin aber, um kleine Füße zn zeigen, ging auf kurzen Stelzen. Man konnte in den verschiedenen Fächern alle die Persönlichkeiten herausfinden, wie sie sich 186 unter europäischen Schauspielern zeigen. Am ergötzlichsten waren die von alten, auf denBretern, welche die Welt bedeuten, ergraute» Vätern der Schlacht. Wenn so ein Künstler sein Couplet zu .Ende gewimmert und mit dem üblichen Entrechat schloß, konnte man auf feiner triumphirendeu Stirn das Bewußtsein lesen: „Um ein Couplet auf diese Weise zu singen und ein solches Entrechat zu schlagen, braucht es emeu dramatischen Künstler der alten Schule, der die Coulissenreißerei der Neuzeit verachtet." Solche Augenblicke sind groß; sie erlauben dem Beschauer einen tiefen Blick in die sonnigen Zeiten der himmlischen Classik. Die Costüme waren brillant, die Malereien der Gesichter gelungen und die Sprünge „leotardisch". Es ist nicht angenehm, an jedem Ort, den man be-sncht, vom Hotel zu sprechen, das man bewohnt, gleichwol aber nöthig, um Reisende im voraus zu warucu und sie über das aufzuklären, was ihrer harrt. Hotel Esperance liegt sehr schön am Ufer, hinter der öffentlichen Promenade. Die Zimmer find, mit wenigen Ausnahmen, nicht gut, der Tifch mittelmäßig, die Preise für wcuiger als zwei Wochen 3V2 Dollars, für zwei bis zu vier Wochen 3 Dollars, für vier Wochen und darüber 2'/« Dollars per Tag. Die Gesandtschaft bewohnte ein besonderes Gebäude mit guten Zimmeru, der Tisch war besser, und aus diesem Grunde setzte man auf unsere Rechnung 5 Dollars per Tag, sodaß am Ende von 8V2 Tag mir die allerliebste kleine Rechnung von 61 Dollars präsentirt wurde, der Rest durch Ertras erzeugt. Dollars mußten um diese Zeit in Singapore mit 187 1 Thlr. 18 Sgr. bezahlt werden, so macht dies die Kleinigkeit von 97 Thlr. 18 Sgr. preuß. Cour. für 8'/2 Tag mittelmäßiger Verpflegung. Wenn jemand den andern dahin wünscht, wo der Pfeffer wächst, so möge er bedenken, daß, wenn Singapore damit gemeint ist, er ihm mit seinem Wunsch zugleich eine solche Hotelrechnung an den Hals hängt. IX. Von Singapore nach Jeddo. Das Geschwader complet. An Bord. Der erste Gottesdienst. Ein Mann über Bord. Verloren. Haisische. Gin schwerer Sturm. TusiHama. Die Bai von Meddo. Ausschiffung. Einzug Instcillirt. Akabany, seine Bewohner, Leben nnb Treiben. An Bord Sr. Majestät Dampfcorvctte „Arkona", im Stillen Ocean, 22. Aug. 24,^ nördl.Vr., 126^ östl.L. So Wäre denn ein langgehegter Wunsch erfüllt, ein deutsches Geschwader durchsegelt diese entfernten Gewässer, mir selbst aber wird die Ehre und Freude, an Bord desselben mich zu befinden. „Thetis" und „Arkona" sollten nicht lange allein auf der Nhede von Singapore bleiben. Am 6. Aug. dinirteu mehrere Offiziere mit dem Gesandten, und mancherlei Con-jecturcn über die vermuthliche Zeit des Eintreffens vom „Frauenlob" und der „Elbe" wurden besprochen, als zu gleicher Zeit mit dem Auftragen des Nachtisches und der Früchte ein Offizier von der „Arkona" eintrat und meldete, 189 der Schooner „Frauenlob" sei in Sicht. Daß diese Nachricht nicht ermangelte, die freudigsten Gesichter hervorzurufen, begreift sich leicht; denn bei aller Tüchtigkeit von Kapitän, Offizieren, Leuten und Schiff ist dennoch eine Reise um das Cap in der schlimmsten Jahreszeit und in so schwerem Wetter, wie die andern Schiffe erfahren, kein ganz gewöhnliches Unternehmen. Am nächsten Morgen meldete Commandant Netzke Schiff und Mannschaft in gutem Stand und nach wenigen Tagen als segelfertig. Eine zweite Ueberraschung entwickelte sich am 7. Aug. Als die Gesellschaft vom Besuche bei Raja Tu-mong-gong zurückkehrte, hängte der Telegraph das Signal aus: „Preußisches Schiff in Sicht." Von den Fenstern des Hotel Esperance richteten sich sofort alle disponiblen Ferngläser seewärts, und bald machte der Kapitän der „Thetis" allen Zweifeln ein Ende, indem er ausrief: „Das ist die «Elbe«; ich erkenne sie am weißen Heck!" Nun war das Geschwader vollzählig, alle Hände emsig beschäftigt, die Schiffe segelfertig zu machen. In der kurzen Zeit von zehn Tagen hatte der Gesandte das gesammte Personal vertheilt, alle Anstalten vollendet und die Erpedition organisirt. Am 8., morgens 11 Uhr, begab er sich mit seinem ganzen Gefolge in großer Uniform an Bord der „Arkona". Bier Boote brachten die Gesellschaft, nnter der sich anch der preußische uub der hanseatische Consul befanden, an Bord, wo Offiziere und Mannschaft in Parade den Gesandten erwarteten, sowie alle Offiziere, Beamten und Mitglieder der Expedition, welche der Dienst nicht am 190 Bord ihrer eigenen Schiffe zurückgehalten hatte. Der Gesandte schilderte in einer kurzen, kräftigen Ansprache das hohe Interesse, welches die Erfüllung der Endzwecke der Expedition für ganz Deutschland habe, die große Wichtigkeit, welche der Prinzregent dem Gelingen des Unternehmens beilege, und schloß mit einem Hoch auf den König und den Prinzregenten, das, von allen wiederholt, laut über die Bai hinschallte. Um 12 Uhr erschienen der Gouverneur, der Raja von Iohore und andere Gäste an Bord, eine Collation ward eingenommen, und um 2 Uhr kehrten alle ans Land zurück, während die „Arkona" den Gesandten mit ihren Kanonen salutirte. Es war das erste mal, daß ich ein deutsches Kriegsschiff eine deutsche Flagge salutiren sah. Am 11. nahm das Gefolge des Gesandten Besitz von den an Bord der „Arkona" vorbereiteten Kammern. Das Bewußtsein, auf der See einen Raum von 14 X 10 Fuß sein Eigen zu nennen, kann nur derjenige wahrhaft schätzen, der vorher für viele Monate kaum Platz fand, wo er sein Haupt hinlegen konnte, und alle Arbeiteu auf dem beschränktesten Naum zu verrichten hatte. Ich fühlte mich wie im Himmel, als ich alle meine Koffer untergebracht, diejenigen Sachen, welche ich täglich gebrauchte, auf Realen oder in Schubfächern befestigt oder an Nägeln aufgehängt hatte. Bei alledem blieb mir noch ein schöner, tt X 2^2 Fuß großer Zeichentisch übrig, von dem ich in einer Ecke 2'/2 Fuß abtheilen ließ, um dieselbe als dunkele Kammer für den 191 Photographen zu benutzen. Solcher Kammern befinden sich vier an Bord. Nöthigenfalls können die vorhandenen Geschütze binnen wenigen Minuten wieder in Position gebracht werden. Als Fenster dient die Gcschützpforte, deren untere Hälfte verschlossen, während die obere mit Scheiben versehen ist. Ein Fenster, 3 Fuß lang und I V2 Fuß hoch, ist gleichfalls auf der See ein seltener Lurus. Sich über Mangel an Raum odcr Comfort zu beschweren, wäre unrecht. Ebenso ist der Verkehr an Bord ein außerordentlich angenehmer, und da es scheint, als ob alle sich vorgenommen, ihr gegenseitiges Verhältniß so angenehm als möglich zu machen, so kann kaum ein angenehmeres Leben gewünscht werden, als wir in diesem Augenblick führen, in welchem die Trennung von allem, was uns lieb und werth ist, den einzigen herben Beigeschmack bildet. Sonntag, den 12.. war Gottesdienst an Bord. Diese einfache Feierlichkeit kann nie verfehlen, einen tiefen Eindruck auf alle, die Zeuge davon sind, zu machen, und in der That läßt sich auch wol kaum etwas Ergreifenderes denken als ein kleines Haustein braver Mäuner, weit entfernt von der Heimat, stets von Gefahren umgeben, sich versammelnd, um sich der Obhut ihres Schöpfers zu empfehlen und ihm für seinen väterlichen Schutz zu danken. Montag, den 13., kam der Gesandte an Bord, dem we Batterien vom Ufer noch einen Abschiedsgruß nach-donncrten, und um 3 Uhr dampften wir zur Bai hinaus, der „Thetis" und dem „Frauenlob" nach, die schon am Samstag gesegelt waren. Am 16. hatten wir den Schooner 192 eingeholt und nahmen ihn ins Schlepptan; am 18. passirten wir die Inseln Ceiccr de Mer und Cadwick Island, wovon wir die eine westlich, die andere östlich liegen ließen. Am nächsten Sonntag dinirte eine Anzahl von Offizieren und Mitgliedern der Expedition beim Gesandten, was sich wöchentlich zweimal wiederholt, und an diesem Tage ward es uns bekannt gemacht, daß unser Curs direct auf Jeddo führte. Die Gewißheit, daß nun bald jeder in der ihm angehörenden Weise seine Thätigkeit beginnen könnte, verbreitete allgemeine Zufriedenheit. Der 22. Aug. ward durch ein trauriges Creigniß bezeichnet. Der Matrose Kleemann siel über Bord, als ein dünner Strick, mit dem er im stehenden Tauwerk des großen Mastes arbeitete, riß, indem er ihn scharf anzog. Zwei Nettungsboien wurden ihm sogleich zugeworfen, das Ruder backbord gelegt, und da wir unter Segel waren, so siel das Schiff sogleich in den Wind und legte bei. Der Mann war ein vorzüglicher Schwimmer, Wind nnd See waren sehr leicht, und so wenig Gefahr fchien vorhanden, daß einer seiner Kameraden ihm zurief, seinen Hut, der neben ihm schwamm, nicht zu vergessen, wenn er an Bord käme. Der erste Kutter war in wenigen Minuten bemannt und ruderte schnell zu Hülfe, während der Schooner, etwa zwei Miles von unserm Backbord segelnd, ebenfalls schnell in den Wind fiel und ein Boot absandte. Alle Gläser waren erwartungsvoll auf die Stelle gerichtet, die durch die zwei ausgeworfenen rothen Bojen als der Ort des Unfalls bezeichnet war, als plötzlich der Mann mit halbem 193 Leibe auS dem Wasser emporsprang, tauchte, noch einmal auf die Oberfläche kam und nicht mehr gesehen ward. Beide ausgesandte Boote langten bald auf der Stelle an, fischten die beiden Bojen und den Hut des Verlorenen auf, allein, so emsig auch sie und der Schooner das Wasser nach allen Richtungen durchkreuzten, keine Spur von dem Unglücklichen war zu entdecken. Es unterliegt wol kaum einem Zweifel, daß der Mann von Haifischen gefressen wurde; denn in den wenigen Minuten, die der Vorfall dauerte, konnte ein so geübter Schwimmer, der so ruhig und besonnen ausstrich, nicht erschöpft sein. — Beim Gottesdienst am nächsten Sonntag gedachte der Prediger in einem gefühlvollen Gebete des Todten. Zwei.Tage darauf, am 24., während einer Windstille) fing man an ausgeworfenen Haken drei Haifische von etwa N Fuß Länge. Als der erste davon zappelnd auf dem Verdeck lag, stieß ihm einer der Matrosen eine Handspeiche in den Rachen, bis tief hinab, indem er dazu schrie: „Warte, du Kröte, du hast Kleemann gefreten!" Es war drollig, die Leute an den Thieren herumhacken zu sehen, als ob jeder eine Privatrache zu nehmen hätte. Die Fische waren sehr jung und hatten kaum die erste Zahnreihe ausgebildet, die übrigen lagen noch unter dem Zahnfleisch verborgen. — Am Abend desselben Tags ward eine Menge großer Stücke Holz im Wasser schwimmend bemerkt, und da eine ungewöhnlich schwere Dünung Zeugniß gab von heftigen Stürmen, die nach Nordosten zu gewüthet hatten, so wurden zwei Boote ausgeschickt, zu untersuchen, ob es Trümmer Heine, Welticise. I. 13 194 eines Wracks wären. Diese fanden jedoch, daß es nur Stücke Treibholz seien, unter denen das eine, mit einem kleinen Mast und Tauwerk ans Schlingpflanzen versehen, augenscheinlich Kindern zum Spielzeug gedient. Die Strömung führte von Südosteu her, und diese Trümmer kamen jedenfalls von einer der Philippineninseln. Am 25. bei Tagesanbruch hatten wir die Südostsftitzc von Formosa in Sicht und passirten gegen Mittag die beiden Inseln Botel-Tobago und Little-Botel-Tobago, deren grünende Felder zeigten, daß sie von fleißigen Ackerbauern bewohnt seien. Hafen von Meddo (Japan), 7. Sept. 1860. Am 2. Sept. hatten wir einen kurzen, aber schweren Sturm zu bestehen. In der kurzen Zeit von etwa sieben Stunden entwickelte sich ein Cyklon nach allen Regeln, wie es im Buch steht, mit Windwechsel, Barometerstille und allem Zubehör. Es war der niedrigste Barometerstand, den ich auf der See gesehen — 28,96; während eines sehr heftigen Sturms, den die U.