F. KÜHNEL: Memento Mori: Ethnisch-sprachliche Aspekte der (Süd-)Kärntner Erinnerungskultur 184 Ferdinand Kühnel Memento Mori: Ethnisch-sprachliche Aspekte der (Süd-) Kärntner Erinnerungskultur Kühnel, Ferdinand, MMag. Dr., Universität Wien, Institut für Osteuropäische Geschichte, A-1090 Wien, Spitalgasse 2, ferdinand. kuehnel@univie.ac.at Memento Mori: Ethnisch-sprachliche Aspekte der (Süd-)Kärntner Erinnerungskultur Südkärnten/Južna Koroška vollzog in den un- gefähr letzten 100 Jahren einen ethnischen und sprachlichen Wandel. Die slowenische Sprache ist in der Kulturlandschaft zwar nach wie vor präsent, doch hat sie in weiten Teilen die Rolle einer vielverstandenen und vielgesprochen Umgangssprache eingebüßt. Der sich verändern- de Stellenwert der slowenischen Sprache wird in diesem Beitrag anhand der Südkärntner Erinner- ungskultur unter besonderer Berücksichtigung der Erinnerungszeichen des Totengedenkens untersucht (Friedhöfe und Grabsteine sowie Kriegerdenkmäler). Diese Erinnerungskultur, die auch als Sepulkralkultur bezeichnet werden kann, ist v.a. von den Gewalterfahrungen des 20. Jahrhunderts und der schwindenden Bedeutung der slowenischen Sprache geprägt. Schlüsselbegriffe: Erinnerungs- und Se- pulkralkultur, Kärntner Slowenen, ethnisch- sprachlicher Wandel, Friedhöfe, Krieger- denkmäler Kühnel, Ferdinand , PhD, University of Vienna, Institute for Eastern European History, A-1090 Wien, Spitalgasse 2, ferdinand.kuehnel@uni- vie.ac.at Memento Mori: Ethnic and Linguistic Aspects of (South-)Carinthian Culture of Remembrance South Carinthia has seen an ethnic and lin- guistic change taking place in the recent 100 years. Slo-vene is still present in the cultural landscape; however, it lost the role of a conver- sational language that is widely understood and spoken in many parts. The article explores the changing signifi cance of the Slovene language on the basis of the south Carinthian culture of remembrance, paying partic-ular attention to memorials commemorating the dead (ceme- teries, gravestones, and war memorials). This culture of remembrance, which can be also referred to as sepulchral culture, is characte- rized by the violence experienced in the 20th century and the decreasing importance of the Slovene lan-guage. Keywords: Culture of remembrance, sepulchral culture, Carinthian Slovenes, ethnic-linguistic change, cemeter-ies, war memorials. Zgodovinski časopis | 76 | 2022 | 1-2 | (165) | 184–219 185 Einleitung In den letzten 100 Jahren unterlagen die ethnischen und sprachlichen Ver- hältnisse in Kärnten/Koroška starken Veränderungen. Der südliche Teil Kärntens/ Koroška, der in weiterer Folge auch mit Südkärnten bzw. Južna Koroška bezeichnet wird, umfasst die heutigen politischen Bezirke Hermagor/Šmohor, Villach-Land/ Beljak-dežela, Klagenfurt/Celovec, Klagenfurt-Land/Celovec-dežela und Völ- kermarkt/Velikovec und von West nach Ost die Talschaften des Gailtals/Ziljska dolina ab der Stadtgemeinde Hermagor/Šmohor, des Rosentals/Rož, Teile des Klagenfurter Feldes/Celovško polje sowie das Jauntal/Podjuna bis nach Lavamünd/ Labot. 1 Dieses Gebiet 2 , das zugleich den Untersuchungsraum darstellt, vollzog in den ungefähr letzten 100 Jahren einen ethnisch-sprachlichen Wandel, da es sich von einem slowenischsprachigen bzw. slowenisch-deutschsprachigen, hin zu ei- nem einsprachig deutschen Raum entwickelte, in dem die slowenische Sprache in der Kulturlandschaft zwar noch präsent ist, doch in weiten Teilen die Rolle einer vielverstandenen und vielgesprochen Umgangssprache eingebüßt hat. Diese Ent- wicklung begann zwar bereits um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, doch nahm die Geschwindigkeit der ethnisch-sprachlichen Veränderungen ab 1920, dem Jahr der Kärntner Volksabstimmung, deutlich zu. 3 Diesen kontinuierlichen Rückgang des Slowenischen belegen vor allem die Volkszählungen. Diese erfragen zwar vordergründig nur den reinen Sprachgebrauch einer ortsansässigen Bevölkerung, doch ist es unbestritten, dass sie vielmehr auch die Loyalität zur Sprache erheben und somit Indikator für den Stellenwert einer Sprache sind. 4 Ein zusätzlicher und ergänzender Indikator für den Stellenwert einer Sprache sind die verschiedenen Erinnerungszeichen 5 in Südkärnten/Južna 1 Siehe dazu etwa Suppan, Die österreichischen Volksgruppen , pp. 42, 177. 2 Zum Problem der Abgrenzung des Gebiets bzw. der Vorstellung einer hermetischen Sprachgrenze siehe etwa Judson, Guardians of the Nation ; Judson, Versuche um 1900 , pp. 163–173. 3 Haas – Stuhlpfarrer, Österreich und seine Slowenen , p. 38. 4 Zur Kritik an den Volkszählungen siehe etwa Reiterer, Minderheiten Wegzählen? , pp. 25–38; Brix, Umgangssprachen in Altösterreich . 5 Die hier behandelten Erinnerungszeichen wurden vom Autor ausschließlich selbst recherchiert, erhoben und dokumentiert. Etliche Krieger(-Denkmäler), Erinnerungstafeln, Parti- san*innendenkmäler, Kleindenkmäler etc. in Österreich (und Slowenien) sind auf den folgenden Webseiten zu fi nden: Kleindenkmäler, http://www.kleindenkmaeler.at/home/; Geopedia, https:// bit.ly/3gXMETy; Gefallenendenkmäler, http://www.denkmalprojekt.org/covers_oe/kaernten.htm; F. KÜHNEL: Memento Mori: Ethnisch-sprachliche Aspekte der (Süd-)Kärntner Erinnerungskultur 186 Koroška, die im Gedenken an die Toten, sei es am Friedhof, in einer Kirche oder in deren unmittelbaren Umgebung errichtet wurden. Diese bestehen etwa in Form privater Gräber sowie der Krieger- bzw. Gefallenendenkmäler für Soldaten des Ersten und Zweiten Weltkriegs, des so genannten Kärntner Abwehrkampfes und des Widerstandes der Partisan*innen während des Zweiten Weltkriegs. Auf den Gräbern und Denkmälern ist nämlich nicht nur relevant, welche Botschaften durch Inschriften und Symboliken vermittelt werden sollen, sondern auch in welcher Sprache diese verfasst wurden. Der Stellenwert der slowenischen bzw. deutschen Sprache wird auf diesen „ausgestellt“ und für die Öffentlichkeit sichtbar gemacht. Diese Süd-(Kärntner) Erinnerungskultur und im Besonderen deren Teilaspekt in Form der Sepulkralkultur wird im Mittelpunkt dieses Aufsatzes stehen. Sepulkralkultur umfasst „alle kulturellen Erscheinungsformen, die mit Tod, Bestattung und Totengedenken zusammenhängen, […] ihre geistes- und religions- geschichtlichen wie auch ethnischen [und sprachlichen] Hintergründe“. 6 Zu diesen Erscheinungsformen zählen unter anderem Kirchen (als Orte der Bestattung und Erinnerung an die Toten), Kirchhöfe, Friedhöfe; Grabmale (Grabsteine, Grabkreuze, Grabdenkmale, Erinnerungsplaketten, etc.) und die darauf angebrachten Symbole und Inschriften. 7 In diesem Beitrag wird bewusst von einem sprachlichen und zugleich auch ethnischem Wandel gesprochen, da im Fall Kärntens/Koroška der Wechsel von slowenischer zu deutscher Sprache zugleich einen ethnischen Wechsel impliziert. Sprachliches Bewusstsein ist in Kärnten/Koroška an ethnisches Bewusstsein geknüpft, und zwar nicht, weil die Menschen über ein geschlossenes ethnisches Bewusstsein verfügten bzw. verfügen und folgerichtig von „einer Gruppe“ der Deutschen und „ einer Gruppe“ der Slowen*innen gesprochen werden könnte, sondern, weil die Verwendung der deutschen oder slowenischen Sprache seit der Jahrhundertwende (19. Jh./20. Jh.) ethnisiert wurde, das heißt kein wertfreier Gebrauch der Sprache möglich war und ist. Dem Slowenischen haftete und haftet weiterhin ein Makel der Minderwertigkeit an, weshalb die öffentliche Zurschaustellung der Sprache auf dem Friedhof, und zum Teil auch auf den Denkmälern, zwar eine private Ent- scheidung waren und sind, diese aber durch die Friedhofsbesucher*innen nicht in ihrer Privatheit verbleiben und so zu einem Bestandteil der zu interpretierenden Erinnerungskultur werden. „Erinnerungskultur“ ist ein sehr weiter Begriff, der die unterschiedlichen Formen der Repräsentation von Geschichte umfasst: Mit diesen Formen können der geschichtswissenschaftliche Diskurs per se gemeint sein, aber auch private Erinnerungen, sofern diese im öffentlichen Raum (materielle) Spuren zurückgelassen haben. 8 Diese Erinnerungskultur kann sowohl von Einzelpersonen Kriegerdenkmäler, https://www.kriegerdenkmal.co.at/kaernten.html. Die kulturwissenschaftliche, kulturgeschichtliche und historisch-politische Bedeutung der Kleindenkmäler in Kärnten und Slowenien wurde in folgender Publikation behandelt: Koroški pokranjinski muzej – Slowenisches Volkskundeinstitut Urban Jarnik/Slovenski narodopisni inštitut, Skupna kulturna dediščina . 6 Boehlke, Museum für Sepulkralkultur , p. 18. 7 Ibid. , 18f. 8 Cornelißen, Erinnerungskulturen . Zgodovinski časopis | 76 | 2022 | 1-2 | (165) 187 als auch von sozialen Gruppen getragen und „inszeniert“ werden, die zum Teil übereinstimmende, zum Teil aber auch konträre Erinnerungen präsentieren. 9 Auf Friedhöfen werden vor allem private Erinnerungen in Form von Grabsteinen, Er- innerungstafeln und Grabkreuzen ausgestellt. Friedhöfe als Gesamtkompositum verstanden, die auch die in unmittelbarer Umgebung liegenden Kirchen mitein- schließen, beherbergen aber viel mehr als nur private Erinnerungen. Sie umfassen in diesem breiteren Verständnis ebenso Krieger- bzw. Gefallenendenkmäler. Von einer (Süd-)Kärntner Erinnerungskultur 10 zu sprechen heißt aber nicht, von nur „einem“ beherrschenden historischen Narrativ zu sprechen, den diese ab- bildet. Vielmehr sind damit der gesamte geschichtswissenschaftliche Diskurs und seine Repräsentationsmodi gemeint, die die Pluralität von Erinnerungen und auch Schwerpunktsetzungen des Erinnerns miteinschließen. Diese „vielfältigen, sich überschneidenden diskursiven, symbolischen und zeremoniellen Formen der Erin- nerung“ werden auf den Friedhöfen und Denkmälern widergespiegelt. 11 Friedhöfe sind als Teil der Erinnerungskultur auch private und öffentliche Erinnerungsorte. Die dort aufzufi ndenden Gräber vermitteln über die Grabinschriften Informatio- nen über die begrabene Person oder das betreffende Ereignis und geben so dem Grabmal jenen Sinngehalt, der durch die Friedhofsbesucher*innen rezipiert wird. 12 Prinzipiell kann von Erinnerungsorten in einem sehr breiten Rahmen gesprochen werden: Erinnerungsorte bezeichnen diverse Formen „symbolischer Repräsenta- tion“, die „in bestimmten Gedächtnis- und Identitätsdiskursen eine signifi kante Rolle spielen“. 13 Für Pierre Nora, den Begründer des Konzepts der Erinnerungsorte/ lieux de mémoire , fallen darunter auch all jene Orte, die der Verehrung bzw. dem Gedächtnis der Toten dienen. 