Handbuch Bundesversammlung 281625 fHr die Schweizerische Narodna in univerzitetna knjižnica v Ljubljani Handbuch fiir die Sclnveiierisclie BERN Buchdruckerei Rosch & Schatzmann 1903 2816?5 I xx li a. 11_ Seite 1. Bundesverfassung der schweizerischen Eidgenossenschaft samt Nachtragen bis Ende 1903 (Vom 29. Mai 1874) . 1 2. Bundesgesetz liber das Verfahren bei Volksbegehren und Abstimmungen betreffend Revision der Bundesverfassung (Vom 27. Januar 1892). 43 3. Bundesgesetz betreffend Volksabstimmung liber Bundes- gesetze und Bundesbeschliisse : -(Vbm 17,. Juni 1874) . . 48 4. Verordnung betreffend Begehren’- um Volksabstimmung liber Bundesgesetze und Bundesbeschliisse und um Re¬ vision der Bundesverfassung (Vom 2. Mai 1879) ... 52 5. Bundesgesetz betreffend die eidgenossischen Wahlen und Abstimmungen (Vom 19. Juli 1872, samt Abanderungen bis Ende 1903). 54 6. Bundesgesetz betreffend Erleichterung der Ausiibung des Stimmrechtes und Vereinfachung des Wahlverfahrens (Vom 30. Marž 1900). 63 7. Bundesgesetz betreffend die Nationalratswahlkreise (Vom 4. Juni 1902). 65 8. Bundesgesetz liber den Geschaftsverkehr zwischen Na- tionalrat, Standerat und Bundesrat, sowie liber die Form des Erlasses und der Bekanntmachung von Gesetzen und Beschliissen (Vom 9. Oktober 1902). 66 9. Geschaftsreglement des schweizerischen Nationalrates (Vom 5. Juni 1903). 76 Zusatzartikel betreffend die Beratung der Zivilrechts- gesetze (Vom 22. Juni 1877). 93 10. Geschaftsreglement des schweizerischen Standerates (Vom 27. Marž 1903). 94 Zusatzartikel betreffend die Beratung der Zivilrechts- gesetze (Vom 21. Juni 1877). 107 11. Wahlreglement fiir die schweizerische Bundesversamm- lung (Vom 27. Januar 1859). 108 12. Reglement liber den Verkehr der Bundeskanzlei mit den Kommissionen und Mitgliedern der eidgenossischen Rate (Vom 5. November 1903). 112 13. Regulativ liber den Geschaftsverkehr der Finanzkommis- sionen der eidgenossischen Rate mit der gemeinsamen Finanzdelegation (Vom 17. April 1903). 115 14. Regulativ der gemeinsamen Finanzdelegation der eid- genossischen Rate (Vom 17. April 1903) 116 15. Bundesbeschlufi liber die Organisation und den Geschafts- gang des Bundesrates (Vom 21. August 1878) .... 118 16. Bundesbeschlufi betreffend Abanderung des Bundesbe- schlusses vom 21. August 1878 liber die Organisation und den Geschaftsgang des Bundesrates (Vom 28. Juni 1895) 132 17. Auszug aus dem Bundesgesetz vom 22. Marž 1893 liber die Organisation der Bundesrechtspflege.140 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Vom 29. Mai 1874. (Mit den bis Ende 1903 vorgekommenen Abanderungen.) Im Namen Gottes des Allmachtigen! Die schvveizerische Eidgenossenschaft, in der Absicht, den Bund der Eidgenossen zu be- festigen, die Einheit, Kraft tind Ehre der schweizerischen Nation zu erhalten und zu fordern, hat nachstehende Bundes¬ verfassung angenommen: Erster Abschnitt. Allgemeine Bestimmungen. Art. 1. Die durch gegenwartigen Bund vereinigten Volkerschaften der zwei und zwanzig souveranen Kantone, als: Ziirich, Bern, Luzern, Uri, Schwyz, Unter- walden (ob und nid dem Wald), G la rus, Zug, Frei- burg, Solothurn, Basel (Stadt und Landschaft), Schaffhausen, Appenzell (beider Rhoden), St. Gal¬ len, Graubiinden, Aargau, Thurgau, Tessin, Waadt, Wallis, Neuenburg und Genf, bilden in ihrer Gesamtheit die schweizerische Eidgenossen¬ schaft. 6 Art. 2. Der Bund hat zum Zweck: Behauptung der Unabhangigkeit des Vaterlandes gegen aufien, Handhabung von Ruhe und Ordnung im Innern, Schutz der Freiheit und der Rechte der Eidgenossen und Beforderung ihrer gemein- samen Wohlfahrt. Art. 3. Die Kantone sind souveran, soweit ihre Sou- veranetat nicht durch die Bundesverfassung beschrankt ist, und uben als solche alle Rechte aus, welche nicht der Bundesgewalt iibertragen sind. Art. 4. Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich. Es gibt in der Schweiz keine Untertanenverhaltnisse, keine Vorrechte des Orts, der Geburt, der Familien oder Personen. Art. 5. Der Bund gewahrleistet den Kantonen ihr Ge- biet, ihre Souveranetat innert den Schranken des Artikels 3, ihre Verfassungen, die Freiheit, die Rechte des Volkes und die verfassungsmafiigen Rechte der Burger gleich den Rechten und Befugnissen, welche das Volk den Behorden iiber- tragen hat. Art. 6. Die Kantone sind verpflichtet, fur ihre Verfas¬ sungen die Gewahrleistung des Bundes nachzusuchen. Der Bund ubernimmt diese Gewahrleistung insofern : a) sie nichts den Vorschriften der Bundesverfassung Zu- widerlaufendes enthalten; b) sie die Ausiibung der politischen Rechte nach re- publikanischen (reprasentativen oder demokratischen) Formen sichern; c) sie vom Volke angenommen worden sind und revi- diert werden kbnnen, wenn die absolute Mehrheit der Burger es verlangt. Art. 7. Besondere Biindnisse und Vertrage politischen Inhalts zwischen den Kantonen sind untersagt. Dagegen steht ihnen das Recht zu, Verkommnisse liber Gegenstande der Gesetzgebung, des Gerichtswesens und der Verwaltung unter sich abzuschliefien; jedoch haben sie dieselben der Bundesbehorde zur Einsicht vorzulegen, welche, wenn diese Verkommnisse etwas dem Bunde oder den Rechten anderer Kantone Zuwiderlaufendes enthalten, deren Voli- 7 ziehung zu hindern befugt ist. Im entgegengesetzten Falle sind die betreffenden Kantone berechtigt, zur Vollziehung die Mitwirkung der Bundesbehorden anzusprechen. Art. 8. Dem Bunde allein steht das Recht zu, Krieg zu erklaren und Frieden zu schliefien, Biindnisse und Staats- vertrage, namentlich Zoll- und Handelsvertrage mit dem Auslande einzugehen. Art. 9. Ausnahmsweise bleibt den Kantonen die Be- fugnis, Vertrage fiber Gegenstande der Staatswirtschaft, des nachbarlichen Verkehrs und der Polizei mit dem Auslande abzuschlieBen; jedoch durfen dieselben nichts dem Bunde oder den Rechten anderer Kantone Zuwiderlaufendes ent- halten. Art. 10. Der amtliche Verkehr zwischen Kantonen und auswartigen Staatsregierungen, sowie ihren Stellvertretern, findet durch Vermittlung des Bundesrates statt. Uber die im Art. 9 bezeichneten Gegenstande konnen jedoch die Kantone mit den untergeordneten Behorden und Beamten eines auswartigen Staates in unmittelbaren Ver¬ kehr treten. Art. 11. Es durfen keine Militarkapitulationen abge- schlossen werden. Art. 12. Die Mitglieder der Bundesbehorden, die eid- genbssischen Živil- und Militarbeamten und die eidgenos- sischen Reprasentanten oder Kommissarien durfen von aus- wartigen Regierungen weder Pensionen oder Gehalte, noch Titel, Geschenke oder Orden annehmen. Sind sie bereits im Besitze von Pensionen, Titeln oder Orden, so haben sie ftir ihre Amtsdauer auf den Genufi der Pensionen und das Tragen der Titel und Orden zu ver- zichten. Untergeordneten Beamten und Angestellten kann jedoch vom Bundesrat der Fortbezug von Pensionen bewilligt werden. Im schweizerischen Heere durfen weder Orden getragen, noch von auswartigen Regierungen verliehene Titel geltend gemacht werden. 8 Das Annehmen solcher Auszeichnungen ist allen Offi- zieren, Unteroffizieren und Soldaten untersagt. Art. 13. DerBund ist nicht berechtigt, stehende Truppen zu halten. Ohne Bewilligung der Bundesbehorde darf kein Kanton oder in geteilten Kantonen kein Landesteil mehr als 300 Mann stehende Truppen halten, die Landjagerkorps nicht inbegriffen. Art. 14. Die Kantone sind verpflichtet, wenn Streitig- keiten unter ihnen vorfallen, sich jeder Selbsthilfe, sowie jeder Bewaffnung zu enthalten und sich der bundesmafiigen Entscheidung zu unterziehen. Art. 15. Wenn einem Kantone vom Ausland plbtzlich Gefahr droht, so ist die Regierung des bedrohten Kantons verpflichtet, andere Kantone zur Hilfe zu mahnen, unter gleichzeitiger Anzeige an die Bundesbehorde und unvor- greiflich den spatern Verfiigungen dieser letztern. Die ge- mahnten Kantone sind zum Zuzuge verpflichtet. Die Kosten tragt die Eidgenossenschaft. Art. 16. Bei gestorter Ordnung im Innern, oder wenn von einem andern Kantone Gefahr droht, hat die Regierung des bedrohten Kantons dem Bundesrate sogleich Kenntnis zu geben, damit dieser innert den Schranken seiner Kom- petenz (Art. 102, Ziff. 3, 10 und 11) die erforderlichen Mafiregeln treffen oder die Bundesversammlung einberufen kann. In dringenden Fallen ist die betreffende Regierung befugt, unter sofortiger Anzeige an den Bundesrat, andere Kantone zur Hilfe zu mahnen, und die gemahnten Stande sind zur Hilfeleistung verpflichtet. Wenn die Kantonsregierung aufier stande ist, Hilfe anzusprechen, so kann, und wenn die Sicherheit der Schweiz gefahrdet wird, so soli die kompetente Bundes¬ behorde von sich aus einschreiten. In Fallen eidgenossischer Intervention sorgen die Bundesbehorden fiir Beachtung der Vorschriften von Art. 5. Die Kosten tragt der mahnende oder die eidgenossische Intervention veranlassende Kanton, wenn nicht die Bundes¬ versammlung wegen besonderer Umstande etwas anderes beschliefit. 9 Art. 17. In den durch die Artikel 15 und 16 bezeich- neten Fallen ist jeder Kanton verpflichtet, den Truppen freien Durchzug zu gestatten. Diese sind sofort unter eid- genossische Leitung zu stellen. Art. 18. Jeder Schweizer ist wehrpflichtig. Wehrmanner, welche infolge des eidgenossischen Militar- dienstes ihr Leben verlieren oder dauernden Schaden an ihrer Gesundheit erleiden, haben fiir sich oder ihre Familien im Falle des Bedtirfnisses Anspruch auf Unterstiitzung des Bundes. Die Wehrmanner sollen ihre erste Ausriistung, Beklei- dung und Bewaffnung unentgeltlich erhalten. Die Waffe bleibt unter den durch die Bundesgesetzgebung aufzustellen- den Bedingungen in den Handen des Wehrmanns. Der Bund wird iiber den Militarpflichtersatz einheitliche Bestimmungen aufstellen. Art. 19. Das Bundesheer besteht: a) aus den Truppenkorpern der Kantone; b) aus allen Schweizern, welche zwar nicht zu diesen Truppenkorpern gehoren, aber nichtsdestoweniger militarpflichtig sind. Die Verfiigung iiber das Bundesheer mit Inbegriff des gesetzlich dazu gehorigen Kriegsmaterials steht der Eid- genossenschaft zu. In Zeiten der Gefahr hat der Bund das ausschliebliche und unmittelbare Verfiigungsrecht auch iiber die nicht in das Bundesheer eingeteilte Mannschaft und alle iibrigen Streitmittel der Kantone. Die Kantone verfiigen iiber die Wehrkraft ihres Ge- bietes, soweit sie nicht durch verfassungsmafiige oder ge- setzliche Anordnungen des Bundes beschrankt sind. Art. 20. Die Gesetzgebung iiber das Heerwesen ist Sache des Bundes. Die Ausfiihrung der beziiglichen Gesetze in den Kantonen geschieht innerhalb der durch die Bundes¬ gesetzgebung festzusetzenden Grenzen und unter Aufsicht des Bundes durch die kantonalen Behorden. Der gesamte Militarunterricht und ebenso die Bewaff- nung ist Sache des Bundes. 10 Die Beschaffung der Bekleidung und Ausriistung und die Sorge fur deren Unterhalt ist Sache der Kantone; die daherigen Kosten werden jedoch den Kantonen vom Bunde nach einer von ihm aufzustellenden Norm vergiitet. Art. 21. Soweit nicht militarische Griinde entgegen- stehen, sollen die Truppenkorper aus der Mannschaft des- selben Kantons gebildet werden. Die Zusammensetzung dieser Truppenkorper, die Fiir- sorge fur die Erhaltung ihres Bestandes und die Ernennung und Beforderung ihrer Offiziere ist, unter Beachtung der durch den Bund aufzustellenden allgemeinen Vorschriften, Sache der Kantone. Art. 22. Der Bund hat das Recht, die in den Kantonen vorhandenen Waffenplatze und die zu militarischen Zwecken bestimmten Gebaude samt Zugehoren gegen billige Ent¬ schadigung zur Benutzung oder als Eigentum zu iibernehmen. Die Normen fur die daherige Entschadigung vverden durch die Bundesgesetzgebung geregelt. Art. 23. Dem Bunde steht das Recht zu, im Interesse der Eidgenossenschaft oder eines groben Teiles derselben, auf Kosten der Eidgenossenschaft offentliche Werke zu er- richten oder die Errichtung derselben zu unterstiitzen. Zu diesem Zwecke ist er auch befugt, gegen volle Entschadigung das Recht der Expropriation geltend zu machen. Die nahern Bestimmungen hieriiber bleiben der Bundes¬ gesetzgebung vorbehalten. Die Bundesversammlung kann die Errichtung offent- licher Werke untersagen, welche die militarischen Interessen der Eidgenossenschaft verletzen. Art. 24. Der Bund hat das Recht der Oberaufsicht iiber die Wasserbau- und Forstpolizei. *) Er wird die Korrektion und Verbauung der Wildwasser, sowie die Aufforstung ihrer Quellengebiete unterstiitzen und die notigen schiitzenden Bestimmungen zur Erhaltung dieser Werke und der schon vorhandenen Waldungen aufstellen. *) Abgeandertes Alinea. Angenommen in der Volksabstimmung vom 11 Art. 25. Der Bund ist befugt, gesetzliche Bestimmungen liber die Ausiibung der Fischerei und Jagd, namentlich zur Erhaltung des Hochwildes, sowie zum Schutze der fiir die Land- und Forstwirtschaft niitzlichen Vogel zu treffen. Art. 25 bis . :: ) Das Schlachten der Tiere ohne vorherige Betaubung vor dem Blutentzuge ist bei jeder Schlachtart und Viehgattung ausnahmslos untersagt. Art. 26. Die Gesetzgebung liber den Bau und Betrieb der Eisenbahnen ist Bundessache. Art. 27. Der Bund ist befugt, aufier der bestehenden polytechnischen Schule eine Universitat und andere hdhere Unterrichtsanstalten zu errichten und solche Anstalten zu unterstiitzen. Die Kantone sorgen fiir geniigenden Primarunterricht, welcher ausschliefilich unter staatlicher Leitung stehen soli. Derselbe ist obligatorisch und in den offentlichen Schulen unentgeltlich. Die offentlichen Schulen sollen von den Angehorigen aller Bekenntnisse ohne Beeintrachtigung ihrer Glaubens- und Gewissensfreiheit besucht werden konnen. Gegen Kantone, welche diesen Verpflichtungen nicht nachkommen, wird der Bund die notigen Verftigungen treffen. Art. 27 bi : .) Den Kantonen werden zur Unterstiitzung in der Erfiillung der ihnen auf dem Gebiete des Primar- unterrichtes obliegenden Pflichten Beitrage geleistet. Das Nahere bestimmt das Gesetz. Die Organisation, Leitung und Beaufsichtigung des Primarschulwesens bleibt Sache der Kantone, vorbehalten die Bestimmungen des Art. 27. Art. 28. Das Zollwesen ist Sache des Bundes. Derselbe hat das Recht, Ein- und Ausfuhrzolle zu erheben. Art. 29. Bei Erhebung der Zolle sollen folgende Grund- satze beachtet werden: Angenommen in der Volksabstimmung vom 20. August 1893. : = :: = : ) Angenommen in der Volksabstimmung vom 23. November 1902. 12 1. Eingangsgebiihren: a) Die fiir die inlandische Industrie und Landwirtschaft erforderlichen Stoffe sind im Zolltarife moglichst gering zu taxieren. b) Ebenso die zum notigen Lebensbedarf erforderlichen Gegenstande. c) Die Gegenstande des Luxus unterliegen den hochsten Taxen. Diese Grundsatze sind, wenn nicht zwingende Griinde entgegenstehen, auch bei Abschliefiung von Handelsvertragen mit dem Auslande zu befolgen. 2. Die Ausgangsgebiihren sind moglichst massig fest- zusetzen. 3. Durch die Zollgesetzgebung sind zur Sicherung des Grenz- und Marktverkehrs geeignete Bestimmungen zu treffen. Dem Bunde bleibt immerhin das Recht vorbehalten, unter aufierordentlichen Umstanden, in Abweichung von vor- stehenden Bestimmungen, voriibergehend besondere Mafi- nahmen zu treffen. Art. 30. Der Ertrag der Zolle talit in die Bundeskasse. Die den Kantonen bisher bezahlten Entschadigungen fur die losgekauften Zolle, Weg- und Briickengelder, Kauf- haus- und andern Gebiihren dieser Art fallen weg. Ausnahmsvreise erhalten die Kantone Uri, Graubiinden, Tessin und Wallis, mit Riicksicht auf ihre internationalen Alpenstrafien, eine jahrliche Entschadigung, welche, in Wiir- digung aller Verhaltnisse, festgestellt wird wie folgt: Fur Uri .... . Fr. 80,000 „ Graubiinden . . „ 200,000 „ Tessin .... „ 200,000 ,, Wallis .... „ 50,000 Fur Besorgung des Schneebruchs auf dem St. Gotthard erhalten die Kantone Uri und Tessin eine jahrliche Ent¬ schadigung von zusammen 40,000 Franken fiir so lange, als die Strafie liber den Bergpafi nicht durch eine Eisen- bahn ersetzt sein wird. Art. 31. ') Die Freiheit des Handels und der Gewerbe ist im ganzen Umfange der Eidgenossenschaft gewahrleistet. *) Enthalt die in der Volksabstimmung vom 25. Oktober 1885 angenom- menen Abanderungen. 13 Vorbehalten sind: a) Das Salz- und Pulverregal, die eidgenossischen Zolle, die Eingangsgebiihren von Wein und andern geistigen Getranken, sowie andere vom Bunde ausdriicklich an- erkannte Verbrauchssteuern, nach MaBgabe des Art. 32. b) Die Fabrikation und der Verkauf gebrannter Wasser, nach Mafigabe des Art. 32 bis . c) Das Wirtschaftswesen und der Kleinhandel mit geistigen Getranken, in dem Sinne, dati die Kantone auf dem Wege der Gesetzgebung die Ausiibung des Wirtschafts- gewerbes und des Kleinhandels mit geistigen Getranken den durch das offentliche Wohl geforderten Beschran- kungen unterwerfen konnen. d) Sanitatspolizeiliche Mafiregeln gegen Epidemien und Viehseuchen. e) Verfiigungen iiber Ausiibung von Handel und Gewerben, iiber Besteuerung des Gewerbsbetriebes und iiber die Benutzung der Strafien. Diese Verfiigungen diirfen den Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit selbst nicht beeintrachtigen. Art. 32. Die Kantone sind befugt, die im Artikel 31, Litt. a erwahnten Eingangsgebiihren von Wein und andern geistigen Getranken unter folgenden Beschrankungen zu erheben: a) Bei dem Bezug derselben soli der Transit in keiner Weise belastigt und der Verkehr iiberhaupt. so wenig als mbglich gehemmt und mit keinen andern Gebiihren belegt werden. b) Werden die fiir den Verbrauch eingefiihrten Gegen- stande wieder aus dem Kanton ausgefiihrt, so sind die bezahlten Eingangsgebiihren ohne weitere Belastigung zuriickzuerstatten. c) Die Erzeugnisse schweizerischen Ursprungs sind mit niedrigern Gebiihren zu belegen als diejenigen des Auslandes. d) Eingangsgebiihren von Wein und andern geistigen Getranken schweizerischen Ursprungs diirfen da, wo solche schon bestehen, nicht erhoht, und in Kantonen, welche noch keine beziehen, nicht eingefiihrt werden. 14 e) Die Gesetze und Verordnungen der Kantone liber den Bezug der Eingangsgebiihren sind der Bundesbehorde vor Vollziehung derselben zur Gutheissung vorzulegen, damit die Nichtbeachtung vorstehender Grundsatze verhindert werden kann. Mit Ablauf des Jahres 1890 sollen alle Eingangs- gebiihren, welche dermalen von den Kantonen erhoben werden, sowie ahnliche, von einzelnen Gemeinden bezogene Gebiihren ohne Entschadigung dahinfallen. Art. 32 bis . ■'■) Der Bund ist befugt, im Wege der Gesetz- gebung Vorschriften liber die Fabrikation und den Verkauf gebrannter Wasser zu erlassen. Bei dieser Gesetzgebung sollen diejenigen Erzeugnisse, welche entweder ausgefiihrt werden oder eine den Genufi ausschlieBende Zubereitung erfahren haben, keiner Besteuerung unterworfen werden. Das Brennen von Wein, Obst und deren Abfallen, von Enzian- wurzeln, Wachholderbeeren und ahnlichen Stoffen talit be- treffend die Fabrikation und Besteuerung nicht unter die Bundesgesetzgebung. Nach dem Wegfall der im Artikel 32 der Bundesver- fassung erwahnten Eingangsgebiihren auf geistigen Getranken kann der Handel mit solchen, welche nicht gebrannt sind, von den Kantonen keinen besondern Steuern unterworfen werden, noch andern Beschrankungen als denjenigen, welche zum Schutze vor gefalschten oder gesundheitsschadlichen Getranken notwendig sind. Jedoch bleiben hiebei in betreff des Betriebs von Wirtschaften und des Kleinverkaufs von Quantitaten unter zwei Liter die den Kantonen nach Ar¬ tikel 31 zustehenden Kompetenzen vorbehalten. Die aus der Besteuerung des Verkaufs gebrannter Wasser erzielten Reineinnahmen verbleiben den Kantonen, in welchen sie zum Bezug gelangen. Die Reineinnahmen des Bundes aus der inlandischen Fabrikation und aus dem entsprechenden Zollzuschlag auf eingefiihrte gebrannte Wasser werden unter die samtlichen Kantone nach Verhaltnis der durch die jeweilige letzte eid- genossische Volkszahlung ermittelten faktischen Bevolkerung : ) Angenommen in der Volksabstimmung vom 25. Oktober 1885. 15 v* 1 verteilt. Von den daherigen Einnahmen haben die Kantone wenigstens 10 °/o zur Bekampfung des Alkoholismus in seinen Ursachen und Wirkungen zn verv/enden. Art. 33. Den Kantonen bleibt es anheimgestellt, die Ausiibung der wissenschaftlichen Berufsarten von einem Ausweise der Befahigung abhangig zn machen. Auf dem Wege der Bundesgesetzgebung ist dafiir zu sorgen, dafi derartige Ausweise fiir die ganze Eidgenossen- schaft giiltig erworben werden konnen. Art. 34. Der Bund ist befugt, einheitliche Bestimmungen iiber die Verwendung von Kindern in den Fabriken und iiber die Dauer der Arbeit erwachsener Personen in den- selben aufzustellen. Ebenso ist er berechtigt, Vorschriften zum Schutze der Arbeiter gegen einen die Gesundheit und Sicherheit gefahrdenden Gewerbebetrieb zu erlassen. Der Geschaftsbetrieb von Auswanderungsagenturen und von Privatunternehmungen im Gebiete des Versicherungs- wesens unterliegt der Aufsicht und Gesetzgebung des Bundes. Art. 34 bis .Der Bund wird auf dem Wege der Gesetz¬ gebung die Kranken- und Unfallversicherung einrichten, unter Beriicksichtigung der bestehenden Krankenkassen. Er kann den Beitritt allgemein oder fiir einzelne Be- volkerungsklassen obligatorisch erklaren. Art. 35. Die Errichtung von Spielbanken ist untersagt. Die zur Zeit bestehenden Spielhauser miissen am 31. De- zember 1877 geschlossen werden. Allfallig seit dem Anfange des Jahres 1871 erteilte oder erneuerte Konzessionen werden als ungiiltig erklart. Der Bund kann auch in Beziehung auf die Lotterien geeignete Mafinahmen treffen. Art. 36. Das Post- und Telegraphenwesen im ganzen Umfange der Eidgenossenschaft ist Bundessache. Der Ertrag der Post- und Telegraphenverwaltung fallt in die eidgenossische Kasse. *) Angenommen in der Volksabstinimung vom 26. Oktober 1890. 16 Die Tarife werden im ganzen Gebiete der Eidgenossen- schaft nach den gleichen, mdglichst billigen Grundsatzen bestimmt. Die Unverletzlichkeit des Post- und Telegraphenge- heimnisses ist gewahrleistet. Art. 37. Der Bund iibt die Oberaufsicht iiber die Strafien und Brikken aus, an deren Erhaltung die Eid- genossenschaft ein Interesse hat. Die Summen, welche den im Art. 30 bezeichneten Kantonen mit Riicksicht auf ihre internationalen Alpenstrafien zukommen, werden von der Bundesbehorde zuriickbehalten, wenn diese Strafien von den betreffenden Kantonen nicht in gehorigem Zustand unterhalten werden. Art. 38. Dem Bunde steht die Ausiibung aller im Miinzregale begriffenen Rechte zu. Die Miinzpragung geht einzig vom Bunde aus. Er bestimmt den Miinzfufi und erlafit allfallige Vor- schriften iiber die Tarifierung fremder Miinzsorten. Art. 39. *) Das Recht zur Ausgabe von Banknoten und andern gleichartigen Geldzeichen steht ausschliefilich dem Bunde zu. Der Bund kann das ausschliefiliche Recht zur Ausgabe von Banknoten durch eine unter gesonderter Verwaltung stehende Staatsbank ausiiben, oder es, vorbehaltlich des Riickkaufsrechtes, einer zu errichtenden zentralen Aktienbank iibertragen, die unter seiner Mitwirkung und Aufsicht ver- waltet wird. Die mit dem Notenmonopol ausgestattete Bank hat die Hauptaufgabe, den Geldumlauf des Landes zu regeln und den Zahlungsverkehr zu erleichtern. Der Reingewinn der Bank iiber eine angemessene Ver- zinsung, beziehungsweise eine angemessene Dividende des Dotations- oder Aktienkapitals und die nbtigen Einlagen in den Reservefonds hinaus kommt wenigstens zu zwei Dritt- teilen den Kantonen zu. *) Abgeanderter Artikel. Angenommen in der Volksabstimmung vom 18. Oktober 1891. 17 Die Bank und ihre Zweiganstalten diirfen in den Kan- tonen keiner Besteuerung unterzogen werden. Eine Rechtsverbindlichkeit fiir die Annahme von Bank- noten und andern gleichartigen Geldzeichen kann der Bund, aufier bei Notlagen in Kriegszeiten, nicht aussprechen. Die Bundesgesetzgebung wird liber den Sitz der Bank, deren Grundlagen und Organisation, sowie liber die Aus- flihrung dieses Artikels iiberhaupt, das Nahere bestimmen. Art. 40. Die Festsetzung von MaB und Gewicht ist Bundessache. Die Ausfiihrung der beziiglichen Gesetze geschieht durch die Kantone unter Aufsicht des Bundes. Art. 41. Fabrikation und Verkauf des Schiefipulvers im Umfange der Eidgenossenschaft stehen ausschliefilich dem Bunde zu. Als Schiefipulver nicht brauchbare Sprengfabrikate sind im Regal nicht inbegriffen. Art. 42. Die Ausgaben des Bundes werden bestritten: a) aus dem Ertrag des Bundesvermogens; b) aus dem Ertrag der schweizerischen Grenzzblle; c) aus dem Ertrag der Post- und Telegraphenverwaltung; d) aus dem Ertrag der Pulververwaltung; e) aus der Halfte des Brutto-Ertrages der von den Kan- tonen bezogenen Militarpflichtersatzsteuern; f) aus den Beitragen der Kantone, deren nahere Regu- lierung, vorzugsweise nach Mafigabe der Steuerkraft derselben, der Bundesgesetzgebung vorbehalten ist. Art. 43. Jeder Kantonsbiirger ist Schweizerbiirger. Als solcher kann er bei allen eidgenbssischen Wahlen und Abstimmungen an seinem Wohnsitze Anteil nehmen, nachdem er sich liber seine Stimmberechtigung gehorig ausgewiesen hat. Niemand darf in mehr als einem Kanton politische Rechte ausiiben. Der niedergelassene Schweizerbiirger genieBt an seinem Wohnsitze alle Rechte der Kantonsbiirger und mit diesen auch alle Rechte der Gemeindebiirger. Der Mitanteil an Biirger- und Korporationsgiitern, sowie das Stimmrecht in 2 18 rein burgerlichen Angelegenheiten sind jedoch hievon aus- genommen, es ware denn, dafi die Kantonaigesetzgebung etwas anderes bestimmen wiirde. In kantonalen und Gemeindeangelegenheiten erwirbt er das Stimmrecht nach einer Niederlassung von drei Monaten. Die kantonalen Gesetze liber die Niederlassung und das Stimmrecht der Niedergelassenen in den Gemeinden unterliegen der Genehmigung des Bundesrates. Art. 44. Kein Kanton darf einen Kantonsbiirger aus seinem Gebiete verbannen (verweisen) oder ihn des Biirger- rechtes verlustig erklaren. Die Bedingungen fiir die Erteilung des Biirgerrechtes an Auslander, sowie diejenigen, unter welchen ein Schweizer zum Zwecke der Erwerbung eines auslandischen Biirger- rechtes auf sein Biirgerrecht verzichten kann, werden durch die Bundesgesetzgebung geordnet. Art. 45. Jeder Schweizer hat das Recht, sich innerhalb des schweizerischen Gebietes an jedem Orte niederzulassen, wenn er einen Heimatschein oder eine andere gleichbe- deutende Ausweisschrift besitzt. Ausnahmsweise kann die Niederlassung denjenigen, welche infolge eines strafgerichtlichen Urteils nicht im Be- sitze der burgerlichen Rechte und Ehren sind, verweigert oder en t žoge n werden. Weiterhin kann die Niederlassung denjenigen e n t z o g e n werden, welche wegen schwerer Vergehen wiederholt ge- richtlich bestraft worden sind, sowie denjenigen, welche dauernd der offentlichen Wohltatigkeit zur Last fallen und deren Heimatgemeinde, beziehungsweise Heimatkanton, eine angemessene Unterstiitzung trotz amtlicher Aufforderung nicht gewahrt. In Kantonen, wo die ortliche Armenpflege besteht, darf die Gestattung der Niederlassung fiir Kantonsan- gehorige an die Bedingung gekniipft werden, dafi dieselben arbeitsfahig und an ihrem bisherigen Wohnorte im Heimat¬ kanton nicht bereits in dauernder Weise der offentlichen Wohltatigkeit zur Last gefallen seien. 19 Jede Ausweisung wegen Verarmung mufi von Seite der Regierung des Niederlassungskantons genehmigt und der heimatlichen Regierung zum voraus angezeigt werden. Der niedergelassene Schweizerbiirger darf von Seite des die Niederlassung gestattenden Kantons mit keiner Biirgschaft und mit keinen andern besondern Lasten be- hufs der Niederlassung belegt werden. Ebenso darf die Gemeinde, in welcher er seinen Wohnsitz nimmt, ihn nicht anders besteuern als den Ortsburger. Ein Bundesgesetz wird das Maximum der fur die Niederlassungsbewilligung zu entrichtenden Kanzleigebiihr bestimmen. Art. 46. In Beziehung auf die zivilrechtlichen Verhalt- nisse stehen die Niedergelassenen in der Regel unter dem Rechte und der Gesetzgebung des Wohnsitzes. Die Bundesgesetzgebung wird liber die Anwendung dieses Grundsatzes, sowie gegen Doppelbesteuerung die erforderlichen Bestimmungen treffen. Art. 47. Ein Bundesgesetz wird den Unterschied zwischen Niederlassung und Aufenthalt bestimmen und dabei gleichzeitig liber die politischen und btirgerlichen Rechte der schweizerischen Aufenthalter die nahern Vor- schriften aufstellen. Art. 48. Ein Bundesgesetz wird liber die Kosten der Verpflegung und Beerdigung armer Angehoriger eines Kantons, welche in einem andern Kanton krank werden oder sterben, die notigen Bestimmungen treffen. Art. 49. Die Glaubens- und Gewissensfreiheit ist un- verletzlich. Niemand darf zur Teilnahme an einer Religions- genossenschaft, oder an einem religiosen Unterricht, oder zur Vornahme einer religiosen Handlung gezwungen, oder wegen Glaubensansichten mit Strafen irgend welcher Art belegt werden. Uber die religiose Erziehung der Kinder bis zum erftillten 16. Altersjahr verfiigt im Sinne vorstehender Grundsatze der Inhaber der vaterlichen oder vormund- schaftlichen Gewalt. 