-S.-F. „Mississippi" im I. 1855 in ähnlicher Breite, etwas mehr östlicher Länge, bestand, fiel das Barometer nur auf 29,17. Der Sturm ging vorbei ohne Verlust von Menschenleben und mit wenig Verlust von Material. Der officiellc Bericht des betreffenden Offiziers wird wahrscheinlich seinerzeit bekannt werden. Meine persönlichen Havarien bestanden darin, daß 195 einige Bücher und Kleider feucht wurden, ein holländisches A-B-C-Buch ins Wasser fiel und meine Mütze sein Schicksal theilte. Beide wurden glücklich gerettet. Am 3. hatte ich nachmittags zwischen 3 und 4 Uhr zweimal auf ganz kurze Zeit den Gipfel des Fusi-Aama in Sicht; während der Nacht kamen wir in die Nähe des Cap Idzu, legten bis zum Tagesanbruch bei, und passirten um 6 Uhr des Morgens mit einer günstigen Brise Rock Island und das dahinterliegende Simoda. Der Himmel blieb bewölkt, und zu Zeiten fielen Regenschauer von einer kurzen Bö heraufgetrieben; gegen 7 Uhr aber brach die Sonne durch, erleuchtete zuerst auf kurze Augenblicke die malerischen Gebirge nnd Thalgründe der Provinz Idzu, und endlich die leichten Wolken und Morgennebel verscheuchend, zog sie den letzten Schleier vom schönen blauen Himmel und den ferner liegenden Bergen der Bai von Wo-dowara. Ungefähr um diese Zeit ward über den nähcr liegenden Bergen eine scharfe blaue Spitze in weiter Ferne liegend sichtbar; in dem Maß, als das Schiff weiter fegelte, ward der Berg, dem sie angehörte freier, und bald stand die ganze schöne Form des Fusi-Aama, frei in die schöne reine Luft hinausragend, vor uus, nur nach dem Fuß hin mit einem schmalen Wolkengürtel umgeben, uud uahe dem Gipfel in einer Schlucht einen einzigen kleinen Schncefleckm zeigend. Neun verschiedene male habe ich dieselbe Stelle pas-sirt, allein noch nie fah ich den Berg fo schön und frei von Dunst, Nebel oder Wolken. „Wie schön!" riefen alle die ihn sahen, ich selbst aber dankte im stillen aus der 13* 196 Tiefe meines Herzens Gott, daß er ein inbrünstiges Gebet erhört, das ich vor vielen Jahren hier gethan, und freute mich, daß ich den Tag erlebt, wo ein deutsches Kriegsschiff mit seinem Kiel diese fernen Meere durchschnitt. Bin ich dereinst wieder in die Berge und Wälder meines neuen Vaterlandes, Amerika, zurückgekehrt, wv mein liebes Weib jetzt den langen ewigen Schlaf schläft, und mein Kind seine ersten Jahre verlebt, so werde ich stets mit Freuden an diesen Tag zurückdenken. Nun segelten wir, von einer günstigen Südwestbrise getrieben, erst an der Insel Ohosnna vorüber, deren Krater jetzt in der warmen Jahreszeit nur einen leichten weißlichen Rauch entsendete, passirten zwischen den beiden Caps Sagami und Sirofami vorüber an Morisson-bluff, Plymouth-rocks, Uraga, Cap Kamisacky, die Perry- und Websterinsel Joknhama, wo viele fremde Schisse ankerten, doublirten zuletzt Beacon-Point unter Dampf, steuerten im nördlichen Curs gerade auf die Stadt los, und ankerten gegen An-bruch der Nacht zwischen 3 und 4 Miles von den Forts, welche Jeddo nach der Seeseite vertheidigen. Aka-bani Yeddo (Japan), 17. Sept. 1860. Ißiupora mutantur ßt nog mutainur in i11i8. Sprichwörter enthalten meist tiefen Sinn und Wahrheit, deshalb finden viele von ihnen über den ganzen Erdball ihre An 197 Wendung, und so das obeuangeführte auch in Japan. Lesen wir in den Werken von Sieboldt, Thunberg und dem vortrefflichen, scharfsichtigen Engelbert Kämpfer, unter welchen Beschränkungen sie reisten, wie sie wenig mehr Freiheit genossen als Gefangene, wie man sorgfältig zu verhüten suchte, daß sie in irgendwelche Berührung mit den Eingeborenen kamen, und sich doch Information über Land und Leute verschafften, wie sie „im obern Stockwerk eines Hinterhauses, wozu man durch einen engen Gang gelangen mußte", ihre Herberge nahmen, wie eines Tages, als einer von der Gesellschaft ein Stück Papier auf die Straße geworfen, ein großer Aufruhr unter den die Fremden bewachenden Beamten entstand; bedenkt man, daß dieser Zustand bis vor weniger als zehn Jahren fortbestanden, und vergleicht man damit die Art und Weise, wie sich Fremde jetzt hier begegnen, so wird man unwillkürlich an jenen alten lateinischen Spruch erinnert. Der 7. Sept. war nach getroffener Uebereinkunft mit den Behörden der Stadt dazu bestimmt, der Gesandtschaft das zu ihrer Wohnung bestimmte Gebände zu übergeben. Der Monat September soll hier meist von trübem Negen-wetter begleitet sein; in den wenigen Tagen, welche die „Arkona" in der Bai ankerte, hatten wir wenig Sonnenschein, und der Morgen jenes Tages brach mit heftigen Regenschauern an. Eine Escorte von vielleicht 200 Mann nebst Offizieren ward in verschiedenen Booten eingeschifft, der Gesandte mit dem Commodore nahmen in der zu diesem Zweck bestimmten ersten Pinasse Platz, und der diplo- 198 malische Stab nebst den andern im Gefolge des Gesandten reisenden Herren folgte in der zweiten Pinasse. Eine Stunde später pafsirte die kleine Flotille eine Reihe von Forts, ich glaube, es waren deren fünf, den innern Hafen vertheidigend, und so befanden wir uns endlich im Gebiet der kaiserlichen Residenzstadt Jeddo. Die innere Bai von Addo ist hufeisenförmig von zwei weitauslaufenden Landspitzen eingeschlossen, von denen die erste oder südwestliche von Commodore Perry Beacon-point genannt ist, nach einem thurmartigen Gebäude, das sich jetzt nicht mehr dort befindet; die andere nordöstliche Spitze ward vom englischen Kapitän Sherard OSborn Court-Point getauft, nach dem Master des Kanonenboots Furious, das Lord Elgin im I. 1858 hierherbrachte. Der Radius der Bai beträgt vielleicht 7 Miles, wird nach dem Ufer zu allmählich feichter, bis eine lange Bank, etwa 1 Mile vom Lande, auf der bei hoher Flut nur 7 Fuß Wasser zu finden, allen Schiffen, die einen größern Tiefgang haben, den Weg vcrfperrt. Ein Kanal, tief genug für die Fahrzeuge der Japaner, führt an einer Stelle durch dieses Hinderniß nach dem Flusse Todagawa; allein genaue Vermessungen dieser Stelle sind bis jetzt noch schwierig gewesen. Längs der Seeseite dieser natürlichen Vertheidigung liegt die erwähnte Reihe von Batterien oder Forts, an der Südwestseite, wo die Vorstadt Sinegawa an die Stadt Jeddo stößt, beginnend; vielleicht hat man den Plan gehabt, den ganzen innern Hafen auf diese Weise zu befesti^ gen, und die Arbeiten noch nicht vollendet; vielleicht ist das 199 Wasser weiterhin so seicht, daß man die zweite innere Linie von Befestigungen für genügend findet, die, am Ufer errichtet, die zwischen den äußern Forts befindlichen Lücken ausfüllend, an der Nordostseite aber einen fortlaufenden Wall bildend, mit Geschütz und Infanterie befetzt, wol genügen mag, um einen Bootangriff abzuschlagen. Die Zahl der Kanonen, welche die Forts enthalten, ist sehr groß, einige davon bis zum Kaliber von vielleicht 36 Pfd., andere kleiner, bis zu gewöhnlichen Feldgeschützen auf Laffetten mit Speicheurädern. Diese ganze Lokalität war gänzlich neu für mich: die amerikanischen Schiffe unter Commodore Perry waren nicht weiter gegangen als etwa 3 Miles hinter die Stelle, wo jetzt die „Arkona" ankert und man eben die Stadt am Horizont auftauchen sieht, sowie einige in derselben gelegene Hügel; auf einer Bootexcursion gelangten wir etwas näher, allein auch da war etwa 2 Miles von den Forts eine lange Reihe japanischer Fahrzeuge, von denen einige Kanonen führten, alle aber von Soldaten besetzt waren, geankert, sodaß größere Annäherung nicht möglich war. Der Hügel, gegen die Mitte der Stadt zu gelegen, der mir bei jener Gelegenheit als die kaiserliche Burg bezeichnet ward, ist derselbe in der That; allein den hohen Thurm oder die Pagode, die ich damals zu sehen glaubte und auch noch glaube gesehen zu haben, kann ich nicht wiederfinden; ob derselbe bei einem der vielen Feuer, die seitdem Theile von Yeddo in Asche gelegt, abgebrannt, oder sonst zerstört worden ist, konnte ich bis jetzt nicht erfahren. 200 Außerhalb der Batterien ankerten vier ziemlich große dreimastige, nach europäischer Art getakelte Schiffe, die nicht verfehlten, bei uns sowol Erstaunen als Heiterkeit hervorzurufen. Die Form ähnelt derjenigen, welche man auf alten niederländischen Marinebildern findet, breit, tiefbauchig, vorn rund, hinten mit weitausgebauter Campagne, die Geschützpforten groß wie die Thorwege, die Masten wunderlich gestellt, geformt und die Naaen durch seltsames Tauwerk in mancherlei verschiedenen, nicht sehr gewöhnlichen Stellungen gehalten. Anch noch einige ganz besondere Verbesserungen hat man diesen wunderlichen Exemplaren von Schiffsbaukunst beigefügt. Die Seiten waren mit hohem Gitterwerk umgeben, das Hintertheil mit andern ähnlichen Verzierungen; Treppen waren an ungewöhnlichen Plätzen angebracht, und Vorhänge an Orten, wo deren nie vorher gesehen worden sind. Zwei dieser Meerwunder waren schwarz angestrichen, eins am untern Theil grün, das vierte roth. Wie und wann diese seltsamen Fahrzeuge entstanden, bleibt noch eine offene Frage; die Japanesen wollten oder konnten dieselbe nicht beantworten, scheinen aber sehr stolz auf diese Schöpfungen zu sein. Die Mannschaft hockte auf den Geländern und andern Theilen der Schiffe herum, um uns zu mspiciren, und mit Ausnahme eines Streifens weißer Leinwand um die senden trugen die Leute meist nur ein einziges Kleidungsstück, das, ob-schon wahrscheinlich sehr unbequem zu tragen, wenn ganz neu, dennoch später nirgends drückt oder Falten wirft. Dieses Kleidungsstück bestand aus der Haut des betreffenden 201 Individuums, vom Halse bis zu den Sohlen mit allerhand Ornamenten in rother und blauer Farbe tätowirt. Auch auf diese Verzierungen scheinen die Leute sich nicht wenig einzubilden, und tragen mit anscheinenden: Wohlgefallen die verschiedenen Krabben, Fische, Schmetterlinge oder auch Porträts von Frauen, die zwischen ihren Schultern oder auch tiefer am Körper abgebildet sind, zur Schau. Da in der jetzigen stürmischen Jahreszeit nur wenige Dschunken aus den verschiedenen Theilen des Landes nach Vjeddo kommen, so war der innere Hafen ziemlich leer. Längs diesem läuft die große Straße, die, in Nagasaki beginnend und gegenüber der Stadt Matsmai auf Iezzo endend, das ganze Reich der Länge nach durchschneidet. Hier ist sie rechts und links von einer einzigen Reihe Häuser gesäumt, da die hinter denselben liegenden Hügel den Raum beschränken. Viele