589 Pregledni znanstveni članek (1.02) BV 72 (2012) 4, 589—598 UDK: 27:81'27 Besedilo prejeto: 09/2012; sprejeto: 12/2012 Fanika Krajnc-Vrecko Sprache als grundlegendes Ausdrucksmittel religiöser und kultureller Identität Zusammenfassung: Jede Kultur kann man als eine umfassende Zusammensetzung von symbolischen Systemen verstehen, unter welchen die Sprache, gesetzliche Regeln, wirtschaftliche Beziehungen, Kunst, Wissenschaft und Religion im Vordergrund stehen. Das menschliche Wort verbindet sich in Sprache und Rede und ist die grundlegendste Kategorie, die den Menschen vom Tier unterscheidet. Die Sprache ist jenes Ausdrucksmittel, durch das der Mensch als Individuum und als Zugehöriger einer Nation seine tiefsten Gefühle gegenüber sich selbst, seinem Mitmenschen, dem Natürlichen und dem Übernatürlichen zum Ausdruck bringen kann. Die Entwicklung der Sprache ist mit der Entwicklung von Kultur und Zivilisation, in unserem Fall sogar mit der Entwicklung eines Volkes, einer Nation eng verbunden. Die slowenische Nation entwickelte sich im engen Zusammenhang mit der slowenischen Sprache, die in konkreten historischen und wirtschaftlichen Umständen im Rahmen von Kunst, Wissenschaft und Religion ihr grundlegendes Symbolsystem gestaltete, wobei es sich um ein Buch handelte, ein Buch in slowenischer Sprache. Durch die Betonung der Bedeutung von Sprachgesetz-Kenntnissen im anthropologischen Sinne muss man den Wert der Bemühungen zur Erhaltung der Muttersprache verstehen, die den Menschen erst als Zugehörigen einer Kultur, einer Nation bestimmt. Gleichzeitig ermöglicht ihm seine religiöse Sprache die Kommunikation bzw. den Kontakt mit dem Übernatürlichen, zumal er sich in seiner eigenen Sprache am innigsten an seinen Gott wenden kann. Schlüsselwörter: Anthropologie, Sprache, Muttersprache, Sprachgeschichte, Trubar, Prešeren, Slomšek Povzetek: Jezik kot temeljno izrazno sredstvo religijske in kulturne identitete Vsako kulturo lahko razumemo kot celovit sklop simbolnih sistemov, med katerimi so na prvem mestu jezik, zakonska pravila, gospodarski odnosi, umetnost, znanost in religija. Vse te odnose lahko uravnava in vodi edinole človek, ki se od vse druge narave loči po najpomembnejšem simbolnem sistemu, to je jeziku. Človeška beseda, ki se združuje v govor, govorico in jezik, je osnovna kategorija, ki človeka loči od živali. Jezik je tisto izrazno sredstvo, s katerim more človek kot posameznik in kot predstavnik nekega naroda izraziti svoja prvinska in najgloblja čustva o sebi, do sočloveka, do naravnega in do nadnaravnega. Razvoj jezika se ujema z razvojem kulture in civilizacije, v našem primeru celo 590 Bogoslovni vestnik 72 (2012) • 4 z razvojem nacije ali naroda. Slovenski narod se je tesno oblikoval skupaj z razvojem slovenskega jezika, ki je v konkretnih zgodovinskih in gospodarskih okoliščinah pod okriljem umetnosti, znanosti in religije vzpostavil temeljni simbolni sistem; pri tem mislimo na knjigo, in to knjigo v slovenskem jeziku. Prvo (versko) knjigo in najstarejšo (versko) knjižno založbo, ki je utrjevala in širila slovensko besedo v Cerkvi in med ljudmi, sta oblikovala Trubar in Slomšek; njun jezikovni nazor obravnava razprava. Ključne besede: antropologija, jezik, materni jezik, zgodovina jezika, Trubar, Prešeren, Slomšek Abstract. Language as the Basic Means of Expressing Religious and Cultural Identities Each culture can be understood as an extensive combination of symbolic systems, the most important being the language, legal rules, economic relations, art, science and religion. The human word combines in language and speech and is the most basic category that distiguishes man from animal. The language is the means of expression