Narodna in univerzitetna knjižnica v Ljubljani ______ Dalmatien und Montenegro. E r ft er V a n d. - Dalmatien md Montenegro. Mit ein cm Ausfluge uach der Herzegowina und einer geschichtlichen Uebersicht der Schicksale Valmatiens und Tagusa's. Nach Sir I. Gardner Wilkinson bearbeitet von Wilhelm Adolf Lindau. Erster Band. Leipzig Verlag von Gustav Mayer. 1849. 1^2"^" ^5>«^ ^5 /^///^ Vorwort. Das Original dieses Werkes erschien 1848 zu London unter dem Titel: ,,DuIm»tia an«! Hlü>lt,l!lie<»r«>; »ilk u ^ou^ne^ to No8lur in llerxe^oviilll, :lnä remarli» ou tko 8iavouio «^wu8, tlio kiztor^ ol Da1m.-lt,ia »nä Illi^u«», l,li6 Dz^oli» olo." in zwei Bänden mit einer Karte und Abbildungen. Der Verfasser hat sich bereits durch geschätzte Werke über A eg yp ten bekannt gc- utsldjt, toon iBcldjeu baa ctflc unb tcbeittcutftc: ,,The private life, manners, customs, religion, agriculture — of the ancient Egyptians, derived from the study of Hieroglyphics, sculpture, paintings and other works of art still existing —" wozit er während seines zwölfjährigen Auftllthaltcs im Lande den Stoff gesammelt hat, bereits in der dritten Auflage in fünf Väuden mit vielen Abbildnngen erschienen ist und mehr als an-derc gleichzeitige Schriften dazu beigetragen hat, uns mit den, Volke der Pharaonen, seiner Lebensweise und seinen Gewohnheiten bekannt zu machen. Nicht minder schätzbar sind seine spä- term äöerfe: „Topography of Thebes, and general view of Egypt,, being a short account of the principal objects worthy of notice in the valley of the Nile" — Alette§(u8fla6e 2 SBäubc und ,,Nt,c1orn N^l." 2 Vände. Mit reichen Reisccrfahnm- Vl gcn und eineui geübten Beobachtcrblicke ausgerüstet, bereiscte der Verfasser im Jahre 1844 Dalmatien und die angranzenden Länder. Er sei der Meinung gewesen, sagt er in seinem Vorworte, daß Berichte über nicht allgemein bekannte und so wenig besuchte Länder, wie Dalmatien, Montenegro und die Herzegowina, ein höheres Interesse erhalten würden, wenn er sie mit Nemerknngen über den Ursprung ihrer Einwohner und mit einem Ucbcrblickc ihrer Geschichte begleite. „Jedermann weiß," setzt cr hinzn, „was für ein lebendiges Interesse sich an Ländec knüpft, die reiche Erinnerungen an die Vorzeit erwecken, und wie viel gleichgiltiger wir Denkmale der Vergangenheit betrachten, mit welchen keine geschichtlichen Erinnerungen verbunden sind. Wie mächtig ist der Gindruck, dcu die unvollkommensten Ucberrcste des Alterthums in Rom machen, und wie sehr fehlt es an jenen begeisternden Reguugcn, wauu wir die vollkommueren Denkmale in Nimes und anderen Orten sehen, deren Geschichte weniger bekannt ist! Ich habe mich daher bemüht, das Interesse, das die bloßen Namen von Bezirken uud Städten nicht gewähren würden, durch Hindeutung auf die dort vorgekommenen Ereignisse und auf die Nolle, welche die Einwohner in der Geschichte ihres Landes spielten, hervorzurufen. Eine Beschreibung Dalmatiens und der Gränzgcbiete während der Kämpfe zwischen Ungarn nnd Venedig oder zwischen den Ve-netiancrn und den Türken kann die Erinnerungen erläutern, welche die Einwohner selber au viele Orte knüpfen." „Ich habe geglaubt," fährt der Verfasser fort, „bei der Grwähmmg der Slaven möchte es willkommen sein, etwas über ihren Ursprung, ihre Religion nnd ihre Sitten zn erfah« ren, und zusehen, wie sie mit einander verbunden sind, zu- VII mal da die in diesem Augenblicke unter ihnen entstandene Bewegung leicht zu einer Einigung der verschiedenen Zweige dieses Stammes führen könnte, und da sie jetzt eine höhere Wichtigkeit erlangt haben, als in irgend einer früheren Zeit. Ueber die Wahrscheinlichkeit der Erfolge des Panslavis-mus habe ich nur sehr wenige Bemerkungen gewagt, und seit ich sie niederschrieb, sind Ereignisse ill Europa eingetreten, deren Wirknng von der Theilnahme oder der Feindseligkeit der Deutschen, von der Politik Oesterreichs, oder von der Neigung Rußlands, einen Slavenbund unter seinem Schutze zu begünstigen, abhängen wird. Es ist unnütz, über diese Frage zu grübeln; man muß es der Zeit überlassen, die Ergebnisse zu enthüllen." Graf Valerian Krasinski in London machte mich vor einigen Monaten aufmerksam auf dieses Werk, das seiner Theilnahme schätzbare Zusätze verdankt, und ich glaubte, daß eine Bearbeitung desselben dem deutschen Publikum willkommen sein werde, da der reiche Stoff, den es darbietet, die neueste und nmfassendstc Kunde der noch so wenig bekannten, aber in ethnographischer und historischer Hinsicht so interessanten Länder zwischen der Donau und der Nordgränze Griechenlands gibt. Ich habe in meiner Bearbeitung nichts weggeschnitten, was zur Aufklärung des Gegenstandes nothwendig oder dienlich war, aber hier und da die Anordnung und Stellnng des Mitgetheilten geändert, wo die Ucbersichtlichkeit dadurch zu gewin-uen schien, und ill gleicher Absicht die geschichtlichen Entwickelungen des Verfassers zusammengedrängt. Das Original enthält eine überreiche artistische Beigabe, theils von dem Verfasser selber gezeichnete lithographirtc Ansichten interessanter Gegenden, VllI theils im Texte abgedrückte Holzschnitte von Bauwerken, Ruinen, Landschaften, Trachten und Gerathen. In der deutschen Bearbeitung mußte, aus nahe liegenden Gründen, von einer Nachbildung dieses artistischen Reichthums abgesehen werden, doch ist dabei nichts verloren gegangen, da sich in der Beschreibung der Gegenstände, die der Verfasser durch Abbildungen veranschaulichen wollte, der Mangel derselben völlig ersetzen ließ. Es erschien jedoch nothwendig, die dem Original beigcgebene Karte von Dalmatien und Montenegro nachzubilden. Die Küste uud die Lage der Orte sind nach einer von der österreichischen Negicrung veranstalteten Vermessung eingetragen, die Gc-birgszüge aber nach des Verfassers eigenen Beobachtungen angegeben worden, wie auch der Lauf der Narenta nach Mostar, die beide in jener Vermessung nicht beachtet wurden. Bei dem Gebiete von Montenegro hat Sir Gardner Wilkinson die Karte des Grafen Theodor Karacsay zum Gruude gelegt, aber mehre von ihm nach dem Augenmaße gemachte Verbesserungen angebracht. Beide Karten sind nach dem Meridian von Greenwich berechnet, der bekanntlich 1?" 4l' östlicher als Fcrro liegt. Der Verfasser bemerkt, er habe in der Schreibung einiger Wörter aus der Slavcnsprache Schwierigkeiten gesunden, da verschiedene Schriftsteller sic abweichend schreiben, einige z. B. (5itluk oder Chitluk, Chcrui oder Tzcrni, Ccttina oder Tzcttma, Struaa oder Strnccha, Prolog oder Prologh, Xabliak oder Zsabliac, Pogitel oder Pocitcgl, und in einigen Fällen sei cr in Zweifel gewesen, ob cr der Schreibung oder der Aussprache folgen solle. Den in Dalmatien gesprochenen Dialekt, setzt cr hinzu, habe cr den illyrischen genannt, und wenn einige Schriftsteller das Illyrische als cine der Hauptabthcilungcn der IX Slavcusprachc angegeben haben ^), mit Ginschluß der serbischen, dalmatischen und anderer Dialekte, so glaube cr diese Benennung wählen zu dürfen, da sie der Name sei, den die Dalmatier selber ihrem Dialekte geben. Ich habe die von dem Verfasser angeführten Werke verglichen, wo es nothwendig war, doch ist mir die oft von ihm benutzte, noch immer anziehende „Reise nach Dalmatim" von Fort is nur in der deutschen Uebcrsetzung (2Theile, Bern 1776) zugänglich gewesen. Nicht immer aber habe ich die bibliographischen Angaben des Verfassers genan gefunden. Das neueste, im Januar dieses Jahres erschienene Werk über die Küsten und Inseln des adriatischen Meeres: ,,IIixk1lmÜ5 u,nä lijiumls os Uio Adriatic, including Dalnnitia, Croatia and the southern provinces of the Austrian Empire. By A. A. Pa ton, 2Ü3üubc8. nüt Karten und Abbildungen ist mir noch nicht zu Gesicht gekommen. —Was die neuere einheimische Literatur darbietet, habe ich nicht unbeachtet gelassen, und wenn auch nicht reich, ist doch dieAusbeute nicht gauz unbedeutend. Selbst die „Reise Sr.Majestät des Königs Friedrich August von Sachsen nach Istricn, Dalmatien und Montenegro im Frühjahr 1838 " voll des Königs Begleiter, dem Botaniker Vartolomeo Viasoletto in Trieft, aus dem Italienischen im Auszuge übersetzt von G. von Gntschmid (Dresden 1842) enthält zwar uicht viele neue, doch manche schätzbare Nachrichten, die frühere Angaben bestätigen oder Montenegro, dem Sir Gardner Wilkinson scinc besondere dankenswcrthe Aufmerksamkeit zugewendet hat, ist iu der neuesten Zeit, wie in England und Frankreich, auch iu Deutschland von mehren Reisenden ills Auge 1) S. Band I. Seitc 32. gefaßt worden. Die kleine Schrift: „Montenegro und die Montenegriner. Gin Veitrag znr Kenntniß der europäischen Türkei und des serbischen Volkes" in Widenmann's und Hauff's „Reisen uud Reisebcschreibuugen," elfte Lieferung (Stuttgart und Tübingen 1837) enthält genaue Nachrichten und eine gute Uebersicht der geographischen und statistischen Verhältnisse des Landes, die Ausbeute mehrjähriger Neisen und Beobachtungen, wiewohl der Verfasser, ein Desterreichcr, wie es scheint, nicht immer unterscheidet, was allgemeine Sitten der Serben und was besondere Gewohnheiten der Montenegriner sind. Heinrich Stieglitz gibt uns in seiner Schrift „GinBesuch auf Montenegro" gleichfalls einen schätzbaren Beitrag zur Kunde des Landes. Dresden im Mai 1849. N5 A L. Inhalt. Seite Vorwort.................................................. v Grster Abschnitt. Einleitende Bemerkungen. Wichtigkeit DalmatimS. Sprache, Ursprung und Religion der Slauen. Alphabet. <3r-fte Ankunft der Slaven in Dalmatien. Umfang und allgemeine Verhältnisse des Landes............................... 1 Iweiter Abschnitt. Von Trieft nach Zara. Die Küste von Iftrien. Piräno. Parenzc. Pola. Der Meerbusen Quarnero. Fiume. Die Inseln Veglia und Arbe. Der letzte Graf von Veglia. Zara....................................... 30 Dritter Abschnitt. Von Zara nach Spalato. Sebenico. Spa-lato. DiocletianS Palast. Salona. Clissa. I <ül»8lt:l!i. Trau. Die Inseln Brazza und Solta.......................... 6? Vierter Abschnitt. Ausflug in das Innere. Die Kerka. Scardona. Das Grzmgel-Kloster. Die bewaffnete Macht. Knin. Ackerbau in Dalmatien. Metallreichthum in früheren Zeiten. Ver-licca. Das MorlachenhauS. Sign. Ringelrennen. Rückkehr nach Spalato über Salona............................ N7 Fünfter Abschnitt. L<>fina. Cürzola. Das Kloster Badia. Die Insel Meleda. Das Ombla-Thal. Ragusa. Geschichte des Freistaates. Verfassung. Handel. Volksbildung. Die Stadt. Bocche di Cattaro. Die Vocchesen. Die Stadt Cattaro___ 152 XII Seite Sechster Abschnitt. Montenegro, Montenegro's Name, Lage, Flächenraum und Eintheilmig. Allgemeine Ansicht des Landes. Berge und Flusse. Gewächse. Fische. Bevölkerung. Ortschaften. Muth der Montenegriner. Ihre physische Beschaffenheit, Linigenkraft, Langlebigkeit. Sklaverei der Weiber. Heirathsge-bräuche. Einrichtung der Häuser. Ackerbau. Hindernisse der Gesittung. Ausfuhr und (Hmsuhr. Manufacture». Waffen, Kriegsgewohnheiten und Kampfart. Gastfreiheit gegen Fremde. Lebensweife. Spiele. Trachten. Erziehung und Schulen. Heil-lunst. Aberglaube. Religion. Regierung. Der Nladika und seine Gewalt. Veränderungen in der Verwaltung. Schwierige Stellung des Vladika Peter Petrovich Negosch. Geschichte Montenegro's....................................... 2>l1 Erster Abschnitt. Einleitende Bemerkungen. Wichtigkeit Dalmatiens. Sprache, Ursprung und Religion der Slaven. Alphabet. Erste An- knnft der Slaven in Dalmatien. Umfang und allgemeine Verhältnisse des Landes. Wenige Theile Europa's sind noch so unbekannt als die Länder zwischen der Donau und der Nordgränze Griechenlands, wiewohl höchst merkwürdig dnrch die mit ihrer Vergangenheit und gegenwärtigen Lage verbundenen Ereignisse, und selbst dnrch die Aussicht, die sich jetzt für einige derselben öffnet, von dcr Will-kürhcrrschaft der Türken befreit zu werden, unter welcher sie seit Jahrhunderten geseufzt haben. Die Umstände, die Dalmatien gegen ein gleiches Loos sicherten, machen dieses Land noch merkwürdiger in der Geschichte einer Zeit, wo der Halbmond seine verheerende Herrschaft bis in das Herz Enrofta's auszudehnen drohte, während die Vertheidigung dieses Theiles des slavischen Gebietes unter Venedigs Obergewalt der Republik Ehre bringt, die als Europa's großes Bollwerk nnd als Vorkämpftrin der Christenheit in der Stnnde der Noth hervortrat. In einer Zeit, wo das Andenken an jene Ereignisse sich beinahe verloren bat, ist es anziehend, anf die Geschichte jener glorreichen Kämpft zurückzugehen nnd nns zu erinnern, wie viel jener kleine Landstrich vazu beigetragen hat, die Türken in ihrem Vorrücken gegen Enrofta anfznhalten. Als Kara Mustafa mit der zweiten Belagerung Wiens beschäftigt war und Europa vor dem Dlllmaticn und Montenegro. I. ^ 2 beinahe gelungenen Erfolge der Anstrengnngm, sich dieser wichtigen Stellung zu bemächtigen, in unruhiger Besorgniß schwebte, behauptete Venedig sich durch eigene Kraft, schlug die Heere der Türken in Dalmatieu und die wichtigstell Vcstnngen waren bereits dnrch Foscolo's Tapferkeit gesichert. Wer mit der Geschichte jener ereignißvollen Zeit bekannt ist, findet in Dalmatien viele anziehende Erinnerungen; noch immer zeigt man die Schlösser und Besten des Landes als geehrte Denkmale ruhuwoller Zeiten, und nirgend sind die Sitten des Volkes alterthümlichcr, nirgend die Trachten mannigfaltiger als in den Städten nnd Dörfern des Binnenlandes. In Spa lato ist Diokletians Palast ein höchst merkwürdiges Denkmal für deu Vaukünstler und den Alterthumsforscher. Die Vestuug Clissa, die von der Zeit des Kaisers Tiberius bis anf das gegenwärtige Jahrhundert der Gegenstand der heftigsten Kämpfe war, abwechselnd in den Händen der Illyrier und der Römer, der Venetiancr, der Ungarn, der Türken, der Uskoken und der Tempelherren, der Grafen von Bribir und der Kroaten, der Franzosen und der Oesterreicher, gehört der alten wie der neuerm Geschichte an. Zara und andere Städte erinnern an die älteste und die neuere Zeit, uud die Insel Lissa und viele Seehäfen an Dalmatiens Küste rufen dem Engländer die glänzenden Waffenthaten seiner Seemacht im letzten Kriege zurück. Auch Ragusa erweckt unsere Theilnahme durch die rühmlichen Anstrengungen, womit diese Republik ihre Freiheit vertheidigte, trotz den Ränken der wankclmüthigen slavischen Fürsten, trotz der späteren Nebenbuhlerei der Venetianer und der Türken, aber anch durch den gänzlichen und unverdienten Verfall seines Wohlstandes und durch seine Stelluug im Handel und in der Literatur. Hier kam Richard Löwenherz in Gefahr, Schiffbmch zu leideu, als er aus Palästina zurückkehrte'), und Ragusa'sKaufleute waren lange 1) Siehe Abschnitt V. 3 in England bekannt durch ihre reichen Handelsschiffe, Argosies genannt, die von der Stadt ihren Namen hatten. Weiter südlich finden wir einen anderen merkwürdigen Staat, der noch immer seine Unabhängigkeit behanptet, trotz den wiederholten Angriffen der Türken, und der eben so sehr die Theilnahme Europa's erregt als die Tscherkessen nnd andere Vertheidiger ihrer Freiheit, nnd die Thatsache, daß Montenegro noch immer von dem einzigen kriegerischen Bischöfe beherrscht wird, der seine kühnen Bergbewohner zu Kampf und Sieg führt, macht es zu einem der anziehendsten Länder Europa's. In allen Seehäfen Dalmatiens wird Italienisch gesprochen, aber die Landessprache ist ein slavischer Dialekt, der allein von den Bauern im Vinnenlande gebraucht wird und ausschließend in ganz Montenegro herrscht, nnr mit dem Unterschiede, daß die Sprache dort weit reiner ist als das Illyrische in Dalmaticn. Man nennt sie die serbische, ans den Ursprung des Volkes deutend, das stolz auf seine Abstammung von dem alten Königreiche Duschan ist. Die Dalmatier und Montenegriner sind nicht bloß durch ihre Geschichte merkwürdig, sondern auch als Zweige des großen Slavenstammes, auf welchen die fortschreitenden Ereignisse die Aufmerksamkeit zu lenken beginnen und der eine vorragende Stellung im östlichen Europa zu uehmen verspricht. Es wird daher meinem Gegenstande nicht fremd sein, wenn ich meiner Beschreibung Dalmatiens einige Bemerkungen über den Ursprung der Slaven, über ihre Rolle in der älteren Geschichte Europa's und über ihre erste Einwanderung in das Land vorausschicke. Wir können die zuuehmcude Bedeutung dieses Volksstammes und ven Einfluß, den er wahrscheinlich erhalten wird, aus derThat-sachc abnehmen, daß er schon über siebzig Millionen Seelen zählt, und wenn er noch nicht den Vorzug erlangt hat, der viele andere Völker auszeichnete, so ist dieß dem besonderen Gange der Ereignisse zuzuschreiben, und mau darf wohl voraussetzen, daß er nur 1* 4 die Gelegenheit erwartet, die allen Völkern der Reihe nach sich darzubieten scheint, zn Berühmtheit und Macht zn gelangen. ^) Einer seiner Zweige hat sich allerdings in neueren Zeiten ausgezeichnet; die Polen haben in ihren Kriegen mit den Türken ihren Namen für immer berühmt gemacht, und ist Polen gefallen, so steigt dagegen ein anderes Volk, dessen Hanptbestandtheile Slaven sind, rasch znr Macht empor. Nie hat dieser Stamm einen so großen Anspruch auf Europa's Aufmerksamkeit gehabt, als in diesem Augenblicke. Schon blicken die Slavenstämme aufNuß^ land als ihr Haupt, durch dessen Einfluß sie eine hervorragende Stellung unter den europäischen Völkern zu erlangen hoffen, und Europa mag jetzt dem Ergebnisse unruhig entgegensehen. Selbst Polen beginnt mm Warschau's Leiden zu vergessen, in der Hoffnung, die Ehre zu theilen, welche ihm die Erhöhung der vorherrschenden slavischen Macht zustrahlt. Der entlegene und abgeschiedene Montenegriner freut sich über die steigende Wichtigkeit jener weit ausgebreiteten Völkcrfamilie, deren Glied er ist, und andere slavische Völkerschaften fühleu, daß sie von gleichem Stamme und Glauben mit den Russen sind. Es ist Deutschlands Aufgabe, das Ergebniß zn beobachten, und es wird wohlthätig für Europa sein, wenn Frankreich, statt sich einem nutzlosen Hasse gegen England zn überlassen, sich ans den Augenblick vorbereitet, wo Rußland die Stärke seines Einflusses auf die Slaven geltend macht. Von der ersten Ankunft der Slaven in Europa und von der Zeit ihrer Ansiedelung ist nichts bekannt. ^) Mau findet sie zuerst 1) Ueber die Beziehungen der Slaven zuDeutschland gibt fleißig zusammengestellte Nachrichten: „Der Weltkampf der Deutschen und Slaven seit dem Ende des fünften Jahrhunderts nach christlicher Zeitrechnung, nach seinem Ursprünge, Verlaufe und nach feinen Folgen dargestellt von II?. M.W. H eff-t er. " Hamburg und Gotha 1847. 8. L. 2) Das erste bestimmte Vorkommen der Slaven in der Geschichte bezeichnet jedoch der byzantinische Geschichtschreiber Pro coftius (üll<» lin-tl,io<», 3, 14) um das Jahr 495 unserer Zeitrechnung. Sie kamen in feindliche Berührung mit dem morgenländischen Kaiserthum, neben welchem sie zu jener 5 am Don unter den Gothen, nachher an der Donau unter den Hunnen und Bulgaren, und in Verbindung mit diesen griffen sie oft das römische Reich an. Sie waren nicht so kriegerisch als die Deutschen und suchten lieber den ruhigen Besitz der voll den germanischen Stämmen geräumten Länder zu erlangen, als sie durch Waffengewalt zu nehmen. Auf der Nordseite der Karpathen erstreckten sich ihre Ansiedelungen über Mecklenburg, Pommern, Brandenburg, Sachsen, die Lausitz, Böhmen, Mähren, Schlesien, Polen und Rußland, und jenseit jener Berge, wo sie bereits in früher Zeit in der Moldau und Walachei Wohnsitze hatten, verbreiteten sie sich immer weiter, bis sie auch in Dalmatien auf-geuommcn wurden. Sie gründeten nach und nach die Königreiche Slavonien, Bosnien, Serbien und Dalmatien, und endlich reichten ihre Besitzungen vom Don bis an die Elbe und von der Ostsee bis zum adriatischen Meere. Auch in Ungarn waren sie zclhlreich, und sie erstreckten sich von Friaul über die uordöst-liche Ecke Deutschlands, so daß ihr Gebiet mit Stcimuark, Kärn-then und Krain, den Ländern der südlichen Slaven, sich abschloß. Obgleich aber von der ersten Ankunft der Slaven iu Europa nichts bekannt ist, so kann doch eine Vergleichung ihrer Sprache mit dem Zend und Sanscrit allein schon den Beweis geben, daß sie zu den indisch-germanischen oder indisch-europäischen Stämmen gehörten, die ans den: mittleren Asien lauge vor der geschicht- Zeit ihre Wohnsitze hatten. Procopius nennt sieSclave » c n und schildert sie als ein großes und kräftiges Geschlecht, das zwar dürftig in zerstreuten Hütten, aber frei und ungebunden lebte, schlecht bewaffnet, duch knegsmuthig und beutegierig war und durch unaufhörliche Raubzüge das oströmische Reich belästigte. — Der Verfasser sagt, er habe in diesem Abschmtte die Forschungen des Grafen Valerian Krasinski vielfach benutzt, der durch seine Geschichte der Reformation in Polen rühmlich bekannt ist und jctzt ein umfassendes Werk über den Ursprung und die moralischen und gesellschaftlichen Verhältnisse der Slaven bearbeitet. In Beziehung auf die gegenwärtige Bewegung der slavischen Volker gab er eine kleine Schrift: „l^üzil^ism H„ll l^i'mu-nit>m" (London 1848) heraus, die ich unter dem Titel: „Slaventhum und Deutschthmu" (Dresden 1858) übersetzt habe. L. 6 lichen Kunde auswanderten und die Stammväter der Griechen, Lateiner, Slaven nnd Germanen warm, wie anch der Skandinavier und anderer gothischen Völkerschaften. Der gemeinsame Ursprung des Slavischen und Englischen erklärt auch die Achnlich-keit zwischen englischen und slavischen oder illyrischen Wörtern, wovon wir Beispiele in Stina, Stein, Brate, Bruder, und Sestra, Schwester, und vielen anderen finden, und wir dürfen uns nicht über die Aehnlichkcit mit anderen Sprachen verwundern, die Abkömmlinge desselben Stammes im mittleren Asien sind. Andere aber, statt auf den gemeinsamen Ursprung des Slavischen und anderer indisch-europäischen Sprachen zn achten, haben es irrig von dem Lateinischen abgeleitet, obgleich die Zahl der Völker, die diese Sprache reden, und die Ausdehnung dcr Länder, über welche sie verbreitet ist, das Irrige dieser Meinung hinlänglich beweisen. Es ist auch keineswegs wahrscheinlich, daß die Ankunft der Slaven in Europa, wie Einige glauben, gleichzeitig mit dem Ginfälle dcr Hunnen, Avaren und anderer asiatischen Stämme gewesen sei, die im fünften Jahrhunderte einwanderten. Dagegen sprechen dieselben Thatsachen und der Umstand, daß diese Völker in so früher Zeit sich mit Ackerbau nnd Handel beschäftigten, und ihre Sprache läßt es nicht bezweifeln, daß sie in derselben entfernten Zeit mit den Germanen, den Lateinern und den Griechen angekommen sind. Könnte noch ein Zweifel über den Ursprung der slavischen Sprache obwalten, so würde die Wortbildung die Frage entscheiden, und zeigen' daß sie aus derselben Quelle entsprungen ist, wie andere indisch-europäische Sprachen. Die Ableitnng der Wörter von alten Wurzeln, die nach einer bestimmten und beständigen Regel erfolgt, entscheidet für die Thatsache, daß die Wörter in der slavischen Sprache nicht aus einer Nebenquelle geflossen sind, und ihre nmnittelbare Beziehung auf das Sanscrit beweiset, daß diese Sprache aus dem Urstamme ohne eine Uebergangsstufe entsprungen ist/) Dieser Gegenstand ist zwar wegen seiner Verbindung mit der frühesten Bevölkerung Europa's von hohem Interesse, ich habe jedoch nicht die Absicht, diese verwickelte Frage weiter zn erörtern, und will daher unr die Zahlen im Slavischen, Lateinischen nnd Sanscrit vergleichen, woraus sich eine nähere Verwandtschaft mit dem Sanscrit als mit dem Lateinischen, Deutschen oder Griechischen ergibt: Illynsch-Slav. Sanscrit Lateinisch Griechisch Deutsch Zend i Iedan (Adin, Efa Gins A«ua Odin) Z Dua Dwi (Dual. Duo Zwn Dwa, weibl. Dwau) Dwjc, sächl. Duje 3 Trl Tri ( plural - Drci Thii Traja) Tschetm, C6tiu Tschatur (i'Im-.'ll: Vier Tschatwar Tschatwara) 5 Pet Pan tschau Fünf Pantschan 6 Schoß, Scheft Schasch, Schat Sechs Csuas, Kschwas ? S^dam Saptan (Sapta) Sieben Hciptan 8 Osllm Aschtan (Aschta) Oetv Acht Nstan 9 D«vet Navan (Nava) IVnvein Neun Navan 10 Däset Düsan (Dasa) Deoem Zehn Dasan 11 Iedanaest M7l-d5sa Elf Aevaudasan 12 Duanarst Dwa-däsa Vuocleelm Zwülf Dvadasan 20 Dvadeset, Vinsati Vi^inli Zwanzig Visaiti DvaeS 1U0 Sto Satam Hundert Satem WA Hilsada, Tisu- Sahasra Tausend Hazanra. cha,Tisionts Eine Vergleichung von Wörtern könnte noch viele Beweise für die Achnlichkeit jener Sprachen liefern, aber ich will nur einige auführen, wie Slavisch Put, Weg oder Pfad, Sanscrit 1) S. Bopp's vergleichende Grammatik. 