dieser Häuser sind sogenannte Theehäuser, wo auf den Terrassen nach der Wasserseitc zu die Leute sitzen, rauchen, Thee oder Saki trinken, oder sich auch noch auf andere Weife amusiren. Weiterhin auf einem ziemlich in die Augen fallenden Hügel, zwischen malerischen Gruppen schöner alter Bäume, steht ein Tempel, davor auf einem Flaggenstock die französische Flagge. Dies ist die Wohnung des Hrn. Bclcour, französischen Charge d'affaires. Mr. Alcock, der englische Gesandte, hat seine Wohnung in einem andern Tempel, ebenso Mr. Townsend Harris, amerikanischer Ministerresident, beide in weniger prominenter Lage befindlich. Noch weiterhin bezeichnet eine schwarz und Weiße Flagge (die kaiserlichen Farben) das Werft, an welchem 202 die Escorte bald landete und sich aufstellte. Einige dreißig Pferde, von denen vier durch die Güte der Repräsentanten Frankreichs und Amerikas mit europäischen Sätteln versehen waren, warteten hier, und so nnbequem auch ein japanischer Sattel für den Reiter ist, so war cs doch besser und angenehmer, dieselben zu benutzen, als im Schmuz der Straßen einer engen Vorstadt hinzutrotten. Das Wetter klärte sich jetzt etwas auf, und die Sonne erschien zum ersten mal seit einigen Tagen, sodaß die Helme und Gewehre der Seesoldaten und Matrosen, hellblinkend, den Aufzug glänzender machten. In der That war eS ein munterer Anblick, als sich der Zug in Bewegung setzte, voraus das Musikcorps des Seebataillons, einen kriegerischen Marsch spielend, dann das Detachement Seesoldaten der „Arkoua" mit ihrem Offizier, dann der Gesandte zu Pferde, geleitet und gefolgt vom Commodore, einein Theil der Offiziere sowie den andern Herren seines Gefolges, während eine starke Abtheilung von Matrosen, gefolgt von ihren Offizieren und Cadetten und bewaffnet mit Zündnadelbüchsen, den Zug schloß. Die Menschenmenge war nicht sehr groß, einestheils weil der Weg durch eine nicht sehr ausgedehnte Vorstadt führte, anderntheils die japanischen Behörden entweder die Zeit des Einzugs geheim gehalten oder die Thore gesperrt, mit denen jede Straße versehen ist, um den Andrang einer zu großen Menschenmenge nach Einem Punkt zu verhindern. Ein japanischer Beamter, der den Gesandten am Bord des Schiffs abgeholt hatte und in seinem Boot vorausgefahren war, geleitete auch 203 hier den Zug zu Fuß. Nach einigen wusend Schritten hatte die enge Straße ein Ende, und eine Brücke über einen Bach führte nach einem offenen Platz. Hier war jedenfalls ein vornehmerer Stadttheil; zur Linken an den breiten Esplanaden zu beiden Seiten des Baches standen mehrere große Residenzen sogenanuter Daimios oder Fürsten, zur Rechten erhob sich ein bewaldeter Hügel, dessen äußere Seiten von Tempeln und den sie umgebenden Gärten gesäumt warcn, an dessen östlichem Abhang aber das Mausoleum der Tai-tun oder Kaiser (in gemeiner Sprachweise Ziogun genannt) liegt. Nun folgte man einer andern Straße noch einige.hundert Schritte, die Escorte stellte sich vor einem großen, schwarz angestrichenen Portal auf, Prä-sentirte das Gewehr, und der Gesandte zog in das für ihn bestimmte Gebäude ein, gefolgt von allen, die ihn begleitet. Dies ist ein langes Haus, in dessen vorderm Theil ein großes Gemach, für Verhandlung von Staatsangelegenheiten bestimmt, woran noch einige andere geräumige Zimmer stoßen, während der Nest desselben eine große Anzahl von Gemächern enthält, die jetzt verschiedenen Herren als Schlafgemächer dienen. Küchen, Vorrathskammcrn und Pferdeställe sind in Nebengebäuden; an das Ganze aber stoßt eine zweite Gruppe von Gebäuden, in welchen eine Anzahl von Japanern wohnt, von denen einige Beamte, andere Offiziere und Soldaten, wieder andere Diener sind, die alle mehr oder weniger für den Gesandten und sein Gefolge zu sorgen haben. Die beiden Gouverneure von 204 Aeddo statteten bald ihren Besuch ab, die preußische Flagge ward an dem im Hofe befindlichen Flaggenstock aufgezogen, und so war die Gesandtschaft formell installirt. Das Ceremoniell und die äußern Formen, welche im Verkehr mit den Japanern beobachtet wurden, waren sehr einfach. Beim ersten officiellen Besuch, den der Gesandte bei einem hohen Staatsbeamten, in ähnlicher Stellung wie anderwärts etwa ein Minister der auswärtigen Angelegenheiten, abstattete, begleiteten ihn alle an dem Tage in Aeddo anwesenden Offiziere und Mitglieder der Expedition, später nur das diplomatische Personal. Die Besuche der Japaner in Atcchani fanden in ähnlicher Weise statt, indem die betreffenden Beamten mit dem Gefolge, wie es ihr Rang bedingte, nach einem dicht neben dem von der Gesandtschaft bewohnten Haufe befindlichen Gebäude zogen; dieses diente einer Anzahl anderer japanischer Beamten zum Aufenthalt, die die Aufsicht über die japanische Dienerschaft führten, die Bedürfnisse des Haushalts, welche von dem Herrn, der diese Branche verwaltete, ihnen bezeichnet wurden, beschaffen ließen und die Bezahlung dafür in Empfang nahmen, unsere mericanischen Dollars in Itzebu*) umwechselten, uud solche Angelegenheiten, wie sie im täglichen Leben und dem Verkehr mit den Eingeborenen vorkamen, ordneten. *) Viereckige Silbermiinzeu, deren etwa drei auf einen Dollar gingen. Beim Einwechseln wurden dieselben gewogen, ebenso die Dollars und Gewicht für Gewicht gegeben. Itzebns kosteten uns danach 15 Sgr. das Stück. 205 Aus diesem Gebäude führte ein bedeckter Gang nach dem andern Theil des von uns bewohnten, durch den die betreffenden höhern Beamten mit einem kleinen Gefolge nach dem Empfangssaal des Gesandten gingen, wo die Conferenzen stattfanden. Diese lagen im vordersten Theil unserer Wohnung, links von dem Vorsaal oder der Halle, die an den äußern Hof stieß. Von hier führte ein 10—12 Fuß breiter Gang bis zum entgegengesetzten Ende des Hauses, zu dessen beiden Seiten Reihen von Zimmern lagen. Zunächst dem Con-ferenzsaal, und links vom Eingang, lag das Speisezimmer des Gesandten, an dieses stieß fein Arbeits- und Schlafzimmer, dann das des Legationssccretärs, der Attaches, des Arztes und folcher Offiziere und Mitglieder der Erpedition, die in Aeddo zum Besuch waren. Eine etwa 4 Fuß breite Veranda war an der Außenseite dieser Neihe von Gemächern, und vor dieser ein mit Gras bewachsener offener Raum, durch eine schwarz angestrichene Breterwand umfriedigt. Die rechte Seite des Gauges bildete eine zweite Reihe von Gemächern, von denen einige gleichfalls von Gästen bewohnt wurden, ein anderes größeres als gemeinschaftliches Speisezimmer diente und die weiter hinten gelegenen als Schlafstellen für einige Seefoldaten und Mechaniker, die Diener des Gesandten :c. gebraucht wurdeu. Rechts und links am Ende des Ganges waren zwei Badezimmer und dicht dabei die Appartements. Das letzte Zimmer links bewohnte Hr. B., der Photograph, für den in dem offenen Raum vor demselben noch ein kleines als Atelier dienendes 206 Gebäude errichtet war. Das letzte Zimmer der rechten Seite, gegenüber dem des Hrn. Gismark, war mir zugefallen. Der größte Theil dieser Gemächer war, nach der herrschenden Landessitte, von mit Papier überzogenen hölzernen Rahmen, sowol untereinander als nach außen und dem innern Gang, abgegrenzt, die, in oben und unten angebrachten Vertiefungen hin- und hergeschoben, zu gleicher Zeit als Wand, Fenster und Thüren dienten. Auf diese Weise lebte der größte Theil der Bewohner von Akabani, nach allen Seiten von Papier umfriedigt, ein Pfeil, an einem Ende des Hauses abgeschossen, würde, wenn nicht etwa von den Immobilien aufgehalten, wahrscheinlich bis an die entgegengesetzte Seite des Hauses geflogen sein; ebenso war es äußerst schwierig, das nicht zu hören, was im nächsten Zimmer leise, und in den: andern laut gesprochen wurde. Während der warmen Witterung des Herbstes war dieses Leben in Papier sehr angenehm, als aber der Winter etwas kältere Atmosphäre brachte, ward es nöthig, künstliche Wärme zu erzeugen. Dies ward durch große Metallbecken (Sa-batschi) bewerkstelligt, die, mit glühenden Kohlen gefüllt, in das Zimmer gesetzt und nach Bedürfniß erwärmt wurden. Trotz der Papierarchitektur ward es auf dicse Weise möglich, einen ganz angenehmen Wärmegrad zu erzeugen und selbst während eines Theils der Nacht zu erhalten, da dann die äußere Veranda noch durch hölzerne Läden geschlossen ward. Der Fußboden war überall mit den landesüblichen gepolsterten Strohmatten bedeckt, die, auf ein niedriges Ge- 207 stell gelegt, solchen, die nicht eine Matratze mit ans Land gebracht hatten, als Betten dienten. Das Mobiliar bestand aus einem oder zwei Tischen und einer gleichen Zahl einfacher Holzsessel. Der Mahlzeiten gab es zwei, um 10 Uhr vormittags und 6 Uhr abends, außerdem Thee, und manchmal Kaffee des Morgens und Abends, Milch dazu lieferten die japanischen Buddhaverehrcr nicht. Die allgemeine Tagesordnung war etwa die folgende: bis 10 Uhr blieb gewöhnlich ein jeder in seinem Zimmer, dann allgemeines Frühstück. Später theilte sich manchmal die Gesellschaft in kleine Gruppen, die Aussinge in die Stadt machten, die verschiedenen Kaufläden besuchten und bei den Händlern, die ihre Waaren in dem Vorsaal aufgestellt hatten, Einkäufe machten, oder einzeln ausgingen, um Beobachtungen und Studien zu machen. Am späten Nachmittag ritt gewöhnlich der Gesandte aus, und einige oder mehrere begleiteten ihn in den meisten Fällen. Um 6 Uhr war die zweite Mahlzeit, die vielleicht eine Stnnde dauerte, und zwei oder mehrere wurden fast täglich zum Tisch des Gesandten geladen.*) Nach der Mahlzeit folgte eine Pause, und später versammelte sich eine Anzahl im vordern Salon des Gesandten, um den Abend mit Whistspiel, Unterhaltung:c. auszufüllen. *) d. h. ins vordere Zimmer zum Tisch, an dem der Gesandte selbst speiste; alle Nahrung des Haushalts ward seitens der Gesandtschaft geliefert. 