Rado Riha DAS SUBJEKT DER WERTFORMANALYSE VON MARX* Ausgehend von einer Losung, die heute wirklich schon zum Gemeinplatz der marxistischen Diskussion geworden ist — der Losung vom Bruch mit dem Ökonomismus und Klassenreduktionismus — wollen wir uns im folgenden der »reartikulierenden« Seite dieser kritischen, eine gewisse marxistische Tradi- tion »desartikulierenden« Formel zuwenden. Diese Reartikulation der marxisti- schen Theorisierung werden wir hier, immer noch auf der Ebene des Gemein- plätzlichen, in zwei theoretischen Leitfäden fassen, die von der Althusser-Schule und ihrer kritischen Rezeption geprägt worden sind: erstens, die Ideologie ist kein Ideengebilde, sie hat vielmehr eine materielle Existenz« (Althusser), sie ist als »äussere Anordnung« zu untersuchen; und zweitens, die grundlegende Funk- tion der Ideologie besteht in ihrer Subjektkonstitution, wobei auch umgekehrt gilt, daß die Kategorie des Subjekts konstitutiv für die Ideologie ist. Die neueren marxistischen Faschismusanalysen (Laclau, PIT), die auch mit diesen Leitfäden arbeiten, haben schon ihre Fruchtbarkeit bewiesen — sowohl bei der Herausbildung theoretischen Grundlage wie bei der Analyse kon- kreten Materials. Gerade wegen dieser Fruchtbarkeit dürfen wir aber nicht eine Evidenz aus den Augen verlieren: der Satz von der Materialität der sub- jektkonstitutiven Ideologie ist nicht nur eine Aussage über den Status und die Wirkungsweise der Ideologie und des ideologischen Subjekts, er ist auch eine implizite (Neu)Bestimmung des Konzepts der Materialität. Das heißt aber auch: der Bruch mit dem Reduktionismus bzw. »Aus- duckismus« im Marxismus wird nur dann erfolgreich verlaufen, wenn es uns gelingt, aus dem Gebrauch des Ausdruckes von der »materiellen Existenz- weise« des Ideologischen, der darauf hinweist, daß die Ideologie nicht als Re- flex des ökonomischen aufzufassen ist, einen strengen theoretischen Begriff der Materialität des Ideologischen — d. h. in einem weiteren Sinne auch des Be- wußtseinsmäßigen — zu konstruieren. Das Gesagte können wir noch erweitern: da als sozusagen »paradigmati- sches« Modell des ökonomistischen Reduktionismus die Warenfetischismustheo- * Objavljamo prispevka, s katerima sta raziskovalni sodelavec Inštituta za marksistične študije ZRC S A Z U Rado Riha in znanstveni svetnik Inštituta za sociologijo dr. Slavoj Žižek sodelo- vala na mednarodnem simpoziju »Subjekt und Ideologie«. Simpozij je bil 3. do 6. oktobra v Berlinu, organiziral ga je Institut für Philosophie, Freie Universität Berlin. 12 Vestnik IMS 178 Vestnik IMS 1984/1—2 rie von Lukacs gilt, muß die Auseinandersetzung mit dem Ökonomismus letzt- endlich auf dem Feld der Warenanalyse und des Warenfetischismus ausgefochten werden. Die marxistische Ideologietheorie steht demnach vor der Aufgabe, den theoretischen Begriff für die Materialität des Ideologischen so auszuarbeiten, daß das unreduzierbare Äußere der Ideologie als solches unreduzierbares Äuße- res in der Warenstruktur artikuliert wird. Es gilt, eine »Logik des Heterogenen« zu finden, die es erlaubt, in der Struktur der Warenform den Ort dessen zu markieren, das aus ihr nicht einfach logisch ableitbar ist. Mit Hilfe von zwei Ansätzen — einen aus Althussers Ideologietheorie, den anderen aus den Faschismusanalysen des PIT — wollen wir hier versuchen, dieser theoretischen Konstruktion der Materialität des Ideologischen näherzu- kommen — dabei arbeiten wir wesentlich mit der »signifikanten Logik« der Lacanschen Psychoanalyse. Was uns bei Althusser interessiert, ist das Fehlen einer theoretischen Ver- bindung zwischen zwei von