M. BruckMÜLLer-schindLer: die Musik im ersten weltkrieg Zwischen Propaganda ...124 Magdalena Bruckmüller-schindler die Musik im ersten weltkrieg Zwischen Propaganda, unterhaltung, völkerverständigung, nationalismus und ablenkung udk 78”1914/1918”:316.74 BRUCKMÜLLER-SCHINDLER Magdalena, mag., referentka na Ministrstvu za izobraževanje in ženske zadeve, svobodna pevka in zgodo- vinarka, a-1090 dunaj, sensengasse 3/2/28, magdalena.bruckmueller-schindler@bmbf.gv.at Glasba v prvi svetovni vojni – med propagando, zabavo, sporazumevanjem med narodi, na- cionalizmom ter razvedrilom Zgodovinski časopis, Ljubljana 69/2015 (151), št. 1-2, str. 124–160, cit. 140 1.01 izvirni znanstveni članek: jezik de. (sn., de., sn.) Prispevek obravnava učinke in funkcijo glasbe med prvo svetovno vojno, ki je cesarsko in kraljevo monarhijo pahnila v izredno stanje dotlej neznanih razsežnosti. glasbi je “v tem pomembnem času” moč pripisati eminentno vlogo na različnih področjih, omenimo samo nekaj najpomembnejših: kot propagandno sredstvo, sredstvo za tolažbo vojakov in vli- vanje moči, sredstvo za sporazumevanje med narodi znotraj različnih narodnosti v monarhiji ter ne nazadnje bila je misijonarka avstrijske kulture v tujini. glasba izraža čustva, se nas dotika, vzbuja ponos, žalost, veselje, srečo, pomaga nam pozabiti, nas razvedri in spodbuja. v grozljivem, kaotičnem, mrtvem in z lakoto prežetem vojnem času je bil njen učinek še posebej močan. glasbene predstave so dajale življenju nujno potreben občutek normalnosti. glasba ne pozna jezikovnih mej, zato so jo tudi v tujini uporabljali kot priljubljen propagandni instrument. Ključne besede: prva svetovna vojna, glasba, nacionalizem, sporazumevanje med narodi, razvedrilo, propaganda avtorski izvleček udc 78”1914/1918”:316.74 BRUCKMÜLLER-SCHINDLER Magdalena; Mag., referentin im österreichischen Mini- sterium für Bildung und Frauen, freischaffen- de sängerin und historikerin, a-1090 wien, sensengasse 3/2/28, magdalena.bruckmueller- schindler@bmbf.gv.at die Musik im Ersten Weltkrieg – zwischen Propaganda, Unterhaltung, Völkerverstän- digung, Nationalismus und Ablenkung Historical review, Ljubljana 69/2015 (151), Bd. 1-2, s. 124–160, 140 Zit. sprache: de (sl, de, sl) der Beitrag beschäftigt sich mit der wirkung und Funktion der Musik im ersten weltkrieg, die die k.u.k. Monarchie in einen ausnahmezustand bisher ungekannten ausmaßes versetzte. der Musik kam „in dieser großen Zeit“ eine eminen- te rolle auf vielerlei gebieten – stellvertretend seien hier nur die wichtigsten hervorgehoben - zu: als Propagandamedium, als trösterin und kraftspenderin für die soldaten, als „völ- kerverbindend“ innerhalb der verschiedenen nationalitäten der Monarchie, und schließlich als Missionarin der österreichischen kultur im ausland. Musik drückt emotionen aus: sie berührt, macht stolz, traurig, heiter, glücklich, lässt vergessen, lenkt ab, spornt an. sie hatte in der schreck- lichen, chaotischen, toten und hungernden kriegszeit eine noch verstärkte wirkung. Mu- sikalische vorstellungen gaben dem Leben ein dringend benötigtes gefühl an normalität. da Musik keine sprachlichen grenzen kennt, war sie auch ein im ausland eingesetztes beliebtes Propagandainstrument. Schlüsselwörte: erster weltkrieg, Musik, natio- nalismus, völkerverständigung, unterhaltung, Propaganda autorenabstract 1. Nationalismus, Internationalität und Völkerverständigung in der Musik „… weil Kunst eben international ist…“ die kriegsführenden europäischen staaten setzten kultur und ihre mannigfaltige wirkungskraft im ersten weltkrieg – erstmals in der geschichte im großen stil - als Propagandamittel ein. die idee dabei war, die kulturelle Überlegenheit gegenüber dem Feind zu untermauern. Für die schwächelnde donaumonarchie, die auf politi- schem und militärischem gebiet mehr rückschläge als erfolge verbuchen konnte, war es von eminenter Bedeutung, sich über ihre kulturellen und künstlerischen errungenschaften zu definieren.1 obwohl die (kultur)-Propaganda damals noch in kinderschuhen steckte und in Österreich-ungarn zunächst eher unkoordiniert verlief, war man sich ihrer wirkung in der kriegszeit durchaus bewusst. eingebettet in den militärischen jargon formulierte das etwa der wiener Musikwissenschaftler guido adler, der drei programmatische werke zu weltkrieg und Musik verfasste, so: „die kunst ist stärker als jede waffe, sie geht ihre wege kraft innerer gewalt.“2 guido adlers schrift „tonkunst und weltkrieg“ wurde 1915 im „kriegsalmanach“ des zum innenministerium gehörenden kriegshilfsbüros veröffentlicht, und wurde von den zuständigen staatsorganen inhaltlich gewiss approbiert. somit gibt diese schrift auch aufschluss über die offizielle einstellung zur Musikideologie im ersten weltkrieg. sie erhält dadurch auch eine offiziöse note. der Musik in Österreich kam dabei eine besondere rolle zu. auf das reiche musikalische erbe Mozarts, haydns, Beethovens oder schuberts zurückgreifend, konnte man laut adler durchaus von der „weltbeherrschenden stellung der öster- reichischen tonkunst “3 sprechen. „Österreich ist eine durch dynastie, Militär, Beamtenschaft gefestete Macht, die ihre verklärung durch die kunst erhält. es gibt bei aller Verschiedenheit und Disparität der einzelnen Bevölkerungsteile eine österreichische tonkunst, die ihren eigenen stempel, ihren eigencharakter hat und ihre einigende kraft, ihre internationale Mission in überwältigender weise bewährt hat. wie der historische Prozess der vereinigung sich vollzog, wie alle königreiche, grafschaften und Länder um die Mark austria 1 Beller, The tragic carnival, 131. 2 adler, Tonkunst, 161. 3 adler, Tonkunst, 160. Zgodovinski časopis | 69 | 2015 | 1–2 | (151)| 124–160 125 M. BruckMÜLLer-schindLer: die Musik im ersten weltkrieg Zwischen Propaganda ...126 sich kristallisierten, so verbinden sich die musikalischen Sonderzüge der einzelnen Landschaften zu einer physiognomisch klar erkennbaren österreichischen tonkunst höchster ordnung.“4 keine siegesmacht könnte den Österreichern ihre tonerzeugnisse „aufnötigen“, sie würde „durch jahrhunderte an unserer tonkunst zu zehren haben.“5 adler stand mit seiner Meinung nicht alleine da. andere prominente Zeitzeugen schlugen in dieselbe kerbe. arnold schönberg war in der damals aufgeheizten nationalistischen stimmung von der Überlegenheit deutscher Musik ebenfalls überzeugt. in einem Brief an alma Mahler schrieb er: „ […] jetzt sind mir die augen geöffnet über so viele meiner früheren gefühle, die ich gegen ausländer hatte, meine Freunde wissen es, ich habe es ihnen oft gesagt: ich konnte nie etwas anfangen mit aller ausländischen Musik. Mir kam sie immer schal, leer widerlich süßlich, verlogen und ungekonnt vor. jetzt weiss ich, wer die Franzosen, engländer, russen, Belgier, amerikaner und serben sind: Montenegriner! […] aber jetzt kommt die abrechnung und sie sollen den deutschen geist verehren und den deutschen gott anbeten lernen.“6 was heutige Leser vielleicht verwirren mag, ist die nicht eindeutige terminologie einer „deutschen“ bzw. „österreichischen“ Musik. Mozart, haydn oder schubert waren deutsche komponisten, weil es den Begriff des „Österreichers“ erst später gab. das „Österreichische“, so schwammig dieser Begriff auch war, kann noch am ehesten als das „übernationale“ element der habsburgermonarchie betrachtet werden. die „weltbeherrschende stellung der österreichischen tonkunst“ bezog sich aber auf die deutschen komponisten der habsburgermonarchie. unter diesem aspekt wird auch dieses Zitat aus adlers schriften verständlich: „allein das von deutschen geschaffene historische Musikgut ist so ausgiebig und bisher nur zum geringen teil benützt und verwendet, dass keine nation daran achtlos vorübergehen kann, außer sie wollte künstlerischen selbstmord begehen.“7 Bezeichnend für die vormachtstellung der „deutschen“ innerhalb der Monar- chie war also auch das für die Musik apostrophierte Primat der „deutschen:“ „in der tonkunst gebührt aus entwicklungsgeschichtlichen gründen den deutschen die Führerschaft.“8 adler betonte zwar auch die musikalischen errungenschaften der tschechen im 19. jahrhundert (smetana, dvorak), forderte die tschechen aber gleichzeitig auf, „mit uns vereint […] an den segnungen unserer Musikkultur“9 teilzunehmen. Man würde allerdings zu kurz greifen, würde man adler unterstellen, ledi- glich die Überlegenheit der österreichischen Musik gegenüber dem Feind und 4 adler, Tonkunst, 161. 5 adler, Tonkunst, 161. 6 haide tenner (hg.), Alma Mahler, Arnold Schönberg, 84f. 7 adler, Tonkunst, 163. 8 adler, Tonkunst, 166. 9 adler, Tonkunst, 168. Zgodovinski časopis | 69 | 2015 | 1–2 | (151) 127 den übrigen nationen der Monarchie zu propagieren. denn seine schriften waren durchwegs auch von dem ansinnen geprägt, den völkerverbindenden aspekt der Musik zu betonen, und die Musik somit auch als Botin des Friedens zu betrachten: „in der furchtbaren Zerklüftung, die in unseren tagen staaten und völker trennt und einander entgegenstellt, vermöchte die tonkunst als eine allen Zwiespalt überbrückende Macht angesehen werden.“10 die völkerverbindende kraft der Musik beschwor auch richard strauss in einem gutachten, das er 1916 verfasste, als die Mittelmächte nach dem „treuebruch“ italiens erwogen, das italienische Fachvokabular aus der Musikwelt zu verbannen! strauss erteilte diesem Begehren eine klare absage: „ich halte die ganze sache vom nationalen standpunkte aus belanglos (sic!), vom praktischen standpunkte aus verwerflich, da doch zu hoffen ist, dass nach dem kriege die deutsche Musik auch im auslande sich ihren ehrenplatz zurückerobern wird, die klassische Musik von den von ihren autoren ihr gegebenen nun einmal in allen Län- dern verständlichen italienischen Bezeichnungen zu reinigen, für einen Frevel, umso mehr als cresc. dim. p f kaum durch deutsche Bezeichnungen zu ersetzen wären […] ich bin also prinzipiell dafür, den nationalen Eifer auf wichtigere Dinge zu verwen- den und der Kunst auch in ihren äußeren Abzeichen den internationalen Charakter zu belassen, da sie doch als erste wieder berufen sein wird, Vermittlerin friedlicher Stimmungen zu sein und die in wildem Wahn sich jetzt bekämpfenden Völker einmal zu gemeinsamer Kulturarbeit wieder einander näher zu bringen.“11 dieses Zitat zeigt eindrucksvoll auf, wie weit die nationalistischen gedanke- nauswüchse auch auf dem gebiet der Musik gediehen waren. Besonders emotional wurde die debatte um die italienische Musik in der Zeit des kriegseintritts italiens auf seite der entente geführt. auch die hofoper sollte auf die kompositionen lebender italienischer komponisten verzichten. es wurde prophezeit, dass für die opern Puccinis, Leoncavallos oder Mascagnis, „sämtliche deutsche Bühnen auf lang hinaus verschlossen bleiben.“12 nationalismus war die dämonische kraft, die den krieg heraufbeschworen hatte, und den kulturkampf der nationen weiter schürte. nationalismus war aber auch innerhalb der Monarchie die zersetzende kraft geworden. hier musste en- tgegengesteuert werden. die öffentlichen einrichtungen waren demnach bestrebt, einen österreichischen Patriotismus zu kreieren und zu fördern. in der vorankün- digung zur „Österreichischen Bibliothek“, die von 1915-1917 unter der Ägide des überzeugten Patrioten hugo von hofmannsthals herausgegeben wurde, entfaltete dieser seine ideen und flocht dabei auch die (volks)-musik mit ein: „die stimme der Landschaft wird in den Liedern gehört, den schönen deutschen und slawischen, die das volk singt, aber auch in den Märchen und den sagen, die an den einzelnen tälern und ortschaften haften. das innere des volkes wird redend in seinen Bräuchen und sprüchen, seinen redensarten für den alltag und seinen 10 adler, Tonkunst, 160. 11 ava, kuM, inv.nr. 4269/1917. 12 neues wiener journal, 26.5.1915, 11. M. BruckMÜLLer-schindLer: die Musik im ersten weltkrieg Zwischen Propaganda ...128 ehrwürdigen Formeln für die Feierstunden und die todesstunde.[…]. so fließen die alten sprüche und handwerksbräuche aus dem Leben selber und die volkslieder und die soldatenlieder, aber Mozarts Musik gehört freilich nicht minder hierher […].“13 hofmannsthal plante einen repräsentativen Querschnitt über Österreichs ge- schichte, geographie, geistesleben, alltagskultur, künste, künstler, und Musik und war bestrebt, eine synthese der germanischen und slawischen wurzeln zu einem gemeinsamen zu vollziehen. auch guido adler schrieb, dass innerhalb der Monarchie die Österreicher die aufgabe hätten, „die kulturgüter aller den österreichisch-ungarischen staat bildenden nationen zu hüten, zu mehren und dabei die vereinheitlichende Macht der gesamtmonarchie zu pflegen und auszubilden.