14 Für die Erinnerungsorte gilt jedoch dieselbe Ein- schränkung, die zuvor für die Erinnerungskultur vorgenommen worden ist: Die Untersuchung kann niemals „auf ‘die’ Identität und ‘das’ Gedächtnis einer prinzipiell heterogenen und von allerhand historisch-politischen Macht- und Konfl iktver- hältnissen durchzogenen Gesellschaft schließen“ sondern „immer nur spezifi sche […] Identitätskonstruktionen und Geschichtsbilder partikularer Akteure in einem jeweiligen historischen Kontext rekonstruieren“. 15 Dieser Aufsatz will daher die Konstruktion, Funktion und Rezeption der (Süd-)Kärntner Erinnerungskultur im Kontext der Sepulkralkultur unter besonderer Berücksichtigung des Stellenwerts der slowenischen Sprache untersuchen. 9 Ibid . 10 Zur Südkärntner Gedenkkultur siehe etwa: Danglmaier – Hudelist – Wakounig – Wutti, Erinnerungsgemeinschaften in Kärnten/Koroška . 11 Cornelißen, Erinnerungskulturen . 12 Benkel, Verwaltung des Todes , pp. 43–48. 13 Siebeck, Erinnerungsorte . 14 Nora, Realms of Memory , p. 16 [Certain broad categories of the genre stand out: any- thing having to do with the cult of dead, the national heritage, or the presence of the past can be considered lieu de mémoire]. 15 Siebeck, Erinnerungsorte [Hervorhebung im Original]. F. KÜHNEL: Memento Mori: Ethnisch-sprachliche Aspekte der (Süd-)Kärntner Erinnerungskultur 188 (Süd-)Kärntner Erinnerungskultur – (Süd-)Kärntner Sepulkralkultur Es ist eine bewusste Entscheidung jeder Gesellschaft, jeder sozialen Gruppe und eines jeden Individuums, was erinnert und was vergessen wird. Dies geschieht jedoch weder losgelöst von einem historischen Kontext noch von soziopolitischen Voraussetzungen, die darauf einwirken: Gedenken basiert somit auf dem Prinzip der Inklusion bzw. Exklusion von Erinnerung. 16 Durch die Setzung eines (Grab-) Denkmals bzw. eines Grabsteins und der Aufl adung durch spezifi sche Inhalte wird etwas „Erinnerungswürdiges“ konstruiert. Dadurch wird wiederum der An- spruch gewisser gesellschaftlicher Akteur*innen gestellt, „ihre“ Deutungen der Vergangenheit zur Norm zu erheben und so an der Formierung eines „kollektiven Gedächtnisses“ 17 mitzuwirken. Diese Erinnerungsorte sind somit immer als Inter- pretationen der Wirklichkeit zu verstehen, die untereinander im Widerstreit stehen und geben „vor allem Einblicke in das Geschichtsverständnis und die Mentalität jener Gruppen, von denen sie errichtet wurden“. 18 In Südkärnten/Južna Koroška sind zwei Aspekte der Erinnerung im Kontext des Totengedenkens besonders hervorzuheben: Erstens besteht eine Akzentui- erung auf die kriegerischen Auseinandersetzungen des 20. Jahrhunderts. Dies unterscheidet den südlichen Teil Kärntens/Koroška nicht von anderen Gebieten, doch sind hier besonders viele Erinnerungszeichen an den Widerstand gegen den Nationalsozialismus von Seiten der Kärntner Slowen*innen und auch deren Ver- folgung aufzufi nden. Ein weiteres Spezifi kum dieses Raums ist der Fokus auf den so genannten Kärntner Abwehrkampf und die darauffolgende Volksabstimmung 1920. Die Erinnerung daran ist auf den Kriegerdenkmälern, aber auch auf vielen Grabsteinen, etwa in Form eines „Kärntner Kreuzes“ (siehe Abb. 1. Auf den „Kärntner Kreuzen“ ist die Inschrift 1918 Kärntner Freiheitskampf 1920 angebracht) ve- rewigt, das einzelne Teilnehmer am so genannten Abwehrkampf kennzeichnet. Zweitens ist die (Süd-)Kärntner Erinnerungskultur zweisprachig. Es verwundert nicht weiter, dass die Kriegerdenkmäler fast ausschließlich in deutscher Sprache, die Denkmäler der Partisan*innen hingegen in Slowenisch bzw. beiden Landes- sprachen beschrieben wurden. 19 Die Grabsteine hingegen sind in deutscher und slowenischer, manchmal auch in beiden Sprachen ausgeführt. Hier ist es besonders augenscheinlich, dass die slowenischen Namen vielfach germanisiert worden sind 16 Eschenbach, Öffentliches Gedenken , p. 13. 17 Kollektives Gedächtnis wird defi niert „als das sedimentierte Ensemble hegemonialer und damit allgemein weitgehend abrufbarer Vergangenheitsdiskurse […]“ und Vergangenheitsdefi niti- onen, die im Prozess des politischen Diskurses entstanden sind. Marchart, Historisch-politisches Gedächtnis , pp. 21–49, hier 24f; siehe dazu außerdem Erll, Kollektives Gedächtnis ; Halbwachs, Das Gedächtnis ; Halbwachs, Das kollektive Gedächtnis ; Assmann, Jan, Kollektives Gedächtnis , pp. 9–19; Assmann, Aleida, Erinnerungsräume . 18 Riesenfellner, Todeszeichen, pp. 1–75, hier 1. 19 In diesem Artikel wurden immer die Originalinschriften der Krieger(Denkmäler) transkribiert, doch weisen die slowenischen und deutschen Inschriften auf den (Krieger)-Denk- mälern vereinzelt grammatikalische und orthographische Mängel auf, die wohl auch mit den Produzent*innen und deren Sprachkenntnissen zusammenhängen. Zgodovinski časopis | 76 | 2022 | 1-2 | (165) 189 und daher unterschiedliche Namensschreibweisen ein- und desselben Namens auf ein- und demselben Grabstein zu fi nden sind. Abb. 1: Friedhof Velden am Wörthersee/Vrba na Koroškem. Foto: Ferdinand Kühnel. Kriegerdenkmäler – „Kärntner Abwehrkampf“ Der so genannte Kärntner Abwehrkampf 1918/1919, also die militärischen Aus- einandersetzungen zwischen den Truppen des nach dem I. Weltkriegs neu entstanden SHS-Staates auf der einen und österreichischen bzw. kärntnerischen Einheiten auf der anderen Seite, konnte erst durch die Volksabstimmung von 1920 zugunsten der Republik Österreich entschieden werden. Ausschlaggebend für den Verbleib des Abstimmungsgebiets bei Österreich war letztlich, dass sich auch eine klare Mehr- heit der ortsansässigen und teils slowenischsprachigen Bewohner*innen gegen den Anschluss an den SHS-Staat ausgesprochen hatte. Vor der Volksabstimmung wurde den slowenischsprachigen Kärntner*innen versprochen, dass sie ihre „sprachliche und nationale Eigenart“ bewahren werden können und sie den deutschsprachigen Bewohner*innen gleichgestellt werden würden. 20 Dieses Versprechen war jedoch eher Teil der Abstimmungspropaganda als ernstzunehmendes politisches Programm, da relativ bald danach eine „zügellose Germanisierung“ 21 begann, die ganz im Sinne des Kärntner Landesverwesers Arthur Lemisch (1865–1953) war, der bereits im November 1920 darüber fabulierte, wie slowenischsprachige Kärntner*innen, die ihr Votum für den SHS-Staat abgegeben hatten, an das Kärntnertum herangeführt und germanisiert werden könnten. 22 20 Kärntner Vorläufi ge Landesversammlung, Veröffentlichungen, p. 273. 21 Haas – Stuhlpfarrer, Österreich und seine Slowenen , p. 38. 22 Rumpler, Die nationale Frage , pp. 9–84, hier 23f. F. KÜHNEL: Memento Mori: Ethnisch-sprachliche Aspekte der (Süd-)Kärntner Erinnerungskultur 190 Als sich am 10. Oktober 2020 zum 100. Mal die Kärntner Volksabstimmung jährte, waren zum ersten Mal neben dem österreichischen Bundespräsidenten Alexan- der Van der Bellen, dem Landeshauptmann von Kärnten/Koroška Peter Kaiser und Mitgliedern der österreichischen Bundesregierung auch der slowenische Präsident Borut Pahor und Vertreter*innen der slowenischen Organisationen in Kärnten/Koroška beim Festakt anwesend. Van der Bellen entschuldigte sich in beiden Landessprachen bei den slowenischsprachigen Bewohner*innen „für das erlittene Unrecht und für die Versäumnisse bei der Umsetzung von verfassungsmäßig garantierten Rechten […]“ und setzte einen vielbeachteten, aber auch – etwa von Seiten der FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs) – kritisierten „historischen Versöhnungsakt“. 23 Während auf Seiten der höchsten Repräsentant*innen der Republik Österreich und des Landes Kärntens/Koroška versöhnliche Zeichen gesetzt wurden, präsentieren sich die Denkmäler an den so genannten Kärntner Abwehrkampf gänzlich anders. In der Marktgemeinde Rosegg/Rožek befi ndet sich in unmittelbarer Nach- barschaft zur Pfarrkirche das „Abstimmungs- und Anschlußdenkmal“, das im Jahr 1938 errichtet wurde. Es erinnerte ursprünglich sowohl an die Kärntner Volksab- stimmung vom 10. Oktober 1920 als auch an die Pseudo-Abstimmung vom 10. April 1938, bei der Hitler die Vereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich nachträglich legitimieren wollte. Einst war darauf zu lesen 24 : Am 10. Oktober 1920. als Deutschland lag in Schmach und Schmerz, da gaben wir nach schwerem Kampf 59.6 vom Hundert für Kärntens Karawankengrenze. Am 10. April 1938. Als Adolf Hitler rief die Heimat, da ward erfüllt die Sendung unserer Mark mit allen Stimmen dieser Grenzgemeinde. Bei der heutigen Inschrift wurde Deutschland durch Kärnten ersetzt und der zweite Teil des Textes entfernt: Am 10. Oktober 1920. als Kärnten lag in Schmach und Schmerz, da gaben wir nach schwerem Kampf 59.6 vom Hundert für Kärntens Karawankengrenze. 23 APA, Van der Bellen . 24 Krug, Last der Erinnerung , p. 93. Zgodovinski časopis | 76 | 2022 | 1-2 | (165) 191 Wo damals noch Zeilen zur Erinnerung an den Anschluss standen, befi ndet sich heute die Tafel Zum Gedenken an die Opfer des Zweiten Weltkriegs 1939–1945, die der gefallenen und vermissten Soldaten gedenkt. Linker und rechter Hand sind zwei weitere Erinnerungstafeln montiert, die den gefallenen Soldaten des Ersten Weltkriegs sowie dem Rosegger Bürgermeister Alois Zimek (1833–1903) gewid- met wurden; die Rosegger Katastralgemeinde Berg/Gora gedenkt ihrer Gefallenen des Zweiten Weltkriegs mit einer eigenen Erinnerungstafel. Zudem gibt es noch eine zusätzliche Gedenktafel, auf der die Namen der Gefallenen des so genannten Kärntner Abwehrkampfes aufgelistet sind. Diese trägt die folgende Inschrift: Auch sie starben für die Heimat! Nach 4 Jahren Weltkrieg griffen sie nochmals zu den Waffen und fi elen im Freiheitskampfe für ein deutsches Kärnten. Auf der zentral angebrachten Inschrift am Denkmal wurde zwar Deutschland durch Kärnten ersetzt, doch verblieb man offenbar beim deutschen Charakter des so genannten Kärntner Abwehrkampfes. Dass die Stimmen der slowenischsprachigen Kärntner*innen für das Ergebnis der Abstimmung ausschlaggebend waren und dies ein Votum für ein österreichisches Kärnten/Koroška war, wurde hier gefl issentlich ausgeblendet. In der gleich neben dem Denkmal stehenden Pfarrkirche Rosegg/Rožek ist eine einsprachige slowenische Erinnerungstafel an hier tätig gewesene Priester angebracht, auf der namentlich bekannter und unbekannter Seelsorger der Pfarr- gemeinde gedacht wird: Med svojimi farani ležijo pokopani. Vsi od 1143–1729 umrli dušni pastirji (imena neznana) An der Kirchenmauer ist dem Maler Peter Markovič (1866–1929) ein Denkmal aufgestellt worden, das die ausschließlich slowenische Inschrift akademski slikar [akademischer Maler] trägt. 