seinen ideologietheoretischen Thesen: der von der »materiellen Existenzweise« der Ideologie — was nach Althusser eine nicht-ideo- logische, materialistische These ist — und der von der subjektkonstitutiven Funktion der Ideologie — wobei das Subjekt für Althusser sozusagen seinem Wesen nach imaginär-ideologisch ist. Die fehlende theoretische Verbindung kön- nen wir in einer ersten Annäherung mit folgender Überlegung feststellen: wenn einerseits für das Subjekt die Ideologie in ihrer Materialität konstitutiv ist, wenn andererseits diese Materialität als solche nur für einen das Ideologische durchbrechenden Blick erkennbar ist und somit wesentlich ein Außer-Ideologi- sches Moment in der Ideologie darstellt, dann läßt sich zwar nichts gegen Alt- hussers Meinung einwenden, daß »Sie und ich immer schon Subjekte« sind (Althusser 1977, 141), es ist aber fraglich, ob der Begriff des Subjektes mit der Dimension des Imaginären schon theoretisch zureichend bestimmt ist. Den zweiten Ansatz entnehmen wir der Faschismusanalyse des PIT: wir wolen noch einmal auf die Rolle der Performativität als Grundform der (fa- schistischen) ideologischen Praxis zurückgreifen. Der Begriff der Performanz erlaubt uns, zwei Phänomene der faschistischen Organisation des Ideologischen auf den Begriff zu bringen — die »Inhaltslosigkeit« der faschistischen Ideologie kann mit der Mannigfaltigkeit der ideologischen Praxen und Rituale zusam- mengedacht werden. Und im Effekt dieses Zusammenhanges — am Ort der scheinbaren Leere des Inhalts treffen wir eine Fülle von materiellen Ausführ- ungsformen an, die somit den wirklichen Inhalt bilden — können wir unserer Meinung nach den spezifischen Zug der Selbstständigkeit der Ideologie erfassen. Es handelt sich um jenen Zug, der uns erlaubt zu sagen — wenn wir hier eine Formulation von Haug modifiziert übernehmen — daß sich gerade in der richtig begriffenen Selbstständigkeit die letztliche Unselbstständigkeit des Ideologischen erweist (cf. den richtigen Wortlaut dieser Formulation in Haug 1980, 75). Vorerst können wir das so ausdrücken: die Ideologie ist selbstständig, insofern ihre Funktion nicht in einer Illusion/Allusion der Wirklichkeit ist (das verkennende Ausdrücken eines an sich bestehenden sozio-ökonomischen In- halts), sie wirkt vielmehr als ein in sich selbst gegründetes tätiges Argumen- tieren. Und sie ist Unselbstständig, weil die Subjekte, tätig in der Ideologie und durch sie, über die materiellen Betätigungsformen des Ideologischen nicht frei verfügen, mit ihnen nicht manipulieren können, sondern auch selbst ein ihrer Effekte sind. Rado Riha: Das Subjekt der Wertformanalyse von Marx 1 7 9 Nun, um aus diesem Zusammenfallen der Selbstständigkeit/Unselbststän- digkeit mehr als die alte Einsicht zu bekommen, daß wir als Subjekte immer schon in objektive gesellschaftliche Gesetze, in Produktionsverhältnisse einge- bunden sind, ist es absolut notwendig, zwischen dem performativen Akt und der (performativ vermittelten) ideologischer Praxis analytisch zu unterscheiden — auch darauf wurde schon hingewiesen: »Wenn alle ideologische Unterstellung durch performative Akte vermittelt wird, so sind keineswegs alle performativen Akte ideologisch« (Haug 1980 a, 354). Sehr umrißhaft würden wir den Unterschied so bestimmen: das Wesentliche der Performanz liegt in der Fähigkeit der Sprache als solchen, die Bedeutung der Aussage durch den Prozeß des Aussagens selbst zu produzieren. Insofern hat der performative (sprachliche) Akt eine Kreisform, er ist suireferentiell: der Referent sowie auch das sprechende Subjekt selbst werden erst durch den