“14 Praktisch ans werk ging man im kriegsministerium. das Phonogrammar- chiv wurde 1915 beauftragt, soldatenlieder in allen elf sprachen der Monarchie aufzunehmen. ein wichtiger Beweggrund dafür war, dass die österreichischen und ungarischen offiziere die Lieder in den verschiedenen sprachen ihrer soldaten lernen und mitsingen und somit auch die sozialen Beziehungen verbessert werden sollten. ab 1916 legte die „Musikhistorische Zentrale“ des kriegsministeriums eine umfassende sammlung an – wieder unter dem aspekt des gemeinsamen Musizierens aber auch, damit aus den wirren des krieges wenigstens etwas Brauchbares, etwas, was Bestand hat, entstehe. Bezeichnenderweise intensivierten sich die anstrengungen vor allem erst dann, als die Monarchie ihrem nicht mehr aufzuhaltenden untergang entgegensah. als völkerverbindendes element auch außerhalb des reiches begann die Musik schließlich eine relevante rolle zu spielen, als ein schneller sieg der Mo- narchie immer unwahrscheinlicher wurde. ab 1917 begann das theaterreferat des kriegspressequartiers, die Musik ins ausland zu „exportieren“ und somit die Friedensbestrebungen kaiser karls zu unterstützen oder ihnen künstlerisch den weg zu bereiten. die sprache der kunst – und vielleicht in besonderem Maße der Musik – war dafür natürlich besonders geeignet, da sie international über Landes- und sprachgrenzen hinaus verständlich war: „die unerlässliche Propaganda für unsere Monarchie im neutralen und im verbünde- ten ausland wird nach den bisherigen erfahrungen am wirksamsten durch die kunst betrieben. diese art ist unaufdringlich, allgemein verständlich, weil kunst eben international ist, und gerade von uns am besten zu betreiben, weil unsere kunst auf einer gewissen höhe steht.“15 die völkerverbindende Macht der Musik, die ihren weg kraft innerer gewalt geht, wurde erst dann entdeckt, als die waffen keine siege mehr erringen konnten. 13 http://www.zeno.org/Literatur/M/hofmannsthal,+hugo+von/essays,+reden,+vortr% c3%a4ge/%c3%96sterreichische+Bibliothek 14 ebd., 166. 15 ka, Präs. kM, 47-22/1, nr. 2944, 11.2.1917, F2r, zit. in: Perterer, aus ernster Zeit, 40. Zgodovinski časopis | 69 | 2015 | 1–2 | (151) 129 2. Propaganda durch Musik 2.1. Missbrauch großer „deutscher“ Komponisten für Propagandazwecke der erste weltkrieg entwickelte sich auch zu einem „kulturkrieg“, in dem die kulturelle Überlegenheit der Monarchie bzw. der Mittelmächte gebetsmühlenartig wiederholt wurde. Fast zwingend schien da der rückgriff auf die großen komponisten der wiener klassik, die teilweise – zumindest verbal – schwer missbraucht wurden. Mozart und Beethoven wurden in einen abstrusen militaristischen jargon eingebettet. „Militarismus ist der zum kriegerischen geist hinaufgesteigerte heldische geist. er ist Potsdam und weimar in höchster vereinigung. er ist ‚Faust‘ und ,Zarathustra‘ und Beethovenpartitur in den schützengräben. denn auch die eroica und die egmont- ouvertüre sind doch wohl echtester Militarismus.“16 der „Musikheroe“ Beethoven, dessen Musik aufgrund seines deutschtums eine universalwirkung zugesprochen wurde, wurde besonders gerne für die Pro- paganda herangezogen: „noch keinem Musiker einer nation ist ein solcher universaler einfluss auf das Men- schenherz möglich geworden, denn dem herben sohne der westdeutschen tiefebene: Beethoven… der ton Beethovens konnte darum so universal werden, weil er so deutsch ist. deutsch und universal ergänzen sich, sie sind kein widerspruch, und es geht eine empfindung durch die welt, der man sich bewusst wird, wenn man lange im auslande lebt: das deutsche ist das universale, und das universale ist nur echt, kraftvoll, wenn und weil es deutsch ist.“17 andere „deutsche“ komponisten, deren werke gerne und oft gespielt wurden, waren richard wagner, richard strauss, johannes Brahms und anton Bruckner. Letztere galten dabei als „echte“ und „urwüchsige“ deutsche. konzerte, in denen nur „deutsch-österreichische“ komponisten gespielt wurden, wurden von der kritik besonders positiv bedacht, wobei vielfach deren Musik mit kriegerischen attributen versehen wurde: „ich habe neulich unter Loewe die siebente symphonie von Bruckner wieder einmal gehört. das unsterbliche heldenlied des oberösterreichischen Meisters erklang mir noch gewaltiger, noch ungeheurer denn je. der Prophet aus Österreichs deutschestem kronlande hat vor jahrzehnten, indem er an richard wagner und sein heldenleben dachte, den geist des ganzen deutschen volkes in vor ihm nie dagewesene klänge eingefangen. nie so sehr wie jetzt in dieser Zeit war es mir klar, dass Bruckner der sänger unserer Zeit, der Beethoven dieses Befreiungskrieges ist…denn Bruckners Melodien holen aus dem Menschen von 1914 das tiefste hervor, wie Beethoven dem Manne von 1813 das Feuer aus tiefer seele schlug.“18 16 sombart, Händler und Helden, 84f., zit. in. Perterer, Aus ernster Zeit, 49. 17 Franz Bachmann, Krieg und deutsche Musik, 18f., zit. in: Perterer, Aus ernster Zeit, 48. 18 Bittner, Merk’s, deutsche welt, zit. in: Perterer, Aus ernster Zeit, 75. M. BruckMÜLLer-schindLer: die Musik im ersten weltkrieg Zwischen Propaganda ...130 2.2. Propaganda in der Unterhaltungsmusik auch das musikalische unterhaltungsgenre thematisierte den krieg auf propa- gandistische weise. Propaganda im ersten weltkrieg – das bedeutete zunächst die verharmlosung des krieges, kämpfens, aber auch des sterbens für das vaterland. unverzichtbar war der alte kaiser Franz joseph als identifikationsfigur des „viribus unitis“, für den es wahrlich lohnte, in den krieg zu ziehen und vielleicht sogar den heldentod zu erleiden. die „Marke kaiser Franz joseph“ wurde auch als gegenpol zu den bösen und niederträchtigen Feinden hochstilisiert: „auf habsburgs thron der edle greis, Franz josef, der geliebte, bald 70 jahr sein herrscheramt in weiser Milde übte. in aller welt, in aller Mund preist man sein friedlich walten. und jeder wünscht aus herzensgrund, gott möge ihn lang erhalten.“19 Propaganda im ersten weltkrieg bedeutete im katholischen habsburgerreich aber auch einen starken Bezug zu gott dem allmächtigen. somit waren die inhalte zu kriegsbeginn klar umrissen: für kaiser und vaterland wurde gekämpft und mit der hilfe gottes sollte alles gut ausgehen. eines durfte aber keinesfalls fehlen: die diffamierung des Feindes. „gegen keckes raufgesindel zieht die stolze donaumacht“20 oder „jessas, Marantjosef, kinder halt’s mi z’ruck. weil ich sonst an russen auf der stell verschluck‘.“21 „ori- ginell“ auch der inhalt eines gedichteten Liebesbriefs: „du Maderl, wie haben wir verdroschen Franzosen und engländer schwer. auch russen ham kriagt oans auf d’goschen. Mein Liebchen, was willst du noch mehr?“22 ein typisches kriegslied war „die graue Felduniform“: die feschen soldaten in der neuen uniform (die bunten wurden bald nach den hohen verlusten 1915 von den grauen abgelöst worden) ziehen „hinter unserm conrad her. unsere Maderln, die werden schauen, wann vorüberziehen die Buam…“ und weiter: „auf dem hahn ein leichter drucker und die kugel macht bum bum. russen, serben, katzlmacher fallen wia die Fliagen um. sollen’s die Bohnen gut verdauen. wir gehen drüber weg im sturm…“23 Man sieht – die besondere wienerische note gab dem ganzen einen so harmlosen humoristischen anstrich, dass die teils grausamen inhalte dazu krass kontrastieren und den heutigen hörer fast sprachlos zurücklassen. soll man lachen, oder – im wissen, was alles geschah – weinen…? die Liedtexte machen nochmals deutlich, was damals alle dachten: „drum kinder, zieht froh in den krieg, ihr kehrt bestimmt als sieger zurück!“ (das berühmte „wien, wien nur du allein…“ wurde in diesem Fall kriegsgerecht umgetextet). diese schlager spiegeln den damaligen Zeitgeist wieder, der den kriegsausbruch begleitete und von einem bemerkenswerten optimismus geprägt war. die variété-Bühnen – das simpl, apollo, Budapester orpheum, variétékabarett gartenbau, reichshallen, ronacher – erfreuten sich während der kriegszeit einer ungebrochenen Beliebtheit. der krieg wurde immer wieder thematisiert, doch gelang 19 „… und die Kugel macht bum bum!“, cd-Begleitheft, 21. 20 ebd., 14. 21 ebd., 14. 22 ebd., 17. 23 ebd., 11. Zgodovinski časopis | 69 | 2015 | 1–2 | (151) 131 es etwa Fritz grünbaum, seine schrecklichen kriegserlebnisse humorvoll wiederzu- geben. der Patriot grünbaum entschied sich 1916 zu dem schritt, sich freiwillig an die Front zu melden. grünbaum war als jude und abseits der nationalen konflikte und Bewegungen besonders bestrebt, seine treue zur Monarchie unter Beweis zu stellen. umgekehrt dankte der kaiser seinen jüdischen untertanen für ihre Loyalität unter anderem damit, dass juden zum offizierskorps zugelassen waren, was damals einzigartig war.24 während grünbaum an der italienischen Front war und schreckliches erlebte, rissen sich die wiener variété-Bühnen um seine dichtungen. Bekannte Lieder waren das soldatenlied „Feldartillerie“, „der tapfere kanonier“, „Monolog über die kohlennot“ oder „der ka ka Flieger“. „die Menage“ ist 1917 entstanden und handelt von der miesen verpflegung an der Front. ein „Bomben-Lacherfolg“ sei es gewesen, als er sang: „im krieg das schönste, das ist die Menage. Zuerst, da schimpfen’s, die nase rümpfen’s, und nachher – sagt der koch – da fressen s‘ es doch. was kocht der koch denn heute für ein Fleisch? Zwei stiefelsohlen legt er auf kohlen, und sagt noch: ,schad um die Menage – für die Bagage.“25 grünbaums jüdischer kollege hermann Leopoldi war als klavierhumorist häufig in spitälern, Lazaretten, rekonvaleszenz-abteilungen und bei veranstaltun- gen für verwundete soldaten und offiziere im einsatz: „während meiner ganzen dienstzeit musste ich zwischendurch täglich zwei-, dreimal immer wieder als kla- vierhumorist in spitälern, Lazaretten und bei veranstaltungen des roten kreuzes auftreten.“26 Mit viel humor sollte er den verwundeten soldaten helfen, die brutale realität wenigstens für wenige stunden zu vergessen. hermann Leopoldi gelang dies offensichtlich, denn er wurde mit folgender kritik bedacht: „Pianist und ge- sangshumorist in einer Person vereint, befreit die gäste für einige schöne stunden […] vom alp der kriegszeit.“27 „Mein damals größter erfolg war das Lied Rosa, wir fahr’n nach Lodz28, welches bald sehr populär wurde. auch ein Lied über den austritt italiens auf dem dreibund 24 arnbom, wagner-trenkwitz (hg.), „Grüß mich Gott!“, 32. 25 ebd., 35. 26 hermann Leopoldi und helly Möslein, Autobiographische Aufzeichnungen, zit. in: traska und Lind, Hermann Leopoldi, 40. 27 Wiener Allgemeine Zeitung, 19.6.1915, 4. 28 text: „der Franzl hat a neue Braut seit er beim Militär ist, die ist ganz tadellos gebaut, wenn s auch a bissen schwer ist. sie stammt zwar nicht von doda, sie stammt vielmehr von sko- da. die taille dieser nymphe ist netto dreißig-fünfe.Lang hat der Franzl nachgedacht, wohin die hochzeitsreis’ er macht, da plötzlich kam das kriegsgebraus und Franzl rief begeistert aus: rosa, wir fahr’n nach Lodz. der hötzendorf, der fahrt bald hin, es geht direkt der Zug von wien. rosa, wir fahr’n nach Lodz.“ komponist und textdichter dieses schlachtgesangs (copyright 1915) waren zwei österreichische juden namens artur Marcel werau und dr. Fritz Löhner. werau starb 1931: Löhner wurde 1942 in einem konzentrationslager von den nazis ermordet. M. BruckMÜLLer-schindLer: die Musik im ersten weltkrieg Zwischen Propaganda ...132 mit der refrainzeile ,es weiß es groß und klein, italien ist das schönste Land, zu schön um treu zu sein!‘ brachte mir allenthalben großen erfolg.“29 im gegensatz zu Fritz grünbaums offen artikulierter euphorie zu Beginn des krieges ist nicht bekannt, ob Leopoldi ebenso positiv eingestellt war, seine „pro- pagandistische tätigkeit lässt aber wenigstens auf eine allgemeine identifikation mit der notwendigkeit des krieges schließen.“30 2.3. „Hurra!“ in der Operette der patriotische eifer rund um den Beginn des ersten weltkriegs fand seinen niederschlag ebenso in der beliebtesten unterhaltungsform der damaligen Zeit, der operette. vielen intellektuellen und Musikern missfiel diese leichte Form der musikalischen darbietung sehr. der Musikwissenschaftler adler sprach von einer „operettenseuche“, die „sich seit etlichen jahren epidemieartig auf andere gebiete erstreckt.“31 karl kraus – verehrer der offenbachschen operette – verachtete die silberne operettenära (ab 1900 bis etwa 1920) ebenso: „die wiener operette hat sich mit dem geist der drahertums verbündet und verzichtet auf das opfer der Phantasie, das sie einmal ihren genießern zugemutet hat.“32 und alban Berg beklagte in einem Brief an arnold schönberg: „als wäre nichts geschehen, als geschähe nicht stündlich unerhörtes, wird hier in wien drauflosgelebt, werden Premieren ,an die Zeit angepasster‘ operetten und schwänke aufgeführt, ist jedes theater und kino überfüllt und wahrlich – wenn die theuerung nicht wäre – überhaupt kein anlass an den krieg zu denken, als an irgendein sensationelles ereignis, das die gemüter der Zeitungsleser bewegt.“33 der schriftsteller hermann Broch bezeichnete die operette später als „zur puren idiotie verflachten abklatsch der komischen oper und ihrer teils liebenswür- digen, teils schalen romantik […] als vakuum-dekoration hat sie sich nur allzu haltbar erwiesen, und ihr späterer welterfolg kann geradezu als ein Menetekel für das versinken der gesamtwelt in das unaufhaltsam weiterwachsende wert-vakuum genommen werden.