25 Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts befand sich der örtliche Friedhof bei der Pfarrkirche, wurde dann jedoch in den Westen der Markt- gemeinde verlegt und im Jahr 1818 eröffnet. 26 Im Jahr 2011 errichtete der Verein „ Erinnern Rosegg/Rožek se spominja“ vor der Pfarrkirche ein zweisprachiges erinnern/ spominjajmo se -Denkmal, das die Namen und Lebensdaten sowie den Todesort von acht NS-Opfern trägt. 27 Beachtenswert ist die Gesamtkomposition der verschiedenen Erinnerungszeichen in und um die Pfarrkirche, in der eine slowenischsprachige Erin- nerungstafel an die hier tätig gewesenen Seelsorger der Gemeinde hängt und in der auch heute noch zweisprachige Messen gelesen werden. Vor der Pfarrkirche ist das zweisprachige Denkmal für die Opfer des NS-Regimes errichtet worden. Das größte Denkmal ist jedoch den beiden Weltkriegen und dem Abwehrkampf gewidmet, das 25 Markovič war vor allem in Südkärnten/Južna Koroška, Slowenien aber auch Kroatien tätig und schuf etliche sakrale Auftragswerke, so auch in Rosegg/Rožek. Siehe dazu ausführlich Schnabl, Markovič, Peter , pp. 873–875. 26 Singer, Kultur- und Kirchengeschichte , pp. 122–124. 27 ORF Kärnten, Rosegg . F. KÜHNEL: Memento Mori: Ethnisch-sprachliche Aspekte der (Süd-)Kärntner Erinnerungskultur 192 wohlgemerkt in der Zeit des Nationalsozialismus errichtet wurde, über ausschließlich deutsche Inschriften verfügt und den Abwehrkampf als einen Kampf für ein deutsches Kärnten deutet. Die Zusammensetzung der Erinnerungszeichen und die Verwendung der slowenischen, deutschen oder beider Landessprachen verleiht diesem Raum Bedeutung und zeigt auch Wertigkeiten der Erinnerungen auf. Ein rezentes Beispiel für die Erinnerung an den so genannten Kärntner Ab- wehrkampf ist der Anfang Oktober 2020 errichtete Gedenkstein des Kärntner Hei- matdienstes (KHD) zu Ehren Hans Steinachers (1882–1971) und zur 100-jährigen Wiederkehr der Volksabstimmung in der Ortschaft Miklauzhof/Miklavčevo der Gemeinde Sittersdorf/Žitara vas. 28 Der KHD wurde 1920 gegründet und ging aus der für die Abstimmungspropaganda zur Kärntner Volksabstimmung 1920 eigens eingerichteten Landesagitationsleitung hervor. 29 Seine seit jeher deutschnationale Ausrichtung besteht weiter fort, doch milderte er seit 2005 seine antislowenische Haltung zumindest vordergründig ab. 2005 verständigten sich der KHD sowie der Zentralverband slowenischer Organisationen in Kärnten/Zveza slovenskih orga- nizacij (ZSO) und die Gemeinschaft der Kärntner Slowenen und Sloweninnen/ Skupnost koroških Slovencev in Slovenk (SKS) zu einem Kompromiss in puncto Ortstafelfrage. Diese „Kärntner Konsensgruppe“ wurde federführend vom derzei- tigen und jetzigen KHD-Obmann Josef Feldner und dem damaligen Obmann des Zentralverbands Marjan Sturm verhandelt. 30 Der deutschnational gesinnte „geistige Führer der Abstimmungspropa- ganda“ 31 , das NSDAP- und spätere ÖVP-Mitglied Hans Steinacher deutete in seinem propagandistischen Werk aus dem Jahr 1943 „Sieg in deutscher Nacht“ 32 das Abstimmungsergebnis von 1920 als Sieg des Deutschtums über die slowe- nischsprachige Bevölkerung in Kärnten/Koroška um. 33 In seiner Abhandlung zum „Abwehrkampf“ formulierte er die politische Intention, die hinter seiner propagandistischen Tätigkeit stand bei gleichzeitiger Anbiederung an das Dritte Reich, die er und seine Apologet*innen später in Frage stellten: „Es war mir stets eine unumstößliche Selbstverständlichkeit, den Abstimmungskampf nicht um den Anschluss an Österreich, sondern um die großdeutsche Zukunft zu führen. Die Stimmen für Österreich sollten die Anwartschaft ins Reich wahren. Weil wir aber wegen der auf ‘alldeutsche Umtriebe’ lauernden Alliierten, vor allem der Franzo- sen, nicht in der Lage waren ‘Deutschland’ zu rufen, wir ‘Österreich’ nicht sagen wollten, so wurde unser Kampfruf eben ‘Kärnten’.“ 34 Diesem Hans Steinacher, der in Miklauzhof/Miklavčevo Gutsbesitzer war und wo seine Nachkommen weiterhin leben, ist der Gedenkstein gewidmet und trägt die folgende Inschrift: 28 ORF Kärnten, Heimatdienst gedenkt Steinacher . 29 Fritzl, Kärntner Heimatdienst ; Valentin, Der Sonderfall. 30 Feldner – Sturm, Kärnten neu denken . 31 Rumpler, Die nationale Frage , p. 22; Teile dieses Abschnitts wurden der Publikation Ruhe in Frieden? Počivaj v miru? des Autors entnommen, Kühnel, Ruhe in Frieden? , p. 237f. 32 Steinacher, Sieg in deutscher Nacht. 33 Valentin, Kärntens „Sturmjahre“ 1918–1920 , p. 54. 34 Steinacher, Sieg in deutscher Nacht, p. 317, zit. n. Rumpler, Die nationale Frage , p. 23. Zgodovinski časopis | 76 | 2022 | 1-2 | (165) 193 Gemeinsame Heimat 100 Jahre Kärntner Volksabstimmung 1920 Kärnten einig und frei 2020 der Kärntner Heimatdienst in Dankbarkeit Gewidmet Dr. Hans Steinacher 1882–1971 im Gedenken an seine Verdienste im Kärntner Abwehrkampf Und bei der Vorbereitung der Kärntner Volksabstimmung “ Ohne ihm gäbe es kein ungeteiltes Kärnten” Schon die Ankündigung der Aufstellung des Gedenksteins führte im Jahr 2019 etwa seitens Vertreter*innen der Volksgruppeninitiative Slovenski konsenz za ustavne pravice/Slowenischer Konsens für Verfassungsrechte (SKUP) zu Kritik: „Die Aufstel- lung eines Denkmals für einen der frühesten und sichtbarsten Vertreter des National- sozialismus in Kärnten im Jahr 2020 ist ein Skandal“. 35 Der heutige Leiter des ZSO Manuel Jug hingegen konnte der Kritik an dem Denkmal zwar etwas abgewinnen, doch delegierte er die Verantwortung dafür an den KHD: „Das ist eine Sache des Kärntner Heimdienstes. Steinacher hatte, wie der Heimatdienst sagt, große Verdienste um die Kärntner Volksabstimmung, er war aber auch NSDAP-Mitglied.“ 36 Wenige Tage, nachdem die feierliche Enthüllung des Gedenksteins stattgefunden hatte, äußerte sich der Grüne Klub im Parlament dazu sowie zu weiteren Feierlichkeiten im Rahmen der Jubiläumsfeierlichkeiten und stellte die Debatte in einen größeren, gesamtösterreichi- schen erinnerungskulturellen Kontext: „Während in Wien über die Entfernung des Karl- -Lueger-Denkmal diskutiert wird, werden in Kärnten Denkmäler und Gedenktafeln für Nazis aufgestellt und Kränze niedergelegt.“ 37 Der KHD entgegnete der Kritik, indem er darauf verwies, dass Steinacher 1937 bei der „NS-Spitze bereits in Ungnade gefallen“ sei und „sich mutig gegen die Aussiedlung der Kärntner Slowenen ausgesprochen“ habe. 38 Um den Kritiker*innen zu entgegnen, legte der KHD außerdem eine Publikation zu Hans Steinacher „mit überaus kontroversen Beiträgen prominenter Historiker und Publizisten über den ebenso bewunderten wie umstrittenen Kärntner, sowie über den Kärntner Volksgruppenkonfl ikt und dessen dogmengeschichtliches Umfeld“ vor, die unter Federführung des KHD-Obmannstellvertreters, deutschnationalen Publizisten und ehemaligen FPÖ-Parlamentarier, Andreas Mölzer, zehn Historiker versammelte, um ein „differenziertes“ Bild des Portraitierten vorzulegen. 39 Hans Steinacher blieb 35 O. A., Gegen das Denkmal . 36 Kowal, Förderung der Volksgruppe . 37 Grüner Klub im Parlament, Gedenkkultur in Kärnten . 38 Benedikt, Denkmal für Volksabstimmung . 39 Kärntner Heimatdienst, Buchpräsentation ; Kärntner Heimatdienst, Hans Steinacher. In der Publikation sind die folgenden Autoren vertreten: Ulfried Burz, Alfred Elste, Claudia F. KÜHNEL: Memento Mori: Ethnisch-sprachliche Aspekte der (Süd-)Kärntner Erinnerungskultur 194 jedenfalls nach dem Zweiten Weltkrieg seiner deutschnationalen und antislowenischen Gesinnung treu, scheute keineswegs die Nähe zu (ehemaligen) Nationalsozialisten und beteiligte sich entscheidend bei der Demontage des 1945 eingeführten zweisprachigen Grundschulwesens in Südkärnten/Južna Koroška. 40 Der Unmut bezüglich des Gedenksteins wurde jedoch nicht nur mit Worten sondern auch mit Aktionismus zum Ausdruck gebracht: Mitte Oktober 2020 wurde das Denkmal zum ersten Mal beschmiert und mit der Aufschrift „Nazi“ versehen 41 ; zum Jahreswechsel 2020/2021 wurde es dann ein weiteres Mal mit Farbe besprüht und mit dem Schriftzug sramota 42 versehen. 43 Mitte Jänner wurden dann von ebenso Unbekannten Ortstafeln in der Gemeinde Bleiburg/Pliberk und Ebendorf/Dobrla vas beschmiert: In Bleiburg/Pliberk wurde auf zwei Tafeln der slowenische Name Pliberk übermalt; in Eberndorf /Dobrla vas wurde der slowenische Name der Ort- schaft Buchbrunn/Bukovje mit Farbe unkenntlich gemacht. 44 Es sei dahingestellt, ob diese Aktionen miteinander in Verbindung stehen, doch ist es bemerkenswert, dass im Jahr 2021 in Österreich noch immer Denkmäler für Nazi-Sympathisanten aufgestellt werden können und die Verwendung der slowenischen Sprache weiterhin nicht auf ungeteilte Zustimmung stößt. Die Beispiele zum Thema des so genannten Kärntner Abwehrkampfes aus Rosegg/Rožek und Miklauzhof/Miklavčevo sollen verdeutlichen, dass es zwar von offi zieller kärntnerischer und österreichischer Seite den Wunsch nach und das Bekenntnis zu einer gemeinsamen Erinnerung an die Volksabstimmung von 1920 und die vorangehenden militärischen Auseinandersetzungen gibt, huldvolle Worte jedoch keinesfalls eine nach wie vor bestehende geteilte Erinnerung an diese Erei- gnisse überdecken können. 45 Die Kärntner Volksabstimmung und der so genannte Kärntner Abwehrkampf werden nach wie vor als Kampf für ein „deutsches Kärnten“ bezeichnet und von deutschnationaler Seite vereinnahmt, ohne auf den Beitrag aller Kärntner*innen, gleich welcher Sprache, zu verweisen. Diese geteilte Erinnerung ließe sich in Bezug auf das Denkmal in Rosegg/Rožek etwa aufl ösen, indem sie als Ausdruck ihrer Zeit kontextualisiert, sie etwa klar in ihrer Entstehungsgeschichte als Nazi-Denkmal ausgewiesen und die darauf angebrachte Phrase eines „deutschen Kärntens“ beseitigt werden würde. Das Denkmal in Miklauzhof/Miklavčevo kann Fräss-Ehrfeld, Lothar Höbelt, Stefan Karner, Andreas Mölzer, Heinz-Dieter Pohl, Florian Rulitz, Marjan Sturm, Hellwig Valentin und Thomas Zeloth. 40 Knight, Politik der Assimilation , pp. 182–184, 198–204, 326. 41 ORF Kärnten, Gedenkstein Sittersdorf beschmiert . 42 [Schande]. 43 Jordan, Linksradikale slowenische Antifa-Provokationen . 44 APA, Zweisprachige Ortstafeln . 