8 Pathi oder Patha; Slavisch Vok, Wolf, Sanscrit Vuka; Slavisch Svlet, Licht, Sanscrit Sveta, weiß; Slavisch Voda, Wasser, Sanscrit Uda,') und andere, die dem Sanscrit gleichen, aber dem Lateinischen oder Griechischen ganz nnähnlich sind. Auch ist es merkwürdig, daß die Slaven Namen für Thiere haben, die nicht in den von ihnen bewohnten Ländern einheimisch sind, wie Verb lud oder Vielblond, Kameel, Slon oder Slogn, Elephant, Obcsiana (Polnisch Malpa oderMolpa) Affe, die nicht von anderen europäischen Sprachen abstammen, und die sie daher aus Asien mitgebracht haben müssen, zur Zeit ihrer Wanderung ans jener Wiege der Menschheit. Einige slavische Schriftsteller haben mit einer echt patriotischen Begeisterung nicht nur die Möglichkeit der Abstammung ihrer Sprache von dem Lateinischen geleugnet, sondern sind auch auf das entgegengesetzte Aenßerste gekommen, sie für die Mutter jeder anderen Nede zu halten. Homers Ilias soll Wort für Wort slavisch sein, Adam und Eva sollen Slavisch gesprochen haben, und der Name deö fernen Himalaja von den Worten herkommen: „da ist Schnee." Man muß lächeln, wenn man hört, wie diese Etymologen beweisen wollen, daß unsere Stammältcrn Slavisch gesprochen haben. Als Gott Adam zn sich rief, soll er gesagt haben-od ama, komm her, und auf die Frage nach seinem Weibe antwortete Adam: evoje, hier ist sie. Und ganz ernsthaft gibt man dieß als Beweis des hohen Alterthums der slavischen Sprache und des Ursprungs der Namen unserer Stammältern. Der Name Slave wird gern von Slav a, Rnhm, abgeleitet, das anch stets in der Znsammensetzung von Eigennamen vorkommt, wie Wladislaw, Beherrscher des Nuhms, Stanislaw, Gründer des Ruhms. Andere aber behaupten, es komme von Slovo, Wort oder Ncoe, als bezeichnender Ansdruck im Gegensatze von Niemetz, stumm, wie die Deutschen genannt l) Das griechische «s^. 9 wurden, deren Sprache man nicht verstand/) Diese Bezeichnung ist noch immer üblich, und von ihr haben die Türken und Araber den Namen Nemsa abgeleitet, den man in der ganzen Levante den Deutschen gibt. Niem, fremd, ward auch als Gegensatz des Slavischen gebraucht, und da Slavisch und Slavonisch ursprünglich Slovanski und Slovianin lauteten, statt Slavinski und Slavianin, so hat man Grund, Slovo statt Slava als Nrsprung des Namens anzunehmen. Die Slaven kommen bei Iornandes, dem Geschichtschreiber der Gothen, unter den Namen Vinidi, Vencdi, Anten und Sla-vinen vor. Wahrscheinlich waren dieß die drei Hauptstämme, uud die letzten beiden waren nach Pro cop ins unter dem allgemeinen Namen Spori begriffen. Dieses Wort hält Krasinski für verstümmelt aus Serben, dem alten Volksnamen, der vielleicht von Sbor, Versammlung, abstammt, weil in früheren Zeiten die gesetzgebende Gewalt und die Regierung von Volksversammlungen abhing. Sie wohnten hauptsächlich an- den Usern der Weichsel und längs der südlichen Küste der Ostsee. Ihr erstes erwähnenswerthes Auftreten in der Geschichte kommt zu Anfange des sechsten Jahrhunderts vor, als ein Theil dieses Stammes südwärts zog und nach einem Siege über das byzantinische Heer gegen Konstantinopcl vorrückte. Vclisarius mußte seine ganze Tapferkeit und Geschicklichkeit aufbieten, um die Hauptstadt gegen ihre Angriffe zu sichern. Nach ihrem Rückzüge ließen sie sich an der Donau nieder und setzten ihre Angriffe gegen das römische Neich fort, bis sie am Ende des sechsten Jahrhunderts von den Avarcn besiegt wurden. Bald aber erhoben sie sich nach dieser Demüthigung und schlössen endlich mit dem Kaiser Heraklius einen Vertrag zur Vertreibung der Avaren aus II-lyrien. Dieß brachte sie zum ersten Mal an das adriatische Meer. l) S. Schafaril'S Slavische Alterthümer Bd. 3, S. 25 der deutschen Übersetzung. L. 10 Von den Kaisern aufgemuntert, sich im oströmischen Gebiete anzusiedeln, überschwemmten die Slaven bald viele byzantinische Provinzen und wurden aus Feinden Verbündete. Ihre Siege über die Avarcn führten sie zu Niederlassungen in Slavonien, Nascien,') Kroatien, Serbien, Bosnien, der Herzegowina und Dalmatien. Mit diesem Theile der Slaven steht Dalmatien zwar in der nächsten Verbindung, aber es wird nicht unpassend sein, auch von der nördlichen Abtheilung dieses zahlreichen Stammes zn sprechen, welche durch die höhere Gesittung, die sie schon in früher Zeit erlangt hatte, ebenso merkwürdig war, als dnrch das traurige Schicksal, das ihre deutschen Nachbarn ihr bereiten sollten. Die nördlichen Slaven nnterschicden sich von ihren südlichen Brüdern in ihren Gewohnheiten, und sie nahmen eher einen friedlichen als einen kriegerischen Charakter an, mochte nun ihre Ni?-derlassnng in Ländern, aus welchen unstatcre und kampslnstigere Stämme ausgezogen waren, oder ihre natürliche Hinneigung zum Ackerbmi und Handel die Ursache sein. Sie hatten schon in sehr früher Zeit Handelsverkehr mit ihren Nachbarn, in Getreide, Vieh und den Erzeugnissen ihrer Betriebsamkeit. Sie erbauten Städte an dein Gestade der Ostsee, unter welchen Arkona auf der Insel Rügen eine der berühmtesten war, und Wineta^) ander Mün-duug der Oder der bedeutendste Handelsplatz seiner Zeit wnrde. Kiew am Dniepr nnd Nowgorod am Wolchow wurden von ihnen gegründet, und sie brachten den Handel auf dem schwarzen Meere und auf der Ostsee in Vcrbinduug. Bald aber fühlten sie, wie gefährlich es war, sich mitten uuter kriegerischen und minder gesitteten Nachbarn bloß friedlichen Beschäftigungen zu widmen. Ihr Reichthum war zn lockend, ihre wehrlose Sicherheit bot zn viel Gelegenheit zu Angriffen dar, und die Religion gab 1) Ursprünglich der südliche Theil Serbiens. L. 3) P. I. Schafarik: „Namen und Lage der Stadt Wineta, auch Iu-min, Iulin, Iomsbmg." Leipzig 1346. K. 11 einen guten Vorwand, den man gern ergriff, und die Franken fanden es mit ihrem Gewissen nicht vereinbar, den götzendienerischen Slaven die Ehre oder die Vortheile von Handelsunterneh-mnngcn zn gestatten. Mit diesen Versuchen zu Plünderungen gingen die Sachsen noch weiter; die Ländereicn wurden nntcr Bischöfe und Edelleute vertheilt und das Volk kam in Knechtschaft. Andere Völker zögerten nicht, die allgemeine Plünderung zu benutzen, und Wincta wurde von den Dänen zerstört, aber durch die Norddeutschen erhielt der Handel der Slaven den Todesstoß. Die Unterdrückung, wozu sie in so früher Zeit verurtheilt wurden, hat anch ihre Nachkommen getroffen, und wiewohl die Geschichte uns gezeigt hat, wie fähig sie waren, die Pflugschar mit dem Schwerte zu vertauschen, und wie tapfer sie an den Kriegen in Europa Theil genommen haben, so stud doch beinahe alle Slavcnstcimme seit Jahrhunderten unter dem Joche fremder Herrscher.') Die Südslavcn verfolgten eine andere Lanfbahn, als ihre nördlichen Brüder. Mochten sie durch eine zn große Bevölkerung oder durch die Einbrüche feindlicher Stämme genöthigt sein, ihre Heimat zu verlassen, oder Angriffskriege friedlichen Beschäftigungen vorziehen, sie überströmten die griechischen Provinzen des Reiches, in welche sie schon im Jahre 52? verheerende Einfälle gemacht hatten. Wir sehen, wie sie zu einer ZcitKonstautinopel bedrohen, zu einer anderen von den Kaisern in Sold genommen werden und wieder unter dem zweiten Tiberius während des Krieges mit Pcrsien das Reich anfallen. Dieß führte zu ihrer Unterjochung durch die Avarcn, auf Anstiften des byzantinischen Hofes, und wir finden sie im Jahre 626 unter den Fahnen ihrer Gebieter bei dem Angriffe auf Konstantinopel. Die Benutzung eines fremden Stammes zur Vertreibung eines beschwerlichen Nachbars führte zu demselben Ergebnisse, das 1) Die Herzoge von Mecklenburg find die einzige noch vorhandene echt slavische Dynastie. 12 man in England nach dem Abzüge der Römer sah; die angernfcne Hilfe ward ein größeres Uebel als die Quälereien, zu deren Hemmung man sie herbeigeholt hatte. Die Provinzen des Reiches wurden verheert, die Gesandten des Kaisers beschimpft nnd sein Vertrauen durch die niedrigste Trenlosigkeit verhöhnt, bis endlich die Unverschämtheit der Avaren und der maßlose Ehrgeiz ihres . Khans die Gednld deF byzantinischen Hofes erschöpfte. Ihre Grausamkeiten wurden den Unterdrückten unerträglich. Die Slaven mußten in der Heimat die unwürdigste Behandlung erdulden, und in der Schlacht war ihr Leben den ersten Anfällen ausgesetzt, damit, wie Gibbons sagt, die Schwerter abgestumpft würden, ehe sie die angestammte Tapferkeit der Avarcn träfen. Sie faßten den Entschluß, sich von ihren Unterdrückern zu befreien, wozu sie von ihren Stammgenossen in Böhmen ermuntert wurden, an deren Spitze der tapfere und kluge fränkische Kaufmann Samo stand. Er schlng die Avaren nnd gab den Slaven noch einmal (im Jahre C>24) ihre Freiheit wieder. Die Byzantiner benutzten eine so günstige Gelegenheit, ihre Länder von jenen Fremdlingen zu befreien; sie verbündeten sich wieder (im Jahre 634) mit den Slaven und luden den Stamm der Chro baten ein, die Avaren aus Illyrien zu vertreiben und diese Landschaft als Vasallen des Reiches zu besetzen. Die Chrobaten hatten ihren Wohnsitz auf der Nordseite der Karpathen, im südlichen Theile Polens. Als sie ihr Land verlassen hatten, rückten sie mit ansehnlicher Macht in Dalmatien ein, und nach einem beinahe fünfjährigen Kampfe gelang es ihnen, die Avaren zu bezwingen. Ungefähr um dieselbe Zeit erhielten die Serben von dem Kaiser die Erlaubniß, sich in dem Gebiete östlich von den Chrobaten niederznlassen, welches das heutige Serbien, Bosnien, die Herzegowina, Montenegro und das venetia-nische Albanien umfaßte. Ihre neuen Besitzungen wurden in drei i) B. VIII. Kap. 4U. 13 Provinzen gcthM, deren jede ihren Oberherrn hatte, dcr dem Fürsten von Serbien, einem Vasallen des Kaisers, unterworfen war. Diese Verbindung mit dem byzantinischen Hofe und ihre Ansiedelung in Ländern, deren einige bereits in der Zeit der Apostel das Christenthum angenommen hatten, mußten zur Bekehrung dcr slavischen Fremdlinge führen, und die Chrobaten und Serben waren nm das Jahr 640 Christen geworden. Die nördlichen Slaven aber blieben bis in eine sehr späte Zeit bei dem Heidenthume, und in Vcrgleichung mit anderen Völkern Europa's zeichneten sie sich durch ihre lange Anhänglichkeit an den Götzendienst aus, dcr iu Arkoua auf der Insel Nügcn bis l!l'>8 fortdauerte. Die heidnischen Slaven hatten in ihrer Religion eine grosie Aehnlichkcit mit cmderen Nachbarvölkern, was auf einen entfernten, vielleicht asiatischen Ursprung zu deuten scheint. Sie, wenigstens die Slaven an der Ostsee, erkannten ein gutes und ein böses Urwcscn an und nannten jenes Viel Bog, der weiße Gott, dieses Tscherni Bog, dcr schwarze Gott, der in dcr Gestalt eines Löwen vorgestellt wnrdc. Wie Procopius sagt, verehrten die Slaven einen einzigen Gott, den Urheber des Donners, den sie als den alleinigen Herrn des Weltalls betrachteten, und dem sie Vieh und verschiedene andere Gegenstände opferten. „Dieß ist," bemerkt Krasinski, „in Uebereinstimmung mit Nestor's Altgaben von ihrer Religion, woraus wir sehen, daß die iu Kiew, Nowogrod und anderen Städten verehrte Hauptgottheit dcr Slaven P erun, das ist Donner, hieß." Auch sagt er, man habe in Kiew Bilder der Gottheiten Dajebog, Volos, Stribog, Khors, Samagl und Mokosch verehrt, aber die letzten beiden scheinen dcn Finnen angehört zu haben. Stribog war der Gott der Winde und Volos der Heerden. Ihre Hauptgottheit war Swantewit oder Swiantowit, das ist das heilige Licht oder der heilige Krieger, uud sein Tempel nnd Bild war in Arkona. „In dcr 14 Mitte der Stadt," sagt der nordische Geschichtschreiber Saro Grammatims, „ist ein ebener Platz, wo der schön gcbantc hölzerne Tempel stand. Die äußere Umfassung war von erlesener Arbeit und mit plnmpcn Fignren verschiedener Dinge bemalt. Der Tempel hatte um einen Eingang. Das Acußcre bestand ans einer mit einem roth bemalten Dache bedeckten Wand, das Innere aber, von vier Pfosten getragen, hatte statt der Wände Tapeten. Das Götzenbild, das in diesem Gebäude stand, war über die natürliche Menschengrößc, hatte vier Köpfe und zwei Leiber, der eine rechts, der andere links gewendet. Die Bärte waren sorgfältig gekämmt und das Kopfhaar kurz geschoren. Iu der rechten Hand hielt das Bild ein Horn von verschiedenen Metallen, das von dem Priester, der den Dienst im Tempel hatte, jährlich einmal mit Wein') gefüllt wnrde. Der linke Arm war an der Seite in Gestalt eines Bogens gekrümmt. Nicht weit von dem Bilde sah man den Sattel, den Zanm nnd andere dein Gottc gehörende Dinge, unter welchen sich ein sehr großes Schwert mit einem silbernen Griffe und einer trefflich gearbeiteten Scheide auszeichnete. Das Fest des Gottes wurde jährlich einmal nach der Ernte gefeiert. Bei dieser Gelegenheit versammelte sich das ganze Volk vor dem Tempel. Der Priester nahm das Horn aus der Hand des Götzenbildes und deutete aus dem Inhalte die Aussichten für das neue Jahr. Hatte sich der Inhalt vermindert, so bedeutete dieß Mangel, aber Ueberstuß war zu erwarten, wenn keine Verminderung wahrzunehmen war. Das Horn wurde dann für das nächste Jahr wieder gefüllt nnd der übrige Tag mit Schmausen zugebracht, da man Uebermaß im Essen und Trinken für Zeichen von Frömmigkeit hielt. Männer und Weiber opferten jährlich ein Geldstück zur Unterhaltung deS Tempels und des Götzenbildes. 1) Wahrscheinlich mit Meth, dem Natimlalgeträick der Slaven, meint Krafinski. Dieses Wcrt stammt offenbar aus dem Slavischen; m<:<1 (ausgesprochen mi-ul!) bedeutet Honig. 15 Dcr dritte Theil der Kriegsbeute wurde für den Gott zurückgelegt, und dreihundert seinem Dieuste geweihte Reiter gabcu seinem Priester ihre ganze Beute. Ihm war ein weißes Roß geweiht, das Niemand als dcr Priester füttern oder reiten durfte, und wie man glaubte, focht der Gott selbst zuweilen auf diesem Pferde gegen die Feinde." Außer Swantewit waren die auf der Insel Rügen verehrten Hauvtgotthcitcn: Nugcwit, angeblich der Kricgsgott, mit sieben Gesichtern, sieben Schwertern an der Seite und einem achten in dcr Hand, Porewit mit fünf Gesichtern, und Porennt mit vier Gesichtern und einem fünften anf der Brnst, das er an dein Barte hielt. Man hält ihn für den Gott derIahrzcitcn. Eine andere große Gottheit war Nadegast, dcr als ein nackter Mann mit dem Kopse eines Löwen oder eines Hnndes und einem Vogel darüber vorgestellt ward. Er hielt eine Streitart in der rechten Hand und in der linken einen Stierkopf. Einige halten ihn für den Kriegsgott. Woda ward anch als ein Krieger abgebildet, scheint aber nur dcr skandinavische Wodan gewesen zu sein. Proven war der Gott dcr Gerechtigkeit, und Chislobog mit einem Halbmonde der Gott dcr Zahlen.") Die östlichen Slaven verehrten den Donnergott Perun, Volos, den Gott der Hecrdcn, Koleda/) den Gott der Feste, und Kuväla, die Gottheit der Erdfrüchte, die am 24. Iunius ihre Opfer empfing. Eine andere Gottheit, Swarog genannt, die an den Vulkan erinnert, wird in der alten, aus dem dreizehnten Jahrhunderte stammenden rnssischcn Ehronik von Volhynien genannt, wo man sie seltsam genug für den ägyptischen Pthah hält, und eine Anspielung auf die Verehrung des Fcuergottes 1) Wie der ägyptische Thot, welcher der Mond und der Gott der Zahlen und dcr Buchstabenschrift war. 2) Sem Fest war am 24, December, und sein Name wirb jetzt in Pole» für Weihnacht oder Weihnachtsgeschenk gebraucht. 1« findet man in einer neulich entdeckten russischen Handschrift von 1523, die einen Aufsatz eines unbekannten Schriftstellers über den Aberglauben der Slaven enthält. „Es gibt Christen," sagt er, „die an Peru n, an K hors und Mokosch ^) glauben, an Si m und Regl, an Vila's oder Feen/) deren es nach diesem unwissenden Volke dreimal neun Schwestern gibt. Alle werden für Gottheiten gehalten, und man opfert ihnen Kuchen, Korovai") genannt, wie auch Hennen. Sie beten das Feuer an, das sie Swarojich nennen." Dieser Fcucrdicnst und der Ursprung des Namens Swaroa/) scheint diese Gottheit mit der Sonne in Verbindung zu bringen. DieAehulichkeitdieses Wortes mit Surug oder Surja, den indischen Namen der Sonne, kann als ein anderer Beweis des Ursprungs der Slaven ans Asien gelten. Man darf glauben, daß die Südslavcn viele Gottheiten und abergläubige Gebrauche mit ihren nördlichen Stammgenosscn gemein hatten, aber ihre frühe Bekehrung verhinderte die Einführung des Götzendienstes in den illynschen Provinzen. Wenn sie das Wort Bog, Gott, beibehalten haben, so geschah es, wie bei dem von« derRömer, ohne eineBeziehung ans ihren alten Glauben. Man kann daher nicht voraussehen, daß die zahlreichen kreisförmigen Erhöhungen in Dalmatien und der Herzegowina in irgend einer Verbindung mit dem alten heidnischen Götzendienste oder mit den Gorodischa^) stehen, die in einigen Slavcnländem häufig vorkommen, wenn sie anders wirklich der Gottesverehrung gewidmet waren. Nach neueren Angaben wurden die Hügel in Dalmatien nach einem Gelübde angelegt und daher Zadrus-bina") genannt, wiewohl ich sie für gewöhnliche Grabhügel 1) Nach Nestor hatten sie ihre Götzenbilder in Kiew. 2) Dieser Glaube herrscht noch immer unter dru Morlachen. S.Abschn.8. 3) So nennen die neuern Slaven noch den Hrchzeitkuchen. 4) Von Swar, Swor, der Thierkreis. 5) Von grod, grad, Einfriedigung oder Stadt. 0) Das ist: aus Freundschaft. 17 ' halte, wie man deren in vielen Ländern Europa's und Asiens findet. Es sind bloß aufgehäufte Steine, und an einigen Ocrtern dicht daneben steinerne Gräber angelegt, zum Beweise, daß diese Plätze besonders zu Bcgräbuißstätten ausgewählt wurden. Die Gebräuche, welche die älteren Slaveu beobachteten, um die Ruhe der Seele zu sichern, scheinen anzudeuten, daß sie an Unsterblichkeit und ein künftiges Leben glaubten, wiewohl man dieß bezweifelt hat. Zu ihren Leichenfeierlichkeiteu gehörten Spiele und Gastmahle. DaS Lieblingspferd des Verstorbenen ward auf seinem Grabe getödtct, und der Leichnam wurde zuweilen verbrannt, zuweilen begraben. Dieß war bei verschiedenen Stämmen verschieden, und wie Nestor berichtet, war es noch zu seiner Zeit, länger als hundert Jahre nach der Einführung des Christenthums, in Rußland, bei den Krivitschen uud Viatitschen üblich, ihre Todten zu verbrennen und die Asche in Gefäßen aus Pfosten an den Heerstraßen auszustellen, während die Poljaucu') immer ihre Todten begruben, selbst vor ihrer Bekehrung zum Christeuthum. Der merkwürdigste Umstand aber war, daß die Witwen sich gewöhnlich auf dem Scheiterhaufen ihrer Gatten verbrannten. Dieß muß an die Witwenverbrennung in Hindustan erinnern uud scheint mit der Sprachähnlichkeit und mit dem Charakter ihrer viclgesichtigcn und vielarmigen Götter auf eine Verbindung mit Iudieu hinzudeuten. Die älteste Erwähmmg der Witwenverbrennung in Indien findet man in den Vedas, deren Entstehung bis auf 880 Jahre vor der christlichen Zeitrechnung hinaufreicht, und es wird von Cicero und anderen Schriftstellern des Alterthums darauf hingedeutet. Nach Hcrodot aber herrschte diese Sitte auch bei einem Volke in Thränen und man fand sie gleichfalls in Skandinavien. Die Regierung der früheren Slaven hatte eine volksmäßige 1) Gin Stamm russischer Slaven, Abkömmlinge der Donau-Slaven, Ve-wohncr der Ebenen, daher Polen. L. Dalmatiln und Montenegro. I. 2 ,8 Einrichtung, und wie Prol'opiuS sagt, lebten sie seit dcn ältesten Jetten nicht unter der Herrschaft eines Einzigen, sondern unter einer Demokratie. Aber obgleich über ihre öffentlichen Angelegenheiten in Volksversammlungen entschieden wnrde, von welchen unter einigen Stämmen bis in späte Zeiten Spnren übrig waren, so war gewiß die vollziehende Gewalt einem engeren Kreise anvertraut, und die oberste Richtergewalt war einem Fürsten übertragen, dem ein ans den reichsten und angesehensten Häuptlingen bestehender Rath zur Seite stand. Die nach Dalmatien einge-wanderten Stämme hatten ihre Fürsten, und andere Slaven seit den ältesten Zeiten ihrer Geschichte einen erblichen Herrscher und eine Klasse von Adeligen. Jene erblichen Rechte aber treten den Volksversammlungen nicht in den Weg; die Würde eines Beherrschers von Montenegro ist in derselben Familie erblich wie die Rechte der Aristokratie unter jenem Slavcnstamme, obgleich es dort stets eine Volksversammlung gegeben hat, die befugt ist/ sich über Maßregeln der allgemeinen Wohlfahrt zu berathen und selbst gegen Gewaltmißbräuche sich zn wehren, welche die erblichen Häuptlinge sich etwa erlauben möchten. Der Gebrauch, Volksversammlungen unter offenem Himmel zn halten, war sehr alt und bestand in den alten Freistaaten Nowogrod und Pleskow, wie in der Republik Poglizza in Dal-maticn bis zu ihrem Untergange im Jahre 1807. In Montenegro gilt er noch bis auf dcn heutigen Tag. Die vornehmsten Amtswürden unter den Slaven waren der P an, Iupau, Vo -jewoda, Bojar, Kuiaz oder KniaS und Kral'). Den Titel Pan erhielt der Beherrscher Kroatiens unter Konstantin Por-phyrogmitus, und der österreichische Befehlshaber jener Provinz heißt noch immer Van oder Banns. Die vornehmsten Edelleute in Ungarn und Böhmen wurden im Mittelalter gleichfalls Pan genannt. Denselben Titel gab man vor Zeiten in Polen den ersten !) Krol ober Kragl, die Krallis der Zigeuner. 19 Staatsbeamten und jetzt ist er gleichbedeutend mit gnädiger Herr oder Herr in der Anrede. I up an war der Befehlshaber einer Provinz, die slavisch Iupa hieß. Vojewoda (von Voi, Krieg) bedeutet wörtlich Kriegsanführer, wie das lateinische äux und das deutsche Herzog; je uach den Ländern aber ist die Bedeutung verschieden, und in Krain wurde der Name dem Beherrscher, in Polen dem Richter gegeben. Bojar svon boj, fechten) ist auch ein alter Titel, und Kniaz oder Kni äs wird in der cyrillischen Uebersctzung der heiligen Schrift für Fürst gebraucht. Man gibt ihn noch immer in Rußland Fürsten, und den Vorstehern von Dörfern oder Gemeinden in Serbien. Von Kon, Pferd, abstammend, scheint es .ursprünglich ein Titel gewesen zu sein, der dem Nitter entsprach. In Dalmatien aber hat man diese Benennung für gleichbedeutend mit Graf gehalten, und der große Graf von Poglizza hieß Veliki oder Veli-Kniaz. Die Bedeutung von Kral ist König, von Kara, Strafe, in Anspielung auf das Amt und die Gewalt eines Oberherrn.') Gospo-dar oder Go spar entspricht dem Herr. In der Anrede wird Gospodin gebraucht und Go Spa oder Gospodinia für Frau. Die slavische Sprache, die, wie ich bereits bemerkt habe, zu dem indisch - europäische« Stamme gehört, hat verschiedene Dialekte, von welchen die vornehmsten der böhmische, polnische, lausitzische oder wendische, russische, bulgarische, illyrische, kroatische und kärthmsche sind. Sie lassen sich iu zwei Hauptzweige theilen, den westlichen uud den südöstlichen. Der westliche Zweig begreift 1) die böhmische Sprache, und diese zerfällt in das eigentliche Böhmische, das in Böhmen und Mähren von4,414,UU0 gesprochen wird, uud das Ungarisch-Böhmische, von 2,753M0 Slaven gesprochen, die unter dem Namen 1) Einige halten jedoch das Wort für armenisch. 20 Slovaken bekannt sind und im nördlichen Ungarn wohnen. Der Unterschied zwischen den beiden Dialekten ist nicht bedeutend, und die literarischen Erzeugnisse der Slovaken werden im Dialekt des eigentlichen Böhmischen geschrieben. Die neuere böhmische Sprache ward in das Land eingeführt, als die Slaven gegen das Ende des fünften Jahrhunderts einwanderten. Nach Tacitus war Böhmen bereits vor Cäsars Zeit von den Bojen, einem keltischen Stamme aus Gallien, kolonisirt') und erhielt daher den Namen Bojohemum, das Land, die Heimat der Bojen. Dieses Volk wurde später durch die Markmannen vertrieben, die aus ihren Wohnsitzen an den Quellen des NhcinS und dcr Donan gewandert waren, und als diese während der Wanderungen der deutschen Völker das Land wieder verlassen hatten, ward es von den Vorfahren seiner jetzigen Bewohner besetzt, die sich Tschechen nennen. 3) Die polnische Sprache zerfällt in die Dialekte von Groß-Poleu, dem nordwestlichen, von Klein-Polen, dem südlichen, und Masovien, dem östlichen Landcstheile. Das Kassu-bische hält man für einen Ueberrest des ausgestorbencn Dialekts der Pommern. Die Bevölkerung, welche die polnischen Dia-lektc spricht, schätzte man im Jahre 1842 zu 9,365,000.2) 3) Das Lausihischc wird in die Dialekte der Oberlausitz und der Niederlausitz getheilt und von 142,000 Menschen gesprochen, die unter dem Namen Wenden bekannt sind und zu Preußen und Sachsen gehören. Der südöstliche Zweig umfaßt: 1) die russische Sprache, die in folgende Dialekte sich theilt: a) das Großrussische oder 1) Zu Cäsars Zeit wohnten einige Bojen in Gallien an der Loire und Alller. Wie Livius (5, 35) sagt, ließen andere Bojen, die über die pen-ninischen Alpen kamen, im ciSalpinischen Gallien sich nieder und vertrieben die Gtrurier und Umlmcr. 