208 Meine eigene Lebensweise ward durch meine Beschäftigungen modificirt. Ich hatte die Verpflichtung übernommen, Skizzen darstellenswerther Gegenstände zu machen und die photographifchen Arbeiten zu beaufsichtigen. Außer Hrn. Bismarl aus Berlin hatte der Gesandte noch für einige Zeit Hrn. Wilson, einen Amerikaner von Jokuhama, en-gagirt, und einer der Mechaniker, welche die elektrischen Telegraphen von Siemens und Halske aufzustellen hatten, namens Sachtler, zeigte viel Geschick im Photographiren, sodaß er bald selbst operirte. Da ich nun mit diesen Herren an allen Tagen, wo das Wetter es erlaubte, Ausflüge machte und mit ihnen arbeitete, die Orte, wo dies geschah, meist sehr weit von Akabani lagen, so ward gewöhnlich bei oder vor Sonnenaufgang aufgebrochen und erst spät am Abend heimgekehrt. Da nun auf diese Weise meine Zeit am Tage fast gänzlich absorbirt wurde, so blieben mir nur die Abendstunden, um meine Tagebücher und Correspondent« zu führen, Skizzen weiter auszuführen :c>, und so traf ich oft nur bei Tifch mit den übrigen Herren zusammen; die meisten Abende brachte ich auf meinem Zimmer zu. Sonntags fuhr ich gewöhnlich nach den Schiffen, die draußen in der Bai ankerten, wohnte dort dem Gottesdienst bei, und kehrte am Abend wieder nach Akabani zurück. Es war wohlthuend, unter Kameraden und Schiffsgenossen von je sieben Tagen einen zuzubringen. X. Jeddo. Charakter der Stadt. Wohnungen der Daimios oder Fürsten. Das Schloß des Kaisers. Die Prinzcnstadt. Die Tempel. Die Brücken. Niphon-bas. Die Zahl der Einwohner. Straßen und Märkte. Umgegend. Thcegärten. Die Bevölkerung in den Straßen. Gründe der Mißstimmung gegen Fremde. Ermordung des Gotairo oder Regenten. Akabani, Yeddo (Japan), 11. Oct. Ueber einen Monat ist es nun, seit die Gesandtschaft in Deddo installirt ist. Seit dieser Zeit hat der Gesandte eine Anzahl von Besuchen der beiden Gouverneure von Aebdo empfangen und zwei Conferenzen mit den kaiserlichen Ministern gehabt. Eine früher gehegte Ueberzeugung habe ich noch nicht geändert und hoffe, daß, nachdem eine Anzahl theils langwelliger, theils lästiger Formalitäten vorüber sind, ein Vertrag erzielt werden wird, der für jeden praktischen Zweck ebenso vollkommen genügen wird als die Verträge anderer Nationen. Vor der Hand ist es noch immer äußerst schwierig, wenn nicht unmöglich, sich genauere Kenntniß des Staatsund Familienlebens der Japaner sowie der innern Verhältnisse des Landes zu verschaffen. Ich glaube, daß der Hcinc, Weltreise. I. I 4 210 alte Kämpfer vor 200 Jahren ebenso wohl über diese Gegenstände unterrichtet war als heute die fremden Gesandten, die seit einigen Jahren in Mddo residiren. Zu jener Zeit war der Verkehr der Fremden größern Beschränkungen unterworfen als jetzt, die Gelegenheiten, etwas vom Lande zu sehen, waren selten, und kamen sie, so erlaubte eine eifersüchtige Ueberwachung nach vielen Sachen nur einen Blick aus der Ferne; hente bewegt man sich mit größerer Freiheit, und soweit eigene Anschauung geht, kann man sich einen ziemlich ausgedehnten Begriff von der physischen Natur des Landes und seiner Bewohner machen. Hiermit hat es aber ein Ende. Zu Kämpfer's und Thunberg's Zeiten gelang es manchmal, das Vertrauen einzelner Personen zu gewinnen, welche von den Fremden Kenntnisse zu erwerben wünschten, die sonst außer ihrem Bereich gelegen haben würden, und diese tauschten dieselben dann gegen Nachrichten über das Land ein; jetzt ist es den Japanern ein Leichtes, sich jedes Buch, das sie wünschen, zu verschaffen, jeden praktischen Unterricht, dessen sie zu bedürfen glauben, zu erlangen. Dazu scheint noch bei ihnen eine Ahnuug gekommen zu sein, daß mit den Fremden zu irgendeiner künftigen Periode ein feindlicher Zusammenstoß erfolgen werde, und waren sie früher aus Gehorsam gegen das Gesetz verschlossen, so suchen sie jetzt, getrieben von einem Gefühl der Selbstvertheidigung, die Ausländer über die innern Verhältnisse im Dunkeln zu lassen oder gar absichi> lich irre zu führen. Wer klar zu sehen versteht, mag sich auf seine eigenen Augen verlassen, alles Uebrige kann nur 211 mit der größten Vorsicht angenommen werden; Schlüsse und Folgerungen aus dem Gehörten zu ziehen, wird stets viele Irrthümer zur Folge haben. Die reichsten, positivsten Resultate von Forschungen werden in dieser Erpedition wahrscheinlich die Herren Fachge> lehrten erzielen; es ist bisher noch selten jemand das Glück zu Theil geworden, so ungestört und unbeschränkt Beobachtungen anstellen zu können, und die gelehrten Mitglieder der Expedition werden sicher eine solche Gelegenheit wohl benutzeu. Modo, die kaiserliche Nesidenz, liegt zwischen 35° und 36° nördl. Br. und zwischen 139° und 140° östlich von Greenwich, am obern Ende einer 60 Miles langen Bai in einer von einzelnen Hügeln unterbrochenen Ebene, durch die zwei große Flüsse sich winden, deren einer, von Osten kommend, sich in die Bai ergießt, der andere kleinere von Norden her den Schloßgraben füllt, und auf eiuem Umweg gleichfalls in die See fließt. Ueber den Ausfluß dieses letztern führt die bekannte „Niphon-bas" oder Brücke von Niphon, von der aus alle Entfernungen im Reiche gemessen werden. Ein drittes Flüßchen trennt Jeddo von der Vorstadt Sinagawa, und verschiedene kleine Bäche versehen die Kanäle der Stadt mit dem nöthigen Wasser. Wenn man London als eine Verschmelzung verschiedener großer Städte bezeichnen kann, so ist Jeddo mehr der Ber- *) Der mittels astronomischer Beobachtungen bestimmte Punkt ist der nördliche Landungsplcch vor dem Zollhaus in Muhaina 35° 25' 30" nörbl. Br. 139° 38' 12" östlich von Greenwich. 14* 212 schmelzung sehr vieler Dörfer ähnlich. Jeder Fürst Japans bringt einen Theil des Jahres in Mddo zu, und besitzt wenigstens ein Schloß, wenn man anders eine Anzahl in und um Gärten gelegener Gebäude so nennen kann. Diese machen meist keinen sehr imposanten Eindruck. Wegen der hier sehr häufigen Erdbeben haben die Häuser meist nur zwei Stockwerke, deren oberes sehr niedrig ist. Ein gewaltiges massives Portal bildet den Eingang; manchmal befinden sich deren auch zwei in der langen monotonen Fronte, die unten mit schwarzen Fliesen bekleidet und oben weiß getüncht ist. Die Ritzen zwischen den Fliesen find mit einem erhabenen weißen Stuckwerk überzogen, das sich netzförmig über die Wand zieht. Die Fenster beider Stockwerke sind etwa 4—5 Fuß lang, 3 —3V2 Fuß hoch, mit einem Gitter von Latten versehen und unterbrechen die Monotonie des Ganzen nur wenig. Ein Graben, manchmal nur wenige Fuß breit, manchmal breiter, umschließt das Ganze. Die meisten dieser Residenzen liegen ans Hügeln, oder wenigstens so, daß man von keiner benachbarten Höhe in das Innere sehen kann, einige wenige jedoch kann man theilweise überblicken. Bei diesen scheint es, als ob die Residenz des Hausherrn in einem besondern Gebäude gegen die Mitte zu befindlich sei, um das sich andere Gebände gruvpiren, die vermuthlich von den Personen seines Haushalts bewohnt, oder zu wirthschaftlichen Zwecken benutzt werden. Eine oder mehrere Reitbahnen fehlen nie, in denen man des Morgens gewöhnlich eine Anzahl munterer kleiner Pferde herumtrotten sieht. Manchmal umgibt das Hanptgebäude 213 ein großer Park, oder er stößt au dasselbe; da jedoch, wo das beschränktere Terrain einen solchen ^uxus nicht erlaubt, sind in den verschiedenen Höfen kleinere Miniaturgärtchen angelegt, mit kleinen Teichen voller Goldfischchen, Insclchen von 5 Quadratfuß Flächenranm, bepflanzt mit Stränchcrn, welche die Formen hoher alter Cedcrn in einer Dimension von 15 Zoll über dem Wasserspiegel wiedergeben. Anch Felsen von pittoresker Form fehlen nicht, in welche diese Ricsenbäume ihre Wurzeln klammern; besonders ragt stets auf dem einen Ende des Eilands eine 2—A Fuß hohe steile Felsenklippe empor, von der sich unglücklich Liebende in die unten rauschende 10 Zoll tiefe Flut stürzen können, in welcher sie vielleicht umkommen, wenn nicht über die 1 Fuß lange, 6 Zoll breite Brücke jemand zu ihrer Hülfe herbeieilt, oder die Mannschaft einer einige Zoll großen Gondel sie dem feuchten Grab entreißt. Die Zahl derartiger Residenzen ist sehr groß, und da sick) viele derselben in den verschiedenen oft entlegenen Theilen der Stadt befinden, so ist selbst eine oberflächliche Abschätzung sehr schwierig. Manche davon sollen von 4—5000 Personen bewohnt werden, und verschiedene der Prinzen deren mehr als eine haben. So wird gesagt, daß der Prinz von Satzuma nicht weniger als dreizehn solcher Schlösser in Yeddo besitze, die von 70—80000 Personen bewohnt seien, was nach den gewöhnlichen statistischen Annahmen die Zahl der zu seiner Verfügung stehenden waffenfähigen — hier gleichbedeutend mit bewaffneten — Männer auf 20-30000 bringen würde. So bilden die Damnos oder Fürsten in 214 Jeddo neben der Regierung eine zweite Macht, die, wenn sie sich alle zu einer organisirten Opposition verbünden würden, den Truppen des Kaisers numerisch weit überlegen wären. Hiervon am geeigneten Orte mehr. Den Kern der Stadt bildet ein Polygon, das mit Mauern, Wällen und einem etwa 50 Schritt breiten Graben umgeben ist, an der Westseite des großen Flusses Toda-gawa nahe der Mündung beginnend. Die nördliche Seite erstreckt sich gleichfalls bis zum Flusse, etwa 3 Miles nördlich von der Mündung; die Ausdehnung von Osten nach Westen mag etwa 5 Miles fein. Innerhalb dieser Umwallung, und zwar etwas von der Mitte, steht auf einem Hügel, gleichfalls mit Wällen umgeben und durch einen etwa 160 Schritt breiten nnd halb so tiefen Graben geschützt, die Citadelle oder Burg des Kaisers, an die östlich und tiefer liegend die durch eine besondere Umwallung geschützte Prinzenstadt sich schließt, in welcher die verschiedenen Minister ihre Oeschäftslokale haben. Zwischen dem ersten und dem zweiten Graben befinden sich sehr viele Residenzen von Fürsten sowie Wohnungen von allerhand Hofbeamten, die in regelmäßigen Straßen sich aneinander reihen. Der westliche höher gelegene Theil scheint von vornehmern Personen bewohnt zu sein als der tiefer liegende östliche, der nach dem Wasser zu in Reihen von Verkaufsläden und Fischerwohnuugen endet. Es scheinen selbst diese Leute mehr oder minder mit dem Schloß in Verbindung zu stehen, vielleicht verfehen sie die Bewohner desselben mit den nöthigen Lebensbedürfnissen. Die Straßen und Plätze 215 dieses Stadttheils sind häufig mit ambulanten Buden befetzt, in denen entweder Speisen und Getränke oder allerlei Firlefanz zum Verkauf ausgeboten wird, oder Wunder-doctoren, Gaukler und andere ähnliche Leute ihre Künste produciren. Die Bewohner dieses Viertels sind augenscheinlich hochmüthigcr und manchmal auch frecher in ihrem Benehmen als andere, man sieht hier zuweilen Betrunkene, und im allgemeinen thut man vielleicht wohl daran, diese Gegend nur dann zu besuchen, wenn mau es nicht umgehen kann, denn man begegnet sehr häufig Zügen von Damnos, die nach Hofe gehen oder von daher kommen, und denen man am besten ausweicht. Im Iunern der Citadelle sollen sich noch zwei runde Aefestigungswcrke befinden, zu denen man auf einer hohen Brücke gelaugt, und die dem Kaiser nebst den kaiserlichen Prinzen zum Aufenthalt dienen. Die Beschreibung dieses Theils soll erfolgen, wenn ich Gelegenheit gehabt habe denselben zu sehen. Die Festuugswerke siud aus polygonisch geformten Felsblöcken, oft von gewaltigen Dimensionen, erbaut, die aber weder mit Mörtel noch mit Klammern oder andern Bindemitteln aneinander befestigt sind. Man fagt, daß sie auf diese Weise den hier häufig vorkommenden Erdstößen besser widerstehen. Der Tempel uud klosterartigen Priesterwohnungen gibt es eine unglaublich große Anzahl. Auf einem Plan von Veddo sind diese, nebst den dazu gehörigen Ländereien, roth gemalt, und es scheint, als ob sie beinahe den vierten Theil 216 der Häusermasse ausmachen. Diese Tempel bestehen gewöhnlich ans fünf Gebäuden, d. h. zwei Portalm, davon das eine innere größer als das änßere ist, dann rechts ein Gebäude, das mau mir als Bibliothek bezeichnete, und links ein anderes ähnliches, in dem die bei Festen nöthigen Geräthschaften aufbewahrt werden. Der Tempel selbst steht dem