45 Die „Kärntner Konsensgruppe“ initiierte im Jahr 2013 erstmals eine Feierlichkeit in Völkermarkt/Velikovec zum Gedenken an den 10. Oktober 1920, bei der auch Vertreter*innen der slowenischen Volksgruppe eingeladen waren; siehe etwa ORF, Spomnili so se padlih . Im Jahr 2020 erschien ein Buch, in dem die Ergebnisse einer mehrjährigen Kooperation zwischen slowenischen und österreichischen Wissenschafter*innen und Vertreter*innen der Zivilgesell- schaft veröffentlicht wurden, die sich Erinnerungskonfl ikten in Österreich und Slowenien in dialogischer Form annäherten: Brousek – Grafenauer – Wintersteiner – Wutti (Hgg.), Befreiendes Erinnern – Osvobajajoče spominjanje . Zgodovinski časopis | 76 | 2022 | 1-2 | (165) 195 im „besten“ Fall als geschichtsvergessen, im schlimmsten Fall jedoch als Provoka- tion gedeutet werden, da hier einer Person gedacht wird, die geistig sowohl vor als auch nach 1945 dem „Volkstumskampf“ verhaftet geblieben ist. Die Aufstellung des Denkmals hätte im Jahr 2021 schlichtweg nicht stattfi nden dürfen. Kriegerdenkmäler – Erster Weltkrieg In Südkärnten/Južna Koroška befi ndet sich in fast jeder Gemeinde ein Krieg- erdenkmal, das zumeist die Erinnerung an die gefallenen Soldaten des Ersten und des Zweiten Weltkriegs sowie an den Kärntner Abwehrkampf miteinander verbin- det. Während des Ersten Weltkriegs bzw. danach wurden zum ersten Mal in großer Anzahl Kriegerdenkmäler errichtet, die auch heute noch zum fi xen Inventarium des Ortsbilds des ländlichen Raums zählen. 46 Viele wurden nach 1945 um das Gedenken an die Gefallenen des Zweiten Weltkriegs erweitert oder es wurde für diese ein neues Denkmal errichtet. Diese Kriegerdenkmäler befi nden sich immer an prominenter Stelle. Sie sind auf dem Marktplatz, beim Gemeindeamt oder in unmittelbarer Umgebung einer Kirche, in der Kirche selbst und sehr oft auch am bzw. bei einem Friedhof aufgestellt worden. Da sie vielfach die einzigen Erinne- rungszeichen vieler Gemeinden sind, prägen sie das (Orts-)Bild und gliedern durch ihren prominenten Aufstellungsort zugleich den (Erinnerungs-)Raum. An ihnen führt kein Weg vorbei. Kriegerdenkmäler sind toten und vermissten Soldaten gestiftet, weshalb deren Andenken oftmals den sakralen Raum der Kirchen und Friedhöfe für sich beansprucht. 47 Neben dem inhaltlichen Aspekt der Kriegerdenkmäler, also den Botschaften, die durch die Inschriften transportiert werden, spielt auch der ethnisch-sprachliche Aspekt eine bedeutende Rolle. In Südkärnten/Južna Koroška sind zwar die meisten Kriegerdenkmäler mit deutschen Inschriften versehen, doch gibt es hier einige Ausnahmen: Im Eingangsbereich der Filialkirche von Linsenberg/Lečja gora, einer Ortschaft der Marktgemeinde Poggersdorf/Pokrče im Bezirk Klagenfurt-Land/Celovec-dežela, ist eine slowenischsprachige Erinnerungstafel für die gefallenen Soldaten des Ersten Weltkriegs angebracht, auf der zwar die Inschrift V blag spominj padlim junakom leta 1914–1918 noch gut, die Namen jedoch nur mehr schwer zu lesen sind. Die Filialkirche, die im Osten des Klagenfurter Feldes/Celovško polje liegt, wird von einem kleinen Friedhof umgeben, auf dem sonst keine Spuren der slowenischen Sprache zu fi nden sind, weshalb diese Gedenktafel auch ein bedeutendes Zeugnis des ethnisch-sprachlichen Wandels in diesem Gebiet ist. 48 46 Riesenfellner, Todeszeichen, 20f. 47 Allgemein zu den Kriegerdenkmälern in Österreich und im Speziellen zu denen in Oberösterreich siehe Rosenberger – Gärtner, Kriegerdenkmäler ; zum politischen Totenkult als Teil der politischen Kultur siehe Koselleck – Jeismann, Der politische Totenkult . 48 In der Nähe von Linsenberg/Lečja gora befi ndet sich die Filial- und Wallfahrtskirche Dolina, in der bis zuletzt auch zweisprachige Messen gelesen wurden; in der Kirche hängt ein slowenischer Kreuzweg und das Altarbild stammt von Peter Markovič; siehe dazu Urank-Olip, Slovenski križevi poti , pp. 105–108; Schnabl, Markovič , 874. F. KÜHNEL: Memento Mori: Ethnisch-sprachliche Aspekte der (Süd-)Kärntner Erinnerungskultur 196 Weitere nur slowenischsprachige Erinnerungstafeln an die Gefallenen des Ersten Weltkriegs gibt es außerdem in den Pfarrkirchen von Zell-Pfarre/Sele-Fara und Windisch Bleiberg/Slovenji Plajberk, die beide unweit der slowenisch-öster- reichischen Grenze an der Nordseite der Karawanken/Karavanke zu fi nden sind; ferner in der Pfarrkirche von Augsdorf/Loga vas, die sich südwestlich von Velden am Wörthersee/Vrba na Koroškem befi ndet; der Pfarrkirche von Petschnitzen/ Pečnica, die östlich des Faaker Sees/Baško jezero ist und der Pfarrkirche von Sankt Johann im Rosental/Št. Janž v Rožu, die östlich der Marktgemeinde Feistritz im Rosental/Bistrica v Rožu liegt. Darauf sind die folgenden Inschriften angebracht: Windisch Bleiberg/Slovenji Plajberk V spomin v svetovni vojni 1914–18 padlim vojakam naše župnije. Naj mirno počivajo v tuji zemlji! Slava njih spominu! Zell-Pfarre/Sele-Fara V spomin: V svetovni vojni 1914–18 padli selski vojaki. Kjerkoli grob je vaš postlan. Vstajenja vsem zasije dan. Postavili tovariši 6. Nov. 1924. Augsdorf/Loga vas (siehe Abb. 2) V spomin žrtvam svetovne vojske iz župnije Logaves. Minuli so boji, minulo trpljenje. Za dom svoj preljubi smo dali življenje. Zdaj širom sveta naša trupla trohne. A gor nad oblaki spet vidimo se! Abb. 2: Pfarrkirche Augsdorf/Loga vas, Gedenktafel für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs. Foto: Ferdinand Kühnel. Zgodovinski časopis | 76 | 2022 | 1-2 | (165) 197 Petschnitzen/Pečnica V spomin žrtvam svetovne vojske iz župnije Pečnica. Minuli so boji, minulo trpljenje. Za dom svoj preljubi smo dali življenje. Zdaj širom sveta naša trupla trohne. A gor nad oblaki spet vidimo se! Sankt Johann im Rosental/Št. Janž v Rožu 1914–1918. V spomin v svetovni vojni padlim vojakom naše župnije. Oj bojno polje, brezmejno gorje rodilo si ti! Ti lilo si, ti pilo si potoke krvi. Koliko hiš, koliko žaluje src bridko – zakaj to trpiš o dobrotno nebo. Naj mirno počivajo v tuji zemlji! In den Pfarrkirchen von St. Margarethen im Rosental/Šmarjeta v Rožu, Sankt Jakob im Rosental/Šentjakob v Rožu, Sankt Philippen ob Sonnegg/Št. Lipš und Sankt Michael ob Bleiburg/Šmihel pri Pliberku gibt es außerdem zweisprachige Erinnerungstafeln an die gefallenen Soldaten des Ersten Weltkriegs: St. Margarethen im Rosental/Šmarjeta v Rožu Gedenke der Kriegsopfer. Spomni se vojnih žrtev 1914–1918 – Slava njih spominu! Ehre ihren Angedenken! Sankt Jakob im Rosental/Šentjakob v Rožu 1914–1918. Spomni se vojnih žrtev. Slava njih spominu! Ehre ihren Angedenken! Sankt Philippen ob Sonnegg/Št. Lipš Zur Erinnerung an die im Weltkriege Gefallenen! V spomin v svetovni vojski padlih vojakov! Sie starben für unsere gemeinsame Heimat! Umrli so za našo skupno domovino! Sankt Michael ob Bleiburg/Šmihel pri Pliberku Padlim v spomin. Zum ehrenden Angedenken der im Weltkriege gefallenen Soldaten 1914–1918. Diese ein- und zweisprachigen slowenischen Gedenktafeln für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs haben gemeinsam, dass sie allesamt an Pfarrkirchen befestigt wurden, die von Friedhöfen umgeben sind, die über relativ viele slowenischspra- chige Grabsteine verfügen oder direkt auf Friedhöfen zu fi nden sind, auf denen die slowenische Sprache präsent ist. Eine Ausnahme ist die Erinnerungstafel der Filialkirche Linsenberg/Lečja gora, die von einem ausschließlich deutschsprachigen Friedhof umgeben ist. Diese, vor allem die einsprachig slowenischen, Erinnerungs- zeichen zeigen, dass Slowenisch zur Zeit der Errichtung die Umgangssprache der ortsansässigen Bevölkerung gewesen sein muss. Dass im Umfeld von Kirchen und Friedhöfen bzw. auf Grundstücken im Einfl ussbereich der Kirche besonders häufi g Erinnerungszeichen in slowenischer Sprache gefunden werden können, hängt auch mit der Bedeutung des slowenischsprachigen Klerus bei der Nationalisierung der F. KÜHNEL: Memento Mori: Ethnisch-sprachliche Aspekte der (Süd-)Kärntner Erinnerungskultur 198 ortsansässigen Bevölkerung zusammen. 49 Mit dem Einsetzen eines an Sprachgruppen geknüpften Nationalbewusstseins in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatten slowenischsprachige Priester an der Entwicklung einer slowenischen Schriftspra- chigkeit und der Alphabetisierung der Kärntner Landbevölkerung großen Anteil und übernahmen zugleich die Rolle einer nationalen Elite, da die Slowen*innen über keinen „eigenen“ Adel und über kein „entwickeltes Bürgertum“ verfügten. 50 Neben der sprachlich-ethnischen Komponente ist auch der der Vergleich der slowenisch-deutschen bzw. slowenischen mit den deutschen Inschriften der Krie- gerdenkmäler für die gefallenen Soldaten des Ersten Weltkriegs aufschlussreich: Erstere beziehen sich zwar auch auf „Helden“, die für ihre „allerliebste Heimat“ gefallen sind, doch wirken die deutschen Inschriften ungleich martialischer wie die folgenden Beispiele der Filialkirche Emmersdorf (Klagenfurt-Wölfnitz/Celovec-Go- lovica), der Pfarrkirchen Sankt Michael am Zollfeld/Šmihel na Gosposvetskem polju und Radsberg/Radiše sowie vom Friedhof Hermagor/Šmohor verdeutlichen: Emmersdorf Sie kannten nur eines. Treue der Heimat bis in den Tod. Von der Freiw[illi- gen] Feuerw[ehr] Emmersdorf den in treuer Pfl ichterfüllung gefallenen Helden des Weltkrieges 1914–1918 gewidmet. Sankt Michael am Zollfeld/Šmihel na Gosposvetskem polju Sie gaben für uns 1914–1918 ihr Leben! In Freud und Leid – in Glück und Not, der Heimat treu bis in den Tod. Radsberg/Radiše Die den Tod fürs Vaterland sterben, werden ewig leben. Hermagor/Šmohor Dem Gedächtnisse der im Kampfe für des Vaterlandes Ehre, Größe und Macht gefallenen Helden. 92. Infanterietruppendivision. Dass die slowenischen bzw. zweisprachigen Totengedenken an den Ersten Weltkrieg gemäßigter in ihrem Ton sind, könnte an der Entfremdung der ehema- ligen slowenischsprachigen Soldaten von ihrer „Heimat“ in Folge des so genann- ten Kärntner Abwehrkampfes und der Volksabstimmung liegen. Zudem wurden bereits während des Ersten Weltkriegs slowenischsprachige Kärntner*innen unter dem Vorwurf der Russophilie bzw. Serbophilie des Hochverrats bezichtigt und 49 Zur Bedeutung des slowenischsprachigen Klerus im nationalen Differenzierungsprozess in Kärnten/Koroška siehe etwa Pleterski, Slowenisch oder deutsch ; Drobesch – Stauber – Tropper, Mensch, Staat und Kirchen; Bahovec, Eliten und Nationwerdung/Elite in narodovanje ; Moritsch, Vom Ethnos zur Nationalität ; Moritsch, Austria Slovenica ; Trießnig, Kärntner slowenischer Kle- rus : Wakounig, Ambivalenz einer Beziehung , pp. 151–161; Wakounig, Kärntner Slowen*innen 1920–2020 , pp. 119–136. 