used by man as an individual and as a member of a nation to articulate his deepest feelings towards himself, his fellow men, the natural and the supernatural. The development of the language is closely connected to the development of culture and civilisation, in Slovenian case even to the development of the nation. Slovenian nation developed in close connection with the Slovenian language that formed its basic system of symbols within the frameworks of art, science and religion, which meant a book, a book in Slovenian language. By emphasizing the importance of knowing linguistic laws in an anthropological sense, one must understand the value of the endeavours to preserve the mother tongue, which defines man as the member of a culture, of a nation. At the same time his religious language enables him to have contact and communicate with the supernatural, especially since one can most fervently address his God in his own language. Keywords: anthropology, language, mother tongue, language history, Trubar, Prešeren, Slomšek Ich stelle ich die These, dass die Sprache ein grundlegendes Ausdrucksmittel religiöser und kultureller Identität ist. Ich fange mit dem Letzteren dieser These an und frage mich, was Kultur ist. Im anthropologischen Sinne, bezeichnet das Wort Kultur eine Ganzheit von Lebensbedingungen, die den Menschen ermöglichen und die erfunden bzw. erschaffen wurden, um zu überleben. Kultur ist folglich eine Zusammensetzung von technischen, gesellschaftlichen (sozialen) und zeremoniellen Kenntnissen, Tätigkeiten und Verhaltensweisen, die charakteristisch für eine bestimmte Gesellschaft sind, und die von Generation zu Generation durch Erziehung und Kultivierung weitergegeben werden. In diesem Sinne ist Kultur die Lebensart einer bestimmten Gesellschaft, angefangen von der Nahrungszubereitung und der Sauberhaltung, bis zur Aufstellung der Gesellschaftsrstrukturen und Fanika Krajnc-Vrecko - Sprache als grundlegendes Ausdrucksmittel 591 der Bestattung von Toten. Wenn Kultur alle kollektiven Lebensarten und Formen in einer bestimmten Gesellschaft bezeichnet, dann gibt es keine kulturlose Gesellschaft. Demnach können wir nur über verschiedene Zivilisationen und Kulturen verschiedener Epochen sprechen (Ocvirk 2011, 18). 1. Sprache und Kultur J["ede Kultur können wir als eine umfassende Zusammensetzung von symboli-| schen Systemen verstehen, unter welchen sich, nach Lévi-Strauss auf dem eren Platz die Sprache befindet, gefolgt von gesetzlichen Regelungen, wirtschaftlichen Beziehungen, Kunst, Wissenschaft und Religion (Lévi-Strauss 1978, 19). All diese Beziehungen können nur vom Mensch, der sich vom Rest der Natur, durch das wichtigste symbolische System, der Sprache unterscheidet, geregelt und geleitet werden,. Die Sprache ist jenes Ausdrucksmittel, womit der Mensch als Individuum und als Angehöriger eines Volkes und einer Nation seine primären und tiefsten Gefühle sich gegenüber und seinen Mitmenschen, dem Natürlichen und dem Übernatürlichen zum Ausdruck bringen kann. Die Sprache ist das wichtigste und mächtigste Werk, das der menschliche Verstand entwickelt hat. Nach Sapir (2003, 202) ist die Sprache die vollentwickelte Form des Ausdrucks für alle Art mitteilbarer Erfahrungen, für uns demnach religiöse und kulturelle Erfahrungen. Für ihn ist die Sprache die gewaltigste und umfangreichste Kunst, die wir kennen, sie ist die anonyme und unbewusste Ergebnis verschiedenster Rassen und Generationen. Die menschliche Sprachfähigkeit zeigt sich, nach Chomsky, als eine einmalige »Eigenschaftsart«, die sich bei verschiedenen Menschengruppen nicht wesentlich unterscheidet, indessen kennen wir nichts Ähnliches bei anderen Lebewesen. Die