“34 um die große wirkungskraft dieser musikalischen gattung zu verstehen, lohnt ein Blick in die Bevölkerungsstruktur der österreichisch-ungarischen Monarchie: diese hatte seit dem ende des 19. jahrhunderts einen tiefgreifenden wandel erfah- 29 wienbibliothek im rathaus, wBir, nL Leopoldi, Memoiren, 24, zit. in: georg traska, christoph Lind, Hermann Leopoldi, wien 2012. 30 traska, Lind, Hermann Leopoldi, 45. 31 ebd., 164. 32 kraus, „Die Fackel“ 10. jahr, nr. 270-271 (19. jänner 1909), 12. 33 thomas ertelt, juliane Brand (hg.), Briefwechsel: Arnold Schönberg – Alban Berg. teilband 1: 1906 – 1917, 523. 34 Broch, schriften zur Literatur, Bd. 1. kritik, Frankfurt am Main, 1975, 152f., zit. in: czáky, Ideologie, 33. Zgodovinski časopis | 69 | 2015 | 1–2 | (151) 133 ren. die städtische Mittelschicht aus kleingewerbetreibenden, handwerkern und kaufleuten, die antiliberal, antikapitalistisch und antisemitisch eingestellt war, war zu einer relevanten größe angewachsen und war das neue operettenpublikum.35 die operette der goldenen Ära unter der Ägide von johann strauß hatte noch „mehr dem Lebensgefühl des gehobenen, liberalen städtischen Bürgertums, der ,Bourgeoisie‘[…]“36 entsprochen. dieser neue adressat der operette – der Mittel- stand - war zugleich ihr spiegelbild. Bei ausbruch des ersten weltkriegs hatte sich also ein tiefgreifender gesell- schaftlicher wandel vollzogen. auch im Bereich der künste und wissenschaften waren wahre revolutionen passiert. die Monarchie war brüchig und angreifbar geworden. war nicht das alles mit grund, weshalb die operette musikalisch in die vergangenheit flüchtete und sich einer schon damals rückwärtsgewandten walzerseligkeit à la strauß und Lanner besann, wissend dass diese epoche unwie- derbringlich vorbei war? in diesem retro-Milieu waren zahlreiche operetten der ersten beiden kriegsjah- re vom patriotischen gedanken durchdrungen. komponisten stellten ihre werke voller Überzeugung und Feuereifer in den dienst der österreichisch-(deutschen) sache. im operettenbereich waren dies ralph Benatzky, robert stolz, Leo Fall oder emmerich kálmán. der berühmteste operettenkomponist seiner Zeit, Franz Lehár hatte angeblich ein distanziertes verhältnis zum krieg, stellte sich aber dennoch mit elan in den dienst der Monarchie. das berühmte reiterlied und der tragische „heldentod“ vom verfasser des gedichtes, hugo Zuckermann37, der bereits 1914 gefallen war und an dessen grab sich seine Frau das Leben genommen hatte, inspirierten Lehár zur vertonung dieses kriegsgedichtes, das sehr populär wurde.38 2.3.1. „ Anno 1914 . Drei Bilder aus unseren Tagen“ kaiser Franz joseph wurde zu Beginn des weltkriegs als stellvertreter des reiches glorifiziert und als „vaterfigur“ personifiziert.39 Beredtes Zeugnis dieser undistanzierten, großväterlich-liebevollen verehrung – die mit der realen gestalt Franz josephs wenig gemein hatte – gibt das Lied „draußen in schönbrunn aus ralph Benatzkys und Fritz grünbaums stück „anno 1914. drei Bilder aus unseren tagen“: 35 czáky, Ideologie, 65. 36 ebd. 37 hugo Zuckermann, (* 15. Mai 1881 in eger; † 23. dezember 1914 in eger) war ein böhmisch-österreichischer rechtsanwalt, deutschsprachiger schriftsteller und Zionist. während seines studiums in wien wurde er Mitglied des Vereins zionistischer Hochschüler Theodor Herzl in Wien und später der jüdischen akademischen verbindung Libanonia.[1]Bekannt wurde Zuckermann durch das Österreichische Reiterlied und die wenigen aus dem nachlass veröffent- lichten gedichte. darüber hinaus fand er mit seinem engagement für den Zionismus Beachtung. Zusammen mit oskar rosenfeld hatte er 1908 die Jüdische Bühne, das erste jüdische theater in wien, gegründet, das bis 1938 bestand. 38 grun, Gold und Silber, 187. 39 http://www.musikgeschichte.at/regesten/regesten-1995-s.pdf, 5. M. BruckMÜLLer-schindLer: die Musik im ersten weltkrieg Zwischen Propaganda ...134 „draußen im schönbrunnerpark sitzt ein alter herr, sorgenschwer; gibt in aller herrgottsfrüh schon für unser wohl sich Müh, gönnt sich nimmer fast ruh und rast! Lieber guter alter herr, Mach dir doch das herz net schwer, dass sie so an kaiser hat, selig ist d’weanastadt! was wir können, woll’n wir tun, Lass dir bissl Zeit zum ruh’n, Lieber guter alter herr von schönbrunn.“ das sentimental-patriotische wienerlied erreichte weitreichende Popularität bis hin zum kaiserhaus: Benatzky widerfuhr sogar „die ehre, die Piece vor der kaiserlichen Familie vorführen zu dürfen. Bei der audienz soll der kleine erzherzog otto den refrain mitgesungen haben. der kaiser aber ließ keine reaktion erken- nen. ein hofschranze beruhigte Benatzky; er sei durchaus gerührt gewesen, aber im Liede geduzt zu werden, habe ihn einigermaßen ,aigriert.‘ Benatzky trug ein in silber gerahmtes Bild des Potentaten mit eigenhändiger unterschrift nach hause.“40 in seinem weltbekannten „weißen rössl“ vom jahre 1930 besann sich Benatzky dieser Melodie und unterlegte sie mit einem neuen text: „ist einmal im Leben so…“ hart ins gericht ging Benatzkys Biograph Fritz hennenberg mit der operette „anno 1914“: „die Musik strotzt von Militaria – Zitate patriotischer Lieder von Heil Dir im Siegeskranz bis Ich hatt einen Kameraden sind zu einem giftigen Brei verrührt. die texte bilden eine merkwürdige einheit von Perfidie und einfalt. Fast wirkt es beruhigend, dass das thema die künstlerische Qualität nach unten zerrt; gegen die verlogenheit musste sich einfach die Feder sträuben.“41 ein weiteres werk Benatzkys zu Beginn des ersten weltkriegs war „die befohlene Linie ist erreicht. eine patriotische szene“. dem Press-Bureau der k.k. Polizeidirektion wien, das die Zensur leitete, stießen die rollennamen sauer auf: „Franzl Prohaska, Feldwebel“ und „willy Lehmann, deutscher offizier“ galten als decknamen für kaiser Franz joseph und kaiser wilhelm und mussten geändert werden.42 trotz mancher humoristischer respektlosigkeit war eines klar: der kaiser diente als symbolfigur – er kittete das zerrissene reich durch seine jahrzehntelange regentschaft ein letztes Mal zusammen, wurde aber gleichsam zum relikt einer vergangenen epoche. „Fleißig und phantasielos, schien er der oberste Bürokrat zu 40 Fritz hennenberg, „es muss was wunderbares ein…“. ralph Benatzky zwischen „weißem rössl“ und hollywood, wien 1998, 57, zit. in: Marie-theres arnbom, christoph wagner-trenkwitz (hg.), „Grüß mich Gott!“ 29. 41 ebd. 42 arnbom, wagner-trenkwitz, „Grüß mich Gott“, 30. Zgodovinski časopis | 69 | 2015 | 1–2 | (151) 135 sein, der meinte, er könne die ererbten Länder und Privilegien seinem nachfolger dadurch erhalten, dass er der hergebrachten routine folgte.“ 43 2.3.2. „Gold gab ich für Eisen“ emmerich kálmáns „gold gab ich für eisen“ spielt im herbst 1914 und thematisiert den aufruf, trauringe, Broschen und schmuck für den krieg zu geben. wer den eisernen schmuck trug, hatte sich als Patriot erwiesen, wer weiter gold zeigte, verlor an reputation. im stück kehrt ein bereits tot geglaubter offizier unter beschwingten Melodien vom schlachtfeld zurück und zeigt damit dem Publikum, wie glücklich so ein krieg ausgehen kann. Bemerkenswert bei dieser patriotischen operette war die anweisung im regie- und soufflierbuch kálmáns, dass auf den deutschen Bühnen der Begriff „oesterreich“ durch deutschland ersetzt werden könne.44 das zeigte, dass die öster- reichischen komponisten vom erfolg auf deutschen Bühnen abhängig waren. es war aber auch bezeichnend dafür, dass der Patriotismus in einem schweren dilemma steckte und verschieden gedeutet werden konnte – deutscher oder österreichisch- deutsch-ungarischer? steven Beller beschreibt das Problem so: „the difference between german and ‚austrian‘ art was never spelled out, perhaps it could not be, and the role of the other, non-german ‚austrian‘ nationalities in ‚austrian‘ culture never properly accomodated.” genau das hatte aber Folgen für die staatlichen autoritäten und deren Bemühungen, kultur als identitätsstiftende komponente zu nutzen. ohne eine genaue definition und ohne einbindung aller nationalitäten des reiches konnte dieses Bestreben nicht fruchten. karl kraus zeigte sich 1916 entsetzt darüber, dass eine kriegsoperette mit diesem titel überhaupt jemals komponiert und gespielt worden war: „…von Blut tantièmen kriegen — daß solches geschehe, hat eine erbar- mungslose untermenschheit geduldet. daß sich unter den auspizien des sternenhimmels eine operette des namens: »gold gab ich für eisen« abspielen konnte, diese tatsache wird den nachlebenden mehr über den weltkrieg, den wir gleichzeitig führten, zu denken geben als alle geschichtsbücher aller Friedjungs, die da kommen werden.“45 und in den „Letzten tagen der Menschheit“ lässt er den nörgler sagen: „dies wiener herz, es ist aus purem gold, drum möchte ich es gern für eisen geben! o ausgestorbene welt, das ist die nacht, der nichts mehr als der jüngste tag kann folgen. verschlungen ist der Misston dieses Mordens vom ewigen gleichmaß sphärischer Musik. der letzte wiener röchelt noch im takt und läßt die seele irdischen Behagens rauschend, den letzten regen dieser welt durchdringend, auf das nasse Pflaster fließen.“46 43 johnston, Österreichische Kultur- und Geistesgeschichte, 52. 44 Beller, Tragic Carnvial, 130. 45 kraus, Die Fackel, heft 418-422, 8.4.1916, 102. 46 kraus, Die letzten Tage, 120. M. BruckMÜLLer-schindLer: die Musik im ersten weltkrieg Zwischen Propaganda ...136 Meinte karl kraus mit dem „ewigen gleichmaß sphärischer Musik“ nicht vielleicht die operetten, deren aufführungen in den kriegsjahren gestürmt wurden, und den „Misston des Mordens“ vergessen ließen? 3. die Ernüchterung 3.1. Flucht in die Illusion es steht jedenfalls fest, dass kriegsthemen und Patriotismus bald von der Bühne verschwanden, sobald ersichtlich wurde, dass dieser krieg doch nicht ein so schnelles, glorreiches ende nehmen sollte, wie ursprünglich angenommen. in der operette flüchtete man in die welt der illusion, des Märchens und der vergangen- heit. oscar straus gab den auftakt mit „Rund um die Liebe.“ emmerich kálmáns „Csárdásfürstin“ wurde zu einem kassenschlager in den kriegsjahren. „Mag die ganze welt versinken: hab ich dich!“ war der hit der operette – prägnanter hätte man das chaos des krieges mit dem gleichzeitigen Bestreben nach vergessen wohl kaum formulieren können. „Das Dreimäderlhaus“ mit Liedern von Franz schubert in einer Bearbeitung von heinrich Berte war ebenfalls sehr erfolgreich. Zwei wochen nach dem tod kaiser Franz josephs wurde „die rose von stambul“ von Leo Fall uraufgeführt. sie wurde zur meistgespielten operette des theaters an der wien nach der Lustigen witwe. das orientalische kolorit in einer walzermusik eingebettet, „grenzte an sublime Meisterschaft.“ 47 3.2. Persönliche Erlebnisse Mit Fortschreiten des krieges verschonte die realität bald niemanden mehr. Persönlich vom krieg betroffen wurde Franz Lehár 1915, als sein Bruder anton, offizier bei der k.u.k. armee schwer verletzt wurde. anton Lehár erinnerte sich: „tag und nacht steht er [Franz Lehár, anm.] an meinem siechenlager, misst unermüdlich die temperatur, zwingt mich stündlich zum essen, und spornt mich und meine umgebung immer wieder an zu neuem Lebenswillen.“48 künstlerischen niederschlag fanden diese dramatischen tage in der ton- dichtung „Fieber“, das das delirium eines sterbenden soldaten beschreibt. die symphonische dichtung für großes orchester und tenor hätte „ein besseres schicksal verdient als in einem sammelband herauszukommen, dem ein konjunkturgieriger verleger, trotz Lehárs entsetztem Protest, den fragwürdigen titel Aus eiserner Zeit gab.“49 wieso dieser sammelband „seiner Majestät dem deutschen kaiser wilhelm 47 grun, Franz Lehár, 190. 48 ebd., 188. 49 ebd., 188. Zgodovinski časopis | 69 | 2015 | 1–2 | (151) 137 ii. könig von Preußen in tiefster ehrfurcht zugeeignet“50 wurde, mag vielleicht daran gelegen haben, dass der deutsche absatzmarkt weitaus größer war als der deutschsprachige Österreich-ungarns und man sich möglicherweise ein besseres geschäft erhoffte.51 auch die vertreter der wiener Moderne wurden vom krieg nicht verschont. sie waren zunächst ebenfalls voller patriotischer Zuversicht bezüglich eines raschen, siegreichen krieges gewesen. so etwa hatte sich alban Berg „sehr enttäuscht und deprimiert“ gezeigt, als er 1914 für untauglich befunden worden war. „aber es wird schon einen sinn haben, dass sie mich nicht nahmen. und wenn es nur den hat, dass sie nicht viele Leute brauchen, dass sie sich also gegenüber dem Feinde stark genug fühlen.“52 als immer mehr gräueltaten – auch der Monarchie - von den kriegsfronten publik wurden, überwog alsbald seine erleichterung darüber, doch nicht einberufen worden zu sein.“53 ein halbes jahr später – knapp nach dem kriegseintritt italiens – musste Berg noch einmal zur Musterung und wurde für tauglich befunden. schönberg tröstete seinen schüler: „ich bin ganz überzeugt, dass der krieg in 3 – 4 Monaten zu ende ist!“54 alban Bergs antwort: „ihre Zuversicht, dass der krieg nicht mehr lange dauern wird, ist mir eine große Freude. die momentane Lage und der voraussichtliche gang der kriegsereignisse sprechen ja auch so sehr für die Berechtigung dieser Zuversicht. aber die richtige Überzeugung haben mir erst ihre worte gegeben.