50 Kühnel, Ruhe in Frieden? , p. 44; Bruckmüller, Sozialgeschichte Österreichs , p. 245. Zgodovinski časopis | 76 | 2022 | 1-2 | (165) 199 eingesperrt. Außerdem spielt hier der Zeitraum der Errichtung der Denkmäler eine Rolle: Die Gedenktafeln in Zell-Pfarre/Sele-Fara und Augsdorf/Loga vas stammen beide aus dem Jahr 1924. Zu dieser Zeit war in diesem Gebiet das Slowenische zwar noch vielverstandene und vielgesprochene Sprache, doch nahm die Bereit- schaft sich zur Verwendung der slowenischen Sprache zu bekennen drastisch ab, wie die Volkszählung von 1923 eindrücklich zeigte. 51 Prinzipiell muss auch davon ausgegangen werden, dass es noch viel mehr Krieger- und Gefallenendenkmäler mit slowenischen Inschriften gegeben haben muss, diese jedoch den angeordneten Zwangseindeutschungen auf den Friedhöfen und in den Kirchen während der NS- Zeit zum Opfer fi elen. 52 Deshalb ist es von besonderer Bedeutung zu untersuchen, welche sozialen Hierarchisierungen die Aufstellung und Anordnung der Krieger- denkmäler widerspiegeln: Wer ließ sie errichten; wann, wo und zu welchem Zweck geschah dies; darüber hinaus muss danach gefragt werden, wer die Inschriften auf den Gedenktafeln verfasst hat und wer für die Finanzierung der Denkmäler aufkam. Kriegerdenkmäler – Zweiter Weltkrieg Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die schon vorhanden Kriegerdenkmäler des Ersten Weltkriegs vielfach erweitert. Zentraler Akteur des Gedenkens an die ge- fallenen Soldaten des Zweiten Weltkriegs wurde der 1952 gegründete Österreichische Kameradschaftsbund (ÖKB), der auf die steiermärkische „Heimkehrer-, Hilfs- und Betreuungsstelle“ zurückging. 53 Andere, in den Bundesländern wirkende, Soldaten- und Veteranenvereine begaben sich danach sukzessive unter das Dach des ÖKB und wurden zu einer mitgliederstarken Organisation. Der Kameradschaftsbund fungierte ab den 1950er Jahren als politische Massenorganisation, die „Gedächtnisträger einer entpolitisierten, entideologisierten und entkriminalisierten Wehrmacht war“. 54 In Österreich 55 standen sich nach 1945 zwei Narrative über die Rolle Ös- terreichs in der Zeit des Nationalsozialismus gegenüber: Ein Narrativ betonte den Opferstatus Österreichs, das vom Dritten Reich okkupiert und zwangsweise angeschlossen wurde; das zweite gedachte der „pfl ichterfüllenden“ Soldaten, die im „Kampf um ihr Vaterland“ ihr Leben ließen. Dieses doppelte Gedenken ver- folgte zwei unterschiedliche Strategien: Innenpolitisch wurde danach gestrebt, die ehemaligen Wehrmachtssoldaten und Nationalsozialist*innen nicht vor den Kopf zu stoßen, sie also als Wähler*innen zu gewinnen; außenpolitisch fokussierte die Republik auf den Status als erstes Opfer der nationalsozialistischen Aggression und den nur spärlich vorhanden Widerstand gegen das NS-Regime. 56 So konnten die 51 Haas – Stuhlpfarrer, Österreich und seine Slowenen , p. 38; Kühnel, Ruhe in Frieden? , pp. 19f. 52 Tropper, Kirche im Gau, pp. 146–151, 163. 53 Klingbacher, Der Österreichische Kameradschaftsbund , p. 22. 54 Manoschek, Österreicher im Zweiten Weltkrieg , pp. 59–80, hier 63. 55 Zum folgenden Kapitel siehe auch Kühnel, Ruhe in Frieden? , pp. 134f., 236–238, 243, 263f., 271f. 56 Siehe dazu etwa Pelinka, „Lebenslügen“ der Zweiten Republik , pp. 23–32, hier 25; Uhl, Vom Opfermythos zur Mitverantwortungsthese , pp. 50–85. F. KÜHNEL: Memento Mori: Ethnisch-sprachliche Aspekte der (Süd-)Kärntner Erinnerungskultur 200 Großparteien sowohl um die „Verführten“ werben als auch Reparationszahlungen verhindern und die eigene Verantwortung am Funktionieren des NS-Systems und die Verstrickung vieler Österreicher*innen darin abweisen bzw. an die Bundesre- publik Deutschland delegieren. Das Kollektiv der Wehrmachtssoldaten, das seinen gefallenen Kameraden die Denkmäler errichtete, weigerte sich naturgemäß jene Soldaten in die Erinnerungs- gemeinschaft aufzunehmen, die aus der vermeintlichen Zwangsgemeinschaft der Wehrmacht ausgeschieden waren, sei es als Wehrdienstverweigerer, Wehrmachts- deserteure oder Widerstandskämpfer. Die Veteranengemeinschaft hatte keinen Platz für die ungehorsamen Soldaten, die den „pfl ichterfüllenden“ Soldaten eine Alternative aufgezeigt hätten. Zudem mussten die Soldaten des Zweiten Weltkriegs als Kriegsopfer dargestellt werden. Dies wurde erreicht, indem sie selbst zu Opfern des NS-Regimes gemacht wurden, da sie zum einen verblendet und verführt, zum anderen dem militärischen Gehorsamsprinzip unterworfen waren und einen Eid auf Adolf Hitler geleistet hatten: „Legitimiert wurde das Töten durch die Berufung auf das vertikale Prinzip von Befehl und Gehorsam oder die horizontale Er- oder Ich-Situation. Immer exkulpierte sich der tötende Täter als Opfer einer Zwangslage: Der Wehrmachtssoldat kämpfte nicht aus ideologischer Verblendung oder aggressiver Neigung, sondern als Opfer der dämonischen Verführung durch Hitler, als willenlo- ses Rädchen im Getriebe der militärischen Hierarchie, aus altruistischer Sorge um Kameraden, Familie, Heimat und Vaterland oder aus der Notwehrsituation eines tatsächlichen oder vermeintlichen unfairen Partisanenkampfes heraus.“ 57 Lange Zeit gelang es dem ÖKB durch die Betonung der überzeitlichen Werte der Treue und Pfl ichterfüllung davon abzulenken, „daß nur die Erfolge der Großdeutschen Wehrmacht Auschwitz ermöglicht haben; daß das Heldentum der alten Kameraden das Morden in den Vernichtungslagern zusätzlich verlängert hat“. 58 Obwohl die „Opferthese“ und das darauf aufbauende Postulat der Pfl ichter- füllung schon seit den 1980er Jahren anhand der eigenen Widersprüchlichkeiten schrittweise ihre Legitimation einbüßten und durch die geschichtswissenschaftliche Forschung widerlegt wurden, dominiert in Kärnten/Koroška weiterhin eine Erinner- ungskultur, die Österreich als Opfer der NS-Okkupation darstellt und unkritisch mit fragwürdigen Inhalten auf den omnipräsenten Kriegerdenkmälern und sonstigen Erinnerungszeichen an den Zweiten Weltkrieg umgeht. Vielerorts fi ndet dieses Gedenken auf den Friedhöfen, bei den Kirchen oder anderen zentralen Orten in den Gemeinden statt, wie etwa das Beispiel des Friedhofs der Pfarrkirche St. Stefan in Finkenstein/Bekštanj zeigt: Hier wurde auf dem Gedenkstein für die Gefallenen des Zweiten Weltkriegs der Spruch Getreu ihrem Eid, gaben sie ihr Leben! angebracht. Dieser kurze Spruch drückt in wenigen Worten alle Widersprüchlichkeiten aus, die in Bezug auf Österreichs Rolle im nationalsozialistischen System zum Ausdruck kommen. Hier wird der Pfl ichterfüller und der Heimatverteidiger gedacht, ohne sich jedoch mit der Rolle der Wehrmacht im nationalsozialistischen Angriffs- und 57 Kühne, Veteranenkultur der Bundesrepublik , pp. 90–113, hier 101. 58 Pelinka, Kameradschaftsbünde als Männerbünde , pp. 309–314, hier 312f. Zgodovinski časopis | 76 | 2022 | 1-2 | (165) 201 Vernichtungskrieg auseinanderzusetzen. Außerdem stellt sich immer die Frage, welchem Eid sich ehemals österreichische Soldaten und Staatsbürger verpfl ichtet gefühlt haben sollen, da sie doch primär Opfer der Hitler’schen Aggression, aber keineswegs Täter innerhalb des NS-Systems gewesen sein wollten. Bedenkt man nur die Tatsache, dass die Wehrmacht als willfähriger Teil der Mordmaschinerie, gestützt auf die so genannten „verbrecherischen Befehle“ wie den Erlass über die Ausübung der Kriegsgerichtsbarkeit im Gebiet Barbarossa (Gerichtsbarkeitser- lass) oder die Befehle zur Behandlung der sowjetischen Kriegsgefangenen, vor allem, aber nicht nur, im Osten Europas wütete, so verhöhnt jedes ehrende und undifferenzierte Andenken an diese Soldaten alle Opfer des Nationalsozialismus. 59 Kriegerdenkmäler sind ein „Symbol für die Rehabilitierung der ehemaligen Wehr- machtssoldaten“ 60 , indem sie durch die Fokussierung auf die Täter und nicht die Opfer des Zweiten Weltkriegs die lange gültige These, Österreich sei das erste Opfer des Nationalsozialismus gewesen, massiv in Frage stellen. 61 Würden sich die Gefallenendenkmäler kritisch mit der Rolle der Wehrmacht und ihrer Soldaten auseinandersetzen, könnten sie sogar eine Bereicherung im geschichtspolitischen Diskurs darstellen, doch perpetuieren sie in dieser Form lediglich ein Vergangen- heitsnarrativ, das verharmlosend gegenüber den Opfern und exkulpierend gegenüber den Tätern wirkt. Da Vergangenheitsnarrative immer in der Jetztzeit aktualisiert werden und die politischen Diskurse über die Vergangenheit in der unmittelbaren Gegenwart stattfi nden 62 , birgt die ständige Wiederholung eines spezifi schen Nar- ratives, in dem Fall etwa der „sauberen Wehrmacht“ die Gefahr, dass es Gültigkeit behält, wiewohl der geschichtspolitische Diskurs auf vielen gesellschaftlichen Ebenen schon viel fortgeschrittener ist, sich also zumindest zur Mitverantwortung von Österreicher*innen bekennt. Weitere Beispiele für eine Gedenkkultur an den Zweiten Weltkrieg 63 , die Wehrmachtssoldaten pauschalisierend als Opfer des Krieges und Verteidiger der Heimat titulieren und oftmals auch mit den Opfern des NS-Regimes gleichsetzen, fi nden sich in großer Anzahl, wobei dies kein spezifi sch kärntnerisches Phänomen ist, sondern auf die anderen österreichischen Bundesländer, inklusive Südtirol 64 , genauso umgelegt werden könnte. In der Begrenzungsmauer des Kirchhofes der Pfarrkirche Sankt Georgen am Weinberg/Šentjurij na Vinogradih ist etwa ein Kriegerdenkmal errichtet worden, dass den Spruch Sie starben für die Heimat 1939–1945 trägt. Beim Friedhof der Filialkirche St. Andrä zu Seltenheim, im Süden von Klagenfurt-Wölfnitz/ Celovec-Golovica, steht ein Denkmal für die gefallenen Soldaten des Zweiten Weltkriegs, das im Jahr 1966 aufgestellt wurde und mit der folgenden Inschrift 59 Manoschek, Verbrechen der Wehrmacht , pp. 25–34, hier 25. 60 Uhl, Vom Opfermythos zur Mitverantwortungsthese , p. 60. 61 Zur Genese und Erosion der Opferthese siehe etwa Uhl, Das „erste Opfer“ , pp. 19–34; Botz, Nachhall und Modifi kationen, pp. 574–635. 62 Marchart, Historisch-politisches Gedächtnis , pp. 21–49, hier 23. 63 Zur Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg siehe etwa Gstettner, Gedenkstättenpädagogik und Bildungspolitik . 