großen Portal gegenüber, und die Wohnungen der Priester stoßen daran oder machen einen Theil davon aus. Diese Anordnung wird durch Terrainverhältnisse unendlich variirt; manchmal muß auf einem kleinen Namn dasselbe Gebäude zu mehreren Zwecken dienen, manchmal ist eine ganze Gruppe zum selben Zweck benutzt. In einigen Tempelanlagen bilden die Wohnungen der Priester eine kleine Stadt, in andern hat ein einzelner seine Wohnstätte in irgendeinem Winkel aufgeschlagen. Die meisten dieser Tempel sind sehr schön gelegen und von manchen hat man eine herrliche Aussicht auf die Stadt oder einen Theil derselben. Ein Hügel, Attago-Mma oder Attango-Iama, nicht weit von der Residenz der Gesandtschaft gelegen, bietet ein weites Panorama; allein der Anblick wird dadurch sehr monoton, daß, mit Ansnahme der kaiserlichen Burg, einiger wenigen großen Tempel und der in allen Theilen errichteten kleinen unansehnlichen Thürme für Feuerwachen, die langen gleichförmigen Linien der Dächer gar nicht unterbrochen werden. Die längste Straße ist die, welche von Nagasaki durch Mddo bis zum fernsten Norden Niphons führt. Durch die Porstadt Sinagawa längs dem Meeresufer hinleitend, 217 wendet sie sich dann, führt in einer Entfernung von 6— 800 Schritt längs dem äußern Wall der Prinzenstadt hin, und nachdem sie anf einer großen Brücke den Fluß gekreuzt, verläßt sie die Stadt am Nordend''. Da, wo diese Straße den Ausfluß des Schloßgrabens kreuzt, befindet sich die vielgenannte Brücke Niphon-bas, die den Mittelpunkt des Reichs bildet, von dem alle Entfernungen gemessen werden. Sie ist 137 Fuß lang, 21 Fuß breit, und gleicht in allem Uebrigen jeder japanischen Brücke. Die Zahl der Brücken in Jeddo ist außerordentlich groß, denn die vielen Straßen sind sehr häufig von Kanälen oder Bächen durchschnitten; über den Hauptfluß Toba-gawa, der an der breitesten Stelle etwa 500 Schritt messen mag, führen innerhalb der Stadt vier Brücken. Diese sind sämmtlich ans Holz erbaut. Jeder Pfeiler wird aus drei, fünf oder manchmal auch mehr Balken gebildet, je nach der Breite der Brücke. Diese sind in einer Reihe in der Richtung des Stroms so eingerammt, daß der mittlere senkrecht steht, während die äußern sich etwas nach innen neigen. Ein oder zwei Balken übereinander gelegt bilden die oberste Verbindung, die unten dicht über dem Wasser wiederholt wird. Ragen die Balken sehr hoch aus dem Wasser, so werden noch eine oder mehrere Verbindungen gegen die, Mitte zu gemacht und durch Kreuzverbände gestärkt. Anf diesem Unterbau spaunt sich nun die Brücke in >emem einzigen Bogen, gleichviel wie groß die Spannweite sei. Aus starken Pfosten auf die hohe Seite gestellt, hat man die Form des Bogens hergestellt, darüber eine Seiten- 218 Verbindung gelegt, und das Ganze abgeplankt. Da die Ströme in diesem Breitengrad selten nnd auch dann nur leichtes Eis führen, so scheint diese Structur von genügender Stärke. Im dritten Band von Commodore Ringgold und Rodger's Expedition habe ich eine Ansicht von Jeddo beigefügt. Diese ist einer japanischen Originalzeichnung entnommen, welche ich während Commodore Perry's Aufenthalt in Jokuhama kaufte, und die ich als Facsimile ver^ öffeutlicht zu sehen wünschte. Der Zeichner hat beim Uebertragen auf den Holzblock manche Veränderungen angebracht, die mir erst zu Gesicht kamen, als das Buch bereits erschienen. Die darin abgebildete Brücke ist die zweite vou semer Müuduug über deu Toda-gawa gesvaunte, und heißt Ohazhi. Die obenbeschriebeue Construction läßt sich in derselben erkennen. Die Zahl der Einwohner vou Jeddo wird vou verschiedenen Schriftstellern auf zwei Millionen angegeben. Ich kann nicht entdecken, wie es möglich ist, zu irgendeinem bestimmten statistifchen Resultat zu gelangen. Einen großen — wenn nicht den größten — Theil der Bevölkerung bilden die Insassen jener Residenzen der Daimios, von denen jeder allein die Zahl seiner Untergebenen kennt. Einen Census kann die Regierung von ihnen nicht aufnehmen lassen, denn kein Negierungsbeamtcr darf die Residenz ohne Bewilligung des Hausherrn betreten, der zu eifersüchtig auf seine Rechte ist, um etwas Derartiges zu gestatten. Es ist mir nicht bekannt, ob ein Census über den Rest dev Einwohner regelmäßig aufgenommen wird; wahrscheinlich ge- 219 schieht es, und möglicherweise ist auch das Resultat in die Hände von Fremden gelangt. Nimmt mau au, daß die Daimios und ihr Gefolge die Hälfte der Einwohnerzahl ausmachen, so braucht man dann nur den Regierungscensus zu verdoppeln, allein alles dieses beruht zu sehr auf Hypothesen, um für positiv geuommen zu werden. Die Stadt ist sehr groß, und die Menschenmenge in den Straßen oft dicht, dennoch aber sollte ich glauben, daß die Einwohnerzahl eher unter zwei Millionen ist als darüber. Lasten transportirt man in Mcddo theils auf den Schultern von Menschen, theils auf Packpfcrdcu, theils auf zwei-räderigen Karren, von Büffeln gezogen; eine große Erleichterung aber für den Transport der Lebensbedürfnisse einer so zahlreichen Bevölkerung bilden die verschiedenen Flüsse, Bäche und Kanäle, welche die Stadt in verschiedenen Richtungen dnrchschneiden, uud die von zahlreichen Booten befahren werden. Märkte in der Art, wie sie in Enropa üblich sind, scheinen nicht gebräuchlich zu sein, allein m dcu meisten Straßen befinden sich Verkaufsläden, wo Lebensmittel theils im Naturzustand, theils zur Verspcisung vorbereitet zu haben sind. Besonders ist eine Art kleiner Garküchen sehr beliebt, m denen der Koch oder die Köchin unter einem kleinen Dach immer einen Vorrath gebratener Fische oder anderer Seethiere, zubereitete Gemüse und allerlei niedliche, oft ganz lecker aussehende Gebäcke, Neisknchen oder sonstige Siebensachen auf reinlichen Strohmatten oder einer Schicht grüner Blatter ausgestellt hat, daneben ein kleines Kohlenfeucrchen 220 munter schürt, um neue Vorräthe zu bereiten, und mit dem Fächer, mit dem die Glut angefacht wird/ von Zeit zu Zeit auf die flache Hand klappt, um die Aufmerksamkeit der Vorübergehenden auf die Anstalt zu lenken. Bei vielen dieser Eßwaaren ist allerdings für eiuen Fremden das Aussehen die beste Seite derselben; die einen als Brot, die andern als Reiskuchen sind meist zäh, stecken schwer in den Zähnen und noch schwerer im Magen; die Fische haben manchmal zn viel Imut Font für nicht daran gewöhnte Mägen, die Seegräser und andere Algen dünken einem fad und oft unangenehm, nnd das Zuckerwerk besteht meist aus einem Klumpeu kleberigen Teigs mit einer dünnen buntgcfärbten Schichte von Zucker überzogen. Viele, vielleicht die meisten der Straßen Jeddos, mit Ausnahme des Priuzenviertels, sind mit Thoren versehen, die bei Feuersbrünsten, Volksaufläufen und andern Gelegenheiten verschlossen werden können, um den Andrang einer zu großen Menschenmenge zu verhüten; neben den meisten befindet sich ein Wachthäuschen, in dem sich mehrere Bewaffnete aufhalteu. Anstalten zum Löscheu von Feuers--brünsten sind getroffen, indem außer den bereits erwähnten Wachtthürmen, in deren Nähe sich Alarmglocken befinden, über die ganze Stadt Posten von Feuerlöschmannschaften vertheilt sind, mit Spritzen, Eimern, Leitern, Feuerhaken und andern nöthigen Gerathen wohlverseheu. Anßerdem eilt jeder in der Nähe befindliche Beamte mit seiner Mannschaft herbei, bei großer Gefahr sogar die Daimios, denn eine Feuersbrunst zu löschen gilt für eine große Ehre. Diese 221 Leute tragen bei solchen Gelegenheiten eiserne Helme mit langer daran befestigter Rückendccke und einen großen Mantel aus Leder, oder einer sehr guten Nachahmung von Lcder, das einen großen Hitzgrad aushalten soll. Das Südwesteude der Stadt bildet die Vorstadt Sina-gawa, aus einer einzigen Straße bestehend, die, längs einer Hügelreihe hinlaufeud, auf jeder Seite eine einzige Reihe Häuser hat. Hier sind eiue Menge Wirthschaften, meist mit einer Veranda nach der Seeseite zu Verseheu, wo mancherlei Leute einige Stundeu zubringen, um die kühle Seebrise und schöne Aussicht zu genießen. Auch der sogenannten Theehäufer gibt es hier viele. Da ich in einem frühern Werke „Japan und feine Bewohner" Kämpfer's Beschreibung derselben im Auszug gegeben, so übergehe ich sie. In diesem Stadttheil gibt es gleichfalls gegen Abend viele Betrunkene, und es ist für den Fremden rathsamer, diese Gegend zu vermeiden. Die Umgegend von Ueddo ist sehr wildreich, besonders an jagdbaren Vögeln; fast alle kleinen Gebüsche euthalten Fasane verschiedener Art; Schnepfen sind häufig, uud schon jetzt fangen Enten und wilde Gänse an in großen Schwärmen vorüberzuziehen. Während des Winters sieht man sie in den Gräben des Schlosses, auf deu kleinen Bächen und Teichen der Stadt und in den Kirchhöfen uud Hainen in der Nähe der Tempel. Ein einziger Tag würde emen guten Schützen mit trefflicher Jagdbeute lohnen; allein leider ist ein solches Vergnügen dem Fremden versagt. Mit Ausnahme des Kaisers darf innerhalb 25 Meilen vom kaiser- 222 lichen Schloß niemand Wild todten. Nur der Kaiser oder Tai-kun (erhabener Herrscher) hält einmal im Jahr eine große Reiherbeize mit Falken, die diesmal kurz vor unserer Ankunft stattfand. An verschiedenen romantisch gelegenen Orten der Umgegend gibt es auch Lustgärten verbunden mit Theehäusern, die je nach ihrer Beschaffenheit von den niedern oder Mittelklassen besucht werden, um hier eiue Art Pickeuick zu feiern. Die hohe Aristokratie bleibt, soviel sich aus ihren Sitten schließen läßt, derartigen Orten wol gänzlich fern, denn die Damnos besitzen alles, was sie bieten, in viel vollkommenerer Weise in ihren eigenen Residenzen, die sie, außer bei offt-ciellen Gelegenheiten, oder wenn sie in ihre Provinzen reifen, wol nie verlassen. Besuche sollen sie einander nur äußerst selten machen, theils weil wahrscheinlich eine gewisse Eifersucht zwischen ihnen herrscht, theils vielleicht, weil die Regierung ihre Handlungen sehr sorgfältig überwacht, stets Verschwörungen witternd, welche, wenn sie wirklich stattfinden, die verstohlensten Zusammenkünfte nöthig machen. Akabani, 13. Oct. Geht ober reitet man durch die Straßen von Jeddo, so ist es nicht uninteressant, die Physiognomien der Leute zu beobachten und den Eindruck, welchen das Erscheinen von Fremden auf sie macht. Ein großer Theil, manchmal bei 223 weitem der größte, blickt uns gleichgültig an und fetzt die eben unterbrochene Arbeit sogleich wieder fort, oder läßt sich manchmal in feiner gewöhnlichen Beschäftigung durch das Erscheinen der Fremden gar nicht stören. Andere nehmen anscheinend ein großes Interesse an der neuen Erscheinung. Die Stoffe der Kleider, der Schnitt derselben, die europäischen Sattelzeuge, die Art, zu Pferde zu fitzen, die fremde Sprache sind für ihre Kritik offene Gegenstände, und diese spricht sich meist dnrch lautes, schallendes Gelächter aus. Ein dankbares Publikum sind diese Leute in der That: man spricht ein fremdes Wort oder auch ein japanisches mit fremder Aussprache, mau steigt auf der liuken Seite zu