Sprachfähigkeit greift grundlegend in alle Bereiche des menschlichen Denkens und in das gegenseitige Wirken ein. Wegen ihr haben alleinig wir Menschen in der biologischen Welt eine angehörende Geschichte, kulturelle Entwicklung und komplizierte Vielfalt (Chomsky 2011, 345). Im Hinblick darauf, dass das Wortgut einer Sprache mehr oder weniger getreu die Kultur widerspiegelt, deren Absichten es dient, verläuft die Geschichte der Sprache und der Kultur auf dem gleichen Wege (Sapir 2003, 201). Noam Chomsky behauptet in der Diskussion über Sprache und Freiheit, dass der kreative Gebrauch der Sprache die Denkfreiheit und Auffassung widerspiegelt. Wenn wir feststellen, dass ein anderes Wesen die Sprache frei und kreativ benutzt, schreiben wir ihm das gleiche Bewusstsein zu, wie uns selbst (Chomsky 2011, 101). Es geht um die Erkennung des menschlichen Symbolsystems im Mitmenschen, was aus anthropologischer Sicht die grundlegende Bildung einer Beziehung darstellt. Eine Beziehung, die durch Freiheit bedingt ist und zugleich die Freiheit als des Menschen Wesensmerkmal darstellt, deutet auf den Zusammenhang zwischen Sprache und Freiheit hin: die Sprache mit ihren Wesensmerkmalen und deren Gebrauch bedeutet den grundlegenden Ausgangspunkt zur Erkenntnis, dass auch der Andere einen menschlichen Verstand, die Fähigkeit des freien Denkens, 592 Bogoslovni vestnik 72 (2012) • 4 Selbstausdruck und das wesentliche Bedürfnis nach Freiheit besitzt. Daraus folgt die Notwendigkeit nach vertiefter Erforschung der menschlichen Sprache, da diese eine Menge zur humanistischen Sozialwissenschaft beiträgt und als Grundlage für ein soziales Handeln im Sinne der Freiheit und der sozialen Gerechtigkeit dienen kann (112-113). Letztere ist durch die Ethik bedingt, die die Ethik jedes Einzelnen und einer Gemeinschaft, in der kollektive Beziehungen zwischen den Akteuren dieser Gemeinschaft bestehen, voraussieht. Sprache als Mittel zur Herstellung bestimmter Beziehungen innerhalb einer Gemeinschaft, ermöglicht nicht nur die Heiligkeit des Wortes, sondern auch die Möglichkeit seines ursprünglichen Bösen. In der Diskussion über Sprache als innere Freiheit, hebt Kristijan Muck das Geschehen im menschlichen Inneren hervor, wenn dieser mit der Außenwelt in einen Dialog tritt. Die Fähigkeit der menschlichen Ausdrucksweise ist für ihn so viel wie eine Rückwirkung auf die Welt und zugleich ein Mittel zur Regelung der Beziehungen zur Welt, vor allem aber ein Anklang von Unterschieden, die der Mensch in sich wahrnimmt. Seine Erkenntnisse und Empfindungen teilt er wiederum dem Anderen mit und durch seine Art der Kommunikation gestaltet er eine innere Welt und immer neue Beziehungen (Muck 2003, 104). Ob diese Beziehungen im ethischen Sinne positiv oder negativ sind, hängt von der Fähigkeit des Einzelnen ab, sich so von inneren Ängsten vor der Begegnung und Kommunikation mit dem Anderen zu befreien. Edvard Sapir spricht in seiner Forschung über die Sprache als kollektive Kunst des Denkens. Für ihn sind Sprache und Kultur nicht im direkten Ursachenzusammenhang, denn Kultur kann als das bestimmt werden, was eine Gesellschaft tut und denkt, doch die Sprache ist für ihn die Voraussetzung, Möglichkeit und Art des Denkens (Sapir 2003, 200). Sapirs Feststellung bestätigt unsere Ausgangsbehauptung, dass die Sprache ein Ausdrucksmittel ist, eine Art mit welcher der Einzelne seine kulturelle und religiöse Identität zum Ausdruck bringt. Über den Zusammenhang von Sprache und Volksidentität wurde in Slowenien schon eine Menge geschrieben. Die Zeitschrift Dvatisoč [Zweitausend] hat im Jahr 2003 eine besondere Ausgabe über dieses Thema vorbereitet, in der unter anderen, Peter Kovačič Peršin davor warnt, dass nach der Unabhängigkeit Sloweniens, die Sorge um das Slowenentum und die slowenische Identität langsam dahinschwindet, wobei er insbesondere an die Landessprache und die Kultur denkt, die im Laufe der Geschichte das Slowenentum bedingt haben (Kovačič Per-šin 2003, 33). 