64 Siehe dazu etwa Heinz, Die versteinerten Helden. F. KÜHNEL: Memento Mori: Ethnisch-sprachliche Aspekte der (Süd-)Kärntner Erinnerungskultur 202 aufhorchen lässt: Um aller Kronen schönste darf ich werben, darf für mein Volk und für meinen Glauben sterben . Bei der Pfarrkirche Tigring/Tigrče befi ndet sich ein weiteres Gefallenendenkmal, das mit zwei unterschiedlichen Versen der gefal- lenen Soldaten beider Weltkriege gedenkt. Die Inschrift für den Zweiten Weltkrieg stimmt in den Chor der Heimat- und Volksverteidiger ein: Sie starben für Volk und Heimat, vergossen unser Blut. Vergesset uns nie o Heimat, wir schützten euch euer Hab und Gut . Wie schon für den Ersten Weltkrieg gibt es auch einsprachig slowenische bzw. deutsch-slowenische Kriegerdenkmäler für gefallene Soldaten des Zweiten Weltkriegs, wenn auch diese deutlich seltener sind. In Südkärnten/Južna Koroška wird der Gefallenen des Zweiten Weltkriegs prinzipiell in einem geringeren Maße und auf andere Weise gedacht, da slowenischsprachige Kärntner zwar genauso zur Wehrmacht eingezogen worden sind, slowenischsprachige Kärntner*innen aber zugleich auch durch das NS-Regime verfolgt, ermordet und deportiert worden sind, sowie an diversen Widerstandshandlungen, etwa als Partisan*innen, beteiligt waren oder als deren Unterstützer*innen fungierten. Zum Beispiel gibt es am Eingang zum Friedhof der Pfarrkirche Radsberg/ Radiše, auf dem Friedhof der Pfarrkirche von Gallizien/Galicija und in den Ein- gangsbereichen der Pfarrkirchen von Windisch Bleiberg/Slovenji Plajberk, St. Jakob im Rosental/Št. Jakob v Rožu und der Filialkirche Unterferlach/Spodnje Borovlje zweisprachige Erinnerungstafeln an die Gefallenen des Zweiten Weltkriegs. Auf der Erinnerungstafel des Eingangsportals zum Friedhof der Pfarrkirche von Radsberg/ Radiše steht V spomin žrtvam/Zur Erinnerung an die Opfer geschrieben. Dieser Gedenkstein trägt auch die Namen zweier gefallener Partisanen, derer am Friedhof auch auf dem Gedenkstein des Zveza koroških partizanov/Verband der Kärntner Partisanen (ZKP) gedacht wird. Am Friedhof der Pfarrkirche Radsberg/Radiše ist außerdem eine private Erinnerungstafel für einen gefallenen Soldaten des Zweiten Weltkriegs in die Friedhofsmauer eingelassen, die in ausschließlich slowenischer Sprache verfasst worden ist. Diese, auf etlichen Südkärntner Friedhöfen anzutreffen- den, privaten Gedenktafeln sind auch deswegen von besonderer Bedeutung, da die Verwendung der slowenischen Sprache während des Nationalsozialismus verboten war und sie daher erst nach dem Zweiten Weltkrieg errichtet werden konnten. Am Friedhof der Pfarrkirche Gallizien/Galicija gibt es überhaupt zwei Ge- denktafeln für die Gefallenen des Zweiten Weltkriegs: Neben der zweisprachigen Gedenktafel, auf der nur einige Namen vermerkt sind und die Inschrift Dali smo svoje življenje za vas/Wir gaben für euch unser Leben trägt, befi ndet sich noch eine zweite, die jedoch nur in deutscher Sprache beschrieben wurde und ein Vielfaches an Namen aufweist. Das deutsche Gedenken trägt die Inschrift: Jedes Soldatengrab ist heilige Erde, alle starben, daß uns Frieden werde . Die zwei Erinnerungstafeln unterscheiden sich jedoch nicht nur in sprachlicher Hinsicht voneinander, sondern auch bezüglich des Inhalts. In der slowenisch-deutschen Fassung sprechen die Gefallenen zu den Lebenden; in der deutschen Inschrift sprechen die überlebenden Soldaten über ihre gefallenen Kameraden und geben deren Tod einen Sinn, der jedoch in Anbetracht des Hitler’schen Aggressions- und Vernichtungskriegs zum Widersinn Zgodovinski časopis | 76 | 2022 | 1-2 | (165) 203 geworden ist. Auf der zweisprachigen Gedenktafel der Pfarrkirche von Windisch Bleiberg/Slovenji Plajberk steht Folgendes: Gedenket der Kriegsopfer/Spomnite se vojnih žrtev. 1939–1945. Slava njihovem spominu!/Ehre Ihrem Angedenken! Sie ist dezidiert den Kriegsopfern gewidmet, was in diesem Fall auch jene miteinschließt, die etwa für ihren Widerstand gegen das NS-Regime in KZs eingewiesen wurden und dort zu Tode kamen, wie es auf zwei der darauf vermerkten Personen zutraf. Im Eingangsbereich der Pfarrkirche von St. Jakob im Rosental/Št. Jakob v Rožu sind zwei deutschsprachige Erinnerungstafeln für die Gefallenen und Vermissten des Zweiten Weltkriegs angebracht. In deren Mitte wurde eine dritte Tafel montiert; sie trägt die folgenden Zeilen: Rajnim v spomin. Živim v opomin . 65 Das ausschließlich deutsche Gedenken wurde offenbar durch diese slowenische Zusatztafel erweitert. In der Filialkirche Unterferlach/Spodnje Borovlje ist in der Vorlaube eine Gedenktafel mit der Inschrift Zum Gedenken. Za spomin. 1939 1945. Počivajte v miru! Ruhet in Frieden! zu fi nden. An nur zwei Orten in Südkärnten/Južna Koroška konnten Erinnerungstafeln für die Gefallenen des Zweiten Weltkriegs gefunden werden, die in ausschließlich slowenischer Sprache verfasst worden sind. Diese sind in den Eingangsbereichen der Pfarrkirchen von Ludmannsdorf/Bilčovs und Zell-Pfarre/Sele-Fara angebracht: Die Gedenktafel der Pfarrkirche von Ludmannsdorf/Bilčovs (siehe Abb. 3) gedenkt in äußerst nüchterner Weise der gefallenen und vermissten Soldaten des Zweiten Weltkriegs: V spomin v drugi svetovni vojni 1939–1945 padlim in pogrešanim vojakom bilčovske župnije Abb. 3: Pfarrkirche Ludmannsdorf/Bilčovs, Gedenktafel für die Gefallenen des Zweiten Welt- kriegs. Foto: Ferdinand Kühnel. 65 [Den Verstorbenen zur Erinnerung, den Lebenden als Mahnung]. F. KÜHNEL: Memento Mori: Ethnisch-sprachliche Aspekte der (Süd-)Kärntner Erinnerungskultur 204 Im Eingangsbereich der Pfarrkirche Zell-Pfarre/Sele-Fara wird der Gefallene in den folgenden Worten gedacht: V spomin. V drugi svetovni vojni 1939–1945 padli selski vojaki. Daleč vaši so grobovi, izkopali so jih vam topovi. Za domovino dali ste življenje ‘Na svidenje’: Ko se zasliši glas: ‘Vstajenje’! Postavili vojni tovariši 6. Nov. 1952 Dem Widerstand gegen das NS-Regime ist eine weitere Tafel gewidmet: V spomin žrtvam nacističnega nasilja v drugi svetovni vojni 1939–1945. Težki čas ne vrni se. Postavila selska občina“ Auf zwei anderen Tafeln wird der dreizehn enthaupteten Männer und einer Frau gedacht, die in Wien im April 1943 hingerichtet wurden und zu jenen rund 200 verhafteten Personen aus dem Raum Eisenkappel/Železna kapla und Zell-Pfarre/ Sele-Fara zählten, die im November 1942 als Verdächtige in Bezug auf Partisan*in- nentätigkeiten festgenommen worden waren. 66 Die Erinnerungstafeln zeigen, dass es in dieser Gemeinde etliche Bewohner*innen gab, die bereit waren, sich gegen das NS-Regime zu stellen; andere hingegen waren Soldaten der Wehrmacht oder anderer NS-Verbände. Auf diesem Friedhof kommt es zu einer „Konfrontation“ zumindest zweier Erinnerungsgemeinschaften, die während des Zweiten Weltkriegs gegeneinanderstanden, am Friedhof jedoch Seite an Seite ewig gedacht werden. 67 Der Friedhof der Pfarrkirche in der Ortschaft Glainach/Glinje, die östlich von Ferlach/Borovlje liegt, beherbergt gleich mehrere Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg und ist daher ein gutes Beispiel, um die unterschiedlichen Erinnerungen auf ein- und demselben Friedhof zu exemplifi zieren. In die Mauer der Pfarrkirche ist eine Erinnerungstafel eingebracht, auf der lediglich die Namen der gefallenen Soldaten des Ersten und des Zweiten Weltkriegs aufgelistet sind und bei der auf jed- wede pathetische Sprachformel verzichtet wurde. Auf dem Grabstein des Ehepaares Šašl (siehe Abb. 4) wurde ganz nüchtern vermerkt, dass Maria Šašl (1898–1944), geborene Čemer, aus der östlich von Glainach/Glinje liegenden Ortschaft Seidolach/ Ždovlje, am 12. Jänner 1944 im bayrischen Umsiedlungslager Eichstätt verstarb. Sie, ihr Mann und ihre zwei Söhne wurden am 16. April 1942 zusammen mit über 200 anderen Kärntner Slowen*innen ins so genannte Altreich deportiert und auf diverse Lager aufgeteilt. 68 Maria Šašl verstarb im Lager an Lungentuberkulose und wurde auch dort beerdigt. 69 66 Rettl, Kärntner Partisanenkampf , pp. 94–102, hier 99; Baum, Die Freisler-Prozesse . Maja Haderlap erzählte meisterhaft in ihrem im Jahr 2011 erschienenen Roman „Engel des Ver- gessens“ anhand ihrer eigenen Familiengeschichte die Verfolgung, Deportation und Ermordung slowenischsprachiger Kärntner*innen und den schäbigen Umgang Österreichs mit den Kärntner slowenischen Opfern des nationalsozialistischen Regimes. 67 Vor dem Pfarrsaal in Zell-Pfarre/Sele-Fara wurde im Jahr 2015 ein Denkmal für die NS-Opfer aus Zell/Sele errichtet, das von Valentin Oman und Hanzi Čertov gestaltet wurde. Siehe dazu etwa ORF, Spomenik žrtvam nacionalsocializma ; ORF, Spomenik vsem selskim žrtvam ; Entner, Widerstand und Verfolgung . 68 Karner, Die Aussiedlung , pp. 21–51, hier 39; Schneider, Nach Eichstätt verschleppt . 69 Schneider, Nach Eichstätt verschleppt . Zgodovinski časopis | 76 | 2022 | 1-2 | (165) 205 Abb. 4: Friedhof der Pfarrkirche Glainach/Glinje, Grabstein Familie Šašl. Foto: Ferdinand Kühnel. Wie umkämpft die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg ist, belegt die private Erinnerungstafel (siehe Abb. 5) an einen gefallenen Wehrmachtssoldaten, die in Sichtweite zum Grab der Maria Šašl angebracht wurde. Auf den ersten Blick schaut die Gedenktafel aus wie jede andere, die alle Friedhöfe in Österreich säumen. Erst bei genauer Betrachtung ist zu erkennen, dass das Bildnis des Gefallenen nicht nur von einem deutschen Eisernen Kreuz fl ankiert wird, sondern auch von einer F. KÜHNEL: Memento Mori: Ethnisch-sprachliche Aspekte der (Süd-)Kärntner Erinnerungskultur 206 Tapferkeitsmedaille der deutschen Wehrmacht, nämlich dem Sturmabzeichen. In der Mitte der Tapferkeitsauszeichnung sitzt ein Wehrmachtsadler auf einem Ha- kenkreuz. Ein Detail, das offenbar seit Kriegsende keine größere Aufmerksamkeit erregt hat [sic!]. Abb. 5: Friedhof der Pfarrkirche Glainach/Glinje, Grabstein mit Hakenkreuz. Foto: Ferdinand Kühnel. Auf dem Friedhof ist außerdem eine Erinnerungsstele für 14 unbekannte Partisan*innen aufgestellt, die am 10. Mai 1945 von einer Einheit der Domobranci in Glainach/Glinje überrascht und von dieser erschossen wurden. 70 In Südkärnten/ Južna Koroška gibt es insgesamt 51 dieser Denkmäler für gefallene Partisan*innen, die in den 1940er bis 1980er Jahren vom Verband der Kärntner Partisanen/Zveza koroških partizanov errichtet wurden. 71 Einem weiteren Verbrechen, das mit dieser Tat in Zusammenhang stehen soll, wird auf einem anderen slowenischsprachigen 70 Linasi, Die Kärntner Partisanen , p. 345. 