20 Die Ausiibung biirgerlicher oder politischer Rechte darf durch keinerlei Vorschriften oder Bedingungen kirch- licher oder religioser Natur beschrankt werden. Die Glaubensansichten entbinden nicht von der Er- fiillung der biirgerlichen Pflichten. Niemand ist gehalten, Steuern zu bezahlen, welche speziell fiir eigentliche Kultuszwecke einer Religionsgenossen- schaft, der er nicht angehort, auferlegt werden. Die nahere Ausfiihrung dieses Grundsatzes ist der Bundesgesetzgebung vorbehalten. Art. 50. Die freie Ausiibung gottesdienstlicher Hand- lungen ist innerhalb der Schranken der Sittlichkeit und der offentlichen Ordnung gewahrleistet. Den Kantonen, sowie dem Bunde bleibt vorbehalten, zur Handhabung der Ordnung und des offentlichen Friedens unter den Angehorigen der verschiedenen Religionsgenossen- schaften, sowie gegen Eingriffe kirchlicher Behorden in die Rechte der Burger und des Staates, die geeigneten Mafinahmen zu treffen. Anstande aus dem offentlichen oder Privatrechte, welche liber die Bildung oder Trennung von Religions- genossenschaften entstehen, konnen auf dem Wege der Beschwerdefiihrung der Entscheidung der zustandigen Bundesbehorden unterstellt werden. Die Errichtung von Bistiimern auf schweizerischem Gebiete unterliegt der Genehmigung des Bundes. Art. 51. Der Orden der Jesuiten und die ihm affiliierten Gesellschaften diirfen in keinem Teile der Schweiz Auf- nahme finden, und es ist ihren Gliedern jede Wirksamkeit in Kirche und Schule untersagt. Dieses Verbot kann durch BundesbeschluB auch auf andere geistliche Orden ausgedehnt werden, deren Wirk- samkeit staatsgefahrlich ist oder den Frieden der Kon- fessionen stort. Art. 52. Die Errichtung neuer und die Wiederher- stellung aufgehobener KJoster oder religioser Orden ist unzulafiig. 21 Art. 53. Die Feststellung und Beurkundung des Zivil- standes ist Sache der biirgerlichen Behorden. Die Bundes- gesetzgebung wird hieriiber die nahern Bestimmungen treffen. Die Verfiigung liber die Begrabnisplatze steht den biirgerlichen Behorden zu. Sie haben dafiir zu sorgen, dafi jeder Verstorbene schicklich beerdigt werden kann. Art. 54. Das Recht zur Ehe steht unter dem Schutze des Bundes. Dieses Recht darf weder aus kirchlichen oder okono- mischen Riicksichten, noch wegen bisherigen Verhaltens oder aus andern polizeilichen Griinden beschrankt werden. Die in einem Kanton oder im Auslande nach der dort geltenden Gesetzgebung abgeschlossene Ehe soli im Gebiete der Eidgenossenschaft als Ehe anerkannt werden. Durch den Abschlufi der Ehe envirbt die Frau das Heimatrecht des Mannes. Durch die nachfolgende Ehe der Eltern werden vor- ehelich geborene Kinder derselben legitimiert. Jede Erhebung von Brauteinzugsgebiihren oder andern ahnlichen Abgaben ist unzulafiig. Art. 55. *) Die Prefifreiheit ist gewahrleistet. Uber den Mifibrauch derselben trifft die Kantonal- gesetzgebung die erforderlichen Bestimmungen, welche jedoch der Genehmigung des Bundesrates bediirfen. Dem Bunde steht das Recht zu, Strafbestimmungen gegen den Mifibrauch der Presse zu erlassen, der gegen die Eidgenossenschaft und ihre Behorden gerichtet ist. Art. 56. Die Burger haben das Recht, Vereine zu bilden, sofern solche weder in ihrem Zweck, noch in den dafiir bestimmten Mitteln rechtswidrig oder staatsgefahrlich sind. Uber den Mifibrauch dieses Rechtes trifft die Kantonal- gesetzgebung die erforderlichen Bestimmungen. Art. 57. Das Petitionsrecht ist gewahrleistet. Art. 58. Niemand darf seinem verfassungsmafiigen Richter entzogen, und es diirfen daher keine Ausnahme- gerichte eingefiihrt werden. Die geistliche Gerichtsbarkeit ist abgeschafft. *) Siehe auch Art. 64 bis . 22 Art. 59. Der aufrechtstehende Schuldner, welcher in der Schweiz einen festen Wohnsitz hat, mufi fiir personliche Ansprachen vor dem Richter seines Wohnortes gesucht, und es darf daher fiir die Forderungen auf das Vermogen eines solchen aufier dem Kanton, in welchem er wohnt, kein Arrest gelegt werden. Vorbehalten bleiben mit Bezug auf Auslander die Bestimmungen beziiglicher Staatsvertrage. Der Schuldverhaft ist abgeschafft. Art. 60. Samtliche Kantone sind verpflichtet, alle Schweizerbiirger in der Gesetzgebung sowohl als im ge- richtlichen Verfahren den Biirgern des eigenen Kantons gleich zu halten. Art. 61. Die rechtskraftigen Zivilurteile, die in einem Kanton gefallt sind, sollen in der ganzen Schweiz voll- zogen werden konnen. Art. 62. Alle Abzugsrechte im Innern der Schweiz, sowie die Zugrechte von Biirgern des einen Kantons gegen Burger anderer Kantone sind abgeschafft. Art. 63. Gegen die auswartigen Staaten besteht Frei- ziigigkeit, unter Vorbehalt des Gegenrechtes. Art. 64. Dem Bunde steht die Gesetzgebung zu: liber die personliche Handlungsfahigkeit; iiber alle auf den Handel und Mobiliarverkehr be- ziiglichen Rechtsverhaltnisse (Obligationenrecht, mit Inbegriff des Handels- und Wechselrechts); iiber das Urheberrecht an Werken der Litteratur und Kunst; iiber den Schutz neuer Muster und Modelle, sowie solcher Erfindungen, welche durch Modelle dar- gestellt und gewerblich verwertbar sind; *) iiber das Betreibungsverfahren und das Konkursrecht. Der Bund ist zur Gesetzgebung auch in den iibrigen Gebieten des Zivilrechtes befugt. **) *) Neues Alinea. Angenommen in der Volksabstimmung vom 10. Juli 1887. **) Neues Alinea. Angenommen in der Volksabstimmung vom 13. No¬ vember 1898. 23 Die Organisation der Gerichte, das gerichtliche Ver- fahren und die Rechtsprechung verbleiben wie bis anhin den Kantonen. *) Art. 64 bis . **) Der Bund ist zur Gesetzgebung im Ge- biete des Strafrechts befugt. Die Organisation der Gerichte, das gerichtliche Ver- fahren und die Rechtsprechung verbleiben wie bis anhin den Kantonen. Der Bund ist befugt, den Kantonen zur Errichtung von Straf-, Arbeits- und Besserungsanstalten und fiir Ver- besserungen im Strafvollzuge Beitrage zu gewahren. Er ist auch befugt, sich an Einrichtungen zum Schutze ver- wahrloster Kinder zu beteiligen. Mit dem Zeitpunkt, in welchem das Strafgesetz in Kraft tritt, fallen die Absatze 2 und 3 des Art. 55 der Bundesverfassung dahin. Art. 65. ***) Wegen politischer Vergehen darf kein Todesurteil gefallt werden. •Korperliche Strafen sind untersagt. Art. 66. Die Bundesgesetzgebung bestimmt die Schran- ken, innerhalb welcher ein Schweizerbiirger seiner politischen Rechte verlustig erklart werden kann. Art. 67. Die Bundesgesetzgebung trifft die erforder- lichen Bestimmungen liber die Auslieferung der Angeklagten von einem Kanton an den andern; die Auslieferung kann jedoch fiir politische Vergehen und fiir Prefivergehen nicht verbindlich gemacht werden. Art. 68. Die Ausmittlung von Biirgerrechten fiir Heimat- lose und die MaBregeln zur Verhinderung der Entstehung neuer Heimatlosen sind Gegenstand der Bundesgesetzgebung. Art. 69. Dem Bunde steht die Gesetzgebung iiber die gegen gemeingefahrliche Epidemien und Viehseuchen zu treffenden gesundheitspolizeilichen Verfiigungen zu. :i: ) Abgeandertes Alinea. Angenommen in der Volksabstimmung vom 13. November 1898. **) Neuer Artikel. Angenommen in der Volksabstimmung vom 13. No¬ vember 1898. ***) Abgeanderter Artikel. Angenommen in der Volksabstimmung vom 24 Art. 69 bls . *) Der Bund ist befugt, gesetzliche Be- stimmungen zu erlassen: a) iiber den Verkehr mit Nahrungs- und Genufimitteln; b) iiber den Verkehr mit andern Gebrauchs- und Ver- brauchsgegenstanden, soweit solche das Leben oder die Gesundheit gefahrden kbnnen. Die Ausfiihrung der beziiglichen Bestimmungen ge- schieht durch die Kantone, unter Aufsicht und mit der finanziellen Unterstiitzung des Bundes. Dagegen liegt die Kontrolle der Einfuhr an der Landesgrenze dem Bunde ob. Art. 70. Dem Bunde steht das Recht zu, Fremde, welche die innere oder aufiere Sicherheit der Eidgenossen- schaft gefahrden, aus dem schweizerischen Gebiete weg- zuweisen. Zweiter Abschnitt. Bundesbehorden. I. Bundesversammlung. Art. 71. Unter Vorbehalt der Rechte des Volkes und der Kantone (Art. 89 und 121) wird die oberste Gewalt des Bundes durch die Bundesversammlung ausgeiibt, welche aus zwei Abteilungen besteht: A. aus dem Nationalrat, B. aus dem Stiinderat. A. Nationalrat. Art. 72. Der Nationalrat wird aus Abgeordneten des schweizerischen Volkes gebildet. Auf je 20,000 Seelen der Gesamtbevblkerung wird ein Mitglied gewahlt. Eine Bruchzahl iiber 10,000 Seelen wird fiir 20,000 Seelen berechnet. *) Angenommen in der Volksabstimmung vom 11. Juli 1897. 25 Jeder Kanton und bei geteilten Kantonen jeder der beiden Landesteile hat wenigstens ein Mitglied zu wahlen. Art. 73. Die Wahlen fur den Nationalrat sind direkte. Sie finden in eidgenossischen Wahlkreisen statt, welche je- doch nicht aus Teilen verschiedener Kantone gebildet werden konnen. Art. 74. Stimmberechtigt bei Wahlen und Abstim- mungen ist jeder Schweizer, der das 20. Altersjahr zuriick- gelegt hat und im iibrigen nach der Gesetzgebung des Kantons, in welchem er seinen Wohnsitz hat, nicht vom Aktivbiirgerrechte ausgeschlossen ist. Es bleibt jedoch der Gesetzgebung des Bundes vor- behalten, liber diese Stimmberechtigung einheitliche Vor- schriften aufzustellen. Art. 75. Wahlfahig als Mitglied des Nationalrates ist jeder stimmberechtigte Schweizerbiirger weltlichen Standes. Art. 76. Der Nationalrat wird auf die Dauer von drei Jahren gewahlt, und es findet jeweilen Gesamterneuerung statt. Art. 77. Die Mitglieder des Standerates, des Bundes- rates und von letzterem gewahlte Beamte konnen nicht zu- gleich Mitglieder des Nationalrates sein. Art. 78. Der Nationalrat wahlt aus seiner Mitte fur jede ordentliche oder aufierordentliche Sitzung einen Prasidenten und Vizeprasidenten. Dasjenige Mitglied, welches wahrend einer ordentlichen Sitzung die Stelle eines Prasidenten bekleidete, ist fur die nachstfolgende ordentliche Sitzung weder als Prasident noch als Vizeprasident wahlbar. Das gleiche Mitglied kann nicht wahrend zwei unmittelbar auf einander folgenden ordent¬ lichen Sitzungen Vizeprasident sein. Der Prasident hat bei gleich geteilten Stimmen zu ent- scheiden; bei Wahlen iibt er das Stimmrecht aus wie jedes Mitglied. Art. 79. Die Mitglieder des Nationalrates werden aus der Bundeskasse entschadigt. — 26 — B. Standerat. Art. 80. Der Standerat besteht aus 44 Abgeordneten der Kantone. Jeder Kanton wahlt zwei Abgeordnete, in den geteilten Kantonen jeder Landesteil einen Abgeordneten. Art. 81. Die Mitglieder des Nationalrates und des Bundesrates konnen nicht zugleich Mitglieder des Stande- rates sein. Art. 82. Der Standerat wahlt fiir jede ordentliche oder aufierordentliche Sitzung aus seiner Mitte einen Prasidenten und Vizeprasidenten. Aus den Abgeordneten desjenigen Kantons, aus welchem fiir eine ordentliche Sitzung der Prasident gewahlt worden ist, kann fiir die nachstfolgende ordentliche Sitzung weder der Prasident noch der Vizeprasident gewahlt werden. Abgeordnete des gleichen Kantons konnen nicht wah- rend zwei unmittelbar auf einander folgenden ordentlichen Sitzungen die Stelle eines Vizeprasidenten bekleiden. Der Prasident hat bei gleich geteilten Stimmen zu ent- scheiden; bei Wahlen iibt er das Stimmrecht aus wie jedes Mitglied. Art. 83. Die Mitglieder des Standerates werden von den Kantonen entschadigt. C. Befugnisse der Bundesversammlung. Art. 84. Der Nationalrat und der Standerat haben alle Gegenstande zu behandeln, welche nach Inhalt der gegen- wartigen Verfassung in die Kompetenz des Bundes gehoren und nicht einer andern Bundesbehorde zugeschieden sind. Art. 85. Die Gegenstande, welche in den Geschaftskreis beider Rate fallen, sind insbesondere folgende: 1. Gesetze liber die Organisation und die Wahlart der Bundesbehorden. 2. Gesetze und Beschliisse iiber diejenigen Gegen¬ stande, zu deren Regelung der Bund nach Mafigabe der Bundesverfassung befugt ist. 27 3. Besoldung und Entschadigung der Mitglieder der Bundesbehorden und der Bundeskanzlei; Errichtung blei- bender Beamtungen und Bestimmung ihrer Gehalte. 4. Wahl des Bundesrates, des Bundesgerichtes, des Kanzlers, sowie des Generals der eidgenossischen Armee. Der Bundesgesetzgebung bleibt vorbehalten, auch die Vornahme oder Bestatigung weiterer Wahlen der Bundes- versammlung zu iibertragen. 5. Biindnisse und Vertrage mit dem Auslande, sowie die Gutheissung von Vertragen der Kantone unter sich oder mit dem Auslande. Solche Vertrage der Kantone gelangen jedoch nur dann an die Bundesversammlung, wenn vom Bundesrat oder einem andern Kanton Einsprache erhoben wird. 6. Mafiregeln fiir die aufiere Sicherheit, fiir Behauptung der Unabhangigkeit und Neutralitat der Schweiz, Kriegs- erklarungen und Friedensschliisse. 7. Garantie der Verfassungen und des Gebietes der Kantone; Intervention infolge der Garantie; Mafiregeln fiir die innere Sicherheit, fiir Handhabung von Ruhe und Ord- nung; Amnestie und Begnadigung. 8. Mafiregeln, welche die Handhabung der Bundes- verfassung, die Garantie der Kantonalverfassungen, die Er- fullung der bundesmafiigen Verpflichtungen zum Zwecke haben. 9. Verfiigungen iiber das Bundesheer. 10. Aufstellung des jahrlichen Voranschlages und Ab- nahme der Staatsrechnung, sowie Beschliisse iiber Aufnahme von Anlehen. 11. Die Oberaufsicht iiber die eidgenossische Verwal- tung und Rechtspflege. 12. Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundes¬ rates iiber Administrativstreitigkeiten (Art. 113). 13. Kompetenzstreitigkeiten zwischen Bundesbehorden. 14. Revision der Bundesverfassung. Art. 86. Die beiden Rate versammeln sich jahrlich einmal zur ordentlichen Sitzung an einem durch das Reg- lement festzusetzenden Tage. 28 Sie werden aufierordentlich einberufen durch Beschlufi des Bundesrates, oder wenn ein Vierteil der Mitglieder des Nationalrates oder fiinf Kantone es verlangen. Art. 87. Um giiltig verhandeln zu konnen, ist die An- wesenheit der absoluten Mehrheit der Mitglieder des be- treffenden Rates erforderlich. Art. 88. Im Nationalrat und Standerat entscheidet die absolute Mehrheit der Stimmenden. Art. 89. Fur Bundesgesetze und Bundesbeschliisse ist die Zustimmung beider Rate erforderlich. Bundesgesetze, sowie allgemein verbindliche Bundes- beschliisse, die nicht dringlicher Natur sind, sollen iiberdies dem Volke zur Annahme oder Verwerfung vorgelegt werden, wenn es von 30,000 stimmberechtigten Schweizerbiirgern oder von 8 Kantonen verlangt wird. Art. 90. Die Bundesgesetzgebung wird beziiglich der Formen und Fristen der Volksabstimmung das Erforderliche feststellen. Art. 91. Die Mitglieder beider Rate stimmen ohne In- struktionen. Art. 92. Jeder Rat verhandelt abgesondert. Bei Wahlen (Art. 85, Ziffer 4), bei Ausiibung des Begnadigungsrechtes und fur Entscheidung von Kompetenzstreitigkeiten (Art. 85, Ziffer 13) vereinigen sich jedoch beide Rate unter der Leitung des Prasidenten des Nationalrates zu einer gemein- schaftlichen Verhandlung, so dafi die absolute Mehrheit der stimmenden Mitglieder beider Rate entscheidet. Art. 93. Jedem der beiden Rate und jedem Mitgliede derselben steht das Vorschlagsrecht (die Initiative) zu. Das gleiche Recht konnen die Kantone durch Korres- pondenz ausiiben. Art. 94. Die Sitzungen der beiden Rate sind in der Regel offentlich. — 29 — II. Bundesrat. Art. 95. Die oberste vollziehende und leitende Behorde der Eidgenossenschaft ist ein Bundesrat, welcher aus sieben Mitgliedern besteht. Art. 96. Die Mitglieder des Bundesrates werden von der Bundesversammlung aus allen Schweizerbiirgern, welche als Mitglieder des Nationalrates wahlbar sind, auf die Dauer von 3 Jahren ernannt. Es darf jedoch nicht mehr als ein Mitglied aus dem namlichen Kanton gewahlt werden. Nach jeder Gesamterneuerung des Nationalrates findet auch eine Gesamterneuerung des Bundesrates statt. Die in der Zwischenzeit ledig gewordenen Stellen werden bei der nachstfolgenden Sitzung der Bundesversammlung fiir den Rest der Amtsdauer wieder besetzt. Art. 97. Die Mitglieder des Bundesrates diirfen keine andere Beamtung, sei es im Dienste der Eidgenossenschaft, sei es in einem Kantone, bekleiden, noch irgend einen andern Beruf oder Gewerbe treiben. Art. 98. Den Vorsitz im Bundesrat fiihrt der Bundes- prasident, welcher, sowie auch der Vizeprasident, von den vereinigten Raten aus den Mitgliedern desselben fiir die Dauer eines Jahres gewahlt wird. Der abtretende Prasident ist fiir das nachstfolgende Jahr weder als Prasident, noch als Vizeprasident wahlbar. Das gleiche Mitglied kann nicht wahrend zwei unmittelbar auf einander folgenden Jahren die Stelle eines Vizeprasidenten bekleiden. Art. 99. Der Bundesprasident und die iibrigen Mit¬ glieder des Bundesrates beziehen einen jahrlichen Gehalt aus der Bundeskasse. Art. 100. Um giiltig verhandeln zu konnen, miissen wenigstens vier Mitglieder des Bundesrates anwesend sein. Art. 101. Die Mitglieder des Bundesrates haben bei den Verhandlungen der beiden Abteilungen der Bundesver¬ sammlung beratende Stimme und auch das Recht, liber einen in Beratung liegenden Gegenstand Antrage zu stellen. 31 versammlung, sofern die aufgebotenen Truppen zvveitausend Mann iibersteigen oder das Aufgebot langer als drei Wochen dauert. 12. Er besorgt das eidgenossische Militarwesen und alle Zweige der Verwaltung, welche dem Bunde angehoren. 13. Er priift die Gesetze und Verordnungen der Kan¬ tone, welche seiner Genehmigung bediirfen; er iiberwacht diejenigen Zweige der Kantonalverwaltung, welche seiner Aufsicht unterstellt sind. 14. Er sorgt fiir die Verwaltung der Finanzen des Bundes, fiir die Entwerfung des Voranschlages und die Stellung der Rechnungen iiber die Einnahmen und Ausgaben des Bundes. 15. Er hat die Aufsicht iiber die Geschaftsfiihrung aller Beamten und Angestellten der eidgenossischen Verwaltung. 16. Er erstattet der Bundesversammlung jeweilen bei ihrer ordentlichen Sitzung Rechenschaft iiber seine Verrich- tungen, sowie Bericht iiber den Zustand der Eidgenossen- schaft im Innern sowohl als nach aufien, und wird ihrer Aufmerksamkeit diejenigen Mafiregeln empfehlen, welche er zur Beforderung gemeinsamer Wohlfahrt fiir dienlich erachtet. Er hat auch besondere Berichte zu erstatten, wenn die Bundesversammlung oder eine Abteilung derselben es ver- langt. Art. 103. Die Geschafte des Bundesrates werden nach Departementen unter die einzelnen Mitglieder verteilt. Diese Einteilung hat aber einzig zum Zweck, die Priifung und Besorgung der Geschafte zu fordern; der jeweilige Entscheid geht von dem Bundesrate als Behorde aus. Art. 104. Der Bundesrat und seine Departemente sind befugt, fiir besondere Geschafte Sachkundige beizuziehen. III. Bundeskanzlei. Art. 105. Eine Bundeskanzlei, welcher ein Kanzler vorsteht, besorgt die Kanzleigeschafte bei der Bundesver¬ sammlung und beim Bundesrat. Der Kanzler wird von der Bundesversammlung auf die Dauer von drei Jahren jeweilen gleichzeitig mit dem Bundes¬ rat gewahlt. 31 versammlung, sofern die aufgebotenen Truppen zvveitausend Mann iibersteigen oder das Aufgebot langer als drei Wochen dauert. 12. Er besorgt das eidgenossische Militarwesen und alle Zweige der Verwaltung, welche dem Bunde angehoren. 13. Er priift die Gesetze und Verordnungen der Kan¬ tone, welche seiner Genehmigung bediirfen; er iiberwacht diejenigen Zweige der Kantonalverwaltung, welche seiner Aufsicht unterstellt sind. 14. Er sorgt fiir die Verwaltung der Finanzen des Bundes, fiir die Entwerfung des Voranschlages und die Stellung der Rechnungen iiber die Einnahmen und Ausgaben des Bundes. 15. Er hat die Aufsicht iiber die Geschaftsfiihrung aller Beamten und Angestellten der eidgenossischen Verwaltung. 16. Er erstattet der Bundesversammlung jeweilen bei ihrer ordentlichen Sitzung Rechenschaft iiber seine Verrich- tungen, sowie Bericht iiber den Zustand der Eidgenossen- schaft im Innern sowohl als nach aufien, und wird ihrer Aufmerksamkeit diejenigen Mafiregeln empfehlen, welche er zur Beforderung gemeinsamer Wohlfahrt fiir dienlich erachtet. Er hat auch besondere Berichte zu erstatten, wenn die Bundesversammlung oder eine Abteilung derselben es ver- langt. Art. 103. Die Geschafte des Bundesrates werden nach Departementen unter die einzelnen Mitglieder verteilt. Diese Einteilung hat aber einzig zum Zweck, die Priifung und Besorgung der Geschafte zu fordern; der jeweilige Entscheid geht von dem Bundesrate als Behorde aus. Art. 104. Der Bundesrat und seine Departemente sind befugt, fiir besondere Geschafte Sachkundige beizuziehen. III. Bundeskanzlei. Art. 105. Eine Bundeskanzlei, welcher ein Kanzler vorsteht, besorgt die Kanzleigeschafte bei der Bundesver¬ sammlung und beim Bundesrat. Der Kanzler wird von der Bundesversammlung auf die Dauer von drei Jahren jeweilen gleichzeitig mit dem Bundes¬ rat gewahlt. 32 Die Bundeskanzlei steht unter der besondern Aufsicht des Bundesrates. Die nahere Organisation der Bundeskanzlei bleibt der Bundesgesetzgebung vorbehalten. IV. Organisation und Befugnisse des Bundesgerichts. Art. 106. Zur Ausiibung der Rechtspflege, soweit die- selbe in den Bereich des Bundes talit, wird ein Bundes- gericht aufgestellt. Fiir Beurteilung von Straffallen (Art. 112) werden Schwurgerichte (Jury) gebildet. Art. 107. Die Mitglieder des Bundesgerichts und die Ersatzmanner werden von der Bundesversammlung gewahlt. Bei der Wahl derselben soli darauf Bedacht genommen werden, dafi alle drei Nationalsprachen vertreten seien. Das Gesetz bestimmt die Organisation des Bundes- gerichtes und seiner Abteilungen, die Zahl der Mitglieder und Ersatzmanner, deren Amtsdauer und Besoldung. Art. 108. In das Bundesgericht kann jeder Schweizer- biirger ernannt werden, der in den Nationalrat wahlbar ist. Die Mitglieder der Bundesversammlung und des Bundes¬ rates und die von diesen Behorden gewahlten Beamten konnen nicht gleichzeitig Mitglieder des Bundesgerichtes sein. Die Mitglieder des Bundesgerichtes diirfen keine andere Beamtung, sei es im Dienste der Eidgenossenschaft, sei es in einem Kantone, bekleiden, noch irgend einen andern Beruf oder Gewerbe treiben. Art. 109. Das Bundesgericht bestellt seine Kanzlei. Art. 110. Das Bundesgericht beurteilt zivilrechtliche Streitigkeiten: 1 . zwischen dem Bunde und den Kantonen; 2. zwischen dem Bunde einerseits und Korporationen oder Privaten andererseits, wenn der Streitgegenstand eine durch die Bundesgesetzgebung zu bestimmende Bedeutung hat und wenn diese Korporationen oder Privaten Klager sind; 3. zwischen den Kantonen unter sich; 33 4. zwischen den Kantonen einerseits und Korporationen oder Privaten andererseits, wenn der Streitgegenstand von einer durch die Bundesgesetzgebung zu bestim- menden Bedeutung ist und eine Partei es verlangt. Das Bundesgericht urteilt ferner iiber Anstande be- treffend Heimatlosigkeit, sowie iiber Biirgerrechtsstreitigkeiten zwischen Gemeinden verschiedener Kantone. Art. 111. Das Bundesgericht ist verpflichtet, die Be- urteilung auch anderer Falle zu iibernehmen, wenn dasselbe von beiden Parteien angerufen wird und der Streitgegen¬ stand von einer durch die Bundesgesetzgebung zu bestim- menden Bedeutung ist. Art. 112. Das Bundesgericht urteilt mit Zuziehung von Geschwornen, welche iiber die Tatfrage absprechen, in Straffallen: 1. iiber Hochverrat gegen die Eidgenossenschaft, Aufruhr und Gewalttat gegen die Bundesbehorden; 2. iiber Verbrechen und Vergehen gegen das Volkerrecht; 3. iiber politische Verbrechen und Vergehen, die Ursache oder Folge derjenigen Unruhen sind, durch welche eine bewaffnete eidgenossische Intervention veranlafit wird, und 4. in Fallen, wo von einer Bundesbehorde die von ihr ernannten Beamten ihm zur strafrechtlichen Beurteilung iiberwiesen werden. Art. 113. Das Bundesgericht urteilt ferner: 1. iiber Kompetenzkonflikte zwischen Bundesbehorden einerseits und Kantonalbehorden andererseits; 2. iiber Streitigkeiten staatsrechtlicher Natur zwischen Kantonen; 3. iiber Beschwerden betreffend Verletzung verfassungs- mafiiger Rechte der Biirger, sowie iiber solche von Privaten wegen Verletzung von Konkordaten und Staatsvertragen. Vorbehalten sind die durch die Bundesgesetzgebung naher festzustellenden Administrativstreitigkeiten. In allen diesen Fallen sind jedoch die von der Bundes- versammlung erlassenen Gesetze und allgemein verbindlichen 3 34 Beschliisse, sowie die von ihr genehmigten Staatsvertrage fur das Bundesgericht mafigebend. Art. 114. Es bleibt der Bundesgesetzgebung tiber- lassen, aufier den in den Artikeln 110, 112 und 113 be- zeichneten Gegenstanden auch noch andere Falle in die Kompetenz des Bundesgerichtes zu legen, insbesondere die Befugnisse festzustellen, welche ihm nach Erlassung der im Artikel 64 vorgesehenen eidgenbssischen Gesetze behufs einheitlicher Anwendung derselben zu iibertragen sind. V. Verschiedene Bestimmungen. Art. 115. Alles, was sich auf den Sitz der Bundes- behorden bezieht, ist Gegenstand der Bundesgesetzgebung. Art. 116. Die drei Hauptsprachen der Schweiz, die deutsche, franzosische und italienische, sind Nationalsprachen des Bundes. Art. 117. Die Beamten der Eidgenossenschaft sind fur ihre Geschaftsfiihrung verantwortlich. Ein Bundesgesetz wird diese Verantwortlichkeit naher bestimmen. Dritter Abschnitt?) Revision der Bundesverfassung. Art. 118. Die Bundesverfassung kann jederzeit ganz oder teilweise revidiert werden. Art. 119. Die Totalrevision geschieht auf dem Wege der Bundesgesetzgebung. Art. 120. Wenn eine Abteilung der Bundesversamm- lung die Totalrevision beschliefit und die andere nicht zu- stimmt, oder wenn fiinfzigtausend stimmberechtigte Schweizer- 5 J 1’ |gg^ ev *^’ er ^ er Abschnitt. Angenommen in der Volksabstimmung vom 35 biirger die Totalrevision der Bundesverfassung verlangen, so mufi im einen wie im andern Falle die Frage, ob eine solche stattfinden soli oder nicht, dem schweizerischen Volke zur Abstimmung vorgelegt werden. Sofern in einem dieser Falle die Mehrheit der stim- menden Schweizerbiirger iiber die Frage sich bejahend aus- spricht, so sind beide Rate neu zu wahlen, um die Total¬ revision an die Hand zu nehmen. Art. 121. Die Partialrevision karm sowohl auf dem Wege der Volksanregung (Initiative) als der Bundesgesetz- gebung vorgenommen werden. Die Volksanregung umfafit das von fiinfzigtausend stimmberechtigten Schweizerbiirgern gestellte Begehren auf Erlafi, Aufhebung oder Abanderung bestimmter Artikel der Bundesverfassung. Wenn auf dem Wege der Volksanregung mehrere ver- schiedene Materien zur Revision oder zur Aufnahme in die Bundesverfassung vorgeschlagen werden, so hat jede der- selben den Gegenstand eines besondern Initiativbegehrens zu bilden. Die Initiativbegehren konnen in der Form der allge- meinen Anregung oder des ausgearbeiteten Entwurfs ge¬ stellt werden. Wenn ein solches Begehren in Form der allgemeinen Anregung gestellt wird und die eidgenossischen Rale mit demselben einverstanden sind, so haben sie die Partial¬ revision im Sinne der Initianten auszuarbeiten und dieselbe dem Volke und den Standen zur Annahme oder Verwerfung vorzulegen. Stimmen die eidgenossischen Rate dem Be¬ gehren nicht zu, so ist die Frage der Partialrevision dem Volke zur Abstimmung zu unterbreiten und, sofern die Mehrheit der stimmenden Schweizerbiirger sich bejahend ausspricht, die Revision von der Bundesversammlung im Sinne des Volksbeschlusses an die Hand zu nehmen. Wird das Begehren in Form eines ausgearbeiteten Ent- wurfes gestellt, und stimmt die Bundesversammlung dem¬ selben zu, so ist der Entwurf dem Volke und den Standen zur Annahme oder Verwerfung vorzulegen. Im Falle der 36 Nichtzustimmung kann die Bundesversammlung einen eigenen Entwurf ausarbeiten oder die Verwerfung des Vorschlages beantragen und ihren Entwurf oder Verwerfungsantrag gleich- zeitig mit dem Initiativbegehren der Abstimmung des Volkes und der Stande unterbreiten. Art. 122. Uber das Verfahren bei den Volksbegehren und den Abstimmungen betreffend Revision der Bundes- verfassung wird ein Bundesgesetz das Nahere bestimmen. Art. 123. Die revidierte Bundesverfassung, beziehungs- weise der revidierte Teil derselben, treten in Kraft, wenn sie von der Mehrheit der an der Abstimmung teilnehmenden Burger und von der Mehrheit der Kantone angenommen sind. Bei Ausmittlung der Mehrheit der Kantone wird die Stimme eines Halbkantons als halbe Stimme gezahlt. Das Ergebnis der Volksabstimmung in jedem Kantone gilt als Standesstimme desselben. Ubergangsbestimmungen. Art. 1. In betreff der Verwendung der Zoll- und Post- einnahmen bleiben die bisherigen Verhaltnisse unverandert, bis der Ubergang der bis jetzt von den Kantonen getragenen Militarlasten auf den Bund sich vollzieht. Aufierdem ist auf dem Wege der Bundesgesetzgebung zu bewirken, dafi denjenigen Kantonen, fiir welche die durch die Artikel 20, 30, 36, zweites Alinea, und 42 e, herbei- gefiihrten Veranderungen im Gesamtergebnisse eine fiska- lische Einbufie zur Folge haben, diese Einbufie nicht auf einmal in ihrem vollen Umfange, sondern nur allmahlich wahrend einer Ubergangsperiode von einigen Jahren er- wachse. Diejenigen Kantone, welche sich bis zum Zeitpunkte, in welchem der Artikel 20 in Kraft tritt, mit den ihnen durch die bisherige Bundesverfassung und die Bundesgesetze obliegenden militarischen Leistungen im Riickstande befinden, sind verpflichtet, diese Leistungen auf eigene Kosten nach- zuholen. 