2. Der Mensch - ein symbolisches Wesen Der Mensch ist ein ethisches und symbolisches Wesen, ein Wesen der Zeichen, womit er sich seine eigene Zwischenwelt erschafft (Juhant 2006, 53-83). »Die ganze Welt ist ihm ein Zeichen im Ganzen, in allen einzelnen Erscheinungen und Geschehen. Sie ist ihm nicht nur ein Hintergrund, ein Mittel und ein Auslauf des Lebens, sie ist ihm auch ein Zeichen, ein Wegweiser, der ihm den Weg weist, ihm den Platz bestimmt und zu ihm in einer Sprache spricht, die manchmal sehr Fanika Krajnc-Vrecko - Sprache als grundlegendes Ausdrucksmittel 593 geheimnisvoll und unverständlich ist, so dass er sie erst mit Mühe entschlüsseln muss.« (Trstenjak 1994, 15) Das Symbol ist ein Erkennungszeichen, mittels dessen sich zwei Menschen erkennen. Nach Trstenjak ist ein symbolisches Wesen jenes Wesen, das »durch seine Existenz und Sinn über sich hinausragt, in höherwertige Seins-Bereiche, in denen es erst seine wahre Gestalt und den End-Sinn erhält« (16). Die symbolische Ausdrucksweise kann Gefühle, Gedanken, Erfahrungen und Erwartungen in ein Gemeinschaftserlebnis verbinden, dass dem Einzelnen ein Mit-Wirken ermöglicht. Bei den Menschen geht die einzige Ausdrucksart in Symbolen vor sich, unter denen Sprachsymbole, Symbolsprache und Redesymbole auf dem ersten Platz stehen. Neben dem Wort benutzt der Mensch als Ausdrucksmöglichkeit auch die Farbe und Höhe seiner Stimme, verschiedene Klänge, ungewöhnliche Wortstellung und andere Mittel, um seine Gefühle auszudrücken. In der täglichen Umgangssprache begleiten diese Mittel die menschliche Ausdrucksweise spontan, anders ist es aber, wenn sich der Einzelne in einem konkreten Umfeld und in Situationen wiederfindet, die ihn dazu zwingen, sich mit seinem Ausdruckssystem anzupassen. Es ist bekanntermaßen nicht egal, welche Sprachmittel der Mensch wählt, wenn er möchte, dass ihm der Gesprächspartner oder Gruppe, die er anspricht, zuhört, und dass er sich in der Beziehung zum Anderen als Person, als Subjekt beweisen kann. 3. Der Mensch wird durch die Sprache bestimmt Am Anfang haben wir die Behauptung gestellt, dass der Mensch ein kulturelles Wesen ist, das durch die Sprache bestimmt wird. Die Sprache ist ein Mittel des Menschen, in dem sich der Geist verkörpert und der Mensch erkennt dadurch die Lehren Gottes. Die Frage nach Gott beziehungsweise nach der Wahrheit seines Daseins erscheint ständig im menschlichen Bewusstsein und zwar immer auf eine Art und Weise, die der Mensch nach seiner eigenen Fasson bestimmt. Er ist dazu fähig seine Erkenntnisse, Erlebnisse, Gefühle, Bewertungen und Entscheidungen mit Worten auszudrücken (Juhant 2011, 65 ff.). Je entwickelter, reicher und umfassender seine Sprache ist, desto mehr zeigt sich seine Geistigkeit. Anton Trstenjak sagt, dass der Mensch erst nach dem Wort Mensch ist, und der Mensch dem Menschen erst nach dem Wort Mensch ist (Trstenjak 1977, 66). Des Menschen persönliche Entwicklung und Reife kann nach seiner Sprache, die oft ein Maß für dessen ethisches Bewusstsein ist, beurteilt werden. Die Sprache ermutigt den Mensch zu einer neuen Suche, zum Erkennen, zur Schöpfung und Entscheidungsfindung. Die Entwicklung des Menschen angefangen vom Kind und dessen erstes sinnvolles Wort, welches es aussprechen kann und sich seiner Bedeutung bewusst ist, bedingt und gestaltet die Entwicklung des Menschen als Person. Die sprachliche Kommunikationsfähigkeit macht ihn