“55 er empfand es als „gnade, dass meine persönliche militärische teilnahme erst jetzt eintritt, wo alles so glänzend und hoffnungsvoll steht, wo also der wille und die Freude „mitzutun“, durch kein Bedenken getrübt werden kann.“56 auch der 41-jährige schönberg musste 1915 zur Musterung. adolf Loos setzte sich dafür ein, dass sich schönberg einjährig freiwillig melden konnte, was ihm schließlich auch bewilligt wurde.57 am 15.12.1915 rückte er zum k. k. infanterieregiment nr. 4 hoch- und deutschmeister ein, später kam er nach Bruck an der Leitha in die reserveoffiziersschule. dort entstand „Die Eiserne Brigade“, eine art musikalische Parodie auf den Militärmarsch. am auffälligsten davon ist 50 Franz Lehar, Aus eiserner Zeit (notendruck), wien 1915. 51 vgl. dazu: aviel roshwald, richard stites (hg.), European culture in the Great War, 130: „the awareness of austrian artists of the importance of them of their german public could result in what looked like abject self-denial, but might habe been sound economics.“ 52 ertelt, Brand (hg.), Briefwechsel der wiener schule. Briefwechsel: arnold schönberg – alban Berg. teilband 1, 510-511. 53 ebd., 512. 54 ebd., 583. 55 ebd., 586. 56 ebd., 601. 57 thomas ertelt, juliane Brand (hg.), Briefwechsel, s. 535. Mit dem einjährig–Freiwilligen- recht konnten kriegsfreiwillige mit höherem Bildungsabschluss einen einjährigen dienst in einem regiment eigener wahl beantragen und auch rasch in den offiziersrang wechseln. da arnold schönberg keinen akademischen abschluss hatte und nie eine offizielle Position an einer unterrichtsstätte innegehabt hatte, musste eine gesonderte Beantragung erfolgen. M. BruckMÜLLer-schindLer: die Musik im ersten weltkrieg Zwischen Propaganda ...138 das sogenannte „tierkonzert“, in dem tierstimmen nachgeahmt werden. jedenfalls kann die kombination von trompetensignal, tierstimmen und schnarchgeräuschen als nachahmung des Zapfenstreichs gelten. schönbergs kriegsdienst fand darin musikalischen niederschlag.58 da schönberg aber damals an asthmatischen anfällen litt und sein gesun- dheitszustand nicht stabil war, bemühten sich Freunde und schüler um seine Beur- laubung beim ungarischen Ministerium.59 der wiener tonkünstlerverein wandte sich schließlich an Béla Bartók, um schönbergs Befreiung vom dienst zu erwirken. die intervention hatte erfolg. schönberg setzte danach seine arbeit an der „jakobslei- ter“ fort, die, obzwar unvollendet, als eines seiner wichtigsten werke gilt und von seinen kriegserlebnissen und dem Zusammenbruch der Monarchie unmittelbar in Zusammenhang steht. er schrieb selbst den text für dieses werk, dem ein alttesta- mentarisches Zitat (gen 28: 10-17) zugrunde liegt. inhaltlich versuchte schönberg, selbst zum Protestantismus konvertierter jude, ein gleichnis für das ringen des modernen Menschen um glauben im zeitlichen kontext des weltkrieges und des Zusammenbruchs der alten ordnung zu erfassen: „vielleicht war das Ärgste doch die umstürzung all dessen, woran man früher geglaubt hat. [...] was ich meine, würde ihnen am besten meine dichtung ‚Jakobsleiter‘ (ein oratorium) sagen: ich meine – wenn auch ohne alle organisatorischen Fesseln – die religion. Mir war sie in diesen jahren meine einzige stütze – es sei das hier zum erstenmal gesagt.“ (Brief an wassily kandinsky vom 20. juli 1922)60. der weltkrieg hatte eine Zäsur in die künstlerisch produktivste Phase schönbergs gebracht. auch finanziell ging es schönberg, der bei ausbruch des ersten weltkrieges in Berlin lebte, zu dieser Zeit sehr schlecht. auf Betreiben seiner schüler – allen voran alban Bergs, der dafür harte konfrontationen mit alma Mahler ausfocht, wurde die vorher bereits existierende Mahler-stiftung – mit zusätzlichen Mitteln anderer Mäzene – gespeist und schönberg ein monatlicher Betrag überwiesen.61 ebenfalls an der Front war der komponist hanns eisler – nach dem krieg schüler arnold schönbergs. immer wieder wurde ihm seine aktenkundige „politi- sche unzuverlässigkeit“ als sozialist vorgeworfen. dass er in einem ungarischen regiment dienen musste, hatte damit zu tun, dass durch die dort herrschenden sprachunterschiede eine mögliche politische agitation unterbunden werden sollte. das oratorium „Gegen den Krieg“, für das Berthold Brecht den text verfasste und welches er später nach den regeln der Zwölftontechnik umschrieb, begann er während seiner kriegszeit und ist somit auch eine musikalisches Manifest gegen die gräuel, die er selbst an der Front erleben musste. 58 http://www.schoenberg.at/index.php?option=com_content&view=article&id=264&ite mid=439&lang=de. 59 da sein vater ungarischer herkunft war, galt auch für arnold schönberg die ungarische gesetzgebung. 60 http://www.schoenberg.at/index.php?option=com_content&view=article&id=264&ite mid=439&lang=de. 61 reich, Arnold Schönberg, 125. Zgodovinski časopis | 69 | 2015 | 1–2 | (151) 139 4. Musik an der Front 4.1. Volksmusik - Soldatenlieder abseits von „ernster“ und „unterhaltungsmusik“ hatte auch die volksmusik und – während der kriegszeit in besonderem Maße die soldatenmusik - eine gewisse aufgabe im habsburgischen vielvölkerreich zu erfüllen: nämlich eine „kollektive, überindividuelle identität“ zu schaffen, „um den Fortbestand der Monarchie zu garantieren.“62 kulturelle Phänomene wie etwa die volkmusik, denen vor 1900 im musikwissenschaftlichen diskurs kaum Beachtung geschenkt worden war, rückten damals – am scheideweg in die als bedrohlich empfundene Moderne - ins Zentrum des interesses. unter mehreren aspekten ist das sammeln von Liedgut damals zu sehen: erstens wurde die gute alte Zeit, eingebettet in ein ländliches, stilles idyll als ein kontrapunkt zum lauten, schmutzigen großstadtleben und zu den vielen radikalen veränderungen des Fin de siècle heraufbeschworen. Zweitens: es gab die öfters ausgesprochene Befürchtung, die volkskultur könnte unwiederbringlich verloren gehen, wenn man nicht systematisch ans werk des erhaltens ginge. und drittens: die volkskunst wurde „bewusst zur vor allem ethnischen, regionalen wie nationalen und sogar übernationalen identitätsstiftung eingesetzt.“63 so kam es 1904 unter diesen gesichtspunkten zur gründung des so genannten unternehmens „das volkslied in Österreich“, dessen nachfolgeorganisation „Österreichisches volksliedwerk“ bis heute existiert. das ehrgeizige Projekt sah vor, eine repräsentative ausgabe der volkslieder, -tänze, und –poesie aller ethnischen gruppen der cisleithanischen reichshälfte, ge- trennt nach völkern und nationen und geschrieben in der jeweiligen Landessprache in 60 Bänden (30 deutsche, 20 slawische und zehn romanische) herauszugeben. ideell, aber auch finanziell unterstützt wurde das Projekt vom kaiserhaus und vom k.k. Ministerium für kultus und unterricht. als Projektleiter wurde der volksmusikforscher josef Pommer beauftragt, der ziemlich radikal deutschnational eingestellt war. in seiner Funktion als Leiter der volksliedsammlung hielt er sich mit deutschnationalistischen aussagen aber weitgehend zurück und berief verschiedene nationale arbeitsausschüsse für die sammlung. einige Zeit lang funktionierte die sammeltätigkeit ganz gut, es gab jedoch immer eine deutsche dominanz im hauptausschuss, weswegen die übrigen nicht-deutschsprachigen Mitarbeiter immer mahnten, die „wissenschaftsbedürf- nisse jeder der im reichsrate vertretenen königreiche und Länder bewohnenden nationalität“ 64 mit einzubeziehen. die ergebnisse, die bis zum Zusammenbruch der Monarchie und somit dem vorläufigen ende des „volksliedes in Österreich“ vorlagen, konnten sich sehen lassen: es wurden umfangreiche archive eingerichtet, die bis heute als grundlage 62 hois, Musikhistorische Zentrale, 12. 63 ebd., 12. 64 ava, unterricht und kunst, Fasz. 3269/15. Zl. 47.803. 11. 11. 1910, zit. in: hois, Musikhistorische Zentrale, 19. M. BruckMÜLLer-schindLer: die Musik im ersten weltkrieg Zwischen Propaganda ...140 der volksmusikforschung dienen. nach vierzehn jahren sammeln waren bereits elf Bände druckfertig.65 Mit diesem geistigen hintergrund, volksgut zu sammeln und für spätere generationen zu erhalten, ist auch die sammlung von soldatenliedern in der Zeit des ersten weltkriegs zu sehen. eine „akustische“ sammlung legte das Phonogrammarchiv 1915/16 auf Betreiben des kriegsministeriums an, eine auf Papier gebrachte wissenschaftliche dokumentation der soldatenlieder betrieb ab 1916 „die Musikhistorische Zentrale“ des kriegsministeriums. der Physiker Leo hajek, damals assistent und später Leiter des Phonogram- marchivs der kaiserlichen akademie der wissenschaften, nahm die soldatenlieder auf, „da diese Lieder als Begleiterscheinung bzw. schöpfungen einer großen Zeit von historischem wert der nachwelt erhalten bleiben sollen.“66 auch hier wurde besonderer wert darauf gelegt, dass die sammlung alle sprachen umfasste. die aufgezeichneten Lieder sollten künftig von allen offizieren, die ja mehrheitlich deutschösterreicher oder ungarn waren, erlernt werden, um auch über die Musik einen sozialen kontakt zum meist anderssprachigen Mannschaftspersonal herstel- len zu können: „hiedurch soll der zur truppe einrückende Lt. [Leutnant] (Fnrch) [Fähnrich] mit den Liedern der Mannschaft im vorhinein vertraut werden; er steht hiedurch dem Manne vom ersten augenblick an menschlich näher und wird auch seine sprache leichter erlernen.“67 es wurde auch darauf hingewiesen, dass kriegsgesänge „allenfalls mit teilweise abgemildertem text (wenn nötig) […] gesungen werden.“68 schon vor Projektbeginn entstand im Phonogrammarchiv eine aufnahme, die thematisch der serie „soldatenlieder“ zuzuordnen ist. es handelt sich bei diesem bemerkenswerten tondokument um die völkerhymne (haydns „gott erhalte“), die vierstimmig in vier sprachen, auf deutsch, ungarisch, tschechisch und Polnisch, von vier solisten gesungen wurde. Mit den aufnahmen zum Projekt „soldatenlie- der“ wurde im jänner 1916 im Phonogrammarchiv begonnen. im Laufe weniger Monate wurde von wien ausgehend eine tour durch verschiedene kasernen der k. u. k. Monarchie unternommen, wo deutsche, rumänische, serbokroatische, unga- rische, tschechische, slowakische, polnische, friulanische, italienische, kroatische, slowenische und ruthenische soldatenlieder aufgenommen wurden. „Bei dieser wissenschaftlich wie auch militärtaktisch und psychologisch motivierten sammlung fand nicht nur eine Zensur der Liedtexte, sondern – nicht zuletzt aufgrund des damals sehr kostspieligen technischen Materials – auch eine strenge auswahl der dafür in Frage kommenden interpreten statt.“69 die Lieder sollten zugeschnitten auf die kriegssituation sein: „Lieder mit leichter kontrollierbaren texten, die kriegskonform oder bestenfalls unbedenklich 65 hois, Musikhistorische Zentrale, 20. 66 hajek, Bericht über die Ergebnisse der Sammlung von Soldatenliedern, 42. 67 Phonogrammarchiv, abt. 6, nr. 5.160, zit. nach: hois, Musikhistorische Zentrale, 24. 68 ava, F 2915, zit. nach: gerda Lechleitner, Zu den soldatenliedern, 20. 69 hois, Musikhistorische Zentrale, 24. Zgodovinski časopis | 69 | 2015 | 1–2 | (151) 141 sein durften“70 kamen in Betracht. „die hauptintention bestand in der aufnahme der vaterlandstreuen und kriegs-, bzw. siegesverherrlichenden Lieder („gott erhalte, gott beschütze“), die durch ironisierung oder durch ein Feindbild eine abschätzige wertung enthalten durften oder sollten („sagt mir, in welchem Land sind die abruzzen?“).“71 die aufnahmequalität der soldatenlieder ist im vergleich zu anderen, nichtkom- merziellen aufnahmen aus dieser Zeit, sehr gut. damals üblich war das aufzeichnen des schalles in tiefen- oder edisonschrift auf wachsplatten. Mit der fixen Plat- tengröße von 15 cm durchmesser lag die aufnahmezeit unter zwei Minuten, was sehr kurz war. es war somit unmöglich, mehrere strophen eines Liedes auf einer Platte aufzunehmen. sänger und Musiker mussten sich vor einem trichter positionieren, dass ein ausgewogener klang entstand, und etwa die sänger nicht von den Blechbläsern übertönt wurden. obwohl die aufnahmen schon 1916 entstanden, waren sie in- folge des Materialmangels in der nachkriegszeit erst in den zwanziger jahren als archiv-Platten allgemein zugänglich und sind heute eines der wenigen akustischen Zeugnisse, die direkt aus der kriegszeit stammen. 4.2. Volkslied versus Gassenhauer – Österreichische Soldatenlieder im 1. Weltkrieg die „Musikhistorische Zentrale“ des kriegsministeriums wurde 1916 gegrün- det, zu einer Zeit also, in der „Polarisierung, radikalisierung und totalisierung zuungunsten integrativer Bestrebungen innerhalb der donaumonarchie immer stärker wurden“72. Man war bestrebt, diesen negativtendenzen auf verschiede- ne weise entgegenzusteuern. ein versuch wurde etwa mit der einrichtung der „Musikhistorischen Zentrale“ unternommen. im „Fremdenblatt“ wurde dies sehr positiv kommentiert: „Musikhistorische Zentrale […] ist ein höchst amtlicher titel für eine höchst künstle- rische sache und für eine höchst österreichische sache dazu. es entspricht ja doch dem österreichischen wesen, dass die Musik des krieges nicht überhört, sondern mit liebevoller sorgfalt gesammelt, aufbewahrt und gepflegt wird. Man müsste sich wundern und es wäre ganz unbegreiflich, wäre diese wichtige arbeit versäumt worden.