Aussageprozeß hervorgebracht, sie sind ein Effekt der kreisförmigen Struktur des Sprechaktes. Von einer idealistischen Sinnerzeugung unterscheidet sich aber diese Bedeutungs- und Subjektkonstitution dadurch, daß ihre innere Be- dingung ein Moment ist, das radikal nicht-bedeutend, sinnlos ist — die Be- deutungshandlung selbst. Die Poante der Performativität liegt darin, daß als Bedingung der Möglichkeit des Bedeutungsaktes und des Subjektes, als ihr innerer konstitutiver Bestandteil etwas radikal Äusseres auftritt. Dieses Moment ist im wahren Sinne des Wortes Unmöglich, da nur durch sein Ausgeschloßensein die Möglichkeit der Konstitution des konkreten Bedeutungsfeldes und des agierenden Sub- jektes gegeben ist. Dieses unmögliche Moment ist zugleich der Punkt, an dem in das symbolische System der Sprache die geschichtlich-gesellschaftliche Realität eintritt, besser, immer schon eingetreten ist — insofern ist es das Reale selbst. Der performative Akt ist also primär die Paradoxie eines in sich geschlos- senen Kreises, der ebenso fortwährend offen bleibt, weil zu seinen Elementen Eins gehört, das aus ihm konstitutiv herausfällt — ein reiner Performativ ist somit, streng genommen selber unmöglich, er ist immer schon eine spezifische Lösung, eine sekundäre Bearbeitung dieser Paradoxie. Gerade aus der Analyse des Ideologischen im Faschismus können wir un- serer Meinung nach lernen, daß die ideologisce Praxis im Gegensatz zur zirkel- haften Struktur der Performanz als Grundform des sprachlichen Aktes ein nur scheinbarer, ein durchbrochener Zirkel ist: »Der ideologische Zirkel, demzu- folge die Ideologie ihren Träger trägt, wird hier jäh durchbrochen; die fiktive Basis reduziert den moralischen Überbau momentan auf diesen seinen Status, nur Darübergebautes, getragenes zu sein, von dem basisverträgliche Rück- wirkung beansprucht wird« (Haug 1980, 65). Die faschistische Ideologie ist für die Subjekte auf der Ebene der psychi- schen Ökonomie anziehend, weil sie ihnen auf eine spezifische Weise er- möglicht, zu diesem Unmöglichen-Realen, ins Innere der Bedeutungs- und Sub- jektkonstitution gehörigen Moment eine Distanz einzunehmen, es als etwas einfach Äusseres imaginär zu erleben — als Rassismus/Antisemitismus z. B. — und in mannigfaltigen Modalitäten, vom Fanatismus bis zum Nicht-ernst- Nehmen über es verfügen. In der faschistischen Organisation des Ideologischen wird gerade die Materialität des Ideologischen verdeckt — und das heißt, nicht der Sachverhalt, das die Individuen unselbstständig sind, denn das wird ja offen reklamiert, sondern die Tatsache, daß dieses Materielle ein genaues Äquivalent des Subjekts im Augenblick seiner Konstitution ist. 12* 1 8 0 Vestnik IMS 1984/1—2 Das Ideologische ist somit ein für die Subjekte notwendiges, in konkreten geschichtlichen Formen verlaufendes Ausweichen vor der »richtig verstandenen« Unselbstständigkeit, vor der Materialität der subjektkonstitutiven Ideologie — davor also, daß das Äquivalent des Subjekts ein a-subjektives Moment ist. Die- ses Moment ist keine objektive Struktur, kein »Prozeß ohne Subjekt«, sondern es durchzieht und spaltet das Innere des Subjekts selbst. Es ist also nicht etwas dem Subjekt Unerreichbares, Transzendentes, sondern das Resultat der totalen subjektiven Vermittlung — wie man das beim geschloßenen Zirkel des perfor- mativen Sprechaktes sehen kann. Die Materialität der Ideologie ist jenes nicht-ideologische Moment des Ideo- logischen, das im selben Augenblick, in dem es hervorgebracht wird, verdeckt, verdrängt wird. Sie ist das Moment des inneren Äusseren des Subjekts, daß die