2) Die Polen werden Lechen oder Lüchen genannt. Dieses Wort wurde früher in Vühmm zur Bezeichnung eines Edelmanns wie eines Land-eigenthümerS gebraucht. 2l das Moskovitische, das wieder in die vier Dialekte vonMos-kau, Nowgorod, Suzdal und jenseit der Wolga getheilt werden kann. Sie hat cine Beimischung von dem Finnischen, die man in anderen slavischen Dialekten nicht findet, und viele morgcnlän-dische Wörter, die während der zweihnndertjährigen mongolischen Herrschaft (1241 bis 1477) eingeführt wurden. Sie wird von den Einwohnern des nordöstlichen Theiles des russischen Reiches gesprochen, die sich im Jahre 1842 auf 35,314,000 beliefen, und ist die literarischc und amtliche Sprache des Landes. Es wohnen zwar Finnen in Rußland, ihre Sprache aber ist auch in die slavische übergegangen, und der Einfluß finnischer Wörter hat die russische Sprache sanfter gemacht als and«re slavische Dialekte. I)) Das Kleinrussische, das RuSniakische oder Ruthenische') genannt, ist vielleicht der wohllautendste aller slavischen Dialekte und bildet gleichsam den Uebcrgang zwischen den westlichen und südöstlichen Zweigen der slavischen Sprache. Sie herrscht in den alten südlichen Provinzen PolenS, die jetzt zn Nnßland und Oesterreich gehören und sich von den Karpathen und dem Dniestr in die russischen Provinzen Mohilew, Smolensk, Orel, Kursk und Woronesch erstrecken, und wird von13,144,000Menschen gesprochen. Die Literatur dieses Dialekts ist sehr beschränkt und besteht meist aus lyrischen Dichtungen. Es wohnen 635,000 Malo-russen oder Kleinrussen in Ungarn. «) Das Wcißrussische spricht eine Bevölkerung von 2,72N,U00 Menschen in Weißrußland und anderen Theilen des alten Litthauens. Es war die amtliche Sprache Litthauens bis um die Mitte des siebzehnten Jahrhunderts. 2) Das Bulgarische spricht eine Bevölkerung von 3,587,000. Die heilige Schrift ward im neunten Jahrhunderte durch Eyrillus und Methudins in diesen Dialekt übersetzt, doch ist das heutige Bulgarische etwas verschieden von der Sprache der l) Gine aus dcm Mittclalter stammende lateinisch« Benennung. 22 Vibe!.') Die neuere bulgarische Sprache ^) hat keine Literatur, ist aber merkwürdig als der einzige slavische Dialekt, welcher den Artikel hat, den man immer an das Ende des Hauptwortes seht, doch wird dieses auf gleiche Weise declinirt, wie in den anderen slavischen Dialekten. 3) Das Illyrische zerfällt in folgende Dialekte: ». der serbische, der aus den Unter-Dialekten im eigentlichen Serbien, in Montenegro, Bosnien, der Herzegowina und in Dalmatien besteht und von 5,296,000 Menschen gesprochen wird, von welchen 2,594,000 unter Oesterreich, 950,000 im eigentlichen Fürstenthum Serbien, 100,000 in Montenegro, 1,552,000 in Bosnien, in der Herzegowina und anderen türkischen Gebieten und 100,000 in Rußland wohnen, wohin sie zu verschiedenen Zeiten, hauptsächlich in der Zeit der Kaiserin Elisabeth und zwar meist aus Ungarn, eingewandert sind, als die Kaiserin Maria Theresia den Versuch machte, sie zur katholischen Kirche zu führen, b. Das Kroatische ist beschränkt auf eine Bevölkerung von 801M0 Menschen unter Oesterreichs Oberherrschaft, e. Das Kärnthnische wird von l, 138,000Menschen gesprochen, die zu Oesterreich gehören. Man hat eS bezweifelt, ob die Slaven vor der Einführuug des Christenthums ein eigenes'geschriebenes Alphabet gehabt haben. Der bulgarische Mönch Khrabr, dcr im zehnten oder elften Jahrhunderte lebte, behauptet, es habe in der heidnischen Zeit kein Alphabet gegeben, aber das Volk mittels Linien und Einschnitte etwas ausgezeichnet und nach der Bekehrung zum Christenthum bis zur Einführung des cyrillischen Alphabets sich dcr griechischen und lateinischen Buchstaben bedient. Man scheint jedoch auf einigen Götzenbildern Nunen gebraucht zu haben. Das cyrillische Alphabet wurde nach CyrilluS bcuauul, 1) Gin bulgarisches neues Testament wurde 182tt in London gedruckt. ?) Vulgar ist cin asiatischer Name. Wahrscheinlich kam dieser Stamm von dcr oberen Wolga und wurde slavisch, weil er in daö besiegte Volk überawa. 23 der 8ft3 mit seinem Bruder Methudius auf die Bitte der zum Theil bekehrten Slaven von dem Kaiser Michael nach Mähreu gesandt wurde, um die heilige Schrift in die Landessprache zu übersetzen und das Volk im Christenthum zu unterrichten. Als die slavischen Völker dieses Alphabet angenommen hatten, wurde später dessen gotteödieustlicher Gebranch von den Päpsten ') denjenigen gestattet/die von der morgenländifchen zur abendländischen Kirche über-gcgangen waren. Sie gebrauchten es bei ihrem Gottesdienste bis um die Mitte deS elften Jahrhunderts, aber im Laufe der Zeit ward ein anderes slavisches Alphabet dafür eingeführt, das sogenannte glagolitische, und das cyrillische wurde bloß von den der griechischen Kirche angehörenden Slaven, den Russen, Ser-biern, Walachen, Bulgaren und anderen beibehalten, die es noch immer beim Gottesdienste und in gewöhnlichen Büchern gebrauchen. Die Erfindung des glagolitischen Alphabets wird dem heiligen HieronynmS zugeschrieben, was aber dadurch widerlegt wird, daß cr im vierten Jahrhunderte gelebt hat. Es soll seinen Namen von dem vierten Buchstaben Glagol oder G erhalten haben, doch möchte es angemessener sein, ihn von Glagol, Wort oder Rede, abzuleiten. Wie es scheint, hat man gegen dieses Alphabet nicht so lebhaften Widerspruch erhoben als gegen daS cyrillische, das in« Jahre 106U vor der Kirchenversammlung zu Saloua angeklagt ward, und Papst Iunoccnz IV. gestattete 1248 den Gebrauch des glagolitischen für die Litnrgie der dalmatischen und anderen ilk)-rischen Katholiken. Seitdem ist es fortwährend von ihnen angewendet worden und die Priester gebrauchen noch jetzt beim Lesen und Schreibell die glagolitische Schrift. Diese von dem päpstlichen Stuhle gewährte uud fortgesetzte Erlaubniß ist nm so merkwürdiger, da man immer in anderen Kirchm unter römischer Herr- l) Den Mähren vo» den Päpsten Hadrian ll. und Johann VII!., und den Dalmatieni vun Johann X. 9!i - 928. 24 schaft auf den Gebrauch der lateinischen Sprache, mit Ausschluß der Landessprache, gedrungen hat. Das cyrillische Alphabet ist von dem griechischen entlehnt, mit Hinznfügung gewisser übereinkünftlichcn Schriftzeichen für ungewöhnliche Laute, das glagolitische aber rein erfunden, jedem anderen unähnlich, unbequem und verwirrend,') vielleicht von einem Mönche im elften oder zwölften Jahrhunderte herrührend. Das in Dalmatien unter dem Namen Butviza oder Bucvi-san o bekannte Alphabet wird nach dem Namen des zweiten Buchstabens B genannt, aber dieß ist nur eine andere Venennuug für glagolitisch. Die illyrische Sprache heißt in dem Lande, wo sie gesprochen wird, naski, daS ist die unsrige, oder i lliröki, aber obgleich sie eigene Schriftzeichen hat, so wird sie doch gewöhnlich mit lateinischen Buchstaben geschrieben und gedruckt, und um die im Italienischen und in anderen Sprachen unbekannten Laute nachzubilden, hat man es für nothwendig gehalten, einigen derselben einen besonderen Nachdruck zu geben, wie beim Schreiben ihres )-s-(, 28, oder j, wofür sie x gebrauchen, und einiger anderen. „Man schildert die alten Slaven als groß und sehr kräftig gebaut. Ihre Hautfarbe war sehr weiß, ihr Haar röthlich. Sie konnten leicht Hunger, Durst, Hitze, Kälte und Mangel an Bedeckung ertragen und waren unsauber in ihren Gewohnheiten. Sie lebten in armseligen Hütten und wechselten oft ihre Wohnplätze. Ohne Hemd oder Mantel gingen sie in die Schlacht, nnd kurze Beinkleider waren ihre einzige Bedecknng. Sie hatten keine Schuhwassen, nur Einige trugen schlechte Schilde, und Speere waren ihre Trutzwaffen. Auch hatten sie Bogen mit vergifteten Pfeilen. Sie fochten zn Fuße und waren sehr geübt, einen Feind 1) Folgende Schnftzcichcn mögen als Proben gellen: /^5 Nil» I 2 1^ ^ H 31" MI «»I in Schluchten, in Wäldern und an jedem schwer zugänglichen Orte anzugreifen. In diesen Kämpfen zeigten sie ungemeiue Ge-schicklichkeit und wußten ihre Gegner durch verstellte Rückzüge in Hinterhalte zu locken. Procopius erzählt uns von der Gewandtheit ciues Slaven in Bclifars Heere, der einen arglosen Gothen faßte und ins Lager trug, und der Kaiser Mauritius spricht von der den Slaven eigenen List in der Schlacht und von der Nothwendigkeit, dagegen gerüstet zu sein. Sie fechten nicht gern, sagt er, in offenem Felde oder in geschlossenen Reihen, aber lieber in Wäldern und schwierigen Pässen, wo die Art der Kriegführung ihnen natürlich ist. Oft bieten sie dem Feinde eine Beute dar, eutfernen sich dann in verstellter Flncht, verbergen sich in Wäldern und fallen ihn unversehens an. Am liebsten greifen sie ihn im Winter an, wann die Bäume entlaubt sind, an Lebensmitteln Mangel und die Kälte streng ist."') Diese Schilderung muß Jedem auffallen, der die Kampfart der Montenegriner kennt, und was ältere Schriftsteller von einer anderen Eigenheit der Slaven erzählen, dem Gebrauche der Zither, erinnert lebhaft an die Gewohnheiten jenes Volkes, dessen Barden stets vor einer bewundernden Versammlung die ruhmvollen Thaten ihrer Krieger besingen und den Gesang mit ihrer beliebten Gusla begleiten. Dieses Instrument ist seit den ältesten Zeiten bei allen Slavenstämmen gewöhnlich, und der Name Guslar, Zithcrspicler, den man elnem Zauberer gibt, scheint anzudeuten, daß man die Zither schon in den Tagen des heidnischen Aberglaubens kannte. Sie hat nur eine Saite, die von einem langen Halse über einen runden Körper gespannt ist, wie eine Gnitarre, und mit einem Bogen gespielt wird.^) Das alte und das neuere Illyrien sind eben so sehr vcrschie« den in ihrer Ansdehnuug als die Einwohner nach Herkunft uud 1) Nach KrasinSki. 2) S. Abschnitt VI. 26 Sprache. Illyrien oder Illyricum unter den Römern umfaßte die Donau-Provinzen, die für die kriegerischsten des Reiches gehalten wurden, aber sie verdienen noch genauer beachtet zu werden unter den Namen Nhätien, Noricum, Pannonien, Dalmatien, Dacicn, Mosten, Thränen, Macedonian und Griechenland/) Zu Anfange dieses Jahrhunderts stiftete Napoleon ein Königreich aus Dalmatien und anderen zu Oesterreich gehörenden Provinzen, deren einige noch unter jenem Namen vereinigt sind, aber dcr Name ruht jetzt bloß auf Uebereinkunft, und die Illyrier unserer Tage sind außer aller Verbindung mit den alten Bewohnern des Landes. Die Sprache Dalmatiens und der angränzenden Provinzen wird zwar die illyrische genannt, und mehre ueucrc Schriftsteller haben sie irrig für die Sprache ihrer früheren Vorgänger gehalten, aber die Thatsache, daß sie ein Dialekt des Slavischen ist, und die bekannte Einwanderung der Slaven sprechen gegen diese Annahme und sagen uns, daß die Sprache eben so wenig lnit dem alten Illyrischen als mit dem Epirotischen, dem Macc-donischen oder dem Thracischen verwandt ist. Auch hat daS neuere Vpirotische oder Albanische gar keine Aehnlichkeit mit den slavischen Dialekten. Das neuere Dalmaticn begreift den Haupttheil der alten gleichnamigen Landschaft, wie auch Liburuiens, aber das alteDal-lnatien war zwischen den Flüssen Drido (jetzt Drino in Albanien) und Titium (jetzt La Kerka) eingeschlossen, und Liburnien erstreckte sich von dort bis an die Gränzen Istriens, von welchem es jetzt durch den Fiume geschieden ist. Dalmatien erstreckt sich vom 42" 9' nördlicher Breite bis zum 44« 25' oder ungefähr 13 Meilen nördlich von der Hauptstadt Zara, wo es an einen Theil von Kroatien gränzt. Das Land hat viele Inseln, die meist parallel mit dcr Küste liegen, und deren zwei, Pago und Arbe, seine Breite bis 44" 51' ausdehnen. Nirgend ist es über vierzig Mei- 1) Gibbon V. l, Kap. 1. 27 len breit, und in dem schmalsten Theile, bei Ragusa, von dem Meere bis zur türkischen Gränze der Herzegowina, nur zwei Meilen. Unter Venedigs Oberherrschaft sind zu verschiedenen Zeiten die Gränzen durch Abtretungen von dem türkischen Gebiete erweitert worden, und der Flächcnranm betragt jetzt 3655 italienische Geviertmeilen oder, nach amtlichen Angaben, 2,222,990 Morgen. Unter den Ocstcrrcichcrn ist Dalmatien in die vier Kreise Zara, Sftalato, Ragusa und Cattaro eingetheilt worden, die acht, zehn, fünf und drei Bezirke enthaltend) Während der ve-netianischen Herrschaft bildeten die Kreise Zara und Svalato mit der Insel Cürzola und den Inseln in dem Busen Quarnero das eigentliche Dalmatien, und der Kreis Cattaro hieß das venetia-nische Albanien. Das Land in sämmtlichen Kreisen besteht auö Weidebodeu, aus Wald, aus pfiugbaren Ländereien und aus Weinbergen. Die Oberstäche des Landes ist von sehr mannigfaltiger Art. Eine Reihe hoher Kalksteingebirges scheidet den nördlichen Theil des Landes von dem türkischen Gebiete, und eine andere läuft fast parallel mit der Küste, der es sich in der Gegend von Sftalato nähert und dann weiter nach Montenegro und Albanien sich zieht. Die höchsten Gipfel heißen Orien («332 Fuß), Dinara (6N40 F.) und Pastovo s5929 F.) und der größte und höchste Theil der nördlichen Reihe ist der Velebich, nordöstlich von Zara, der 5439 Fuß mißt. Das Binnenland Dalmatiens hat eine Abwechselung von 1) Der Kreis Zara umfaßt dic Bezirke Pago, Arbe, Zara, Obbrovazz^', Knin, Scarbona, Dcrnis und Sebemeo; der Krn'S Spa lato enthalt Trau, Epalato, Sign, Almissa, Imoschi, Vrazza, Lissa, 3r letzte Grafvon Vegli«. Zara. Die Reise von Trieft nach Zara ist ungemein anziehend, da die Dampfschiffe längs dcn Küstenstädtcn Istriens fahren. Man sieht St. Andrea, Capo d'Istria, Isola, Piräno, Omägo und andere Städte, welche die Kriege Venedigs gesehen und oft darin gelitten haben und spater im achtzehnten nnd neunzehnten Jahrhundert den Angriffen der Franzosen, Oesterreichcr nnd Engländer ausgesetzt waren. Capo d'I stria hieß in früheren Zeiten Aegida, später nach IustimanS Oheim IustinopoliZ, und wurde nach einer fabelhaften Sage von den Kolchiern gegründet. Karl der Große hatte es einst in Besitz, in späterer Zeit ward es dcnPatriarchcnvonAqui-leja unterworfen, im zehnten Jahrhundert von den Venctiancrn genommen, nnd obgleich im vierzehnten Jahrhundert die Gcnnc-ser es ihnen entrissen, so ward es doch im Jahre 1478 den Vene-tianern wieder übergeben, in deren Händen es bis zur Abtretung IstrienS an Oesterreich blieb. Capü- d'Istria ist nicht so ungesund als andere Städte an dieser Küste nnd hat gegen 5l1ttl> Einwohner. Der Marktplatz ist zwar nur klein, aber ein merkwürdiges und wuuderlichcs Muster des Vanstyls der Venetians-Die Stadt hat wenig Sehenswürdigkeiten. 31 Piräno, mit seiner Kirche auf eiuer vorspringenden Land^ spitze, wirb auf dcr Rückseite von dem Schlosst und den augränzenden Höhen gedeckt und bietet von allen Seiten eine schöne Ansicht dar. Nach dem Uebergange über ein Vorgebirge sehen wirOmägo dicht am Seestrande und gegenüber das binncnländische Vuia, daS den Hügel krönt, ans welchem cö mit seiner Kirche steht. Es war zwischen Piruno und Parenzo, wo Ziani im Jahre 1177 das vereinigte Geschwader voll Pisa, Genua und Aiuona schlug, das Otho, dcr Sohn des Kaisers Friedrich Barbarossa, befehligte, der gefangen und nach Venedig geführt wurde. Dieser Sieg ist merkwürdig, weil er zu dem alten Gebrauche dcr Dogen Anlaß gab, sich mit dem adriatischcn Meere zn vermählen. Als das siegreiche Geschwader in den Hafen zurückkehrte, gab Papst Aleran-dcrlll., derals Flüchtling in Venedig lebte, seinen Ring dem Degen Ziani und ermächtigte ihn und seine Nachfolger, alljährlich ihre Oberherrlichkeit über das adriatischc Meer zu verkünden und es Venedigs Herrschaft zu unterwerfen, wie ein Weib der Herrschaft ihres Mannes. Parcnzo, auf dcr Stelle des alten Parcntium, ist ausgezeichnet durch eine Kirche im byzantinischen Styl, die der Bischof Eusrasius im Jahre 540 stiftete. Sie hat angeblich hinter dem Altare eine halbkreisförmige Wölbuug mit des Bischofs Throne und auf beiden Seiten Sitze für die Geistlichkeit, wovon man jetzt so selten Beispiele findet. Hier fand Pisani im Jahre l379 nach seiner Niederlage durch die Genueser seine Zuflucht, Mid Parcntium war, wie Aegida, malten Zeiten als dcrWohn-slh römischer Bürger ausgezeichnet. Novigno, mit seinem hohen Thurme und den südlich liegenden Vorlanden und Inseln, dem Monte Maggiore im Hinter-Minde, gewährt vom Meere her einen hübschen Anblick; Pola "ber, das in einer tiefen Bai liegt, ist nicht sichtbar, und erst in ^r neuesten Zeit legten Dampfschiffe hier an. Pola und die Um- 32 gegend sind bösartigen Fiebern ausgesetzt, die im August ihren Anfang nehmen. Der Haftn ist trefflich, gegen Winde geschützt, leicht zn vertheidigen und kann eine Flotte von jeder Größe aufnehmen. Die Oesterreicher wollen den von Napoleon gegebenen Wink benutzen und Pola zn ihrem großen See-Depot machen. Nähert man sich der Stadt, so scheint das Amphitheater ans dem Strande zu liegen. Das Aeußere ist so gut erhalten, daß es kaum eine Rnine genannt werden kann. DiescS Bauwerk erscheint uns wie vor 1500 Jahren dem Römer. Es hat ein Untergeschoß, über welchem sich zwei Reihen von Bogen mit toscanischen Halbsäulen dazwischen erheben, und über diesen befindet sich das gewöhnliche obere Stockwerk mit viereckigen Fenstern. Hierin und in den meisten Beziehungen gleicht es anderen Amphitheatern, unterscheidet sich aber dadurch, daß es vier viereckige Thürme hat, die in gewissen Zwischenräumen aus dem äußeren Kreise vorspringen und wahrscheinlich Treppenhäuser waren. Ich erinnere mich nicht, ein anderes Beispiel davon gesehen zn haben, außer etwa in dem verfallenen kleinen Amphitheater zn Trier. Die Außenseite des Bauwerkes in Pola ist wohl erhalten, von dem Inneren aber ist nichts mehr zu sehen. Einige sind der Meinung, es habe hölzerne Sitze gehabt, offenbar aber waren diejenigen, die sich an der Bergseite befinden, in den Felsen eingeh anen, und unter den aufgefundenen steinernen Sitzen haben einige die Namen oder die Anfangsbuchstaben der Namen ihrer Eigenthümer. Die Sitze sind 1 Fuß, 2^ Zoll breit, und sämmtliche Maße deS Amphitheaters haben gegen 420 Fuß Länge, 350 Fuß Breite, 80 Fuß Höhe. Man hat so umstündliche Beschreibungen von Pola/) daß ich mich auf wenige Angaben beschränken will. Nach Plinius und Pomponius Mela haben die Kolchicr Pola gegründet, wie andere Städte am adriatischcn Meere, aber der während der Dauer l) In Cassa's Reise und Allason's Pola. Z3 dcs römischen Reiches übliche Name war Pietas Julia, von der Tochter des Kaisers Augustus, ^) auf dereu Bitte die Stadt wiederhergestellt wurde, nachdem Julius Cäsar sie wegen ihrer Anhänglichkeit an Pompejus zum Theil zerstört hatte. In Pola wurde Crispus, auf die falsche Anklage seiner Stiefmutter Fausta, von seinem Vater Eonstantin dem Tode geweiht. Im Jahre N48 machte der Doge Domenico Morosini Pola der Republik Venedig zinsbar, und vierundvierzig Jahre später wurde die Stadt von den Pisanern eingenommen. Nachdem aber Enrico Dandolo sie bald wieder erobert hatte, blieb sie im ungestörten Besitze Venedigs, bis zum Jahre 1228, wo sie uach ihrer Empörung fast gänzlich durch Giacomo Tiepolo zerstört wurde. Gegen das Ende des vierzehnten Jahrhunderts fiel Pola in die Gewalt der Genueser, deren Schiffe im Jahre 1378 vor der Eroberung von Chioggia dort überwinterten. Nach der Niederlage der Genueser blieb' Pola unter Venedigs Herrschaft, bis ganz Istricn 1815 au Oesterreich kam. Der Tempel Noins und des Kaisers Augustus ist sehr wohl erhalten lind enthält jetzt eine Sammlung der in Pola aufgefundenen Alterthümer. Gs ist ein schönes Gebände mit einem Säu-lencingange und von korinthischer Ordnnng, das in früheren Zeiten mit seinem Seitenstücke, einem Dianen-Tempel, auf dem Formn stand, wo dieser noch jetzt eine Seite dcs Frciplatzes bildet. Die Vorderseite aber wird von dem übergcbauten Palaste des ve-Netianischen Befehlshabers verdeckt und mehr als die Hälfte des alten Forums besteht aus neueren Gebäuden. Der Bogen oder Thorweg, pnru» auioa, das goldene Thor, genannt, ist gut erhalten, uud wiewohl nicht von hinlänglicher Tiefe, doch ein gntcs Muster eines römischen Triumphbogens. N"ch der Inschrift auf dem Friese ward er von Salvia Posthnma 1) Nicht, wie Ginige glauben, vo« Julia Domnc,, der Gemahliu des '^Users Scptimius Severus. Dalmnticn und Montenegro, l. A 34 auf eigene Kosten einem Kriegstribun Lucius Sergins Lepidns cr^ richtet, dessen Staudbild auf einem Fußgcstelle über der Mitte der Attika zu sehen war. Andere Standbilder von zwei Gliedern derselben Familie befanden sich auf jeder Ecke, und auf jeder Seite des Bogens standen zwei korinthische Halbsäulcn. Die Porta gemina ist ein Doppelthor, das eine Halbsäule zwischen jedem Vogen hat. Es war gleichfalls ein Eingang zur Stadt. Oben auf dem Hügel sieht mau ein anderes römisches Thor, das erst vor Kurzem bei der Ausbesserung der Vestung cutdeckt ward, und es scheint eine Ausfallpforlc gewesen zn sein, welche sich aus die von der Porta gemina kommende Straße öffnet, und zwar klein, aber von guter Arbeit ist. Die Domkirche ist ausgezeichnet als ein altes Bauwerk und wegen ihrer Aehnlichkcit mit den alten Basiliken. Sie steht angeblich auf der Stelle eines römischen Tempels. An der Altarscite befinden sich mehre Stufet«, wovon man die beste jetzt noch vorhandene Probe im Dom zn Torcelli unweit Venedig findet, wo der Thron des Bischofs und die Sitze der Geistlichkeit uoch in ihrem ursprünglichen Zustande sind. Unter den übrigen Alterthümern dieser Kirche bemerkt man den Taufstein, der ein altes Wasscrbehältniß war, mit einer liegenden Venus oder eiucr Nymphe und zwei Liebesgöttern anf zwei Seiten geziert, und den Knauf einer Säule, der aus eiucm Körbchen mit Vögeln, statt der Schnecken, besteht, das dic Ecken der Säulcuftlatte tragt. Auf der linken Seite des Einganges vom Amphitheater steht eine griechische Kirche, wo man einige merkwürdige geschnitzte und bemalte Schirme sieht. Sie wird von den Einwohnern des griechischen Dorfes Peroe benutzt, das ungefähr sieben Meilen von Pola entfernt ist und von griechischen Flüchtlingen bewohnt wird, die ihre eigenthümliche Tracht beibehalten. In Pola selbst gibt es nur drei Familien, die sich zur griechischen Kirche bekennen. 35 Die Umgegend von Pola hat viel Holz, wie gauz Istrien, wo die Höhen ein ganz anderes Ansehen haben als die unfruchtbaren felsigen Berge Dalmatims. Das Land ist reich an Wein, Oliven und Getreide. Pola, das Dante') nennt, liegt ungefähr zehn Meilen^) von dem Vorgebirge, wo der östliche Eingang des Meerbusens Quarnero beginnt, der von den nach Fiumc hinauf fahrenden Schiffern so sehr gefürchtet wird. Der Wind ist hier, wenn der heftige Nordost oder Bora (Boreas) weht, so stark, daß selbst Dampfschiffe sich nicht gegen ihn h.alten können. Nnf der Fahrt nach Finme bleibt die Insel Chcrso rechts liegen. Sie hat einen felsigen Boden und erzeugt sehr wenig Getreide, aber Wein, Honig und Rindvieh in Ueberflnß. Im Inneren befindet sich ein See, der sieben Meilen im Umfange hat. Unter der Herrschaft Venedigs hatte sie 5W0 Einwohner, und die Einkünfte von der Insel und dem benachbarten Ossero belicfm sich auf 1273 Dnkatcn, wovon <»3U als Zoll an die Republik kamen. Die bewaldeten Verge auf der linken Seite senken sich zuweilen allmälig nach dem Meere, oder stürzen schroff an das Ufer hinab. Fiume liegt angenehm am Ende des Meerbusens. Die rothen Ziegeldächer, die weißen Kirchthürmc uud daö Schloß auf einer bewaldeten Höhe gewähren einen malerischen Anblick. Das Schloß, Tersatto^) genannt, gehört dem Grafen Nngent, der sich in dem letzten Kriege gegen Frankreich als österreichischer Feldherr sehr ausgezeichnet hat. Seine Mitwirkung bei den Unternehmungen der englischen Flotte hatte das erfreuliche Ergebniß, die Absichten der Verbündeten zu befördern, und verschaffte ihm zu- 1) Sieom' a Pola, presso del Quarnaro, Ch' Halia cbiude, e i suoi termini bagna. Inferno IX, 113. 2) Neberall englische. 