Pferde und nicht auf der rechten, wie die Japaner, man steckt feinen Kopf nnter daS fchwarze Tnch, womit das photographische Instrument bedeckt ist, — und alles wird als ein ausgezeichneter Witz kräftigst belacht. Dies ist besonders der Fall jenseit des Flusses Toda-gawa, wo Fremde vorher selten oder nie hingekommen sind. Manchmal aber, und sogar uicht selten, trifft man auf Leute, die einen weder mit Gleichgültigkeit, noch mit gutmüthiger Neugierde betrachten, fondern in deren Blicken, auch ohne genane Kenntniß der japanischen Sprache, sich deutlich der Wunsch lesen läßt, daß die fremden Eindringlinge fich auf irgendeinem andern Theil der Erde befinden möchten als anf den heiligen Küsten Niphons. Soviel sich aus ihrer Gesichts- und Körperbildung oder Kleidung schließen läßt, gehören diese Leute meist dem Gefolge der verschiedenen Daimios oder Fürsten an, oder diese selbst sind 224 in dieser Klasse inbegriffen. Der Grund dazu ist auch nicht schwer aufzufinden; vielleicht ist es folgender: Der Erport durch fremde Kausieute ist, trotz der kurzen Zeit, seit welcher der Handel eröffnet worden, bereits alljährlich ein ziemlich bedeutender; dadurch sind in den betreffenden Di-stricten die Preise verschiedener Artikel um mehr als das Doppelte gestiegen. Inwieweit der Producent oder der Verkäufer dieser Sachen dadurch profitirt, weiß man nicht; es ist aber anzunehmen, daß die Regierung einen großen, wenn nicht den größten Theil des Gewinns auf directe oder indirecte Weise abforbirt. Die Fürsten und Beamten sollen einen großen Theil ihres Einkommens in Producten empfangen, die sie verwerthen und davon ihre Ansgaben bcstreiten. Viele — wenn nicht alle — ihrer Untergebenen empfangen neben ihrer Verpflegung etwas Geld uud verschiedene Gegenstände, wie Kleidung, Thee n. s. w., oder eine Geldsumme, die dem Werthe dieser Sachen entsprechen soll. Dadurch, daß nun mancher Artikel, vielleicht hauptsächlich Thee, Seide und andere Stoffe, bedeutend im Preise gestiegen sind, entsteht eine Differenz in der Rechnung diefer Leute, die in einem Deficit auf der einen oder der andern Seite endet. Der Daimio oder hohe Beamte, der bis jetzt im Stande war, seinen Untergebenen alljährlich drei neue Anzüge zu geben, kann jetzt mit der dazu nöthigen Summe nur zwei taufen; er muß also entweder mehr Geld ausgeben oder seine Untergebenen kürzer halten — beides gleich unangenehm für einen Daimio, d6r somit keinen Grund hat, mit der Gegenwart der Fremden zufrieden 235 zu sein. Der Mann, welcher statt dreier Gewänder jährlich nur zwei empfängt und seinen Thee theuerer bezahlen muß oder weniger trinken kann, ist wahrscheinlich mit diesem Wechsel auch nicht zufrieden, und so mag wol eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Personen exMren, die sämmtliche Neuerungen in den Schwefelpfuhl wünschen. Bei der Macht und dem Einflüsse, den die Daimios besitzen, bildet diese Partei der Unzufriedenen einen nicht ganz unbedeutenden Factor in der Ordnung der öffentlichen Angelegenheiten. Die öffentlichen Einnahmen werden durch die Zölle, welche für Ein- und Ausfuhr festgestellt sind, vielleicht etwas vergrößert; eine Anzahl von Perfvnen haben wahrscheinlich auch einen directen oder indirectcn Bortheil aus dem Verkehr mit den Fremden; allein es scheint, als ob die Zahl und der Einfluß derselben geringer sei als die der Unzufriedenen. Denn da Ueddo durch den bereits ziemlich bedeutenden Handel von Zokuhama wegen seiner großen Nähe von letzterm Orte nicht unwesentlich beeinflußt wird, alle Fürsten, Daimios und hohm Staatsbeamten aber wenigstens sechs Monate in jedem Jahr hier zubringen, so werden beinahe alle zn den obersten Klassen des Landes Gehörigen von diesem Wechsel berührt. Die Untergebenen von gewissen Daimios zeichnen sich durch eine größere Insolenz gegen Fremde ans als andere Personen, und von vielen wird der Fürst von Mito als das Haupt der Unzufriedenen bezeichnet, auf dessen Anstiften die verschiedenen bisjetzt vorgekommenen Ermordungen statt- Heine. Nowise. I. 15 226 gefunden haben, unter deren Opfern sich sogar der Gotairo oder Regent des Landes, Mikamon no Kami, befand. Auch in dieser Angelegenheit ist es unendlich schwer, den wahren Sachverhalt festzustellen; nach sorgfältigen Erkundigungen und in Anbetracht der Umstände stellen sich mir die Vorfälle ungefähr folgendermaßen dar: Der letzte Kaifer, Siogoun oder Tai-Kcun, wie er in der Hofsprache genannt wird, war stets kränklich, epileptischen Zufällen ausgesetzt, und starb kinderlos. Für einen solchen Fall erheischt ein altes Gesetz, daß ein Thronerbe von kaiserlichem Blut gewählt werde, und die Wahl soll auf die Mitglieder dreier fürstlichen Familien beschränkt sein, die alle in gerader Linie von Iyeyas, dem Gründer der herrschenden Dynastie, abstammen. Im gegenwärtigen Falle waren die rivalisirenden Candidaten für den Thron der Sohn des Fürsten von Mito und der Sohn des Fürsten von Khizhiu (nicht mit Kiusiu zu verwechselu). Der letztgenannte Prinz, ein Jüngling von sechzehn Jahren, trug den Sieg über feinen Nebenbuhler davon; da er aber noch minderjährig war, so behielt der Gotairo oder Regent die Zügel der Negierung in den Händen. Um die Zeit, wo diese Intriguen stattfanden, ankerte eine starke russische Flotte in Kanagawa. Die Idee liegt nicht zu fern, daß der Fürst von Mito, der seines Sohnes Niederlage voraussah, da der Gotairo seinen Rivalen begünstigte, gedacht haben mag, daß, wenn es möglich sei, einen Conflict zwischen der Regierung und den Fremden herbeizuführen, er in der daraus entspringenden Verwirrung seinen Sohn auf 227 den Thron setzen könne. Es scheint unter den hier wohnhaften Fremden wenig Zweifel darüber zn herrschen, daß die Mörder im Dienst des Fürsten von Mito standen. Drei Russen nnd zwei Holländer waren die Opfer, allein der erwartete Conflict fand nicht statt, und es scheint, als ob bei den später stattgefundenen Untersuchungen der Fürst von Mito arg compromittirt gefunden worden sei; denn bald darauf übergab er die Regierung seiner Provinz seinem Sohn und zog sich in das Privatleben zurück. Der nächste Act in der Tragödie war die Ermordung des Regenten (Gotairo), die vor etwas weniger als einem Jahre stattfand. Als derselbe sich eines Tages von seiner Wohnung auf dem Wege durch das Prinzenviertel befand, stellte sich nicht weit von dem Gebäude, das der Staatsminister bewohnt, eine kleine Anzahl von Leuten dem Zug in den Weg. Diese waren als Reisende verkleidet, trugen aber unter ihren Ueberröcken Panzerhemden. Die Schwerter ziehend, machten sie den Führern des Zuges den Weg streitig, und ein großer Theil der den Norimon oder Tragsessel des Gotairo umgebenden Bewaffneten lief nach vorn, sodaß diefer augenblicklich von allen Vertheidigern entblößt war. Diesen Moment benutzte ein anderer Theil der Verschworenen: sie öffneten den Norimon, tödtcten den Gotairo und schnitten ihm den Kopf ab, den einer der Verschworenen schnell unter dem Mantel verbarg, während ein zweiter, den Kopf eines Getödteten vom Gefolge hoch emporhaltend, diesen für den des Regenten ausgab, alle Aufmerksamkeit auf sich zog und dadurch den Rückzug des Mörders deckte. 15* 228 Mit Ausnahme von dreien gelang es allen Verschworenen, zu entkommen; diese, sobald sie sich umstellt sahen, übten sogleich die Nara-Kirri, d. h. schützten sich den Leib auf, und entrannen so der Strafe. Man fand, daß der Mörder mit dem stopfe durch ein Thor gelaufen, dessen Wächter dafür, daß er ihn nicht aufgehalten, der Kopf abgeschlagen wurde. Weiter konnte man seine Spur nicht verfolgen. Dies scheint nach den besten Erkundigungen, die ich darüber einziehen konnte, der Thatbestand der Sache zu sein; über die Art aber, wie die Leute zu diesem tolleu Entschlüsse gebracht wurden, sind Gerüchte verschiedener Art in Umlauf. Die romantische Version ist, daß eine Anzahl von zum Haushalte des Fürsten von Mito gehörigen Personen, als sie die Ungnade ihres Herrn sahen, ergrissen vom tiefsten Vasallenschmerz, beschlossen, diesen zu rächen. Andere wollen wissen, der Fürst habe eines Tages seine Untergebene« um sich versammelt, ihnen erklärt, daß jetzt, wo er nicht mehr Regent seiner Provinz sei, seine Armuth ihm nicht mehr möglich mache, für sie zu sorgen; dies sei die Schuld des Gotairo, seines größten Feindes; könne er den Kopf dieses Mannes zu seinen Füßen sehen, so würde er im Stande sein, seine Anhänger für ihre treuen Dienste zu belohnen. Ein dritter, vielleicht nicht unwahrscheinlicher Bericht über den Vorfall ist, daß eine Anzahl früher zum Haushalt des Fürsten gehöriger Leute, die wegeu schlechten Betragens sich in einer bedrückten Lage befanden, glaubten, daß sie durch diesen Mord ihren alten Herrn ins Regiment, sich selbst aber in Amt und Ehren bringen könnten. Als die Ex- 229 pedition in Mddo anlangte, verlautete das Gerücht, der Fürst von Mito habe sich in eine Bergfeste zurückgezogen und spreche der Regierung, die ihn aufgefordert, sich zu ergeben, Hohn, worauf das Gouvernement ihm angezeigt, daß man ihn mit Gewalt zur Rechenschaft ziehen werde. Vor einigen Tagen ward dem Gesandten mitgetheilt, daß wegen des Todes des Fürsten von Mito acht Tage lang Trauer gehalten werde und während dieser Zeit keine Ge^ fchäfte in Angriff genommen werden könnten. Ob nun der hohe Attentäter mit Gewalt aus seiner Bergfeste geholt, ob er sich freiwillig gestellt, ob er, was vielleicht der nächste, wahrscheinlichste Fall sein dürfte, die Ilara-Icirri begangen, um durch einen Kaiferschnitt den Regentenmord zu büßen, alles dies ruht im gewöhnlichen javanischen mysteriösen Nebel. Ein merkwürdiger Fall bleibt es in einer so belebten Stadt mit einem so ausgedehnten Polizeisystem, daß eine Hand voll Menschen, vielleicht 30 oder 40 an der Zahl, in dem exklusivsten Stadtviertel, in der Mitte des Tages, den Zug des ersten Magistrats, in dessen Gefolge sich drei Daimios mit mehreren hundert Bewaffneten befanden, anhalten und einen so hochgestellten Mann ermorden kann, beinahe alle entkommen, und niemand eine Psiichtveruachläffigung bewiefen werden kann als einem einzigen Thorwächter. XI. Umgebungen von Deddo. Photographie unter Schwierigkeiten. Sinagawa. Befestigungen. Die Richtstätte. Das Wirthshaus von Omori. Die Kaisergräber am Ikegami. Vjunizho. Odzhi. Der Fuchstempel. Pickenickpartien'. ' Nachdem während der ersten Tage die Stadt Jeddo und die Umgegend zu Pferd oder zu Fuß nach verschiedenen Richtungen durchstrichen waren, um einen Ueberblick über das Ganze zu gewinnen, begann die Arbeit. Für manche, besonders landschaftliche Gegenstände, reichten Zeichnungen aus, für die manchmal ziemlich complicate Architektur und Blicke über die Stadt war es nöthig, zur Photographie seine Zuflucht zu nehmen. Die ersten Gegenstände, welchen in diesem Fach Aufmerksamkeit gewidmet ward, waren verschiedene Tempel, theils ihrer ethnologischen Bedeutung halber, theils wegen ihrer pittoresken Form und Lage. Englische oder