Vorstellung eines autonomen Subjekts, daß »Herr in seinem Haus« ist, ra- dikal unmöglich macht. Die Anerkennung dieses Moment ist eine Sache der materialistischen Ideologietheorie. An diesem Punkt können wir an die Problematik der Marxschen Wertform- analyse anknüpfen. Wenn wir im weiterem mit dem Text der Grundrisse arbeiten, dann nicht etwa darum, weil wir in ihnen den »wahren«, »dialektischen« Marx erblicken, im Gegensatz zu einem mehr objektivistischen Kapital-Marx. Wir gehen vielmehr von der Voraussetzung aus, die wir hier leider nicht be- weisen können, daß der Kapital-Anfang mit der Ware nur eine konsequente Ausführung des Grundrisse-Anfangs mit dem Wert als »erster Kategorie« dar- stellt. Unsere These dabei ist, daß sich in der Entwicklung Wert — Geld — Ka- pital in den Grundrissen die Struktur eines in sich gespaltenen Subjekts ab- zeichnet, die wesentlich für einen materialistischen Subjektbegriff ist — eines Subjekts, daß nur dann der »Entfremdung« entgehen kann, wenn es ihm ge- lingt, den Widerspruch auszuhalten und diese seine innere Spaltung anzu- nehmen, d. h. ein unmögliches-reales Moment als sein genaues Äquivalent zu artikulieren. Da wir uns auf die Problematik der Geldgenese beschränken, können wir natürlich im folgenden nur versuchen, einige für unsere Absicht interessante Merkmale dieses Subjektbegriffs fetszuhalten — es sind, wie wir glauben, auch jene, die uns begreifen helfen, warum die Analyse von Marx, wie das Balibar sagt, eine Reihe von Brüchen in sich trägt, die geradesoviel neue Objekte der Analyse bedeuten, warum wir es also nicht mit einem in seiner Entwicklung immer bei sich bleibenden Subjekt-Objekt zu tun haben (cf. Balibar 1979, 218). Der Ausgangspunkt der Arbeitswerttheorie in den Grundrissen ist, logisch gesehen, die Wertsubstanz — die Arbeit sans phrase — wobei diese Substanz schon unmittelbar Subjekt ist. Was meinen wir damit? Die Antwort können wir aus dem Text der Grundrisse gewinnen: »Die Arbeit allein produziert; sie ist die einzige Substanz der Produkte als Werte ... Bloß weil die Produkte Arbeit sind, können sie gemessen werden durch das Maß der Arbeit, durch die Arbeits- zeit, oder das Quantum der in ihnen konsumierten Arbeit« (G 500). Produkte in der warenproduzierenden Gesellschaft haben also alle ihre Eigenschaften verloren — bis auf eine: ihr einziger Zug ist, daß sie Arbeit sind. Weit davon entfernt, einen universalisierenden. Alles-auf-Eins reduziernenden Erklärungsanspruch einzuführen, bedeutet dieser Marxsche Ansatz unserer Meinung nach gerade eine Subversion jeglichen Universalitätsanspruchs. Im Augenblick nämlich, in dem die Arbeit (als reine Arbeitszeit) die einzige Sub- Bado Riha: Das Subjekt der Wertformanalyse von Marx 1 8 1 stanz der Produkte geworden ist, gibt es nichts Äusseres mehr, woran man die »Produkte als Werte« messen könnte — die Arbeit ist auch ihr eigenes Maß. Dieses Sich-auf-sich-selbst-Beziehen (als »absoluter Wert« ist sie zugleich »rela- tiver Wert«) trägt natürlich in die Arbeit eine Differenz hinein die für immer ihre homogene Einheit dekonstruiert. Das Universelle der Produkte als Werte trägt in sich einen Mangel, es ist unkonsistent, und diese Mangel ist genau das Subjekt inmitten der Substanz, jenes, was den Prozeß weitertreibt. Mit einer Marxschen Formulation können wir diesen Anfangssachverhalt — die Substanz ist Subjekt — so ausdrücken: »Ihre Einheit fällt noch unmittelbar auseinder und ihr Unterschied noch unmittelbar in Eins« (G 193). Das Phänomen der unkonsistenten Wertabstraktion — wir sind uns der Abruptheit unseres Überganges bewußt — finden wir