37 Art. 2. Diejenigen Bestimmungen der eidgenossischen Gesetzgebung, der Konkordate, der kantonalen Verfassungen und Gesetze, welche mit der neuen Bundesverfassung im Widerspruch stehen, treten mit Annahme derselben, bezie- hungsweise der Erlassung der darin in Aussicht genommenen Bundesgesetze ausser Kraft. Art. 3. Die neuen Bestimmungen betreffend die Or- ganisation und die Befugnisse des Bundesgerichtes treten erst nach Erlassung der beziiglichen Bundesgesetze in Kraft. Art. 4. Den Kantonen wird zur Einfuhrung der Un- entgeltlichkeit des offentlichen Primarunterrichts (Art. 27) eine Frist von fiinf Jahren eingeraumt. Art. 5. Personen, welche den wissenschaftlichen Be- rufsarten angehoren, und welche bis zum Erlasse der im Artikel 33 vorgesehenen Bundesgesetzgebung von einem Kanton oder von einer, mehrere Kantone reprasentierenden Konkordatsbehorde den Ausweis der Befahigung erlangt haben, sind befugt, ihren Beruf in der ganzen Eidgenossen- schaft auszuiiben. Art. 6.*) Wenn vor Ende des Jahres 1890 ein Bundes- gesetz im Sinne des Artikels 32 bis eingefiihrt wird, so fallen schon mit dessen Inkrafttreten die von den Kantonen und Gemeinden nach Art. 32 bezogenen Eingangsgebiihren auf geistigen Getranken dahin. Wenn in diesem Falle die auf die einzelnen Kantone und Gemeinden berechneten Anteile an der zur Verteilung kommenden Summe nicht hinreichen wiirden, um die dahin- gefallenen Gebiihren auf geistigen Getranken nach dem durchschnittlichen jahrlichen Netto-Ertrage in den Jahren 1880 bis und mit 1884 zu ersetzen, so wird den betrof- fenen Kantonen und Gemeinden bis Ende des Jahres 1890 der daherige Ausfall an derjenigen Summe gedeckt, welche den iibrigen Kantonen nach der Volkszahl zukommen wiirde, und erst der Rest auf die letztern nach ihrer Volkszahl verteilt. *) Neuer Artikel. Angenommen in der Volksabstimmung vom 25. Ok¬ tober 1885. 38 AuBerdem ist auf dem Wege der Bundesgesetzgebung zu bewirken, dafi denjenigen Kantonen oder Gemeinden, fiir welche das Inkrafttreten dieses Beschlusses eine fiska- lische Einbufie zur Folge haben karm, diese Einbufie nicht auf einmal in ihrem vollen Umfange, sondern nur allmahlich bis zum Jahre 1895 erwachse. Die hiezu erforderlichen Ent- schadigungssummen sind vorweg aus den im Artikel 32 bis , Alinea 4, bezeichneten Reineinnahmen zu entnehmen. Nota. GemaB dem ersten Absatz dieses Artikels 6 und BundesratsbeschluB vom 15. Juli 1887, betreffend den successiven Vollzug der einzelnen Teile des Bundesgesetzes vom 23. Dezember 1886 (Amtliche Sammlung, Neue Folge, Band X, Seite 60 ff., 155 ff.), sind die von den Kantonen und Gemeinden nach Art. 32 der Bundesverfassung bezogenen Eingangsgebiihren auf geistigen Getranken mit dem 1. September 1887 dahingefallen. Damit sind Art. 32 und Art. 31, litt. a, soweit sie sich auf Eingangsgebiihren fiir Wein und andere geistige Getranke beziehen, aufier Kraft gesetzt. Also dem Volke und den Standen vorzulegen beschlossen vom Nationalrate, Bern, den 31. Januar 1874. Der Prasident; Ziegler. Der Protokollfiihrer: Schiell. Also dem Volke und om Standerate, den Standen vorzulegen beschlossen Bern, den 31. Januar 1874. Der Prasident: A. Kopp. Der Protokollfiihrer: J. L. Liitscher. 39 Bimdesbescliluss betreffend die Erwahrung der Abstimmung liber die am 31. Januar 1874 vorgelegte revidierte Bundesverfassung. (Vom 29. Mai 1874.) Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht der Protokolle liber die Sonntags den 19. April 1874 stattgehabte Abstimmung des Schweizer- volkes liber die durch Bundesgesetz vom 31. Januar 1874 vorgelegte revidierte Bundesverfassung; nach Kenntnisnahme der von den zustandigen kan¬ tonalen Behorden in Beziehung auf die liber die abzu- gebende Standesstimme eingelangten Erklarungen; nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 20. Mai 1874, aus welchen Aktenstiicken es sich ergibt: a) in Beziehung auf die Volksabsti m mung erklarten sich 40 Hienach haben sich fiir Annahme der revidierten Bundes- verfassung 340,199 und fiir Verwerfung 198,013 ausge- sprochen, mithin mehr Annehmende als Verwerfende 142,186. b) in Beziehung auf die Standesstimme. Besondere Standesstimmen haben abgegeben die Kantone: Uri.am 5. Mai, Unterwalden (nid dem Wald) ... „ 6. April, Glarus.,12. April, Graubiinden.„ 1. Mai, Tessin.„ 5. Marž und Genf.„19. April 1874, und hiebei haben sich fiir Annahme der Verfassung erklart die Stande Glarus, Graubiinden, Tessin und Genf; fiir Verwerfung die Stande Uri und Unterwalden (nid dem Wald). Die samtlichen iibrigen Stande hinwieder anerkennen die Volksabstimmung gleichzeitig auch als Standesstimme. Demzufolge haben 1472 Stande die Verfassung an- genommen, namlich: Ziirich, Bern, Glarus, Solothurn, Basel, Schaffhausen, Appenzell A. Rh., St. Gallen, Graubiinden, Aargau, Thurgau, Tessin, Waadt, Neuenburg und Genf; Stande haben die Verfassung abgelehnt, namlich: Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden, Zug, Freiburg, Appenzell I. Rh. und Wallis, — 41 — erklart: 1. Die durch das Bundesgesetz vom 31. Januar 1874 vorgelegte abgeanderte Bundesverfassung ist sowohl von der Mehrheit der stimmenden Schweizerbiirger, als von der Mehr- heit der Kantone angenommen worden; es wird dieselbe mit Datum vom 29. Mai 1874 hiemit feierlich in Kraft erklart. 2. Der Bundesrat wird mit der Veroffentlichung des gegenwartigen Beschlusses und mit den zur Vollziehung desselben erforderlichen weitern Mafinahmen beauftragt. Also beschlossen vom Nationalrate, Bern, den 28. Mai 1874. Der Prasident: Ziegler. Der Protokollfiihrer: Schiefl. Also beschlossen vom Standerate, Bern, den 29. Mai 1874. Der Prasident: A. Kopp. Der Protokollfiihrer: J. L. Liitscher. Der schweizerische Bundesrat beschliefit: Der vorstehende Bundesbeschlufi ist nebst der revi- dierten Bundesverfassung selbst in die amtliche Gesetz- sammlung der Eidgenossenschaft aufzunehmen und ersterer den Kantonsregierungen zur angemessenen Veroffentlichung durch Anschlag mitzuteilen. Bern, den 30. Mai 1874. Der Bundesprasident: Schenk. Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schiefi. 42 Zusammenstellung der Abanderungen bis Ende 1903. 1. Abanderung von Art. 65, betr. die Todesstrafe. Angenommen in der Volksabstimmung v. 18. Mai 1879. 2. Abanderung von Art. 31 und Einschaltung eines neuen Art. 32 bis , sowie eines neuen Art. 6 der Ubergangs- bestimmungen, betr. Fabrikation und Verkauf ge- brannter Wasser und Wirtschaftswesen. Angenommen in der Volksabstimmung v. 25. Oktober 1885. 3. Zusatz zu Art. 64, betr. Erfindungsschutz (gewerb- liches Eigentum). Angenommen in der Volksabstimmung v. 10. Juli 1887. 4. Zusatz zu Art. 34, betr. Unfall- und Krankenver- sicherung. Angenommen in der Volksabstimmung v. 26. Oktober 1890. 5. Abanderung des dritten Abschnittes (Art. 118 bis 121) (Einfiihrung der Initiative). Angenommen in der Volksabstimmung v. 5. Juli 1891. 6. Abanderung von Art. 39 (Einfiihrung des Banknoten- monopols). Angenommen in der Volksabstimmung v. 18. Oktober 1891. 7. Aufnahtne eines Zusatzartikels 25 bis , betr. das Schlachten der Tiere. Angenommen in der Volksabstimmung v. 20. August 1893. 8. Abanderung von Art. 24 (Wasserbau-und Forstpolizei). Angenommen in der Volksabstimmung v. 11. Juli 1897. 9. Aufnahme eines Zusatzartikels 69 bis betr. Bundesgesetz- gebung iiber den Verkehr mit Nahrungs- und Ge- nuBmitteln und mit solchen Gebrauchs- und Ver- brauchsgegenstanden, welche das Leben oder die Gesundheit gefahrden konnen. Angenommen in der Volksabstimmung v. 11. Juli 1897. 10. Aufnahme eines Zusatzes zu Art. 64 und eines Zusatz¬ artikels 64 bis betr. Rechtseinheit. Angenommen in der Volksabstimmung v. 13. November 1898. 11. Aufnahme eines Zusatzartikels 27 bis betr. Subvention der Primarschule. Angenommen in der Volksabstimmung v. 23. November 1902. 43 Bundesgesetz iiber das Verfahren bei Volksbegehren und Abstimmungen betreffend Revision der Bundesverfassung. (Vom 27. Januar 1892.) Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, in Ausfuhrung des Art. 122 der Bundesverfassung, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 22. Juli 1891, beschliefit: Art. 1. Auf dem Wege des Volksbegehrens (Initiative) kann jederzeit die Revision der Bundesverfassung in ihrer Gesamtheit oder einzelner Teile derselben verlangt werden (Art. 118, 120, 121 der Bundesverfassung). Art. 2. Will von diesem Rechte Gebrauch gemacht werden, so ist an den Bundesrat zu Handen der Bundes- versammlung eine schriftliche von mindestens filnfzigtausend stimmberechtigten Schweizerbiirgern unterzeichnete Eingabe zu richten, in welcher der Gegenstand des Begehrens be- stimmt bezeichnet wird. Art. 3. Der Burger, welcher das Begehren stellen will, hat dasselbe eigenhandig zu unterzeichnen. Wer unter eine Eingabe eine andere Unterschrift als die seinige setzt, unterliegt strafrechtlicher Ahndung. (Art. 49 des Bundesgesetzes vom 4. Hornung 1853 liber das Bundes- strafrecht, A. S. III, 404.) Art. 4. Jeder Unterschriftenbogen soli den Namen des Kantons und der politischen Gemeinde angeben, wo die Unterschriften beigesetzt wurden. Er mufi, um giiltig zu sein, enthalten: 1. den Wortlaut des Revisionsbegehrens; 2. den Wortlaut von Art. 3 dieses Gesetzes; 44 3. am Schlusse die mit Datum versehene Bescheinigung des Gemeindevorstandes oder seines Stellvertreters, dafi die Unterzeichner in eidgenossischen Angelegen- heiten stimmberechtigt sind und ihre politischen Rechte in der betreffenden Gemeinde ausiiben. — Fiir diese Amtsverrichtung dtirfen keinerlei Taxen bezogen werden. Art. 5. Ist ein Revisionsbegehren eingelangt, so er- mittelt der Bundesrat die Zahl der giiltigen Unterschriften. Aufier Betracht fallen: 1. diejenigen Unterschriften, welche nicht innerhalb der Frist von 6 Monaten, vom Tage des Einganges des Revisionsbegehrens zuriickgerechnet, durch die zu- standige Amtsstelle (Art. 4, Ziff. 3) bescheinigt worden sind; 2. die auf einem ungiiltigen Bogen (Art. 4, Ziff. 1, 2 und 3) befindlichen Unterschriften ; 3. diejenigen Unterschriften, beziiglich welcher die in Art. 4, Ziff. 3, geforderte Bescheinigung fehlt oder unvollstandig oder unrichtig ist. Finden sich Unterschriften, welche offenbar von einer und derselben Hand gezeichnet sind, so werden sie als ungiiltig betrachtet und nicht gerechnet. Der Bundesrat veroffentlicht liber das Ergebnis seiner Ermittlung im Bundesblatt einen Bericht und legt ihn mit samtlichen Akten der Bundesversammlung bei ihrem nachsten Zusammentritt vor. Art. 6. Lautet das als giiltig anerkannte Volksbegehren auf Totalrevision der Bundesverfassung, so ist ohne weiteres die Frage, ob cine solche stattfinden soli, von der Bundes¬ versammlung dem Schweizervolke zur Abstimmung vorzu- legen. Spricht sich die Mehrheit der stimmenden Schweizer- biirger iiber die Frage bejahend aus, so sind beide Rate neu zu wahlen, um die Totalrevision an die Hand zu nehmen (Art. 120 der Bundesverfassung). Art. 7. Verlangt das Revisionsbegehren Erlafi, Auf- hebung oder Abanderung bestimmter Artikel der Bundes- 45 verfassung und ist dasselbe in der Form der allgemeinen Anregung gestellt, so haben sich die eidgenossischen Rate spatestens binnen Jahresfrist dariiber schliissig zu machen, ob sie mit dem Begehren einverstanden sind oder nicht. Stimmen die eidgenossischen Rate demselben bei, so geben sie der Anregung in Gemafiheit von Art. 121, Al. 5, der Bundesverfassung weitere Folge. Lehnen sie dasselbe ab oder kommt ein Beschlufi binnen obiger Frist dariiber nicht zu Stande, so ordnet der Bundes- rat iiber das gestellte Begehren die Vornahme der allge¬ meinen Volksabstimmung an. Spricht sich die Mehrheit der stimmenden Schweizer- biirger bejahend aus, so ist die Revision von der Bundes- versammlung im Sinne des Volksbeschlusses unverziiglich an die Hand zu nehmen und sodann das Ergebnis ihrer Beratung in der gewbhnlichen Form der Abstimmung des Volkes und der Stande zu unterbreiten (Art. 121, Al. 5, der Bundesverfassung). Art. 8. Ist das Partialrevisionsbegehren in der Form eines ausgearbeiteten Entwurfes gestellt, so haben die eid¬ genossischen Rate spatestens binnen Jahresfrist dariiber Be- schlufi zu fassen, ob sie dem Initiativentwurf, so wie der- selbe lautet, zustimmen oder nicht. Art. 9. Kommt ein iibereinstimmender Beschlufi der beiden Rate hinsichtlich ihrer Stellungnahme zu dem aus¬ gearbeiteten Initiativentwurfe nicht zu Stande, so wird der letztere ohne weiteres der Abstimmung des Volkes und der Stande unterbreitet. Dasselbe ist der Fali, wenn die Bundesversammlung beschliefit, dem Entwurfe zuzustimmen. Art. 10. Beschliefit die Bundesversammlung, dem Ent- wurfe nicht zuzustimmen, so unterbreitet sie denselben dem Volke und den Standen zur Abstimmung. Gleichzeitig kann sie einen Verwerfungsantrag stellen oder einen von ihr selbst ausgearbeiteten, die namliche Verfassungsmaterie beschlagen- den Revisionsentwurf ebenfalls der Abstimmung des Volkes und der Stande unterbreiten. 46 Art. 11. Im Falle der Aufstellung eines besonderen Revisionsentwurfes durch die Bundesversammlung werden den Stimmberechtigten die zwei Fragen zur Abstimmung vorgelegt: Wollt Ihr den Revisionsentwurf der Initianten anneh- men? oder Wollt Ihr den Revisionsentwurf der Bundesversamm¬ lung annehmen ? Art. 12. Bei Ermittlung des Abstimmungsergebnisses falfen aufier Betracht alle leeren und ungiiltigen Stimm- zettel. Stimmzettel, welche nur eine der beiden Fragen mit Ja oder Nein beantworten, und Stimmzettel, welche beide Fragen verneinen, sind giiltig. Stimmzettel, vvelche beide Fragen bejahen, sind un- giiltig. Art. 13. Als angenommen gilt derjenige Entwurf, wel- cher die Mehrheit der stimmenden Burger und die Mehrheit der Stande auf sich vereinigt hat. Art. 14. Die liber die Abstimmungen aufzunehmenden Protokolle haben anzugeben: Die Zahl der Stimmberechtigten der Gemeinde; die Zahl der eingelangten Stimmzettel; die Zahl der aufier Betracht fallenden Stimmzettel; endlich die Zahl der ab- gegebenen Ja und Nein, und zwar im Falle eines eigenen Entwurfes der Bundesversammlung die Zahl der abgege- benen Ja und Nein auf jede der zwei in Art. 11 enthal- tenen Fragen. Art. 15. Sind in Bezug auf die namliche Verfassungs- materie eine Mehrzahl von Initiativbegehren bei der Bundes- kanzlei eingereicht worden, so ist zunachst das erst einge- reichte Begehren durch die Bundesversammlung zu behandeln und zur Volksabstimmung zu bringen. Die iibrigen Begehren werden in der Reihenfolge ihres Einganges je nach Erledigung der friiher eingereichten be- handelt. 47 Art. 16. Im ribrigen gelten beziiglich der Anordnung und Vornahme der Volksabstimmung die Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874 (A. S. n. F. I, 116) betreffend Volksabstimmung liber Bundesgesetze und Bundes- beschliisse. Art. 17. Das Bundesgesetz vom 5. Christmonat 1867 (A. S. IX, 205) betreffend die Begehren fur Revision der Bundesverfassung ist aufgehoben; ebenso die Bundesrats- verordnung vom 2. Mai 1879 (A. S. n. F. IV, 81) betreffend Begehren um Volksabstimmung liber Bundesgesetze und Bundesbeschllisse und um Revision der Bundesverfassung, soweit dieselbe sich auf die letztere bezieht. Art. 18. Der Bundesrat wird beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874, betreffend die Volksabstimmung liber Bundesgesetze und Bundesbeschllisse, die Bekanntmachung dieses Gesetzes zu veranstalten und den Beginn der Wirksamkeit desselben festzusetzen. Also beschlossen vom Nationalrate, Bern, den 27. Januar 1892. Der Prasident: Adr. Lachenal. Der Protokollfiihrer : Ringier. Also beschlossen vom Standerate, Bern, den 27. Januar 1892. Der Prasident: Gottisheim. Der Protokollfiihrer: Schatzmann. Vom Bundesrat in Kraft erklart am 15. Mai 1892. 48 Bundesgesetz betreffend Volksabstimmung iiber Bundesgesetze und Bundes- beschliisse. (Vom 17. Juni 1874.) Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 29. Mai 1874; in Vollziehung der Artikel 89 und 90 der Bundes- verfassung vom 29. Mai 1874, beschliefit: Art. 1. Bundesgesetze, sowie allgemein verbindliche Bundesbeschltisse, die nicht dringlicher Natur sind, sollen dem Volke zur Annahme oder Verwerfung vorgelegt werden, wenn 30,000 stimmberechtigte Schweizerbiirger oder 8 Kan¬ tone dies verlangen. (Bundesverfassung Art. 89.) Art. 2. Der Entscheid, dafi ein Bundesbeschlufi ent- weder als nicht allgemein verbindlich oder als dringlich zu behandeln sei, steht der Bundesversammlung zu, und es ist derselbe dem Beschlusse selbst jeweilen ausdriicklich beizufiigen. In diesem Falle ordnet der Bundesrat, unter Aufnahme des Beschlusses in die amtliche Gesetzsammlung, dessen Vollziehung an. Art. 3. Alle Bundesgesetze, sowie solche Bundesbe- schliisse, welche nicht unter eine der beiden im Art. 2 vorgesehenen Ausnahmen fallen, sind unmittelbar nach ihrem Erlafi zu verbffentlichen und den Kantonsregierungen in einer angemessenen Anzahl von Exemplaren zuzustellen. Art. 4. Das Verlangen der Volksabstimmung, sei es, dafi es von Biirgern oder von Kantonen ausgeht, mufi innerhalb 90 Tagen, vom Tage der Verbffentlichung des fraglichen Gesetzes oder Bundesbeschlusses im Bundesblatte an gerechnet, gestellt werden. 49 Art. 5. Das Verlangen wird auf dem Wege der schrift- lichen Eingabe an den Bundesrat gerichtet. Der Biirger, welcher das Verlangen stellen oder unter- stiitzen will, hat dasselbe eigenhandig zu unterzeichnen. AVer unter eine solche Eingabe eine andere Unterschrift als die seinige setzt, unterliegt der Anwendung der Bestim- mungen der Strafgesetze. Die Stimmberechtigung der Unterzeichneten ist vom Vorstand der Gemeinde, wo dieselben ihre politischen Rechte ausiiben, zu bezeugen. Fiir diese Amtsverrichtung diirfen keinerlei Taxen be- zogen werden. Art. 6. Wenn Kantone das Verlangen um Volksab- stimmung stellen, so hat dasselbe vom Grofien Rate (Kan- tonsrat, Landrat) auszugehen. Vorbehalten bleibt das nach der kantonalen Verfassung dem Volke zustehende Recht zur Abanderung solcher Schlufinahmen. Art. 7. Wenn innerhalb 90 Tagen nach Veroffentlichung eines Bundesgesetzes oder Bundesbeschlusses im Bundes- blatt ein Begehren um Volksabstimmung nicht gestellt ist, oder wenn solche Begehren innerhalb genannter Frist zwar eingelangt sind, es sich aber in Folge amtlicher Zusammen- stellung und Priifung erweist, dafi dieselben weder von 30,000 stimmberechtigten Schweizerburgern, noch von 8 Kantonen unterstiitzt sind, so erklart der Bundesrat das be- treffende Bundesgesetz oder den betreffenden Bundesbe- schlufi als in Kraft getreten, und ordnet dessen Vollzug und Aufnahme in die amtliche Gesetzsammlung an. Die Zahl der fiir Volksabstimmung eingelangten Unter- schriften wird nach Kantonen und Gemeinden im Bundes- blatt veroffentlicht, ebenso die von Kantonen nach Art. 6 gestellten Begehren. Ueberdies wird der Bundesrat der Bundesversammlung in ihrer nachstfolgenden Sitzung unter Vorlegung der Akten Bericht erstatten. Art. 8. Ergibt sich hingegen aus der Zusammenstellung und aus der Priifung der Eingaben, dafi das Begehren um Volksabstimmung von der erforderlichen Anzahl stimmbe- rechtigter Schweizerbiirger oder Kantone unterstiitzt ist, so 4 50 ordnet der Bundesrat die Vornahme der allgemeinen Volks- abstimmung an, setzt die Kantonsregierungen davon in Kenntnis, und sorgt fiir beforderliche und geeignete allge- meine Bekanntmachung des der Abstimmung zu unterstel- lenden Bundesgesetzes oder Bundesbeschlusses. Art. 9. Die Stimmgebung des schweizerischen Volkes erfolgt auf dem ganzen Gebiete der Eidgenossenschaft an einem und demselben Tage. *) Dieser Tag wird durch den Bundesrat festgesetzt. Es darf jedoch die Abstimmung nicht friiher als vier Wochen nach geschehener ausreichender Bekanntmachung des fraglichen Bundesgesetzes oder Bundesbeschlusses ge- schehen. Art. 10. Stimmberechtigt ist jeder Schweizer, welcher das zwanzigste Altersjahr zuriickgelegt hat und im Uebrigen nach der Gesetzgebung des Kantons, in welchem er seinen Wohnsitz hat, nicht vom Aktivbiirgerrecht ausgeschlossen ist. Art. 11. Jeder Kanton ordnet die Abstimmung auf seinem Gebiete nach den bundesgesetzlichen Vorschriften iiber eidgenbssische Abstimmungen an. Art. 12. Ueber die Abstimmung ist in jeder Gemeinde, beziehungsweise in jedem Kreise, ein Protokoli aufzunehmen, in welchem genau anzugeben ist: die Zahl der Stimmberech- tigten, ferner wie viele Stimmen das dem Volksentscheid unterworfene Bundesgesetz, beziehungsweise den Bundes- beschlufi angenommen und wie viele ihn verworfen haben. Art. 13. Die Kantonsregierungen haben die Proto- kolle iiber die Abstimmungen dem Bundesrate innerhalb 10 Tagen zu iibersenden und halten die Stimmkarten zu dessen Verfiigung. Der Bundesrat wird auf Grundlage derselben das Er- gebnis der Abstimmung erwahren. Art. 14. Das Bundesgesetz oder der Bundesbeschlufi ist als angenommen zu betrachten, wenn die Mehrheit der stimmenden Schweizerbiirger sich dafiir ausgesprochen hat. *) Siehe auch Bundesgesetz vom 30. Marž 1900 betreffend Erleichterung der Ausiibung des Stimmrechtes (A. S. n. F. XVIII119 und Seitč 63 hiernach). 51 In diesem Falle ordnet der Bundesrat dessen Aufnahme in die amtliche Gesetzsammlung und Vollziehung an. Art. 15. Erzeigt sich dagegen, dafi eine Mehrheit der stimmenden Schweizerbiirger die Vorlage verworfen hat, so ist sie als dahingefallen zu betrachten, und es unterbleibt deren Vollziehung. Art. 16. In beiden Fallen veroffentlicht der Bundesrat die Resultate der Abstimmung und erstattet der Bundesver- sammlung in ihrer nachsten Sitzung Bericht. Art. 17. Der Bundesrat ist mit der Vollziehung dieses Gesetzes beauftragt. Ubergangsbestimmungen. Art. 1. Vorstehendes Bundesgesetz ist im Bundesblatt zu verbffentlichen und den Kantonsregierungen in einer angemessenen Anzahl von Exemplaren zuzustellen. Art. 2. Sammtliche Bestimmungen desselben finden auf dieses Gesetz selbst Anwendung. Art. 3. Diese Uebergangsbestimmungen treten sofort in Kraft. Art. 4. Der Bundesrat ist mit der Vollziehung derselben beauftragt. Also beschlossen vom Nationalrate, Bern, den 10. Juni 1874. Der Prasident: Feer-Herzog. Der Protokollfiihrer: Schiess. Also beschlossen vom Stiinderate, Bern, den 17. Juni 1874. Der Prasident: Kochlin. Der Protokollfiihrer: J. L. Liitscher. Vom Bundesrat in Kraft erklart auf 18. September 1874. 52 Verordnung betreffend Begehren um Volksabstimmung liber Bundesgesetze und Bundesbeschlusse und um Revision der Bundes- verfassung. (Vom 2. Mai 1879.) Der schweizerische Bundesrat, nach Einsicht eines Berichts seines Departements des Innern uber Unregelmafiigkeiten und Gesetzwidrigkeiten bei Referendumsbegehren; in Anwendung und Ausfiihrung von Art. 5 des Bundes- gesetzes betreffend Volksabstimmung liber Bundesgesetze und Bundesbeschlusse, vom 17. Juni 1874 *), beschliefit: Art. 1. Jeder Burger, welcher das Verlangen der Volks¬ abstimmung stellen oder unterstiitzen will, hat dasselbe ei- genhandig zu unterzeichnen (Art. 5, Alinea 2 des Gesetzes). Beschliisse von Gemeinden oder andern Versammlungen haben nur als Begehren der einzelnen Burger Giiltigkeit, welche dieselben personlich unterzeichnet haben. Die Beisetzung des Namens eines Dritten, „im Auftrage“ oder ,,mit Zustimmung" desselben, ist unstatthaft. Art. 2. Die Stimmberechtigung der Unterzeichner ist vom Vorstand der Gemeinde, wo dieselben ihre politischen Redite ausiiben, zu bezeugen (Art. 5, Alinea 3 des Gesetzes). Diese Bezeugung mufi am Fufie jeder Liste angebracht sein und im Wesentlichen folgendermafien lauten: »Der unterzeichnete Vorstand der Gemeinde . . bezeugt anmit, dafi die obigen Burger in eidgenossischen Angelegenheiten stimmberechtigt sind und ihre politischen Rechte in hiesiger Gemeinde ausiiben." (Datum und Unterschrift.) Art. 3. Die schriftlichen Eingaben sind an den Bundes¬ rat zu richten, welcher eine Prtifung dariiber veranstaltet, ob dieselben den Bestimmungen des Gesetzes entsprechen. * Siehe eidg. Gesetzsammlung, n. F. I 116 und Seite 48 hiervor. 53 Ergibt es sich bei dieser Priifung, dafi das in dem vorigen Artikel geforderte Zeugnis (Art. 5, Alinea 3 des Gesetzes) in einer Eingabe ganzlich fehlt, so sind alle da- rauf befindlichen Unterschriften ungiiltig; ebenso wenn ein Zeugnis sich entweder liber die Stimmberechtigung oder den Ort der Ausiibung derselben nicht ausspricht. Ist ein Zeugnis in Bezug auf die Stimmberechtigung oder das Domizil von einzelnen in der Liste verzeichneten Biirgern unrichtig, so werden die betreffenden Unterschriften als ungiiltig gestrichen. Wenn sich in einer Eingabe Unterschriften finden, welche offenbar von einer und derselben Hand gezeichnet sind, so werden diese Unterschriften mit Ausnahme einer einzigen ebenfalls als ungiiltig beseitigt. Art. 4. Nach vollzogener Priifung und Erwahrung der innerhalb des gesetzlichen Termins eingelangten Unter¬ schriften wird der Bundesrat von atiffalligen Gesetzwidrig- keiten den betreffenden Kantonsbehorden Kenntnis geben, welche gegen die Schuldigbefundenen die Bestimmungen der Strafgesetze in Anwendung bringen werden. Art. 5. Alle Bestimmungen, welche auf die Unter¬ schriften fiir eine Volksabstimmung liber Bundesgesetze und Bundesbeschliisse Bezug haben, gelten auch fiir die Unter¬ schriften fiir eine Revision der Bundesverfassung, mit Aus¬ nahme der hiefiir verfassungsmafiig festgesetzten hohern Zahl erforderlicher Unterschriften. Art. 6. Vorstehende Verordnung, nach welcher das Departement des Innern bei Begehren um Volksabstimmung liber Bundesgesetze und Bundesbeschliisse, sowie fiir Ver- fassungsrevision, die Erwahrung und Zusammenstellung der Unterschriften vornehmen wird, tritt sofort in Kraft. Bern, den 2. Mai 1879. Im Namen des schweiz. Bundesrates, Der Bundesprasident: Hammer. Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schiess. 54 Bundesgesetz betreffend die eidgenossischen Wahlen und Abstimmiingen. (Vom 19. Juli 1872.) Samt Abanderungen bis Ende 1903. Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht des Vorschlages des Bundesrates, vom 24. Juni 1872, beschliefit: Art. 1. Die Wahlen in den schweizerischen Nationalrat (Art. 61—65, nun 72—76 der Bundesverfassung), dieWahlen der eidg. Geschwornen (Art. 104, nun 112) und die Ab- stimmungen ilber die Revision der Bundesverfassung (Art. 113 und 114, nun 118 u. ff.) finden nach den Vorschriften der kantonalen Gesetze statt, unter Vorbehalt jedoch der nach- stehenden Bestimmungen des vorliegenden Bundesgesetzes. A. Allgemeine Bestimmungen. Art. 2. Stimmberechtigt ist jeder Schweizer, der das zwanzigste Altersjahr zuriickgelegt hat und im Uebrigen nach der Gesetzgebung des Kantons, in welchem er seinen Wohnsitz hat, nicht vom Aktivbiirgerrecht ausgeschlossen ist. (Art. 63, nun 74 der Bundesverfassung.) Art. 3. Das Stimmrecht wird von jedem Schweizer- biirger da ausgeiibt, wo er als Ortsbiirger oder als Nieder- gelassener oder Aufenthalter wohnt. In Bezug auf die Mitglieder des Bundesrates und den Kanzler der Eidgenossenschaft bleiben die Bestimmungen des Art. 2 im Bundesgesetze vom 16. Mai 1849 tiber Or- ganisation und Geschaftsgang des Bundesrates vorbehalten (I, 50). Art. 4.*) Stimmberechtigten, welche sich bei eidge¬ nossischen Wahlen und Abstimmungen im Militardienst *) Abgeandert durch B. G. vom 20. Dezember 1888 (A. S. n. F. XI, 60). 55 befinden, sowie Beamten und Angestellten der Post-, Tele- graphen- und Zollverwaltung, der Eisenbahnen und Dampf- schiffe, kantonaler Anstalten und Polizeikorps soli Gelegen- heit gegeben werden, sich an dlesen Wahlen und Abstim- mungen zu beteiligen. Die zu diesem Zwecke tur die genannten Beamten und Angestellten von den Kantonsbehbrden zu treffenden Einrichtungen diirfen indessen mit den Vorschriften der Art. 3 und 8 dieses Gesetzes nicht im Widerspruch stehen und sind wenigstens vierzehn Tage vor einer eidgenossischen Wahl und Abstimmung zu veroffentlichen. Art. 5. Jeder in einer Gemeinde wohnende Schweizer- biirger (Art. 3) ist von Amtes wegen in das Stimmregister (Art. 1) einzutragen, insofern nicht der betreffenden Behbrde die Beweise daftir vorliegen, daB er nach den Gesetzen des Kantons von dem Aktivbiirgerrecht ausgeschlossen sei. Alle auf die Fiihrung der Stimmregister beztiglichen Vorschriften miissen fiir samtliche Schweizerbiirger die- selben sein. Art. 6. Die Stimmregister sollen wahrend wenigstens 14 Tagen vor einer Wahl oder Abstimmung zur Einsicht der Beteiligten offentlich aufgelegt und diirfen nicht friiher als 3 Tage vor der Abstimmung geschlossen werden. Art. 7. Wegen Verletzung der in den Artikeln 2—6 enthaltenen Bestimmungen ist der Rekurs von den kanto¬ nalen Behorden an den Bundesrat gestattet. Art. 8. Die Nationalratswahlen und die Verfassungsab- stimmungen finden mittels schriftlicher und geheimer Stimm- gabe statt; die Wahl der Geschwornen kann in offener Abstimmung vorgenommen werden. Stimmenabgabe durch Stellvertretung ist untersagt. Art. 9. Ueber die Abstimmungs- und Wahlverhandlung ist ein Protokoli aufzunehmen, dessen Richtigkeit von dem betreffenden Bureau unterschriftlich zu bezeugen ist. Dieses Protokoli ist der Kantonsregierung zu iibermitteln, welche die Ergebnisse der verschiedenen Versammlungen zusammen- stellt und in angemessener Weise sofort offentlich bekannt macht. 