französische Photographen, welche vorher Aeddo besucht, waren bei solchen Arbeiten auf Widerstand gestoßen, der fie auf die von den verschiedenen Gesandten 231 bewohnten Tempel beschränkte; allein dies war kein Grund, um nicht wenigstens einen Versnch zu machen, ausgedehntere Resultate zu erlangen. Der erste Besuch galt dem L)e-taizhi-ma Hat-shü-man Mia, einem Sintutempel im östlichen Theil der Stadt; diese Sekte ist toleranter in ihren Principien, deshalb war hier weniger Widerstand zu erwarten. In der That war es auch so. Die Beamten, welche Akabani bewohnen und durch die alle unsere Bestellungen gemacht wurden, beorderten zur bestimmten Zeit vier Lastträger, das Zelt nebst Instrumenten zu tragen, sowie drei Jackunins oder kaiserliche Soldaten, um Neugierige von uns fern zu halten. Angelangt, ward das Zelt aufgeschlagen, und die Operationen begannen inmitten einer großen Volksmenge. Diese von uns fern zu halten, würde uns und den Jackunins allein schwer gefallen sein, allein gleich nach unserer Ankunft erschienen verschiedene wahrscheinlich zur Polizei gehörende Personen oder Ottonas (Gassenvorsteher), gefolgt von einer Anzahl von Constablern oder Polizeileuten mit ihren langen eisernen Stäben, daran oben eine Anzahl Ringe klapperten, sobald sie den Stab auf die Erde stießen, was bei jedem Schritt geschah. Diese Leute grenzten mit Stöcken den Naum um das Zelt sowie um den aufzunehmenden Gegenstand ab, sodah ohne Störung eine Anzahl Bilder aufgenommen werden konnte. Bei einem zweiten Ausflug nach dem Tempel Gohiak-Rakan oder Gohiak-Lakan in Hendzio, gleichfalls einer Borstadt an der Ostseite von Vcddo, ward mit gleichem Erfolg 232 gearbeitet und eine Anzahl Bilder erlangt, nüt weniger Schwierigkeit als in dcn belebten Straßen einer großen europäischen oder amerikanischen Stadt. Dieser Tempel wird auch manchmal der Tempel der 500 Bildsäulen genannt, von 500 plastischen Darstellungen Buddha's, die hier aufbewahrt werden. Diese stellen den Gott in allen möglichen Stellungen dar, von der einfachen, nachdenkenden des fürstlichen Göttersohnes an, der, nachdem er die Eitelkeiten der Welt durchgekostet, zum Philosophen wird; die Kasteiung und das ascetische Leben des spätern Propheten, seine Versuchung und Sieg über dcn Versucher, die Offenbarungen, die ihm geworden; dcn Antritt seines Propheten- und Lehramts, seinen heiligen Wandel auf Erden, seine endliche Vergötterung und die immer zunehmende Macht seiner göttlichen Kraft, letztere dnrch unzählige bei jedem folgenden Bilde in größerer Anzahl angebrachte Hände dargestellt, jede das Symbol irgendeiner Tugend oder einer Kundgebung göttlicher Kraft haltend. Diese Bildsäulen, theils aus Holz mit Vergoldung und Malerei, theils in Bronze dargestellt, befanden sich früher in zwei großen Gebäuden vou mehrereu Stockwerken und waren so aufgestellt, daß man, verschiedene Treppen und einen durch hölzerue Abgrenzungen bezeichneten, der Form des Gebäudes folgenden Gang entlang geführt, die verschiedenen Gestalten in chronologischer Ordnung sah, unter denen natürlich die jungfräuliche Mutter des Gottes nicht vergessen worden ist, sondern als Himmelskönigin thront. Ein Erdbeben hat den einen Tempel theilweise zerstört, den 233 andern arg beschädigt. Letzterer enthält noch die Statnen in ihrer ursprünglichen Ordnung, ersterer ist ganz verlassen und die früher in demselben befindlichen Götterbilder sind in einem leichtgebauten hölzernen Haufe aufbewahrt. Ich enthalte mich hier eines weitern Eingehens in die Wesenheit der Budbhalehre; wer sich dafür interessirt, kaun das dw sen Gegeustaud Betreffende in dem vortrefflichen Werk von Karl Friedrich Koppen: „Die Religion des Buddha nnd ihre Entstehung (Berlin, Ferdinand Schneider, 1857 nnd 1859)", finden, ein Buch, dem ich viele Belehrung und manche angenehme Stnnde verdanke. Die zerstörten Gebäude stellen die furchtbare Macht eines Erdbebens auf die anschaulichste Weise bar. Keine zwei Balken der ziemlich soliden Strucwr laufen parallel over stehen rechtwinkelig aufeinander; au manchen Stellen sind die schweren Ziegel des Daches wie Kartenblätter herabgeschüttelt, die Wände sind ganz oder theilweifc eingestürzt oder hängen in den verschiedensten Winkeln über. Auf der Ostseite des Hofes befiudet sich ein ziemlich großes Gebäude, in dem eine Anzahl Priester wohnen, die, so scheint mir, eine Art von Collegium oder Schule halten. Ein alter, freundlicher Glatzkopf, den ich in Ermangelung eines andern Namens als den Abt oder Vorsteher bezeichnen mnß, war sehr artig gegen mich und Hrn. B., den Photographen, lud uns in seine Wohnung ein und bewirthete uns mit solchen einfachen Sachen, als zur Hand waren, schrieb anch den Namen des Tempels auf meine Zeichnungen und drückte dcn Pilgerstempel darauf, waS zwar die Poesie des 234 Bildes zerstörte, allein vielleicht seinen Werth nicht verminderte. Unweit der Wohnung der Gesandtschaft in Akabani, im südwestlichen Theil von Modo, befindet sich ein langer Hügel, an dessen südlichem Ende die Begräbuißstätte der Kaiser liegt. Auf dem nördlichen Ende führt eine Straße über die Höhe, und nördlich von dieser liegt ein Tempel mit daranstoßendem Kirchhof. Von diesem Punkt hat man einen ziemlich ausgedehnten Blick über die Stadt und eine Reihe von offenen, leichtgebauten Häusern oder Schuppen mit Bänken darunter, wo man eine Tasse dünnen Thee haben kann; viele Leute scheinen hier gelegentlich eine oder einige Stunden zuzubringen. Ich wünschte gleichfalls hier eine Nundficht photographisch aufgenommen zu haben, und auch hier wurden Lastträger und Mckunins mit gleichör Bereitwilligkeit gestellt, jedoch dabei bemerkt, daß es nicht gestattet sei, das kaiserliche Schloß, welches man von diesem Punkt aus sehen könne, aufzunehmen oder zu zeichnen. Ich versprach, dies nicht zn thun, nud marschirte ab. Auf dem Attango-Dama, wie der Hügel genannt wird, angelangt, stellten wir Zelt nebst Apparat auf, und eben sollte die Arbeit beginnen, als der Priester des Tempels herbeikam, mit den Jackunins eine lebhafte Unterhaltung begann und diese mir schließlich zu verstehen gaben, daß ein un-übersteigliches Hinderniß nnsern Arbeiten im Wege stehe. Ich gesticulirte mit den Leuten eine geraume Zeit, während welcher Hr. B., den man über den Vorfall außer Acht gelassen, anfing, zu operiren. Als zuletzt die Leute dringend 235 wurden, schrieb ich in englischer Sprache auf einen Zettel: „Ich verstehe nicht, was die Leute wollen; schreiben Sie mir Ihr Anliegen!" und schickte einen Jackunin nach der Gesandtschaft zu dem Dolmetscher zurück. Dies schien die Leute etwas zu beruhigen, und man unterhielt mich nun mit einer Beschreibung, wie der Priester in schwere Strafen fallen würde, wenn ich Ansichten nähme; wie man ihn binden, ins Gefängniß werfen, ja fogar ihm den Kopf abschlagen würde. Ich legte mein lebhaftes Bedauern an den Tag, versinnbildlichte, wie ich ein solches Unglück beweinen würde :c., und unterhielt die Leute anf diese Weise noch eine Weile, während welcher Hr. B. weiter arbeitete. Man schien weniger darauf zu achten, ob er eine neue Platte in das Instrument schob, den Deckel vom Objectiv nahm, oder das Instrument drehte; nur in die Platte sehen durfte er nicht, dann gab es gleich Lärm. Die Ursache hiervon ward mir später klar. Jener Hügel liegt auf gleichem Niveau oder vielleicht auch etwas höher als die Burg des Kaisers, in deren Inneres man von da aus mit Hülfe eines guten Glases seheu kann. Den Leuten erschien der große Kasten mit seinem Objectiv von 4'/^ Zoll wahrscheinlich als ein Fernrohr neuer Construction; war es nicht möglich, mit demselben Sachen zu sehen, die die profanen Augen der Uneingeweihten nie erblicken durften? Es blieb nichts übrig, als aufs Gcrathewohl hin zu arbeiten. Das Instrument war eine vortreffliche Arbeit von E. Busch w Rathenow; so ward denn dasselbe nach ungefährer Abschätzung weiter gedreht und eine Platte hineingefchoben, die, 236 als sie genügend lange ausgestellt war, mit einer andern vertauscht wurde. Nach einiger Zeit erschien der nach Akabani zurückgeschickte Jackuniu mit folgendem Briefe, den ich seiner Orthographie nach wiedergebe: The law of this Temple (A-ta-go-ya-ma) is not Permit, that any man draw or sign some part of city or town, here upon this Temple. Thus you will not take potelet so-day and come return to the Legatie, then I will tell the reason of it to you. Fuckuchi in name of High officier. To William Heine, Esq. Das einzige Mittel, noch Zeit zn gewinnen, war, jetzt nach Akabani zurückzukehren; so „sprengt' ich denn dahin im Schritt, war bald in des Hofes Mitt', aber meiner Sendung noch lange nicht quitt." Es folgte eine lange Discussion über die Nothwendigkeit und Nützlichkeit, Panoramas von großen Städten zu nehmen, au deren Ende mir versprochen ward, die Sache dem Gouverneur vorzulegen, und daß, wenn dieser seine Einwillignng gebe, ich ungestört das Panorama nehmen könnte. Aller Vermuthung nach hatte jetzt Hr. B. die Hälfte des Panoramas fertig, die zweite Hälfte konnte erst am Nachmittag genommen werden, wenn die Sonne weiter westlich stand, deshalb entspann sich folgender Dialog: 237 Fremder: Ganz wohl; ich werde das Panorama nehmen, wenn der Gouverneur die Erlaubniß gibt; allein ist es auch versagt, das Portal des Tempels von innen oder von außen aufzunehmen? Dasselbe ist sehr schön, und ich wünsche es zu haben. (Berathung unter den japanischen Beamten, endlich antwortet): Dolmetscher: Nein, dies ist nicht untersagt. Fremder: Ganz gut, dann werde ich es nehmen; allein ich muß das Zelt nnd die andern Sachen auf dem Hügel lassen; kann dies geschehen? (Neue Berathung, dann): Dolmetscher: Ja, dies kann sein. Fremder: Ganz wohl; dann bitte ich, die Jackumns zu instrniren, daß ich das Thor von jeder Seite, die ich wünsche, aufnehmen kann, das Zelt auf dem Hügel lasse und man mich nicht weiter hindern dürfe. Dies geschah, und ich kehrte auf den Hügel zurück; das Portal ward von außen genommen nnd dann der Nachmittag abgewartet. Von dem Thore führte eine breite Treppe mit mehreren Ruheplätzen bis zur Spitze des Hügels. Als die passende Zeit erschienen, begannen wir das Portal von jedem der Ruheplätze ans immer höhern Punkten und von andern Richtungen zn nehmen, sodaß jedes Stück einen Theil des fehlenden Panoramas zeigte. Im Anfang ließen es die Yackumns ruhig geschehen, als aber der letzte Absatz erreicht war, erhoben sie Einsprache. Da erschienen im günstigsten Moment eine Anzahl Herren der Expedition im 238 Thorweg, blieben auf meine Sitte einen Augenblick stehen, und während die Leute auf sie blickten, ward das letzte Bild genommen. I^odatum 6»t. Bei mehr als einer Excursion ward der Flecken Omori berührt, den ich zuerst auf einem Ritt nach Kanagawa sah, da er etwa halbwegs zwischen diesem Ort und Aeddo an der Heerstraße liegend einen willkommenen Halteplatz bietet. Der Weg dahin führt durch die Vorstadt Sinagawa, dann eine kurze Strecke