bei der Genese der Geld- ware wieder. Die Eigentümlichkeit des Werts als des Abstrakt-Allgemeinen der Waren ist, wie bekannt, daß es als ein wahres Allemeine — als das was die Waren zu einem Warenuniversum zusammenschließt, ihm seine Konsistenz gibt — nur auftritt, wenn es in einer besonderen Ware verkörpert ist. Diese Geld- ware bildet durch ihre Verkörperung erst das Ganze des Wertuniversums, sie ermöglich erst die reine Existenz des Werts als umfassenden Allgemeinen, dem nichts fehlt, zugleich ist sie aber aus diesem Wertuniversum ausgeschlossen. Der Wert erhält also seine ganzheitliche Gestalt erst durch jenes Moment, daß aus ihm herausfällt, was als immer schon abgesondertes, getrenntes seine innere Bedingung darstellt. Seinem Wesen ist also der Wert eine beständige Ver- kehrung: aus einer alle Waren umfassenden Allgemeinheit kehrt sich der Wert unmittelbar in die Geldware um, in eine Materialisierung dieser Allgemeinheit, die als solche nur etwas zählt, wenn sie im Wertuniversum selbst gerade nichts zählt. Der Sinn dieser Materialität der Geldware ist also streng an dieses Phäno- men des »innere Äusseren« des Wertes gebunden — sie ist also nicht etwas Handgreifliches, sondern vertritt primär den Ausfall, den Mangel eines der Mo- mente der Wertbestimmung als die Bedingung der Möglichkeit ihrer Existenz. Sie ist der Repräsentant der inneren Spaltung in der Wertsubstanz. Als solches unmittelbares Pulsieren von Alles/Nichts ist der Wert natürlich ein reiner, »vollendeter Widerspruch«, der sich als solcher aufhebt, wie Marx das etwas spekulativ ausdrückt: »Dieser Widerspruch kann nur gelöst werden, indem er selbst vergegen- ständlicht wird« (G 100). Anders gesagt, die innere Spaltung im Wert erscheint als äußerer Gegensatz Ware — Geld. Dieser Prozeß der Erscheinung des inneren Widerspruchs in Form eine äußeren Gegensatzes ist nun tatsächlich ein Prozeß mit Subjekt, es ist ja der Wert, der sich ausdrückt, der erscheint, sich zeigt usw. Diese Subjektion des Wertes schließt aber nicht nur ein, daß er ein sich selbst in Unterscheid- ungen/Äußerungen Entfaltendes ist, zu der Subjektfunktion des Wertes gehört auch eine radikale Asymetrie zwischen dem Wert und seinem »Ausdruck«: die »Erscheinung« des Wertes ist mit einer Verkehrung verbunden, einer Ver- kehrung, für die in spezifischer Weise das Bewußstsein der in die Warenpro- duktionverhältnisse eingebundenen Subjekte konstitutiv ist. Im Gegensatz Ware — Geld erscheint die Ware immer schon als preisbe- stimmte Ware — sie ist ein ideelles Quantum einer (Geld)Materie (des Goldes 182 Vestnik IMS 1984/1—2 z. B.), die real außerhalb der Ware besteht. Das Verhältnis des »inneren Äuße- ren«, das für die Geldware bestimmend war, erscheint jetzt verkehrt, »ent- fremdet« als Verhältnis eines einfachen »Ausdrückens« einer äußerlichen natür- lichen Materie. Schon bei der Betrachtung der ersten Geldfunktion, der preis- bestimmten Ware — und dies ist überhaupt die erste Erscheinungsform der Ware, zeigt sich, daß wir mit der Formulation, der Fetischcharakter der Ware sei darin, daß sich etwas Gesellschaftliches — der Wert als gesellschaftliche Qua- lität der Arbeitsprodukte — im Geld als etwas Natürliches darstellt, wesentlich zu kurz greifen. Was durch die Wertform des Arbeitsprodukts verdrängt wird, ist vielmehr das paradoxe »innere Äußere« der Geldmaterialität. Deshalb wie- derholt ein Ansatz, der die versachlichte Existenz des Geldes und seine Macht über den Individuen bzw. gesellschaftlichen Verhältnissen nur als Ausdruck des noch nicht subjektiv vermitteltem, des sich selbst noch untransparenten