56 Art. 10. Binnen einer Frist von 6 Tagen, die mit dem Tage zu laufen beginnt, an welchem die im vorigen Artikel genannte Bekanntmachung erlassen worden ist, konnen Einsprachen gegen die Giiltigkeit einer zu Ende gefiihrten Wahl oder einer Abstimmung liber die Revision der Bundes- verfassung erhoben werden. Dieses hat vermittelst schriftlicher Eingabe bei der Kantonsregierung zuhanden der Bundes- behorden zu geschehen. Nach Ablauf obiger Frist erfolgende Eingaben werden nicht berticksichtigt. Zum Gegenstande solcher Einsprachen kann alles, was wahrend des ganzen Verlaufes der betreffenden Wahl- oder Abstimmungsverhandlung vorgefallen ist, sachbeziigliche Be- schliisse der Kantonalbehorden und des Bundesrates (Art. 7 dieses Gesetzes) nicht ausgeschlossen, gemacht werden. Art. 11. Nach Ablauf der im vorigen Artikel genannten Frist haben die Kantonsregierungen die samtlichen auf die Wahlen oder Abstimmungen beztiglichen Akten, samt den allfalligen Beschwerden und ihrem Gutachten liber die letztern dem Bundesrate zu iibermitteln. Einzig die Stimmzettel bleiben unter Verwahrung der Kantonsregierungen und sind von dlesen nur auf Verlangen einzusenden, nach Genehmigung der Verhandlungen aber zu vernichten. B. Besondere Bestimmungen fiir die Nationalratswahlen. Art. 12. Die Wahlen fiir den Nationalrat sind direkte. (Art. 62, nun 73 der Bundesverfassung.) Art. 13. Wahlfahig als Mitglied des Nationalrates ist jeder stimmberechtigte Schweizerbiirger weltlichen Standes. *) Naturalisierte Schweizerbiirger miissen seit wenigstens fiinf Jahren das erworbene Blirgerrecht besitzen, um wahl- fahig zu sein. (Art. 64, nun 75 der Bundesverfassung.) Art. 14. Die Mitglieder des Standerates, des Bundes¬ rates und von letzterem gewahlte Beamte konnen nicht zugleich Mitglieder des Nationalrates sein. (Art. 66, nun 77 der Bundesverfassung.) *) Dieses Alinea ist in der Bundesverfassung von 1874 nicht mehr enthalten. 57 Ubrigens sind dieselben doch in den Nationalrat wahlbar. Nach erfolgter Wahl haben sie aber zwischen den beiden mit einander unvereinbaren Stellen zu wahlen. Art. 15. Bei einer Gesamterneuerung des National- rates konnen die in Folge dieser Erneuerung abtretenden Beamten, welche in den neuerwahlten Nationalrat ernannt worden sind, an den Verhandlungen dieses letztern Teil nehmen, bis die ihre Beamtungen betreffenden Erneuerungs- wahlen stattgefunden haben. Art. 16. Die Gesamtwahlen behufs der Integralerneu- erung des Nationalrates beginnen jeweilen am let z ten Sonntag im Oktober und werden, falls sie nicht in der ersten Wahlverhandlung zu Ende gefiihrt worden sind, an den durch die betreffenden Kantonsregierungen hieftir zu bestimmenden Tagen fortgesetzt. Art. 17. Fur Wahlverhandlungen, behufs Besetzung von Stellen im Nationalrate, welche im Laufe einer Amts- dauer des letztern erledigt worden sind, wird der Zeitpunkt von den betreffenden Kantonsregierungen bestimmt. Art. 18. Die Kantonsregierungen werden, so weit sie den Zeitpunkt der Wahlverhandlungen zu bestimmen haben, auf moglichste Beforderung der letztern hinwirken. Sie werden iiberdies jeweilen, falls in ihren Kantonen an mehreren Orten Wahlversammlungen statt zu finden haben, die tunlichst gleichzeitige Abhaltung derselben an- ordnen. Art. 19. Diejenigen, auf welche sich die absolute Mehr- heit der stimmenden Wahler vereinigt hat, sind als gewahlt zu betrachten. Leere Stimmzettel werden bei Ausmittlung der absoluten Mehrheit nicht beriicksichtigt. Stimmzettel, welche weniger Namen tragen, als Stellen zu besetzen sind, werden dagegen gleich andern beschrie- benen Stimmzetteln behandelt. *) *) Neues Alinea (B. G. vom 31. Juli 1873, A. S. XI, 275). 58 Art. 20.') Hat sich im ersten Wahlgange die absolute Mehrheit nicht auf so viele Personen vereinigt, als zu wahlen sind, so findet ein zweiter, ganz freier Wahlgang statt. Art. 21.' :: ) Im zweiten Wahlgange gelten diejenigen als gewahlt, welche die meisten Stimmen erhalten haben. Art. 22. Wenn bei Vollziehung der in den vorherge- henden Artikeln enthaltenen Vorschriften darum, weil mehrere Personen in einem Wahlgange gleich viele Stimmen auf sich vereinigt haben, die Frage entsteht, vvelche von ihnen in der Wahl bleiben sollen oder als gewahlt zu betrachten seien, so entscheidet hieriiber das Los, welches durch den Prasidenten der betreffenden Kantonsregierung unter der Kontrolle der letztern zu ziehen ist. Art. 23. Ware in einem Wahlgange die Zahl derjenigen, welche die absolute Mehrheit auf sich vereinigt haben, grofier ausgefallen als die Zahl der zu Wahlenden, so gelten diejenigen, welche die meisten Stimmen auf sich vereinigt haben, als gewahlt. Art. 24. Je am Schlusse der Wahlverhandlungen eines Wahlkreises hat die betreffende Kantonsregierung sofort: a. den Gewahlten von der auf sie gefallenen Wahl ver- mittelst Zuschrift Mitteilung zu machen; b. dem Bundesrate vorlaufig einfach die Namen der Gewahlten noch ohne Einsendung der Wahlakten zur Kenntnis zu bringen. Art. 25. Wollen schon vor der offentlichen Bekannt- machung des Ergebnisses einer zu Ende gefiihrten Wahl Einsprachen gegen Wahlverhandlungen des ersten oder zweiten Wahlgangs erhoben werden, so sind dieselben binnen 3 Tagen, von der bestrittenen Wahlverhandlung an gerechnet, der betreffenden Kantonsregierung vermittelst einer schrift- lichen Eingabe zur Kenntnis zu bringen. Haben die Wahlverhandlungen, die Giiltigkeit derselben vorausgesetzt, noch zu keinem abschliefilichen Ergebnisse gefiihrt, so entscheidet die Kantonsregierung, wobei iib- rigens das Recht spaterer Beschwerdefiihrung bei dem Na- k ) Abgeandert durch B. G. vom 30. Marž 1900 (s. Seite 63 hiernach). 59 tionalrate (Art. 10.) vorbehalten bleibt, im entgegengesetzten Falle der Nationalrat liber diese Einsprachen. Art. 26. Ist die Wahl in mehreren Wahlkreisen auf die gleiche Person gefallen, so hat der Bundesrat den mehr- fach Gewahlten ungesaumt zu einer beforderlichen Erklarung, in welchem Wahlkreise er die Wahl annehme, zu veranlassen. Nach Eingang dieser Erklarung wird der Bundesrat sofort da, wo die Wahl nicht angenommen worden ist, die Vornahme einer neuen Wahl anordnen. Art. 27. Jedesmal nach einer Gesamterneuerung des Nationalrates haben sich diejenigen, welchen eine Kantons- regierung ihre Wahl in den Nationalrat gemafi Art. 24, Litt. a angezeigt, ohne weitere Einladung am ersten Montage im Dezember Vormittags um 10 Uhr zu der konstituierenden Sitzung des Nationalrates in der Bundesstadt einzufinden. Art. 28. Solche dagegen, welche im Laufe einer Amts- dauer des Nationalrates gewahlt worden, sind von dem Bundesrate in der gewohnlichen Form einzuberufen, und zwar soli dieses, wenn der Nationalrat gerade versammelt ist, sofort, sonst aber auf die nachste Sitzung desselben geschehen. Art. 29. In der nach der Gesamterneuerung des National¬ rates stattfindenden konstituierenden Sitzung (Art. 27) ist jeweilen vorerst iiber die Anerkennung der in den National¬ rat getroffenen Wahlen einzutreten. Bei diesen Verhandlungen haben alle diejenigen, welche mit einem ihre Wahl beurkundenden Schreiben einer Kan- tonsregierung versehen sind, gleichviel ob ihre Wahl be- anstandet ist oder nicht, Sitz und Stimme. Wahrend der Behandlung von Wahleinsprachen, bei denen sie selbst beteiligt sind, haben sie sich indessen in Ausstand zu begeben, und ist ihre Wahl fiir ungiiltig er- klart worden, so haben sie sich jeder weitern Teilnahme an den Verhandlungen zu enthalten. Art. 30. Nach erfolgter Konstituierung des National¬ rates ist ein neu gewahltes Mitglied erst, nachdem seine Wahl als giiltig anerkannt worden, an den Verhandlungen Teil zu nehmen berechtigt. 60 Art. 31. Der Nationalrat wird auf die Dauer von drei Jahren gewahlt, und es findet jeweilen Gesamterneuerung statt. (Art. 65, nun 76 der Bundesverfassung.) Art. 32. Die Amtsdauer des Nationalrates lauft in dem Jahre, in welchem er in Gesamterneuerung talit, jedesmal mit dem, dem ersten Montage des Dezembers vorher- gehenden Sonntage ab. Art. 33. Wiinscht ein Mitglied aus dem Nationalrate auszutreten, so hat es eine sachbeziigliche Erklarung dem Nationalrate, wenn dieser eben versammelt ist, sonst aber dem Bundesrate einzureichen. Die letztere Behorde ordnet sodann die Neuwahl an. Art. 34. Ein Mitglied des Nationalrates, welches den Austritt aus demselben erklart hat, ist gleichwohl ver- pflichtet, den Sitzungen noch beizuwohnen, bis sein Nach- folger gewahlt ist. Art. 35. In allen Fallen, in welchen die Erledigung einer Stelle im Nationalrate vor dem Ablaufe der Amts¬ dauer des letztern eintritt, soli diese Stelle sofort wieder besetzt werden, es ware denn, daB vor der Gesamterneu¬ erung des Nationalrates kein Zusammentritt desselben mehr in Aussicht stiinde. C. Wahlen der eidgenossischen Geschwornen. Art. 36. Die Geschwornenliste eines jeden Bezirks be- steht aus den Verzeichnissen der demselben einverleibten Kantone oder Kantonsteile. In die letztern wird in den vier ersten Bezirken auf je 1000 Einwohner, im fiinften Bezirke auf je 500 Einwohner, welche der betreffende Kanton oder Kantonsteil enthalt, ein Geschworner eingetragen. Art. 37. Jeder nach Art. 63, nun 74 der Bundesver¬ fassung stimmberechtigte Schweizer kann zum Geschwornen ernannt werden. Ausgenommen sind jedoch: 1) die Mitglieder der obersten Kantonalgerichtsbehorden, samtliche Gerichtsprasidenten, Verhorrichter und 61 Staatsanwalte, sowie alle eidgenossischen und kan¬ tonalen Vollziehungsbeamten, mit Ausschlufi der Ge- meindsbeamten; 2) die Geistlichen; 3) die Angestellten in den Verhafts- und Strafanstalten; 4) die Polizeiangestellten. Art. 38. Jeder, der zum Geschwornen ernannt wird, ist verpflichtet, dem an ihn gerichteten Rufe Folge zu leisten. Ausgenommen sind: 1) alle, welche das sechzigste Altersjahr zuriickgelegt haben; 2) jeder, der auf der letzten Geschwornenliste sich be- funden hat; 3) diejenigen, welche wegen Krankheit oder in Folge irgend eines Gebrechens aufierStandesind, die Pflichten eines Geschwornen zu erfiillen. Art. 39. Der Entscheid der Frage, ob Jemand fahig oder verpflichtet sei, sich auf die Geschwornenliste setzen zu lassen, steht den Kantonalbehorden zu. Art. 40. Die Geschwornenlisten werden innerhalb der Schranken des gegenwartigen Gesetzes in den Kantonen durch direkte Volkswahlen gebildet. Art. 41. Die Kantonalgeschwornenlisten werden, sobald dieselben entworfen worden sind, durch die Kantonsregie- rungen dem Bundesrate eingesendet, welcher daraus die Bezirkslisten zusammensetzt und veroffentlicht. Art. 42. Die Erneuerung der Geschwornenlisten erfolgt je von sechs zu sechs Jahren. Der Bundesrat sorgt dafiir, dafi die neuen Listen rechtzeitig angefertigt werden. Art. 43. Die Namen der Geschwornen, welche aus irgend einem Grunde diese Eigenschaft verloren haben oder die verstorben sind, werden durch die Kantonalbehorden, welche dem Bundesrate davon Anzeige zu machen haben, aus dem Verzeichnisse gestrichen, und wenn in Folge der hiedurch entstehenden Lučke eine Bezirksliste unter 200 Namen herabsinken wiirde, so ordnet der Bundesrat die Erganzung derselben an. 62 Art. 44. Ubertretungen der Vorschriften dieses Gesetzes werden nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 4. Hornung 1853 liber das Bundesstrafrecht bestraft (III, 404). Art. 45. Der Bundesrat ist mit der Vollziehung dieses Gesetzes beauftragt. Also beschlossen vom Nationalrate, Bern, den 19. Juli 1872. Der Prasident: Ch. Friderich. Der Protokollfiihrer: Schiess. Also beschlossen vom Standerate, Bern, den 19. Juli 1872. Der Prasident: C. Kappeler. Der Protokollfiihrer: J. L. Liitscher. Vom Bundesrat in Kraft erklart am 22. Juli 1872. 63 Bundesgesetz betreffend Erleichterung der Ausiibung des Stimmrechts und Vereinfachung des Wahlverfahrens. (Vom 30. Marž 1900.) Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 18. Mai 1899; in Erganzung und Abanderung des Bundesgesetzes betreffend die eidgenossischen Wahlen und Abstimmungen vom 19. Juli 1872*) und des Bundesgesetzes betreffend Volksabstimmung iiber Bundesgesetze und Bundesbeschliisse vom 17. Juni 1874,**) bes eh 1i e fi t: Art. 1. Die Kantone sind ermachtigt, bei eidgenos¬ sischen Wahlen und Abstimmungen die Stimmabgabe schon am Vorabend des Wahl- oder Abstimmungstages zuzulassen. Sie konnen diese Erleichterung der Ausiibung des Stimmrechtes fiir das ganze Kantonsgebiet oder nur fiir einzelne Teile desselben einftihren. Die Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 20. De- zember 1888 bleiben vorbehalten. In den Kantonen, in denen fiir kantonale Angelegen- heiten die Stimmabgabe am Vorabend eingefiihrt ist, soli sie auch bei eidgenossischen Wahlen und Abstimmungen zur Anwendung kommen. Die Ermittlung des Abstimmungsergebnisses darf erst am Tage der Hauptabstimmung, zugleich mit der Ermittlung des Gesamtergebnisses, erfolgen. Fiir die Ausfiihrung dieses Artikels, insbesondere fiir die Sicherung der Stimmabgabe, haben die Kantone die notigen Vorschriften zu erlassen. *) Siehe eidg. Gesetzsammlung, Bd. X, Seite 915 und Seite 54 hiervor. **) Siehe eidg. Gesetzsammlung n. F., Bd. I, Seite 116 und Seite 48 hiervor. 64 Art. 2. Die Art. 20 und 21 des Bundesgesetzes be- treffend die eidgenossischen Wahlen und Abstimmungen vom 19. Juli 1872 erhalten folgende Fassung: Art. 20. Hat sich im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit nicht auf so viele Personen vereinigt, als zu wahlen sind, so findet ein zweiter ganz freier Wahlgang statt. Art. 21. Im zweiten Wahlgang gelten diejenigen als gewahlt, welche die meisten Stimmen erhalten haben. Art. 3. Der Bundesrat wird beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874, betreffend die Volksabstimmungen iiber Bundesgesetze und Bundesbeschliisse, die Bekanntmachung dieses Gesetzes zu veranstalten und den Beginn der Wirksamkeit desselben festzusetzen. Also beschlossen vom Nationalrate, Bern, den 30. Marž 1900. Der Prasident: Geilinger. Der Protokollfiihrer: Ringier. Also beschlossen vom Standerate, Bern, den 30. Marž 1900. Der Prasident: Arnold Robert. Der Protokollfiihrer: Schatzmann. Vom Bundesrat in Kraft erklart am 13. Juli 1900. Zum Bundesgesetz betreffend die Nationalratsvvahlkreise. Ad Seite 65. 65 Bundesgesetz betreffend die Nationalratsvvahlkreise. (Vom 4. Juni 1902.) Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, in Vollziehung des Art. 72 der Bundesverfassung und mit Riicksicht auf ihren Beschlufi vom 20. Dezember 1901 iiber die Ergebnisse der eidgenbssischen Volkszahlttng vom 1. Dezember 1900, auf den Vorschlag des Bundesrates, beschliefit: Art. 1. Die Wahlen in den Nationalrat werden in den nachfolgenden eidgenossischen Wahlkreisen nach Mafi- gabe der Wohnbevolkerung vom 1. Dezember 1900, wie sie durch Bundesbeschlufi vom 20. Dezember 1901 fest- gestellt wurde, getroffen und verteilen sich auf dieselben in nachfolgender Weise: (s. umstehende Tabelle). Art. 2. Das Bundesgesetz vom 20. Juni 1890 (A. S. n. F. XI, 659) ist aufgehoben. Art. 3. Dieses Gesetz tritt fiir die nachste Gesamt- erneuerung des Nationalrates in Kraft. Art. 4. Der schweizerische Bundesrat ist beauftragt, auf Grundlage des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874, betreffend die Volksabstimmung iiber Bundesgesetze und Bundesbeschliisse, die Bekanntmachung dieses Gesetzes zu veranstalten und den Beginn der Wirksamkeit desselben festzusetzen. Also beschlossen vom Nationalrate, Bern, den 19. April 1902. Der Priisident: Dr. Iten. Der Protokollfiihrer: Ringier. Also beschlossen vom Standerate, Bern, den 4. Juhi 1902. Der PrSsident: Casimir von Arx. Der Protokollfiihrer: Schatzmann. Vom Bundesrat in Kraft erklart am 12. September 1902. 5 66 Bundesgesetz iiber den Geschaftsverkehr zwischen Nationalrat, Standerat und Bundesrat, sowie iiber die Form des Erlasses und der Bekanntmachung von Gesetzen und Be- schlussen. (Vom 9. Oktober 1902.) Die B undesversam m 1 u ng der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 30. Marž 1899, b es c h 1i e fi t: I. Geschaftsverkehr zvvischen dem National- und dem Standerat. Art. 1. Der Nationalrat und der Standerat versammeln sich zur ersten Abteilung der ordentlichen Session der Bundesversammlung am ersten Montag des Monats De- zember, zur zweiten Abteilung derselben Session am ersten Montag des Monats Juni des folgenden Jahres. Sie werden aufierordentlich einberufen durch BeschluB des Bundesrates oder wenn ein Viertel der Mitglieder des Nationalrates oder funt Kantone es verlangen. Art. 2. Bei dem Zusammentritt der beiden Rate ver- standigen sich die Prasidenten- derselben dartiber, von welchem Rate jedes Geschaft zuerst zu behandeln sei. In der ersten oder zweiten Sitzung legt jeder von ihnen dem Rate, welchem er vorsteht, das Resultat der Besprechung zum Entscheide vor. Wenn vor dem Zusammentritt der Rate ein Geschaft vom Bundesrate als ein besonders dringliches bezeichnet wird, so haben sich die Prasidenten iiber die Prioritats- verteilung vor Beginn der Session zu verstandigen, und es bedarf diese Vereinbarung der Genehmigung der Rate nicht. 67 Die Prasidenten sind in diesem Falle befugt, durch die Bureaux Kommissionen bestellen und diese in Funktion treten zu lassen. Art. 3. Wenn sich die Rate, oder im Falle des Art. 2, Absatz 2, die Prasidenten, iiber die Frage der Prioritat nicht einigen konnen, so wird dieselbe durch das von den Prasidenten zu ziehende Los entschieden. Art. 4. Die in Bezug auf Gesetzes- und Beschlusses- entwiirfe gefafiten Beschliisse des einen Rates sind nach Schlufi der Beratung vom Prasidenten und Protokollfiihrer zu unterzeichnen und mit einem Begleitschreiben in der Regel innerhalb zweier Tage dem andern Rate mitzuteilen. Beschliefit ein Rat in seiner erstmaligen Beratung, auf eine vom Bundesrate oder dem andern Rate ausgehende Vorlage nicht einzutreten, so hat er dem andern Rate hier- von Kenntnis zu geben. Beschliefit dagegen ein Rat, auf einen in Form einer Motion eingebrachten Gesetzes- oder Beschlussesentvvurf nicht einzutreten, oder verwirft er denselben nach erfolgter Durchberatung, so bleibt die Sache auf sich beruhen, und es wird der betreffende Beschlufi dem andern Rate nicht mitgeteilt. Art. 5. Stimmen die Schlufinahmen des einen Rates mit den vorher gefafiten Beschliissen des andern Rates nicht iiberein, so gehen sie zur Beratung der Differenzen ari diesen zuriick. Die weitere Beratung hat sich ausschliefilich auf die Punkte zu beschranken, iiber welche eine Einigung nicht zu stande gekommen ist, es ware denn, dafi ein neues Ein- treten durch beschlossene Abanderungen erforderlich wurde oder dafi die Kommissionen beider Rate ubereinstimmend einen beztiglichen Antrag stellten. Dieses Verfahren wird so lange fortgesetzt, bis eine Einigung zwischen den beiden Raten erreicht ist oder bis diese beschliefien, auf ihren abweichenden Schlufinahmen zu beharren. Art. 6. Beschliefien die beiden Rate, auf ihren ab- weichenden Schlufinahmen zu beharren, so sind die Diffe- 68 renzen einer aus den vereinigten Kommissionen beider Rate gebildeten Konferenz zu unterbreiten, welche versuchen soli, eine Verstandigung herbeizufiihren. Wenn die Kommission des einen Rates weniger Mit- glieder zahlt als diejenige des andern Rates, so ist sie auf die gleiche Zahl zu erganzen. Die Konferenz steht unter dem Vorsitz des Kommissions- prasidenten desjenigen Rates, der ftir die Behandlung des Geschaftes die Prioritat besafi. Art. 7. Der die Beilegung der Differenzen bezweckende Antrag der Konferenz geht zunachst an denjenigen Rat, welcher das Geschaft zuerst behandelt hat. Wenn ein solcher Antrag nicht erzielt werden kann oder wenn tiber denselben keine Einigung der Rate zu stande kommt — wobei jeder der beiden Rate nur einmal Beschlufi zu fassen hat — so gilt die Vorlage als abgelehnt und kann nur auf die ftir die Gesetzgebung vorgeschriebene Weise wieder zur Behandlung gebracht werden. Art. 8. Nach Schlufi der Beratung in beiden Raten gehen die Gesetze und allgemein verbindlichen Beschliisse, sofern die Rate nichts anderes beschliefien, an die Redak- tionskommission. Diese hat deren endgiiltigen deutschen und franzdsischen Wortlaut festzustellen, insbesondere die beiden Texte in Ubereinstimmung zu bringen und Wider- spriiche formaler Art mit bestehenden Gesetzen zu beseitigen. Zu sachlichen Anderungen an den Schlufinahmen der Rate ist sie nicht befugt. Art. 9. Die Redaktionskommission besteht aus den Berichterstattern der Kommissionen beider Rate, dem zweiten Vizekanzler und den Ubersetzern beider Rate. Sie kann auch andere Bundesbeamte oder auch Experten zu ihren Beratungen beiziehen. Sie wird einberufen und geleitet vom Berichterstatter der Kommission desjenigen Rates, welchem die Prioritat zustand. Die Protokollfiihrer der beiden Rate sind den Kom- missionssitzungen beizuwohnen berechtigt; auch konnen sie ihre Bemerkungen und Antrage schriftlich einreichen. 69 Art. 10. Der bereinigte Wortlaut geht an die beiden Rate zuriick. Wird er von dlesen iibereinstimmend gutge- heifien, so findet in jedem derselben noch eine Schlufi- abstimmung statt. Art. 11. Eine Schlufiabstimmung findet iiberhaupt in allen Fallen, also auch dann statt, wenn eine Vorlage nicht an die Redaktionskommission iiberwiesen worden ist. Wird hierbei die Vorlage von dem einen oder von beiden Raten verworfen, so gilt sie als nicht zu stande ge- kommen und kann n ur auf die fiir die Gesetzgebung vor- geschriebene Weise wieder zur Behandlung gebracht werden. Art. 12. Der italienische Wortlaut der Gesetze und allgemein verbindlichen Beschliisse ist der Durchsicht einer Kommission zu unterstellen, welche aus je einem Mitgliede des Nationalrates und des Standerates italienischer Zunge, dem zweiten Vizekanzler oder einem andern des Italienischen machtigen hoheren Beamten und dem Ubersetzer des Ent- wurfes besteht. Die dem National- und Standerate angehorenden Kom- missionsmitglieder sind von den Prasidenten dieser Rate jeweilen fiir die Dauer der laufenden Amtsperiode zu be- zeichnen. Art. 13. Jeder der Rate ist zu beforderlicher Behand¬ lung der ihm von dem andern iibermittelten Beratungs- gegenstande verpflichtet. Art. 14. Beschliisse, durch welche einer der beiden Rate den Bundesrat einladet, Bericht und Antrag vorzulegen, bediirfen der Zustimmung des andern Rates nicht. Die Zu- stimmung beider Rate aber ist dann notwendig, wenn die Vorlage eines Gesetzes- oder Beschlussesentwurfes verlangt wird oder wenn dem Bundesrate Weisungen erteilt werden, in welchem Sinne jene Antragstellung zu erfolgen habe, oder wenn der Bundesrat zu einem bestimmten Handeln aufgefordert wird. Art. 15. Wenn nach Art. 92 der Bundesverfassung die beiden Rate zusammentreten, so besorgt der Prasident des Nationalrates die Einladung und leitet die Verhandlungen. 70 Fiir das bei den Beratungen und bei den Wahlen der Bundesversammlung zu beobachtende Verfahren gelten die Vorschriften des Geschaftsreglementes des schweize- rischen Nationalrates. Art. 16. Keiner der beiden Rate kann sich auflosen oder vertagen ohne die Zustimmung des andern. Das Ausfallen von drei Sitzungen gilt nicht als Ver- tagung. Art. 17. Die Verhandlungen liber Bundesgesetze und allgemein verbindliche Bundesbeschliisse sind in beiden Raten stenographisch aufzunehmen. Jeder Rat kann auch in andern Geschaften seine Ver¬ handlungen stenographieren lassen. Das stenographische Bulletin ist jedem Redner vor der Drucklegung zu unterbreiten, und es haben dieselben das Recht, die Anbringung von stilistischen Verbesserungen, die den Sinn der Rede nicht andern diirfen, zu verlangen. Bei Anstanden iiber die Richtigkeit der stenographischen Redaktion entscheidet das Bureau des betreffenden Rates. II. Geschaftsverkehr mit dem Bundesrate. Art. 18. Der Bundesrat erlafit fiir jede Session an samtliche Mitglieder der gesetzgebenden Rate besondere Ein- ladungsschreiben. Diesen ist ein Verzeichnis der pendenten und neu hinzugekommenen Geschafte der Bundesversamm¬ lung beizufiigen. Bei jedem einzelnen Gegenstande soli das Stadium der Behandlung angegeben sein, in welchem der- selbe sich zur Zeit befindet. Fiir die im Verlaufe einer Session weiter eingehenden Geschafte ist ein Nachtrag zum Verzeichnis vorzulegen. In dem Einladungsschreiben des Bundesrates soli auch die von den Prasidenten der beiden Rate fiir den ersten Sitzungstag festgesetzte Tagesordnung angegeben sein. Den Mitgliedern der Rate sollen die wichtigern Bot- schaften, wenn immer mbglich, acht Tage vor Beginn der Session zugestellt werden. 71 Art. 19. Der Bundesrat iibersendet alle Mitteilungen, welche fur die Beratung der Bundesversammlung bestimmt sind, gleichzeitig an die Prasidenten der beiden Rate. Die Akten eines Geschaftes werden vorderhand auf der Bundeskanzlei zur Verfiigung desjenigen Rates belassen, der das Geschaft zuerst in Behandlung nimmt. Der Verkehr der Bundeskanzlei mit den Kommissionen und Mitgliedern der Rate wird durch ein vom Bundesrate zu erlassendes Reglement geregelt. Art. 20. Jeder Beratungsgegenstand kann dem Bundes¬ rate vorerst zur Berichterstattung iibervviesen werden. Auch sind die Kommissionen der beiden Rate befugt, Mitglieder des Bundesrates behufs Erteilung von Aufschliissen in ihre Sitzungen einzuladen. Art. 21. Beschwerden liber Verfiigungen und Entschei- dungen des Bundesrates sollen demselben mitgeteilt werden, ehe sie zur Behandlung kommen. Art. 22. Jedes Mitglied der gesetzgebenden Rate hat das Recht, vom Bundesrat liber jeden die Angelegenheiten des Bundes betreffenden Gegenstand Auskunft zu verlangen (Interpellation). Wer von diesem Rechte Gebrauch machen will, soli den Gegenstand der Interpellation dem Prasidenten schriftlich mitteilen, und es mufi dieselbe im Nationalrate durch wenigstens 10, im Standerate durch wenigstens 3 Mitglieder unterstiitzt sein. Der Prasident gibt hiervon der Versammlung wie dem Bundesrate Kenntnis und bringt, falls letzterer nicht die sofortige Beantwortung vorzieht, die Verhandlung auf die Tagesordnung einer der nachsten Sitzungen. Der Interpellant begriindet seine Interpellation, welche von dem Vertreter des Bundesrates beantwortet wird. Nachdem die Interpellation beantwortet ist, kann der Interpellant erklaren, ob er durch die erhaltene Auskunft befriedigt sei oder nicht. Eine weitere Diskussion findet nur statt, wenn es von der Versammlung beschlossen wird. Art. 23. Auf die Junisession unterbreitet der Bundes¬ rat der Bundesversammlung die Berichte iiber seine Ge- schaftsfiihrung und die Rechnungen des vorhergehenden Jahres, auf die Dezembersession die Voranschlage fiir das folgende Jahr. Diese Vorlagen sollen den Kommissionen spatestens einen Monat vor Beginn der Session gedruckt zugestellt werden. Die Wahl der Geschaftspriifungskommissionen beider Rate ist, gleichgiiltig, welchem Rate die Prioritat zukomme, spatestens in der Dezembersession vorzunehmen. Art. 24. Voranschlage, Nachtragskreditbegehren und Staatsrechnungen einer Amtsperiode sind der gleichen Kom- mission (Finanzkommission) zur Priifung und Berichter- stattung zuzuweisen. Jeder Rat hat seine Finanzkommission selber zu wahlen. Kein Mitglied darf derselben langer als 6 Jahre ununter- brochen angehbren. Im Laufe der Amtsperiode austretende Mitglieder sind sobald als mbglich wieder zu ersetzen. Die Finanzkommissionen bezeichnen ihre Prasidenten. Art. 25. Die Finanzkommissionen beider Rate wahlen aus ihrer Mitte fiir die betreffende Amtsperiode eine Dele- gation, in welche jede Kommission 3 Mitglieder abordnet und welche sich selbst konstituiert. Art. 26. Dieser Delegation liegt die nahere Priifung und Uberwachung des gesamten Finanzhaushaltes ob. Sie versammelt sich mindestens einmal vierteljahrlich, im iibrigen nach Bediirfnis. Sie hat das unbedingte und jederzeitige Recht der Einsichtnahme in das Rechnungswesen der verschiedenen Departemente und Verwaltungszweige. Insbesondere ist ihr seitens der Finanzkontrolle jeder mogliche Aufschlufi zu erteilen, und es sind ihr zu diesem Zwecke alle Protokolle und Censuren, alle Korrespondenzen zwischen dem Finanzdepartement und den iibrigen Departe- menten, der Bundeskanzlei und dem Bundesgericht, sowie alle Bundesratsbeschliisse, welche sich auf die Uberwachung der Budgetkredite und den Finanzhaushalt im allgemeinen beziehen, zur Disposition zu stellen. Ebenso ist ihr fiir besondere Priifungen und Unter- suchungen das notige Personal zur Verfiigung zu stellen; 73 aufierdem kann sie zur Abklarung von Verhaltnissen, deren Beurteilung besondere Fachkenntnisse erfordert, das Gut- achten von Sachverstandigen einholen. Art. 27. Die Kommissionen des Nationalrates und des Standerates fiir Priifung von Budget und Rechnung der Alkoholverwaltung bestellen in gleicher Weise eine Dele- gation fur Priifung von Budget und Rechnung der Alkohol- verwaltung. Die Alkoholverwaltung hat der Delegation gedruckte Quartalberichte liber den ganzen Geschaftsgang vorzulegen. Art. 28. Den Raten steht die Befugnis zu, auch noch andere Kommissionen fur die ganze Dauer einer Legislatur- periode zu bestellen. Art. 29. Die vereinigten Bureaux der beiden Rate sind ermachtigt, fur dringliche oder weniger wichtige Trak- tanden der vereinigten Bundesversammlung, insbesondere auch fur Begnadigungsgesuche, Kommissionen von sich aus zu ernennen. Art. 30. Die Prasidenten der beiden Rate sollen dafiir sorgen, dafi die Kommissionen fiir jede Session eine ge- niigende Anzahl von Geschaften vorbereitet haben. Art. 31. Alle Schlufinahmen der Rate sind dem Bundes- rate zur Kenntnisnahme und eventuellen Vollziehung mit- zuteilen. Dies geschieht durch denjenigen Rat, welcher das Ge- schaft zuerst behandelt hat. HI. Form des Erlasses und der Bekanntmachung von Gesetzen und Beschliissen. Art. 32. Nachdem ein Gesetz- oder ein Beschlufi von beiden Abteilungen der Bundesversammlung angenommen ist, wird durch die Bundeskanzlei eine Originalausfertigung besorgt, namens der Bundesversammlung von den Prasi¬ denten und Protokollfiihrern der beiden Rate mit Angabe des Datums der Annahme unterzeichnet und dem Bundes- rate zur Bekanntmachung und eventuellen Vollziehung mitgeteilt. 