3) V»n der alten Stadt Tarsatica, die Plinms und Ptolemäuö anführen. .1« gleich das Vergnügen, seine Feldherrutalentc vor dm Augen seiner Landslcnte zn entwickeln, da er, wiewohl schon lange in österreichischen Diensten, ein Irländer ist. Fiume, im Slavischen Ricka, ist der Hafen Ungarns und hat 80U0 bis 9000 Einwohner. Die Stadt liegt an dem kleinen Flnsse Finmcra, woher ihr Name kommt, da Fimne oder Fimnera, wie im Slavischen Rieka, Fluß bedeutet. Sie kam an die Stelle des alten Vitopolis, das jedoch nicht von altem Ursprünge war, nnd wie es scheint, stand kein römischer. Ort auf der Stelle der ncneren Stadt. Sie kam zuerst durch Maria Theresia 1777 an Ungarn und ward endlich 1822 mit dem Königreiche vereinigt. Das dalmatische Dampfschiff fährt jenseit Finme zwischen den Inseln Cherso und Veglia ^) hin. Veglia hat treffliche Häfen und die Thäler, wenn sie angebaut waren, winden so fruchtbar sein, wie vor alten Zeiten, wo die Insel reich an Holz und Weideland war und Ueberftusi an Getreide, Oel nnd Wein hatte. Dio illyrischen Schnecken, deren Plinius^) erwähnt, waren sehrhänfig in Veglia. Sie galten bei den Nömern für große Leckerbissen, und wie Plinius erzählt, zog FulviuS Hirpinus sie auf seinem Landgute für seine Tafel. Die Insel war lange Zeit unabhängig, bis der Graf Johann Frangipani sie im fuufzehuten Jahrhundert an Venedig abtrat. Der Bevollmächtigte, den die Republik im Jahre N81 dahin sendete, um den Zustand der Insel untersuchen zu lassen, gibt emeu die Sitten jener Zeit schildernden Bericht, aus welchem ich einige Stellen entlehne. „Die Regierung der Insel Veglia, so viel sich aus ihren Jahrbüchern ergibt, war republikanisch und bestand aus Adel und Volk. Drei Klassen von Beamten wurden aus dem Adel gewählt, uud eine bestand aus dem Volke. Das Oberhaupt des Staates, der Graf, ward auf ein Jahr gewählt, eben so sein Stellvertreter, 1) Oder Vfggia, Strabu'S Oyractica. 2) IX, 56. 37 del Richter, und die übrigen Beamten. Während dieser Zeit gebot der Graf unumschränkt und regierte unter dem Beistände seiner Räthe. — Die Insel ward oft von Seeränbern eingenommen, wie aus dem Umstände hervorgeht, daß bis auf diesen Tag jähr« lich ein großes Fest znm Andenken der Befreiung aus der Gewalt der Seeräuber gefeiert wird. Eine Uebercinkunft vom Jahre! l33 beweiset, wie gern das Volk sich unter die Flügel des glorreichen Evangelisten stellte. Mit allgemeiner Einwilligung wmdc dem heiligen Markus eine Kirche gebaut und eingeweihet, zum ewigen Andenken der Wohlthaten, die mau Venedig verdankte." „Im Jahre 12t'»0, als Reniero Zcno Doge war, ^) wurde die Insel den beiden adeligen Brüdern Znane Schinclla, zugenannt Frangiftaui, und ihren männlichen Erben unter gewissen Bedingungen zn Lehn übergeben, und mit dem Vorbehalte, dasi sie an die Vcnctiancr zurückfallen sollte. Gin Jahr nach der Be-lehnnng entfloh Vela, König von Ungarn, den Mongolen und fand Zuflucht in Veglia. Besorgt, die Mongolen möchten ihm vom Fcstlandc nachsetzen, sammeltcu die Insulaner eine ansehnliche Geldsumme, womit Vela zurückkehrte und Ungarn wieder eroberte. Dankbar für dieses Geschenk, überließ er den Grafen die Stadt Segna, für welche sie den Königen Ungarns die Huldigung leisteten, obgleich sie als Herren der Insel Venedigs Vasallen waren. Bei ihrer natürlichen Hmneiguug zn barbarischen Sitten, schloffen sie sich bald der ungarischen Krone au und wurden der Republik Venedig entfremdet. Zur Belohnung bestätigte ihnen Vela's Nachfolger Ladislaus den Besitz der Stadt Segna "ud gab ihnen neue Vorrechte." „Der Van (Graf) Nicolo Zuane hinterließ ueun Söhne, l) Vei den vielfachen Beziehungen auf Venedig ist zn empfehlen das ^faltig gearbeitete Werk: „Geschichte der Republik Venedig vou Leon Galtbert. Für gebildete Freunde der Geschichte deutsch bearbeitet von Gouard Hafner." 2 Vände. Leipzig 18l8. 6. L. 38 unter welche er seine Besitzungen theilte. Die Erben geriethen in Hader mit einander und mißachteten die Bedingung, unter welcher sie die Insel Veglia besaßen, daß sie nämlich die alten Gewohnheiten nnd Freiheiten des Volkes unverletzt erhalten sollten, und fingeil an, als unbeschränkte Gebieter sich zu betrachten. Als es endlich dem Grafen Zuane gelungen war, sich völlig in den Besitz der Insel zu setzen, stellte er sich feierlich uuter den Schntz des heiligen Markus und verordnete in seinem letzten Willen, daß in Ermangelung männlicher Erben sein Lehngut an die Republik fallen sollte, als Schutzwehr gegen seines Bruders wiederholte Versuche, ihm sein Vesitzthum zu rauben." „Als er nun ans diese Weise ihre Anschläge vereitelt hatte, begann er nach der Gewohnheit seiner falschen und trügerischen Vorfahren mit dem Könige von Ungarn sich in heimliche Anschläge einzulassen, und machte ihm 1460 den Antrag, ihm in seinem Kriege gegen den KaiscrFriedrich bcizustehen uud das augränzende kaiserliche Gebiet anzugreifen, unter der Bedingnng, dasi er die eroberten Schlösser in seine Gewalt bekommen sollte. In der Absicht, sich bei dem Ungarkönigc noch mehr einzuschmeicheln, schickte er ihm seinen Sohn, den Grafen Anzolo, der während des Fcld-zugcs getödtet wnrdc. Alsbald beschwerte sich der Kaiser bei der Regierung in Venedig und forderte die Vestrafuug des Beleidigers. Die Republik verwendete sich für ihn und bewirkte, daß er Vcr-zeihuug erlangte. Er aber stellte sich trotzdem heimlich uuter des Königs Schutz und ließ ansehnliche Strcitkräftc zn ihm stoßen, welche nicht nnr Feindseligkeiten gegen den Kaiser ansingen, sondern sich auch uicht besannen, diejenigen Unterthanen Venedigs niederzumetzeln, die ihnen in die Hände sielen." „Entrüstet über dieses Vcuchmcu, schickte die Republik ihm eiucn Gesandten und drohte ihm mit Strafe. Er erneuerte nun seine Freundschaft mit Ungarn, schmeichelte aber gleichzeitig dein Könige Ferdinand von Neapel, in dessen Dienste er einen seina' 39 Söhne treten ließ, dem der König einen Iahrgchalt von dreihundert Dukaten versprach und die Aussicht auf eine passende Vermählung öffnete. Ferdinand schloß bald nachher ein Vündniß mit Ungarn, und Graf Zuane überredete ihn, er möchte versuchen, sich der Stadt Segna zu beinächtigen. Er hoffte dadurch den König zu gewinnen und seinen Sohn Nicolo mit einer Tochter des Herzogs von Urbino zu vermählen. Aber weder der König noch der Herzog wollte darauf eingehen, aus Furcht, der Republik zu mißfallen. In seiner Hoffnung getäuscht, sich durch seinen Sohn mit Neapel zu verbinden, suchte er einen Bund mit dem Könige von Ungarn zu knüpfen, dessen Vetter er seine Tochter zur Gemahlin geben wollte. Er lud ihn nach Veglia ein und machte es zu einer Bedingung ihrer Vereinigung, nach seinem Tode ihm die Insel zu vermachen. Diese Verabreduug, durch welche er seinen Sohn enterbte, traf er unter dem Vorwande, daß er bei seiner schwachen Gesundheit nicht auf ein langes Leben rechnen könnte, aber sein wahrer Beweggrund war, daß er seinem künftigen Erben, dessen Mutter cine Veuetianerin war, eine günstige Gesinnung gegen die Republik zutraute. Er schickte überdieß dem San-giak von V'osnien ein Geldgeschenk und reizte ihn, dem Kaiser und den Vcnetianem Schaden zuzufügen, da doch noch kein Friede zwischen den Türken und der Republik abgeschlossen wäre." „Als um dieselbe Zeit sein Bruder Bartule kinderlos starb, wußte er sich eine königliche Erbeinsehnng zu verschaffen, zum Nachtheile der anderen Brüder, sciuer Mitcrben. Während er nach diesem Vesitzthume trachtete, erkrankte ein anderer Vrnder, Graf Martin, uud als Zuane hörte, daß die Krankheit wahrscheinlich einen tödlichen Ausgang haben würde, war er eilig, die königliche Ermächtigung zu benutzen und auch diese Güter au sich W reißen. Er nahm sogar die Schlösser Novi und Vrebiera, ehe der Graf Martin gestorben war, und dieß entrüstete den Sterbenden so sehr, daß er den K önig von Ungarn zn seinem Erben einsetzte." 40 „Gleich nach Martins Tode ließ der König deu Grafen Zuanc auffordern, das Vesitzthnm des Verstorbenen den königlichen Behörden zu übergeben; aber der Graf war dnrch seine glücklichen Erfolge so unverschämt geworden, daß er Gehorsam verweigerte, und er suchte die Republik zur Unterstützung seiner Anmaßung zu bewegen. Der König schickte darauf den Magyaren Blasius, der alsbald den Grafen und dessen Kriegsvolk in die Flucht jagte und die weggenommenen Schlösser mit sämmtlichen Geschützen und allem Kriegsbedarfe wieder eroberte. Seine Unterthanen sahen nun ein, daß sie den schlafenden Löwen geweckt hatten, und in ihrer Vesorgniß, daß die Ungarn auf die Insel herüberkommen möchten, baten sie den Magyaren Blasius demüthig, den Unwillen des Königs zn stillen. Aber es gab unreinen Grund, den gierigen Heerführer zn überreden. Er rechnete darauf, einige tausend Dukaten einzustreichen, während der Graf, eben so gierig, die Hossnnng hegte, mit einigen hnndert den Handel zn machen." „Als nun Zuane ohne Erfolg und ohne Ehre viele Schätze vergeudet hatte, dachte er daran, seinem Volke eine Steuer von 20U0 Dukaten aufzulegen, um seine Kosten zn decken. Dieses un^ glückliche Anskunftsmittel erbitterte die Gemüther und reizte die ganze Insel zn einer Verschwörung. Man schickte heimlich Boten an den Magyaren Vlasms und bat ihn, auf die Insel herüber zu kommen, wo man ihm entgegensah, wie die Indcn dem Messias. Der alte Krieger erkannte augenblicklich, wie leicht er sich der Insel bemächtigen könnte, und nachdem er mit dem Könige Abrede getroffen hatte, bat er den Befehlshaber von Segna, Marino Zuiuo, ihm eine hinlängliche Anzahl von Schiffen zu senden, um sein Kriegsvolk schnell nach Veglia hinübcrzusühren. Zunco, der seine eigenen Absichten im Auge hatte, unterstützte bereitwillig den Plan und machte schnell die nöthigen Vorbereitungen. In großer Bestürzung schrieb nun Zuane all die Republik, imd nm noch mehr Mitleid ;n erwecken, schickte er seine Gemahlin nach Venedig und. 41 bald nachher auch seinen Sohn Nicolo, unter dem Vorgeben, daß es ihm an Mitteln fehlte, auf der Insel für ihre Sicherheit zn sorgen. Als Gure Hoheit mitleidig beschlossen hatte, einen Ge-heimschreibcr abzusenden, der mit dem Magyaren Blasius sich besprechen und den Unwillen des Königs abwenden sollte, war es mein Schicksal, für diese Aufgabe ausersehcn zu werden." „Am 1. Februar IM) schiffte ich mich nachSegna ein, ward aber so lange durch widrige Winde aufgehalten, daß bei meiner Ankunft die Ungarn anf die Insel übergegangen waren und Castel-muccio beschossen. Ich reisete dahin und sprach mit dem Magyaren über die Angelegenheit. Er zeigte auf seine Soldaten mit den Worten: „Diese Leute sind nur dürftig gerüstet und schlecht bewaffnet, aber rüstig und tapfer, und begierig, euch etwas von euerem Reichthum zu nehmen." Er deutete dann auf das Felsen- ' schloß Castelmuccio und hub wieder an: „Wenn man ein wildes Pferd bändigen will, muß man es zuerst zäumen, dann satteln und dann besteigen. Der Kopf des Pferdes, das ich reiten will, ist Castelmuccio, das ich in zwei Tagen zu nehmen denke, uud daun gehe ich nach Veglia, um den Sattel aufzulegen." Als ich ihn nun crmahnte, von einem so ungerechten Unternehmen abzulassen, schalt er mit bittereu Worten und heftigem Jörne die Tyrannei und Bosheit des Grafen und sagte mir endlich, er dürfte nicht wagen, die Vcfehle seines Königs zu mißachten, und müßte den Krieg fortsetzen. Ich sah deutlich, daß er die Insel in Besitz zu nehmen hoffte, ehe die Besatzung eine Verstärkung aus Venedig erhalten könnte. Ich schied daher von dem Magyaren, um nach Veglia zurückzukehren, uud der Graf gerieth bei meinem Berichte ül den feigsten Schrecken." „Der Proveditore/) wohl bekannt mit der Kunst der Ver- 1) Der Provcdit^re war ein meist den höheren Klassen der Aristo-^atie angehörender Kommissar der Republik, der den Heerführer zu nbcr-^'achcu hatte, besonders wnm dieser, wie hänsig/ ein Fremder war. S. Ga-l'bcrt a. a. O. Bd. 1. S. 159> ^ L. 42 theidigung, verordnete mittlerweile die Ausbesserung der Befestigungen, und siehe da! fünf Tage nachher lagerten sich die Ungarn nach der Einnahme von Eastelmneao vor der Stadt und be-schössen sie mit zwei großen und mehren kleinen Mörsern. Sie griffen dann den Hafen an, beschädigten drei Galeeren und bohrten eine in Grund, die dem Proveditore gehörte. Der großherzige Mann aber wurde keineswegs eingeschüchtert und fuhr fort, die Stadt tapfer zu vertheidigen. Zwei große Geschütze beschossen uu-ablässig die Mauern, und auf den Straßen und den Häusern wurden die beständig herabregnenden Kugeln aufgesammelt uud zurückgesendet, so gut wir kounten, ohne daß wir einen Augenblick ausruhten; aber die Ungarn waren 1!o «'i-iw, beide wahrscheinlich von den Venetia-nem auf diesen Standorten errichtet. Auf der letzten sieht man Ueberrcste des geflügelten Löwen, und an dem Schafte befinden sich Ketten, mit welchen zur Zat der Republik Verbrecher befestigt wurden. Nicht weit davon liegt die Kirche des heiligen Donatus, jetzt ein Vorrathshaus für Kriegsbedürfnisse, wo nach Farlati^) eine Inschrift sagt, Apnleja Quiuta, die Tochter des Markus, habe dieseu Tempel der Juno geweiht. Eine andere von Farlati angeführte Inschrift beweiset, daß Isis und Serapis in Iadera verehrt wurden: „Isiili Serapidi Liberi Liberae voto Suscepto pro salute Scapulae lilii sui 1) Im I. l57l. Die Schlacht kostete den Türkm 3l)MU Todte, 140 Galeere» sielen in bk Gewalt der Verbündeten und 8000 gefangene Christen, bie als Nndcrcr auf den tmlischen Schiffen arbeiten mußten, erlangten ihre Freiheit wieder. L. 2) Ilhi-ieum 5»ol-um (Venedig N.N und ff.) Band 5, S. 3. 54 P. Qulnctius Paris s. 1. m." worin man eine Bestätigung dcr Behauptung gefunden hat, daß, als die Nömcr nach Illyricum gingen, sie jene Verehrung dort eingeführt fanden; man kann jedoch wohl zweifeln, ob dieselbe schon in so früher Zeit in Illyrien bestanden habe. Auch findet mau in den Worten I'»i-kN8 «alnniae, die in einer anderen Inschrift auf Augustus bezogen werden, den Beweis, daß Iadcra seine Gründung diesem Kaiser zu danken hatte, der sie durch Mauern und Thürme befestigte, welche später durch Titus Julius Opta-tus ausgebessert wurden. Zwei andere in Zara und Nagusa Vec-chia gefundeue Inschriften nenncn Publius Cornelius Dolabella le^lu» propl'aeior oder Gouverneur dcr Provinz unter Tiberius, was selbst bis auf unsere Zeit zn vielen Streitigkeiten geführt hat. Offenbar aber war er nicht der Dolabella, der mit Cicero's Tochter Tullia vermählt war, sonderu eiu von Vellejus Patereulus erwähnter, der um das Jahr 14 nach Chr. die Provinz Illyricum verwaltete. Die Domkirche in Zara ist ein merkwürdiges Gebäude im lombardischen Styl, das im dreizehnten Jahrhunderte von En-rko Daudolo nach dcr Einnahme der Stadt durch die Venetiauer und Franzosen') errichtet wurde, ohne Zweifel in dcr Absicht, den Unwillen des Papstes Innocenz III. zu versöhnen, der die Venetian« wegen der Plünderung der Kirchen in Zara streng getadelt hatte. Die Kirche, deren Vorderseite durch die in lombardischen und normannischen Denkmalen gewöhnlichen oben abgerundeten Bogen verziert ist, besteht aus drei Theilen. Der mittlere stoßt an das Schiff und die Seiten der beiden Flügel und I) Der staatstluge Dandolo, der durch die Folgen einer Verwundung erblindet war, wurde l l<,»2 zum Dogen erwählt und war die Seele deck Kreuz-zugcS dcr Franzosen und Venetians, dcssen Folge die Eroberung Konstantiuo-pelS durch die Abendländer uud die Stiftung des lateinischen Kaiser-^l)Ain s war, das aber nur 57 Icchxe bchaud> L. 55 hat seinen Eingang durch ein Thor, das mit kleinen Sänlen verziert ist, welche die gewöhnlichen halbrunden Bogen nnd ein Bogengiebelfcld stützen, anf welchem das Lamm und andere heilige Sinnbilder abgebildet sind. In der Mitte der Vorderseite befinden sich zwei Fensterrosen über einander, von welchen die obere aus einer späteren Zeit ist. Das Innere hat Veränderungen erlitten, aber die ursprünglichen Theile sind leicht zu erkennen, und der erhöhte Theil an der Morgenseitc, wie überhaupt die Form des Gebäudes, erinnern an die alten Basiliken. Die Bogen des Schiffes, die stäche Felderdccken haben und fast wie Hufeisen gestaltet sind, ruhen auf einfachen runden Sänlcn. Man sieht einige mit Schnitzwerk verzierte Chorstühle, aber das Hauptver-dieust der Domkirche besteht in ihrem Vanstyle, und in dieser Be-ziehuug ist sie eines der merkwürdigsten Gebäude aus der christlichen Zeit m Dalmatien. Die Marienkirche hat rundlich auslaufcndc Bogen und stößt an das Kloster der Benedittinerinnen, das im Jahre IWtt von der Schwester des Königs Cresimir von Kroatien gestiftet wurde. Die Klosterkirche hat nach Petter ein Gemälde von Tizian, und die Kirche des heiligen Simeon einen Sarkophag, der die Gebeine dieses Heiligen enthält, welche die Königin Elisabeth von Ungarn dahin gebracht haben soll. Das von Farlati^) gegebene Verzeichniß der Reliquien in Zara kann den Gläubigsten und All-dächtigsten befriedigen. Sie belaufen sich wenigstens auf fünfzig bis sechzig und bestehen ans Fingern, Köpfen nnd ganzen Leibern von Heiligen, und lächeln wir bei den Angaben: ,,ar!i«u-lu8 ex öigit« 8. ^o.-mnlij llanlizlae" oder ,,«x l,-,ele U. V. in v»8oll!a nrgentoo," so können wir bei derBczcichnuug ,,re1>ll>n»« 8. ^oannl8 lillpt. cl aliol-um vivurum" oder ,,p!ui-l>8 l)ivo-rum l-eüli«,,:,« uns wundern, Heilige unter denselben Titeln angeführt zu sehen, wie Noms Götter uud Kaiser. St. Was ist 1) Vaub 3, S. 9. 56 die einzige griechische Kirche in Zara. Auf der rechten Seite zeigt man eine Kapelle, die zur Zeit der Besetzung der Stadt durch die Franzosen das einzige der griechischen Kirche gehörende Heilig-thnm war, und als dieß dem französischen Befehlshaber vorgestellt wurde, machte er die Anordnung, den Griechen die ganze Kirche einzuräumen, und sie ist seitdem bis auf dicseu Tag ihnen geblieben. Zara ist gut gebaut, reinlich und hat ein leidliches Pflaster. Die Einwohnerzahl ist «860. Die Stadt liegt auf einem Vorgebirge, das mit dem Festlande durch eine schmale Landenge verbunden ist, den ein von den Venetianern angelegter Graben durchschneidet, welcher das Secwasscr rings um die Vestuug führt. In den Kriegen zwischen den Venetianern und den Türken wnrde die Stadt oft belagert und genommen. Das Ansehen des Dogen wurde bedroht und der Stadtbefehlshaber von den mißvergnügten Eiuwohuern verjagt, und selbst die Geuucscr hatten während ihrer Zwiste mit Venedig die Stadt zeitweilig in Besitz; sie war aber wegen ihrer Lage zu wichtig für die Venetianer, als daß man sie lauge unabhängig oder in der Gewalt einer anderen Macht gelassen hätte, und die Wiedcrcrobcruug Zara's war immer eine ihrer Hauptbestrebuugen. Lange vorher, ehe die Türken in Dalmatien vorrückten, wurde Zara von Venedig standhaft behauptet, uud ihre starken Befestigungen sicherten die Stadt gegen alle Angriffe jener Feinde, deren Grausamkeit man so sehr fürchtete, daß aller Unzufriedenheit der Einwohner mit der Republik vorgebeugt ward uud die übrigen Seestädte sich zu den Venctianern hielten. Die Befestigungen werden noch immer unterhalten und der geflügelte Löwe ist, wie gewöhnlich in den venetianischen Städten, an vielen Stellen zu sehen, wo er in's Auge fällt; aber die Werke sind nicht mehr nöthig und einige Cisternen (pn/xe c!i Xani) waren ehemalige Kasematten. 57 Dcr Hafen ist sicher und wird durch die Stadtbefcstigungen gedeckt, die auf der Ostseite stark sind, wo sich ein großer Thorweg, parla <1i t,ori-a lerma, befindet, der mit dorischen Säulen und Triglyphen verziert ist und von dem berühmten San Michieli oder dessen Neffen Gian Girolamo gcbant wmde. DicscS Thor und die pm-la lli mHsnla sind die einzigen dcr Stadt, die anderen zwei nur Ausfallpfortcn. Dcr Graben vor dem östlichen Walle wird als Znsincht für Boote benutzt. Nicht wcit davon ist dcr öffentliche Garten, an dessen Eingänge man einen halbkreisförmigen Sitz mit Säulen sieht, cine Nachahmung dcr Antike. Weiterhin befinden sich einige Inschriften, von welchen zwei von Vido, der alten Stadt Narona, gebracht wurden, und eine andere glagolitische Schriftzüge hat. Zara hat ein Museum, ein Theater und ein Casino, auch ein Lyceum, eine Centralschnle für Theologie und andere Lehranstalten, ein Appellationsgencht, ein Gericht erster Instanz und gewöhnliche Untergcrichte und Polizeibehörden. Die Stadt ist der Sitz des Metropolitans von Dalmaticn, da Sftalato und Ragusa keine Erzbischöfe mehr haben. Die Bisthümer Dalmatiens sind Sebenico, Spalato, L^sina, Ragusa und Cattaro. Die Statuten dcr Stadt sind angeblich zn Anfange des vierzehnten Jahrhunderts zusammengetragen worden. Der Bezirk von Zara heißt Kotar. Die Stadt ist nicht gut "n't Wasser versorgt. In älteren Zeiten soll eine Wasserleitung üus dem kleinen Flusse Kakma dahin gegangen sein, von welcher "och Uebcrrcste auf dem Wege nach Zara Vccchia zu sehen sind. V5ie Fort is angibt, sagt eine m Zara gefundene Inschrift, Tra-^u HM diese Wasserlcituug angelegt. ^ Das Land in der Umgegend ist keineswegs fruchtbar, und überall sind die geringen Ländereien mit Mauern eingefriedigt ^"den, wie in Malta, um das Herabspülen dcs Erdreichs durch '"egcngüsse zu verhüten. Man erbaut nur sehr wenig Getreide, 58 und die Hanpterzcngnisse sind Wein und Ocl, die man für gnt hält. Der wohlbekannte Maraschino di Zara wird anöden Steinen und Kernen der Marasca oder wilven Kirsche gemacht. ' Die Berge in der nächsten Umgegend sind niedrig, aber der Villebich, den man in der Ferne sieht, ist einer der höchsten Vcrg^ züge Dalmatims. Das Klima ist angeblich im Sommer ungesund, aber Zara ist nicht der Malaria ansgesetzt, die in einigen anderen Städten Dalmatiens herrscht. Der Gouverneur von Dalmatien, Ritter Turzky, hat seinen Sitz in Zara. Ich hatte eine Empfehlung an ihn von dem Grafen Nugent, und er leistete mir während meines Aufenthaltes in Dalmatien viel Beistand, nnd seine Gemahlin verbindet das gefälligste Benehmen mit der natürlichen Gutmüthigkeit der Deutschen. Der Ritter Turzky befehligt die Streitkräfte und verwaltet die bürgerlichen Angelegenheiten der Provinz unter dem Beistände von mehren Räthen. An der Spitze jedes der vier Kreise, in welche Dalmatieu getheilt ist, steht ein e»po oder cgpilann «ir^L-ire, Krcishanptmann, der die Oberaufsicht über die Polizei und die gcsammte Civil-Ver-waltnng hat «ud in dem Hauptorte seines Amtssprengels wohnt. Jeder Kreis ist in Bezirke getheilt, und in dem Hauptorte jedes Bezirkes wohnt ein Pretore, den der Gouvcruenr von Dalmatien ernennt. Er ist der nächste nach dem Kreishanptmann und leitet die Polizei. In derselben Stadt wohnt dcr Podesta, der als «l,z,o tiomunäle alle Angelegenheiten von sechs, zehn oder zwölf Gemeindell seines Sprengels zn leiten hat, von einem Rath unterstützt, der ans vier Assessoren nnd zwölf Gemcindcräthen besteht, die für die Stadtbeleuchtung, die Nachtwachen, die Wirthe Häuser, die Gemeinde-Ausgaben und die gesammten Kirchspiel Geschäfte zu sorgen haben. Sie verwalten ihr Amt drei Iah^ und werden von dem Nathe vor dessen Auflösung ernannt, müsse" aber von dem Gouverneur bestätigt werden, wie der Podest" 59 von dem Kaiser selbst seine Bestätigung erhält. Der Pretore wird gleichfalls vom Kaiser auf den Vorschlag des Gouverneurs ernannt. Unter dem Prctore steht der Scrdar, welcher die bewaffnete Macht, oder Landpolizei, die Pandureu, befehligt. Diese bewaffneten Bauern dienen ohne Sold, aber gegen Befreiung von Abgaben, und haben abwechselnd einen oder zwei Tage, jc nach ihrer Iahl, Dienst zn leisten. Jeder Kreis hat auch einen Obersten der bewaffneten Macht, unter welchem sämmtliche Serdars stehen. In den Beamten gehören auch dcr Sindaco und Vice-Sindaco, die in einer kleinen Stadt ihren Sitz haben und deren Amtssprengel sich über mehre Kirchspiele erstreckt. Die Bevölkerung sämmtlicher Kreise Dalmatlens bestand im Jahre 1833 aus 340,000 Slaven, 16,000 Italicnern, meist Ve-netianern, 882 Albanesen, 510 Juden smeist aus Spanien stammend) in Spalato nnd Ragusa, zusammen 357,392. Im Jahre 1844 zählte man 403,421, unter welchen 323,271 Katholiken, 664 unirte Griechen, 77,690 Angehörige der griechischen Kirche, 483 Inden, 27 Protestanten und 1286 Ordensmitglieder waren. Die verschiedenen Aemter in Dalmatien sind nicht sehr gesucht und nur wenige einträglich oder annehmlich, ausgenommen vielleicht das Amt des Gouverneurs. Aber auch diese Stelle ist Weit weniger angenehm als viele andere, die Personen von gleichem Range inne haben, und die gänzliche Abgeschiedenheit, worin der Gouverneur lebt, der Mangel an Gesellschaft für seine Fa-'nilic und die Entfernung von Wien sind keineswegs einladend. Viele von den übrigen Beamten der Regierung, die uicht in Dal-'Uatien heimisch sind, betrachten eine Anstellung in diesem Lande "ls cine Verbannung und lassen sie sich nur gefallen in der Hoff-"ung, zu einer besseren überzugehen. Es ist eine sehr allgemeine Bemerkung, Dalmatien sei Oesterreichs Sibirien. Für die italic-"lschen Regimenter ist Dalmatien wegen der Aehnlichkeit der Dittcn 60 und der Sprache in den großen Städten vielleicht ein willkommener Posten, nnd da die Oesterrcicher sehen, daß die abgeschiedene Lage des Landes und daS ruhige Betragen der Einwohner sie von der Fnrcht vor politischen Umtrieben befreien, so haben sie kein Bedenken, diese