Gesell- schaftlichen auffaßt (als Erklärungsparadigma dient hier die Hegeische Kritik des Ding-an-sich) die Logik der Entfremdung. Ein »unentfremdetes« Erscheinen des Wertes, d. h. ein solches Ausdrücken des Wertes als gesellschaftlicher Sub- stanz der Produkte, das dieses Wesen nicht als »entfremdet« konstitutiert, wäre jenes Erscheinen und Ausdrücken, in dem die Materialität des Geldes als Ver- treterin des »inneren Äußeren« dieses Gesellschaftlichen erfasst würde. In der dritten Geldfunktion können wir schließlich in groben Umrißen an- deuten, wie ein spezifisches Bewußtsein der bürgerlichen Subjekte für diese Verkehrung, für die Verdrängung der Materialität des Geldes konstitutiv ist. In dieser From, der Form des Geldes als Geldes, in der das Geld endlich eine selbstständige, materielle Existenz hat, tritt am augenscheinlichsten die Wirkung des Warenfetischismus hervor: allgemeine Form des Reichtums zu sein scheint eine natürliche Eigenschaft des Goldes. Das Bewußtsein der in der Warenpro- duktion beteiligten Individuen erscheint dabei mehr oder weniger als ein Reflex, Ausdruck der basischen ökonomischen Verkehrung: in dieser Richtung scheint auch der berühmte Satz von Marx zu weisen, daß den Produzenten die Ver- hältnisse als das erscheinen, was sie sind: »als sachliche Verhältnisse der Per- sonen und gesellschaftliche Verhältnisse der Sachen«. Das Verhalten der Indi- viduen innerhalb dieser Naturalisierung des gesellschaftlichen Charakters der Sachen wir im Rahmen dieses Erklärungsansatzes meist mit dem Paradigma des Marxschen Satzes: »Sie wissen das nicht, aber sie tun es« dargestellt. So können wir z. B. in einer Analyse des Geldkapitels der Grundrisse lesen, daß die Pro- duktionsagente das Verhältnis Ware — Geld als gegebene Voraussetzung an- nehmen: »Für die Produktionsagenten präsentiert sich das Geld als Sache, die er handhaben kann und er muß dazu nicht wissen, warum er sie in dieser Weise handhaben kann . . . « (Projektgruppe 1973, 39). Ich stütze mich hier auf die Analysen von S. Žižek: auch bei diesem Satz muß man sich erst fragen, wo eigentlich das Nicht-Wissen liegt. Wenn wir es unmittelbar im Wissen selbst suchen, wäre eine mögliche Antwort, wir können sie z. B. bei Reichelt finden, daß der Warenfetischismus als eine (objektiv be- dingte) Unfähigkeit der Individuen zu erklären ist, von der blendenden Geld- oberfläche zu den konstitutiven wesentlichen Verhältnissen hinter dieser Ober- fläche vorzudringen. So würden wir zu einer ziemlich problematischen Auf- fassung gelangen, daß für die Individuen in der bürgerlichen Gesellschaft das Verhältnis Wesen/Erscheinung überhaupt nicht existiert: Bado Riha: Das Subjekt der Wertformanalyse von Marx 183 »Da für sie, die bürgerliche Theorie, die Kategorien nicht »Erscheinungs- formen wesentlicher Verhältnisse« sind, gibt es für sie auch nicht die Differenz von Wessen und Erscheinung« (Reichelt 1970, 94). Unserer Meinung nach ist aber gerade an der dritten Geldfunktion ganz deutlich das Phänomen zu erkennen, daß nicht nur für die Existenz des Geldes, sondern vielmehr auch für die Existenz des bürgerlichen Subjekts ein Wissen über das »wahre Wesen« des Geldes (und seiner Goldsubstanz konstitutiv ist — ein Wissen, daß gerade ein Unterscheiden zwischen der erscheinenden Ober- fläche des Geldes und seinem dahintersteckendem »Wesen« bildet. Das bürger- liche Subjekt lebt im wahren Sinne des Wortes davon, daß es genau weiß, daß das Geld nicht »der Gott unter den Waren« ist. Es muß ganz genau wissen, daß jedes Quantum Geld, daß es in der Hand hält, zwar als allgemeine Form des Reichtums