zu einem sozialen Wesen, die Bedeutung von Wort und Sprache zeigen sich im Gespräch, im Umgang mit Personen, die sich mit Worten ihre Erkenntnisse, Wünsche, Entscheidungen, Erlebnisse und Erfahrungen mitteilen. Wahre menschliche Kom- 594 Bogoslovni vestnik 72 (2012) • 4 munikation, wahrer Ausdruck der inneren geistigen Welt und dessen Teilnahme daran, sind jedoch nur mit Worten möglich, die einen bestimmten Sinn und Inhalt haben. Erst ein Gespräch schafft zwischen Menschen eine wahre Gemeinschaft, Geben und Nehmen, gegenseitige Bereicherung und schöpferische Förderung, eine Entdeckung immer neuer Dimensionen bei sich und den Anderen. Der Mensch lebt im und vom Gespräch zwischen dem Ich und Du. Alojzij Šuštar vergleicht das Wort mit dem Brot: »Das Wort, das der Mensch zum Anderen sagt und es vom Anderen hört und annimmt, ist für ihn nicht weniger wichtig, als das Brot für das leibliche Leben.« (Šuštar 1980, 73) Der Mensch als Person und ethisches Wesen ist durch die Möglichkeit des Dialogs und dem Gespräch zwischen Ich und Du bedingt. Dies macht ihn zu einem Beziehungswesen, was ihm ein Sprach- System das er gebraucht, ermöglicht und das ist die Alltagssprache. Wenn wir den Menschen als ein erschaffenes Wesen betrachten, müssen wir in seinem Handeln und in seiner Dialogfähigkeit auch die Sprache als eine erschaffene Kategorie, die ihm gegeben wurde, ansehen. Deshalb dürfen wir die Erkenntnisse der modernen Linguistik, welche die Sprache als kulturelle und soziologische Kategorie betrachtet, nicht vernachlässigen. Nach W. Humboldt ist die Sprache keine Arbeit oder Leistung, sondern eine Handlung, die in ständiger Spannung zwischen dem Einzelnen und dem Allgemeinen steht. Seine Behauptung, »die Sprache ist in ihrer Ganzheit nicht überschaubar, sie ist eine von Zeit zu Zeit erscheinbare Materie und wir müssen sie als fortwährend schöpferisch, mit gegebenen Sprachgesetzen betrachten, aber ihr Umfang und teilweise auch die Art des Schaffens, entweichen der Gesetzmäßigkeit« (Humboldt 1836, 50), kann uns als Leitlinie für die Analyse der Sprache als eine anthropologische Kategorie dienen. Der Mensch fragt sich, wie es möglich ist, dass jeder, der die Sprache soweit beherrscht, neue Sätze bildet, die er noch nie zuvor gesprochen oder gehört hat und sie versteht, obwohl in seinem Gehirn nur ein begrenzter Wortschatz und sprachschöpferische Regeln bestehen. Auf diese Frage antwortet N. Chomsky mit der schöpferischen Fähigkeit der menschlichen Sprache, die der Mensch nicht überschauen kann und die ihm ermöglicht, als ein kommunikationsfähiges Wesen aufzutreten. 4. Anthropologie der Gottessprache Angesichts der Tatsache, dass der Mensch eine physische, psychische und geistige Ganzheit ist, ist auch sein Glaube eine der Vernunft entsprechende (verstandesmäßige) Handlung, die seinen Willen und seine Gefühle umfasst. Der Glaube ist eine ganzheitliche Haltung des Menschen als denkender, fühlender, freier und verantwortlicher Träger seiner Taten und Handlungen (Stres 1994, 20). Die Theologie ist das Verständnis der Rede von Gott in der Offenbarung, wodurch Gott dem Menschen in der jeweiligen Sprache gegenwärtig wird. Deswegen soll die Gottessprache immerfort der menschlichen anpasst werden und zwar in einer bestimmten Kultur und im Rahmen, in dem der Mensch sie bereit und fähig ist Fanika Krajnc-Vrecko - Sprache als grundlegendes Ausdrucksmittel 595 anzunehmen. Nur so kann die Theologie die Gottessprache, die den Menschen zunehmend entfremdet wird, ihm näher gebracht werden (Rajhman 1978, 38). Das Problem der heutigen Entfremdung ist vor allem ein Problem der Kommunikation und wenn wir über Sprache als ein Kommunikationsmittel reden, müssen wir