Truppen in Dalmatien zu verwenden. Die Dalmatier sind in der That sehr rnhig unter der väterlichen Regierung, deren Politik Vcrbesseruugcn kein Hinderniß in den Weg legt, wie es die Vcnetianer thaten, und der Fehler liegt vielmehr darin, daß sie wohlthätige Maßregeln nicht hinlänglich begünstigt, als daß sie sich denselben offen widersetzt. Aber der allgemeine Wunsch der Angestellten, daß ihr Aufenthalt nur zeitweilig sein möge, mnß nachtheilig ans das Land wirken, und die natürliche Folge ist, daß man wenig daran denkt, Verbesserungen anzugeben, und die geringe Theilnahme, die man in Wien an Dalmatien nimmt, kann Niemand bewegen, Verbesserungen vorzuschlagen. Man findet in Dalmatien oft sehr angenehme Leute unter den Oestcrrcichcrn, wie unter den Eingeborenen, und jene, sowohl Militärpcrsoncn als bürgerliche Beamten, sind sehr geneigt, sich höflich und gesellig zu zeigen; aber seit dem unbedachtsamen politischen Anschlag, den die Italicner im Jahre 1844 in Corfu machten, ermuntert die österreichische Regierung keineswegs einen zu vertraulichen Verkehr mit den Engländern, und die Offiziere der kaiserlich-königlichen Seemacht haben Befehl erhalten, nicht zu viel mit ihnen umzugehen. So oft nun ein Schiff von Mallst oder einem anderen Hafen ankommt, machen die Offiziere, jenen Weisungen gemäß, den Offizieren der britischen Kriegsschiffe zwar feierliche Vesnche, vermeiden aber jeden Vorschritt zu einem g^ selligcn Verkehre, was um so mehr zn bedauern ist, da die österreichischen Offiziere von der Seemacht und der Landmacht ang^ nehme und verständige Männer sind. Die Gesinnungen der österreichischen Negierung gegen fremde 61 Unterthanen verleiten viele Beamten, in ihren Aeußerungen über dieselben ein bitteres Gefühl zn Tage zn legen, das zuweilen wirklich, zuweilen aber auch nur erkünstelt ist, um den guten Willen der höheren Mächte zn gewinnen, und ich war einmal Zeuge cines solchen Schauspiels in Gegenwart mchrer Dalmatier. Das Gespräch betraf einen neuerlichen Vorfall in einer dalmatischen Stadt, wo in einem Zwiste zwischen Soldaten und Bürgern zwei von jenen umgekommen waren. Wie viele von der anderen Partei gelitten hatten, war nicht klar, aber für den Sprecher unbedeutend, uno seine Meinung ging dahin, daß, da die Beleidiger unbekannt wären, der zehnte Mann der ganzen Bevölkerung erschossen werdeu sollte, und die Nicdermeyelung einer beliebigen Anzahl von Dalmatiern wurde für ein passendes Mittel gehalten, die Untüchtigkcit der Polizei wieder gut zu machen. Als dieser Rath von angesehenen Beamten gebilligt wurde, konnte ich mich der Bemcrkuug uicht enthalten, daß wir im neunzehnten Jahrhunderte lebten und ich mich wundern müßte, einen Europäer auS einem Staate, der für gesittet gelten wollte, eine so grausame Maßregel vorschlagen zu hören. Ich ward ohne Zweifel bald uach-hcr unter polizeiliche Aufsicht gestellt, da ich aber nie in Politik mich einmischte, so achtete ich wenig auf diese Kundschafterei, und ^venn sich Leute durch die Aeußerung von Gesinnungen, die eines Barbaren würdig waren, einer Erwiderung aussehten, so war es nicht meine Schuld. Die anwesenden Dalmatier hielten die Bemerkung für höchst anstößig, und sie dankten mir später, daß ich eine Unterredung unterdrückt hatte, die sie hätten anhören müssen, ohne widersprechen zu dürfen. Dritter Ali schnitt. Von Zara nach Spalato. Sebenico. Spalato. Diocletian's Palast. Salona. Clissa. I t^üzlelli. Trau. Die Inseln Vrazza und Solta. Die Reise von Zara nach Sebenico wird mit dem Dampfschisse in ungefähr sechs Stunden zmückgelegt. Das Dorf Vorgo Erizzo, beinahe eine Meile südlich von Zara, wird vonAlbanesen bewohnt, die sich vor achtzig Jahren angesiedelt haben. Der Metropolitan von Zara, Zmaievich, einBoechese oder Eingebor-ner der Uaoolie
  • 80PI-.T im Binnenlaude, wo wahrscheinlich vor Zeiten Tarioua lag. Er gedenkt dabei') einer seltsamen Feierlichkeit inSebemeo, um die Weihnachtzeit einen König anf vierzehn Tage zn erwählen; aber dieser Gebrauch, wie viele andere in Dalmaticn, hat gänzlich aufgehört. Die Frauentracht in Sebcnieo, wenn nicht sonderbarer, ist doch gefälliger als in anderen Theilen Dalmatiens.^) Sie besteht aus einem kurzen rothen, grünen oder blauen Tuchpclze, der um den Leib mit einer goldenen Spange befestigt ist. Das Haar liegt um den Kopf in zwei breiten Flechten, die mit rothem Bande durchzogen sind. Die Männer kleiden sich beinahe wie die Mor< lachen in anderen Städten des Landes. Man findet oft malerische Gruppen am Strande, wann das Dampfschiff dort angelegt hat, um Kohlen einzunehmen, uud sieht dann viele unterhaltende Scenen. Die Kohlen werden von Weibern an Bord gebracht, die, wie gewöhnlich m Dalmatien, die 1) Seite 134, l:lu. I) S. Carrara's vulm»2,a äe«oritta. 67 Lastträgennncn machen müsse», während die bezopften Männer sich angenehmeren Beschäftigungen widmen. Die Kohlcnblöcke haben ein gutes Ansehen, nnd es werden deren so viele an Bord gebracht, daß man glauben könnte, es wären Ladnngcn znm Verkaufe in einem anderen Hafen; aber das schnelle Verschwinden der großen Haufen, die man bei der Abfahrt von Sebenico auf dem Verdecke sieht, beweiset, wie wenig diese Massen die gemäßigte Verzehrlnst eines österreichischen Dampfschiffes selbst ans der kür« zesten Neise befriedigen. Kommt das Dampfschiff zn passender Stunde au, so hat man Ieit, die Fälle des Flusses Kerka in einem vicnuderigen Boote zn besuchen, was durch die Höflichkeit der österreichischen Lloyd's-Gcsellschaft auf alle mögliche Weise erleichtert wird. Die Polizei ist so nachsichtig, daß sie für diesen Ausflug das Visiren der Pässe nicht verlangt, und es ist weiter nichts nöthig als die Erlaubniß der Gesnndheitsbehörde. Eebenico hat 2767 Einwohner/) von welchen 229 der griechischen Kirche angehören. In den beiden Vorstädten zählt man 2374 Katholiken und 220 Griechen. Im Jahre 1298 wurde Se-benico ein katholisches Bisthum, und 18l0 in der Zeit der Fran-zosenhcrrschaft ward auch ein griechischer Bischof eingesetzt, der aber seitdem seinen Sitz in Zara erhalten hat. Sebenico hat zweierlei Arten von Wein; die eine, der vino wrlar«, soll dem Madeira gleichen, nnd ist weiß und start, der andere, wie der Liqueur, Maraschino genannt, schmeckt wie Malaga. Dalmatien erzeugt viele starke Weine, die viel Körper haben, die meisten aber haben den Fehler, daß sie süß sind, weil man die Tranben zn lange am Stocke läßt, ehe man sie keltert, und daher haben sie del» Namen ri-oseceo erhalten. Auch begeht wan den Fehler, die Trauben nicht sorgfältig auszulesen, und °hne Zweifel würde, wenn man die Trauben gehörig aussuchte Y Nach Biasoletto über 5100. L. 5* 08 und nicht überreif preßte, der Wein weit besser sein und lönnte seinen Platz unter dm europäischen Weinen behaupten. Der Vu-gäva, ein weißer Wein von der Insel Vrazza, ist süß nnd hat einige Aehnlichkeit mit Frontignac, aber der auch sehr geschätzte weiße Malvasia ist trocken, von gewürzhaftem Geschmack und nicht süß. Der Vino diRosa oder Rosenweiu von Almissa hat einen köstlichen Geschmack und heißt prnzooeo und museato. Anch sind zu nennen der Vino di Spiaggia von der Insel L6sina, der einen süßen Geschmack hat und für einen der besten gewöhnlichen Landweine gehalten wird, der Marzemino von Teodo in der Umgegend von Cattaro, und viele andere von geringerer Veden-tung. Dalmatien hat keinen Schaumwein, wie der Rifosco, der in der Umgegend von Trieft bereitet wird und bekannter zn sein verdient. Er ist ganz köstlich, wird aber selten selbst in Trieft echt gefunden. Es gibt zwei Arten, rother und weißer; jener, dem moussirenden Claret ähnlich, ist der beste. Schiavone, der 1582 starb, und Martin Nosa, Malcr und Kupferstecher, stammten aus Sebeniw; die Veranzio, Disnico und viele andere in der Literatur ausgezeichnete Männer wnrden hier geboren, und wie Fortis bemerkt, blühten Künste nnd Wissenschaften in Sebenico mehr als in irgend einer anderen Stadt Dalmatiens. Man hat die Gründung der Stadt den Kroaten zugeschrieben, nach Giustiniani aber wnrde sie von den Us koken angelegt. Sie waren auf der Anhöhe angesiedelt, wo jetzt das Schloß liegt, und sobald sie ein Schiffder Küste sich nähern sahen, kamen sie in ihren Booten heran, um es zu plüuderu. Sie hatten dort, sagt er, Hütten erbant und mit Palisaden, Sibne genannt, umgeben, woher die später erbaute Stadt den Namen Sibenico erhielt. Nach der Zerstörung von Scardona gewann die neue Stadt einen größeren Umfang und erhielt eine eigene Regierung; später aber von den Ungarn unterdrückt, ergab sie sich im Jahre 1412 den Venetianern. Einige Schriftsteller haben Eebenico irrig für das Sicnm, das Plinins und Ptolemäus nennen, das Siclis der Peutiugcrischen Karte gehalten, das aber an der Seeküste, mehre Meilen östlich von Traguriuin (Tran) an der Straße nach Salona lag. Scbcnico ist bekannt durch cine seltene Art von Fischen, llen-lali clelia «oronn, 8p:u'U8 z;il)1w5u» genannt wegen clneS Helmes auf dem Kopfe. Er wird sehr geschätzt nnd angeblich nur in Dalmatien und bei Konstantinopcl gesunden. Der Palamidi, einer der besten Fische an dieser Küste, ist anch gewöhnlich in Se-benico. Er gleicht der großen Makrele und ist zuweilen zehn Pfund schwer. Die Seebarbe und viele andere treffliche Fische werden bei Sebenico gefangen, aber, wie Fortis sagt, die Fischerei wird nicht besser betrieben als der Ackerban, und die Fischer sind fast nur darauf bedacht, den täglichen Küchcnbcdarf für Sebenico nnd Scardona zu fangen. Die Kcrka ergießt sich nicht weit nordwestlich von der Stadt zwischen felsigen Ufern in die Vai, und das Wasser ist, ehe es nach Scardona kommt, ganz frisch. Die Felsen bestehen, wie überall in Dalmatien, aus Kalkstein. Die Inseln um Sebcnico sind berühmt wegen ihrer Korallen und Schwämme. Korallen findet man in großer Menge auf d'cr Höhe von der Insel Bna, unweit Trau, und die besten Schwämme auf dem Felsen Traftani unweit der Insel Zlarm oder Ilari. Diese Insel soll den Namen Goldinsel wegen ihrer Fruchtbarkeit an Wein und Oel erhalten haben; aber wie sie den Namen anch verdienen mag, Gold heißt in der illyrischen Sprache nicht Zlari, sondern Ilato. Der Reisende findet wenig Merkwürdiges auf der Küstenfahrt von Sebcnico nach Spalato. In dritthalb Stunden kommt man zu einem gefährlichen Felsen, der gleich über der Oberfläche des Wassers hervorragt, und nicht weit davon entfernt ist das Vorgebirge La Planca. Eine heftige Brandung stürzt oft bei 7N schlechtem Wetter über diese niedrige Felscnbank, die dem Andränge des offenen Meeres ausgesetzt ist, dessen Wogen nordwärts und südwärts dnrch zwischenliegende Inseln gebrochen werden. Als das Dampfschiff, in welchem ich fuhr, einmal dieses Vorland umfahren wollte, konnte es dem Winde nicht trotzen, und wir mußten nach dem Hafen Nogosnizza') zurückkehren, bis der Etmm nachgelassen hatte. ES gibt so viele Häfen und kleine Buchten längs der ganzen Küste Dalmatiens, daß kein Schiff in die Verlegenheit kommt, eine Zuflucht zu vermissen, wie in früherer Zeit kein Seeräuber einer geschirmten Stelle entbehrte, wo er sich verbergen oder ans Beute lauern konnte. La Planen ist das v^mon-larium Vic>me6l8 der Alten, und nicht weit davon läuft die Gränze zwischen den Kreisen Zara uud Spalato. Auf einem sanften AbHange steht eine kleine Kirche, und im Vorbeifahren wird Jemand an Vord dem Reisenden vielleicht erzählen, wie einst ein Esel hier einen Wolf gefangen hat. Ein Mann hatte seinen Esel mit einem Stricke an die offene Thüre der Kirche gebunden, um an das Gestade hinabzugehen. Er blieb ziemlich lange aus, und der Esel, der es müde wurde, in der Sonne zu steheu, ging, so weit der Strick es ihm gestattete, in die Kirche. Ein vorübergehender Wolf, durch die Hoffnung ans eine Beute angelockt, folgte ihm, als der erschrockene Esel hinausstürzte, die Thüre zuwarf uud den Wolf gefangen in der Kirche ließ. Als nun der Mann znrückkam und die Unruhe des Esels bemerkte, blickte er behutsam in die Kirche und sah den Wolf, der dann mit herbcigcrufenemBcistande gefangen und getödtct wnrde. Fährt man an dem Vorgebirge vorüber, so wird eine Veränderung im Klima merklich. Einige auf der Nordseite unbekannte Pflanzen zeigen sich hier nnd der Sirocco oder Südostwind wird weit vorherrschender südwärts von La Planca. Ich erhielt davon bei meiner Rückkehr von Spalato einen überzeugenden Beweis. 1) S. Abschmlt IX. Geschichte der Uskoscn. 71 Der Wind kam aus Südost, aber kaum hatten wir diese Spitze umschifft, als dci Wind uns mW Nord entgegenkam, nnd zurück-blickend fanden wir, daß alle Boote noch immer denselben Gang hatten, und lange nachher konnten wir dm unveränderten Strich des Sirocco bemerken. In der Entfernung nach Süd oder Sud-Süd-Ost von La Planca sieht man die Insel Lissa, in neueren Zeiten berühmt als der Schauplatz des herrlichen Sieges, den Sir William Hoste 18N über das französische Geschwader gewann. Früher hieß sie Issa uud soll von Syrakus schon unter der Negierung des älteren Dionysius Ansiedler erhalten haben uud dann selber das Mutterland von Tragurium und Epetium (Stobrctz) geworden sein. Hier tödtete Tenta, die Witwe des Königs Agron von Illyrien, einen der Gesandten Roms, die über die Räubereien der Unterthanen der Königin klagten, während sie selber Issa belagerte. Dieß in Verbindung mit dem Wnnsche, die Inseln zu beschützen, gab 229 vor Chr. Anlaß zu dem ersten illyrischen Kriege. Daß Issa lange frei blieb, beweisen die Münzen der Insel, die auch zeigen, daß sie schon wegen ihres Weines berühmt war, wie in späteren Zeiten, da sie auf einer Seite einen Weinkrug, auf der auderen eine belaubte Rebe haben. Die Bewohucr der Insel waren als geschickte Seeleute be-kamtt, und ihre geschnabeltcn Schiffe, lomlii l^i^c, geuanut, werden von Livins und anderen Schriftstellern angeführt.") Sie waren scholl sehr früh Verbündete der Römer und leisteteu ihnen bei einigen Gelegenheiten wichtige Dienste, besonders in dem Kriege mit Philipp von Macedouicn, gegell welchen sie ein Geschwader von zwanzig Schiffen seudcteu. Sie wnrdcn daher von den Römern beschützt, bis diese Eroberer, nachdem sie Dalmatien besetzt hatten, auch die Insel Issa mit ihrem Alles verschlingenden Reiche 1) Die Schiffe von Isstt warm n»in' dcm Nameu der M'imüschm bl'- 72 vereinten. Die Insel ist hoch und in weiter Entfernung sichtbar. Sie hat zwei Häfen, einen größeren auf der Nordost-Seite mit einer gleichnamigen Stadt. Der Boden ist unfruchtbar, daS Haupterzeugniß Wein, der mit den Fischereien unter dcn Vene-ticmern im Jahre 1575 gegcn 8000 Dukaten eintrug. Nähert man sich der Iufel Vna, so erblickt man in der Ferne die Stadt Trau mit ihrem hohen Kirchthurme. In den Bergen hinter ihr liegen die Steinbrüche, aus welchen die Steine zu Diocletians Palast in Spalato geholt wurden. Die Venetian« dehnten in ihren Kriegen mit den Türken ihre Gränzen bis zu diesen Bergen aus, verwüsteten oft die unten liegenden Ländercien und thaten den Bauern großen Schaden, die in den festen Schlössern an der Küste Zuflucht suchen mußten. Die Insel Bua soll ihren Namen von dem Stier des Phalaris erhalten haben, aber man sieht nicht, wie dieß geschehen sei. Nach Anderen ward ihr der Name gegeben, weil ihre Gestalt Aehnlichkeit mit einem Stierkopfe hat, wahrscheinlicher jedoch wegen ihres üppigen Weidelandes und ihrer zahlreichen Rmdcrheerden. Von dieser gerühmten Fruchtbarkeit ist nnr wenig übrig, ausgcuommen am westlichen Ende der Insel, der übrige Theil besteht meist aus dem in Dal-matien so gewöhnlichen grauen Kalkstein. Den Asphalt der Insel Bua beschreibt Fortis, und Petter bezweifelt mit Unrecht dessen Vorkommen; eine neue Grube ward erst 1845 unweit Porto Mandolar gefunden. Die Insel hieß im Alterthum Boas, und in der letzten Zeit des römischen Reiches diente sie Verbannten zum Aufenthalt. Unter der Negierung des Kaisers Julian wnrdcn viele Staatsverbrecher dahin geschickt; der Ketzer Jovian ward auf Befehl des Kaisers Theodosius nach Boas verbannt, und die Insel war lange Zeit der Strafort für Diejenigen, die wegen Ketzerei und politischer Vergehungen verurtheilt wurden.") !) Hier wnrd im Jahre 1579 die religiöse Gesellschaft der Fischer durch 73 Eine Brücke bei Trau verbindet Bua mit dem festen Lande. Von hier erstreckt sich die Insel in südöstlicher Richtnng und bildet eine binncnländische Bai, anf deren Nordseite die Riviera dei Castelli fließt, während östlich der kleine Fluß Giadro sich bei Sa-lona in die Bai ergießt. Haben wir die Insel Bua und den Berg Marglian, der durch sein steinernes Kreuz sich auszeichnet, hinter uns, so lausen wir in den Hafen von Spalato ein. Wie andere Städte, die den Venetianern unterworfen waren, hat auch Spalato sichtbare Spuren der Gebräuche und der Regierung dieses Volkes in den Kirchthürmm, den Fenstern, den steinernen Balkönen, den Schornsteinen nnd dem geflügelten Löwen, und die Sprache hat das Gepräge des venetianischcn Dialekts, wie in anderen Seestädten Dalmatieus. Der Hafen ist klein und wird jetzt nur von wenigen Schissen besucht, die größer sind als die Trab accoli und andere kleine Fahrzeuge, obgleich das Wasser tief genug für ein Dampfschiff und eine Brigg ist. Steigt der Reisende aus dem Dampfschiffe an's Land, so hat er die Probe des Zollamtes und der Paßbehörde zu bestehen, wiewohl er nicht so vielen Quälereien und Unbequemlichkeiten ausgesetzt ist als in den meisten Seehäfen. Die Oestcrreicher sind in der That sehr nachsichtig gegen Reisende in Dalmaticn, und Jedermann kann überall, wo die Dampfschiffe anlegen, ohne Vclästignng an's Land gehen. Spalato, illyrisch Split, ist der Hanptort des gleichnamigen Kreises, die zweite Stadt Dalmatiens nach Zara und der Sitz cineö Bischofs. Der größere Theil der Stadt ist innerhalb des Umkreises von Diocletian s Palast gebaut, und ihr Name') ist aus iiüllUium verstümmelt worden. An der südöstlichen d3Aw ol,rl5!i»no" und ,,lle i-epukliea oec!e8i'»8t,>.-,," worin er die Gewalt des Papstes und die Lehre -Roms angriff. Außer diesen unziemlichen Angriffen auf das Haupt einer Kirche, in welcher er eine so hohe Würde verwaltet hatte, machte sich dc Dominis auch einer Treulosigkeit schuldig, indem er die handschriftliche Geschichte der Kirchenversammluug zu Trient, die der Verfasser, Paolo Sarpi, ihm geliehen hatte, znm Drucke beförderte. Sarpi war mit Recht entrüstet über diese Verletzung des Vertrauens, als er sah, daß der Herausgeber mehre eigen- 1) Er veröffentlichte hier eine Schrift über die Gründe, die ihn zur Verlassung seines erzbischöslichen SitzeS bewogm hatten; sic winde 1l>I? in London wieder abgedruckt. 93 mächtige Veränderungen angebracht und eine Widmung an Jakob 1. hinzugefügt hatte, die viele Bitterkeiten gegen den Papst enthielt. Die Gerechtigkeit fordert es aber, zn bemerken, daß seine Glanbensänderung nicht bloß ans einer Feindseligkeit gegen den Vatikan entstand, denn er war bei seinen theologischen Forschungen zn Zweifeln gegen die Wahrheit der Kirchenlehre geführt worden nnd hatte nur ans Rücksicht auf die von ihm gewählte Laufbahn sich enthalten, dieselben öffentlich auszusprechen. Er ward in England sehr herzlich aufgenommen und fand einen freigebigen Gönner in dem Könige, der ihn zum Dechant von Windsor er-uauntc. Sein Freund und Verwandter, Gregor XV., der über den Abfall eines so ausgezeichneten Mannes unruhig war, ließ ihn durch den spanischen Gesandten Gondomar dringend bitten, in den Schooß der Kirche zurückzukehren. De Dominis gab diesen Ncberredungen nach und ging 1623 nach Italien, wo Gregor ihn mit der Versöhnlichkeit und Milde aufnahm, die einen: christlichen Kirchenoberhaupt ziemten. Nach dem Tode seines Beschützers aber hörte diese Nachsicht auf uud er sah sich der Nache einer beleidigten Hierarchie ausgesetzt. Man klagte ihn eines Verkehrs mit Ketzern an; eine sehr unwahrscheinliche Beschuldigung, da Niemand in seiner Lage, selbst wenn er Nciguug dazu gehabt hätte, so unbesonnen gewesen sein würde, einen solchen Vorwnrf auf sich zu laden. Sein Schicksal war entschieden. Er ward in die Engelsburg eingesperrt, wo 1625 sein Leben, wie man vermuthet, durch Gift abgekürzt wurde. Später ließ man seinen Leichnam sammt seinen Schriften im Campo dei Fiori verbrennen. Spalato hat eine schöne Lage und ist die angenehmste aller Städte Dalmaticns. Das Klima ist gesund, die Hitze im Som-wer gemäßigt und die Kälte im Winter uicht streng. In all diesen Beziehungen hat Dalmatien Vorzüge vor Griechenland, und wit Ausnahme des Bezirks von Narenta und der Städte Salona, Knin und einiger andern im Innem des Landes, ist es Fiebern 94 nicht ausgesetzt. Das Thermometer steht selten tief unter dem Gefrierpunkte, und die größte Hitze ist im Iunius uud Julius 88" oder 89" Fahrenheit, oder etwas höher in den südlicheren Theilen um Nagusa und Cattaro. Der Winter ist kurz, und selten bleibt der Schnee lange liegen, außer auf deu Bergen. Die hohen Berg« züge Velebich, Viocovo nnd Prolog werden gegen Ende des Novembers mit Schnee bedeckt. Bei Nordwind ist die Kälte empfindlich in Spalato, aber selten von Dauer, und ein im Sommer so unangenehmer Sirocco mäßigt bald den kalten Landwind. Die hohen Bergzüge im Inneren machen es weit kälter in der Herzegowina, und in Bosnien kommt der Winter um viele Wochen früher als in Dalmatien und ist sehr streng. Schwindsucht und Rheumatismus sollen in Dalmatien, uud selbst in Spalato, gewöhnlich sein, doch wahrscheinlich nicht mehr als in Italien, und im Klima mag man das Land mit Neapel oder Calabrien vergleichen können, wenn man die allgemeinen Erzeugnisse betrachtet, die Orangen das ganze Jahr im Freien stehen und den Palmbanm gedeihen sieht. Dieß stimmt anch zusammen mit dem Thermometerstande in verschiedenen Monaten während des ganzen Jahres und mit den Beobachtungen während meines Aufenthaltes vom Augnst bis znm Januar. Die Spazierfahrten und Wanderungen in der Umgegend von Spalato sind ungemein genußreich; die Landschaft ist amnnthig und die Riviera dei Castelli an der Nordscite der Bai von Salona eines Besuches werth. Man hält Spalato für die Scene von Shakspeare's Sommernachts-Traum, die er nach Illyrien verlegt. Eine knrze Abendwanderuug bringt uns zu den Paludi, wo ein Franciskanerkloster dicht am Rande des Wassers liegt, mit einem Garten, der eine weite Anssicht über die Bai bis uach Trau hat. Die Mönche sind sehr gastfrei, und wer durch einen Freund eingeführt wird, kann sich an dem Anblick zweier merkwürdigen illuminirten Bücher erfreuen, die ein Bruder ihres Ordens, Bernar- 95 dino Rasmilovich von Spalato, 1tt75 verfertigte, und die für einen Dalmaticr noch ein besonderes Interesse dnrch den Umstand erhalten, daß die Farben von einheimischen Pflanzen herrühren. Der beachtenswerthcste Gegenstand in dem Garten, außer seinen köstlichen Tranben, ist eine in der Klostermauer befindliche Inschrift, die zwar das Ansehen einer der litcrarischen Betrügereien des siebzehnten Jahrhunderts hat, aber selbst wenn sie dazn gehörte, doch eine Merkwürdigkeit ist, und die Ausdrücke, die sie enthält, fiudet man oft auf Grabsteinen aus römischer Zeit/) Das niedrige Eumpfland südlich vom Kloster hat dieser Gegend den Namen I?<,llll1i (die Sümpfe) gegeben. Folgen wir ^Heerstraße in nördlicher Richtimg, so finden wir eine schöne Aussicht auf die Bai, die Halbinsel Urania, jetzt Vranizza, nnd auf Sa-lona. Am Ende der Halbinsel liegt ein gleichnamiges Dorf von ungefähr dreißig Häusern mit einer Kirche, das von Fischern und Bauern bewohnt wird. Angeblich steht es theils auf der Stelle eines großen Gebäudes, das in früheren Zeiten mit Salona's Handel in Verbindung war, und theils auf der Stelle eines im dreizehnten Jahrhundert von den Venetianern zerstörten Landhauses des Grzbischofs von Spalato. Ein guter Fahrweg führt von Spalato nach Salona, cinc Entfcrnnng von viertehalb Meilen. Am Wege sehen wir die Kanäle, die das Wasser nach Spalato leiteten, nnd ehe wir Salona erreichen, sehen wir sieben Bogen der römischen Wasserleitung östlich in der Ferne. Das Wasser kam von der Quelle des Giadro, 1) CORCHIVIO. AMEMPTO. DECVIt. ANN. XHX. ORCHIVIA. PHOEBE. MATER. FECIT. SIBI. ET. AMEMPTO. DISP. CO1V1VGI. ET. LIBERTIS. LIBERTABVSQ. POSTERISQ. SVIS. ET. EORVM. ET. RUODI1VO. AMEMPTL CAESARIS. IN. FRONTE. CVM. TABERNA. P. Lll. IN. AGRO. P. XIV. HOC. MONVMENT. SIVE. SEPVLCIIRVM. EST. EXTRAN1VM. HEREDEM. NON. SEQVETVR. 