71 Zu den Partisan*innendenkmälern siehe Rettl, PartisanInnendenkmäler , pp. 176–208; Linasi, Die Kärntner Partisanen ; Mohar, Otoki spomina/Gedenkinseln . Zgodovinski časopis | 76 | 2022 | 1-2 | (165) 207 Grab gedacht, das jedoch schon fast bis zur Unkenntlichkeit verblasst ist: Tukaj počiva 16 beguncev iz Slovenije, 13 moških in 3 ženske – umorjenih 13. maja 1945 v Reichmanovem gozdu . Als Vergeltung sollen die Partisan*innen dann ihrerseits am 13. Mai 1945 zwölf Domobranci und eine/n Zivilisten*in ermordet und in deren Grab drei weitere Leichen verscharrt haben. 72 Dass die Erinnerung an die Gefallenen des Zweiten Weltkriegs, die Parti- san*innen und die Opfer des NS-Regimes auch in einer anderen Art und Weise möglich ist, zeigt der Friedhof der Pfarrkirche in der Gemeinde Sittersdorf/Žitara vas, die südwestlich von Eberndorf/Dobrla vas liegt. Hier steht zum einen ein Denkmal für die im Gemeindegebiet gefallenen Partisan*innen, das 1970 errichtet wurde; zum anderen wird hier mit zwei Erinnerungstafeln, die nebeneinander an- gebracht worden sind, der Gefallenen u. Vermissten der Gemeinde Sittersdorf und der Opfer der Gewalt/Žrtve nasilja v občini/in der Gemeinde Sittersdorf/Žitara vas 12.03.1938–08.05.1945 gedacht. Diese Erinnerungstafel listet 24 Opfernamen und wurde im Jahr 2015 auf Initiative des Slowenischen Kulturvereins/Slovensko prosvetno društvo (SPD) Trta enthüllt. Grabsteine im Zeichen des ethnisch-sprachlichen Wandels Neben diesen kollektiven sind vor allem auch die privaten Erinnerungszeichen in Form von Grabsteinen auf den Friedhöfen relevant, da sie ebenso an die Ge- waltgeschichte des 20. Jahrhunderts erinnern, aber auch den ethnisch-sprachlichen Wandel belegen. 73 Auf der Mehrzahl der Friedhöfe in Südkärnten/Južna Koroška sind die unterschiedlichsten Belege für die einstmalige bzw. fortwährende Präsenz des Slowenischen zu fi nden, wiewohl die sichtbaren Zeichen des Slowenischen abgenommen haben. Dies ist vor allem einer spätestens seit 1918 vermehrt einset- zenden ethnisch-sprachlichen Homogenisierung geschuldet, die den Menschen die Verwendung der slowenischen Sprache untersagte bzw. sie verächtlich machte. Zur Zeit des Nationalsozialismus bestand ein Verbot der Verwendung der slowenischen Sprache, das sich selbstverständlich auf das ethnisch-sprachliche Bild auf den Friedhöfen auswirkte. Doch auch die Politik gegenüber den slowenischsprachigen Kärntner*innen seit 1918 führte dazu, dass immer weniger Menschen dazu bereit waren, slowenische Inschriften bzw. Namensschreibweisen auf den Grabsteinen anzubringen bzw. ihre Namen behördlich ändern ließen bzw. zur NS-Zeit auch dazu gezwungen wurden. Ein Beispiel hierfür gibt es etwa auf dem Friedhof der Pfarrkirche St. Stefan unter Feuersberg/Šteben, die südöstlich von Eberndorf/ Dobrla vas liegt. Zu sehen ist hier ein Familiengrab (siehe Abb. 6), auf dem es zu zwei verschie- denen Schreibweisen ein- und desselben Namens kommt. Die Elterngeneration des Johan (1871–1953) und der Marija Eržen (1880–1958, geborene Mischitz/Mišic) verwendete noch slowenische Inschriften und die slowenische Schreibweise ihres 72 Ibid. 73 Zum folgenden Kapitel siehe auch Kühnel, Ruhe in Frieden? , pp. 195f., 230–232, 274–276. F. KÜHNEL: Memento Mori: Ethnisch-sprachliche Aspekte der (Süd-)Kärntner Erinnerungskultur 208 Nachnamens, wiewohl in den Matrikeln die deutschen Formen ihrer Vornamen eingetragen wurden. Die Schreibweise des Nachnamens folgte jedoch der Schreib- weise in den Matrikeln, wie etwa das Trauungsbuch belegt. 74 Das Staatsgrundge- setz von 1867 75 ließ die ethnische, also slowenische Schreibweise zwar zu, doch erlaubte das bischöfl iche Ordinariat in Kärnten/Koroška erst ab dem Jahr 1906 die Pfarrmatrikeln im zweisprachigen Gebiet auch doppelsprachig, also in Slowenisch und Deutsch zu führen. 76 Im Jahr 1923 wurde die bischöfl iche Verfügung jedoch wieder auf Druck des Kärntner Heimatdienstes (KHD) annulliert und durch eine neue Verordnung ersetzt, die den Pfarrern vorschrieb, alle Matrikeln der Geburten, Eheschließungen und Sterbefälle ausschließlich in deutscher Sprache zu verfassen. 77 Auf dem Grabstein und der davor positionierten Grabtafel folgen die Kinder Jožef (1915–1941), Robert (1905–1982), Helene (1917–1989) und Maria (1908–1991), sowie die Ehefrau von Robert, Helena (1914–1998). Alle Kinder wurden in den Matrikeln mit der slowenischen Schreibweise des Nachnamens eingetragen, da deren Geburtsdaten in jene Zeit fi elen, in der die slowenische Schreibweise zugelassen war: Josef Eržen 78 wurde am 9. September 1915 geboren und fi el im Zweiten Weltkrieg im Jahr 1941 an der russischen Front; Robert Eržen 79 wurde am 5. Juni 1905 geboren und verstarb am 17. April 1982. Am Grabstein ist er jedoch der erste, der eine eingedeutschte Form des Nachnamens trägt. Die Matrikeln ver- raten auch den Grund dafür: Der hier verzeichnete Familiennamen hat statt Eržen richtig Erschen zu lauten (Bescheid des Amtes der Kärntner Landesregierung vom 22.8.1972, Zl. Präs–3693/1/72). Robert Erschen ersuchte zur Zeit des Konfl ikts um die Aufstellung zweisprachiger Ortstafeln offi ziell um die Änderung seines Familiennamens an; dem wurde stattgegeben. Seine Schwester Helene kam am 19. Mai 1917 zur Welt; interessanter Weise hat sie sowohl einen slowenischen wie auch einen deutschen Eintrag, in dem jeweils der Sprache entsprechend der Nach- name Eržen bzw. Erschen verwendet wurde. 80 Die Taufbucheinträge ihrer am 17. Mai 1908 geborenen Schwester Maria sind zweisprachig, allerdings wurde beide Male nur die slowenische Form des Nachnamens eingetragen. 81 Der alte Grabstein mitsamt den slowenischen Inschriften und Namen wurde in diesem Fall zwar nicht geändert, doch vollzog die Generation der Kinder, bis auf den schon früh gefallenen Sohn, einen bewussten Wechsel in sprachlicher Hinsicht. Sie verzichtete auf die 74 Pfarre St. Stefan unter Feuersberg/Šteben, Trauungsbuch tom. D , fol. 38. 75 Paragraph 19 legte darin explizit fest, dass „alle Volksstämme des Staates […] gleich- berechtigt“ sind „und jeder Volksstamm […] ein unverletzliches Recht auf Wahrung und Pfl ege seiner Nationalität und Sprache“ hat und „die Gleichberechtigung aller landesüblichen Sprachen in Schule, Amt und öffentlichem Leben […] vom Staate anerkannt“ wird. Rechtsinformations- system des Bundes, Staatsgrundgesetz von 1867 . 76 Trießnig, Kärntner slowenischer Klerus , p. 51; Tropper, Pfarrarchiv , pp. 1025–1027, hier 1026. 77 Trießnig, Kärntner slowenischer Klerus , 51. 78 Pfarre St. Stefan unter Feuersberg/Šteben, Geburtsbuch tom. G Kopie , fol. 37. 79 Pfarre St. Stefan unter Feuersberg/Šteben, Geburtsbuch tom. F , fol. 116, 80 In den Matrikeln wird sie als Helena, am Grabstein als Helene geführt; Pfarre St. Stefan unter Feuersberg/Šteben, Geburtsbuch tom. G Kopie , fol. 43 81 Pfarre St. Stefan unter Feuersberg/Šteben, Geburtsbuch tom. F , fol. 130. Zgodovinski časopis | 76 | 2022 | 1-2 | (165) 209 weitere Anbringung slowenischer Inschriften und änderte sogar – wie im Fall von Robert Erschen – ihren slowenischen Nachnamen. Ein weiteres bemerkenswertes Detail ist das private Gedenken an den im Zweiten Weltkrieg gefallenen Sohn von Johan und Marija Eržen, dem mit slowenischem Namen und slowenischer Inschrift gedacht wurde. Abb. 6: Friedhof der Pfarrkirche St. Stefan unter Feuersberg/Šteben, Grabstein der Familie Eržen/Erschen. Foto: Ferdinand Kühnel. Ein anderes Beispiel für eine Namensänderung stammt aus der Pfarre Schwa- begg/Žvabek, die sich westlich der Gemeinde Neuhaus/Suha befi ndet. Auf einem Grabstein wird der Familienname in zwei unterschiedlichen Schreibweisen ge- schrieben: Maček/Matschek (siehe Abb. 7). Im Index zu den Geburtsbüchern der Pfarre fi ndet sich zu Franz Matschek (1927–1986) ein Eintrag, der den Namen in eben dieser Form schreibt, wiewohl auf dem Grabstein für die Eltern die slowe- nische Schreibweise angebracht wurde. 82 Sein gleichnamiger Vater (1896–1971) ist in das Geburtsbuch der Pfarre, das zu dieser Zeit in Deutsch geführt wurde mit dem slowenischen Nachnamen Maček eingetragen worden, obwohl hier ein interessantes Detail das Geheimnis der Namensungleichheit lüftet, das aber erst nach seinem Ableben Eingang in die Geburtsmatrikel fand: Der hier verzeichnete Familienname hat statt Maček richtig Matschek zu lauten (Bescheid des Amtes der Kärntner Landesregierung vom 18.3.1983 Zl. Präs – 5294/2/83). 83 Ein Familienmit- glied dürfte also in den 1980er Jahren um einen Namenswechsel bei den Kärntner Landesbehörden angesucht haben, dem selbstverständlich stattgegeben wurde. 82 Pfarre Schwabegg/Žvabek, Index zu den Geburtsbüchern , fol. 13. 83 Pfarre Schwabegg/Žvabek, Geburtsbuch VI , fol. 92. F. KÜHNEL: Memento Mori: Ethnisch-sprachliche Aspekte der (Süd-)Kärntner Erinnerungskultur 210 Abb. 7: Friedhof der Pfarrkirche Schwabegg/Žvabek, Grabstein der Familie Maček/Matschek. Foto: Ferdinand Kühnel. Neben diesen aus „freien Stücken“ erfolgten Namensänderungen gibt es auch zwangsweise Änderungen der Schreibweisen während der Zeit des Nationalsozialismus. Diese wirkten sich klarerweise auch auf den Friedhöfen im Sinne eines ethnisch-sprachlichen Wandels aus. In den Pfarrmatrikeln von Windisch Bleiberg/Slovenji Plajberk wurden einige dieser Zwangsänderungen eingelegt . Sie belegen, dass aufgrund von Bescheiden des Landrats des Kreises Völkermarkt/ Velikovec slowenische in deutsche Namen abgeändert wurden: So wurde etwa aus Marko Kropivnik (geboren am 28. April 1880) Markus Kropiunik 84 ; aus Kristijan Kropivnik (geboren am 19.11.1892) Christian Kropiunik 85 ; aus Jožef Košutnik (geboren am 17. August 1904) Josef Koschutnik 86 , und aus Ivan Košutnik (geboren am 21. Oktober 1895) Johann Koschutnik 87 (siehe Abb. 8). Alle diese amtlichen Namensänderungen geschahen zwischen November 1942 und Jänner 1943. 88 Die Obrigkeit entschied also, welche ethnisch-sprachliche Namensformen die Menschen in ihren Dokumenten zu führen und in der Öffentlichkeit zu verwenden hatten. Abschließende Bemerkungen In diesem Beitrag wurde die Südkärntner Erinnerungskultur unter besonderer Berücksichtigung der Erinnerungszeichen, die zum Zweck des Totengedenkens errichtet wurden, untersucht. Sie sind Teil der Erinnerungskultur Südkärntens/Južna 84 Pfarre Windisch Bleiberg/Slovenij Plajberk, Geburtsbuch tom. VIII Kopie , fol. 6. 85 Pfarre Windisch Bleiberg/Slovenij Plajberk, Geburtsbuch tom. VIII Kopie , fol. 47. 86 Pfarre Windisch Bleiberg/Slovenij Plajberk, Geburtsbuch tom. VIII Kopie , fol. 86. 87 Pfarre Windisch Bleiberg/Slovenij Plajberk, Geburtsbuch tom. VIII Kopie , fol. 58. 