“ […]73 im jahr davor (1915) war der name „Österreich“ die offizielle Bezeichnung für die cisleithanische reichshälfte geworden. „Österreich“ musste auch ideolo- giepolitisch und historisch einzementiert werden. der Zeitpunkt schien gerade in dieser kriegszeit günstig, denn „schließlich schien gerade der gemeinsame äußere 70 Óskar elschek, Die Sammlung „Soldatenlieder der k.u.k. Armee“ in: Beiheft zur cd „soldatenlieder der k.u.k. armee“, 27f. 71 ebd. 72 rauchensteiner, Der Tod des Doppeladlers, 371. 73 Fremden-Blatt, jg. 72, nr. 13, wien, 13. jänner 1918, 1. M. BruckMÜLLer-schindLer: die Musik im ersten weltkrieg Zwischen Propaganda ...142 Feind, auf den nun aggressionen und Feindbilder übertragen werden konnten, eine verbrüderung innerhalb des reiches wieder möglich zu machen […]“74 soldatenlie- der in allen sprachen der Monarchie schienen dafür ein probates Mittel zu sein: „die sammlung unter den soldaten entsprach einer wohlüberlegten Förderung eines gemeinschaftsgefühls unter den kämpfenden truppen, denn das heer war ebenso wie die schule im Bewusstsein der regierenden jener Bereich, der zur ausprägung einer gemeinsamen identität im sinne der supranationalen identität der habsburgermonar- chie dienen sollte. das Militär war eine der wenigen institutionen, wo angehörige verschiedener nationen aufeinander trafen und sich so kennen- und verstehen lernen konnten.“75 ein politisch instrumentalisiertes Musikprojekt war also die sammlung der soldatenlieder, das von prominenten Musikern geleitet wurde: Für cisleithanien war es Bernhard Paumgartner, der später als einer der gründungsväter der salzburger Festspiele hervortreten sollte. Paumgartner war jurist, der aber auch eine ausbildung als Musiker und dirigent hatte. er wurde noch während seiner tätigkeit für die „Musikhistorische Zentrale“ 1917 als Leiter des Mozarteums nach salzburg berufen. das cisleithanische amt war im „hotel national“ in der taborstraße im 2. Bezirk in wien untergebracht.76 Für transleithanien war Béla Bártok mit der musikalischen Leitung betraut, der gemeinsam mit seinem schüler und Freund Zsoltan kodály die Musikabteilung führte. die beiden hatten sich bereits seit 1905 mit der sammlung, archivierung und Bearbeitung von volksmusik beschäftigt.77 Bártoks tätigkeit im krieg bewirkte in ihm ein umdenken: hatte er sich als sammler ungarischer volksmusik zunächst der ungarischen sache verschrieben, sah er später seinen eigentlichen auftrag darin, „die verbrüderung der völker, eine verbrüderung trotz allem krieg und hader“ voranzutreiben. „dieser idee versuche ich – soweit es meine kräfte gestatten – in meiner Musik zu dienen.“78 Paumgartner und Bártok standen in engem Briefverkehr, um die sammlungstätigkeit zu besprechen und zu koordinieren. den antrieb, eine „volksliedsammlung“ an der Front zu erstellen, hatte Paumgartner laut seiner Biographie selbst, um „in unserer vielsprachigen armee aus dem chaos des krieges wenigstens so viel zu gewinnen, dass eine kulturelle wirkung davon auch in aller Zukunft zu erwarten wäre.“79 dies entsprach auch seiner inneren haltung als „österreichisch Fühlender und zugleich übernational denkender.“80 wie schon eingangs erwähnt, entsprang diese idee wohl auch der damaligen „Mode“, geistige und künstlerische errungenschaften in einer Zeitenwende zu erhalten. Paumgartner gewann alsbald generalstabschef konrad von hötzendorf für dieses Projekt. in seinen erinnerungen schrieb Paumgartner: „ich war so kühn, mich 74 hois, Musikhistorische Zentrale, 59. 75 hois, Weltkrieg, 127. 76 Paumgartner, Erinnerungen, 74. 77 hois, Weltkrieg, 131. 78 ebd., 132. 79 Paumgartner, Erinnerungen, 74. 80 hois, Weltkrieg, 127. Zgodovinski časopis | 69 | 2015 | 1–2 | (151) 143 trotz meiner bescheidenen militärischen charge, allerdings mit einer wertvollen empfehlung versehen, in die eisenbahn zu setzen und nach teschen zu fahren, wo sich damals unser hauptquartier befand. dort wagte ich es, hötzendorf persönlich aufzusuchen und ihm meinen Plan vorzutragen. er war sehr freundlich zu mir, sagte nach meinen erläuterungen einfach Na machen Sie’s halt!“81 Paumgartner gewann renommierte Musiker und volksliedkenner für dieses Projekt. der Musikhistoriker und sänger heinrich knöll, der industrielle und volksliedforscher konrad Mautner, der volkstanzforscher und Lehrer raimund Zoder waren ebenso daran beteiligt wie die komponisten Felix Petyrek, wilhelm grosz, viktor ullmann, hans krása, alois hába (u.a.). sie alle zogen mit an die Front, um Lieder zu sammeln, oder redigierten die eingeschickten Lieder. in vier Bänden wurden die „Österreichischen soldatenlieder“ publiziert. das den vier Bänden vorangestellte Motto „Freudenrausch, herzensweh, großes gelingen! was man nicht sagen kann, das muss man singen!“ stammte übrigens vom heimatdichter Peter rosegger, der ebenfalls gefragt worden war, ob er sich am sammeln der Lieder beteiligen wolle. er lehnte jedoch ab, da er „keine autorität in dieser sache wäre.“82 doch so geeignet die rahmenbedingungen für das Projekt auch schienen – ganz reibungslos funktionierte es trotz der militärisch strengen organisation nicht. die nationale inhomogenität der truppen bereitete ebenso schwierigkeiten wie häufige Mannschaftswechsel.83 es haperte aber auch an der nötigen Motiva- tion – schließlich „erhielten die soldaten kaum eine Belohnung für ihre Mithilfe, mussten aber ihre Freizeit dafür opfern und waren deshalb oft nicht sehr angetan von diesem unternehmen.“84 Bártok beklagte in einem Brief an Paumgartner: „Zu einer physischen Leistung kann man die soldaten zwingen, doch zum gesang – nur eine kurze weile.“85 auch den vorgesetzten mangelte es an verständnis für die sammlertätigkeit. so zitierte 81 Paumgartner, Erinnerungen, 74. 82 Brief roseggers an wilhelm kienzl, zit. nach hans sittner: kienzl – rosegger. wilhelm kienzls „Lebenswanderungen“ im auszug, neu eingeleitet und hinsichtlich der letzten siebzehn Lebensjahre biographisch ergänzt; kienzls Briefwechsel mit Peter rosegger, eingeleitet und kommentiert, nebst einem namen-, Brief- und vollständigen werkverzeichnis, Zürich – Leipzig – wien 1952, 438 – 439, zit. in: hois, „eva Maria hois, „ein kultur- und Zeitdokument ersten ranges“. die soldatenliedersammlung der Musikhistorischen Zentrale beim k. u. k. kriegsmin- isterium im ersten weltkrieg. geschichte – dokumente – Lieder, diss.- wien 1997, 68. 83 hois, Weltkrieg, 136. 84 hois, Weltkrieg, 136f. 85 kriegsarchiv, MhZ, karton 99, nr. 206. 37 Brief von Bártok an Paumgartner am 4. 8. 1917, zit. in: hois, Weltkrieg, 37. M. BruckMÜLLer-schindLer: die Musik im ersten weltkrieg Zwischen Propaganda ...144 Bártok in seinem Brief einen oberstleutnant. „ich kann gar nicht begreifen, wie man in solchen Zeiten derartiges fordern kann. jetzt! singen!“86 doch im großen und ganzen war die Musikhistorische Zentrale über das rege engagement der soldaten erfreut, wenn auch ihre einsendungen nicht „besonders schön in Form und ausstattung“ waren, da sie „oft in unterständen und schützen- gräben unter vielfach widrigen verhältnissen aufgeführt und […] auf mühselig zusammengesparten Papierstückchen, Zeitungsschleifen etc. niedergeschrieben…“ wurden. doch „gerade diese […] gruppe von einsendungen zeugt […] für den großen idealismus und vaterländischen geist unserer truppen im Felde.“87 die Bevölkerung wurde ebenfalls dazu aufgerufen, Lieder, eigene kompo- sitionen und dichtungen, einzuschicken und arbeitete an dem Projekt fleißig mit. 4.2.1. Thematik der Lieder – Märsche, Gefühle und Ironie in die sammlung sollten nur „wirkliche volkslieder“ aufgenommen werden, nicht aber „Modeschlager und dergleichen.“88 Zum einen wurde eine große ge- samtausgabe vorbereitet. Zum anderen wurden viele der gesammelten Lieder auch in vier kleinen handlichen Liederfibeln veröffentlicht, die den soldaten „als treue Begleiter zur seite“ stehen.“89 „…alles gewollte, kunstmäßige, Fremde“, aber auch die „sogenannten volkstümlichen Lieder“ wurden „nur insoweit berücksichtigt, als diese tatsächlich allgemeingut der soldaten geworden sind.“90 viele Lieder bezo- gen sich auf das soldatenleben. kameradschaft, vaterlandsliebe, desertieren, aber auch verwundung und tod. häufig waren diese Lieder Märsche, die die soldaten motivierten und stärkten. in die vierte sammlung der „soldatenlieder“ wurden „zahlreichen wünschen aus soldatischen kreisen entsprechend“, „auch einige wenige Lieder nicht eigent- lich militärischer art mit aufgenommen. aber auch diese, gerade diese leben und klingen trotz waffen und not unter unseren Feldgrauen als ein lieber, fröhlicher Friedenshall aus der heimat.“91 sehnsucht nach der heimat und abschied von den eltern oder der geliebten wurden in den Liedern häufig thematisiert. das waren so genannte „stimmungsgesän- ge“. sie konnten damit ausdrücken, was sie bewegt und was sie sonst nicht selbst sagen konnten oder wollten. auffallend ist eine starke ambivalenz in der Liedliteratur: es gab einerseits die affirmativen Lieder, die den krieg und das soldatenleben verherrlichten. andererseits wurden vielfach kritische Lieder gesungen, die die negativen seiten des soldatenlebens thematisieren. da diese verboten waren, wurden sie nicht in die sammlung aufgenommen, und wurden daher meist nur mündlich verbreitet.92 86 ebd., 137. 87 ebd., 136. 88 Paumgartner, Erinnerungen, 75. 89 Bernhard Paumgartner (hg.), Österreichische Soldatenlieder, 1. heft, 2. 90 ebd. 91 Paumgartner (hg.), Österreichische Soldatenlieder, 2. 92 hois, Musikhistorische Zentrale, 48. Zgodovinski časopis | 69 | 2015 | 1–2 | (151) 145 am liebsten sangen die soldaten ihnen vertraute Lieder - „freiwillig und ohne äußere einflussnahme“93 - und konnten damit ausdrücken, was sie bewegt und was sie sonst nicht selbst sagen konnten oder wollten. es war verboten, kriegskri- tische, oder Freiheit thematisierende Lieder zu singen, doch darüber setzten sich die soldaten häufig hinweg. so „hehr“ das soldatenlied auch dargestellt wird – natürlich ging es auch darum, den Feind niederzumachen, den hurrapatriotismus dieses krieges einzu- fangen und die soldaten zu manipulieren. das bekannte neapolitanische volkslied „santa Lucia“ wurde kriegsgerecht umgetextet: „sagt mir, in welchem Land sind die abruzzen? wo liegt der räuber mit seinen stutzen? wo bricht man Freundesbund heuchelnd mit falschem Mund? dort in italien! wenn auch die riesenzahl uns will bezwingen, es wird der ganzen welt doch nicht gelingen. deutschland mit uns vereint schlägt auch den achten Feind. schlägt auch italien! „gott strafe england“, klingts durch die Lande. untreu‘ ist jederzeit die größte schande. gott aber ist gerecht. er straf‘ auch dies geschlecht. straf‘ auch italien!94 in die sammlung der „Musikhistorischen Zentrale“ wurde dieser textvorschlag allerdings nicht aufgenommen. dieses Lied wurde aber vom Phonogrammarchiv aufgezeichnet und ist somit erhalten. auch das am häufigsten gesungene solda- tenlied „der gute kamerad“ von Ludwig uhland wurde mehrfach scherzhaft oder ironisierend umgedichtet: „ich hatt‘ einen katzenbraten, einen besseren findst du nit, ich steckt ihn an die gabel und schob ihn in den schnabel Mit großem appetit.95 93 elbers, das deutsche soldatenlied im 1. weltkrieg und seine publizistische Bedeutung unter besonderer Berücksichtigung des neuen soldatenliedes, wege und wirkungen der Lied- publizistik im deutschen weltkriegsheer. diss. – essen 1963, 7, zit. in: hois, Musikhistorische Zentrale, 44. 94 soldatenlieder cd-rom 2514/1. 95 otto Maußer, der Liederbestand bairischer truppen im weltkrieg (1916), in: Bayerische hefte für volkskunde 4, München 1917, 98, zit. in: hois, Musikhistorische Zentrale, 51. M. BruckMÜLLer-schindLer: die Musik im ersten weltkrieg Zwischen Propaganda ...146 und noch eine umdichtung, die sich auf die kriegserklärung des einstigen verbündeten italien bezieht: ich hatt einen kameraden, einen schlechtern find’st du nit. die trommel schlug zum streite, er schlich von meiner seite und sprach: ich tu nicht mit. eine kugel kam geflogen, aha, die ist von dir! erhabener gedanke: du fällst mir in die Flanke und willst ein stück von mir. […]96 Bemerkenswerterweise brachte der erste weltkrieg aber kaum neue Lieder hervor. Besungen wurde er – im gegensatz zu kriegen in früheren Zeiten (napo- leonische kriege, deutsch-französischer krieg 1870/71) auch kaum. woran das lag, mag diese erläuterung geben: „Merkwürdig wird dem Fernstehenden erscheinen, dass eine so bewegte Zeit, wie die von 1914-1918 keine oder nur unbedeutende neue historische Lieder hervorbrachte. wer aber die verhältnisse aus eigener erfahrung kennt, wird sich darüber nicht wundern. in kriegen früherer jahrzehnte marschierten die truppen oft wochenlang in bequemen, vorbereiteten etappen vom hinterland in ihre Bestimmungsorte […] die verluste waren, gegen weltkriegsziffern, gering und der stand der truppen we- nig verändert: die gleichen Leute waren ausmarschiert, hatten kämpfe mitgemacht, waren heimgezogen. jeder Mann kannte den obersten Führer persönlich, wusste von ihm geschichten zu erzählen. im weltkrieg dagegen war der Führer zum hohen kanzleibeamten geworden, der Menschenverbrauch ungeheuer […] nicht einmal ein so balladenhaft-romantisches unternehmen wie der donauübergang bei Belgrad im herbst 1915 fand im soldatenvolke seinen sänger.