74 Art. 33. Alle Gesetze, wichtigeren Beschliisse und Verordnungen, ferner, nach stattgehabtem Austausch der Ratifikationen, die Staatsvertrage, werden in der amtlichen Sammlung der Bundesgesetze und Verordnungen der schweizerischen Eidgenossenschaft veroffentlicht. Im ubrigen gelten fur Erlasse, welche dem Referen¬ dum unterliegen, speziell die Vorschriften des Bundes- gesetzes vom 17. Juni 1874. Art. 34. Beschltisse betreffend die Erteilung, Aban- derung oder Ubertragung von Eisenbahnkonzessionen werden in der „ Sammlung der auf das schweizerische Eisenbahnwesen beziiglichen amtlichen Aktenstiicke “ ver¬ offentlicht. Art. 35. Die amtliche Sammlung der Bundesgesetze und Verordnungen wird in deutscher, franzosischer und italienischer Sprache moglichst gleichzeitig, die Sammlung der auf das schweizerische Eisenbahnwesen beztiglichen amtlichen Aktenstiicke in deutscher und franzosischer Sprache herausgegeben. Die erstgenannte Sammlung wird den kantonalen Re- gierungen, ihren Departementen oder Direktionen, den Regierungsstatthalter- oder Bezirksamtern, den kantonalen Gerichten und den politischen Gemeinden in je einem Exemplar unentgeltlich zugesandt. Die kantonalen Amtsstellen sind verpflichtet, sie ge- bunden aufzubewahren., Die Burger haben das Recht, auf den Gemeindekanzleien von derselben Einsicht zu nehmen. Art. 36. Ist der Zeitpunkt des Beginnes der Wirk- samkeit eines Gesetzes, eines Bundesbeschlusses oder einer Verordnung in denselben nicht festgesetzt, so wird er vom Bundesrate bestimmt und gleichzeitig mit dem Gesetze, dem Bundesbeschlusse oder der Verordnung veroffentlicht. Dieser Zeitpunkt soli in der Regel nicht frtiher an- gesetzt werden als fiinf Tage nach der Veroffentlichung. Solite tiber den Zeitpunkt des Beginnes der Wirksam- keit nichts bestimmt worden sein, so tritt der betreffende Erlafi fiinf Tage nach seiner Veroffentlichung in Wirksam- 75 keit. Ist die Veroffentlichung der verschiedenen Texte nicht gleichzeitig erfolgt, so lauft die fiinftagige Frist von der letzten Veroffentlichung an. Art. 37. Das Bundesgesetz uber den Geschaftsverkehr zwischen dem Nationalrate und dem Standerate, sowie liber die Form der Erlassung und Bekanntmachung von Gesetzen und Beschliissen, vom 22. Dezember 1849, sowie alle iibrigen mit dem gegenwartigen Gesetze in Widerspruch stehenden Bestimmungen werden aufgehoben. Art. 38. Der Bundesrat wird beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874, betreffend die Volksabstimmung liber Bundesgesetze und Bundesbeschlusse, die Bekanntmachung dieses Gesetzes zu veranstalten und den Beginn der Wirksamkeit desselben festzustellen. Also beschlossen vom Nationalrate, Bern, den 7. Oktober 1902. Der Prasident: Dr. iten. Der Protokollftihrer: Ringier. Also beschlossen vom Standerate, Bern, den 9. Oktober 1902. Der Prasident: Casimir von Arx. Der Protokollftihrer: Schatzmann. Vom Bundesrat in Kraft erklart am 20. Januar 1903, ausge- nommen Art. 17, dessen Wirksamkeit auf 1. Juni 1903 und Art. 35 und 36, deren Wirksamkeit auf 1. Januar 1904 festgesetzt wird. 76 Geschaftsreglement des Nationalrates. (Vom 5. Juni 1903.) Der Nationalrat gibt sich in Ausfiihrung von Art. 86 der Bundesverfassung folgendes Geschaftsreglement: I. Einberufung und Konstituierung. Art. 1. Der Nationalrat versammelt sich zur ersten Abteilung der ordentlichen Session jeweilen am ersten Montag des Monats Dezember, zur zweiten Abteilung der- selben am ersten Montag des folgenden Juni. (Bundesgesetz iiber den Geschaftsverkehr, vom 9. Oktober 1902, Art. 1.) Art. 2. Er wird, abgesehen von der auf die Integral- erneuerung folgenden Session (Bundesgesetz betreffend die eidgenossischen Wahlen und Abstimmungen, vom 19. Juli 1872, Art. 27), durch Einladungsschreiben des Bundesrates einberufen; dem Schreiben ist das Verzeichnis der Ge- schafte beizulegen, welche bei der Bundesversammlung be- reits anhangig sind oder in der kommenden Session behandelt werden sollen. Art. 3. In der konstituierenden Sitzung der Legislatur- periode fiihrt das alteste Mitglied des Rates den Vorsitz; es bildet nebst vier von ihm zu bezeichnenden Stimmen- zahlern ein provisorisches Bureau. Art. 4. Die Priifung der Wahlen wird vom Rate an eine durch das provisorische Bureau zu bestellende Kom- mission gewiesen. Diese Kommission hat die Priifung der Wahlprotokolle sofort an die Hand zu nehmen und in betreff der Wahlen, bei welchen ein Anstand nicht besteht, beforderlich Bericht zu erstatten. 77 Art. 5. Der Rat beschliefit liber die Giiltigkeit der Wahlen, und es kann die Konstituierung des Rates erfolgen, sofern wenigstens die Wahlen der absoluten Mehrheit der Mitglieder des Rates als giiltig erklart worden sind. (E.-V. Art. 87.) Art. 6. Unmittelbar nach der Konstituierung des Rates wird zur Beeidigung der Mitglieder, deren Wahl als giiltig erklart worden ist, geschritten. Die Eidesformel wird vom Bundeskanzler oder seinem Stellvertreter verlesen, worauf die Mitglieder des Rates stehend und mit erhobener Rechten die Worte sprechen : ,,lch schwore es.“ Art. 7. Die Eidesformel lautet: ,,Ich schwbre vor Gott dem Allmachtigen, die Ver- fassung und die Gesetze des Bundes treu und wahr zu halten; die Einheit, Kraft und Ehre der schweizerischen Nation zu wahren; die Unabhangigkeit des Vaterlandes, die Freiheit und die Rechte des Volkes und seiner Burger zu schiitzen und zu schirmen und iiberhaupt alle mir iiber- tragenen Pflichten gewissenhaft zu erfiillen, so wahr mir Gott helfe.“ Art. 8. An die Stelle des Eides kann ein schriftliches Geltibde nachstehenden Inhaltes treten: ,,Ich gelobe, die Verfassung zu erfiillen. “ Mitglieder, welche dieses Geliibde abzulegen wiinschen, haben dasselbe, mit ihrer Unterschrift versehen, dem Praši - denten zu iibergeben. Art. 9. Ein Mitglied, welches sich den Eid zu leisten oder das Geliibde abzulegen weigert, kann an den Ver- handlungen nicht teilnehmen, so lange es den reglemen- tarischen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist. Art. 10. Die Wahlpriifungskommission hat liber die in der ersten Sitzung noch nicht genehmigten Wahlen be- forderlich zu berichten, und es soli die Beeidigung sofort nach der jeweiligen Giiltigerklarung stattfinden. 78 Art. 11. Die Vorschriften der Art. 6— 10 gelten auch beziiglich der Mitglieder, welche in Ersatzwahlen gewahlt worden sind. II. Bureau und Kanzlei; Protokoli. Art. 12. Nach der Konstituierung des Rates und der Beeidigung der Mitglieder erfolgt die Bestellung des defini¬ tiven Bureaus. Art. 13. Das Bureau besteht aus dem Prasidenten des Nationalrates und acht Stimmenzahlern. Als solches bestellt es die Kommissionen, deren Wahl ihm vom Rate iibertragen wurde, und erledigt die anderweitigen ihm iiber- wiesenen Geschafte, wahrend vier seiner Mitglieder in einer von ihm festzustellenden Kehrordnung die Funktionen als Stimmenzahler (Art. 20) und die Priifung des Protokolls besorgen (Art. 24). Der Rat wahlt im ferneren einen Vizeprasidenten, der als solcher nicht Mitglied des Bureaus ist. Art. 14. Die Amtsdauer des Prasidenten und des Vize¬ prasidenten lauft, vorbehaltlich der Bestimmungen des Art. 78 der B.-V., mit dem Amtsjahr des Rates ab. Der Prasident ist fiir das folgende Amtsjahr weder als Prasident, noch als Vizeprasident, der Vizeprasident nicht wieder als solcher wahlbar. Die Amtsdauer der Stimmenzahler betragt drei Jahre und lauft mit der Amtsdauer des Rates ab; wenn ein Mitglied wahrend zwei unmittelbar aufeinander folgenden ganzen Amtsdauern das Amt eines Stimmenzahlers bekleidet hat, ist es fiir die folgende Amtsdauer des Rates als solcher nicht wieder wahlbar. Im Falle von Ersatzwahlen treten die Gewahlten in die Amtsdauer ihrer Vorganger ein. Art. 15. Der Prasident leitet die Verhandlungen. Er nimmt die an den Nationalrat gerichteten Schriftstiicke ent- gegen und bringt sie dem Rate in der ersten Sitzung nach Empfang zur Renntnis. 79 Art. 16. Er wacht liber die Befolgung des Reglementes und handhabt die Ordnung in der Versammlung. Art. 17. Redner, welche sich gegeniiber dem Rate oder einzelnen Mitgliedern desselben beleidigende Aufie- rungen oder die Unterschiebung unlauterer Absichten zu schulden kommen lassen, sowie Mitglieder, welche durch Bemerkungen, Zwischenrufe und dgl. die Ordnung stbren, wird der Prasident zur Ordnung rufen und ihnen bei fort- gesetzten Ordnungswidrigkeiten das Wort entziehen. Im Falle der Einsprache gegen den Ordnungsruf oder den Wortentzug entscheidet der Rat ohne Diskussion durch Abstimmung; bestatigt er den Ordnungsruf oder den Wort- entzug, so ist derselbe zu Protokoli zu nehmen. Art. 18. Wenn Ruhestorungen den Fortgang der Ver- handlungen erheblich erschweren, so kiindigt der Prasident an, dali er die Sitzung aufheben werde; dauert die Stbrung tort, so hebt er die Sitzung fiir die Dauer einer Stunde auf; nach Ablauf dieser Stunde wird sie von Rechts wegen wieder aufgenommen. Art. 19. Der Vizeprasident besorgt die Verrichtungen des Prasidenten, wenn dieser verhindert ist. In Verhinderung des Prasidenten und des Vizeprasi- denten iibernimmt der letzt abgetretene Prasident den Vorsitz.. Art. 20. Die Stimmenzahler besorgen die Zahlung der Stimmenden; bei den Wahlverhandlungen liegt ihnen die Austeilung und die Zahlung der Stimmzettel ob. Art. 21. Die Kanzleigeschafte des Nationalrates werden von der Bundeskanzlei besorgt; es ist ihr zu diesem Behufe ein besonderer Ubersetzer beigegeben. Art. 22. Der Bundeskanzler oder einer seiner Stell- vertreter fiihrt das Protokoli. Der Protokollfiihrer sorgt in Verbindung mit dem Ubersetzer fiir die Ubersetzung der Mitteilungen, Erkla- rungen und Vorschlage des Prasidenten und der Antrage der Kommissionen, Referenten und iibrigen Votanten. 80 Art. 23. Das Protokoli ist in deutscher und franzo- sischer Sprache abztifassen; es hat die in der Sitzung behandelten Geschafte, die in die Abstimmung gefallenen Antrage und das Ergebnis der Abstimmungen und der Wahlgeschafte zu verzeichnen und soli ein Resume der Diskussion enthalten. Findet gemafi Art. 17 des Bundesgesetzes iiber den Geschaftsverkehr die stenographische Aufnahme der Ver- handlungen statt, so talit das Resume der Diskussion weg. Art. 24. Das vorlaufig vom Protokollfiihrer unterzeich- nete Protokoli jeder Sitzung soli wahrend des folgenden Tages im Sitzungssaale aufliegen. Die Mitglieder des Rates konnen wahrend der Auflage- frist Einsprachen gegen dessen Richtigkeit dem Protokoll- fiihrer schriftlich einreichen. Das Bureau entscheidet liber deren Begriindetheit, unter Vorbehalt der Berufung an den Rat. Nach Ablauf der Auflagefrist, beziehungsweise nach Erledigung der Einsprachen wird das Protokoli vom Bureau genehmigt und sodann auch vom Prasidenten unterzeichnet. Art. 25. Das Protokoli der letzten Sitzung der Session wird ohne vorgangige Auflage vom Bureau genehmigt. Art. 26. Falls die Verhandlungen stenographiert werden, so ist jedem Redner, behufs Anbringung stilistischer Ver- besserungen (Bundesgesetz iiber den Geschaftsverkehr, Art. 17), das Stenogramm wahrend einer bestimmten Zeit im Zimmer der Stenographen zur Verfiigung zu halten. Hiervon ist ihm durch das stenographische Bureau Kenntnis zu geben. Macht er von seinem Rechte innert der anbe- raumten Zeit keinen Gebrauch, so wird angenommen, dafi er darauf verzichte. Art. 27. Bei Anstanden iiber die Richtigkeit der stenographischen Redaktion entscheidet das Bureau (Art. 17 des genannten Gesetzes). Durch Erledigung derartiger Anstande darf indessen die Drucklegung des Bulletins nicht aufgehalten werden. 81 Art. 28. Die Bundeskanzlei sorgt fiir die Bedienung des Rates und der Kommissionen durch die notige Zahl von Weibeln. III. Sitzungen. Art. 29. Der Nationalrat tritt, sofern nichts anderes beschlossen wird, jeweilen an den ftinf ersten Wochen- tagen zur Sitzung zusammen, wahrend der Samstag frei bleibt. Im Falle am Samstag keine Sitzung abgehalten wird, findet am Schlusse der unmittelbar vorangehenden Freitagssitzung ein zweiter Namensaufruf statt. Fiir die erste Sitzung wird die Eroffnungsstunde im Einladungsschreiben festgesetzt. Im iibrigen bestimmt der Rat jeweilen die Eroffnungsstunde. Die Sitzungen finden mit Ausnahme des Montags am Vormittage statt und dauern in der Regel ftinf Stunden. Werden ausnahmsweise Nachmittagssitzungen angeordnet, so soli die Vormittagssitzung nicht langer als vier Stunden dauern. Nachmittagssitzungen sollen nur ausnahmsweise statt- finden. Die normale Sitzungsdauer betragt 5 Stunden. Art. 30. Die Mitglieder sind verpflichtet, allen Sitzungen beizuwohnen. Im Falle der Verhinderung haben sie sich bei dem Prasidenten unter Angabe des Verhinderungs- grundes zu entschuldigen. Art. 31. Die Mitglieder wohnen den Sitzungen in dunkler Kleidung bei. Art. 32. Zur festgesetzten Stunde eroffnet der Prasident die Sitzung und lafit den Namensaufruf vornehmen. Mitglieder, welche beim Namensaufruf nicht anwesend waren, haben sich nachtraglich in die auf dem Tische der Stimmenzahler aufliegende Liste einzutragen. Um giiltig verhandeln zu konnen, ist die Anwesenheit der absoluten Mehrheit der Mitglieder erforderlich (B.-V. Art. 87). Art. 33. Der Prasident kann auch wahrend der Sitzung einen Namensaufruf anordnen. 6 82 Ein Namensaufruf muB angeordnet werden, wenn sich ergibt, dafi der Rat nicht beschluBfahig ist. Mitglieder, welche bei diesem, sowie bei dem in einer Freitagssitzung stattfindenden zweiten Namensaufruf (Art. 29, Alinea 1) unentschuldigt abwesend sind, verlieren ihren Anspruch auf das Taggeld. Gegen die Entscheidung des Prasidenten iiber die Hinlanglichkeit der Entschuldigung kann der Rekurs an das Bureau ergriffen werden. Art. 34. Bevor zur Behandlung der Geschafte ge- schritten wird, erbffnet der Prasident dem Rate die diesen betreffenden Mitteilungen, und gibt die Namen der Mitglieder, welche ihre Abwesenheit entschuldigt haben, zu Protokoli. Art. 35. Jeweilen vor SchluB der Sitzung legt der Prasident die Tagesordnung fiir die folgende Sitzung vor; sie ist nach ihrer Genehmigung durch Anschlag im Sitzungs- saale bekannt zu geben. Die Tagesordnung der ersten Sitzung der Session wird im Einladungsschreiben mitgeteilt. Art. 36. Die Sitzungen des Nationalrates sind in der Regel offentlich. (B.-V. Art. 94.) Dem Publikum stehen Tribiinen zur Verfiigung. Es hat sich stille zu verhalten und jede Aufierung von Beifall oder Mifibilligung zu unterlassen. Den Vertretern der Presse sind besondere Tribiinen eingeraumt. Denselben werden die zur Verbffentlichung geeigneten Drucksachen in geniigender Zahl zugestellt. Art. 37. Der Prasident ist befugt, im Falle von Larm oder Unordnung auf den Tribiinen diese raumen zu lassen, sofern eine Mahnung ohne Erfolg geblieben ist; wahrend der Raumung wird die Sitzung unterbrochen. Art. 38. Vom Bundesrate oder von 10 Mitgliedern kann der Antrag gestellt werden, dafi fiir im Antrage be- stimmt zu bezeichnende Verhandlungsgegenstande die Offent- lichkeit der Beratung aufgehoben und geheime Beratung gepflogen werde. 83 Wahrend der Beratung iiber einen solchen Antrag sind die Tribiinen zu raumen; lehnt der Rat den Antrag ab, so sind sie wieder zu offnen. Wird geheime Beratung beschlossen, so sind die Mit- glieder verpflichtet, iiber die Verhandlungen Stillschweigen zu beobachten. IV. Gegenstande der Beratung. Art. 39. Die Beratungsgegenstande gelangen vor den Nationalrat: 1. durch Botschaften des Bundesrates, mittelst deren er den Entwurf eines Bundesgesetzes oder eines Bundes- beschlussesvorlegt, oder durchBerichte desBundesrates; 2. durch Motionen, Postulate oder Interpellationen; 3. durch Mitteilungen des Standerates; 4. durch Petitionen oder Rekurse. Art. 40. Die Botschaften und Berichte des Bundes¬ rates werden, falls nicht aus besonderen Grtinden, z. B. wegen Dringlichkeit, sofortiges Eintreten beschlossen wird, einer Kommission des Rates zur Vorberatung iiberwiesen und erst auf Grund der Berichterstattung derselben in Be¬ ratung gezogen. Ihre Antrage sollen 2 Tage vor der ersten Beratung den Mitgliedern des Rates gedruckt zugestellt werden. Vorlagen des Bundesrates, welche sich auf eine schon in Beratung liegende Angelegenheit beziehen, sind ohne weiteres mit der Hauptvorlage zu behandeln, sofern nicht die Kommission die Oberweisung zur Vorberatung verlangt. Art. 41. Motionen von Mitgliedern, d. h. Antrage, welche sich nicht auf eine schon in Beratung liegende Angelegenheit beziehen, sind dem Prasidenten schriftlich und unterzeichnet einzugeben und werden von ihm sofort dem Rate zur Kenntnis gebracht. Sie werden erst in einer folgenden Sitzung behandelt, sofern nicht der Rat mit einer Mehrheit von zwei Drittel der Anwesenden sofortige Behandlung beschliefit. 84 Art. 42. Postulate, d. h. Antrage selbstandigen Charakters, welche mit einem bestimmten Beratungsgegenstand in Kon- nexitat stehen, sind in der Regel mit diesem zu erledigen und gleich gewohnlichen Antragen zu behandeln. Art. 43. Interpellationen sind nach den Vorschriften von Art. 22 des Bundesgesetzes iiber den Geschaftsverkehr zu behandeln. Art. 44. Mitteilungen des Standerates, die sich auf einen Gegenstand beziehen, der bereits in Beratung liegt, kbnnen sofort behandelt werden, sofern die vorberatende Kommission nicht die Uberweisung an sie verlangt. Betreffen sie aber einen neuen Gegenstand, so sind sie einer Kommission zur Vorberatung zu iiberweisen. Art. 45. Petitionen werden der Petitionskommission zur Vorberatung iiberwiesen. Diese kann die vorgangige Berichterstattung des Bundesrates einfordern. Dagegen werden Rekurse jeweilen erst nach vorgangiger Berichterstattung des Bundesrates erledigt (Bundesgesetz iiber den Geschaftsverkehr, Art. 21). Eingaben von Privaten oder Behbrden, welche sich auf eine schon in Beratung liegende Angelegenheit beziehen, sind bei Beratung der Hauptvorlage zu behandeln. Art. 46. Wenn ein Kanton durch Korrespondenz von seinem Vorschlagsrechte (fnitiative) gemafi Art. 93 B.-V. Gebrauch macht, so ist die Eingabe dem Bundesrate zum Berichte zu uberweisen. V. Kommissionen. Art. 47. Der Rat bestimmt auf den Antrag des Prasi- denten die Zahl der Mitglieder der Kommissionen. Er wahlt die Mitglieder der Kommissionen in geheimer Abstimmung, kann aber auch die Wahl dem Bureau iiber- tragen. Das erstgewahlte Mitglied beruft die Kommission zur Beratung ein und versieht das Amt des Prasidenten. 85 Art. 48. Folgende Kommissionen werden fiir die ganze Dauer der Legislaturperiode in der ersten Dezembersession bestellt: 1. Die Kommission zur Priifung der Wahlakten; 2. die Finanzkommission (Bundesgesetz iiber den Ge- schaftsverkehr, Art. 24); 3. die Alkoholkommission (Bundesgesetz liber den Ge- schaftsverkehr, Art. 27); 4. die Petitionskommission; 5. die Kommission fiir die Eisenbahnkonzessionen; 6. die Kommission fiir Zolltarif und Handelsvertrage. Im iibrigen konnen auch noch andere Kommissionen fiir die ganze Dauer einer Legislaturperiode bestellt werden (Bundesgesetz iiber den Geschaftsverkehr, Art. 28). Art. 49. Die Kommission fiir den Geschaftsbericht des Bundesrates und des Bundesgerichtes wird in der De¬ zembersession ernannt. Art. 50. Ein Mitglied darf in der Regel nicht mehr als vier Kommissionen gleichzeitig angehoren. Niemand ist gehalten, gleichzeitig Mitglied von mehr als zwei Kommissionen zu sein. Art. 51. Ein Motionssteller, welcher nicht Mitglied der zur Priifung seines Antrages berufenen Kommission sein solite, hat immerhin das Recht, denselben in der Kom¬ mission zu begriinden. Art. 52. Nach Schlufi der Beratung bestimmen die Kommissionen durch Stimmenmehrheit dasjenige oder die- jenigen ihrer Mitglieder, welche dem Rate Bericht zu er- statten haben. In der Regel erfolgt diese Berichterstattung in zwei Sprachen, und die Kommissionen konnen beschlieBen, dafi sie schriftlich stattfinde. Nach Erledigung eines Geschaftes haben die Bericht- erstatter die Akten der Bundeskanzlei zu iibergeben. Art. 53. Die Kommissionen konnen zu ihren Bera- tungen Sekretare zuziehen. 86 Art. 54. Vakanzen im Schofie einer Kommission sind durch den Rat, beziehungsweise durch das Bureau befor- derlich auszufiillen. Art. 55. Der Prasident des Rates wird dariiber wachen, daf.1 die Kommissionen den Gang ihrer Arbeit tunlichst beschleunigen; er ist befugt, vor dem Beginne einer Session diejenigen Kommissionen zu bezeichnen, welche ihre Be- richterstattung bis zur Sessionseroffnung bereit zu halten haben. VI. Beratung. a. Allgemeine Bestimmungen. Art. 56. Die Mitglieder, welche zum Beratungs- gegenstande sprechen wollen, haben sich am Prasidenten- tische zum Worte zu melden oder von ihrem Platze aus das Wort zu begehren. Die Meldung zum Worte kann erst nach der Eroffnung der Beratung stattfinden. Kein Mitglied soli sprechen, bevor ihm der Prasident das Wort erteilt h at. Art. 57. Die Berichterstatter der Kommission erhalten zuerst das Wort; die Kommissionsmitglieder sind berech- tigt, sofort nach den Berichterstattern zu sprechen. Bei der Behandlung von Motionen hat der erstunter- zeichnete Motionssteller das erste Wort. Art. 58. Nach Eroffnung der allgemeinen Diskussion erteilt der Prasident das Wort in der Reihenfolge der Ein- tragungen oder Begehren. Haben mehrere Mitglieder zu gleicher Zeit das Wort begehrt, so wird es denjenigen zuerst erteilt, welche in der Sache noch nicht gesprochen haben. Die Vertreter des Bundesrates und die Berichterstatter ausgenommen, kann niemand mehr als zweimal in derselben Sache sprechen, es sei denn, dafi der Rat anders beschliefie. Art. 59. Es ist stets gestattet, das Wort zu begehren, um die Beachtung des Reglementes zu verlangen, um einen 87 Ordnungsantrag zu stellen, oder um auf eine Bemerkung personlicher Natur zu antworten. Art. 60. Will der Prasident sich an der Beratung be- teiligen, so hat er die Leitung der Verhandlung dem Vize- prasidenten abzugeben und sich bei ihm um das Wort zu melden ; es wird ihm in der Reihenfolge der Eintragungen erteilt. Art. 61. Die Mitglieder sprechen stehend an ihren Platzen oder an einem in der Nahe des Prasidenten zu reservierenden Platze. Fiir die Referenten sind ebenfalls Platze in der Nahe des Prasidenten zu reservieren. Art. 62. Die Redner sollen sich an den Gegenstand der Beratung halten. Entfernt sich ein Redner allzusehr vom Gegenstande, so soli ihn der Prasident zur Sache mahnen; bleibt eine zweimalige Mahnung erfolglos, so ist der Rat anzufragen, ob dem Redner fiir die fernere Verhandlung das Wort ent- zogen werden solle; der Rat entscheidet hieriiber sofort ohne Diskussion. Art. 63. Wird wahrend der Beratung ein Ordnungs¬ antrag gestellt, so wird die Beratung in der Sache selbst unterbrochen und der Ordnungsantrag erledigt. Art. 64. Wenn das Wort nicht mehr begehrt wird, so erklart der Prasident die Beratung fiir geschlossen. Nach dem Schlusse der Beratung kann das Wort nicht mehr begehrt werden. Art. 65. Die Versammlung kann mit zwei Dritteilen der anwesenden Mitglieder den Schlufi der Beratung be- schliefien; diese Schlufinahme ist indessen nicht vollziehbar, solange ein Mitglied, welches einen Antrag zwar gestellt, aber noch nicht begriindet hat, noch nicht zum Wort ge- kommen ist. b. Kommissionsvorlagen. Art. 66. Bei Gesetzes- und Beschlussesentwiirfen wird zuerst iiber die Eintretensfrage beraten. 88 Art. 67. Wenn eine Kommission zu einstimmigen Antragen gelangt ist und dieselben in einem gedruckten Berichte begriindet hat, so wird sogleich die allgemeine Diskussion erbffnet. Art. 68. Bei Gegenstanden, bei denen in der Kom¬ mission keine Meinungsverschiedenheit zu Tage getreten ist, kann eine nur summarische Berichterstattung erfolgen. Bei der Behandlung von Eisenbahnkonzessionen kann die Berichterstattung ganz unterbleiben, sofern die Kom¬ mission sich einstimmig fiir die Vorlage des Bundesrates entschieden hat und eine Differenz mit dem Standerate nicht besteht. In solchen Fallen gibt der Prasident des Rates der Versammlung Kenntnis vom Beschlusse der Kommission und eroffnet die allgemeine Diskussion. Art. 69. Nach Schlufi der Eintretensberatung entscheidet sich der Rat, ob er auf die Vorlage eintreten wolle. Ent¬ scheidet er sich fiir das Eintreten, so wird zur Beratung der einzelnen Artikel geschritten. Art. 70. Jedes Mitglied hat das Recht, Abanderungs-, Zusatz- oder Streichungsantrage zu stellen. Sie sind dem Prasidenten schriftlich einzugeben und miissen auf Ver- langen der Kommission an diese zur Vorberatung gewiesen werden. Art. 71. Nach Schlufi der artikelweisen Beratung kann jedes Mitglied beantragen, dafi auf einzelne bestimmt zu bezeichnende Artikel zuriickgekommen werde; dem Antrag- steller ist gestattet, den Wiedererwagungsantrag kurz zu begriinden, ebenso kann der Gegenantrag kurz begriindet werden; sodann entscheidet der Rat ohne weitere Diskussion. Wird der Antrag angenommen, so findet iiber die betreffenden Artikel eine nochmalige Beratung statt. Art. 72. Der Rat kann nach Schlufi der Beratung den Entwurf zur Revision und Bereinigung des Textes an die Kommission zurtickweisen. Die Riickweisung mufi erfolgen, wenn die Kommission es verlangt. 89 In Bezug auf die Entwiirfe zu Bundesgesetzen oder allgemein verbindlichen Bundesbeschliissen gilt Art. 8 des Bundesgesetzes liber den Geschaftsverkehr. Art. 73. Uber jede Vorlage hat nach Schlufi der artikelweisen Beratung eine Gesamtabstimmung und, nach Begleichung der Differenzen und endgultiger Bereinignng der Redaktion, eine Schlufiabstimmung stattzufinden. c. Motionen. Art. 74. Bei der ersten Beratung einer Motion wird nur tiber die Erheblichkeit abgestimmt. Ist dieselbe be- schlossen, so entscheidet die Versammlung, ob sie liber die Motion vorerst das Gutachten des Bundesrates oder einer Kommission einholen, oder ob sie ohne eine solche Vorberatung sogleich selbst definitiv entscheiden wolle. Abanderungsantrage sind erst zulassig, nachdem der Rat ohne vorgangige Uberweisung an den Bundesrat ‘oder eine Kommission selbst zu entscheiden beschlossen hat. Art. 75. Die Motion kann von ihren Unterzeichnern vor der Beratung oder wahrend derselben zuriickgezogen werden. Wird sie aber von andern Mitgliedern anlafilich der Mitteilung des Riickzuges aufgenommen, so ist sie zur Beratung und Abstimmung zu bringen. VII. Abstimmungen. Art. 76. Vor der Abstimmung gibt der Prasident eine kurze Ubersicht iiber die im Laufe der Beratung gestellten Antrage und legt hierauf dem Rate die Gestaltung der Ab¬ stimmung vor. Einwendungen gegen die Gestaltung der Abstimmung werden von der Versammlung sogleich erledigt. Art. 77. Die Unterabanderungsantrage sind vor den Abanderungsantragen und diese vor den Hauptantragen ins Mehr zu setzen. Sind mehr als zwei Hauptantrage gestellt worden, so werden sie nebeneinander in Abstimmung gebracht, wobei 90 jedes Mitglied nur fiir einen derselben stimmen kann. Wenn keiner der Hauptantrage die Mehrheit erhalten hat, so ent- scheidet der Rat in einer weitern Abstimmung, welcher von den zwei Antragen, die am wenigsten Stimmen erhalten haben, aus der Abstimmung zu fallen hat. Die Abstimmung wird fortgefiihrt, bis einer der Antrage die absolute Mehr¬ heit erhalt. Art. 78. Wer fiir einen Unterabanderungsantrag gestimmt hat, ist nicht gehalten, auch fiir den Abanderungsantrag zu stimmen; ebensowenig verpflichtet die Stimmabgabe zu gunsten eines Abanderungsantrages zur Stimmabgabe fiir den Hauptantrag. Art. 79. Ist eine Abstimmungsfrage teilbar, so kann jedes Mitglied zum Behufe der Abstimmung die Trennung verlangen. Bei Abstimmungen iiber zusammengesetzte An¬ trage soli diese Trennung immer stattfinden. Art. 80. Kein Mitglied kann zur Stimmabgabe ange- halten werden. Fiir die Berechnung des Mehrs ist die Zahl der Stimmenden mafigebend. Art. 81. Die Stimmgebung erfolgt durch Aufstehen oder unter Namensaufruf. Art. 82. Die Zahlung der Aufstehenden wird von den Stimmenzahlern vorgenommen; in der Regel soli auch das Gegenmehr durch Aufstehen konstatiert werden. Bei Schlufi- abstimmungen mufi dies geschehen. Besteht iiber das Ergebnis der ersten Abstimmung ein Zweifel, so mufi die Abstimmung wiederholt werden. Art. 83. Die Abstimmung unter Namensaufruf hat stattzufinden, wenn sie von 30 Mitgliedern verlangt wird. Auch kann der Prasident von sich aus die Abstimmung unter Namensaufruf anordnen. Der Prasident setzt den Wortlaut der Stimmabgabe fest; die Stimmenden antworten von ihren Sitzen aus. Die Namen der Stimmenden und ihre Stimmabgabe fallen in das Protokoli. 