96 wo man Diocletians Brunnen noch immer zeigt. Der Kanal, der den Palast zu Spalato mit Wasser versah, soll bei der goldenen Pforte in das Gebände gegangen sein. Salona stand ans der Nordseite des Giadro. Die Straße durchschneidet den Flnß auf derselben Stelle wie früher, und einer der Bogen der neueren Brücke ist ans römischer Zeit. Die Stadt war den Römern nnter den Namen Salona und Salo bekannt, gewöhnlich aber hieß sie Salonä. Appendini') glaubt, der Name habe im Illyrischen Slauna geheißen, das er von dem slavischen Slav herleitet und „ruhmvoll" übersetzt, er bedenkt aber nicht, daß die slavischen Stämme in weit späterer Zeit in das Land kamen, wo jene Namen schon lange gebräuchlich waren, nnd daß sich ihre Sprache von dem alten Illyrischen unterscheidet, Salona hatte eine längliche Gestalt, die sich noch in den Trümmern verfolgen läßt. Ein wenig unterhalb der Brücke bildet der Giadro eine lange binncnlä'ndische Bai, und jenseit derselben länft die Straße rechts zn den Castelli, links aber zu dem neuereu Dorfe, daS nur einen sehr kleinen Theil der südöstlichen C'cke der alten Stadt einnimmt. Die öffentlichen Gebände unddieHäu-ser des alten Salona sind zwar zerstört, aber es ist noch so viel übrig, daß man die Lage und den Umfang der Stadt erkennen kann, nnd der Brückenbogen zeigt, daß der Lauf des Flusses noch unverändert ist. Die Stadt bestand aus zwei Theilen, dem östlichen und westlichen, und der letzte hatte eine etwas höhere Lage, lag jedoch nicht auf einem Hügel, wie man nach den Worten in Cäsars Beschreibung der Stadt (in ellila «ulw) vermuthen könnte. Der einzige erhöhte Boden besteht ans einem Abhänge gegen Mitternacht, nnd längs diesem ist die Mauer auf jener Seite gebaut. Wahrscheinlich hat Cäsar Salona mit dem benachbarten Ande-rium(Clissa) verwechselt. Wir wollen, um die Beschreibung der Stadt und den Zustand l) 8wriu äi Nilzzliz», Vand 1. Kap. 11. S. 8U. 97 ihrer Ueberreste deutlicher zu machen, cineu Blick auf die Geschichte der Stadt uud ihre Zerstörung werfen. Wir haben keine Nachrichten über den Ursprung Salona's, wiewohl man in Ermangelung zuverlässiger Angaben die ungewisse Lage einer Stadt, der Apollonins Rhodius den Namen Hyllenis gibt, mit der Lage von Salona in eine Uebereinstimmung gezwungen hat. Man weiß in der That wenig von Ealona vor Inlius Cäsars Zeit. Nach der Zerstörung von Delmmium wurde sie !33 Jahre vor Christus die Hauptstadt Dalmatieus und zuerst 117 Jahre vor Christus von dcu Römern genommen. Im Jahre 78 vor der christlichen Zeitrechnung wurde sie zum zweiten Male belagert uud während des Krieges zwischen Pompe'jns und Cäsar zwei Mal ohne Erfolg angegriffen. Als die Stadt zu Brutus und Cassins übergegangen war, wurde sie im Jahre 42 wieder belagert uud blieb uach ihrer Einnahme in Oetavians Besitz. Nach der zweiten Eroberung wurde die Stadt zu einer römischen Kolonie gemacht uud erhielt zuerst den Namcn ^nlonia Martia Julia Salona. Seitdem betrachtete man sie als das große Bollwerk der römischeu Eroberungen auf dieser Seite des adriatischcu Meeres. Unter den ersten Kaisern Wurde sie durch viele öffentliche Gebäude verschönert, aber erst unter Diocletian, der iu Salona geboren war, nahm sie an Große und Glanz zu. Beinahe zweihundert Jahre nach diesem Kaiser erlebte sie keine bcmerkcnswcrthen Ereignisse. Von den Belagerungen, die sie gegen Odoaker uud deu Gothenkönig Totila im sechsten Jahrhundert bestand, nachdem die Römer uuter Iustiuians Regierung sie den Gothen entrissen hatten, ist nicht viel mehr bekannt, als daß sie theilwcisc war zerstört worden. Die erste Sorge der Römer nach der Wiedererobcrnng war, daß sie die Manern wiederherstellten und einen tiefen Graben zur Vertheidigung an-legten. Der Gothcnkönig Vitigcs ließ die Stadt von Neuem zu See und zu Lande angreifen und es wurden viclc lauge Schiffe von besonderer Bauart eigens zu dieser Belagerung herbeigeschafft, Dalmaticn und Mmttcnegro, I. 7 98 die hartnäckig fortgesetzt, aber endlich aufgehoben wnrde. Dic Stadj erholte sich bald von dem erlittenen Mißgeschick, aber die vergangenen Drangsale hatten die Einwohner nicht belehrt, sich gegen künftige Gefahren zu schützen. Sie waren lange in: Genusse einer eingebildeten Sicherheit gewesen, hatten in Ueppigkeit gelebt, «nd bei der ersten Annäherung eines Feindes zeigte sich, daß sie nicht im Stande waren, ihre Stadt zu vertheidigen. Die Ava-ren fielen in Dalmatien ein und als sie im Jahre 639 die Veste Clissa genommen hatten, rückten sie gegen Salona. Die erschrockenen Einwohner dachten um an die Rettung ihres Lebens uud Eigenthums und nach einem kurzen und erfolglosen Widerstände flohen sie an die Küste und suchten Zuflucht auf den Inseln. Die Stadt wurde geplündert und verbrannt, und scit dieser Zeit war Salona verödet und in Trümmern. Vei einem Rückblicke auf diese Thatsachen ist es iutcressant, den jetzigen Zustand der Stadt zu betrachten, der uns die vergangenen Ereignisse vielfach erklärt. Wir können die Lage der zu verschiedenen Zeiten wiederhergestellten Wehranstaltcn erkennen. Der von den Römern angelegte tiefe Graben ist deutlich auf der Nordseite zu sehen, zwar hier und da mit Erde ausgefüllt und zum Au-bau benutzt, aber die Lage ist nicht zu verkennen und an einigen Stellen läßt sich die ursprüngliche Breite ausmitteln. Ein sehr kleiner Theil der Mauer ist noch an der Ostseite übrig und an der Flußseite jede Spur verschwunden, aber der nördliche Theil ist wohlerhalten und die vorspringende Ecke vieler Thürme noch zn erkennen. An der nordöstlichen Ecke sieht man große Stcinblöcke, und obgleich Vieles zerstört und im barbarischen Styl wiederhergestellt worden ist, so gibt uns doch die Einrichtung der zahlreichen Thürme eine merkwürdige Erläuterung des römischen Befestigungsystems. Die Mauern des östlichen Stadttheiles sind roh gearbeitet und ibre Richtuug ist sehr unregelmäßig, wahrscheinlich weil man sick 99 nach dem Boden richtete, aber ihre Stärke beweisen die zahlreichen festen Thürme, deren einige viereckig sind, andere dreieckige Vor-sprüngc mit einem sehr knrzen Mittclwalle haben, und ans dem oberen Theile sieht man eine doppelte, sehr hohe Brnstwehr, die gleichsam zwei Manern mit einem Zwischengange bildet, wovon ich auch in anderen römischen Vestnngen Beispiele gefunden habe. Im westlichen Stadtthcilc liegt das Theater und das sogenannte Amphitheater. Von jenem sieht man noch einen Theil des Prosceniums und die festen Vogenpfeilcr, die von viereckigen Steinen mit schrägen Ecken gebaut sind. Von dem elliptischen Gebändc, das manAmphitheater nennt, ist noch viel übrig, und sechs Bogen des äußeren Kreises sind unversehrt. Der Eingang von festem Mauerwerk war auf der Morgeuseite und gegen 38 Fnß lang und etwas über 20 Fuß breit. Nach seinen Maßverhältnissen war das Gebäude offenbar kein Amphitheater, da die ganze Länge mit dem Eingänge 324 Fuß und die Breite von den Bogen bis zur entgegengesetzten Seite ungefähr 191 Fuß betrug, und wenn man den Nanm für die Sitze auf beiden Seiten davon abzieht, so bleiben nur gegen 118 Fuß für die Breite des Kampfplatzes übrig, oder weniger als die halbe Länge. Die Mauern der Stadt stießen entweder an die Seiten oder schlössen sie bloß ein, und sie mag einst außerhalb dersclbeu gelegen haben und nur in gefahrvollen Zeiten in die Umfassung eingeschlossen worden sein. Ein Theil der südlichen Mauer ist offenbar aus der frühcrcu römischen Zeit, wiewohl die ionischen Schnecken und Simse auf einigen Steinen beweisen, daß sie älteren Denkmalen angehört haben. Von diesem Theile läuft fast in einem rechten Winkel eine andere Mauer ab, die wieder auf der Straße, ungefähr 115 Schritte westlich, sich zeigt und dreißig Schritte weiter ln einem noch vollkommneren Znstandc ist. Eie besteht ans sehr großen Steinen mit schrägen Ecken, die trefflich zusammengefügt und in einem Style sind, der griechischem Mauerwerte ähnlich ist 100 Ich folgte dieser Mauer in derselben Richtung ans eine Entfernung von 573 Schritten oder ungefähr 14lnd andere Geier. Das Mu-eum zu Wien ist durch ansehnliche Sammlungen aus diesem Lande 103 bereichert worden. Das gewöhnliche nnd das rothfüßige Nebhuhn sind sehr häufig, und Jäger oder Angler können in Dalmaticn reichliche Ergötzung finden. Am 8. September wird jährlich ein großer Jahrmarkt in Sa-lona gehalten, dem die ganze Umgegend mit der Hoffnung auf Echmanscrcicn, Geschäftsverkehr und Ergötzlichfeiten entgegensieht. Es ist ein merkwürdiges Schauspiel und der Zusammenfluß von Menschen sehr groß. Man sieht viele und mannigfaltige Trachten, unter welchen die Anzüge der hübschen Weiber aus den Castelli, die Städter und Landleute aus Sign und Sebenico und den Vorstädten von Spalato sich auszeichnen. Viele kommen von der türkischen Gränze nnd zuweilen sieht man einige Türken aus der Herzegowina, deren Anzug sich wenig von der Tracht der Morlachen unterscheidet, die den Turban tragen. Die Trachten der Weiber sind die zahlreichsten und merkwürdigsten, die Män-ncrtrachten weit weniger abwechselnd in den verschiedenen Bezirken Dalmatiens, in beiden aber die Farben auffallend und sehr malerisch, blau und roth die vorherrschcndstcn. Ganz Sptzlato besucht den Jahrmarkt, und auf der Straße nach Salona drängen sich Wagen aller Art, Reiter und Fnßgäu-ger. Das Gemisch von Männerhüten, rothen Mützen und Turbanen, von Hanbcn uud abendländischen Anzügen der Weiber ans Spalato, im Gegensatze der mannigfaltigen Trachten der einheimischen Weiber, gewährt einen der sonderbarsten Anblicke, den man in Europa finden kann, und für einen Fremden erhöht die Sprache nicht wenig die Neuheit des Schauspiels. Es fehlt nicht an Geschäftsverkehr, so wenig als an Vergnügungen, und es werden viele Rinder, Schafe und Schweine, so wie die gewöhnlichen Iahrmarktswaaren gekauft und verkauft. Lange vor der Mittags-zeit haben sich Gruppen von Landleuten auf der Landstraße und in lcder Straße der Stadt zusammengedrängt. Einige gehen in die kleine Kirche, die malerisch auf einem von Bäumen beschatteten 104 und von Armen des Giadro umflossenen Rasenplätze liegt, während andere umherschweifen, mn ihre Frennde anfznsuchen und m Vorübergehen Fremde anzusehen und von ihnen gesehen zu werden. Alsbald geht es an's Essen nnd Trinken. Ucberall werden an hölzernen Spießen ganze Schafe unter freiem Himmel gebraten uuo eine ganze Heerde wird schnell in Gerichte verwandelt. Häuflein hungriger Freunde sieht man auf allen Seiten, einige haben auf Bänken unter den Vänmen Platz genommen, andere in Häusern, wo sie Obdach finden konnten, andere sitzen im Grase am Wege, ohne auf Sonne und Staub zu achten, nnd einige gesetzte Familien halten Boote zu ihrer Aufnahme bereit. Mittlerweile gehen die huttragenden Städter aus Sftalato uud anderen Orten, ihre Bekannten grüßend, auf und nieder und betrachten mit freundlichem Mitleid die alterthümlichcn Ergötzlichkeiten der schlichten Landlcute, nnd die traulich sich gesellende Gesittung mit ihrem Anstandc und ihrer Ziererei bildet einen seltsamen Gegensatz der herzlichen Fröhlichkeit derunverfeinertenMor-lachen. Bei dem Feste der Bubastis') in Aegypten wurde mehr Wein getrunken als während des ganzen übrigON Jahres, uud vielleicht läßt sich dieß auch von dem Jahrmärkte in Salona sagen; aber vor einigen Jahren war die Aehulichkeit der beiden Feste noch auffallender und die vorkommenden Schlägereien waren der Vu-bastis-Feier würdig. So war es in der guten alten Zeit der ve-nctianischcn Herrschaft, wo Jedermann sich selber Recht verschaffen und mit seinem Feinde eine Sache ausmachen dnrfte, ohne eine Obrigkeit zn belästigen. Der Morlache wartete dann anf den Jahrmarkt zn Salona, um für alte Uubill Rache zu nehmen, und an diesem Tage der Wiedervergcltung gab es viele blutige Auftritte. Die österreichische Regierung hat dieser Barbarei Einhalt gethan, und Alles geht jetzt mit gutgelaunter Gesellschaftlichkcit ab. Ist ein und der andere Serdar oder Landpolizei-Beamte 1) Dlana. 103 mit seinen bewaffneten Panduren zugegen, nm Ungehörigkeiten vorzubeugen, so ist dieß bloß eine Vorsicht bei einer Gelegenheit, die in früheren Zeiten die Gegenwart einer bewaffneten Macht forderte. Diese Pandurcn sind wie die anderen Morlachcn gekleidet, die alle bewaffnet gehen, und unterscheiden sich bloß durch einen Strauß von stachen Messingstreifen ans dein Turban. Der Tanz der Morlachen ist das anziehendste Schauspiel auf dem Jahrmärkte. Er beginnt zuweilen vor dem Essen, wird aber nach Tische munterer fortgesetzt. Dieser Tanz heißt Kollo, weil er, wie die meisten einheimischen Volkstänze, in einem Kreise sich bewegt. Gewöhnlich hat der Mann eine Tänzerin, zuweilen zwei, immer aber an seiner rechten Seite. Beim Tanze faßt er ihre rechte Hand mit der seinigcn, während sie sich mit der linken an seinem Gürtel hält, und hat er zwei Tänzerinnen, so faßt die nächste mit ihrer rechten die Hand ihrer Gefährtin, die mit ihrer linken die rechte Handies Mannes hält, und so tanzt jedes Paar im Kreise vorwärts. Die Tanzschritte sind plmnp, wie in den meisten slavischen Tänzen, anch in der Polka und Radowatschka, und die altcrthümliche Musik besteht nnr ans einer dreisaitigen Geige. Viele Theilnehmer an diesen Vergnügungen haben einen weiten Weg in ihre Heimat, nnd bei der Gewohnheit des Volkes, früh aufzustehen, dauern die Festlichkeiten nicht bis in die späte Nacht, und dieß, in Verbindung mit deu Anordnungen einer vorsichtigen Polizei, läßt das lebendige Schauspiel ruhig zu Ende gehen. Ungefähr eine Wegstunde von Salona liegt die Vestnng Clissa,') berühmt in früherm Ieitcn wegen ihrer günstigen Lage auf einer Felsenhöhe zwischen den Bergen Caprario nnd Mossor. Die von Salona dahin führende Straße hieß Via Gabiniana und ^vnrde, wie eine in Salona gefundene Infchrift anznbeuten scheint, von dem Kaiser Tiberins angelegt. Bei den Römern hatte Clissa nach den Inschriften den Namen Andetrium, und in späteren i) Illynsch Kl is. 506 Zeiten Elausura ^), woraus die neuere Benennung Clissa enl-standen ist. Anf einer vereinzelten Felsenhöhe liegend, unzugänglich von drei Seiten nnd an dem in das Binnenland führenden Vergpasse, war sie das Anßcnwerk und der Schlüssel von Saloua und bestrich den Zugang zu der Stadt anf der Nordostseite. Jedes Heer, das diesen Theil Dalmatiens angriff oder in Besitz hatte, erkannte die Wichtigkeit einer solchen Lage; Clissa war daher ein Punkt, gegen welchen immer Angriffe gerichtet waren, nnd hat viele Bclagernngcn ausgehalten. Die Veste wurde zu verschiedenen Iekcn von den Römern, den Ungarn nnd andern genommen, im Jahre 1244 von den Mongolen belagert, nnd in den Kriegen zwischen den Türken, Ungarn nnd Venetianern mehrmals erobert und wieder erobert. Die Uskoken nahmen sie im Jahre 1596 den Türken dnrch Ueberfall und behielten sie einige Monate in Besitz, vorher aber hatte sie der König von Ungarn Andreas II. im Jahre 1217 den Tempelherren anvertraut.^) Die Vestung wird fortdauernd in Vertheidigungsstand gehalten und hat eine österreichische Besatzung. Die Befestigungen sind unregelmäßig und nach der Beschaffenheit des Bodens angelegt. Die Aussicht nach der Scescite ist so schön, daß sie den Ritt von Spalato dahin reichlich belohnt; nnd ohne Schwierigkeit gestat-jet der Befehlshaber den Eintritt. Etwas über dreizehn Meilen westlich vonSalona liegt Trau, am entgegengesetzten Ende der Bai. Der kürzeste Weg von Spa-lato nach Tran ist zu Wasser, am meisten gesichert aber gegen Wind uud Wetter geht man zu Wagen rings um die Bai über Salona. Diese Fahrt ist schr angenehm, besonders im Frühling, und das Land in der Umgegend der Castelli ist das fruchtbarste und am besten angebaute, das ich iu Dalmatien gesehen habe. Es beschränkt sich auf einen schmalen Landstrich zwischen dem Meere !) Wcil sie ^n Paß schlicht. 2) Siche Abschnitt IX. 107 und dem AbHange dcr Eabani-Verge"), genannt Riviera dei Castellt, wo die Betriebsamkeit die natürlichen Vortheile des Bodens nicht unbenutzt gelassen hat, und es gibt Wein, Oliven und andere Erzeugnisse in Ueberstnß. Die Spalatiner nennen es das Temvc Dalmatiens. Hat man Salona hinter sich, so kommt man uach einander zn dicsm Eastclli. Es sind Dörfer in dcr Nachbarschaft alter Schlösser, wovon sie ihren Namen haben. Die Schlösser wurden im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert von Edelleuten erbaut, welchen die Venctiancr Lä'ndercien überlassen hatten, unter der Bedingung, Zufluchtsort« für die Bauern in den Kriegen mit den Türken anzulegen. Im Inneren lagen Bewaffnete, und bei drohender Gefahr fanden die Heerdcn Schutz innerhalb dcr Mauern, und in der Ernte konnten die Bauern ihre Früchte im Vereich des Geschützes der Schlösser sichern. Alle hatten eine gleiche Gestalt; ein Viereck von zwei Stockwerken mit Thürmen an den Ecken, ein offener Hof im Inneren mit einen: Gange dem Eingänge gegenüber, über welchem offene Galerien und Treppen sich befanden, die mit den Gemächern in Verbindung waren. Der Eingang war anf derNordseite, und denZngang bildete eine Zng-brücke über den Graben, dcr das Schloß auf drei Seiten umgab, während die vicrte^eon dem Meere bespült ward, und auf dieser Seite war eine Ausfallpforte, um die Verbindung mit der Bai zu sichern. Es gab ursprünglich sechzehn Schlösser, von welchen aber nnr noch die Hälfte besteht, und einige gehören nach Sftalato, die anderen nach Trau. Sie heißen, von derOstseite anfangend: Ca-stell Su?uraz2), von dem Erzbischof von Spalato gegründet, !) Die Verge bci Trau mid der Monte Caprario gehörn, zu dic-sem GebirgSzuge, der sich bis zum Vcrgc Mossor südlich von Gissa erstreckt. 2) Das 5 wird in Dalmatim für tsch odcr das e brr Italiener Vor var augelegt wordeu, um den schmalen Kanal zwischen Brazza und Solta zu bestreicheu, und da die Verdiudung mit Lesina ab- !) Vuch^I, 3«. 8* N6 geschnitten war, so wurden jene in dem Hafen von Spalato blo-kirt. Dieß beweiset, wie vorthcilhaft die Insel Vrazza für alle mit diesem Theile der Küste vcrbnndcnen Unternehmungen ist, nnd erklärt, warum man den Besitz der Insel in früheren Zeiten für so wichtig hielt. Ihr alter Name war nach Plinius und anderen Schriftstellern Bractia oderBrattia, nach Polybius aber Brectia und bei Anderen kommt sie unter dem Namen Cratia oder Crathis vor. Vierter Rd schnitt. Ausflug in das Innere. Die Kerka. Scarduna. Das Erz-engel-Klvster. Die bewaffnete Macht. Knin. Ackerbau in Dalmatien. Metallreichthum in früheren Zeiten. Verlicea. Das Morlachenhaus. Si^n. Ringelrennen. Nültkehr nach Spalato über Salona. Mit Briefen versehen, die auf Reisen in das Innere Dalma-ticns unentbehrlich stud, fnhr ich am 29. August 1844 mit dem Dampfschiffe nach Sebeuico und miethete nach knvzem Verweilen ein vierruderiges Boot, das mich in nenn Viertelstunden nach Sl'ardona brachte. Dieser Ansflng ist, wie andere in das Binnenland, einigen Zögerungcn ausgesetzt, da die Bootsleute ihre Pässe der Quarantäne-Behörde vorzeigen müssen, ehe sie Sebenico verlassen oder vorbeifahren dürfen, nnd ist die Behörde geschlossen, so mnß die Reise aufgeschoben werden. Gs liegt auf der Hand, daß dicst nichts als eine polizeiliche Auordnuug ist, deun die Pest an Bord eines Bootes zu vermuthen, daS Jedermann den ganzen Tag bei Sebenko am Strande liegen sah, wäre zu lächerlich ; aber der Reisende ist dadurch gesichert gegen jeden Versuch der Schiffer, ihn zn berauben oder zn ermorden, wozu sie sich sonst Wohl versucht fühlen könnten, wcnu nicht scme Abreise in ihrem Fahrzeuge bei der Behörde angegeben werden müßte. Wie Fortis bemerkt, sind zwar die Einwohner nicht eben darauf bedacht, sich dem Feldbau zn widmen oder ihre Fischereien auszubeuten, abcr sie benntzcn jede kleine Vertiefung, die frucht- 118 baren Boden enthält, um Reben zu ftfian;cn, nnd einige Weinberge in der Vai und an der Kerka sind sorgfältig nnter den Felsen angelegt nnd werden dnrch ablanfcnde Manern gestützt, die innerhalb eine breite Viegnng haben, damit die Neben sich über dieselben ausbreiten können. Als wir Ecbenieo am nordwestlichen Ende der Bai, wo die Kerka einfließt, verlassen hatten, kamen wir zu den von Fortis erwähnten eigenthümlichen Schichten und dem durchbohrten Felsen, 8l,piili«-5lln!i genannt. Wir waren gegen drei Meilen in dem felsigen Bette des FlusscS hinan gefahren, als wir den Ecc von Scardona erreichten, der weit größer als der See bei Scbe-uico ist. „Die Nömer hatten," sagt Fortis, „zwischen den Mündungen der beiden Flüsse Goducchia und Injova, die in den See von Scardona sich ergießen, eine Ansiedelung. Die wenigen Spuren, die noch davon zu sehen sind, verdienen Aufmerksamkeit, da sie offenbar beweisen, daß die gewöhnliche Oberfläche des See's sich gehoben hat, worin man Ebbe nnd Flut bemerkt. Auch ist unter dem Wasser ein langes Werft, das die Spitze der von den beiden Flüssen gebildeten Halbinsel mit dem einzelnen Felsen Susti-panaz verbindet. Auf diesem Felsen steht eine verfallene Kirche, die vielleicht ein Heidentcmpel war." Scardona, das alte Scardon, war ein wichtiger Ort, wie aus dem Umstände hervorgeht, daß dort unter dem Kaiserreiche einer der drei Convente Dalmatiens gehalten wurde. Der Ort liegt jedoch nicht auf der Stelle der alten Stadt, die wahrscheinlich weiter westlich zu suchen ist, obgleich man nach der von Ptole-mäus ihr gegebenen Lage vermuthet hat, sie habe auf dem östlichen Ufer der Kerka gestanden. Dieser Fluß, das Titium der Alten, diente in sehr früher Zeit zur Verbindung mit dem Binnenlande und es wurden auf demselben Waaren nach den Städten Scardon und Liburna und in das innere Dalmatien geführt. Der Strom l19 hat eine beträchtliche Breite, aber keine Brücke bei Scardona und man kann nnr anf Fähren hinüberkommen. Scardona, illyrisch Scardin oder Scradin, hat gegen l200 Einwohner. Die Stadt ward im Jahre 1115 statt Belgrade') cin bischöflicher Sitz und war später, von 1245 bis 1353, eine Vcste der Grafen von Bribir. Anf dem Felsen über der Stadt sieht man die Trümmer eines Schlosses, das die Türken erbaut oder wiederhergestellt haben, die es von <522 bis 1<>46 besaßen. Oestlich von der Stadt ist ein Sumpf, der sie im Sommer unge-snnd macht, wo denn auch Wechselsieber sehr häusig sind. Scardona hat viele gut gebante Häuser für eine so kleine Stadt, die nur aus einer einzigen Straße besteht, aber ihre Lage ist keineswegs günstig. Ungefähr die Hälfte der Einwohner gehört zur griechischen Kirche. Scardona hat zwar cin Wirthshaus, das aber dürftig eingerichtet ist, und nachdem ich eine Nacht darin zugebracht hatte, giug ich am nächsten Morgen zu den Wasserfällen der Kerka (8oin' nern selbst, als Folge von Parteizwisten und Familicnstrcitigkeiien, ausgebrochen waren. Die Ebene ist sehr ausgedehnt und fruchtbar, erzeugt Weizen, 129 Mais, Maulbeerbäume und andere Gewächse, und der Boden, der von röthlicher Farbe ist, kann als eine gute Probe von dem ftstugbaren Lande in Dalmaticn gelten. Sie ist angeblich sechs Wegstunden lang und vier breit und stößt östlich an die türkische Gränze von Bosnien, nördlich an Kroatien. Auf der Ostseite liegt der Bezirk und der Berg Promina, und in der Ebene, die nach Knin gekehrt ist, steht ein Thurm, eines der vielen Denkmale der türkischen Herrschaft in diesem Theile Dalmaticns. Gegen vierzehn Meilen nach Südost liegt Dcrnis, einst eine große Stadt, jetzt nur ein Dorf, das seiner Steinkohlen wegen bekannt ist. Der Ort war bis 1647 in den Händen der Türken. Man steht dort ein verfallenes Schloß auf einer Anhöhe am Flusse Ci-cola, der hier und da über cin felsiges Bett läuft und ungefähr drei Meilen entfernt eine steinerne Brücke hat. Wie Fort is glaubt, lag die alte libumische StadtPomona an der Straße von Dernis nach Knin, nicht weit vom Berge Cavallo, und er behauptet sogar, daß man auf den Gipfeln der felsigen Berge noch Spuren der fünfzig Stadien langen Mauer sehe, die während der Belagerung der Dalmatier in Pomona der Kaiser Augustus bauen ließ. Man kaun zwar mit gutem Grunde annehmen, daß Po-Mona an dem Berge gelegen habe, der jetzt mit dem angränzenden Bezirke den Namcu Promina führt; da aber Peutingers Karte den Ort an die Straße von Vurnum nach Salona setzt, so möchte man ihn eher auf der südwestlichen Seite jenes Berges in der Richtung von Demis suchen, mithin nicht sehr weit von dem Verge Cavallo. Quartiere ist vier Wegstunden von Scardona entfernt. Die Straße von Knin nach Iara geht über Kistagne, Ostrovizza, Vcncovaz und Nadin, das alte Nedinum. Ostrovizza war merkwürdig durch einen Vorfall, der den Venctiancrn im fünfzehnten Jahrhundert, während ihrer Kriege mit dem Könige Siegmund von Ungern, den Verlust des Schlosses zuzog. Der venctianische Dalmaticn und Montcnegro, l. a 130 Präfcct hatte die Tochter eines Landmanns geheirathet, deren Bruder, ein Soldat im Dienste des Ungarkönigs, ihr oft Besuche machte. Sie wußte ihm Gelegenheit zn verschaffen, die Manern zu untersuchen und die schwachen Punkte der Vcste kennen zu lernen, woraus die Ungarn in einer finsteren Nacht den Felsen erklimmten, die Vestnng einnahmen nnd die Besatzung zn Gefangenen machten. Dieß gab Anlaß zn einem Gesetze, das den Soldaten der venetianischen Besatzung von Sebenico verbot, Bäuerinnen zu Heirathen. Rechts von der Straße nach Knin, ungefähr anderthalb Stunden von Quartiere, sieht man die römischen Bogen, Sou-piaia') oder ^> nroki Ilonmm genannt, welche die Stelle der alten Stadt Vumum bezeichnen. Nicht weit von diesen Ueber-reften holte ein Serdar mich ein, der mir gefolgt war, in der wohlwollenden Absicht, mir diese Trümmer und den Wasserfall der Kerka zu zeigen. Nicht weit von einem Krenz an der Straße sieht man einige Steine, die, wie es scheint, von alten römischen Gräbern herrühren, wenn eine jetzt in Knin aufbewahrte Inschrift anf einem derselben dort gefunden warb. Ich bemerkte ein Bruchstück mit der Inschrift I'(M in sieben Zoll langen Buchstaben, und auf derselben Stelle hat man mehre Münzen und gravirtc Steine gefunden. Die Bogen sind offenbar die Uebeneste eines großen Thorweges oder eines Triumphthores der Stadt, und eine dort gefundene Inschrift sagt, daß man sie auf Befehl der Decurioncn zu Ehren des Kaisers Hadrian erbaut habe. Wir suchten vergebens diese Inschrift, welche man, wie ich später erfuhr, verborgen hatte, um die Zerstörung derselben durch die Bauern zn verhüten, bis sich eine Gelegenheit faud, sie nach Knin zu briugen, wo ich eine Abschrift von dem Grafen Paulovich erhielt, der ein Werk über seine Nachforschungen in Knin und der Umgegend herausgeben I) Ober 8„i,p!i» /»I^v», die durchbohrte Kirche. 