uns die Frage stellen, welche Art von Sprache wir benutzen, wenn wir unsere tiefsten, auch religiöse Gefühle ausdrücken wollen. Der amerikanische Anthropologe E. Hall weist auf die Beziehung zwischen Sprache in einem kulturellen Raum und Zeit und der theologischen Sprache hin. In seiner Forschung der Taubstummensprache kam er zur Erkenntnis, dass die meisten Kommunikationsprobleme mit Menschen aus anderen Ländern, aus der Unkenntnis ihrer Kulturen kommen. Ein ähnliches Problem tritt aber auch in verschiedenen Gruppen innerhalb der gleichen Gemeinde auf (Hall 1990, 6). Die Wechselwirkung zwischen der Umwelt und dem Individuum, zwischen der Gesellschaft und ihren Mitgliedern stellt eine ständige Spannung und Herausforderung dar, sich anzupassen. Anpassung ist auch zwischen den Sprachbenutzern in einzelnen Sprachgemeinschaften erforderlich, insbesondere unter den Sprachgenossen verschiedener Sprachgruppen innerhalb der gleichen Sprache. 5. Die Sprache als Mittel der religiösen und kulturellen Identität Dazu möchten wir anmerken, dass der Mensch im Kommunizieren Gott begegnet, dem letzten Du, dass das unmittelbare Ich verwirklicht. Die Möglichkeit der menschlichen Interkommunikation befähigt den Menschen das auszudrücken, was er sonst nicht zum Ausdruck bringen könnte. Diese menschliche Fähigkeit ist nicht von seiner intellektuellen Entwicklungsstufe abhängig, gewiss kann sie mit Hilfe des Wortes, mit dem Mythos des Wortes, Botschaft und Zeichen ausgedrückt werden. Der Mythos verändert alltägliche Worte in Worte, die mehr als ihre Alltäglichkeit zeigen, sie weisen auf die Dualität des Ausgesprochenen (das Gesagte) und Nichtausgesprochenen (das Nichtgesagte) hin, (Rajhman 1978, 38). Und so stoßen wir auch schon auf Wittgensteins1 Parallele über die Möglichkeit des Nichtaussprechbaren: » Wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen.« (Wittgenstein 1977, Nr. 7) Wittgenstein ist davon überzeugt, dass man über die Frage der Ethik und über den Sinn von allem nur schweigen kann. Aber auch das Schweigen ist vielsagend. Wenn das Schweigen eine Form der menschlichen Sprache ist, können wir feststellen, dass der Mensch zu verschiedenen Kommunikationsformen in verschiedenen Umgebungen fähig ist. Rajhman (1978, Wittgenstein schrieb seinem Verleger über sein Buch Logisch Philosophisches Traktat und äußerte einen geschlossenen philosophischen Gedanken über die Sprache: »Im Vorwort wollte ich einen Satz schreiben, der jetzt aber tatsächlich nicht dort steht, den ich aber Ihnen schreibe, weil er für Sie wahrscheinlich der Schlüssel sein wird: ich wollte schreiben, dass mein Buch aus zwei Teilen besteht: aus dem, der hier ist und aus all dem, was ich nicht aufschrieb. Und genau der zweite Teil ist wichtig. Innerhalb meines Buches wird die Ethik begrenzt, ich bin überzeugt davon, dass sie streng genommen nur so begrenzt werden muss. Kurz und bündig denke ich: all das, was viele heute schwätzen, habe ich in meinem Buch begründet, soweit ich darüber schweige.« (zitiert von Stres 1994, 191). 1 596 Bogoslovni vestnik 72 (2012) • 4 39) sagt: »Deshalb wächst ein Wort nie innerhalb und aus der Einsamkeit heraus. Wir geben und empfangen Worte. Natürlich sollten wir bei der Rolle der Sprache im Wachstum der menschlichen Persönlichkeit nicht übertreiben, sonst müssten wir über das »Verschwinden des Persönlichen« oder sogar über den »Tod des Menschen« sprechen. Sicher ist aber, dass der Mensch den Einfluss der Umwelt nicht abschütteln kann, die ihn mit ihrer Sprache seine Beziehung zu dieser Umwelt und schließlich, zur Welt formt.