88 In dieser Zeit fi elen einige Ereignisse zusammen: Die Ostfront litt wegen der begin- nenden Partisanentätigkeit; 1942 geschah die von langer Hand geplante Aussiedlung, d.h. sie war 1943 noch nicht abgeschlossen, deswegen ist man ganz rigide gegen die verbliebenen und noch auszusiedelnden Kärntner Slowen*innen vorgegangen. Zgodovinski časopis | 76 | 2022 | 1-2 | (165) 211 Koroška und geben Einblick in das Geschichtsverständnis der sie zu verantwortenden Akteur*innen und deren Hierarchisierung der Erinnerung. Die Erinnerungskultur wurde unter den Aspekten der Konstruktion, Funktion und Rezeption betrachtet, wobei ein besonderer Fokus auf der Verwendung bzw. Nichtverwendung der slo- wenischen Sprache lag. Die Erinnerungszeichen im Kontext des Totengedenkens sind in Südkärnten/ Južna Koroška von den Gewalterfahrungen des 20. Jahrhunderts und dem eth- nisch-sprachlichen Wandel geprägt. Die Kriegerdenkmäler berichten auf der einen Seite, wie der Krieg in der Gesellschaft rezipiert, die Erinnerung daran konstruiert wurde und haben zudem die Funktion, dem Sterben im Krieg gewissermaßen einen Sinn zu geben. Auf der anderen Seite sind sie auch Zeugnisse der ethnisch-sprach- lichen Realität vergangener Tage. Kriegerdenkmäler belegen außerdem, welche Sprache in einem bestimmten Raum zu einer bestimmten Zeit gesprochen wurde, wie die verbreitet war und welchen Stellenwert sie besaß. Sie schließen durch den Gebrauch bzw. den Nichtgebrauch der deutschen bzw. slowenischen Sprache andere Menschen von dieser Erinnerung jedoch auch aus, wie etwa die Denkmäler zum so genannten Kärntner Abwehrkampf zeigen. Darüber hinaus verwenden die meisten Erinnerungstafeln und Denkmäler für den Ersten und Zweiten Weltkrieg Abb. 8: Pfarre Windisch Bleiberg/Slovenji Plajberk, Matrikelberichtigung Ivan Košutnik vom 14. Jänner 1943. Foto: Archiv der Diözese Gurk, Bischöfl iches Gurker Ordinariat, Matricula Online. F. KÜHNEL: Memento Mori: Ethnisch-sprachliche Aspekte der (Süd-)Kärntner Erinnerungskultur 212 ausschließlich deutsche Namensschreibweisen und versuchen damit eine gemein- same Erinnerung zu einer rein deutschen Erinnerung zu machen. Der Ein- bzw. Ausschluss von Menschen in die Erinnerungsgemeinschaft erfolgt somit über die Sprache. Anhand der Untersuchung der Erinnerungszeichen des Totengedenkens ist auch eine Chronologisierung des ethnisch-sprachlichen Wandels möglich, die aufzeigt, wie das Slowenische im Kontext der Sepulkralkultur kontinuierlich an Bedeutung verlor. Die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg ist omnipräsent, vor allem im Kontext des Friedhofs und der Kriegerdenkmäler, die von Widerstand und Gleichschritt zu Zeiten des Kriegs berichten und die Gesellschaft über die Volksgruppen hinweg nach wie vor spaltet. Slowenischsprachige Kärntner*innen sind keine homogene Gruppe, sondern haben gerade auch in Bezug auf den Zweiten Weltkrieg eine geteilte Erinnerung, die sie mit den deutschsprachigen Kärntner*innen teilen. Es gibt keine gemeinsame Erinnerung an und Erzählung über den Zweiten Weltkrieg oder gar über die Volksabstimmung von 1920. Hier bestimmt immer noch der Standpunkt die jeweilige Perspektive und das Narrativ. Je weiter südlich sich der Beobachtungspunkt in Kärnten/Koroška befi ndet, desto mehr verschieben sich die Akzentuierungen des Gedenkens: Es wird der so genannten Abwehrkämpfer gedacht, die für ein „deutsches Kärnten“ ins Feld zogen; es wird aber auch zwei- sprachig und teils auch einsprachig slowenisch der Gefallenen des Ersten und Zweiten Weltkriegs erinnert. Zudem wurden Mahnmäler und Erinnerungsplaketten für Widerstandskämpfer*innen und Partisan*innen errichtet, die sich gegen den Nationalsozialismus stellten. Daneben gibt es noch viele private Gedenken auf den Grabsteinen der Familien, die Angehörige in der Zeit des Zweiten Weltkriegs verloren. Das Totengedenken in Südkärnten/Južna Koroška kann als Laboratorium der alpen-adriatischen Erinnerungskultur bezeichnet werden, da auf sehr engem Raum die unterschiedlichsten Geschichtsdiskurse aufeinandertreffen, wiewohl der Ausgrenzung slowenischsprachiger Menschen, die bis zu deren Ermordung führte und der Widerstand dagegen, einen, im gesamtösterreichischen Kontext, einma- ligen Platz einnehmen. Die Kärntner Erinnerungskultur setzt sich aus mehreren historischen Narrativen zusammen, die im ständigen Widerstreit zueinanderstehen und sich im Rahmen der Sepulkralkultur in Form des Totengedenkens begegnen. Dies würde Platz für Versöhnung bieten, allerdings nicht für eine einseitige und vergessende. Die Kriegerdenkmäler Kärntens/Koroška hinken dem vergangenheits- politischen Diskurs weit hinterher, weswegen es höchst an der Zeit ist, sie als Teil der Geschichte zu kontextualisieren. Diese historische Kontextualisierung wäre Aufgabe der unabhängigen Geschichtswissenschaft. 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Jänner 2021. Pfarre St. Stefan unter Feuersberg/Šteben, Trauungsbuch tom. D, 1850 bis 1933, fol. 38, http:// data.matricula-online.eu/de/oesterreich/gurk/st-stefan-unter-feuersberg-teben/S76_009- 1/?pg=35, 10. Jänner 2021. Pfarre St. Stefan unter Feuersberg/Šteben, Geburtsbuch tom. G Kopie, 1910 bis 1940, fol. 37, http://data.matricula-online.eu/de/oesterreich/gurk/st-stefan-unter-feuersberg-teben/ S76_007-1/?pg=39, 10. Jänner 2021. Pfarre St. Stefan unter Feuersberg/Šteben, Geburtsbuch tom. G Kopie, 1910 bis 1940, fol. 43, http://data.matricula-online.eu/de/oesterreich/gurk/st-stefan-unter-feuersberg-teben/ S76_007-1/?pg=45, 10. Jänner 2021. Pfarre St. Stefan unter Feuersberg/Šteben, Geburtsbuch tom. F, 1865 bis 1910, fol. 116, http:// data.matricula-online.eu/de/oesterreich/gurk/st-stefan-unter-feuersberg-teben/S76_006- 1/?pg=122, 10. Jänner 2021. F. 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Civilni nagrobniki, spomeniki vojakom in padlim v obeh svetovnih vojnah, v t. i. koroškem obrambnem boju, spominske table in spomeniki, posvečeni partizankam_om in žrtvam nacizma so v tem kontekstu pomembni z dveh vidikov: z napisi in simboliko posredu- jejo določeno sporočilo in hkrati z uporabo enega ali obeh deželnih jezikov nakazujejo pomen jezika in spremembo njegovega pomena v določenem obdobju. Spominska obeležja in spomin na mrtve na Južnem Koroškem sta zaznamovala osredotočanje na nasilno zgodovino 20. stoletja in dvojezičnost. Članek proučuje južnokoroško kulturo spominjanja z vidika zgradbe, delovanja in recepcije ter upoštevaje pomen slovenskega jezika. Številni spomeniki na Južnem Koroškem so posvečeni t. i. koroškemu obrambnemu boju, npr. v Rožku/Rosegg, kjer še danes pri župnijski cerkvi stoji leta 1938 postavljen spomenik »plebiscitu in anšlusu«. Spomenik je posvečen spominu na koroški plebiscit z dne 10. oktobra 1920 in psevdoplebiscitu z dne 10. aprila 1938, s katerim je Hitler hotel legitimirati združitev Avstrije z nemškim rajhom. Prvotni napis je bil spremenjen po drugi svetovni vojni, Nemčijo so nadomestili s Koroško in besedilo o » vrnitvi Avstrije v nemški rajh « je bilo odstranjeno. Dodatna tabla je posvečena spominu na t. i. obrambne borce po prvi svetovni vojni, a na tem mestu so se očitno odrekli »novemu vrednotenju zgodovine« oboroženega spopada Države SHS in Republike (Nemške) Avstrije, kot pravi napis: Tudi ono so umrli za domovino! Po 4 letih svetovne vojne so Zgodovinski časopis | 76 | 2022 | 1-2 | (165) 219 vnovič posegli po orožju in padli v osvobodilnem boju za nemško Koroško. Upoštevanja vredna je celotna kompozicija različnih spominskih obeležij v in ob župnijski cerkvi v Rožku/Roseggu. Pred župnijsko cerkvijo stoji dvojezičen spomenik žrtvam nacističnega režima. Toda največji spomenik je posvečen obema svetovnima vojnama in obrambnemu boju. Postavljen je bil v obdobju nacizma in je opremljen z izključno nemškimi napisi in obrambni boj interpretira kot boj za nemško Koroško . Sestava spominskih obeležij in uporaba slovenskega, nemškega ali obeh deželnih jezikov daje temu prostoru pomen in nakazuje valence spomina. Skoraj v vsaki občini na Južnem Koroškem stoji spomenik padlim, ki spomin na vojake iz obeh svetovnih vojn večinoma povezuje s koroškim obrambnim bojem. Poleg vsebinskega vidika spomenikov padlim, torej sporočilom, ki jih prinašajo napisi, igra pomembno vlogo tudi etnično-jezikovni vidik. Na večini spomenikov padlim vojakom so napisi v nemškem jeziku, a tudi tu je nekaj izjem. Tako je v vhodu v podružnično cerkev v Lečji gori/Linsenbergu (trška občina Pokrče/Poggersdorf) pritrjena spominska tabla v slovenščini, posvečena padlim med prvo svetovno vojno. Ta spomenik padlim je vreden pozornosti, ker cerkev, ki jo obkroža manjše pokopališče, stoji na vzhodu Celovškega polja, kjer ni drugih sledi slovenskega jezika. Zato je omenjena tabla pomembna priča etnično-jezikovne spremembe na tem območju. Spomeniki vojakom, padlim med drugo svetovno vojno, so v spominsko-kulturnem kontrastu s številnimi spomeniki, ki so posvečeni spominu na padle partizanke_e, žrtvam naci- stičnega režima ali drugim spominskim obeležjem, ki poročajo o umorih, deportaciji in izgonu slovensko govorečih Korošic_cev. Poleg teh kolektivnih so relevantna tudi zasebna spominska obeležja v obliki nagrobnikov na pokopališčih, ker spominjajo na nasilno zgodovino 20. stoletja in pričajo o etnično-jezikov- ni spremembi. Na večini pokopališč na Južnem Koroškem je izpričana nekdanja ali nenehna prisotnost slovenščine, čeprav je vidnih znakov slovenščine manj. To je predvsem posledica etnično-jezikovne homogenizacije, ki se je vedno bolj uveljavljala vsaj od leta 1918 in ki je prepovedovala uporabo slovenščine ali jo izpostavljala preziru. V času nacizma je bila uporaba slovenščine prepovedana, kar je seveda vplivalo na etnično-jezikovno podobo pokopališč. Toda tudi politika do slovensko govorečih Korošic_cev po letu 1918 je pripeljala do tega, da je vedno manj ljudi hotelo nagrobnike opremiti z napisi v slovenščini ali s slovenskim zapisom imen, da si uradno spremenili imena oz. so bili v to prisiljeni v času nacizma. Na podlagi proučevanja spominskih obeležij, posvečenih spominu na mrtve, je mogoče sestaviti kronologijo etnično-jezikovne spremembe, ki kaže, kako in predvsem od kdaj je slo- venščina neprekinjeno izgubljala pomen. Poleg tega je bilo dokazano, da je južnokoroška kultura spomina sestavljena iz več zgodovinskih narativov, ki so si nenehno navzkriž in se srečujejo v okviru spomina na mrtve.