91 Als Stimmende diirfen nur diejenigen Mitglieder ge- zahlt werden, die unmittelbar nach Verlesung ihres Namens ihre Stimme abgegeben haben. Art. 84. ger Pržsident stimmt nicht m it. Bei Stimmengleichheit talit ihm der Stichentscheid zu; in diesem Falle hat er das Recht, seine Stimmabgabe vom Prasidentenstuhle aus zu begriinden. VIII. Wahlen. Art. 85. Die Wahlen geschehen schriftlich und geheim nach dem Grundsatze des absoluten Mehrs. Bei der Wahl der Stimmenzahler und der Kommissionen wird das Listenscrutinium angewendet. Bei der Berechnung des absoluten Mehrs fallen die leeren und ungiiltigen Stimmzettel aufier Betracht. Art. 86. Von den Stimmenzahlern werden fiir jeden Wahlgang Stimmzettel mit besonderer Farbe und besonderm Aufdrucke an die Mitglieder ausgeteilt. Die Zahl der ausgeteilten und der wieder eingelangten Stimmzettel ist von den Stimmenzahlern festzustellen und vom Prasidenten dem Rate zur Kenntnis zu bringen; nach der Mitteilung der Zahl der wieder eingelangten Stimmzettel diirfen keine weitern mehr angenommen werden. Ubersteigt die Zahl der eingelangten Stimmzettel die Zahl der aus- gegebenen, so wird der Wahlgang als nichtig erklart, und es hat ein neuer stattzufinden. Art. 87. Das Bureau ermittelt das Wahlergebnis, und der Prasident lafit es durch den Protokollfiihrer dem Rate verkiinden. Art. 88. Die beiden ersten Wahlgange sind ganzlich frei. In den folgenden Wahlgangen fallen der oder die Kandidaten aus der Wahl, welche die wenigsten Stimmen auf sich vereinigt haben. Solite in einem Wahlgang einem Kandidaten das relative Mehr, allen iibrigen Kandidaten aber die gleiche geringere Stimmenzahl zufallen, so ist durch einen besondern Wahlgang derjenige der letztern auszu- 92 mitteln, welcher aus der Wahl zu fallen hat; in diesem Wahlgang ist auf den Stimmzettel der Name desjenigen Kandidaten zu setzen, der aus der Wahl fallen soli. Art. 89. Verteilen sich in zwei aufeinander folgenden Wahlgangen die Stimmen gleichmafiig auf mehr als zwei Kandidaten, so wird das Los denjenigen bezeichnen, der aus der Wahl fallen soli. Art. 90. Bleiben nur zwei Kandidaten in der Wahl, und erhalten sie in zwei aufeinander folgenden Wahlgangen die gleiche Stimmenzahl, so wird nach dem zweiten Skru- tinium das Los entscheiden, welcher von beiden gewahlt sein soli. Art. 91. Der Prasident des Rates beteiligt sich bei den Wahlen wie jedes andere Mitglied; ihm fallt die Ziehung des Loses zu. Schlufibestimmung. Dieses Reglement tritt an die Stelle des Reglementes vom 9. Juli 1850. Es tritt sofort in Wirksamkeit. Also beschlossen vom Nationalrate, Bern, den 5. Juni 1903. Der Prasident: Cd. Zschokke. Der Protokollfiihrer: Ringier. 93 Zusatzartikel zum Geschaftsreglement des schweizerisclien Nationalrates, betreffend die Beratung der Zivilrechtsgesetze. (Vom 22. Juni 1877.) Der schweizerische Nationalrat, nach Einsicht der Botschaft des Bundesrates vom 4. Juni 1877, beschliefit folgende Zusatzartikel zu seinem Geschaftsreglement vom 9. Juli 1850 (Amtl. Samml. II, 14), betreffend die Be¬ ratung der Zivilrechtsgesetze: Art. 1. Bei Gesetzvorschlagen betreffend das eidge- nossische Zivilrecht (Art. 64 der Bundesverfassung) wird eine artikelweise Beratung nicht eroffnet. Art. 2. Der Nationalrat beschliefit nach Erledigung der Eintretensfrage, ob er den Gesetzvorschlag in seiner Gesamtheit oder abschnittsweise in Beratung ziehen wolle. Art. 3. Nachdem die Abanderungsbeschliisse die Zu- stimmung beider Rate erhalten haben, wird das Ergebnis der Beratung vor der Schlufiabstimmung liber den ganzen Gesetzvorschlag dem Bundesrate iibermittelt, der die Gesetz- vorlage oder die einzelnen Abschnitte, beziiglich welcher Abanderungen beschlossen worden sind, im Sinne dieser Beschliisse umarbeiten lafit. Art. 4. Der Bundesrat legt den umgearbeiteten Ent- wurf den Raten zur nochmaligen Beratung und Beschlufi- fassung vor. Also beschlossen vom Nationalrate, Bern, den 22. Juni 1877. Der Prasident: Marti. Der Protokollfiihrer: Schiefi. 94 Geschjiftsreglement des Standerates. (Vom 27. Marž 1903.) Titel I. Allgemeine Bestimmungen. Art. 1. Der Nationalrat und der Standerat versammeln sich zur ersten Abteilung der ordentlichen Session der Bundesversammlung am ersten Montag des Monats Dezember, zur zweiten Abteilung derselben Session am ersten Montag des Monats Juni des folgenden Jahres. Sie werden aufierordentlich einberufen durch Beschlufi des Bundesrates oder wenn ein Viertel der Mitglieder des Nationalrates oder fiinf Kantone es verlangen (Bundesgesetz tiber den Geschaftsverkehr, vom 9. Oktober 1902, Art. 1). Art. 2. Die Mitglieder des Standerates werden zu jeder Versammlung durch Einladungsschreiben des Bundes¬ rates einberufen. Denselben wird ein Verzeichnis der am ersten Sitzungstage und soweit moglich ein solches der wahrend der betreffenden Sitzungsperiode zu behandelnden Gegenstande beigelegt. Art. 3. Der Standerat priift die Ernennungsakte der neugewahlten Mitglieder. Nachdem die Ernennungsakte der¬ selben in Ordnung befunden worden sind, schworen oder geloben dieselben, was folgt: „Ich schwbre vor Gott dem Allmachtigen, l , , , . die Ver- „Ich gelobe, 1 fassung und Gesetze des Bundes treu zu halten, die Ein- heit, Kraft und Ehre der schweizerischen Nation zu wahren, die Unabhangigkeit des Vaterlandes, die Freiheit und die Rechte des Volkes und der Burger zu schiitzen und iiber- haupt alle mir iibertragenen Pflichten gewissenhaft zu er- fiillen." 95 Solange die Mitglieder des Standerates ihr Mandat ohne Unterbrechung beibehalten, sind sie bei ihrer Wieder- wahl von der Leistung des Eides oder Gelobnisses ent- hoben. Art. 4. Fiir die erste Sitzung wird die Eroffnungsstunde im Einladungsschreiben festgesetzt. Im iibrigen beginnen in der Regel die Sitzungen in der Zeit vom 1. Mai bis 31. Oktober um 8 Uhr, in der Zeit vom 1. November bis 30. April um 9 Uhr vormittags. Art. 5. Die Mitglieder sind verpflichtet, den Sitzungen des Rates regelmafiig beizuwohnen. Art. 6. Wenn ein Mitglied an mehr als einer Sitzung nicht teilnehmen kann, ist es gehalten, den Prasidenten hiervon in Kenntnis zu setzen. Art. 7. Beim Beginn jeder einzelnen Sitzung findet der Namensaufruf statt. Die Namen der Abwesenden werden im Protokoli vor- gemerkt. Art. 8. Zur Fassung giiltiger Beschliisse und zur Vor- nahme von Wahlen ist die Anwesenheit von mindestens dreiundzwanzig Mitgliedern des Standerates erforderlich. Art. 9. Wenn die Zahl der Anwesenden unter die beschlufifahige Anzahl herabsinkt, kann ein weiterer Namens¬ aufruf vorgenommen werden. Art. 10. Die Mitglieder wohnen den Sitzungen in dunkler KJeidung bei. Titel II. Bureau. Art. 11. Der Standerat wahlt bei Beginn jeder ordent- lichen Session aus seiner Mitte einen Prasidenten, einen Vizeprasidenten und zwei Stimmenzahler. Wird die Stelle des Prasidenten oder Vizeprasidenten vor Beginn der zweiten Abteilung der ordentlichen Session frei, so findet eine Neuwahl statt. Stimmenzahler werden sofort ersetzt. 96 Aus den Abgeordneten desjenigen Kantons, aus wel- chem fiir eine ordentliche Session der Prasident gewahlt worden ist, kann fiir die nachstfolgende ordentliche Session weder der Prasident noch der Vizeprasident gewahlt werden. Abgeordnete des gleichen Kantons konnen nicht wah- rend zwei unmittelbar aufeinanderfolgenden ordentlichen Sessionen die Stelle eines Vizeprasidenten bekleiden. Art. 12. Der Prasident, Vizeprasident und die zwei Stimmenzahler bilden das Bureau. Bei Wahlen und Abstimmungen im Bureau zahlt bei Stimmengleichheit die Stimme des Prasidenten doppelt. Art. 13. Der Prasident wacht iiber die Handhabung der Rechte des Standerates, namentlich auch beziiglich einer gleichmafiigen Prioritatenverteilung, iiber genaue Befolgung des Reglementes und iiber die Ordnung und den Anstand in der Versammlung. Art. 14. Er gibt von samtlichen an den Standerat gerichteten Schreiben und Eingaben der Versammlung im Laufe der Sitzung oder spatestens in der ersten Sitzung nach deren Empfang Kenntnis. Art. 15. Der Prasident bestimmt die Ordnung, nach welcher die Geschafte behandelt werden sollen. Der Ver¬ sammlung blcibt-indessen unbenommen, die vom Prasidenten bezeichnete Geschaftsordnung abzuandern. Art. 16. Am Schlusse jeder Sitzung zeigt der Prasident die Tagesordnung der folgenden an. Von Zeit zu Zeit gibt er Kenntnis iiber den Stand der Traktanden. Art. 17. Der Prasident hat dafiir zu sorgen, dafi vor jeder Session einzelne Kommissionen sich versammeln und ihre Berichte und Antrage vorbereiten, so dafi bei Beginn der ersten Sitzung geniigende spruchreife Traktanden vorliegen. Art. 18. Der Vizeprasident iibt die Verrichtungen des Prasidenten aus, wenn dieser letztere hieran verhindert ist. Art. 19. Wenn Prasident und Vizeprasident des Rates an der Geschaftsleitung verhindert sind, so hat der abge- 97 tretene Prasident, eventuell dessen Vorganger im Amt, als Interimsprasident zu funktionieren. Art. 20. Die Stimmenzahler ermitteln das Resultat jeder Abstimmung. Es wird dasselbe durch den Prasidenten der Versammlung mitgeteilt. Art. 21. Das Bureau ernennt die Kommissionen, deren Bestellung ihm iibertragen ist. Art. 22. In der Zwischenzeit ist der Prasident ermach- tigt, fiir die Reprasentation des Rates zu sorgen; auch ist das Bureau ausnahmsweise befugt, zur Vorberatung von Geschaften Kommissionen zu bestellen. Titel HI. Kanzlei. Art. 23. Die Bundeskanzlei besorgt das Sekretariat beim Standerate. Der eidgenossische Vizekanzler oder ein Stellvertreter desselben fiihrt fiir jede Sitzung ein Protokoli. Art. 24. Das Protokoli soli alle Verhandlungen der Sitzung ervahnen und die Beratungsgegenstande, sowie alle Antrage mit kurzer wesentlicher Motivierung, die ge- fafiten Entscheidungen und, sofern Zahlung stattgefunden hat, auch die Stimmenzahl enthalten. Bei Aufnahme des stenographischen Bulletins sind im Protokoli einzig die zur Abstimmung gelangenden Antrage mit Abstimmungsergebnis vorzumerken und im ilbrigen auf das stenographische Bulletin hinzuweisen. Das Protokoli wird vom Prasidenten und Protokoll- fiihrer unterzeichnet. Art. 25. Dieses Protokoli wird unmittelbar nach dem Namensaufruf verlesen. Der Rat genehmigt oder berichtigt es. Ausnahmsweise kann die Genehmigung des Protokolls der letzten Sitzung einer Session vom Rate dem Bureau iibertragen werden. Art. 26. Die Protokollberichtigungen konnen nur auf die Redaktion, auf Irrtiimer oder Auslassungen sich beziehen. 7 98 Niemals darf unter dem Titel einer Protokollberichtigung eine SchluBnahme des Standerates geandert werden. Art. 27. Dem Protokollfiihrer wird ein Ubersetzer bei- gegeben. Art. 28. Soweit die Verlesung von Aktenstucken not- wendig ist, erfolgt sie durch den Protokollfiihrer oder den Ubersetzer. Die Berichte und Antrage der Kommissionen werden von deren Berichterstattern vorgetragen. Art. 29. Alle in einer der drei Nationalsprachen ge- stellten Antrage werden der Versammlung in deutscher und franzosischer Sprache mitgeteilt. Art. 30. Die Bundeskanzlei sorgt fiir die Bedienung des Rates und der Kommissionen durch die notige Zahl von Weibeln. Titel IV. Kommissionen. Art. 31. Die Kommissionen erstatten iiber die von der Versammlung zur Vorberatung an sie gewiesenen Ver- handlungsgegenstande Bericht und ernennen hierfur einen oder mehrere Berichterstatter. Dieselben haben in der Regel ihre Antrage an die Versammlung vor der betreffenden Ver- handlung den Mitgliedern gedruckt zustellen zu lassen. Art. 32. Die Versammlung wahlt die Kommissionen entweder selbst in geheimer Abstimmung oder sie iiberlafit dem Bureau die Bezeichnung der Mitglieder; in letzterem Falle ist der Erstbezeichnete Prasident der Kommission. Nimmt hingegen der Rat die Wahl der Kommission selbst vor, so wird zuerst die Kommission gewahlt und nachher durch besonderes Skrutinium das Prasidium aus den Gewahlten bestellt. Die Finanzkommission (Art. 24 des Gesetzes iiber den Geschaftsverkehr) bezeichnet selbst ihren Prasidenten. Treten nach Schlufi einer Session Mitglieder einer vom Rate direkt gewahlten Kommission aus und erweist sich der Zusammentritt dieser Kommission vor Beginn einer 99 neuen Session als dringlich, so wird das Bureau die Er- ganzung der Kommission und, sofern das austretende Mit- glied Prasident der Kommission war, die Neubestellung des Prasidiums vornehmen. Art. 33. Die infolge des Petitionsrechtes beim Stande- rat einlangenden Bittschriften werden in der Regel zur Priifung an eine wenigstens aus fiinf Mitgliedern bestehende Kommission gewiesen, welche jahrlich gewahlt wird. Art. 34. Folgende Kommissionen werden fiir die ganze Dauer der Legislaturperiode in der ersten Dezembersession bestellt : 1. die Finanzkommission (Bundesgesetz liber den Ge- schaftsverkehr, Art. 24); 2. die Alkoholkommission (Bundesgesetz iiber den Ge- schaftsverkehr, Art. 27); 3. die Militarkommission ; 4. die Kommission fiir Bahnkonzessionen; 5. die Bundesbahnkommission; 6. die Zolltarifkommission. Im iibrigen konnen auch noch andere Kommissionen fiir die ganze Dauer einer Legislaturperiode bestellt werden (Bundesgesetz iiber den Geschaftsverkehr, Art. 28). Titel V. Offentlichkeit der Verhandlungen. Art. 35. Die Sitzungen des Standerates sind in der Regel offentlich. Art. 36. Den Zuhorern wird ein abgesonderter Raum (Tribune) angewiesen. - Dieselben sollen sich ruhig ver- halten und jede Aufierung von Beifall und MiBbilligung unterlassen. Wer dieser Vorschrift zuwiderhandelt, kann auf Befehl des Prasidenten entfernt werden. Art. 37. Entsteht Unordnung oder Larm auf der Tri¬ bune, so lafit sie der Prasident nach erfolgloser Mahnung — 100 — raumen. Die Sitzung wird unterbrochen, bis der Befehl vollzogen ist. Art. 38. Den Vertretern der Presse sind besondere Tribiinen eingeraumt. Es werden denselben die zur Ver- offentlichung geeigneten Drucksachen in geniigender Zahl zugestellt. Art. 39. Ein Antrag auf geheime Beratung kommt nur dann zur Behandlung, wenn er von fiinf Mitgliedern des Standerates unterstiitzt oder vom Bundesrate gestellt wird. Art. 40. Vor der Beratung liber die Frage, ob eine geheime Sitzung zu halten sei, haben sich die Zuhorer und die Vertreter der Presse zu entfernen. Titel VI. Gegenstande, Gang und Form der Beratung. Art. 41. Der Standerat behandelt die Gegenstande, welche in seinen Geschaftskreis einschlagen, infolge: 1. eines Antrages, Gesetzvorschlags oder iiberhaupt eines Berichtes des Bundesrates; 2. einer Mitteilung des Nationalrates; 3. der Anregung eines seiner Mitglieder oder eines Kantons (Art. 93 B.-V.); 4. einer Bittschrift oder einer anderweitigen Eingabe. Art. 42. Bei der Beratung erfolgt zuerst die Bericht- erstattung der Kommission, in wichtigen Fallen nach Be- schlufi der Kommission in deutscher und franzbsischer Sprache. Hierauf konnen die Mitglieder der Kommission die Berichte erganzen oder ihre Gegenantrage begriinden. Sodann wird die allgemeine Diskussion eroffnet. Art. 43. Die Beratung erstreckt sich zunachst auf die Eintretensfrage. Ist das Eintreten beschlossen, so folgt die artikelweise Beratung, sofern der Rat nicht beschliefit, die Vorlage ab- schnittsweise oder in ihrer Gesamtheit zu beraten. 101 Art. 44. Nachdem die Beratung eroffnet ist, sollen die Mitglieder, welche das Wort zu ergreifen wiinschen, es vom Prasidenten verlangen. Derselbe soli die Namen derjenigen, welche das Wort verlangen, in der Reihenfolge, in welcher sie es verlangt haben, einschreiben und es jedem in dieser Reihenfolge erteilen. Die Einschreibung darf erst nach Eroffnung der Diskussion beginnen. Ein Mitglied, welches das Wort noch nicht ergriffen hat, hat immerhin das Vorrecht vor demjenigen, welches tiber den Gegenstand schon gesprochen hat. Niemand kann das Wort ergreifen, ohne es vom Pra¬ sidenten verlangt zu haben und bevor es ihm erteilt worden ist. Art. 45. Wiinscht der Prasident selbst als Mitglied der Versammlung zu sprechen, so hat er vom Vizeprasi- denten das Wort zu verlangen, welcher dies der Versamm¬ lung zur Kenntnis bringt und ersterem der Reihenfolge nach das Wort erteilt. Wahrend der Prasident spricht, nimmt der Vizeprasident den Vorsitz ein. Art. 46. Die Mitglieder des Bundesrates haben bei den Verhandlungen des Standerates beratende Stimme und auch das Recht, iiber einen in Beratung liegenden Gegen¬ stand Antrage zu stellen. (Art. 101 der Bundesverfassung.) Art. 47. In der Regel miissen die Antrage dem Prasi¬ denten schriftlich eingereicht werden. Art. 48. Entfernt sich ein Redner zu sehr vom Be- ratungsgegenstand, so ist er vom Prasidenten zu ermahnen, bei der Sache zu bleiben. Art. 49. Wenn ein Redner den parlamentarischen An- stand verletzt, namentlich wenn er sich beleidigende Aufie- rungen erlaubt, so hat ihn der Prasident zur Ordnung zu rufen. Erhebt dieser Redner Einsprache gegen den Ord- nungsruf, so entscheidet die Versammlung. Art. 50. Wird eine Ordnungsmotion gestellt, so bleibt die Beratung in der Hauptsache bis zur Erledigung der Ordnungsmotion unterbrochen. 102 Art. 51. Werm niemand mehr das Wort begehrt, er- klart der Prasident die Beratung flir geschlossen. Nach Schlufi der Beratung hat niemand mehr das Recht, das Wort zu verlangen. Art. 52. Nach durchgefiihrter erster Beratung eines Verhandlungsgegenstandes ist jedem Mitgliede gestattet, zu beantragen, dafi einzelne Artikel nochmals in Beratung ge- zogen werden, und diesen Antrag kurz zu begriinden. Die Versammlung entscheidet ohne weitere Diskussion liber die Zulassung der Wiedererwagung. Wird die Wiedererwagung zugelassen, so findet liber den betreffenden Artikel eine nochmalige freie Beratung statt. Art. 53. Hat eine artikel- oder abschnittweise Beratung stattgefunden, so erfolgt nach deren Beendigung eine Ab- stimmung liber das Ganze. Die Mitglieder des Rates sind berechtigt, vor dieser Abstimmung ihre Stimmabgabe oder ihre Stimmenthaltung kurz zu begriinden. Art. 54. Bei Beratung der Differenzen zwischen beiden Raten wird nur liber die einzelnen Differenzen, dagegen nicht liber das Ganze abgestimmt. Art. 55. Nach Schlufi der Beratung in beiden Raten gehen die Gesetze und allgemein verbindlichen Beschliisse, sofern die Rate nichts anderes beschlieBen, an die Redak- tionskommission. Diese hat deren endgiiltigen deutschen und franzosischen Wortlaut festzustellen, insbesondere die beiden Texte in Ubereinstimmung zu bringen und Wider- spriiche formaler Art mit bestehenden Gesetzen zu besei- tigen. Zu sachlichen Anderungen an den Schlufinahmen der Rate ist sie nicht befugt. (Art. 8 des Gesetzes liber den Geschaftsverkehr.) Art. 56. Der bereinigte Wortlaut geht sodann an die beiden Rate zuriick. Wird er von diesen iibereinstimmend gutgeheifien, so findet in jedem derselben noch eine Schlufi- abstimmung statt. Bei dieser Abstimmung findet Art. 53, Absatz 2, eben- falls Anwendung (Art. 10 des Gesetzes liber den Geschafts¬ verkehr). 103 Titel VII. Form der Abstimmung. Art. 57. Vor der Abstimmung gibt der Prasident eine Ubersicht liber die wahrend der Beratung gestellten An- trage. Er bezeichnet die Reihenfolge der Fragen ftir die Abstimmung. Uber erhobene Einwendungen entscheidet die Versammlung. Die Fragestellung und deren Reihenfolge werden in deutscher und franzosischer Sprache eroffnet. Art. 58. Uber die auf den Beratungsgegenstand be- ziiglichen Antrage wird in folgender Ordnung abgestimmt: Die Unterabanderungsantrage sind vor den Abande- rungsantragen und diese letzteren vor dem Hauptantrage in Abstimmung zu bringen. Die Zustimmung zu einem Unterabanderungsantrag verpflichtet nicht, zum Abanderungs- antrag, und ebensowenig die Zustimmung zum Abanderungs- antrag, auch ftir den Hauptantrag zu stimmen. Ist eine Abstimmungsfrage teilbar, so kann jedes Mit- glied Trennung verlangen. Liegen mehr als zwei koordinierte Hauptantrage vor, so werden alle nebeneinander in Abstimmung gebracht. Hat keiner derselben die absolute Mehrheit der Stimmenden erhalten, so wird abgestimmt, welcher von denjenigen zwei Antragen, die am wenigsten Stimmen auf sich vereinigt haben, aus der Abstimmung fallen solle. Sodann wird in gleicher Weise zwischen den iibrigbleibenden Antragen ab¬ gestimmt, bis einer derselben die absolute Mehrheit erhalt. Es bleibt dem Rate unbenommen, einen andern Abstim- mungsmodus zu beschlieBen. Art. 59. Die Stimmgebung geschieht durch Hand- aufheben. Art. 60. Das Gegenmehr ist aufzunehmen, wenn der Prasident es anordnet oder wenn es von einem Mitgliede verlangt wird. Art. 61. Auf Verlangen von mindestens 10 Mitgliedern finden die Abstimmungen unter Namensaufruf statt, in 104 welchem Falle die Stimmabgabe beziehungsvveise die Stimm- enthaltung der einzelnen Mitglieder in das Protokoli ein- getragen wird. Art. 62. Bei gleichgeteilter Stimmenzahl hat der Pra- sident den Stichentscheid abzugeben. In diesem Falle kann er die Stimmabgabe begriinden. Sonst stimmt er nicht. Titel VIII. Motionen und Interpellationen. Art. 63. Jedes Mitglied des Standerates ist berechtigt, Antrage oder Motionen zn stellen, welche neue, von den vorgelegten Beratungsgegenstanden unabhangige Fragen betreffen. Solche Antrage sind dem Prasidenten schriftlich einzureichen und einer abgesonderten Beratung zu unter- breiten. Diese Beratung soli regelmafiig nicht in derjenigen Sitzung stattfinden, in welcher der Antrag der Versammlung mitgeteilt worden ist. Nur zwei Dritteile der Anwesenden konnen die unmittelbare Beratung beschliefien. Art. 64. Bei der ersten Beratung wird nur liber die Erheblichkeit abgestimmt. Wenn die Motion erheblich er- klart ist, entscheidet die Versammlung, ob sie iiber den Antrag vorerst den Bericht des Bundesrates oder einer Kommission einholen oder ohne eine solche Vorberatung selbst definitiv entscheiden wolle. Art. 65. Jedes Mitglied der eidgenossischen Rate hat das Recht, vom Bundesrat iiber jeden die Angelegenheiten des Bundes betreffenden Gegenstand Auskunft zu verlangen (Interpellation). Wer von diesem Rechte Gebrauch machen will, soli den Gegenstand der Interpellation dem Prasidenten schriftlich mitteilen, und es mufi dieselbe im Nationalrate durch wenigstens zehn, im Standerate durch wenigstens drei Mitglieder unterstiitzt sein. (Art. 22, Al. 1 B. G. iiber den Geschaftsverkehr.) Der Prasident gibt hiervon der Versammlung wie dem Bundesrate Kenntnis und bringt, fails letzterer nicht die sofortige Beantvvortung vorzieht, die Verhandlung auf die Tagesordnung einer der nachsten Sitzungen. 105 Der Interpellant begrimdet seine Interpellation, welche von dem Vertreter des Bundesrates beantwortet wird. Nachdem die Interpellation beantwortet ist, kann der Interpellant erklaren, ob er durch die erhaltene Auskunft befriedigt sei oder nicht. Eine weitere Diskussion findet nur statt, wenn es von der Versammlung beschlossen wird. (Art. 22 des Gesetzes liber den Geschaftsverkehr.) Titel IX. Wahlen. Art. 66. Samtliche Wahlen finden in geheimer Ab- stimmung mit absolutem Stimmenmehr statt. Art. 67. Bei jedem Wahlgang werden besondere Stimmzettel ausgeteilt. Der Prasident teilt der Versammlung die Zahl der ausgeteilten und wieder eingelangten Stimm¬ zettel mit, und es ist dieselbe am Protokoli vorzumerken. Ubersteigt die Zahl der letztern diejenige der erstern, so ist der Wahlgang nichtig. Ist dagegen die Zahl der ein¬ gelangten Stimmzettel gleich oder kleiner als die Zahl der ausgeteilten, so nimmt die Wahlverhandlung ihren Fortgang. Art. 68. Bei Ausmittlung der absoluten Mehrheit werden die unbeschriebenen und die ungiiltigen Stimmzettel nicht in Anrechnung gebracht. Art. 69. Die beiden ersten Wahlgange sind frei. Nach dem zweiten Wahlgang kbnnen keine neuen Kandidaten in die Wahl kommen. Im dritten und den folgenden Wahlgangen fallen der oder die Kandidaten aus der Wahl, welche die wenigsten Stimmen auf sich vereinigt haben. Wenn mehrere Kandi¬ daten gleich wenig Stimmen erhalten haben, so fallen sie auf einmal samtlich aus der Wahl. Hatte jedoch ein Kan¬ didat die relative Mehrheit der Stimmen, alle tibrigen aber eine gleiche Stimmenzahl erhalten, so entscheidet eine eigene Abstimmung dariiber, welcher von den letztern nicht mehr in der Wahl bleiben soli. Die Stimmzettel werden alsdann denjenigen Kandidaten mit Namen bezeichnen, welcher nicht mehr in die Wahl kommt. 106 Art. 70. Verteilen sich in zwei aufeinanderfolgenden Wahlgangen die Stimmen gleichmafiig auf mehr als zwei Kandidaten, so wird derjenige, welcher aus der Wahl fallen soli, durch das Los bestimmt. Art. 71. Bleiben nur zwei Kandidaten in der Wahl und erhalten sie in zwei aufeinanderfolgenden Wahlgangen die gleiche Stimmenzahl, so wird nach dem zweiten Skru- tinium das Los entscheiden, welcher von beiden gewahlt ist. Art. 72. Der Prasident des Rates beteiligt sich bei den Wahlen wie jedes andere Mitglied; ihm fallt die Ziehung des Loses zu. Schluflbestimmung. Dieses Reglement tritt an Stelle desjenigen vom 7. De- zember 1849. Es tritt sofort in Kraft. Also beschlossen vom Standerat, Bern, den 27. Marž 1903. Der Prasident: Hoffmann. Der Protokollfiihrer: Schatzmann. 107 Znsatzartikel zum Geschaftsreglement des schvveizerischen Standerates, betreffend die Beratung der Zivilrechtsgesetze. (Vom 21. Juni 1877.) Der s c h w ei ze r i s c h e Standerat, nach Einsicht der Botschaft des Bundesrates vom 4. Juni 1877, beschliefit folgende Zusatzartikel zu seinem Geschaftsreglement vom 7. Dezember 1849 (Amtl. Samml. II, 1), betreffend die Beratung der Zivilrechtsgesetze : Art. 1. Bei Gesetzvorschlagen betreffend das eidge- nossische Zivilrecht (Art. 64 der Bundesverfassung) wird eine artikelweise Beratung nicht erbffnet. Art. 2. Der Standerat beschliefit nach Erledigung der Eintretensfrage, ob er den Gesetzvorschlag in seiner Ge- samtheit oder abschnittweise in Beratung ziehen wolle. Art. 3. Nachdem die Abanderungsbeschliisse die Zu- stimmung beider Rate erhalten haben, wird das Ergebnis der Beratung vor der Schlufiabstimmung liber den ganzen Gesetzvorschlag dem Bundesrate iibermittelt, der die Gesetz- vorlage oder die einzelnen Abschnitte, beziiglich welcher Abanderungen beschlossen worden sind, im Sinne dieser Beschliisse umarbeiten lafit. Art. 4. Der Bundesrat legt den umgearbeiteten Ent- wurf den Raten zur nochmaligen Beratung und Beschlufi- fassung vor. Also beschlossen vom Standerate, Bern, den 21. Juni 1877. Der Prasident: Hoffmann. Der Protokollfiihrer: J. L. Liitscher. 108 Wahlreglement fiir die Schvveizerische Bundesversammlung. (Vom 27. Januar 1859.) Die Bundesversammlung der schweizerischen Ei dgenossenschaft, in vereinigter Sitzung der beiden Rate nach Art. 80 (nun 92) der Bundesverfassung, beschliefit folgendes Wahlreglement fiir die vereinigten Rate: Art. 1. Das Wahlbureau besteht aus dem Prasidenten, den vier Stimmenzahlern des Nationalrates und den zwei Stimmenzahlern des Standerates. Art. 2. Die Wahlen der Bundesversammlung gehen mittels geheimer Abstimmung mit absoluter Mehrheit vor sich. Die Wahl des Bundesrates und des Bundesgerichtes soli den Mitgliedern jeweilen drei Tage vor der Wahl- verhandlung selbst schriftlich angezeigt werden. Die Wahl von Kommissionen kann dem Bureau tiber- tragen werden. Art. 3. Bei der geheimen Wahl werden von den Stimmenzahlern besondere, fiir jeden Wahlgang anders be- zeichnete Stimmzettel an die Mitglieder der Versammlung ausgeteilt. Jeder Stimmenzahler gibt der Kanzlei die Zahl der Stimmzettel an, welche er ausgeteilt hat. 109 Die Zahl der ausgeteilten Stimmzettel wird vor der Stimmensammlung durch das Prasidium angezeigt. Art. 4. Jedes Mitglied der Versammlung schreibt den Namen desjenigen, welchen es gewahlt wiinscht, mit deut- licher Bezeichnung der Person, auf den erhaltenen Stimm¬ zettel. Sind mehrere Wahlen gleicher Gattung vorzunehmen, so kann die Versammlung beschliefien, dass mehrere oder alle Namen zugleich auf den Stimmzettel geschrieben werden. Art. 5. Die Weibel sammeln die Stimmzettel ein und liefern dieselben dem Bureau ab. Art. 6. Wahrend des Austeilens und Einsammelns der Stimmzettel haben die Mitglieder auf ihren Sitzen zu ver- bleiben. Art. 7. Das Bureau zahlt die eingelangten Stimm¬ zettel ab, und der Prasident eroffnet die Zahl der ausge¬ teilten und eingegangenen Stimmzettel. Nach dieser Eroffnung diirfen keine weitern Stimm¬ zettel dem Bureau eingereicht werden. Ubersteigt die Zahl der eingelangten beschriebenen oder unbeschriebenen Stimmzettel die Zahl der ausgeteilten Zettel, so ist das Skrutinium ungiiltig und mufi von Neuem vorgenommen werden. Sind hingegen so viele Stimmzettel eingelangt, als ausgeteilt wurden, oder weniger, so hat die Wahl ihren Fortgang. Art. 8. Das Bureau sondert sich hierauf in zwei Ab- teilungen, von welchen die eine den Kanzler, die andere dessen Stellvertreter zum Sekretar hat. Unter diese zwei Abteilungen werden die eingegangenen Stimmzettel verteilt. Bei jedem der zwei Bureaux eroffnet der eine Stimmenzahler einen Stimmzettel nach dem andern, liest den darauf stehenden Namen laut ab und iibergibt ihn zur Erwahrung einem andern Stimmenzahler. 