131 ttnrb. ©ie lautet: Caesar. Trajani Parlhie. Filio Divi Ner-vacNepoti TrajanoHadriano Pontisici Max. Trib. Pot. II. Cons. II. p. i'It. I)6«i-ow veeurionum. Von denBogen sind nur noch zwei unversehrt. Der größere und höhere Mittelbogm ist eingestürzt, wie auch zwei am westlichen Ende, die ohne Zweifel einer der Eingänge der Stadt waren. Einige haben sie für die Ueberreste eines von den römischen Legionen zn Ehren des Kaisers Tra-jan bei seiner Rückkehr ans Daäen gebauten Triumphbogens gehalten, was jedoch jene Inschrift widerlegt. Man sieht Spuren von Simswerk und den Knauf einer korinthischen Säule auf dem mittleren Bogen, und Fort is wird dnrch den Umstand, daß der Sims nnd die Karnicße auf beiden Seiten gleich sind, zu der Vermuthung geführt, daß sie bestimmt gewesen seien, allein zu stehen und ein Triumph-Denkmal von fünf Bogen zu bilden. Als Fort is im Jahre 1774 sie sah, war der Mittelbogen noch nn-versehrt, aber er spricht von keiner Inschrift. Allerdings ist seine Vermuthung gegründet, daß sie die Stelle von Burnnm, Stra-bo's Libnrna, bezeichnen, was auch durch die auf Peuüngers Karte angegebene Lage am rechten Ufer des Titium oberhalb Scar-dona bestätigt wird. Hierher zogen sich die Gothen unter Ulesiga-lus, dem Feldherrn des Königs Vitiges, znrück, als sie bei ihrem Versuche, Dalmatien wieder zu erobern, unter Iustinians Re-giernng von den Römern waren geschlagen worden. Burnum war eine der ansehnlichsten Städte Libnrniens und die Einwohner gehörten zu der Versammlnng von Scardona. Wahrscheinlich lag die Stadt auf der Südseite der Bogen, zwischen ihnen und dem Flusse Titimn, an dessen steilem Ufer ich die Ueberreste eines römischen Gemäners von kleinen Steinen sah, mit zwei kleinen Röhren in der Mitte, welche zu einer Wasserleitung gehörten, die "us der Nordseite in den Felsen ging. Die Kerka fällt hier über ziemlich hohe Klippen, nnd etwas höher hinanf sieht man andere Fälle zwischen Felsen und Gebüsch, 9* 132 die mit den Windungen deS Flusses einen sehr malerischen Anblick gewähren, obgleich sie weit kleiner als die Fälle bei Roncislap oder Scardona sind. Nordwärts von den Bogen gibt es drei steinerne Gräber mit einer einzelnen Platte, die als Decke diente. Sie sollen von gewöhnlicher Arbeit sein, wahrscheinlich ans einer späteren Zeit. Wir konnten sie nicht finden, wiewohl mein Begleiter, der Serdar, sie früher dort gesehen hatte. Man baut hier etwas Hirse nnd den Panizzo (panioum mi-liaeeum), eine kleinere Körnerfrucht, von welcher man Brot bäckt, wie von dem lw1«!U8 »ni-gnum, der häufig in Dalmatien wächst'). Auf halbem Wege von Kistagne nach Knin liegt das Dorf Badn-cich, in dessen ebmer Umgegend viel kleines Eichengebüsch wächst. Die Vestung Knin hat eine großartige Lage und mnß vor der Einführung von Kanonen unbezwinglich gewesen sein. Sie kann zwar jetzt von einer ang ranz enden Höhe bestrichen werden, ist aber noch immer ein fester Platz, dessen Wichtigkeit als ein militärischer Posten in den Kriegen zwischen den Türken nnd Vcne-tianern von diesen Nebenbuhlern nm die Herrschaft über Dalmatien vollkommen gewürdigt wurde. Ihre günstige Lage wurde bereits von den Grafen und den Königen Kroatiens erkannt, wie später im vierzehnten Jahrhundert von Ungarns Königen, die hier oft ihren Hof hielten. König Siegmund brachte in Knin den Winter von 139ss zu, als er nach der unglücklichen Schlacht bei Ni-covoliS von Ragusa nach Ungarn zurückkehrte. Später fiel sie in die Gewalt der Türken, welche sie 1522 den Ungarn entrissen und sie hundert und fünfundzwanzig Jahre behaupteten, bis sie lft47 von dem venetianischen Heerführer Foseolo und ungefähr vierzig Jahre später von Cornaro noch einmal genommen wurde. Seitdem blieb sie in den Händen der Venetianer, jeder Inhaber !) Dieß erinnert an Strabo'S Bemerkung über die Iapoden, die unter dem Berge Alblus wohnten und in dem armen Lande hauptsächlich von Mais und Hirse sich »ährten. 133 aber verstärkte die Befestigungen, die mit dm Fortschritten der Kriegswissenschaft verbessert wurden. Nach dem Falle der Republik wurde sie von den Franzosen besetzt, welche die Werke gleichfalls verstärkten; im Jahre l8I3 kam sie in den Besitz der Oesterreicher, die ihr seitdem eine Besatzung gegeben haben. Knin, in Urkunden Tnin, Tiniuium oder Tinninium genannt, wird für das Arduba der Alten gehalten nnd war nicht sowohl durch seine Vertheidigung gegen Germamcus als durch den unbezwing-lichen Muth der Frauen berühmt, die sich lieber mit ihren Kindern in das Feuer oder in den Fluß stürzen als Sklavinnen der siegenden Römer werden wollten. Fort is hat ganz Recht, wenn er sagt, daß kein Ort an den Flüssen Kerka oder Cettiua besser als Knin zu der Bcschrcibuug passe, die Dio Cassius von dem Schlosse Arduba gibt, wiewohl er zugesteht, daß jener Geschichtschreiber nicht von zwei sich vereinigenden Flüsse,,, sondern nur von einem rede, den er reißend nenne, was auf die Kerka in diesem Theile ihres Laufes nicht passe. Die Lage der Vestung auf einem schmalen, auf zwei Seiten von der Kerka nnd von ihrem Zuflüsse, der Butimschiza, auf der Nordseite bespülten Landrücken ist allerdings merkwürdig, und obgleich D i o's Ausdruck, daß sie fast ganz von einem reißenden Strome umsiossen sei, nicht ganz auf Knin paßt, so muß man einer allgemeinen Beschreibung ihre Unbestimmtheit nachsehen, und es würde zu entschuldigen sein. Wenn er die zwei Flüsse für Arme eines einzigen Stromes hielte. Die Lage ist in der That zu günstig, als daß man sie vernachlässigt haben könnte; ein fester Ort muß immer hier gewesen sein, und nichts paßt darauf so gltt als die Beschreibung von Arduba. Die Straße von Zara uach Kistagne läuft auf einer Brücke über die Vutimschiza, nicht weit von Knin. Die Häuser liegen Heils am Abhaugc des Berges unter der Vestung, theils am Ufer bn Kerka, die am Fuße des Felsens fließt und nicht weit unterhalb ber Brücke sich mit der Vutimschiza vereinigt. Die Stadt ist llein 13/« und einige Häuser am Flusse sind hölzern, was diesem Stadtthcile ein türkisches Ansehen gibt. Die südlich und südöstlich sich ziehende Ebene ist fruchtbar und erzengt Mais, Sorghum und andere Körnerfrüchte in Ueberfluß. Die Ueberschwemnnmgcn im Winter und Frühlinge und die stehenden Gewässer, die der Fluß in der Nachbarschaft bildet, machen die Lage der Stadt im Herbste sehr ungesund. Die Kerka, statt ihren Lauf durch die Ebene zn nehmen, bildet einen mit Binsen augefüllten See gleich unterhalb der Stadt, und die südwärts einströmende Cossovizza treibt, von Regengüssen angeschwollen, das Wasser über die Nicdernn-gen. Ein anderes Hinderniß ist die Enge des Flußbettes zwischen dem Hügel von Knin nnd dem Berge Verbnik, und die Einmün« dung der Vutimschiza trägt gleichfalls zur Hemmung des Laufes der Kerka bei, da sie viel Kies in daS Flußbett bringt. Aber diese Nachtheile und die in Knin herrschenden Fieber sind eher derNach-lässigkeit der Menschen als der Lage des Ortes zuzuschreiben, denn da der See oberhalb der Wasserfälle liegt, so erscheint nichts einfacher als das Mittel, den Stromlauf zu regeln. Man brauchte nur den Fällen einen breiteren Weg zu öffnen und ein Wehr und Schleusen anzulegen, um die Wassermasse im oberen Theile des Stromes genau abzumessen. Der Ueberschwemmung der Ufer würde dann vorgebeugt sein und jeder stehende Pfuhl ausgetrocknet werden. Den unbedeutenden Aufwaud würden die für den Ackerbau daraus erwachsenden Vortheile reichlich vergüten, und, was für die Einwohner wichtig ist, das Klima müßte sich verbessern. Aber die Gleichgiltigkeit gegen die Trockenlegung des Landes und gegen die Gesundheit der Einwohner ist ein schreiendes Uebel in Dalmatien, das noch auffallender im Thale der Narenta hervortritt. Auch ist zu bedauern, daß die Oesterreicher, trotz all ihrer väterlichen Sorgfalt, sowenig für die Verbesserung des Zustandes und die Ausbildung der Bauern in Dalmatien thun, die nichts von irgend einem Acker- 135 bausystcm wissen und die Vortheile der Landverbcsserung so wenig leimen, als ihre Väter im finsteren Mittclaltcr. Der Aufschwung der Schulen macht der österreichischen Negicrnng Ehre, und nach der Nachlässigkeit ihrer venetianischen Oberherren haben die Dal-matier Ursache, sich über eine weisere und bessere Ginrichtung zn freuen; aber es ist noch etwas mehr zur Belehrung einer acker, bauenden Bevölkerung nöthig, die mit einer beschränkten Fertigkeit im Lesen wede^r wirthschaftliche Geschicklichkeit erwerben, noch die Art und Weise der Feldverbesserung, noch auch die Wichtigkeit neuer und nützlicher Erzeugnisse kennen lernen kann. Ihre wirtschaftlichen Werkzeuge sind nicht besser als was man bei den unwissenden Einwohnern Kleinasiens findet, und die in der Umgegend von Knin gebräuchlichen plumpen Wagen erinnern an die Fuhrwerke, die man in den Ebenen am Fuße des Verges Ida sieht. Die Felder werden gepflügt wie in den entlegenen Landschaften der Türkei, und die Pflüge dcrMorlachen sind oft schlechter, als man sie in der Herzegowina findet. Auch besitzt Dalma-tien keine nennenswcrthc Manufaktur, und die Beschaffenheit und Färbung des gewöhnlichen Vauerktuches, Nascia genannt, ist von der schlechtesten Art. Der Seidenbau wird eben so wenig hinlänglich ermuntert, obgleich die Manlbcerbäume gut gedeihen. Hanf und viele andere nützliche Erzeugnisse könnten auch reichlich in Dalmatien angebant werden. Aber selbst das bedeutende Gefalle der Flüsse läßt man unbeachtet, so sehr es auch zur Anlegung von Mühlen einladet, deren cs an den starken Strömen keine gibt, außer Getreidemühlen, die zum Theil von den Türken herrühren, uud so unglaublich es lautet, der Weizen ans dem Thale der Narcnta wird znm Mahlen in die Herzegowina geschickt. Auch Eisen wird ans der Türkei eiugeführt, obgleich man es w Dalmaticn findet, nnd das Volk scheint gleichgiltig gegen die ^lzcugnisse unb die Ertragbarkeit seines Landes zu sein. Dalma-ll"l ist jedoch nicht reich an Metallen, und wie Fort is glaubt, 136 gibt es nur eine einzige Eisengrube nicht weit von Eign, wiewohl man ihm von reichen Erzgruben um Knin erzählt hatte. „Es läßt sich nicht bezweifeln," setzt er hinzu, „daß Dalmatien in alten Zeiten viel Gold erzeugte, wie mehre Schriftsteller berichten." Pli-nius,') der Gelegenheit hatte, das Land kennen zn lernen, sagt, man habe zur Zeit des Kaisers Nero täglich fünfzig Pfund Gold aus den Minen jener Provinz gewonnen und es dicht unter der Oberstäche gefunden. Wie Florus meldet, zwang Vibius, den Augustus zur Bezwingung der Dalmatier abgesendet hatte, das wilde Volk, in den Gmben zu arbeiten und das Gold zn waschen. Auch Martial nennt Dalmatien ein gold reiches Land, und wie es scheint, hielt er die Umgegend von Salona besonders dieser Benennung würdig. Fort is bezweifelt durchaus, daß cS Gold- und Silbergmbm in den Bergen längs der Küste, dem eigentlichen Dalmatien, gebe, wiewohl er meint, daß das binnenländische Gebirge Promina vielleicht Gruben habe, wie einheimische Schriftsteller versichern. Das Gerücht, daß der kleine Fluß Gia-dro (Hyader) bei Salona von seinen Quellen etwas Goldstanb im Sande hinabführe, fand er bei eigener Untersuchung ganz un» gegründet. Auch behauptet er, die angebliche Quecksilbergrube zu Subidolaz unweit Sebenico sei nicht vorhanden, und nach Allein, was er beobachtet habe, gebe es wahrscheinlich keine bedeutenden Erzgruben in den an das Meer gränzenden Kalkgebirgen, noch auch in den von der Kerka und der Cettina bespülten Thälern. Die alten Erzgruben, sagt er, seien wahrscheinlich höher hinauf nn Lande gewesen, als die Gränzen der Provinz weiter landeinwärts gegangen wären, uud wenn man wirklich noch jetzt Goldstaub im Sande des Flusses Travrik in Bosnien finde, so sei die reiche Grube, von welcher Plinius rede, längs jenem Flusse und unweit seiner Quelle zu suchen. Die Dalmatier behaupten, ihr Land habe in alten Zeiten Goldgruben gehabt, und der Berg 1) XXll^. 137 Mossor soll seinen alten Namen mon5 aui>ou5 von seinem Golde erhalten haben, doch gestehen sie ein, daß der Sand des Flusses Giadro jetzt kein Gold mehr hinabführe. Nach Allem, was ich erfahren konnte, besitzt Dalmatien keine Gold - oder Silbergruben, wiewohl man bestimmt behauptet, daß die Türken auf der Ostseitc des Berges Gniath, der die Herzegowina von dem oberen Theile deS Thales der Cettina scheidet, eine Goldgrube besitzen, und wenn man wenig von ihrem Ertrage oder ihrer Lage weiß, so liegt dieß daran, daß die Türken jedem Fremden den Besuch derselben schwierig machen und ihren Nachbarn dieses wichtige Geheimniß sorgfältig Herbergen. Ist sie jedoch wirklich vorhanden, so darf man voraussetzen, daß es die von Plinius erwähnte sei, da jener Berg innerhalb der Gränzen des alten Dalma-tiens liegt. Wechselfieber sind im Herbste, besonders aber im August und September, sehr häufig in Knin, und Niemand darf es dann wagen, im Freien oder bei offenen Fenstern zu schlafen. In ganz Dalmatien herrscht ein entschiedenes Vorurtheil gegen das Schlafen bei offenen Fenstern. Selbst inSpalato warnte man mich vor der Gefahr dieser erquicklichen Gewohnheit, von welcher ich jedoch nie schlimme Folgen empfunden habe. Knin hat keine Denkmale des Alterthums. Man hat einige Inschriften in der Umgegend entdeckt, und Fort is gedenkt vieler in Knin gefundenen Münzen von Antoninus Pius, die überall in Dalmatien häufiger sind, als Münzen von irgend einem andern Kaiser. Drei Straßen vereinigen sich in Knin, eine von Zara und Kistagne, eine andere von Verlicca und Sign uud die dritte von Dernis, die auf der Abendseite in die Stadt führt. Nicht weit südwärts von der Stadt, an der Straße nach Dernis, erhebt sich der merkwürdige Felfenberg Vcrbuik, der zu vielen Streitig- 138 leiten Anlaß gegeben hat. Nach Fortis') sicht man auf halbem Wege zu dem Gipfel eine hervorragende Masse von zcrreiblichem, geringerem Granit, die, zu Tage ausgehend, gegen 200 Fuß breit ist. Sie scheint ein feinkörniger Granit oder Granitello zu sein. Ist diese Voraussetzung gegründet, so ist dieses Vorkommen auffallend in Dalmatien, das sich keines Urgesteines rühmen kann, aber ich bemerkte, daß die Masse von kleinen weißen Fasern durchzogen war, welche, nnter Schwefelsäure ausbrausend, sich als kalkartig zeigten. Sie streicht nach Süd-Ost-Süd und scheint unter den Monte Cavallo zu laufen. Iu den übrigen Gebirgs-arten in der Umgegend gehören Thonschiefer, Mergel, Sandstein, Uebergang-Kalkstein und einige eisenhaltige. Das einzige Vorkommen von Urgestein, das ich in Dalmatien bemerken konnte, waren Granitgeschiebe in dem Bette der Narenta, die aber aus dem obern Theile ihres Laufes im Inneren der Herzegowina, weit oberhalb Mostar, kamen. Alles Ucbrige um und unterhalb dieser Etadt ist secundäres Gestein, wie überall in Dalmatien. Die Straße nach Knin scheidet den Verg Verbnik vom Monte Cavallo, unter welchem die Cossovizza in die Kerka fällt. Die Straße von Knin nach Verlieca läuft am Saume der Ebene ostwärts und führt bei Topoglie, drei Viertelstunden von Knin, auf einer Brücke über die Kcrka. Die Vcstnng auf dem hohen Berge gewährt von Topoglic her einen überraschenden Anblick. Dieses kleine Dorf besteht nur aus einigen Hütten mit einer Mühle dicht an der Brücke. Nicht weit davon entfernt stürzt der Fluß über Fclsenbänke, die mit den umliegenden Bergen von gleicher Höhe sind. Ist der Fluß angeschwollen, so muß dieser Wasser-fall sehr malerisch sein, aber da der obere Theil des Stromes, der ihn bildet, nnr ein Bach ist, so entbehrt die Landschaft im Som- l) Gr gibt nne umständliche Beschreibung drs VcrgkS. Man sehe auch das neuerlich vuu M enis m Zara herausgegebene Wnk: «loiiu Il!l !».>> lUiixi:,. 139 mer diesen Neiz, und die Kerka quillt dann mir aus einer Höhle unter jenen Felsen hervor.; denn der Fluß hat eigentlich zwei Quellen, die eine m dieser Höhle, nahe bei Topoglie, die andere ist ein Bach in dem Dinara-Gebirge. Das Wasser bildet denselben stalaktitischen Niederschlag wie in Roncislap und Scardo-na, und die Schichten sind hier wegen ihrer eigenthümlichen Gestalt und Lage merkwürdig. Die Höhle, aus welcher die Kerka hervorkommt, zieht sich weit unter den Felsen hin. Fort is wollte sie mit seinem Begleiter in einem Boote untersncheu, aber das Wasser, das von der Decke des unterirdischen Ganges herabtrö-ftfelte, löschte ihre Fackeln aus, und als sie zu einer Stelle gekommen waren, wo der Flnß rauschend herabstürzt, fanden sie, daß ihr Boot schon zu sehr mit Wasser angefüllt war, und sie sahen sich genöthigt umzukehren. Als wir Topoglie verlassen hatten, gingen wir über die niedrigen Berge und kamen durch die Dörfer Polaya (Polatscha), Turich undChievo. InTurich sieht man Spuren von alten Ucber-resten in römischen Ziegeln. Nach zwei Stunden kamen wir in eine wellenförmige, zum Theil angebaute Ebene hinab. Ungefähr anderthalb Meilen rechts erhebt sich der spitzige Berg Kojak, uud ungefähr drei Meilen links der hohe Dinara, und das Gniath-Gcbirge, das halb zu Dalmatien, halb zur Herzegowina gehört, liegt gegen Morgen. Der Gniath ist von dem Dinara durch ein Thal getrennt, wo die Ccttina am Fuße eines niedrigen Verges entspringt. Die vier Quellen vereinigen sich zu einem Flusse, von den Alten Tilurus genannt, der die Ebene bei Sign und Trigl bewässert und, nachdem er die schönen Fälle bei Du are gebildet hat, in den See Almissa sich ergießt. Fort is behauptet mit Nccht, cs habe weder in älteren noch in neueren Zeiten eine Stadt Namens Cettincr gegeben, aber unweit der Quellen der Ccttina hat man viele Alterthümer und Inschriften gefnnden. Die Quellen liegen in der Nähe des DorftS Iarebiza und bilden kleine 140 Seen, die reich an Forellen und andcrn Fischen sind. Die Kirche San Salvatore, unweit dieser Quellen, soll den Tempelherren gehört haben. Man findet dort viele Gräber mit Steinplatten, oft von ansehnlicher Größe. Sie haben keine Inschriften, aber aus den mir mitgetheilten Angaben ziehe ich den Schlnß, daß sie aus der altchristlichen Zeit herrühren, wie die Gräber zn Loqni-cich an der Straße nach Imoschi, nnb dieß wird durch die von Fort is gegebene Nachricht bestätigt, daß Wappen in halberhabener Steinarbcit darauf zu sehen sind. Auf der Stelle, wo die Straße von Knin nach Verlkca hin« abgeht, hat man eine umfassende Aussicht in das Thal der Cet-tina, das hier und da mit Dörfern bedeckt und auf beiden Seiten von Bergen bcgränzt ist. In einem großen Theile des Thales und am Fliße der Berge sieht mau hier viel Strauchholz, meist Eichen, Wachholdcr, Weißdorn und Ulmen, lauter verkrüppeltes Gebüsch, aus welchem ich einige Wiedehopfe uud wilde Tauben ausstörte; aber ich wnuderte mich, auf meiuer Reise in das Innere so wenig Vögel zu fiuden, da es deren so viele in Dalmaticn gibt. Nachdem wir den letzten Abhang hinabgestiegen waren, fanden wir einige große Steinplatten, wahrscheinlich Gräber aus der altchristlichen Ieit. Nicht weit davon ist ein Brunnen, aus welchem mehre Weiber Wasser schöpften, die mich lebhaft an eine Scene im Morgenlaude erinnerten, wo aber in der That die Weiber nicht zu größerer Plackerei vcrmtheilt sind, als unter den Morlachen in Dalmatim. Etwas weiter entfernt, auf einer Felsenhöhe, erblickt man eineu Theil des Dorfes Etiko, welches, wie andere in Dalmatien, einen ausgedehnten Naum bedeckt, und viele dieser Dörfer sind so zerstreut, daß es oft schwierig ist, ihre Lage auf der Karte zu bestimmen oder ihre Entfernung von einander anszumitteln. Das Land in dieser Gegend ist schlecht augebaut und sehr vernachlässigt. Hier und da findet man die gewöhnliche dalmatische Dresch- 141 tenne, die aus einem runden ebenen Platze unter offenem Himmel besteht, der mit stachen Steinen gepflastert und znweilen mit einer niedrigen steinernen Mauer umgeben ist. Die Gegend ist nicht eben reizend, bis man Vcrlicca erblickt, das gegen sechs Wegstunden von Knin entfernt ist. Verlicca ist merkwürdig wegen seines Schlosses auf dem Gipfel eines einzeln sich erhebenden Felsens, der von der felsigen Klippe, welche die Kette der Efilaga-Berge endigt, abgesondert ist. Der Ort erinnert an die festen Schlösser in den Thälern des Rheins und der Mosel und wurde zu derselben Art von Kriegführung angelegt. Die Veste wnrde von den Türken belagert und genommen, und ohne die Bedingungen der Ucbergabc zu beachten, ermordeten sie die Besatzung. Eine solche Treulosigkeit findet man nicht selten in der türkischen Geschichte, und sie hatte die Folge, daß die venetianische Besatzung in Knin einen verzweifelten und erfolgreichen Widerstand leistete, obgleich sie von einer überlegenen Macht angegriffen wurde. Es gibt in diesen dalmatischen Städten keine Wirthshäuser, aber die Empfehlungen, die ich dem Sindaco und dem Scrdar brachte, verschafften mir ein bequemes Unterkommen. Verlicca hat drei Kirchen, deren eine den Katholiken, die andere den Grie» chen, die dritte den unirten Griechen gehört. Die ersten beiden haben Thürme von venetianischcr Bauart, die letzte ist unvcrziert wie ein Methodisten-Bcthaus und erst in den letzten Jahren im südlichen Stadttheile erbaut worden. Nicht weit davon führt ein Pfad zu den Quellen, welche, obgleich sie viel Magnesia enthalten, die Stadt mit Wasser versorgen, da den Einwohnern keine andere zu Gebote steht. Fremde finden die medizinischen Eigenschaften des Wassers l) unangenehm, und diejenigen, die lieber 1) Gs enthält nach einer von Petter (<^mp«»'li„ if«n^l->^<:!> delil» Val-waxia) mitgetheilten Untersuchung salzsauren Kalk, salzsmire Magnesia, loh-lensaureu Kalk, kohlensaure Magnesia und Kieselerde. 