zwischen Feldern und dem Ufer der Bai, dann dasselbe verlassend in beinahe gerader Linie nach Kawasacky, einem großen Dorfe, jenseit eines Flusses gelegen, der für die Bewohner Jokuhamas die Grenze des Districts bildet, in dem sie sich bewegen. Verläßt man Akabani oder das Stadtviertel, in welchem die Gesandtschaft wohnt, so schlägt mau zuerst eiue südliche Richtung ein, bis man nach einer halben Mile den Strand erreicht, in der Nähe der Bootslandung; hier wendet man sich südwestlich auf der einzigen Straße längs dem Ufer. Am Anfange der Hügelkette, welche entlang dem Ufer sich dehnt, liegt ein ziemlich großer Tempel, davor ein Flaggenstock mit der französischen Tricolore; hier wohnt Monsieur de Bel-court, Charge d'affaires der französischen Regiernng. Die Häufer zu beiden Seiten werden von Handwerkern bewohnt oder enthalten Verkaufsläden, von denen besonders viele Eßwaareu feilbieten. Ungefähr 1 Mile vom Landungsplätze weht über einem Portal zur Rechten die englische Flagge; eine vielleicht 300 Schritt lange Allee führt zu einem zweiten Portal und von geräumigen Anlagen umgebenen Tempel- 239 gebäuden. Die zur Rechten des Tempels befindlichen Gebäude werden von Mr. Alcock und den zur englischen Gesandtschaft gehörigen Herren bewohnt, einer davon aber, Mr. G., hat sich ein kleines auf der Spitze des Hügels gelegenes Häuschen gemiethet, das er auf die geschmackvollste, comfortabelste Weise eingerichtet hat. Aus dem Gärtchen an diesem Hause hat man einen lieblichen Blick über die Bal, auf der andern Seite aber steht man am Rande des Hügels über einem ausgedehnten Grabfelde, meist Familiengräber vornehmer Personen enthaltend, die, malerisch unter gewaltigen Bäumen gelegen, die schönste Anlage dieser Art bilden, die ich in Japan gesehen. Dicht neben diesem Tempel befindet sich eine umfangreiche Besitzung des Prinzen von Satzuma, dieses reichsten aller japanischen Großen; außer den hohen Bäumen der Gartenanlagen und einigen an der Straße liegenden langen langweiligen, kaserncnartigen Gebäuden kann man jedoch wenig davon sehen, so sorgfältig ist das Innere durch Bäume, sehr hohe Hecken uud Bambusumzäunungeu versteckt. Vor dieser Besitzung leidet die Häuserreihe, welche bisher die Straße auf beiden Seiten einfaßte, eine Unterbrechung und beginnt erst wieder jenfeit des so gebildeten offenen Platzes. Je mehr man sich der Vorstadt Sinagawa nähert, desto häufiger werden kleine Etablissements, bestehend aus einer Vermachung aus Bambus, mit einem sehr leichten Dache aus gleichem Material, darin nach der offen gelassenen Seeseite zu einige Sitze und an der gleichfalls offenen Seite nach der Straße zu ein Stand mit 240 Theetassen und sonstigem Geschirr, ein anderer Stand mit Eßwaaren und eine kleine Feuerstätte, wo eine Frau oder öfter ein Mädchen beschäftigt ist, Thee oder Speisen zu bereiten, während andere gelegentliche Gäste, die sich hier ausruhen oder die Aussicht genießen wollen, bedienen. In Sinagawa selbst nehmen diese Etablissements an Ausdehnung in jeder Beziehung zu und bilden die sogenannten Theehäuser, genugsam bekannt aus den Beschreibungen älterer und neuerer Reisender. Die Zahl derselben mag sich, so viel sich von der Straße aus urtheilen läßt, auf mehr als hundert belaufeu, von denen manche eine Fronte von 30— 50 Schritt haben; wie viele kleinere, weniger umfangreiche Anstalten dieser Art vorhanden sind, läßt sich kaum bestimmen, nach der Außenseite zu urtheilen scheinen aber, mit Ausnahme gewisser zur Aufnahme vornehmer Reisender bestimmter Gebäude, alle. Gasthäuser und Theelokale einen ähnlichen Charakter zu haben. In gleicher Linie mit den Forts, welche den Hafen decken, befindet sich auch am Ufer eine kleine Batterie, von der sich ein Wall bis zum Fuß der Hügel zieht, durch einen Einschnitt von der Breite der Straße unterbrochen. In einiger Entfernung davon liegt ein zweiter ähnlicher Wall, und kurz, ehe man das Ende von Sinagawa erreicht, wird der Raum zwischeu Straße und Meer von einem kleinen polygonischen Fort ausgefüllt, das etwas ins Wasser vortritt; sämmtliche Werke jedoch sahen nicht aus, als ob sie von großer militärischer Bedeutung wären. 241 Bald nachdem man, die letzten Häufer von Sinagawa verlassend, ins Freie gelangt, passirt man den Ort, wo öffentliche Hinrichtungen vorgenommen werden, eine kleine, mit Gras bewachsene Stelle, von Gesträuch mit einigen Bäumen umgeben. An jedem Ende derselben steht eine steinerne Bankfäule, mit einem Sitz unter derselben, wo, wie man sagt, den zum Tode Verurtheilten gestattet ist, eine letzte Mahlzeit einzunehmen, wenn Freunde oder Verwandte ihnen dieselbe zu geben wünschen. Ich habe keine Hinrichtung gesehen, nur einmal fand ich einen Kopf auf einem Gerüst aufgestellt. Man hatte dicht am Rande der Straße auf zwei Pfählen ein Vretchen befestigt, auf diefem stand der Kopf, zwifchen dem obersten Rückenwirbel nnd dem Schädel in gerader Linie nach dem Kehlkopfe durchgeschnitten, mit dem Gesicht nach außen gekehrt und durch zwei Erdklumpen an beiden Seiten in dieser Lage erhalten. Das Haar schien früher einmal ganz abgeschnitten oder geschoren gewesen zu sein, und war jetzt wieder etwa 1 Zoll lang gewachsen. Vor dieser traurigen Schaustellung war ein Bret befindlich, das in japanischen Schriftzügcn, wie man mir sagte, die Ursache der Bestrafung angab. Dicht dabei war aus Matten ein kleines Haus gebaut, unter dem vier Soldaten Wache hielten, und eine Neihe von Haken, in verschiedener Weise an langen Stangen befestigt, lag auf einem Rechen neben dem Kopfe, Diese Instrumente befinden sich auf jedem japanischen Wachtposten und sind gewöhnlich dreierlei Art. Die erste Art besteht ans cinem Bündel von acht großen Haken, vier nach oben, vier nach H cine, Weltreise. I. 16 242 unten gekehrt, jeder gleich großen Angelhaken geformt. Dieses Bündel, in die Kleider eines Fliehenden verwickelt, dient, ihn daran festzuhalten. Das zweite Instrument hat ein Querholz von 18 Zoll Länge mit vier Reihen eiferner Spitzen, und an jedem Ende mit drei kurzen Messerklingen versehen, von denen zwei nach oben, zwei nach unten und zwei nach außen gerichtet sind. Diese Vorrichtung dient, um einen Angriff von sich abzuhalten. An der dritten Stange ist eine eiserne Gabel befestigt, weit genug, um einen Hals zu umfassen, nicht weit genug, um den Koftf durchziehen zu können. Diefe Gabel ist dazu bestimmt, den Gegner an die Wand zu drücken, so beim Halse festzuhalten und dann zu entwaffnen. Die Stangen sind 8—10 Fuß lang und 2—3 Fuß des obern Endes mit eisernen Spitzen beschlagen, damit es nicht so leicht wird, sie dem damit Bewaffneten aus den Händen zu reißen. Am Morgen, wo ich den Kopf auf der Nichtstätte sah, und später noch mehr als einmal begegnete ich einem Trupp Gefangener, vom Richtplatz nach dem Gefängniß zurückkehrend. Bei einer Gelegenheit beobachtete ich dieselben genau. Es waren zehn oder zwölf, von denen der Jüngste wol kaum 15, der Aelteste vielleicht 50 Jahre alt fein mochte. Die Arme waren ihnen an den Einbogen auf dem Rücken gebunden, der Strick noch mehrmals um Arm und Brust geschnürt und an das Ende eines alle untereinander verbindenden Seiles geknüpft. Hinter diefem Trupp kameu in engen Tragfesseln zwei elend abgemagerte Wesen, anscheinend zu schwach, um zu gehen, gleichfalls an die Sessel angeschnürt. 243 Es war kaum möglich, zu unterscheiden, welchem Alter und Geschlecht diese lebenden Skelete angehörten, von denen das eine kurze, das andere langherabhangende Haare hatte. Zuletzt folgten zwei sargähnliche, mit Matten verhängte Tragbahren, die, wie der begleitende Yackumn durch Zeichen erklärte, die Körper von zwei am Morgen Hm^ gerichteten enthielten. Ob alle diese Leute zum Tode verurtheilt waren, ob sie Zeugen der Hinrichtung sein sollten, um zum Geständniß gebracht zu werden, ob der Anblick dieser Scene einen Theil ihrer Bestrafung ausmachen sollte, ist mir unbekannt geblieben. Ist man an dieser uuheimlichen Stätte vorüber, gelangt man bald in die ersten Häuser eines Dorfes (Omori), welches mit gelegentlichen offenen Stellen bis Kawasacky führt. Gleich am Eingang passirt man einen Bach. Die Brücke, über welche die Straße sonst in gerader Linie führte, ist entweder eingestürzt oder vom Wasser fortgeschwemmt worden, deshalb macht die Straße einen Bogen und geht über eine 50 Schritt weiter unten errichtete Interimsbrücke, die aber zur bleibenden Maßregel zu werden scheint, denn das Aussehen verräth, daß sie schon lange benutzt worden ist, ohne daß bisjetzt anscheinend Anstalten zur Wiederherstellung der ältern Brücke geinacht werden. Neben der alten Brücke am westlichen Ufer des Baches befindet sich ein ziemlich großer Buddhatempel. Das Gasthaus von Omori liegt beinahe in der Mitte des Dorfs. Nähert man sich, demselben, so wird man alsbald von drei bis vier Mädchen begrüßt, die, an der 16* 244 Thür stehend, den Reisenden schon von weitem anrufen, hier sich zu erfrischen. Wie bei allen Gasthäusern, befindet sich auch hier zunächst der Straße eine geräumige Halle, die sowol als Küche wie auch zur Verpflegung von Reisenden aus den niedern Ständen dient, welche entweder hier oder auf Bänken im Garten ihre Mahlzeit einnehmen. Der Garten, dessen sich dieses Gasthaus rühmt, mißt vielleicht 200 X 150 Schritt, ist zum großen Theil mit Pflaumen- oder Pfirsichbämnen von niedrigem Wuchs bepflanzt, enthält in der Mitte einen kleinen Teich, von einer durchaus unmotivirten Brücke überspannt, in dessen grünlicher Flut einige schöne kleine Mandarinenten herumschwimmen, nebst einigen andern von größerer Gestalt und minder schönem Gefieder. Das gewöhnliche Zubehör von einer kleinen Mia oder Kapelle nebst einer Burg mit einer Miniaturlandschaft von Felsen und Wald fehlt natürlich nicht, eine Anzahl kleiner Pavillons aber an den Seiten des Gartens dient zum Aufenthalt für Gäste von höherm Rang. Verschiedene Mitglieder der Erpedition, die diesen Weg öfter zurückgelegt haben und hier wiederholt einsprachen, sind den dienstbaren Genien dieses Etablissements wohl bekannt, und bei jedem Besuche wurden die Namen der Herren aufgezählt, die in der Zwischenzeit hier gewesen. Jemand hat sich auch beflissen, die deutsche Sprache in diesem Welttheil zu verbreiten, und eins der Mädchen begrüßt manchmal mit „Guten Morgen, bitte einen Knß!" setzt aber gleich darauf hinzu: „^rim^LiiF" (würde vielleicht am besten mit „Is nich" zu übersetzen sein). Diese 345 weibliche Brigade besteht aus vier oder fünf jungen, wohlbeleibten Schönheiten, alle mehr oder weniger den nationalen Epikanthus, oder Herabziehung des Augenlides gegen den Augenwinkel zu, zeigend, fönst aber im Besitz von rothen, frischen Lippen, dunkeln, lebhaften Augen, schönen Zähnen nnd, wie Engelbert Kämpfer seiner Zeit von andern Japanerinnen bemerkte, „auch sonst ganz lieblich anzuschauen", steht unter dem Commando einer andern Dame, deren Hanvteigenschaften am kürzesten mit den bekannten englischen k. f. k.