“97 während des krieges gab es aber noch die Zuversicht, auch dieser krieg werde historisch relevantes Musikgut hervorbringen: „die wahrhaft großen Lieder, die der krieg hervorgebracht, werden wir wohl erst in einem späteren geschlecht als solche erkennen. wir haben jetzt noch nicht den richtigen abstand zu ihnen und wissen wirklich nicht, ob dieses oder jenes Lied, welches im au- genblick bei einer kompagnie in den dolomiten erklingt, einmal gemeingut der ganzen armee, des ganzen volkes sein wird.“98 96 johannes voelker, der deutsche soldat in seinen Liedern und reimen. Plaudereien eines alten soldaten, stettin 1929, 131., zit. in: hois, Musikhistorische Zentrale, 52. 97 karl Magnus klier, deutsche Lieder bim ir.74. in: sudetendeutsche Zeitschrift für volkskunde, jg. 4, Prag 1931, 137f. zit. in: hois: Musikhistorische Zentrale, 38. 98 Paumgartner, „Das Soldatenvolkslied“, im Feuilleton der „neuen Freien Presse“, 9. januar 1918, 2. Zgodovinski časopis | 69 | 2015 | 1–2 | (151) 147 im Prinzip wurde aber auf althergebrachtes Liedgut zurückgegriffen: „und man brauchte keineswegs viel zu dichten und neu zu formen, denn die Lieder, die der soldat aus den Zeiten Prinz eugens, erzherzog karls und radetzkys her von generation zu generation übernommen hatte, waren ja noch frisch und unverbraucht , die weise klang hell und kräftig wie einst und die wenigen worte, die man dazu brauchte, um das Lied den neuen verhältnissen anzupassen, fand jeder ganz von selb- st. und so sangen sie vom jungen kaiser karl dort, wo früher vater radetzky ,nach italien zog‘, und aus den höhen bei sarajevo, die ehemals bei custozza und sedan lagen, wurden in dem alten Lied vom ,sterbenden soldaten‘ die höhen bei Lemberg; statt Malborghet und königgätz, wo ,der erste streit tobte‘, heißt es jetzt Przemysl, und keiner der sänger erinnert sich mehr daran, dass es jemals anders gelautet hat. so ist aber das volkslied; unbestimmbar, wann es geboren wurde, in dem reichen Boden der urpoesie des volkes wurzelnd, daher immer voll geheimnisvoller Beziehungen, immer lebend und wie das antlitz der erde einer steten veränderung unterworfen und von rührender unbewusstheit seines wertes. wie kaum ein anderes kulturdokument drückt es seelenleben und wesen seines volkes greifbar aus; es kennt nicht jenen wütenden zügellosen hass der kriegerischen kunstlyrik, stets ebenso ausgeglichen wie vielgestaltig: frisch, draufgängerisch, wenn es aus deutscher seele kommt, von unbeschreiblicher schwermut, wenn es als kind der ukraine von heimat und sehn- sucht redet, kühn und rhythmisch merkwürdig, wenn es aus der Pußta kommt, aber immer erdnah und von dem rätselhaften Zauber erfüllt, dem auch die primitivsten kunstwerke der volkskunst entströmen, da sie ja eigentlich von keinem einzelnen geschaffen, sondern die kinder der entwicklung ganzer langer generationen sind.“99 dem krieg sprach man auch eine reinigende wirkung des krieges auf die „Possencouplets“ zu, die nun „besseren weisen ernster und heiterer stimmung Platz machen.“100 „der krieg sollte also dem volkslied seine einstige Bedeutung wiedergeben und sich somit wenigstens auf diesem gebiet als echter segensbringer erweisen.‘101 außer- dem konnte er aufgrund seiner größe vor allem auch hinsichtlich künstlerischer Äußerungen das ,echte‘ vom trivialen und Banalen scheiden. so würde auch das ,schmucklose, einfache volksliede‘ mit seiner ,einfachen und großartigen urform‘ durch die ,rückkehr vom raffinement‘ gegenüber dem ,elenden gassenhauerzeug‘ wieder die vorherrschaft erlangen.“102 somit – dies die damalige hoffnung - brachte der krieg auch in der Musik die dringend ersehnte katharsis, denn „die Lieder aus der kaserne geben viel- fach Beweis von einer entsetzlichen sittenlosigkeit.“103 als positiver aspekt des kriegsgeschehens galt außerdem, dass wieder mehr, und vor allem mehr eigenes, 99 Paumgartner, „Neue Freie Presse“, 9. januar 1918, 2. 100 adler, Tonkunst, 4. 101 helmuth Pommer, Volksliederabend, in: das deutsche volkslied, jg. 17, wien 1915, 105. 102 alois ulreich, der krieg und das volkslied. in: neues wiener tagblatt, nr. 282, 12. oktober 1914, s. 3, zit. in: hois, Musikhistorische Zentrale, 36. 103 „das volkslied in Österreich (steiermark), in: das deutsche volkslied 15, wien 1913, 35, zit. in. hois, Musikhistorische Zentrale, 39. M. BruckMÜLLer-schindLer: die Musik im ersten weltkrieg Zwischen Propaganda ...148 gesungen wurde. das wurde als „selbstbesinnung auf das eigene volk und dessen kraft sowie als moralisch-sittlich-kultureller kampf gegen verfremdung und schädliche einflüsse von außen“ gesehen.104 4.2.2. Funktionalität des Singens im Krieg die wirkung der Musik auf die seele der Menschen hatte im krieg mehrere Funktionen. der Musikwissenschaftler guido adler beschrieb das so: „Musik ist die seele der kultur. der von allem Äußerlichen abgelöste wille, das innerste der psychischen strebungen gelangt in ihr zum künstlerischen ausdruck. sie spiegelt das weltbild am reinsten und klarsten wider. sie begleitet den Menschen, der tonsinn hat, in allen Lebenslagen und ist auch sein genosse im kampf wie im Frieden.“105 es gibt etliche romantisierende Betrachtungen und Beobachtungen bezüglich des singens im ersten weltkrieg. so beschwor etwa Bernhard Paumgartner noch 1918 die emotionale kraft des gemeinsamen singens patriotischer Lieder: „war es nicht dasselbe gefühl der kraft im Zusammenschmelzen aller in einer stür- menden idee, als wir auf den Bahnhöfen tausendstimmig plötzlich irgendwie, irgendwo beginnend, das „gott erhalte“ oder den „Prinz eugen“ sangen, wie unsere truppen blitzend ins Feld zogen? Fühlten wir da nicht alle, dass noch mehr in diesen einfachen himmlischen Liedern lag als klang und rhythmus? und sogleich dichtete auch das hinterland. während draußen söhne von duldenden Müttern den stillen heldentod starben, berauschten sich manche dieser kriegerischen dichter im geschützten winkel an Phrasen; Flugblätter ohne Zahl flogen hinaus an die Front und man glaubte, die soldaten würden freudig danach greifen. die soldaten im schützengraben trugen aber etwas viel Besseres, heiliges unverrückbar und unverlierbar in ihren herzen: das volkslied.“106 in die romantische verklärung der singenden soldaten passt auch diese erinnerung: „auch am vorabende von kaisers geburtstag, 16. august 1917, ergab sich eine prächtige sammelgelegenheit, als die Feuer von allen Bergen südtirols lohten, die Leuchtraketen stiegen und unsere „Landler“ in den grauenden Morgen hinein von den höhen herunter juchzten und jodelten, dass es prächtig durch das weite tal klang. sogar die italiener spendeten lauten Beifall aus ihren gräben und kein schuss fiel die ganze nacht.“107 104 ebd. 105 adler, Tonkunst, 1-2. 106 Paumgartner, Das Soldatenvolkslied, Feuilleton, in: neue Freie Presse 1917, wien 9. jänner 1918, 1, zit. in: hois, Musikhistorische Zentrale, 37. 107 anton august naaf, erfreuliches weiterschreiten. neue Bestrebungen zur weiterför- derung des deutschen volks- und heeresgesanges und die Mithilfe unserer vereingssängerschaft hierbei, in: deutsche sängerbundzeitung 8/13-14, Berlin 1916, 100, zit. in hois, Musikhistorische Zentrale, 41. Zgodovinski časopis | 69 | 2015 | 1–2 | (151) 149 alles nur klischee? dass Musik im krieg durchaus besänftigende oder sogar friedensspendende Momente herbeizaubern kann oder konnte, belegt auch das bekannte „weihnachtswunder“ von verdun, wo das gemeinsame singen von „stille nacht“ die waffen auch kurz zum schweigen brachte. die Musikhistorische Zentrale“ veranstaltete im jänner 1918 zwei große konzerte in wien und Budapest mit „echten soldaten-volksliedern“ aus allen teilen der Monarchie. Bei dem konzert in wien war auch kaiserin Zita anwesend. die Zeitungen würdigten das ereignis und das Beisein der kaiserin als identitätsstiftend, und auch Paumgartner betonte in der „neuen Freien Presse“ die „erhebende und einheitsstiftende kraft des soldatenvolksliedes.“108 was genau mit der soldatenliedersammlung in den wirren des kriegsendes geschah, ist nicht mehr eindeutig zu eruieren. die österreichischen Lieder dürften aber 1945 bei einem Brand des schau-aquariums, wo sie aus sicherheitsgründen aufbewahrt worden waren, vernichtet worden sein.109 erhalten geblieben sind neben den gedruckten Liedern auch noch abschriften von etlichen soldatenliedern aus den unterlagen der Musikhistorischen Zentrale. 5.3. Frontkonzerte Musik an der Front – das waren nicht nur die selbst gesungenen soldatenlie- der und die militärischen Musikkapellen. Musik an der Front wurde auch von auswärtigen hochkarätigen Musikern und Musikerinnen für die soldaten gespielt: „die Quartiermeisterabteilung der k.u.k. armeen hat es sich von anfang an angelegen sein lassen, die geistige Erholung der im Felde stehenden truppen auf jede weise zu unterstützen, in der festen Überzeugung, dass die dadurch gewährte Ablenkung, der Kampfkraft der Armeen in unschätzbarer Weise zugutekommt. auch vom kriegspressequartier aus ist für die truppen viel geschehen und für abwechslung jeder art durch Front-, theater, kinos, kabaretts, konzerte entsprechend gesorgt worden.“110 dass von anfang an solche Bestrebungen existiert hätten, entspricht nicht den historischen tatsachen. erst seit Beginn des jahres 1917 starteten die vorbereitungen für die entsendung verschiedener Fronttheater und –konzerte, um die stimmung an der Front zu heben, aber auch um auf die Presse des in- und auslandes einfluss zu nehmen. die auswahl und entsendung der Frontheater übernahm das theater- referat des kPQ; dieses leitete die Musikpropagandaaufführungen im neutralen und verbündeten ausland ebenso wie die organisation der Frontkonzerte. Beides würde einer umfangreichen wissenschaftlichen erforschung bedürfen, da darüber praktisch noch nichts publiziert wurde.111 es gab die weisung, dass ehemaligen Mitgliedern von Fronttheater-ensembles reisen ins neutrale ausland „unbedingt verweigert werden, um nicht über militärische 108 nussbaumer, Musik im „Kulturkrieg“. Politische Funktionalisierung Moderne, 306. 109 hois, Musikhistorische Zentrale, 224. 110 ka, kPQ, kart. 55, Bnr. 3572, F279r. 111 hermann Pörzgen, Theater als Waffengattung, Frankfurt am Main, 1935, 36. M. BruckMÜLLer-schindLer: die Musik im ersten weltkrieg Zwischen Propaganda ...150 verhältnisse zu reden.“112 es habe vertrauliche Mitteilungen aus der schweiz gege- ben, wonach durch Beziehungen zwischen künstlerinnen und heeresangehörigen „Mitteilungen mannigfachster art in das ausland“113 gelangen würden. die andere sorge betraf die Qualität des dargebotenen. das war wichtig, denn viele arbeitslose Musiker, schauspieler und ensembles nutzten im krieg die gelegenheit, mit Mitteln des kPQ auf gastspielreisen zu gehen. oft mit einer fragwürdigen Qualität. so erließ das kPQ am 1. juli 1918 einen entsprechenden erlass: „dergleichen darbietungen können nur dann von vollem erfolge sein, das kulturelle niveau der Monarchie in würdiger weise zur darstellung bringen und die wichtigkeit der Monarchie als kulturfaktor dartun, wenn sie von erster Qualität sind.“114 Fortan wurden nur noch gastspiele an der Front erlaubt, die vom kPQ ausdrücklich beauftragt und entsendet wurden.115 außerdem war das auch wichtig für die koordinierung der veranstaltungen. das kPQ äußerte auch in diesem Zu- sammenhang angst vor spionage – so hieß es zu den Bestimmungen an der Front: „die an den reisen an den Front-ensembles teilnehmenden Personen unterstehen während ihres aufenthaltes im Bereich der armee im Felde der militärischen disziplinargewalt und sind bedingungslos an die weisungen des militärischen Leiters gewiesen. das militärische geheimnis ist zu wahren.[…] das verbreiten von gerüchten ist strengstens verboten.“116 eine weitere Problematik betraf die sprachliche heterogenität der österreichisch- ungarischen truppen. deutsches theater war für diese natürlich wenig interessant. Musikalische darbietungen waren da schon geeigneter, und varieténummern, in denen nicht gesprochen wurde, kamen für die soldaten verschiedenster nationalitäten an der Front besonders in Frage. das Programm sollte in erster Linie „aufheiternd, belehrend und zerstreuend“ wirken.117 durch die ausgiebigen Frontgastspiele erwartete sich die militärische Führung eine gesteigerte Popularität bei den soldaten als auch bei den verbündeten Mächten. die einnahmen der Frontgastspiele kamen zu 40% wohltätigen Zwecken zugute, 60% waren als gagen für die künstler veranschlagt. 118 der damals populäre „entertainer“ theodor woller berichtete an das kPQ vor allem von einem starken Zerstreuungsbedürfnis der soldaten, „denn man will draussen […] keinen kunstgesang und keine komödie, sondern sie wollen lachen und immer nur lachen und auf einige stunden in dieser schweren Zeit aufgeheitert werden.