110 Einer der Stimmenzahler und der Kanzler, beziehungs- weise dessen Stellvertreter, verzeichnen die abgelesenen Namen zu Protokoli und sprechen bei jedem Namen die Stimmenzahl laut aus. Nach Erbffnung aller Stimmzettel wird das Resultat von der Kanzlei zusammengetragen und von dem Prasidium eroffnet. Hat sich keine absolute Mehrheit ergeben, so wird zu einem weitern Skrutinium geschritten. Art. 9. Die beiden ersten Wahlgange sind ganz frei. In den folgenden Wahlgangen fallen der oder die Kandi¬ daten aus der Wahl, welche die wenigsten Stimmen auf sich vereinigt haben. Hatte jedoch ein Kandidat die relative Mehrheit der Stimmen, alle iibrigen aber eine gleiche Stimmenzahl er- halten, so entscheidet eine eigene Stimmgebung dariiber, welcher von den letztern nicht mehr in der Wahl bleiben soli. Die Stimmzettel werden alsdann denjenigen Kandi¬ daten bezeichnen, welcher nicht mehr in die Wahl kommen soli. Art. 10. Verteilen sich in zwei auf einander folgenden Wahlgangen die Stimmen gleichmafiig auf mehr als zwei Kandidaten, so wird das Los denjenigen bezeichnen, der aus der Wahl fallen soli. Art. 11. Bleiben nur zwei Kandidaten in der Wahl, und erhalten sie in zwei auf einander folgenden Wahl- gangen die gleiche Stimmenzahl, so entscheidet nach dem zweiten Skrutinium das Los, welcher von beiden gewahlt sein soli. Art. 12. Bei Ausmittlung der absoluten Mehrheit werden die unbeschriebenen und die ungiiltigen Stimm¬ zettel nicht in Anschlag gebracht, sondern abgezogen. Sinkt die Zahl der giiltigen Stimmzettel unter die ab¬ solute Mehrheit der Mitglieder der Versammlung, so wird das Skrutinium ungiiltig. Art. 13. Wenn in dem Falle, wo mehrere Namen auf den Stimmzettel geschrieben werden (Artikel 4, Absatz 2), 111 mehr Personen, als erforderlich sind, die absolute Mehrheit erhalten haben, so werden diejenigen als gewahlt betrachtet, welche die meisten Stimmen auf sich vereinigt haben. Sind die Stimmen gleich geteilt, so entscheidet das Los. Erhalt in dem bezeichneten Falle nicht die erforderliche Zahl der Personen das absolute Mehr, so fallen der oder die Kandidaten aus der Wahl, welche die wenigsten Stimmen auf sich vereinigt haben, und die weitere Wahl findet unter den Ubrigbleibenden statt. Art. 14. Nach der Sitzung sollen die eingegangenen Stimmzettel, unter Aufsicht der Stimmenzahler, durch die Weibel vernichtet werden. Also beschlossen von der schweiz. Bundesversammlung, Bern, den 27. Januar 1859. Der Prasident: Stehlin. Der Protokollfiihrer: Schiess. 112 Reglement liber den Verkehr der Bundeskanzlei mit den Kommissionen und Mitgliedern der eidgenossischen Rale. (Vom 5. November 1903.) Der schweizerische Bundesrat, in Ausfiihrung von Art. 19, Alinea 3, des Bundes- gesetzes liber den Geschaftsverkehr, vom 9. Oktober 1902 (A. S. n. F. XIX, 386), beschliefit: § 1. Der Aktenverkehr zivischen den Departementen und der Bundesversammlung geschieht ausschliesslich durch Ver- mittlung des Drucksachenbureaus der Bundeskanzlei, welches eine besondere Kontrolle dartiber zu fiihren hat. Fiir den Aktenverkehr gelten folgende nahere Vor- schriften: A. Verkehr der Departemente mit dem Drucksachen- bureau. § 2. Fiir die Bundesversammlung bestimmte Akten sind jeweilen in einem Dossier vereinigt, numeriert und mit einem Aktenverzeichnis versehen dem Drucksachenbureau der Bundeskanzlei gegen Empfangsbescheinigung zu iiber- geben. Das Verzeichnis ist nach einem auf dem Druck¬ sachenbureau erhaltlichen Formular in zwei von dem be- treffenden Departementschef zu unterzeichnenden Doppeln auszufertigen, wovon das eine dem Dossier aufgeklebt wird, das andere auf dem Departement verbleibt. Wichtige Aktenstiicke sind nicht im Original, sondern blofi in Abschrift vorzulegen. 113 Plane, die nicht in die Dossiers eingefiigt werden konnen, sind von den Departementen, unter Kenntnisgabe an das Drucksachenbureau, welches die Kommissionen ver- standigen wird, in dem betreffenden Kommissionszimmer oder einem andern hiefiir geeigneten Lokale aufzulegen resp. anzuschlagen und nach Erledigung des Geschaftes, wiederum unter Mitteilung an das Drucksachenbureau, von den Departementen selbst zuriickzuziehen. § 3. Bestehen fiir ein Geschaft keine besondern Akten, so ist hiervon dem Drucksachenbureau von dem betreffenden Departemente Mitteilung zu machen. § 4. Nach Schlufi der Session revidiert das Druck¬ sachenbureau samtliche Akten. Diejenigen der erledigten Ge- schafte werden unter Mitwirkung der Registratur der Bundes- kanzlei ausgeschieden und je nach ihrer Zugehorigkeit der Registratur der Bundeskanzlei oder den Departementen zugestellt, an letztere gegen Quittung. Die Dossiers zu pendenten Geschaften bleiben auf dem Drucksachenbureau in Verwahrung. Wiinscht ein Departement die Akten eines Geschaftes unmittelbar nach dessen Erledigung zuriickzuerhalten, so hat es dies dem Drucksachenbureau anzuzeigen. Die Abschiebung der Akten soli jeweilen eine Woche nach Schluss der Session beendet sein. B. Verkehr des Drucksachenbureaus mit der Bundesversammlung. § 5. Das Drucksachenbureau stellt die Akten, sobald thunlich, der Kommission desjenigen Rates zu, bei welchem das betreffende Geschaft anhangig ist. § 6. Sobald eine Beschlussfassung erfolgt ist, hat das Drucksachenbureau den betreffenden Dossier beim Bericht- erstatter der Kommission zu erheben. Es sorgt fiir sofortige Herbeischaffung allfallig mangelnder Aktenstiicke. Falls der Beschlufi des andern Rates noch aussteht, so ist der Dossier spatestens am zweitfolgenden Tage der Kommission dieses Rates zuzustellen; ist das Geschaft von 8 114 — beiden Raten erledigt, so gelten die Bestimmungen des § 4 hievor. 7. In allen auf den Aktenverkehr beziiglichen Ange- legenheiten sind die Mitglieder der Bundesversammlung ausschliefilich an das Drucksachenbureau zu weisen, welches allfallige Anfragen, Begehren um Aktenerganzung etc. an die Departemente vermitteln wird. § 8. Durch dieses Reglement werden die Bestimmungen betreffend den Aktenverkehr der Bundesversammlung, vom 10. November 1893, aufgehoben. Bern, den 5. November 1903. Im Namen des schweiz. Bundesrates, Der Bundesprasident: Deucher. Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier. 115 Regulativ liber den Geschaftsverkehr der Finanzkommissionen der eidge- nossischen Rate mit der gemeinsamen Finanz- delegation. (Vom 17. April 1903.) Art. 1. Die Behandlung der Voranschlage, Nachtrags- kredite und Staatsrechnungen der Bundesverwaltung mit Ausschluss der Bundesbahnen und der Alkoholverwaltung ist Sache der Finanzkommissionen beider Rate. Die Erstbehandlung dieser Geschafte richtet sich nach der Prioritatsverteilung zwischen den Raten. Art. 2. Die Finanzkommissionen gliedern sich in je drei Sektionen. Die Mitglieder der Finanzdelegation werden denjenigen Sektionen zugeteilt, welche die ihnen in der Finanzdelegation zugewiesenen Departemente bearbeiten. Art. 3. Die Finanzkommissionen nehmen anlasslich der Behandlung der Staatsrechnung die regelmassigen Be- richte der gemeinsamen Finanzdelegation liber ihre Aufsicht iiber den Finanzhaushalt des Bundes entgegen. Art. 4. Die Finanzkommissionen sind ihrerseits befugt, von der Finanzdelegation Berichterstattung iiber spezielle Teile des Bundeshaushaltes oder iiber Fragen, welche den- selben beriihren, einzuverlangen, und es ist anderseits die Finanzdelegation berechtigt, den Finanzkommissionen von sich aus solche Berichte einzureichen. Art. 5. Jede Finanzkommission bezeichnet zwei Er- satzmanner fiir ihre Mitglieder in der gemeinsamen Finanz¬ delegation, die nach Bedarf vom Prasidenten der Finanz¬ delegation einberufen werden. 116 Regulativ der gemeinsamen Finanzdelegation der eidg. Rate. (Vom 17. April 1903.) Art. 1. Die Tatigkeit der Delegation erstreckt sich auf die im allgemeinen Voranschlag des Bundes enthaltenen Teile der Bundesverwaltung. Art. 2. Die Delegation wird je vom Monat Oktober des einen bis zum September des folgenden Jahres vom Prasidenten bezwi einem andern der Delegation angehoren- den Mitglied der Finanzkommission desjenigen Rates pra- sidiert, welchem die Prioritat fiir die Behandlung des Vor- anschlages in dem entsprechenden Jahr zukommt. Art. 3. Die Aktuariatsgeschafte der Delegation besorgt ein Beamter des Finanzdepartements, welcher ihr von diesem zur Verfiigung gestellt wird. Art. 4. Die Delegation gliedert sich fiir ihre Arbeiten regelmassig in Sektionen von je zwei Mitgliedern (in der Regel ein Mitglied der nationalratlichen und ein Mitglied der standeratlichen Finanzkommission.) Diese Sektionen werden je fiir die Dauer einer Legis- laturperiode bezeichnet. Art. 5. Die Beiziehung weiterer Mitglieder der Finanz- kommissionen fiir spezielle Arbeiten der Delegation oder der Sektionen und die Wahl von Sachverstandigen geschieht durch Beschluss der Delegation. Art. 6. Die Delegation besammelt sich regelmassig je am ersten Donnerstag der Monate Februar, Mai, August und November zur Entgegennahme der Berichte und An- trage der Sektionen und zur Behandlung der iibrigen Geschafte. 117 Art. 7. Die Delegation teilt die Tatigkeit der Sek- tionen nach Departementen und Dienstabteilungen ab; dabei sollen die einzelnen Teile der Bundesverwaltung in dem der Delegation gutscheinenden Turnus einer eingehenden Priifung unterstellt werden. Art. 8. Die Delegation erteilt den Sektionen neben den allgemeinen je nach Bediirfnis spezielle Auftrage. Art. 9. Die Delegation und deren Sektionen ver- kehren behufs Priifung und Ueberwachung der Bundesver- waltung nach ihrer Wahl direkt mit den Vorstehern der Departemente, mit der Finanzkontrolle oder mit den Chefs der Dienstabteilungen der Departemente. Art. 10. Die Delegation beschliesst auf Antrag der Sektionen. Art. 11. Die Delegation leitet die erforderlichen An- trage und Berichte liber Angelegenheiten, welche durch die Rate zu behandeln sind, an die beiden Finanzkommissionen. Art. 12. Schlussnahmen der Delegation, welche der Behandlung durch die Finanzkommission oder durch die Rate nicht bediirfen, gehen an das zustandige Departement und an das Finanzdepartement. Art. 13. Nach Anordnung des Vorsitzenden oder auf Begehren eines Mitgliedes berat die Delegation Vorlagen des Bundesrates oder Motionen, welche in den eidg. Raten angekiindigt sind, falls dieselben von wesentlicher Bedeu- tung ftir den Finanzhaushalt sind, und leitet ihre Vernehm- lassung oder ihre Antrage schriftlich oder miindlich an den Bundesrat, an die Finanzkommissionen oder an bestellte Spezialkommissionen der Rate. Art. 14. Beziiglich der Tatigkeit in der Delegation und in den Sektionen besteht die Pflicht zur Verschvviegen- heit ftir die Mitglieder der Delegation, fiir deren Aktuar und fiir die iibrigen Bundesbeamten, die sie mit Arbeiten beauftragt; desgleichen fiir zugezogene Sachverstandige. 118 Buiidesbescliluss liber die Organisation und den Geschaftsgang des Bundesrates.*) (Vom 21. August 1878.) Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 14. Mai 1878 iiber die Organisation und den Geschaftsgang des Bundesrates, beschliefit: I. Organisation des Bundesrates. Art. 1. Der Bundesrat ist die oberste vollziehende und leitende Behorde der Eidgenossenschaft. Er besteht aus sieben Mitgliedern, welche von der Bundesversammlung aus allen in den Nationalrat wahlbaren Schweizerburgern auf eine Amtsdauer von je drei Jahren gewahlt werden und von denen nicht mehr als ein Mitglied dem namlichen Kantone angehbren darf. Nach jeder Gesamterneuerung des Nationalrates findet auch eine Gesamterneuerung des Bun¬ desrates statt. Die in der Zwischenzeit ledig gewordenen Stellen werden bei der nachsten Sitzung der Bundesversammlung ftir den Rest der Amtsdauer wieder besetzt (Art. 95 und folgende der Bundesverfassung). Art. 2. Die Mitglieder des Bundesrates und der Kanzler der Eidgenossenschaft iiben ihr politisches Biirgerrecht in demjenigen Kanton aus, in welchem sie verbiirgert sind. Besitzen dieselben in mehreren Kantonen das Biirgerrecht, so sind sie mit Beziehung auf Art. 96 der Bundesverfassung als demjenigen Kanton angehorig zu betrachten, in welchem sie zur Zeit der Wahl ihren Wohnsitz hatten, und in Er- manglung des Wohnsitzes in einem dieser Kantone, als dem¬ jenigen angehorig, in welchem das Biirgerrecht das altere ist. *) Di e Artikel 13, 22 bis und mit 30, 32 und 36 sind durch B. B. vom 28. Juhi 1895 (siehe Seite 132 hiernach) abgeandert worden. 119 Art. 3. Blutsverwandte oder Verschwagerte in auf- und absteigender Linie unbedingt, und in der Seitenlinie bis und mit dem Grade von Geschwisterkindern, sowie Ehemanner von Schwestern, konnen nicht gleichzeitig Mitglieder des Bundesrates sein. Ein solches Verwandtschaftsverhaltnis darf auch nicht zwischen einem Mitgliede des Bundesrates und dem Kanzler, dessen Stellvertreter, dem Archivar, dem Registrator, noch zwischen einem Mitgliede des Bundesrates und dessen De- partementssekretar oder den seinem Departemente unter- stellten obersten Bundesbeamten bestehen. Der Bundesrat darf iiberhaupt nicht Personen, welche mit einem seiner Mitglieder in eben bezeichnetem Verwandt- schaftsverhaltnisse stehen, zu Departementssekretaren oder obersten Bundesbeamten wahlen. Ein Mitglied des Bundesrates oder ein oberster Beamter, welcher durch Eingehung einer Ehe in ein unzulassiges Verwandtschaftsverhaltnis tritt, hat auf seine Stelle zu ver- zichten. Ein besonderes Gesetz wird die Beamten bezeichnen, auf welche obige Bestimmungen anzuwenden sind. Bis zum Erscheinen desselben wird diese Bezeichnung vom Bundes- rate ausgehen. Art. 4. Kein Mitglied des Bundesrates darf eine an- dere Beamtung, sei es im Dienste der Eidgenossenschaft, sei es in einem Kantone, bekleiden, noch irgend einen andern Beruf oder Gewerbe betreiben (Art. 97 der Bundesverfassung) oder durch andere Personen betreiben lassen. Art. 5. Der Amtssitz des Bundesrates, seiner Depar¬ temente und Kanzleien ist in Bern. Die im Artikel 3 erwahnten Beamten haben in Bern zu wohnen. Art. 6. Den Vorsitz im Bundesrat fiihrt der Bundes- prasident, welcher, sowie auch der Vizeprasident, von den vereinigten Raten aus den Mitgliedern desselben fiir die Dauer eines Jahres gewahlt wird. Der abtretende Prasident ist fiir das nachstfolgende Jahr weder als Prasident noch als Vizeprasident wahlbar. Das 120 gleiche Mitglied kann nicht wahrend zwei unmittelbar auf- einanderfolgenden Jahren die Stelle eines Vizeprasidenten bekleiden (Art. 98 der Bundesverfassung). Art. 7. In Abwesenheit des Bundesprasidenten fiihrt der Vizeprasident, und im Falle der Verhinderung desselben das nachstfolgende Mitglied das Prasidium des Bundesrates. Durch Ersatzwahlen eingetretene Mitglieder folgen in der Rangordnung den friiher gewahlten Mitgliedern, und sie treten nur beziiglich der Amtsdauer an die Stelle ihrer Vorganger. Art. 8. Den Sitzungen des Bundesrates wohnt der Kanzler der Eidgenossenschaft mit einem Sekretar bei. Der Kanzler hat die beschlossenen Schreiben und Ausfertigungen zu verfassen und der Sekretar das Protokoli zu fiihren. Art. 9. Der Bundesrat ist bevollmachtigt, innert den Schranken des Besoldungsgesetzes und des jeweiligen Vor- anschlages den Departementen die erforderliche Anzahl von Sekretaren und Kopisten zu bewilligen. Art. 10. Zur Bedienung des Bundesrates und der Departemente wird die erforderliche Anzahl von Weibeln und Abwarten angestellt. Art. 11. Die samtlichen Angestellten und Bediensteten, mit Ausnahme derjenigen Beamten, deren Wahl nach Art. 85, Ziffer 4, der Bundesverfassung der Bundesversammlung zusteht, werden nach vorheriger offentlicher Ausschreibung vom Bundesrate gevvahlt. Bei diesen Wahlen ist jedes Mitglied des Bundesrates zu Wahlvorschlagen berechtigt. I!. Allgemeine Befugnisse und Verrichtungen des Bundesrates. Art. 12. Der Bundesrat hat innert den Schranken der Bundesverfassung vorziiglich folgende Befugnisse und Ob- liegenheiten (Art. 102 der Bundesverfassung): 121 1. Er leitetdie eidgenossischen Angelegenheiten, gemafi den Bundesgesetzen und Bundesbeschliissen. 2. Er hat fiir Beobachtung der Verfassung, der Gesetze und Beschliisse des Bundes, sowie der Vorschriften eidge- nossischer Konkordate zu wachen; er trifft zur Handhabung derselben von sich aus oder auf eingegangene Beschwerde, soweit die Beurteilung solcher Rekurse nicht nach Art. 113 dem Bundesgericht iibertragen ist, die erforderlichen Ver- fiigungen. 3. Er wacht fiir die Garantie der Kantonalverfassungen. 4. Er schlagt der Bundesversammlung Gesetze und Beschliisse vor und begutachtet die Antrage, welche von den Raten des Bundes oder von den Kantonen an ihn gelangen. 5. Er vollzieht die Bundesgesetze und Bundesbeschliisse, die Urteile des Bundesgerichtes, sowie die Vergleiche oder schiedsrichterlichen Spriiche iiber Streitigkeiten zwischen Kantonen. 6. Er hat diejenigen Wahlen zu treffen, welche nicht der Bundesversammlung und dem Bundesgerichte oder einer andern Behorde iibertragen werden. 7. Er priift die Vertrage der Kantone unter sich oder mit dem Auslande und genehmigt dieselben, sofern sie zu- lassig sind (Art. 85, Ziffer 5 der Bundesverfassung). 8. Er wahrt die Interessen der Eidgenossenschaft nach Aufien, wie namentlich ihre volkerrechtlichen Beziehungen, und besorgt die auswartigen Angelegenheiten iiberhaupt. 9. Er wacht fiir die aufiere Sicherheit, fiir die Be- hauptung der Unabhangigkeit und Neutralitat der Schweiz. 10. Er sorgt fiir die innere Sicherheit der Eidgenossen¬ schaft, fiir Handhabung von Ruhe und Ordnung. 11. In Fallen von Dringlichkeit ist der Bundesrat be- fugt, sofern die Rate nicht versammelt sind, die erforder- liche Truppenzahl aufzubieten und iiber solche zu verfiigen, unter Vorbehalt unverzuglicher Einberufung der Bundesver¬ sammlung, sofern die aufgebotenen Truppen zvveitausend Mann iibersteigen oder das Aufgebot langer als drei Wochen dauert. 122 12. Er besorgt das eidgenossische Militarwesen und alle Zweige der Verwaltung, welche dem Bunde angehoren. 13. Er prilit die Gesetze und Verordnungen der Kan¬ tone, welche seiner Genehmigung bediirfen ; er iiberwacht diejenigen Zweige der Kantonalverwaltung, welche seiner Aufsicht unterstellt sind. 14. Er sorgt fiir die Verwaltung der Finanzen des Bundes, fiir die Entwerfung des Voranschlages und die Stellung der Rechnungen iiber die Einnahmen und Aus- gaben des Bundes. 15. Er hat die Aufsicht iiber die Geschaftsfiihrung aller Beamten und Angestellten der eidgenossischen Verwaltung. 16. Er erstattet der Bundesversammlung jeweilen bei ihrer ordentlichen Sitzung Rechenschaft iiber seine Verrich- tungen, sowie Bericht iiber den Zustand der Eidgenossen- schaft im Innern sowohl als nach Aufien, und wird ihrer Aufmerksamkeit diejenigen Mafiregeln empfehlen, welche er zur Beforderung gemeinsamer Wohlfahrt fiir dienlich erachtet. Er hat auch besondere Berichte zu erstatten, wenn die Bundesversammlung oder eine Abteilung derselben es verlangt. Art. 13. Der Prasident eroffnet alle an den Bundesrat gelangenden Eingaben, iiberweist dieselben an die betref- fenden Departemente, oder legt sie dem Bundesrate vor, und sorgt fiir deren beforderliche Erledigung. Der Prasident legt jeweilen in der nachstfolgenden Sitzung dem Bundesrate ein vom Kanzler gefertigtes Ver- zeichnis aller Uberweisungen vor. Er hat das Recht, bei gleichgeteilten Stimmen zu entscheiden und bei Wahlen wie ein anderes Mitglied des Bundesrates seine Stimme abzugeben. Art. 14. Um giiltig verhandeln zu konnen, miissen vvenigstens vier Mitglieder des Bundesrates anwesend sein. (Art. 100 der Bundesverfassung.) Art. 15. Bei allen Schlufinahmen entscheidet die ab- solute Mehrheit der Anwesenden; zur Zuriicknahme eines — 123 -- gefafiten Beschlusses aber wird eine Mehrheit von wenigstens vier Stimmen erfordert. Art. 16. Kein Mitglied soli ohne Entschuldigung eine Sitzung des Bundesrates versaumen. Urlaub ftlr die Dauer einer Woche kann das Prasidium erteilen; fiir einen langern Urlaub ist die Zustimmung des Bundesrates selbst erfor- derlich. Art. 17. Uber alle Verhandlungsgegenstande, mit Aus- nahme der Wahlen, findet offene Abstimmung statt. Die Wahlen hingegen geschehen in der Regel durch geheime Stimmgebung. In dem Sitzungsprotokoll sollen die anwesenden wie die abwesenden Mitglieder des Bundesrates verzeichnet werden. Jedes Mitglied ist berechtigt, zu Protokoli zu erklaren, dafi es einem von dem Bundesrate gefafiten Beschlusse nicht, wohl aber einem andern sachbeztiglich gestellten Antrage zugestimmt habe. Art. 18. Bei Verhandlungen, an welchen ein Mitglied selbst, oder ein mit demselben Verwandter, nach Mafigabe der im Art. 3 enthaltenen Beschrankungen, personliches In- teresse hat, ist das betreffende Mitglied zum Austritte ver- pflichtet. Art. 19. Alle vom Bundesrate ausgehenden Erlasse werden, im Namen der Behorde, von dem Bundesprasidenten und dem Kanzler oder deren funktionierenden Stellvertretern unterzeichnet. III. Besondere Geschaftseinteilung. 1. Organisation der Departemente. a) Allgemeine Vorschriften. Art. 20. Die Geschafte des Bundesrates werden nach Departementen unter die einzelnen Mitglieder verteilt. Diese Einteilung hat aber einzig zum Zweck, die Priifung und Besorgung der Geschafte zu fordern ; der jeweilige Entscheid — 124 - geht von dem Bundesrate als Behorde aus (Art. 103 der Bundesverfassung). Unter Vorbehalt endgiiltigen Entscheides des Bundes- rates erledigen die Departemente von sich aus die Geschafte, welche ihnen, sei es kraft gesetzlicher Bestimmungen, sei es infolge besonderer Schlufinahmen des Bundesrates, iiber- wiesen sind. Art. 21. Kompetenzfragen zwischen den Departementen entscheidet der Bundesrat. Kommen Geschafte vor, welche in den Bereich mehrerer Departemente einschlagen, so wer- den alte zum Berichte aufgefordert, und der Bundesrat bezeichnet das Departement, welches den Hauptbericht er- statten soli. b) Geschafte der Departemente. Art. 22. Der Bundesrat teilt sich in folgende sieben Departemente: 1. Das politische Departement. 2. Das Departement des Innern. 3. Das Justiz- und Polizeidepartement. 4. Das Militardepartement. 5. Das Finanz- und Zolldepartement. 6. Das Handels- und Landwirtschaftsdepartement. 7. Das Post- und Eisenbahndepartement. Der Bundesrat nimmt alljahrlich die Verteilung der Departemente vor, und jedes Mitglied ist gehalten, eines derselben zu iibernehmen. Fiir die Falle von Abwesenheit und Verhinderung wird jedem Departementsvorsteher ein Stellvertreter bezeichnet. Art. 23. Dem politischen Departement liegt die Vorberatung und Besorgung folgender Geschafte ob: 1. Der Verkehr mit auswartigen Staaten und deren Stellvertretern. 2. Der Verkehr mit den Gesandtschaften und Konsuln der Schweiz im Auslande. 3. Die Vermittlung des amtlichen Verkehrs zwischen Kantonen und auswartigen Staatsregierungen oder deren Stellvertretern. 125 4. Prufung derjenigen Vertriige, welche die Kantone von sich aus mit auslandischen Behorden abzuschliefien be- fugt sind. 5. Wahrung der Unabhangigkeit, Neutralitat und Sicher- heit der Eidgenossenschaft gegen Aufien im Allgemeinen, sowie der volkerrechtlichen Verhaltnisse im Besondern. 6. Uberwachung und Regulierung der Grenzverhaltnisse zu dem Auslande. 7. Aufrechthaltung der offentlichen Ruhe und Ordnung im Innern. 8. Einbiirgerung von Auslandern in der Schweiz. Art. 24. Dem Departement des Innern liegt die Vorberatung und Besorgung folgender Geschafte ob: 1. Die Organisation und der Geschaftsgang der Bundes- behorden. 2. Die Organisation der eidgenbssischen Wahlen und Abstimmungen. 3. Die Uberwachung der Bundeskanzlei und der Ar- chive; die Besorgung der eidgenossischen Bibliothek. 4. Die Grenz- und Gebietsverhaltnisse der Kantone unter sich, soweit nicht das Bundesgericht hierin zu- standig ist. 5. Das Unterrichtswesen nach Mafigabe von Art. 27 der Bundesverfassung. 6. Die Beitrage an wissenschaftliche literarische und kiinstlerische Unternehmungen, beziehungsweise Ausstel- lungen. 7. Die Ausiibung von wissenschaftlichen Berufsarten. 8. Das bffentliche Gesundheitswesen. 9. Die Statistik der Schweiz. 10. Die Ausfiihrung des Bundesgesetzes tiber Civilstand und Ehe. 11. Die Aufsicht tiber die Verpflegung und Beerdigung armer Angehoriger eines Kantons, welche in einem andern Kanton erkranken oder sterben. 12. Die eidgenossischen Bauten. 13. Die Oberaufsicht iiber die Strafien und Briicken, an deren Erhaltung die Eidgenossenschaft ein Interesse hat. 126 14. Die Wasserbaupolizei im Hochgebirge. 15. Die Uberwachung der Ausfiihrung und Unter- haltung der Flufikorrektions- und anderer vom Bunde aufler- halb des eidgenbssischen Forstgebietes unterstiitzten Wasser- bauwerke. Art. 25. Dem Just iz- und P o 1 i z e i de p a r t e m ent liegt die Vorberatung undBesorgung folgender Geschafte ob: 1. Die Uberwachung der allseitigen Erfiillung der Bun- desverfassung und der Bundesgesetze im Allgemeinen, soweit dieselbe nicht andern Departementen iibertragen ist. 2. Gewahrleistung der Kantonsverfassungen. 3. Bearbeitung der Bundesgesetze iiber živil- und strafrechtliche Materien. 4. Einbiirgerung der Heimatlosen. 5. Priifung der Vertrage (Konkordate) unter den Kantonen und Mitwirkung bei dem Abschlusse derselben, soweit der Inhalt dieser Vertrage nicht in den Geschafts- kreis eines andern Departements gehbrt. 6. Behandlung der Vertrage und Ubereinkiinfte mit auswartigen Staaten iiber Auslieferung und iiber poli- zeiliche und zivilrechtliche Verhaltnisse. 7. Verfiigungen beziiglich der Handhabung der bundes- mafiigen Rechte des Volkes und der Burger, wie der Be- hbrden, insbesondere die Priifung von Beschwerden admini- strativer Natur, betreffend: a) die Handels- und Gewerbefreiheit (Art. 31 und 39 der Bundesverfassung); b) die Spielhauser und Lotterien (Art. 36); c) die Rechte der Niedergelassenen und Aufenthalter (Art. 43, 45 und 47); d) die eidgenbssischen Wahlen und Abstimmungen; e) die Giiltigkeit kantonaler Wahlen und Abstim¬ mungen ; f) die Glaubens- und Gewissensfreiheit, sowie die freie Ausiibung gottesdienstlicher Handlungen etc. (Art. 49, 50 und 51 der Bundesverfassung); g) die Verfiigung iiber die Begrabnisplatze (Art. 53); 127 h) die Anstande herriihrend aus denjenigen Bestimmungen der Staatsvertrage mit dem Auslande, welche sich auf Niederlassung, Befreiung von Militarpflichtersatz und Freiziigigkeit beziehen; i) das Vereinsrecht und die Freiheit der Presse. 8. Die Vollziehung der bundesgerichtlichen Urteile. 9. Die Einleitung und Uberwachung der Strafunter- suchungen, auf welche die Bundesgesetze iiber das Bundes- strafrecht und die Werbung sich beziehen, und die Voll¬ ziehung der Urteile, welche in Anwendung dieser Gesetze von kantonalen Gerichten erlassen worden sind. 10. Die Priifung und Behandlung der Auslieferungs- angelegenheiten, sowie die Uberwachung der Vollziehung der in der Schweiz oder vom Auslande bewilligten Aus- lieferungen. 11. Die Handhabung der politischen und gewohnlichen Fremdenpolizei, soweit letztere in der Kompetenz des Bundes liegt. Art. 26. Dem Militardepartement steht die Vorpriifung und die Besorgung der das Militarwesen be- schlagenden Geschafte zu. Darunter sind nach Mafigabe der Militarorganisation namentlich verstanden : 1. Militarische Gebietseinteilung. 2. Rekrutierung. 3. Organisation des Heeres, Ernennung und Entlassung von Offizieren und Besetzung von Kommandostellen. 4. Unterricht, einschliefilich Vorunterricht und mili- tarischer Unterricht am Polytechnikum. 5. Bekleidung, Bewaffnung und Ausriistung. 6. Besoldung und Verpflegung. 7. Rechtspflege. 8. Landestopographie. 9. Landesbefestigung. 10. Mobilisierung des Heeres, Instruktionen tur den General. 11. Erganzung der Feldarmee. 12. Militarpensionen. 13. Uberwachung der Vollziehung der Militarorgani¬ sation in den Kantonen. 128 Art. 27. Dem Fin a n z- und Zolldepartement liegt die Vorberatung und Besorgung folgender Geschafte ob: a) Im Finanzvvesen. 1. Die Gesetze, Verordnungen und Instruktionen iiber die Finanz- und Staatskasseverwaltung. 2. Die Verwaltung der Liegenschaften, soweit nicht andere Departemente damit beauftragt sind, und der eidge- nossischen Fonds, sowie die Vorkehrungen fiir Darleihen und deren Uberwachung. 3. Mafinahmen betreffend die Bestimmung der Geld- skala und allfalliger Beitrage der Kantone an die Ausgaben der Eidgenossenschaft. 4. Aufstellung des jahrlichen Voranschlages und der Staatsrechnung. 5. Die Aufsicht iiber die Staatskasse und das gesamte Rechntingswesen der Eidgenossenschaft. 6. Die Ausfiihrung der gesetzlichen Vorschriften iiber Ausgabe und Umlauf von Banknoten, nach Mafigabe von Art. 39 der Bundesverfassung. 7. Die Pulververwaltung. 8. Das Miinzwesen. 9. Der Bezug der Militarpflichtersatzsteuer. b. Im Zollwesen. 