« Wenn die Umwelt den Menschen beeinflusst, kommt es zur Gegenerscheinung, der Mensch wirkt auf die Umwelt, formt sie und behauptet sich als Subjekt, als Person. Dabei bildet er auch eine Sprache im Verhältnis vom Ich bis zum Du und gestaltet die Bedingung des Dialoges, was wiederum eine geschaffene Kategorie ist. Am Anfang sprachen wir über Sprache im Zusammenhang mit der Kultur. In der Fortsetzung möchten wir an die Rolle der Sprache auf einer höheren Ebene und an einige Grundsteine in der Entwicklung der slowenischen Sprache hinweisen, die den slowenischen Menschen in seiner kulturellen und religiösen Dimension mitprägten. Die Entwicklung der Sprache steht mit der Entwicklung der Kultur und Zivilisation im engen Zusammenhang. Wenn wir uns auf den slowenischen kulturellen Raum beschränken, können wir über die Entwicklung der Sprache im Zusammenhang mit der Entwicklung des Volkes oder der Nation reden. Die slowenische Nation gestaltete sich im engen Zusammenhang mit der Entwicklung der slowenischen Sprache, die in konkreten historischen und wirtschaftlichen Verhältnissen unter dem Obdach der Kunst, Wissenschaft und Religion ihr grundlegendes Symbolsystem aufgebaut hat, dabei denken wir an ein Buch, genauer genommen, ein Buch in slowenischer Sprache. Da Kunst und Kultur eng miteinander verflochten sind und sich gegenseitig bestimmen, können wir sagen, dass wir in einer Kultur leben, die im frühesten Zeitalter von einer Kunst erschaffen wurde - der Wortkunst. Primož Trubar übergab den Slowenen im Jahr 1550 das erste Buch, gedruckt in slowenischer Sprache, womit er seinen Landsleuten die Religion in der Volkssprache näher bringen wollte. Die Sprache war sein grundlegendes Ausdrucksmittel, womit er dem »gemeinen Menschen« das Wort Gottes heranbringen sollte. Die Sprachanschauung der slowenischen Protestanten im 16. Jahrhundert wuchs und formte sich mit den zentralen Persönlichkeiten des slowenischen Protestantismus, denen die slowenische Sprache und das Slowenentum, neben der Glaubenslehre, der grundlegendste Wert und Sinn allen Handelns und Denkens waren. Martin Luther leitete den Strom der europäischen Geschichte mit seinen Glaubenslehren um und gab den Deutschen die gemeinsame, moderne Schriftsprache, durch die sich ihr nationales Bewusstsein verfestigte. Das Leitprinzip seines Sprachprogramms war, dem einfachen Menschen das Wort Gottes in einer ihm verständlichen Sprache näher zu bringen. Deshalb nahm er sich den einfachen Menschen zum Vorbild- er nahm also die Sprache, die im allgemeinen Gebrauch war, die Volkssprache. Das Luther-Prinzip haben auch die slowenischen Protestanten, mit Primož Trubar als Anfänger der Bibelübersetzung übernommen. Die slowenischen Protestanten des 16. Jahrhunderts gaben uns mit Primož Trubar das Fanika Krajnc-Vrecko - Sprache als grundlegendes Ausdrucksmittel 597 erste Buch, mit Sebastijan Krelj die Buchstabenschrift, die sich einige Jahrhunderte geltend machte, mit Adam Bohorič die erste slowenische Grammatik und mit Jurij Dalmatin den gesamten Bibeltext. Das sind nur vier tragende Mitwirkende der Reformationsarbeit in Slowenien, es gab noch einige, die Trubar's Programm getreu folgten. Sofern sich Primož Trubar für das erste slowenische Buch entschlossen hat, um den gemeinen slowenischen Menschen das Wort Gottes nahe zu bringen, hat er sie damit später auch erzogen, er wollte sie vor der türkischen Bedrohung schützen und sie erleuchten. Als toleranter Reformator konnte er die slowenische Sprache auch dem damaligen Adel annähern, der langsam erkannte, dass die Sprache der Untertanen auch für einen anspruchsvolleren Gebrauch geeignet ist, zum Beispiel für die Bibeltexte. Als er sich für die Orthographie seines geschriebenen Wortes entschied, wählte er nach der gotischen und glagolitisch kyrillischen, die lateinische