“119 112 ka, kPQ, kart. 51, nr. 12945. 113 ka, kPQ, kart. 51, nr. 12945. 114 ka, kPQ, kart. 51, Bnr. 3571, nr.11.429/i, 1917. interner Bericht von oblt. von Lustig. 115 ka, kPQ, kart. 45, nr. 35181. 116 ka, kPQ, kart. 51, Fasz. 2510. 117 ka, kPQ, kart. 51, k.u.k. aok Q.nr. 2518. 118 Perterer, Aus ernster Zeit, 47. 119 Brief von theodor woller an das kPQ. ka, kPQ, kart. 50, Bnr. 2525, 5.7.1917. Zgodovinski časopis | 69 | 2015 | 1–2 | (151) 151 im musikalischen Bereich wurden operettenaufführungen, aber auch klassische konzerte erlesener, kleiner ensembles an die Front entsendet. diese so genannten konzertakademien wurden von namhaften Musikern geleitet, unter ihnen der Pia- nist und klavierlehrer Bruno eisner, der komponist und dirigent Franz drdla, und willy Bardas, ebenfalls Pianist.120 das kPQ war auch bestrebt, opernsängerinnen von den ersten Bühnen wiens für konzertakademien zu gewinnen.121 das niveau war also wirklich sehr professionell. die herkunft der ausführenden künstler spielte bei den aufführungen eine rolle. als ein konzertorganisator ein angebot bezüglich eines gastspieles stellte, antwortete das kPQ, „[…] dass es im neutralen auslande wie bei den verbündeten staaten nur die veranstaltungen solcher konzerte in die wege leiten kann, welche von österreichischen künstlern abgehalten werden.“122 die ausstattung der Fronttheater war sehr einfach gehalten, was notwendig war, denn der transport an die Front war schwierig zu gewährleisten. „Frontthe- ater sollten nur improvisationen im wahrsten sinne des wortes sein, wären daher möglichst nicht mit eigenen theaterdekorationen, kulissen, und umfangreichen garderoben, sondern nur mit den allernotwendigsten gegenständen auszurüsten, denn für sorgfältigen transport gibt es kaum eine besondere vorsorge.“123 somit waren die aufführungen eher spartanisch und die reisestrapazen für die künstler groß. sogar lebensgefährlich war die rückkehr eines tourneetheaters nach Öster- reich am ende des krieges durch das gebiet russisch – Polens und galiziens.124 6. Exportartikel Musik 6.1. die Propagandaoperette in konstantinopel ein besonders bemerkenswertes thema ist die einbindung der Musik in poli- tisch- strategische Zwecke. gegen ende des krieges wurde begonnen, das Füllhorn der österreichischen Musik über die verbündeten und neutralen staaten und Mächte zu gießen. Motiviert waren die musikalischen Missionen von dem Bemühen kaiser karls, in diesen staaten (wieder) sympathien für das habsburgerreich zu gewin- nen, und den angestrebten Frieden mit künstlerischen darbietungen zu begleiten. die besten sänger und Musiker wurden in verschiedene staaten geschickt oder es wurden wenigstens Pläne zu tourneen erarbeitet. als Für konstantinopel, aber auch für odessa, Belgrad oder sarajevo wurde eine besondere Form der musikalischen unterhaltung „marschbereit“ gemacht: die Propagandaoperette. im Folgenden soll die kurze episode der Propagandaoperette in konstantinopel in den kriegsjahren 1916 bis 1918 näher beleuchtet werden. 120 ka, kPQ, karton 51, 3570, 22.12.1917. 121 ka, kPQ, karton 51, 3570, 22.12.1917. 122 ka, kPQ, kart. 54, nr. 35465, 13.10.1918. 123 ka, kPQ, karton 51, aok Q.nr. 2518. 124 ka, kPQ, karton 54, 35549/1918. M. BruckMÜLLer-schindLer: die Musik im ersten weltkrieg Zwischen Propaganda ...152 die musikalische Mission war ein teil der Bestrebungen, sich dem neuen verbündeten und ehemaligen Feind, dem osmanischen reich, erkenntlich zu zeigen und den rückständigen und wilden türken, als welche man sie betrachtete, die reichen kulturgüter der Monarchie zu bringen. gleichzeitig sollte die Mu- sikpropaganda den Österreichern einen weg bereiten, auch sozio-ökonomisch am Bosporus Fuß zu fassen. die Musik gewann somit eine Bedeutung weit über den aspekt der unterhaltung hinaus! natürlich galt auch hier, dass wenigstens ein gewisses niveau geboten wer- den sollte, obgleich dies allein schon aufgrund der großen entfernung schwierig zu bieten war und es klassische Musiker und sänger in konstantinopel kaum gab. die erste initiative zur Propagandaoperette in konstantinopel ergriff der Priva- tunternehmer gustav Müller. die niedrigen gagen, die er zahlte, reichten nicht einmal dazu aus, die Lebenshaltungskosten (die damals in konstantinopel höher waren als in europa) zu decken, weswegen gerade die damen des ensembles auch andere einnahmequellen zweifelhaften charakters lukrierten. das kPQ forderte schließlich, „dass die sendlinge der darstellenden kunst vor dem abgehen in das ausland einer gewissen Zensur hinsichtlich der künstlerischen und moralischen Qualitäten“125 unterworfen würden. so stand zu befürchten, dass das Propagandabestreben ins gegenteil umschlug, und die schlechte Musik der ortsansässigen orchestermusiker und der unprofes- sionelle gesang eher spott und hohn als Begeisterung beim Publikum auslösten. Für das theaterreferat des kriegspressequartiers war es im sommer 1917 höchste Zeit in die sache einzugreifen und das kommando über die Propagandaoperette zu übernehmen, „um zu verhindern, dass unser ansehen durch minderwertige künstlerische Leistungen empfindlich geschädigt werde.“126 die deutschmeister wurden aus Österreich oder von den Fronten als ope- rettenkapelle nach konstantinopel abkommandiert, um für eine gewisse Qualität zu bürgen. auch die sänger standen bei diesem zweiten unternehmen auf einem höheren künstlerischen niveau. im oktober oder november 1917 startete das neue operettentheater in einem umgebauten kinosaal (theater Petits champs) und unter der Leitung wilhelm Bendiners die saison. das theaterreferat wirkte insoweit unterstützend, als die Musiker im sold der armee standen. Fünf Prozent der tantièmen waren für das kPQ vorgesehen.127 als eingestreute Propaganda waren Filmvorführungen während der Pause oder manipulative stellungnahmen auf den theaterzetteln geplant.128 andererseits war man penibelst darauf bedacht, dass „der charakter eines Privatunternehmens gegen die Öffentlichkeit gewahrt bleibe.“129 als einzige subvention wurde die Militärmusik deklariert. „ich hätte nie zugeben können, dass hier in konstantinopel ein theater als offizielles militärisches unternehmen 125 ka, kPQ, karton 51, d.nr. 11429/1917. 126 ka, kPQ, karton 51, d.nr, 11429/1917. 127 ka, kPQ, karton 51. 3570, Februar 1918. 128 ka, kPQ, karton 51, 6.10.1917, oblt. von Lustig andas kPQ. 129 ka, kPQ, karton 53, e.nr. 3571. Präs. 26.12.1917. Zgodovinski časopis | 69 | 2015 | 1–2 | (151) 153 figuriert, dies wäre in dem hiesigen türkisch-deutschen Milieu durchaus unstatthaft gewesen.“130 um die gunst der verbündeten türken buhlten nicht nur die Österreicher, sondern auch die deutschen. die kriegspartner machten sich gegenseitig ihre pro- pagandistischen Bestrebungen streitig! da laut Berichten der Militärgesandten aus konstantinopel das operettengastspiel außerordentlich erfolgreich war, „hat dies scheinbar in deutschen kreisen Missbehagen hervorgerufen und man will uns nicht die Beherrschung des theaters in konstantinopel unangefochten überlassen.“131 das österreichische operettentheater wurde sogar zum tagesgespräch: „die riesenstadt, durch jahre ohne gutes theater, hat nun plötzlich eines bekommen und stürzt sich mit wahrer gier darauf. ob heute die neueste oder älteste operette gegeben wird, gleichgültig, das theater ist voll, ja in stambul gilt es als notwendig, um für ,voll‘ zu gelten, dass ,man‘ die czardasfürstin gesehen hat. kurzum das theater ist ein nicht abschätzender erfolg österreichischer Propaganda, ohne diesen charakter zu tragen.[…]“132 die deutschen wollten nun selbst ein gastspiel nach konstantinopel ent- senden, und dafür die besten sänger deutschlands verpflichten. auf reichliche staatliche subventionen konnten sie angeblich rechnen. da wiederum wurden die Österreichischer nervös: „am leichtesten wäre es der sache zuvorzukommen, und etwa ab 1.1.1918 selbst eine oper herunterzuschicken.“133 schließlich platzte laut einem Bericht und laut Berichten der österreichischen gesandten auf deren druck - das geplante opernprestigeprojekt der deutschen – zur großen erleichterung der Österreicher. die deutschen versuchten aber etwa auch, den Mietvertrag, den das öster- reichische operettentheater mit dem theater Petits champs hatte, im geheimen auszubooten, was auch noch im letzten Moment verhindert werden konnte.134 später übersiedelte die Propagandaoperette in ein größeres theater, einen umgebauten kinosaal, der 1200 Zuschauer fasste. die allwöchentlichen Premieren avancierten sogar zu dem gesellschaftlichen ereignis der stadt am Bosporus: „es ist wohl nicht notwendig, auf den nachhaltigen intellektuellen einfluss hinzuwei- sen, den wiener darstellungskunst und wiener Musik im Laufe der Monate, die das theater bereits hier ist, auf diese großen Menschenmassen ausübt, in welchen alle klassen und nationalitäten vertreten sind. trotzdem glaube ich aber in der annahme nicht fehlzugehen, dass die Bedeutung des hiesigen theaterunternehmens innerhalb unserer Propandatätigkeit in der heimat noch immer nicht richtig eingeschätzt wird. Bei der rückständigkeit und armseligkeit der Presse kommt dem hiesigen theater ein noch weit größerer einfluss zu als in anderen Ländern. in konstantinopel, wo alle europäischen kulturen um die erringung des maßgebenden einflusses kämpfen, wo schule und Presse eine vergleichsweise geringe rolle spielen, ist das theater das bequemste und wirksamste Propagandamittel. der beste Beweis für die wirksamkeit 130 ebd, Bericht von oblt. dr. karl schrecker. 131 ka, kPQ, karton 51, 3571, Mb. nr.P/161/1917. 132 ka, kPQ, karton 51, 3571, 23.12.1917, schreiben von Leutnant tetzeli an das kPQ. 133 ka, kPQ, karton 151, 3571, Mb. nr P/161 von 1917. 134 ebd. M. BruckMÜLLer-schindLer: die Musik im ersten weltkrieg Zwischen Propaganda ...154 dieses Mittels ist die Bedeutung, welche die deutschen demselben beimessen. sie haben alle Mittel angewendet, um den erfolg des wiener operettentheaters zu pa- ralysieren. anfänglich wurde das theater, wahrscheinlich einer verabredung gemäß, von den deutschen gänzlich gemieden, d.i. boykottiert. als sich dieses Mittel nach einigen wochen als unwirksam erwies, wurde die Parole ausgegeben, das theater – als der verbreitung der deutschen sprache dienlich – fleißig zu besuchen. die abfälligen kritiken, welche man in der deutschen gesellschaft und im organ der deutschen Boschaft, dem ,osmanischen Lloyd‘ über das wiener theater hört, beziehungsweise liest, zeigen aber von der Missgunst, mit welcher man die zweifellosen erfolge die- ses österreichischen unternehmens betrachtet. auch die großen anstrengungen und finanziellen opfer, welche deutscherseits aufgewendet werden, um ein deutsches ensemble nach konstantinopel zu bringen, beweisen, dass die wiener operette ein wichtiger Faktor unserer Propaganda geworden ist. durch den energischen entschluss unsererseits, das Feld nicht zu räumen, haben die deutschen einstweilen auf diesem gebiete eine schlappe erlitten und das operngastspiel im letzten augenblick absagen müssen. sie treffen aber umso größere vorbereitungen, um für die nächste saison hier Fuß zu fassen. […] die bestehenden Mängel sind zum großen teil auf das ge- ringe interesse, oft sogar die ganz unrichtige Beurteilung des theaterunternehmens bei uns zurückzuführen. das theater wird vielfach als vergnügungsetablissement, oder gar als ein zu kriegszeiten ganz unstatthafter Luxus beurteilt, wobei vergessen wird, dass in der heimat – aus sehr gewichtigen gründen – der theaterbetrieb und theaterbesuch sich der Förderung der Behörden erfreut. Man übersieht ferner oft, dass gerade jetzt, wo die ententepropaganda am Bosporus fehlt, für uns die einzige gelegenheit vorhanden ist, hier festen Fuß zu fassen. Lassen wird diesen Moment ungenützt verstreichen, dann wären wir in konstantinopel wohl endgiltig und für immer kalt gestellt. die vor dem weltkriege systematisch betriebene Propaganda der entente hat sich in ihrer vollen wirkung erst jetzt gezeigt. noch heute – im vierten kriegsjahre – ist der französische geistige einfluss ein ernstes hindernis für die freie entwicklung unserer politischen und wirtschaftlichen Zukunft in der türkei. es ist in dieser Lage eine tatsache von höchster Bedeutung, dass das wiener theater in konstantinopel einen erfolg aufweist, wie ihn früher nie ein französisches ensemble gehabt hatte. schon der umstand, dass ein theater durch viele Monate hier verbleiben kann und ununterbrochen regsten Zuspruch hat, ist eine wichtige neuheit. um nun diesen erfolg festzuhalten und zu vertiefen, muss unsererseits dafür gesorgt werden, dass das theater auf einem künstlerischen niveau stehe und verbleibe, welches dessen kultureller aufgabe entspricht und den vergleich mit den früher hier gewesenen und nach dem kriege gewiss wieder zu erwartenden französischen und italienischen theatern im günstigen sinne aushält.“135 das ende kam ziemlich jäh, denn noch im august 1918 wurde bereits die saison 1918/19 geplant. es erstaunt, mit welchem ungebrochenen optimismus im kPQ weiter gewerkt wurde. Über das ende der Propagandaoperette kann nur gemutmaßt werden, denn im allgemeinen chaos zu kriegsende gab es keine dokumentation mehr zu diesem sympathieprojekt des habsburgerreiches. 