1. Die Gesetze, Verordnungen und Instruktionen iiber Organisation, Tarife und Verwaltung des Zollwesens. 2. Die Zollverwaltung und der Bezug der Zollgebiihren. 3. Die Beaufsichtigung des Bezuges der den Kantonen bewilligten Verbrauchssteuern. 4. Die Mitwirkung bei den Vorarbeiten und dem Ab- schluss der Handelsvertrage. Art. 28. Dem H a n d e 1 s - und Landwirtschafts- departement liegt die Vorberatung und Besorgung fol¬ gender Geschafte ob: 1. Die Forderung des Handels- und Gewerbewesens im Allgemeinen, wozu der Verkehr mit den Handelskonsuln gehort, soweit derselbe sich auf Handel und Auswanderung bezieht. 129 2. Die Vorarbeiten fiir AbschlieBung von Handels- vertragen und die Mitwirkung bei der Aufstellung des Zoll- tarifs. 3. Die Anstande tiber den internationalen Verkehr. 4. Mafi und Gewicht. 5. Ausstellungen im In- und Auslande (mit Ausnahme von Schul- und Kunstausstellungen). 6. Ausfiihrung des Fabrikgesetzes. 7. Schutz des gewerblichen, literarischen und kiinst- lerischen Eigentums, auf Grund von Bundesgesetzen oder internationalen Vertragen. 8. Das Versicherungswesen. 9. Die Forderung der Landwirtschaft im Allgemeinen und Beitrage an landwirtschaftliche Unternehmungen im Besondern. 10. Die Viehseuchenpolizei. 11. Allgemeine Mafinahmen gegen die Schaden, welche die landwirtschaftliche Produktion bedrohen. 12. Die Forstpolizei im Hochgebirge. 13. Die Jagd und Fischerei, soweit die Aufsicht dem Bunde zukommt. 14. Die Aufsicht tiber das Auswanderungswesen. Art. 29. Dem Post-und Eisenbahndepartement liegt die Vorberatung und Besorgung folgenderGeschafte ob: a. Im Eisenbahtmesen. 1. Die Gesetze und Verordnungen tiber den Bau und Betrieb der Eisenbahnen ; Erteilung und Zuriickziehung der Konzessionen. 2. Expropriationsangelegenheiten und Eisenbahnver- pfandungen. 3. Aufsicht tiber die Erfiillung der Verpflichtungen, welche fiir die Eisenbahngesellschaften aus den Gesetzen und Konzessionen herfliefien. b. Im Postmesen. 1. Die Gesetze und Verordnungen tiber die Organi- sation des Postwesens. 2. Die Leitung und Uberwachung des Postdienstes. 9 130 c. Im Telegraphetrwesen. 1. Die Gesetze und Verordnungen liber die Organisation des Telegraphenwesens. 2. Die Leitung und Uberwachung des Telegraphen- dienstes. Art. 30. Der Bundesrat ist ermachtigt, ausnahms- weise beziiglich einzelner Geschafte oder Geschaftszweige der Departemente von obiger Feststellung Abweichungen zu beschliefien. Von derartigen Beschliissen ist der Bundes- versammlung Mitteilung zu machen. 2. Bundeskanzlei. Art. 31. Der Kanzler steht der Bundeskanzlei vor. Er wird von der Bundesversammlung auf die Dauer von drei Jahren, jeweilen gleichzeitig mit dem Bundesrat, gewahlt. Der Kanzler darf keinen andern Beruf oder Gewerb treiben oder auf seine Rechnung betreiben lassen. Art. 32. Der Kanzler hat fiir Verhinderungsfalle einen vom Bundesrat je auf eine Amtsdauer von drei Jahren zu wahlenden Stellvertreter, welcher gleichzeitig der erste Sekretar des Bundesrates und nach dem Kanzler der oberste Beamte auf der eidgenossischen Kanzlei ist. Art. 33. Unter dem Kanzler und seinem Stellvertreter stehen der Archivar und der Registrator der Eidgenossen- schaft, welche ebenfalls vom Bundesrate auf die Dauer von drei Jahren gewahlt werden. Art. 34. Wenn vor der Integralerneuerung in der Zwischenzeit fiir eine der verschiedenen Kanzleibeamtungen eine Wahl getroffen werden mufi, so wird dieselbe nur fiir den Rest der Amtsperiode vorgenommen. Art. 35. Die iibrigen erforderlichen Kanzleiangestellten ernennt der Bundesrat auf unbestimmte Zeit. Bei offenbarer Pflichtversaumnis kbnnen die vom Bun¬ desrate gewahlten Kanzleibeamten auch vor Ablauf der Frist, fiir welche dieselben gewahlt worden sind, wieder entlassen werden. 131 Art. 36. Fiir die Oberwachung der Bundeskanzlei und der Archive ist der Kanzler dem Vorsteher des Depar- tements des Innern beigegeben und soli diesem dazu stets hilfreiche Hand leisten. Art. 37. Der Kanzler besorgt die Herausgabe und Verbffentlichung der Bundesgesetze, Verordnungen und Be- schliisse der eidgenbssischen Behorden. IV. Schlussbestimmungen. Art. 38. Die Geschaftsfiihrung des Bundesrates, seiner Departemente und der Bundeskanzlei wird jedes Jahr durch die Bundesversammlung geprtift. Zu diesem Zwecke wahlt jeder Rat eine Kommission, auf deren Bericht das Nbtige verfiigt wird. Art. 39. Durch gegenwartigen Bundesbeschlufi, welcher der Volksabstimmung nicht unterliegt, werden die Bundes¬ gesetze vom 16. Mai 1849 (I, 49), und 28. Heumonat 1873 (XI, 256) aufgehoben. Derselbe tritt mit dem 1. Janner 1879 in Kraft. Also beschlossen vom Standerate, Bern, den 16. August 1878. Der Prdsident: A. Vessaz. Der Protokollfiihrer: J. L. Liitscher. Also beschlossen vom Nationalrate, Bern, den 21. August 1878. Der Prasident: Philippin. Der Protokollfiihrer: Schiess. 132 Bundesbeschluss betreffend Abanderung des Bundesbeschlusses vom 21. August 1878 liber die Organisation und den Geschaftsgang des Bundesrates. (Vom 28. Juni 1895.) Die Bundesversammlung der sch weizerischen Eidgenossens chaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 4. Juni 1894, beschliefit: Art. 1. Die Artikel 13, 22 bis und mit 30, 32 und 36 des Bundesbeschlusses vom 21. August 1878 iiber die Or¬ ganisation und den Geschaftsgang des Bundesrates*) werden durch folgende Bestimmungen ersetzt. Art. 13. Dem Bundesprasidenten liegt die Leitung der Geschafte des Bundesrates und die Vorprufung der von den Departementen an den Bundesrat gelangenden Geschafte ob. Er beaufsichtigt den Gang der gesamten Bundesverwaltung und sorgt fur die beforderliche Erledigung der den Departe¬ menten zugewiesenen Geschafte. Er legt jeweilen in der nachstfolgenden Sitzung dem Bundesrate ein vom Kanzler gefertigtes Verzeichnis aller den Departementen iiberwiesenen Eingaben vor. Er hat bei gleichgeteilten Stimmen zu entscheiden und giebt bei Wahlen wie ein anderes Mitglied des Bundesrates seine Stimme ab. Art. 22. Der Bundesrat teilt sich in folgende sieben Departemente: 1. Das politische Departement; 2. „ Departement des Innern; *) Siehe eidg. Gesetzsammlung n. F., Bd. III, Seite 480 und Seite 118 hievor. 133 3. Das Justiz- und Polizeidepartement; 4. „ Militardepartement; 5. „ Finanz- und Zolldepartement; 6. „ Handels-, Industrie- und Landwirtschaftsdeparte- ment; 7. „ Post- und Eisenbahndepartement. Der jeweilige Bundesprasident ubernimmt das politische Departement; im iibrigen nimmt der Bundesrat alljahrlich die Verteilung der Departemente vor, und jedes Mitglied ist gehalten, eines derselben zu iibernehmen. Fiir die Falle von Abwesenheit und Verhinderung wird jedem Departementsvorsteher ein Stellvertreter bezeichnet. Art. 23. Dem politischen Departement liegt die Vorprtifung und Besorgung folgender Geschafte ob: 1. Wahrung der Unabhangigkeit, Neutralitat und Sicher- heit der Eidgenossenschaft gegen aufien im allgemeinen, sowie der volkerrechtlichen Verhaltnisse im besondern; 2. die Aufrechthaltung der Ruhe und offentlichen Ord- nung im Innern; 3. der Verkehr mit auswartigen Staaten und deren Steli- vertretern; 4. der Verkehr mit den Gesandtschaften und Konsulaten der Schweiz im Auslande; 5. die Vermittlung des amtlichen Verkehrs zwischen Kan- tonen und auswartigen Staatsregierungen oder deren Stellvertretern; 6. Priifung derjenigen Vertrage, welche die Kantone von sich aus mit auslandischen Behorden abzuschliefien befugt sind; 7. Uberwachung und Regulierung der Grenzverhaltnisse zu dem Auslande; 8. Einbiirgerung von Auslandern, Optionsangelegenheiten und Burgerrechtsverzicht; 9. die Uberwachung der Bundeskanzlei; 10. die Organisation und der Geschaftsgang der Bundes- behorden; 11. die Organisation der eidgenossischen Wahlen und Abstimmungen; 134 12. die Grenz- und Gebietsverhaltnisse der Kantone unter sich, soweit nicht das Bundesgericht hierin zustandig ist. 13. die BeaufsichtigungdesAuswanderungswesens (Bundes- ratsbeschlufi vom 8. Dezember 1896). Art. 24. Dem Departement des Innern liegt die Vorberatung und Besorgung folgender Geschafte ob: 1. das Unterrichtswesen nach Mafigabe von Art. 27*) der Bundesverfassung; 2. die Beitrage an wissenschaftliche, litterarische und kiinstlerische Unternehmungen, bezw. Ausstellungen; 3. die Austibung von wissenschaftlichen Berufsarten; 4. das offentliche Gesundheitswesen; 5. die Statistik der Schweiz; 6. die Aufsicht iiber die Verpflegung und Beerdigung armer Angehoriger eines Kantons, welche in einem andern Kanton erkranken oder sterben; 7. die Oberaufsicht liber die Strafien und Briicken, an deren Erhaltung die Eidgenossenschaft ein Interesse hat. 8. die Wasserbaupolizei nach Mafigabe von Art. 24 der Bundesverfassung; 9. Die Uberwachung der Ausfiihrung und Unterhaltung der Flufikorrektions- und anderer vom Bunde aufier- halb des eidgenossischen Forstgebietes unterstiitzten Wasserbauwerke; 10. die Forstpolizei nach Mafigabe von Art. 24 der Bundes¬ verfassung ; 11. die Jagd und Fischerei nach Mafigabe von Art. 25 der Bundesverfassung; 12. die eidgenossischen Bauten (Bundesratsbeschlufi vom 8. Dezember 1896); 13. Mati und Gewicht; 14. die Uberwachung der Archive und der Bibliothek. Art. 25. Dem Justiz- und Po 1 i zei d ep ar t e m en t liegt die Vorberatung und Besorgung folgender Geschafte ob: 1 . die Uberwachung der allseitigen Erfiillung der Bundes¬ verfassung und der Bundesgesetze im allgemeinen, soweit dieselbe nicht andern Departementen iiber- tragen ist; •) Und 27 bi«. 135 2. Gewahrleistung der Kantonsverfassungen ; 3. Bearbeitung der Bundesgesetze liber civil- und straf- rechtliche Materien; 4. Einbiirgerung der Heimatlosen; 5. die Ausfiihrung des Bundesgesetzes liber Civilstand und Ehe; 6. das Handelsregister; 7. Priifung der Vertrage (Konkordate) unter den Kan¬ to n e n und Mitwirkung bei dem Abschlusse derselben, soweit der Inhalt dieser Vertrage nicht in den Ge- schaftskreis eines andern Departements gehort; 8. Behandlung der Vertrage und Ubereinkiinfte mit aus- wartigen Staaten liber Auslieferung und liber polizeiliche und civilrechtliche Verhaltnisse (in Ver- bindung mit dem politischen Departement); 9. Verfiigungen bezliglich der Handhabung der bundes- mafiigen Rechte des Volkes und der Burger, wie der Behbrden, insbesondere die Priifung von Beschwerden, betreffend: a) die Handels- und Gewerbefreiheit (Art. 31 und 39 der Bundesverfassung); b) die Spielhauser und Lotterien (Art. 36); c) die eidgenbssischenWahlenund Abstimmungen; d) die Giiltigkeit kan ton al er Wahlen und Abstim¬ mungen ; e) die Verfligung liber die Begrabnisplatze (Art. 53); f) die Anstande, herrlihrend aus denjenigen Bestim- mungen der Staatsvertrage mit dem Auslande, welche sich auf Niederlassung, Befreiung von Mili- tarpflichtersatz und Freiziigigkeit beziehen; 10. die Vollziehung der bundesgerichtlichen Urteile; 11. die Einleitung und Uberwachung der Strafuntersuch- ungen, auf welche die Bundesgesetze liber das Bundes- strafrecht und die Werbung sich beziehen, und die Vollziehung der Urteile, welche in Anwendung dieser Gesetze von kantonalen Gerichten erlassen worden sind; 12. die Priifung und Behandlung der Auslieferungsange- legenheiten, sowie die Uberwachung der Vollziehung der in der Schweiz oder vom Auslande bewilligten Auslieferungen; 136 13. die Handhabung der politischen und gewohnlichen Fremdenpolizei, soweit letztere in der Kompetenz des Bundes liegt; 14. die Vollziehung des Bundesgesetzes betreffend Beauf- sichtigung von Privatunternehmungen im Gebiete des Versicherungswesens; 15. gewerbliches, litterarisches undkiinstlerischesEigentum; 16. die Vollziehung des Bundesgesetzes liber Schuld- betreibung und Konkurs*); 17. der Mitbericht beziiglich aller dem Bundesrate gegen Verfiigungen seiner Departemente eingereichten Re- kurse neben dem Departemente, gegen welches der Rekurs gerichtet ist, sofern nicht im einzelnen Falle der Bundesrat den Mitbericht einem andern Departe- ment iibertragt; Art. 26. Dem Militardepartement steht die Vorpriifung und die Besorgung der das Militarwesen be- schlagenden Geschafte zu. Darunter sind nach Mafigabe der Militarorganisation namentlich verstanden: 1. Militarische Gebietseinteilung; 2. Rekrutierung; 3. Organisation des Heeres, Ernennung und Entlassung von Offizieren und Besetzung von Kommandostellen; 4. Unterricht, einschliefilich Vorunterricht und militarischer Unterricht am Polytechnikum; 5. Bekleidung, Bewaffnung und Ausriistung; 6. Besoldung und Verpflegung; 7. Rechtspflege; 8. Landestopographie; 9. Landesbefestigung; 10. Mobilisierung des Heeres, Instruktionen fiir den General; 1 1 . Erganzung der Feldarmee; 12. Militarpensionen; 13. Uberwachung der Vollziehung der Militarorganisation in den Rantonen; 14. die Militarpflichtersatzsteuer; 15. die Pulververwaltung. *) Durch B. G. vom 28. Juni 1895 (A. S. n. F. XV, 289) dem Bundesgericht tibertragen. 137 Art. 27. Dem Finanz- und Zolldepartemen: liegt die Vorberatung und Besorgung folgender Geschafte obt a) Im FinanzvDesen: 1. Die Gesetze, Verordnungen und Instruktionen liber die Finanz- und Staatskasseverwaltung; 2. die Verwaltung der Liegenschaften, soweit nicht andere Departemente damit beauftragt sind, und der eidge- nossischen Fonds, sowie die Vorkehrungen fur Dar- leihen und deren Uberwachung; 3. Mafinahmen betreffend die Bestimmung der Geldskala und allfalliger Beitrage der Kantone an die Ausgaben der Eidgenossenschaft; 4. Aufstellungdes jahrlichen Voranschlages undderStaats- rechnung; 5. die Aufsicht liber die Staatskasse und das gesamte Rechnungswesen der Eidgenossenschaft; 6. die Vollziehung des Art. 39 der Bundesverfassung und Bundesbankangelegenheiten; 7. das Miinzwesen; 8. die Vollziehung des Art. 32 bis der Bundesverfassung und die Alkoholverwaltung. b) Im Zollvuesen: 1. Die Gesetze, Verordnungen und Instruktionen tiber Organisation, Tarife und Verwaltung des Zollwesens; 2. die Zollvervvaltung und der Bezug der Zollgebiihren; 3. die Mitwirkung bei den Vorarbeiten und dem Ab- schlufi der Handelsvertrage. Art. 28. Dem Handels-, Industrie- und Land- wirtschaftsdepartement liegt die Vorberatung und Besorgung folgender Geschafte ob: 1. Forderung des Handels im allgemeinen; 2. Vorarbeiten fur Abschliefiung von Handelsvertragen, sowie Mitwirkung bei der Zollgesetzgebung und der Aufstellung des Zolltarifs ; 3. das schweizerische Handelsamtsblatt; 4. Anstande im internationalen Handelsverkehr; 5. Patenttaxen der Handelsreisenden; 138 6. Kontrollierung von und Handel mit Gold- und Silber- waren; 7. Ausstellungswesen (mit Ausnahme der Schul- und Kunstausstellungen); 8. die Forderung der Industrie- und des Gewerbewesens im allgemeinen; 9. die Arbeitergesetzgebung (Fabrikgesetz, Haftpflicht, Kranken- und Unfallversicherung etc.); 10. die industrielle und gewerbliche, sowie die kommer- zielle Berufsbildung; 11. die Forderung der Landwirtschaft im allgemeinen und Beitrage an landwirtschaftliche Unternehmungen im besondern; 12. das landwirtschaftliche Unterrichtswesen; 13. die Viehseuchenpolizei; 14. allgemeine MaBnahmen gegen die Schaden, welche die landwirtschaftliche Produktion bedrohen. Art. 29. Dem Post- und Eisenbahndeparte- ment liegt die Vorberatung und Besorgung folgender Ge- schafte ob: a) Im Eisenbahnwesen: 1. Die Gesetze und Verordnungen iiber den Bau und Betrieb der Eisenbahnen; Erteilung und Zurtickziehung der Konzessionen; 2. Expropriationsangelegenheiten und Eisenbahnverpfan- dungen ; 3. Aufsicht iiber die Erfiillung der Verpflichtungen, welche fiir die Eisenbahngesellschaften aus den Gesetzen und Konzessionen herfliefien. b) Im Postivesen: 1. Die Gesetze und Verordnungen liber die Organisation des Postwesens; 2. die Leitung und Uberwachung des Postdienstes. c) Bel andem Verkehrsanstalten: 1. Die Erteilung und Zuriickziehung von Konzessionen fiir Dampfschiffe u. s. w. ; 139 2. die Uberwachung der technischen Einrichtungen und Verkehrsbedingungen der Dampfschiffe ti. s. f. d) Im Telegraphen- und Telephotmesen: 1. Die Gesetze und Verordnungen liber die Organisation des Telegraphen- und Telephonwesens; 2. die Leitung und Uberwachung des Telegraphen- und Telephondienstes. Art. 30. Der Bundesrat ist ermachtigt, obige Fest- stellung in Bezug auf neue Geschaftszweige zu erganzen und ausnahmsweise auch Abweichungen von derselben zu beschliefien; doch ist von derartigen Beschliissen derBundes- versammlung Mitteilung zu machen. Art. 32. Dem Kanzler sind zwei Stellvertreter (Vize- kanzler) beigegeben, welche vom Bundesrate auf eine Amts- dauer von drei Jahren gewahlt werden ; dieselben sind gleich- zeitig Sekretare des Bundesrates und nach dem Kanzler die obersten Beamten der Bundeskanzlei ; der zweite Vizekanzler hat insbesondere die franzosische Fassung der vom Bundes¬ rat ausgehenden Erlasse zu iiberwachen. Art. 2. Der BeschluC des Bundesrates vom 8. Juli 1887, betreffend die Organisation seiner Departemente, ist auf- gehoben. Art. 3. Dieser Beschlufi, welcher nicht allgemein ver- bindlicher Natur ist, tritt auf 1. Januar 1896 in Kraft. Der Bundesrat ist mit dessen Vollziehung beauftragt. Also beschlossen vom Nationalrate, Bern, den 28. Juni 1895. Der Prasident: Dr. Bachniann. Der Protokollfiihrer: Ringier. Also beschlossen vom Standerate, Bern, den 28. Juni 1895. Der Prasident: Jordan-Martin. Der Protokollfiihrer: Schatzmann. 140 Auszug aus dem Bundesgesetz vom 22. Marž 1893 liber die Organisation der Bundesrechtspflege. 4 ') I. Allgemeine Bestimmungen. Artikel 1. Das Bundesgericht besteht aus vierzehn Mitgliedern und neun Ersatzmannern. Dieselben werden von der Bundesversammlung gewahlt. Bei der Wahl soli darauf Bedacht genommen werden, dafi alle drei Nationalsprachen vertreten seien (Art. 107 der Bundesverfassung). 2. In das Bundesgericht kann jeder Schweizerbiirger gewahlt werden, der in den Nationalrat wahlbar ist. Die Mitglieder der Bundesversammlung und des Bundes- rates und die von diesen Behorden gewahlten Beamten konnen nicht gleichzeitig Mitglieder des Bundesgerichtes sein (Art. 108 der Bundesverfassung). 3. Die Mitglieder des Bundesgerichtes diirfen keine andere Beamtung, sei es im Dienste der Eidgenossenschaft, sei es in einem Kanton, bekleiden, noch irgend einen andern Beruf oder ein Gevverbe betreiben (Art. 108 der Bundes¬ verfassung). Sie diirfen auch nicht bei Vereinigungen oder Anstalten, welche einen Erwerb bezwecken, die Stellung von Direk- toren oder von Mitgliedern der Verwaltung, des Vorstandes oder des Aufsichtsrates einnehmen. 4. Die Amtsdauer der Mitglieder und Ersatzmanner des Bundesgerichtes betragt sechs Jahre. Ledig gewordene Stellen werden bei der nachstfolgenden Session der Bundesversammlung fiir den Rest der Amts¬ dauer wieder besetzt. ') Eidg. Gesetzsamtnlung, n. F., Bd. XIII, S. 455. 14] 5. Der Prasident und der Vizeprasident des Bundes¬ gerichtes werden von der Bundesversamtnlung aus den Mitgliedern desselben auf zwei Jahre gewahlt. 12. Blutsverwandte und Verschwagerte, in auf- und absteigender Linie unbeschrankt und in der Seitenlinie bis und mit dem vierten Grade, Ehemanner von Schwestern, sowie durch Adoption verbundene Personen konnen nicht gleichzeitig das Amt eines Mitgliedes, Ersatzmannes oder Kanzleibeamten des Bundesgerichtes, eines eidgenbssischen Untersuchungsrichters, des Generalanwalts oder eines son- stigen Vertreters der Bundesanwaltschaft bekleiden. Der Schriftfiihrer eines eidgenossischen Untersuchungs¬ richters darf weder zu diesem noch zu dem Vertreter der Bundesanwaltschaft in einem der angefiihrten Ausschlufi- verhaltnisse stehen. Wer durch Eingehung einer Ehe in ein solches Ver- haltnis tritt, verzichtet damit auf seine Stelle. 13. Die Beamten der Bundesrechtspflege werden vor ihrem erstmaligen Amtsantritt auf getreue Pflichterfiillung beeidigt. Die Mitglieder und Ersatzmanner des Bundesgerichtes leisten den Eid vor der Bundesversammlung oder, im Ver- hinderungsfalle, vor dem Bundesgerichte in der ersten Ge- richtssitzung, der sie beiwohnen. Die Gerichtsschreiber, die Sekretare und der Archivar, die Untersuchungsrichter und deren Schriftfiihrer werden durch das Bundesgericht beeidigt. Das Bundesgericht ist indessen befugt, die Beeidigung der Untersuchungsrichter und ihrer Schriftfiihrer einer andern Bundesbeamtung oder einer kantonalen Amtsstelle zu ribertragen. Der Generalanwalt und die iibrigen Vertreter der Bun- desanwaltschaft leisten den Eid vor dem Bundesrate. Beamte, denen ihre Uberzeugung die Leistung eines Eides nicht gestattet, konnen an Stelle desselben ein Hand- geliibde ablegen. 142 IV. Staatsrechtspflege. 175. Das Bundesgericht beurteilt als Staatsgerichtshof: 1. Kompetenzkonflikte zwischen Bundesbehbrden einer- seits tmd Kantonalbehorden anderseits; 2. Streitigkeiten staatsrechtlicher Natur zwischenKantonen; 3. Beschwerden betreffend Verletzung verfassungsmafiiger Rechte der Burger, sowie solche von Privaten wegen Verletzung von Konkordaten und Staatsvertragen. Vorbehalten sind die in Art. 189 bezeichneten staats- rechtlichen Streitigkeiten. In allen diesen Fallen sind jedoch die von der Bundes- versammlung erlassenen Gesetze und allgemein verbindlichen Beschliisse, sowie die von ihr genehmigten Staatsvertrage fiir das Bundesgericht mafigebend (Art. 113 der Bundes- verfassung). 176. Das Bundesgericht hat Kompetenzkonflikte nach Art. 175, Ziff. 1, auch dann zu entscheiden, wenn seine eigene Kompetenz von einer Kantonsbehorde streitig ge- macht wird. 177. Die Zustandigkeit des Bundesgerichtes zur Ent- scheidung staatsrechtlicher Streitigkeiten zwischen Kantonen (Art. 175, Ziff. 2) ist begriindet, wenn eine Kantonsregierung seinen Entscheid anruft. Zu diesen Streitigkeiten gehoren insbesondere Grenz- streitigkeiten zwischen Kantonen, Kompetenzfragen zwischen den Behorden verschiedener Kantone und Anstande be¬ treffend die Anwendung interkantonaler Vertrage, sofern nicht ausschliefilich die Verletzung von Interessen oder Rechtsanspriichen von Privaten in Frage steht. 178. Die Beschwerdefiihrung beim Bundesgerichte wegen Verletzung verfassungsmafiiger Rechte und wegen Verletzung von Konkordaten und andern Verkommnissen unter den Kantonen oder von Staatsvertragen mit dem Aus- land (Art. 175, Ziff. 3) ist nach Mafigabe nachstehender Bestimmungen zulassig: 1. die Beschwerde kann nur gegen kantonale Verfiigungen und Erlasse gerichtet werden; 143 2. das Recht zur Beschwerdefiihrung steht Burgern (Pri¬ vaten) und Korporationen beziiglich solcher Rechts- verletzungen zu, welche sie durch allgemein verbind- liche oder sie personlich betreffende Verftigungen oder Erlasse erlitten haben; 3. die Beschwerde ist binnen sechzig Tagen, von der Eroffnung oder Mitteilung der Verfiigung oder des Erlasses an gerechnet, dem Bundesgerichte schriftiich einzureichen und soli die Antrage des Beschwerde- fiihrers, sowie deren Begriindung enthalten. 179. Vom Bundesgerichte als Staatsgerichtshof sind Steuerstreitigkeiten zwischen Bund und Kantonen zu beur- teilen, wenn von dem einen oder andern Teile sein Ent- scheid angerufen wird. 180. Das Bundesgericht beurteilt gleichfalls nach dem fiir staatsrechtliche Entscheidungen vorgeschriebenen Ver- fahren: 1. Streitigkeiten iiber die Zulassigkeit eines Verzichts auf das Schweizerbiirgerrecht (Art. 7 des Bundesgesetzes betreffend die Erteilung des Schweizerbiirgerrechts und den Verzicht auf dasselbe vom 3. Juli 1876*); 2. Streitigkeiten zwischen dem Bundesrate und einer Eisenbahngesellschaft liber die Aufstellung der Jahres- bilanz der Gesellschaft (Art. 5 des Bundesgesetzes- liber das Rechnungswesen der Eisenbahngesellschaften vom 21. Dezember 1883**); 3. Streitigkeiten iiber die Anwendung des Bundesgesetzes betreffend die civilrechtlichen Verhaltnisse der Nieder- gelassenen und Aufenthalter vom 25. Juni 1891; 4. Streitigkeiten zwischen der Heimatbehorde und der Wohnsitzbehorde eines Blirgers, iiber die in Art. 14 und 15 des namlichen Gesetzes vorgesehenen vor- mundschaftsrechtlichen Antrage und Begehren der Heimatbehorde. *) Nun B. G. vom 25. Juni 1903 (A. S. n. F. XIX, 690). **) Nun B. G. v. 27. Marž 1896 (A. S. n. F. XV, 517). 144 181. Das Bundesgericht entscheidet liber Einsprachen gegen Auslieferungsbegehren fremder Staaten auf Grund des Bundesgesetzes betreffend die Auslieferung gegeniiber dem Auslande vom 22. Januar 1892, nach Mafigabe der Artikel 23 und 24 des genannten Gesetzes. 182. Wegen Verletzung privatrechtlicher oder straf- rechtlicher Vorschriften des eidgenossischen Rechts durch Entscheide von Kantonsbehorden kann eine staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgerichte nicht erhoben werden. Vorbehalten bleibt die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Bestimmungen der Staatsvertrage, soweit die kantonalbehordlichen Entscheidungen nicht mittelst der in den Bestimmungen dieses Gesetzes liber die Civilrechts- pflege und die Strafrechtspflege vorgesehenen Rechtsmittel anfechtbar sind. 189. Der Beurteilung des Bundesrates (Artikel 102, Ziffer 2, und Art. 113, Abs. 2, der Bundesverfassung) oder der Bundesversammlung (Artikel 85, Ziffer 12, der Bundes¬ verfassung) sind unterstellt die Beschwerden, welche sich auf die nachstehenden Bestimmungen der Bundesverfassung oder die entsprechenden Bestimmungen der Kantonsverfas- sungen beziehen: 1. Artikel 18, Abs. 3, der Bundesverfassung betreffend unentgeltliche Ausriistung der Wehrmanner; 2. Artikel 27, Abs. 2 und 3, der Bundesverfassung be¬ treffend das Schulwesen der Kantone; 3. Artikel 31 der Bundesverfassung betreffend die Handels- und Gewerbefreiheit; 4. Art. 51 der Bundesverfassung betreffend das Jesuiten- verbot; 5. Artikel 53, Abs. 1, der Bundesverfassung betreffend Civilstand, soweit nach der beziiglichen Gesetzgebung die vollziehenden Behorden zustandig sind; 6. Artikel 53, Absatz 2, der Bundesverfassung betreffend Begrabnisplatze. Vom Bundesrate oder von der Bundesversammlung sind iiberdies zu erledigen Beschwerden betreffend die Anvvendung der auf Grund der Bundesverfassung erlassenen Bundes- 145 gesetze, soweit nicht diese Gesetze selbst oder gegenwar- tiges Organisationsgesetz (Artikel 182) abweichende Be- stimmungen enthalten. Der Rechtsprechung des Bundesgerichtes bleiben indessen in allen Fallen die Gerichtsstandsfragen vor- behalten. Im fernern hat der Bundesrat oder die Bundesversamm- lung zu beurteilen: Beschwerden betreffend die politische Stimmberechtigung der Burger und betreffend kantonale Wahlen und Abstimmungen, auf Grundlage samtlicher ein- schlagigen Bestimmungen des kantonalen Verfassungsrechts und des Bundesrechts. Endlich sind vom Bundesrate oder von der Bundes- versammlung zu behandeln : Anstande, herriihrend aus den- jenigen Bestimmungen der Staatsvertrage mit dem Ausland, welche sich auf Handels- und Zollverhaltnisse, Patentgebiihren, Freiziigigkeit, NiederlassungundBefreiung vom Militarpflicht- ersatze beziehen. 190. Die Bestimmungen der Artikel 178 und 182 sind auf die vom Bundesrate zu beurteilenden staatsrecht- lichen Streitigkeiten anwendbar, sofern nicht ein Beschwerde- fall vorliegt, wo der Bundesrat als Vollziehungsbehorde auch von Amtes wegen einzuschreiten hat. Die Bestimmungen der Artikel 183, Absatz 1, 184, 186 und 187, Absatz 1, finden auf das Verfahren vor dem Bundesrate und der Bundesversammlung entsprechende An- wendung. 191. Bei den vom Bundesrate zu erledigenden staats- rechtlichen Streitigkeiten steht die Befugnis zum Erlafi vor- sorglicher Verftigungen im Sinne des Art. 185 ausschliefilich dem Bundesrate selbst zu. 192. Innerhalb sechzig Tagen nach Mitteilung der bundesratlichen Entscheidung kann die Sache durch Ein- legung einer Rekursschrift beim Bundesrate an die Bundes¬ versammlung weiter gezogen werden, sofern die Weiter- ziehung nicht durch das Gesetz ausgeschlossen ist. 10 146 193. Ist eine Entscheidung des Bundesrates an die Bundesversammlung weitergezogen worden, so bleibt der Bundesrat so lange zum Erlafi oder zur Aufrechthaltung vorsorglicher Verfiigungen befugt, als nicht die Bundes¬ versammlung in der Sache selbst endgiiltig entschieden hat. 194. Wenn eine Beschwerde gleichzeitig beim Bundes- gerichte und beim Bundesrate erhoben wird oder wenn bei einer dieser Behorden Zweifel dariiber bestehen, ob die Be- urteilung einer ihr eingereichten Beschwerde in ihre eigene Zustandigkeit oder in die der andern Behorde falle, so soli vor der Entscheidung ein Meinungsaustausch liber die Kompe- tenzfrage zwischen den beiden Behorden stattfinden. Die Bundesbehorde, welche in der Hauptsache kompe- tent ist, hat auch alle Vor- und Zwischenfragen zu erledigen. 195. Die staatsrechtlichen Entscheidungen des Bundes- gerichts werden mit der Ausfallung rechtskraftig und voll- ziehbar. 196. Die staatsrechtlichen Entscheidungen des Bundes¬ rates sind rechtskraftig und vollziehbar, sobald die fiir die Weiterziehung an die Bundesversammlung festgesetzte Frist unbenutzt abgelaufen ist. Dem Bundesrate steht indessen das Recht zu, Entschei¬ dungen, welche ihrer Natur nach keine Aufschiebung des Vollzuges gestatten, als sofort vollziehbar zu erklaren. Die staatsrechtlichen Entscheidungen der Bundesver¬ sammlung werden mit der Ausfallung rechtskraftig und vollziehbar.