erscheint, daß es aber in Wahrheit gerade nicht dieses »Wesen« des Geldes in der Hand hält. Das Subjekt kann nur praktisch richtig handeln, wenn es weiß, daß jedes erreichte Geldquantum die Eigenschaft des »Das ist es nicht« hat, es verwandelt sich in »das Nachjagen nach dem ewigen Schatz« (G 155). Dieses Wissen, diese Reflexion ist so bedeutend, daß wir festhalten müssen, daß es unmittelbar auf der Seite des Seins steht. Sozusagen die erste Handlung des bürgerlichen Subjekts ist die Reflexion, eine Reflexion am Ort der Hand- lung. Und diese »basische« Reflexion tritt als solche nie auf, sie wird von einer zweiten überdeckt, besser, sie tritt in einer spezifischen Form auf, durch welche gerade ihre paradoxe, widersprüchliche Natur verdrängt wird. Exemplarisch können wir das mit der Formel der fetischistischen Verleugnung darstellen, in der das Subjekt sein Handeln/Reflektieren erlebt — »Ich weiß ja, daß das Geld kein allgemeiner Reichtum ist, aber dennoch . . . « handle ich so, als wäre es der allgemeine Reichtum (zur Problematik dieser fetischistischen Verleugnung cf. den Beitrag von S. Žižek), denn sonst. . . nun, hier könnten wir eine Reihe von »Argumenten« für das Geldmachen anführen. Die Struktur der ersten Hälfte dieser Formel läßt erkennen, daß für das Wesen des Geldes — und, wie wir hinzufügen müssen, auch für das solcherart unterscheidende Subjekt (wenn es nicht als Schatzhüter verhungern will) — die Unterscheidung Wesen/Erscheinung wesentlich ist. In der zweiten Hälfte wird aber — und das ist ihre genaue Funktion — der unangenehme Punkt dieser Re- flexionshandlung, des Zusammenfallens von Handeln und Reflektieren — der unmöglich — reale Punkt des »bewußten Seins« verdrängt, kaschiert wird, daß das Subjekt seine Existenz auf sein eigenes Unterscheiden stützt, die Ga- rantie für seine Handlung und Entscheidung erscheint als etwas Äußerliches. Wir wollen also festhalten, daß dieses »basische Bewußtsein« — im formel- len Sinn — etwas Unbewusstes ist, sofern wir mit dem Unbewussten nach La- can ein Wissen verstehen, daß sich nicht weiß. Der Warenfetischismus ist eine spezifische Weise, wie dieser Punkt des »bewußten Seins«, ein für die Subjekte traumatischer Punkt der Distanzlosigkeit, in der psychischen Ökonomie der Subjekte »amortisiert« wird. Was ihr Tun für die bürgerlichen Subjekte un- durchschaubar macht, ist so zwar ihre Reflexion — aber nicht ihre Reflexion über ihr Tun (das wäre dann ein einfaches falsches Bewußtsein), sondern ihre Reflexion über die Reflexion als seinmässiges, nicht-reflexives Moment, als a- subjektives Moment im Inneren des Subjekts. Zum Schluß wollen wir noch einmal darauf hinweisen, daß eine genaue Bestimmung des Subjektsbegriff in der Wertformanalyse von Marx verlangt, 184 Vestnik IMS 1984/1—2 das Verhältnis Kapital — Lohnarbeit einzubeziehen. Ebenso ist für die Be- stimmung des gespalten Subjekts wesentlich, die Rolle und den Status des Klassenkampfes zu Theoriesieren. Deshalb kann das hier Gesagte nur als eine erste Annäherung an die im Titel des statements bezeichnete Problematik auf- gefasst werden. LITERATURVERZEICHNIS Balibar, Etienne: Cinq etudes du matérialisme historique, Paris 1979. Althusser, Louis: Ideologie und ideologische Staatsapparate, Berlin 1977. Haug, W F.: Annäherung an die faschistische Modalitat des Ideologischen, Berlin 1980. Haug, W. F.: Der Faschismus und die Organisation des Ideologischen II, Berlin 1980. Projektgruppe Entwicklung des Marxschen Systems: Das Kapitel vom Geld, Berlin 1973. Reichelt, Helmut: Zur logischen Struktur des Kapitalbegriffs bei Karl Marx, Frank- furt 1970.