135 ka, kPQ, karton 53, Mb.nr. 394/1918. Zgodovinski časopis | 69 | 2015 | 1–2 | (151) 155 6.2. Philharmonikertournee im Dienste des Staates des exportartikels Musik bediente sich Österreich-ungarn auch, um einen separatfrieden mit der entente zu unterstützen oder musikalisch zu begleiten: „angesichts der drohenden militärischen niederlage wurde man sich an amtlicher stelle der kulturellen Bedeutung Österreichs bewusst, und diese erkenntnis hatte umgehende auswirkungen für die Philharmoniker. sie avancierten zum Bestandteil einer diplomatischen offensive des außenministeriums und somit erstmals zum sonderbotschafter ihrer heimat […].“136 die tournee in die schweiz im juli 1917 wurde jedoch nicht eben zu einem diplomatischen coup für die österreichisch-ungarische Monarchie. das konzert in genf musste wegen deutsch- und österreichfeindlichen kundgebungen sogar abgesagt werden! die schweizer Bevölkerung schien der Propaganda der kriegsführenden Mächte ohnehin überdrüssig zu sein, obendrein war die Bevölkerung genfs enten- tefreundlich eingestellt. viele romanische schweizer kämpften als Freiwillige in der französischen armee. „auch ist die ,Freiheit‘, welche die entente verkörpert, den Leuten sympathischer […] als der deutsche ordnungsgedanke.“137 und weiter: „unter diesem verhältnisse, welche den nährboden dafür bildeten, dass anlässlich des rücktrittes des Bundesrates hoffmann hier demonstrationen stattfan- den, bei denen den konsulaten der Mittelmächte Fenster eingeschlagen, […] wurden, kann es nicht wundernehmen, dass, als bald nach jenen tumulten unter Führung der hier (weil er ein prodeutsches Manifest unterzeichnet und während der okkupation in Belgien konzertiert hatte) bestgehassten weingartner die wiener Philharmoniker ein konzert geben wollten, der genfer staatsrat trotz mannigfachen versuchen, die Projektanten zu freiwilligem verzicht zu bewegen, sich veranlasst sah, die veranstal- tung aus gründen der öffentlichen sicherheit zu untersagen.[…] es lässt sich somit hier, wenigstens in augenfälliger weise, für Österreich – ungarn nicht Propaganda machen, weil kein volk eine solche duldet, wenn es sie als gegen sich selbst gerichtet empfindet.138 der veranstalter in der schweiz Musikhaus hüni & co. zeigte sich dennoch optimistisch: „[…] der baldige abschluss des krieges möge uns neue wege wei- sen, auf die das Zauberorchester seine gaben schüttet, es sei uns beschieden, den tag zu erleben, da auch die, die sich heute noch Feinde nennen, in Begeisterung der höchsten künstlerischen kultur, die mit den Philharmonikern aus oesterreich kommt, zujubeln werden.“139 so kann zusammenfassend für die beiden Beispiele Propagandaoperette kon- stantinopel und tournee der Philharmoniker in die schweiz festgehalten werden, 136 hellsberg, Demokratie der Könige, 392. 137 ka, kPQ, karton 51, 3837, Zuschrift des k.u.k. konsuls, genf, 12.10.1917. 138 ka, kPQ. 139 hellsberg, Demokratie der Könige, 392. M. BruckMÜLLer-schindLer: die Musik im ersten weltkrieg Zwischen Propaganda ...156 dass die Musik die in sie gesetzte – große - hoffnung nicht erfüllen konnte, die ihr politisch-strategisch zugedacht wurde. trotzdem ist es bemerkenswert, dass der Musik diese rolle überhaupt zuteilwurde. ein ausverkauftes operettenhaus in istanbul vor hundert jahren – diese vorstellung ist überaus exotisch. ebenso interessant ist die geschichte, die die konzertabsage in genf begleitete. der „deutsche ordnungsgedanke“ konnte den kalvinischen genfern nicht gefallen. wieso eigentlich nicht…? unaufhaltsam war der Lauf der dinge, ungebrochen der hass zwischen den völkern. nicht einmal die Musik, die „doch als erste wieder berufen sein wird, vermittlerin friedlicher stimmungen zu sein […]140 konnte in den letzten kriegsjahren den ersehnten Frieden mit einläuten. 7. Ergebnisse/Zusammenfassung der erste weltkrieg war der vorläufige endpunkt einer sich abzeichnenden Zeitenwende. diese Zeitenwende prägte auch den umgang mit Musik in den ver- schiedenen musikalischen genres. und in allem war eines zu beobachten: Man wollte zurück – in eine vermeintliche epoche der unbeschwertheit und seligkeit. in der e-Musik hatten arnold schönberg und seine schüler angefangen, die grenzen der tonalität zu sprengen. der krieg sollte sogar in dieser hinsicht eine reinigung mit sich bringen, und diese unerhörten neuerungen in die schranken weisen. die unterhaltungsmusik setzte auf die alte straußsche walzerseligkeit. dass Lehar und schönberg Zeitgenossen waren, ist zwar hinlänglich bekannt, es erstaunt aber doch, wie unterschiedliche tonspuren sind hinterließen. von ihren operetten schienen die Österreicher viel zu halten, denn sonst hätten sie sie wohl kaum als Propagandamittel in verschiedene teile europas geschickt und sie als Botin der österreichischen kultur betrachtet. somit ist die instrumentalisierung der operette auch ein Zeugnis für die kulturelle selbstidentifikation zu betrachten. und schließlich: die volks- und soldatenmusik. auch hier war das Motto: „back to the roots“. das tradierte und althergebrachte sollte durch ausgiebige sammeltätigkeiten und dokumentation vor dem vergessen bewahrt werden. die angst davor, diese alten volkskulturgüter zu verlieren, war damals allgegenwärtig. das ende des weltkriegs markierte eine totale Zäsur. die hoffnungen, der krieg möge eine allumfassende katharsis einläuten, und die Moderne auf ein erträgliches Maß reduzieren, hatten sich zerschlagen. die Zwölftonmusik in der Musik brach sich Bahn, die operette machte dort weiter, wo sie gestanden hatte, und die sammeltätigkeit der volksmusik wurde auch bald nach kriegsende wieder aufgenommen. auf das musikalische schaffen hatte sich der krieg zwar ausgewirkt, doch eine markante kursänderung hatte er nicht gebracht. 140 ava, kuM, inv. nr. 4269/1917. Zgodovinski časopis | 69 | 2015 | 1–2 | (151) 157 was aber nach dem krieg kam, war eine rückbesinnung des geschrumpften Österreich auf seine reichen kulturschätze. Mit der gründung der salzburger Festspiele fanden diese gedanken ihren niederschlag. und manche der erwähnten Musiker und schriftsteller in diesem text, die in die Propaganda des ersten welt- kriegs involviert waren, wurden die gründungsväter dieses hochkarätigen Festivals: hugo von hofmannsthal und Bernhard Paumgartner. auch richard strauss, der prophezeit hatte, dass die Musik als erste berufen sein wird, wieder für friedliche stimmungen zu sorgen, war einer der maßgebenden köpfe der Festspiele. somit fand also die Musik im Frieden (vorläufig) zu ihrer Bestimmung zurück. Quellen und Literatur Abkürzungsverzeichnis ava – allgemeines verwaltungsarchiv ka – kriegsarchiv kPQ – kriegspressequartier kuM – Ministerium für kultus und unterricht oeaw – Österreichische akademie der wissenschaften Östa – Österreichisches staatsarchiv ungedruckte Quellen ava, kuM, 2915, 4269/1917. ka, kPQ, karton 50-55. Gedruckte Quellen neues wiener journal, 26.5.1915. neue Freie Presse, 9. januar 1918. karl kraus, die Fackel, heft 418-422, 8.4.1916. Fremden-Blatt, jg. 72, nr. 13, wien, 13. jänner 1918. Noten Franz Lehar, aus eiserner Zeit (notendruck), wien 1915. Literaturverzeichnis guido adler, die österreichische tonkunst und der weltkrieg, separatabruck aus der österreichi- schen rundschau 42/3, wien 1915. Marie theres arnbom, christoph wagner-trenkwitz (hg.), „grüß micht gott!“ Fritz grünbaum 1880-1941. eine Biographie, wien 2005. hermann Broch, schriften zur Literatur, Bd. 1. kritik, Frankfurt am Main, 1975. 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P o v Z e t e k glasba v prvi svetovni vojni – med propagando, zabavo, sporazumevanjem med narodi, nacionalizmom ter razvedrilom Magdalena Bruckmüller-schindler Pričujoči prispevek skuša zajeti različne vidike glasbe, njeno uporabo ter glasbeno ustvarjanje avstrije v kontekstu prve svetovne vojne. izhaja iz ideoloških ozadij, ki glasbo postavljajo na jasno mesto. v patriotski evforiji, ki je spremljala izbruh prve svetovne vojne, so na avstrijsko- nemško glasbeno umetnost gledali kot na nekaj, kar “obvladuje svet”. kot je razvidno iz pisma almi Mahler, je to prepričanje delil celo arnold schönberg leta 1914. v tem razdraženem, pregretem ozračju so nastale številne patriotske operete, ki so kljub vojni imele srečen konec ali ljubeče častile cesarja Franca jožefa. cesar je služil kot identifika- cijska figura “viribis unitis”, zanj se je resnično splačalo pridružiti vojski in morda celo umreti evfemistične junaške smrti. Življenjska doba teh operet je bila kratka. vsaj na odru je lahko vojna priročno izginila brez večjega razburjenja in tematika se je z napredovanjem vojne drastično spreminjala. stran z vojno in sem z iluzijo daljnih krajev ter slavne preteklosti monarhije. glasbeni zabavni žanr je vojno tematiziral na humorističen način, ki je zmanjševal njen pomen. v katoliškem habsburškem cesarstvu so za vojno zlorabili celo boga: borilo se je za ce- sarja in domovino in z božjo pomočjo se bo vse dobro končalo. Manjkati ni smelo niti klevetanje sovražnika. Pozneje so na dunajskih odrih uprizarjali vedno več pesmi, ki so persiflirale vojno in tako poskrbele za salve smeha. na fronti se je dogajalo marsikaj, zbirali so celo vojaške pesmi, ”da bi v naši večjezični armadi iz vojnega kaosa pridobili vsaj to, da bi kulturne učinke lahko pričakovali tudi v prihodno- sti”. Fonogramski arhiv cesarske akademije znanosti je snemal vojaške pesmi že od leta 1914 in so ohranjene kot eden redkih tonskih dokumentov iz tistega časa. Zbirka vojaških pesmi v vseh enajstih jezikih monarhije je bila poskus uveljavitve glasbe kot instrumenta za povezovanje narodov, v sklopu katerega so bile posnete tudi slovenske pesmi. glasba je bila pozvana za primer, če bi se podonavska monarhija še zadnjič povezala. istočasno so glasbo zavestno zlorabili za izostritev nacionalnega profila: leta 1916 so centralne sile premišljevale o tem, da bi po “nezvestobi” italije iz sveta glasbe pregnali stoletja uporabljano italijansko strokovno besedišče. richard strauss je zahtevo gladko zavrnil. ko so se stvari dokončno spremenile in so bili vojaki na fronti utrujeni, lačni, izžeti in na robu živcev ter moči, so ustvarjali glasbo (skupaj z drugimi sredstvi za zabavo), ki je bila pripravljena za marš, da so vojake vsaj za nekaj ur razvedrili. Zanimivo je, da se je to zgodilo prvič šele v začetku leta 1917, glede na arhivsko gradivo po tem, ko so druge vojskujoče države že osnovale gledališče na fronti. M. BruckMÜLLer-schindLer: die Musik im ersten weltkrieg Zwischen Propaganda ...160 Proti koncu vojne, skoraj istočasno z uveljavitvijo gledališča na fronti, so nad zaveznice, nevtralne države in sile iztresli rog obilja avstrijske glasbe. Za glasbene misijone si je prizadeval cesar karel, da bi v omenjenih državah (vnovič) vzbudil simpatije za habsburško cesarstvo in da bi zaželen mir spremljale umetniške uprizoritve. najboljše pevce in glasbenike so poslali v različne države ali pa so vsaj izdelali načrte za turneje. Posebej je treba poudariti propagandno opereto v carigradu, ki je bila po takratnih poročilih opazovalcev izjemno uspešna, postala je celo glavni družabni dogodek mesta ob Bosporju. glasbeniki sicer niso bili najboljši, a občinstvo je bilo hvaležno in je dvorano redno polnilo do zadnjega kotička. Projekt, ki je bil na začetku zastavljen zgolj za tri mesece, je trajal do konca vojne. cilj politične namere, ki je stala za projektom, je bil tudi trajno izboljšanje odnosov s turki, ter (po vojni) ponovna gospodarska uveljavitev v tem zanimivem geopolitičnem prostoru. glasba je služila tako rekoč kot spremljevalka teh prizadevanj. tega se niso ravno posebej razveselili v zaveznici nemčiji, kjer so si prizadevali za uveljavitev v turčiji po umiku antantnih sil. dunajski filharmoniki so bili na povpraševanje ministrstva za zunanje zadeve jeseni 1917 poslani na turnejo v švico, kjer kljub miroljubnim namenom niso ravno naleteli na topel sprejem. v Ženevi so zaradi protestov morali celo odpovedati koncert. Čemu tako burne reakcije? Zdi se, da je bilo prebivalstvo švice sito propagande vojskujočih se strani, poleg tega so bili prebivalci Ženeve bolj naklonjeni antanti. številni romanski švicarji so se borili kot prostovoljci v francoski vojski. svoboda, ki bi jo naj utelešala antanta, naj bi bila ljudem bolj simpatična od nemške miselnosti urejenosti. Članek osvetljuje in združuje epizode glasbe z različnih vidikov, a nikakor ne pove vsega. Za zaključek se avtorici zdi pomembno poudariti, da igra glasba “v tem pomembnem času” eminentno vlogo na mnogih področjih, naj na tem mestu poudarimo samo najpomembnejše: kot propagandno sredstvo, sredstvo za tolažbo vojakov in vlivanje moči, povezovala je ljudstva znotraj različnih narodnosti monarhije in ne nazadnje je bila misijonarka avstrijske kulture v tujini. Psihološki pomen glasbe v tistem času še ni bil raziskan, a so glasbo intuitivno tako uporabljali, da je lahko služila temu namenu.