Schrift aus. Seine Entscheidung hatte unvorstellbare und weitreichende Folgen. Die slowenische Sprache blieb damit ein Teil des mitteleuropäischen kulturellen Raumes. France Prešeren hob die slowenische Sprache weit auf die künstlerische Ebene. Mit dem Entschluss seine Zdravljica als Nationalhymne anzunehmen, haben wir Slowenen uns bewusst entschieden, dass Prešeren's einst umstrittene Worte »Einheit, Glück, Versöhnung« uns nicht mehr an dem Wunsch hindern, den Streit aus der Welt zu verbannen. Mit der künstlerischen Ebene der slowenischen Sprache, hat Prešeren eine ethische Forderung nach Versöhnung gestellt, die der Nation Einheit und Glück bringen kann. Anton Martin Slomšek ermahnte in der Mitte des 19. Jahrhunderts seine Landsleute, dass es eine Sünde sei, sich seiner Sprache zu schämen, sie zu verleugnen oder gar zu vergessen. Als höchste moralische Verpflichtung stellte er die Hochschätzung gegenüber den Eltern, die ihre Kinder in Wertschätzung der slowenischen Sprache und in Liebe zur eigenen Nation erziehen. Gleichzeitig wies er auf lügnerisches und unfreundliches Gerede hin, dass die Quelle des Bösen ist, ein Ärgernis, das die Seele des Menschen aus der Ruhe bringt. Damit hat Slomšek die Sprache unter die höchsten ethischen Werte gestellt, die ein Mensch respektieren soll, indes er sich als Zugehöriger einer Nation und Religion formiert. 6. Schlusswort Unser Wissen über die Sprache als symbolisches System soll dabei helfen, Grenzsteine in der Entwicklung des Einzelnen zu verstehen, in unserem Beispiel die slowenische Sprache, mit der sich der slowenische Mensch in seiner existenziellen, kulturellen und religiösen Erfahrung seiner selbst, der Mitmenschen, seiner Umgebung in der nationalen Gemeinschaft identifiziert hat. In der Entwicklung der slowenischen Sprache symbolisieren drei Grenzsteine - Trubar, Prešeren, Slomšek - die Entwicklung des grundlegenden Symbolsystems des 598 Bogoslovni vestnik 72 (2012) • 4 Slowenentum von ihrem Anfang an, in der Form vom gedruckten Buch, bis hin zu Preseren's Sprache auf künstlerischer Ebene und Slomsek's ethischer Forderung, die Muttersprache zu respektieren. Alle drei Akteure gingen aus mehr oder weniger religiösen Erfahrungen hervor. Nach Sapir ist die Sprache eine vollentwickelte Ausdrucksform für alle Arten der Erfahrungen (2003, 202), demnach können wir dies auch in Bezug auf religiöse Erfahrungen behaupten. Durch die Betonung der Bedeutung von Sprech-Gesetze und Kenntnissen im anthropologischen Sinne, müssen wir den Wert der Bemühungen zur Erhaltung der Muttersprache, die den Menschen erst als den Zugehörigen einer Kultur und einer Nation macht, verstehen. Gleichzeitig ermöglicht ihm seine religiöse Sprache die Kommunikation bzw. den Kontakt mit dem Transzendenten, zumal er sich in seiner eigenen Sprache am innigsten an seinen Gott wenden kann. Referenzen Benveniste, Emilie. 1988. Problemi splošne lingvi-stike. Heft 1. Studia humanitatis. Ljubljana: ŠKUC. Chomsky, Noam. 2011. Izbrani spisi. Ljubljana: Modrijan. Hall, Edward. 1990. The silent language. New York: Anchor Books. Humboldt, Wilhelm von. 1836. Über die Verschiedenheit des menschlischen Sprachbaues. Berlin: Königliche Akademie der Wissenschaften. Http://books.google.de/books?id=dV4SAAAAI AAJ&printsec=frontcover&hl=de&source=g bs_ge_ summary_r&cad=0#v=onepage&q&f=false (abgerufen am 14. Juni 2012). Juhant, Janez. 2006. Človek v iskanju svoje podobe: Filozofska antropologija. Ljubljana: ŠZ Claritas. ---. 2011. Za človeka gre. Ljubljana: Teološka fakulteta. Krajnc-Vrečko, Fanika. 2010. Človek v božjem okolju. Ljubljana: Teološka fakulteta. Lévi-Strauss, Claude. 1978. 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