142 Wein als Magnesit, zn sich nehmen, finden einen willkommenen Ersatz dieses Wassers in dem Malvasia, einem trockenen gewürzhaften weißen Weine, der, den meisten Weinen Dalmaticns un-gleick, nicht süß ist. Die Stadt mit ihren Kirchthi'mncn und dem verfallenen Schlosse gewälnt einen sehr malerischen Anblick nnddie Umgegend ist hübsch. Man findet keine Ueberrcste des Alterthums, aber der Serdar zeigte mir einige viereckige Aschcnnrnen mit lateinischen Inschriften, die man von Etragine in der Nähe des Dorfes Podosoie au der Straße nach Sign gesnnden hatte. In den Sandstein-bergcn südlich von Verlicca hat man mehre Leichname gefunden, doch aus welcher Zeit wußte mein Berichterstatter nicht zn sagen. Auch soll es viel Asbest in der Umgegend geben, aber Niemand konnte mir den Fundort anzeigen. Man hält das Klima für gesund und in allen Jahreszeiten sind Fieber selten. Der Boden ist gut und läßt sich verbessern. Ueberall im Inneren Dalmatiens hat das Land ein ganz anderes Ansehen, als an der Küste, wo der Boden von den Vergab-hängen in das Meer hiuabgespült wurde, während er an der inneren Seite in die Thäler abgesetzt ward. Es gibt daher mehr angebautes Land im Innern; Holz ist häufiger in den Ebenen, wie an den Vergabhängm, Pappeln und andere Bäume gedeihen in den Thälern und es gibt viel Grasland. Man findet etwas Rindvieh, meist mit kurzen Hörnern, Schafe, Schweine und Pferde, doch nicht zahlreich. Das dalmatische Pferd, gewöhnlich kastanienbraun, ist auffallend klein. Ich machte meine Reise auf diesen Klepperu, die man für eiuunddreißig Ca rantani bis zu einem Guldens täglich miethen kann. Mein Weg von Vcrlieca nach Sign ging durch das Thal auf dem rechten Ufer der Cettina. In Cogliane findet man eine Brücke von fnnfzehn Bogen, über welche wir gingen, um das Kloster 1) Oder ungefähr l l bis 20 Neugroschen. L. 143 Dragovich zu besuchen, das in dem waldigen Dragovich-Thale liegt. Der Weg geht durch eine enge Schlucht, längs einem kleinen Bache. DaS Kloster, in Waldschatten versteckt, wird erst in der Nähe sichtbar, und das Wasser, die überhangenden Bäume und die mit Wald gekrönten Felsen in der Höhe gewähren einen malerischen Anblick. Es schlug eben ein Nhr, als wir im Kloster ankamen, und die Mönche saßen bei Tische, wo ich sie nicht stören wollte. Ich kann daher nichts von dem Inneren sagen, aber nach Allem, was ich erfahren konnte, hat eS keine Merkwürdigkeiten. Es liegt ein wenig seitwärts von der Straße nach Sign, aber bei niedrigem Wasser ist der Umweg nicht bedeutend, da man weiter uutcn über den Fluß gehen kann, um wieder auf die Straße zu kommen. Neber den Fluß, der aus dem Dragovich-Thale strömt und in die Cettina fällt, führt eine Brücke, über welche wir gingen, als wir das Kloster verlassen hatten. Wir hatten auf dem ganzen Wege Regen und hielten in einem kleinen Wirthshausc an der Straße. Wie viele Morlachen-Häuser, bestand es aus einem Erdgeschosse und einem oberen Stockwerke, in welches eine Leiter in der Mitte des Gemaches führte. An einem Ende brannte das Feuer auf einem erhöhten Herde, in einem anderen Winkel waren Pferde und Maulthiere, und cin Theil war durch ein Flcchtwerk abgesondert, das, mit Gyps überdeckt, die Gaststube bildete, worin sich der Schenktisch des Wirthes, ein Tisch und die gewöhnlichen hölzernen Stühle der Mor-lachen befanden. Reisende, die abgesondert von vierfüßiger Gesellschaft essen wollten, wurden hier bedient, und die Tochter des Wirthes, die sich mit ihrer Aussteuer von Münzen geputzt hatte, versorgte jeden neu ankommenden Gast, während ihre Mutter in dem anstoßenden Gemache auf das Feuer sah. Als unsere Pferde sich erquickt hatten und unsere Kleider ein Wenig abgetrocknet waren, verließen wir das Wirthshaus, um 144 uns wieder dem unaufhörlichen Sturmwinde auszusetzen. Man findet in dieser Gegend nur wenig Anbau; die Berge sind mit Gebüsch bedeckt, das dem Reisenden willkommen ist, wenn er wilde Landschaften liebt, aber dem Bauer oder dem Staatseinkommcu wenig abwirft. Jenseit des kleinen Dorfes Ribarich kamen wir an einen Abhang, wo wir links den Fluß und eine schöne Aussicht vor uns hatten, die wir ungestört genießen konnten, da der Ncgcn in diesem Augenblicke aufhörte. Vor uns der hohe Berg Mossor, links die Prolog-Berge, an deren Rande auf einem Felsen das Schloß Dovicich sich erhob, und die wellige Ebene zwischen uns und der Stadt Sign zeigte uns eine Abwechselung von Feldern, Wald und Dörfern. Eines dieser Dörfer, Ervaz, liegt auf einer Anhöhe, und seine kleine weiße Kirche auf deren Gipfel, die unter Bäumen zerstreuten Hänser und die Fernsicht auf die von Bergen umschlossene Ebene bilden eine schöne Landschaft. In einer halben Stunde kamen wir nach Ehitluk, das Aequum der Alten, dessen geringe Ueberreste aus einer Mauer und einigen kaum erkennbaren Gräbern bestehen. Die Gegend erhält viele Reize dnrch die bewaldeten Anhöhen und die abwechselnden Ansichten, die das unebene Gelände darbietet, und dieselbe Landschaft zieht sich bis nach Sign fort. Der erste Anblick dieses Fleckens überrascht bei dem Herabsteigen von der Höhe in das Thal. Links sehen wir die Kirche, vor uns den Glockcuthurm auf einer Felscnhöhe mitten unter den Häusern, und unmittelbar über dem Flcckeu liegt das Schloß auf einer abgesoudertcn Klippe. Eine Schlucht trennt sie von einer Hochfläche, hinter welcher eine Anhöhe emporsteigt, ein Theil der Kette, die sich bis in die Gegend von Clissa erstreckt. Sign hat gegen 2 bearbeitetes Kupfer, 2170 Kugeln und Schrot, 857 chemische Präparate, <>22 Farben, l) In neuern Zeiten ist der Salzhandel mit Svalato wieder fr« c^ geben worden. Z) 1 Funto — l i Unze». Dalmatien und Montenegro. I. 10 l46 3338 Seife, «434 gedörrtes Obst, 4188 Baumöl, 432 Rum und 19l3 Töpferwaaren, Tuch, Pelzwerk, Glas und welsche Bohnen. An jedem Sonnabend wird in Eign ein Viehmarkt gehalten, der aber von den Türken wegen der Schwierigkeiten der Quarantäne nicht sebr besucht wird. Die Entstehung von Sign ist unbekannt, doch sollen die Türken zu Gnde des sechzehnten oder zn Anfange des siebzehnten Jahr-Hunderts das Schloß erbaut haben. Es hatte eine dreifache Mauer und wurde durch zwei Brunnen mit Wasser versorgt, jetzt aber liegt es in Trümmern. Sign ward im Jahre IWft von den Ve-netianern unter Cornaro erobert und durch den Frieden von Car-lowitz 1698 ihnen bestätigt. Sie blieben im ungestörten Besitze der Veste bis 1715, als der Pascha von Bosnien ihnen die Veste zu entreißen suchte, die er mit 4NM0 Mann belagerte. ^) Unerschrocken bei der Annäherung dieser gewaltigen Strcitkmfte, weigerte sich der tapfere Valbi an der Spitze seiner kleinen, aber muthvollen Besatzung, das Schloß zu übergeben, und wehrte sich gegen aUe Angriffe der Türken, die endlich zum Rückzüge gezwungen wurden. ^) Zum Andenken dieser ruhmvollen Vertheidigung ward ein jährliches Ringelrennen (ßiozti-n) eingeführt, das bis auf den heutigen Tag gehalten wird. Man feiert es mit allem Pomp alter Zeiten, aber statt des Gedächtuißtages der Belagerung hat man es auf den Geburtstag des Kaisers verlegt. ^) Nur die Einwohner von Sign und seines Gebietes können an dem Ringelrenncn Theil nehmen. Jeder muß in der alten Volkstracht erscheinen, mit der tartarischcn Mühe, dem Kalpak, auf 1) S. Abschnitt lX. Sign ist der Schlüssel der Herzegowina. L. 2) Noch zu ncht« Zeit zogen l5,MM Manu zum Entsatz heran, worunter sich mich ,W0 Mönche u„tcr dem Erzblsch^f vo» Epalato befunds» habcu sollen. L. A) Eine anziehende Beschreibung des Ringelrennrns, das im Frühjahre 183» zu Ehren des Königs von Sachsen veranstaltet wurde, gibt Biasoletto S. l23 ff. L. !47 welchem eine weiße Feder weht, worein auch Blumen emgestochten werden. Er muß ein Schwert tragen, eine Lanze führen und ein gutes reich angeschirrtes Pferd reiten. Beim Rennen reitet jeder mit eingelegter Lanze in vollem Galopp und sucht einen eisernen Ring zu treffen, der an einer Schnur aufgehängt ist. Der Ring von ungefähr sieben Zoll im Dnrchmesser ist von starkem Draht nnd besteht ans drei coiuentrischen Kreisen, die so weit von einander abstehen, daß eine Lanzenspihe eindringen kann. Die Kreise zählen ein, zwei nnd drei Punkte zu Gnnsten des glücklichen Nenners, und Jedermann darf drei Mal auf diesen Ning stechen. Drei Kampfrichter entscheiden nnd verkünden, wer Sieger ist. Verliert der Nenner euien Sporn, oder seinen Federbusch, oder irgend etwas oder sein Pferd ein Hufeisen, so zählt der Punkt nicht, den er bei dem Treffen des Ringes gewonnen haben möchte. Bei der Eröffnung des Rennens ziehen die reichgepuhten und bewaffneten Fußknechte paarweise vor den Reitern her. Bei dem gewöhnlichen jährlichen Rennen hat jeder Reiter einen Fußknecht und bei außerordentlichen Gelegenheiten anßer dem Fußknechte noch einen pa-<1rin« oder Gevatter, der gut beritten und stattlich ausgerüstet ist. Nach den Fußknechten kommen drei Männer in einer Reihe, von Welchen der eine einen Schild hält und die anderen altcrthüm-lichc Streitkolben tragen. Darauf kommt ein schönes Schulpferd ((^livilllo 0 und das Spitzcntnch ans der rothen Mutze der Mädchen geschmackvoll, wie ihr Haarputz in zwei breiten Flechten. Verhcirathete Frauen haben einen rnndcn weißen Kopfputz, weder dnrch Form noch dnrch Farbe kleidsam; der übrige Theil des Anznges ist ziemlich gleich bei Franen und Mädchen nnd besteht ans einem langen blauen Mantel, Tschubbeh, oder Pelze, einer rothen Schürze, rothen türkischen Schuhen mit Strümpfen in vielfarbigen Mustern gewirkt. Die Männer sind wie viele andere Morlachen gekleidet. Der Anzug der Städterinnen in Sign ist der gewöhnlichen europäischen Tracht ähnlicher, und daS auf dem Hinterkopfe mit einem bunten Seidenbande durchstochtene, durch eine große silberne Nadel festgehaltene Haar ist geschmackvoll geordnet. Weibliche Trauerkleiduug ist von derselben Art in Schwarz, wie in den verschiedenen Gegenden des Landes der gewöhnliche Anzug. Mitten unter all diesem geschäftlichen Lärme konnte ich nur mit Mühe Pferde finden, die mich nach Spalato bringen sollten, aber ein Brief an den Eerdar hob alle Schwierigkeiten, nnd als nach einigen Stunden die Pferde angekommen waren, bereitete ich mich, die nicht eben glänzende Herberge zu verlassen. „Könnt Ihr darin reiten?" fragte der Hausknecht, anf einen großen Türkensattel zeigend, der beinahe das halbe Noß bedeckte, mit Steigbügeln, die für Kohlenschiffchen hätten gelten können. Als er sah, daß ich an den Gebrauch wie an den Anblick dieser uneuropäifchen Pferderüstung gewöhnt war, schien er sehr zufrieden zu sein, und bemerkte dabei, dieß wäre ein Glück, da sich nichts Anderes finden ließe. Der Sattel war freilich nicht in gntcm Stande, ein Gemisch von buntscheckigem Flickwerke und verblichenem Putz, aber ich nahm gern, was ich erlangen konnte, und fragte nur, ob das Pferd traben könnte. Als diese Bedenklichkeit erledigt war, ritt ich davon nnd befahl, daß mein Führer mit meinem Gepäcke mir folgen sollte; denn Dank der österreichischen Polizei, ist jetzt in Dalmatien ein Mantelsack gegen Räuber gesichert. Die Zeit in- 151 teressanter Abenteuer und raubsüchtiger Haiduke» ist vorüber und die Morlacheu haben aufgehört, anderer Leute Gut zu begehren oder doch zu nehmen. Zwischen Eign uud Spalato gibt cs keine Merkwürdigfeit außer der Vcstung Clissa und die Trümmer von Salona. Der Weg ist gut, und ungefähr eine Meile vor Clissa bemerkt man die tief in den Felsen eingeschnittenen Rinnen, die man für die Wagcn-geleise der alten Römcrstraße, via KabiulÄiul, halten will. Steigen wir dieses Gebirge auf den Windungen des Weges hinab, so kommen wir in drei Viertelstunden nach Salona und in eben so langer Zeit nach Spalato. Es gibt in diesem Theile des Landes nur wenige Ueberreste aus der Römerzeit, außer in dem Dorfe Much, ungefähr acht Meilen westlich von Sign, wo man einige Trümmer und Münzen gefunden hat, und das Gerücht spricht von den Trümmern einer alten Stadt, die das Volk Trajanski-grad (Trajaus Stadt) nennt, wiewohl man diesen Namen vielen anderen Stellen alter Römerstädtc in Dalmatien gibt.') i) Pctter a. a. O. Sttte lU7. Fünfter Abschnitt. Läsina. Eürzola. Das Kloster Vadia. Die Insel Meleda. DaS Ombla-Thal. Ragusa. Geschichte beS Freistaates. Verfassung. Handel. Volksbildung. Die Stadt. VocchediEat-tar». Die Vocchesen. Die Stadt Cattaro. Die Reise mit dem Dampfschiffe von Spalato nach L6sina fordert gegen drei Stunden, von L«sina nach Cürzola nngefähr sechs, und von da nach Ragusa gegen sieben Stunden.') Lange vor der Ginfahrt in den Hafen von L 6 sina sieht man auf einer Höhe, nordöstlich von der Stadt, die Veste San Nicolo, die über eine zwischenliegende Landspitze hervorragt. Dem Hafen gegenüber liegt eine Insel, welche gleichsam einen natürlichen Hafendamm bildet, aber keinen hinlänglichen Schutz gegen den Si-rocco gewährt, und während der Winterstürme sind die Schiffe nicht gesichert. Sie gibt jedoch Schutz gegen den Südwestwind, und dieIsole Spalmadore geben noch mehr Sicherheit auf dieser Seite. Man hat auf der Insel eine Veste erbaut, welche mit einer Batterie auf der Küste gegen Südost und einer anderen auf der gegenüberliegenden Seite den Eingang des Hafens deckt. Gleich über der Stadt liegt die Veste Spagnuolo, und etwas weiter auf einem Berge hinter ihr San N icolo. Die Vcste Epagnuolo wurde von Karl V. erbaut, als die Spanier sich mit den Venetianern gegen die Türken verbündet hatten, und war mit >) In der erftcn Klasse fostet die Fahrt nach Äagusa 7'/. ube« nach a, einer der geschätztesten in Dalmatien. Die Insel hat Ueberftuß an Getreide, Oel, Safran, Honig und anderen Erzeugnissen. Unter Venedigs Herrschaft war sie sehr blühend und volkreich, führte Wolle, Schafe und Käse aus und zog ansehnlichen Gewinn von dem Verkaufe gesalzener Fische, den bie venetianische Regierung zum Vortheile des Staates uoch erhöht haben würde, wenn sie die Grundsätze der Staatswirthschaft verstanden und die Insel nicht mit unverständigen Salzsteuern belastet hätte. Dieselbe Bemerkung trifft das jetzige System der Oesterreicher, deren Einkünfte durch Aufhebung oder Verminderung jener Steuer sich ansehnlich vermehren würden. Die Dal-Matier klagen mit Recht, daß sie durch die künstliche Salzthcncrung gehindert werden, einen gewinnreichen Handel zu treiben in einem Lande, Zcssen Küsten Ueberstuß an Fischen haben, und wo bie Fischerei für das Volk und für die Regiernng wohlthätig sein 2) Auch auf dcr Infcl Ara^a. 154 würde. Es würde nicht nur das Staatseinkommen sich vermch-rcn und der Handel Aufnmnternng erhalten, sondern auch eine gute Schule für die Seemacht sich bilden, deren Verbesserung den Oesterreichern so sehr am Herzen liegt. Dem allmäligen Verfall deS dalmatischen Handels könnte dadurch und durch einige andere Veränderungen in dem Abgabensystem etwas Einhalt gethan werdeil. Die Stadt Losina liegt günstig an der Krümmung einer kleinen Bai, die von Bergen überragt wird, und in dem venetia-nischen Vaustyl und der hochgclben Farbe ihrer Häuser nimmt sie sich gut aus. Links vom Eingänge in den Hafen steht ein Thurm mit drei Reihen abgerundeter Bogen, der zn einer vor einigen Jahren durch den Blitz zerstörten Kirche gehörte. Mitten auf dem Strandwege oder Marina liegen die Logg ie, von dem berühmten Baumeister San Michieli von Verona errichtet. Das Gebäude, mit dem geflügelten Löwen des heiligcnMarkus geziert, ist klein und hat an der Vorderseite sieben offene runde Bogen auf Säulen und ein leichtes gefälliges Ansehen. Angebaut ist ein Glockcnchurm. Zum Unglück wurde 1807 bei dein Versuche der Russen, die Franzofen aus der Insel zu vertreiben, dieses Gebäude durch das Feuer ihrer Schiffe und der auf derFclseninsel Galesnit angelegten Batterie sehr beschädigt und würde wahrscheinlich noch mehr gelitten haben,wenn nicht die Franzosen sich in dieVeste Epagnuolo zurückgezogen hätten. Die noch immer sichtbaren Spuren der Kugeln sind ein Denkmal dieses fruchtlosen Versuches der Russen und des tapferen Widerstandes der Franzosen. Die Loggie waren zur Zeit der Venetianer eine Art von Rathhaus, wo die Gerechtigkeit verwaltet oder doch die Straf' gewalt ausgeübt ward, und man zeigt noch die Kammer, wo die Verbrecher die Folter erlitten. Auf dem Freiplatze vor dem Gebäude steht eine Flaggenstange mit der Iahrzahl 1735, die eiust das Banner der Republik trug. Die Kirche, die östlich in einiger l55 (5ntfcmnng vom Hafen liegt, ist die Domkirche dcs Bischofs von L Jahre vor Christus von dem (5onsul Aemilius Paulus zn Wasser und zu Lande belagert wurde. Demetrius, der uach Macedonian entflohen war, ließ die Stadt für seine Verbrechen büßen, und Pharos wurde zerstört. Die Insel war berühmt als Zuflucht gegen Verfolgung und Vcgräbnißplatz vieler christlichen Märtyrer, ') und erhielt daher den Namen der Heiligen. Bei dem Verfalle des romischw NFarlati spricht (lll^i-i^m «uclum I, 470) von denKawtcmven derate» Ohnslm auf dcr Insel Liffa. 157 Reiches wechselte L«sina oft seine Gebieter und war lange in den Händen der Narentiner. Später hatte die Insel eigene Herren, deren letzter, Aliota Capenna, sie im Jahre 1424 der Republik Venedig überließ. Der slavische Name der Insel ist Hvar, verderbt ans Pharos, nnd von den Italienern wnrde sie L^sina oder Liesina genannt. Sie hat einige Marmorarten, von welchen eine, N«i55o ) Ciniqe halten sie für daS Eiland, das weger. der von PliniuS erwähnten Hunde berühmt war, wiewohl dieß offenbar von Malta gilt, w? diese Art noch vorhanden ist. !i) AvoMgeschicht,- K^'. 27 und 28. 167 Insel, mit ungefähr 600Einwohnern. In neueren Zeiten istMe-leda nur durch eine sonderbare Naturerscheinung bekannt geworden, die 1813 und in den beiden folgenden Jahren und wieder !823 zn vielen Erörterungen in der wissenschaftlichen Welt Anlaß gab. Es war ein lautes donnerndes Geräusch, das man <1e>o-»axiom äi Ne1o.'N Humboldt erwähnten Erscheinung in Sud-Am.nka ähnlich. 2) Man hat behauptet, der Schakal werde anf Cürzola gezähmt, aber gleich man ihn dort, wie anf anderen Inseln, schr häusig findet, ft, wird er d"ch mir als Seltenheit verwahrt. 168 Aposteln, soll aus der königlichen Kapelle in London stammen '). Diese Insel wurde 18 !3 von den Engländern genommen, in deren Besitz sie bis 1815 blieb. — Calamotta oder Calafodia, illyrisch Co llocep, ist gleichfalls wegen des Anbaues der Oliven bekannt. Die Erzeugnisse und die Bevölkerung ^) dieser Inseln haben sich seit der Abnahme des Handels, der im fünfzehnten nnd sechzehnten Jahrhundert sehr blühend war, bedeutend vermindert. Ist schlechtes Wetter zu befürchten, so gehen die Dampfschiffe lieber in die vor Winden besser gesicherte Bai von Gravosa als in die Bai von Ragusa, die besonders dem Südostwinde ausgesetzt ist. Offenbar würde es besser gewesen sein, die Stadt an der Bai von Gravosa anzulegen, und nur aus der Anhänglichkeit der Einwohner an ihre Heimatstadt, aus ihrem Widerwillen, eine durch Iugenderinnerungen geweihte Stelle zu verlassen, den man bei allen Völkern nnd in allen Zeiten findet, läßt es sich erklären, daß sie Ragusa nicht auf diesen Platz verlegt haben, zumal nachdem die Stadt durch Erdbeben zerstört worden uud uach der Einführung von Pulver und Geschütz nicht mehr gesichert war. Der Hafen von Gravosa heißt auch Santa Croce uud erhielt den Namen Gravosa von den alten Agravoniten, die nach Livins die Bewohner dieser Küste waren. Die reichen Nagusaner hatten dort ihre Landhäuser und Gärten, und als Ragusa in der Blüthe des Wohlstandes war, hatten seine Edlen und seine Kaufleute unermeßliche Reichthümer. An dieser Bai öffnet sich das Thal der Ombla (Val ä'0m-d!ü), einer der schönsten Punkte in Dalmatien. Der Eingang des Thales ist nordwestlich von Gravosa uud in einer Stunde bringt uns ein Ruderboot an dessen Ende. Bei dem ersten Dorfe vom Eingänge ist eine Schwefelquelle, die an Gehalt der Quelle bei Spalato sehr ähnlich ist. Reitet man an der Flußmündung hin- 1) Appendmi a. a. O. Bd. !. S. 2NU. 2) Siehe unten die Uebersicht der Geschichte von Ragusa. 169 auf, so wird die Landschaft immer schöner, und bei den Windungen des Thales zeigen sich viele reizende Ansichten. Der nntere Theil der Berge ist mit mannigfaltiger Velaubuug bedeckt, unter welcher das dunkle Grün der Cypresse gegen den grauen Oelbaum absticht, der hier gut gedeiht und viele Früchte trägt. Felsen und Wald, Dörfchen und Landhäuser, unter einander gemischt und im Wasser sich spiegelnd, und der Ring von Bergen in der Höhe bilden die schönsten Landschaftsgemälde, in welchen sich besonders das Franziskancrkloster hervorhebt, das auf einer Landspitze nicht weit vom Ende des Thales steht, wo sich der Fluß in einen See ausbreitet. Dieser Fluß ist der Ario oder Ar ion der Alten. Das Ombla-Thal ist nicht die einzige Merkwürdigkeit der Umgegend von Ragusa. Canosa, ungefähr sieben Meilen nordwestlich von Gravosa, ist berühmt wegen seiner sehr großen Platanen und wegen der eigenthümlichen Art, wie die Bauern den Oelbaum ziehen. Ungefähr eine halbe Meile südöstlich von Nagusa findet man am Gestade, der Insel Lcuroma gegenüber, am Fuße des Berges Bergato die Grotte Betina, merkwürdig als die Zuflucht des berühmten Mathematikers uud Philosophen Marino Ghetaldi, von dessen Beinamen Bete, den ihm die Landleute gaben, die Grotte den Namen erhalten hat. Er soll während seines Aufenthalts in dieser Gegend ^) viele jener Versuche und Berechnungen gemacht haben, durch welche sein Name berühmt geworden ist. Den Ruf der Zauberkunst, den die Schisser im adriatischen Meere ihm beilegten, verdankte er dem Umstände, daß er den von Archimedes angestellten Versuch bewährte, einVoot durch ein Linsenglas in Brand zu sehen. ^) Ragusa ist von Gravosa etwas mehr als eine Meile entfernt. Der Weg ist gut, aber da es nichts gibt, womit man darauf fah-ren kaun, so möchte man glauben, daß das Pnblikum uicht viel 1) S. Appeudini'S ätmu» l>i„HoN>8ti-uUn »loßli »unali cN linuza. Venedig 1605. 4. 172 dini') aber und Andere sehen die endliche Zerstörung des alten Epidaurus in eine weit spätere Zeit, und Porphyrogeuitus^), der die Erbauung von Rausium Flüchtlingen von Epidanrus zuschreibt, sagt, diese Stadt sei von den Slaven ^) zerstört worden. Den Namen Rausium will er von den Felsen ableiten, wo sie ihren neuen Wohnsitz aufschlugen, und Nausmm oder Rausia, auch Lavusa, Labufa, Raugia ging in Rachusa uud endlich Ragusa über. Wahrscheinlich aber wurde Ragusa lange vorher gegründet, ehe Epidaurus vollends zerstört war, und die verschiedenen Einfälle der Barbaren im dritten Jahrhundert und in späteren Zeiten mochten zu der ursprünglichen Gründung dieser Zuflucht geführt haben. Durch verschiedene Einwanderungen in jenen unruhigen Zeiten wuchs allmälig der Umfang der neuen Stadt, bis sie endlich nach der Zerstörung von Epidaurus und Salona eine höhere Wichtigkeit erlangte. Ragusa wurde daher mit Recht als die Nachfolgerin von Eftidaurus betrachtet, und später erhielt durch eiuen seltsamen Namenübergang das auf der Stelle von Epidaurus entstandene Dorf den Namen Alt-Ragusa, Kaluga veoolna. Ich will nicht in die oft erörterte Frage eingehen, ob Ragusa nach der Zerstörung von Salona im Jahre l'»39 Anspruch auf den Rang des erzbischöflichen Sitzes von Dalmatien erlangt habe, was zn Gunsten der Stadt Spalato entschieden geleugnet wird. Prüft man die von beiden Seiten vorgebrachten Beweise, so ergibt sich, daß zwar viele Flüchtlinge von Salona nach Ragusa und den Inseln Solta, Brazza, L^siua, Lissa und Eürzola gekommen sind, der Hauptstamm der Bevölkerung aber in Spalato sich vereinigt hat, und obgleich beide Städte Erzbischöfe hatten, s" wurden doch Spalato's Vorrechte im siebenten Jahrhundert von dem päpstlichen Legaten anerkannt. 2) Er schrieb YiU nach Christus. !l) Von den Slav inen, die aus der Bulgarei u»d Moldau in Il^uc» cingefaltm waren. 2. 573 Die Ginwanderung der Flüchtlinge aus Salona war zwar wohlthätig für die junge Stadt, aber Ragusa wurde lange von den feindselig gesinnten Slaven in Trebigne beunruhigt, und die Stadt verdankte nur ihrer unzugänglichen Lage die Sicherheit, die sie genoß. Die Vevölkcruug stieg jedoch, und der Felsen, auf welchem sie zuerst gebaut ward und der ihr den Namen Rausimn gab, wurde bald zu klein für die zuuehmende Volkszahl. Vier Mal wurden vor dem Jahre 949 die Gränzen ausgedehnt, uud im dreizehnten Iahrhuudert ward ein Theil des Berges Sergio entholzt und in die Mauern eingeschlossen. Die Sicherheit dieser Lage war die Ursache, daß man eine für die künftige Entwickeluug der Stadt so ungüustige Stelle wählte, und dieß allein erklärt, warum Ragusa nicht an der Bai von Gravosa oder an einem der vielen natürlichen Häfen erbaut wurde, deren es an dieser Küste so viele gibt. Die Ereignisse während der Kindheit der Stadt sind eben so ungewiß, als die Zeit ihrer Gründung. So viel ist gewiß, daß sie schon im achten Jahrhundert häusige Zwiste mit den Slaven in Trebigne hatte. Gin Sieg, den sie über ciuen gefürchteten Seeräuber gewaunen, wurde dem ritterlichen Roland zugeschrieben, dessen Bildsäule über dem Stadtthore an den Tod des Seeräubers erinnerte. Aber was Antar dem Morgenlande, ist Roland in diesem Theile der Welt; das Amphitheater in Pola wurde Rolands Haus genannt und dem Vilde eines Mannes in einer vollständigen Rüstung, das auf dem Marktplatze ill Ragusa staud, gab man seinen Namen. Das nächste wichtige Ereigmß war ein Sieg über die Einwohner der beiden Provinzen Trilmnia und Zaculmia, die zum Gebiete des Königs von Serbien gehörten, und ein Friedensver-trag gewährte dcnNagusancrn bedeutende Vortheile. EiuigeIahre nachher griffen die Sarazenen, nach der Verheerung von Cattaro und einiger anderen Städte, auch Ragusa an, aber die Einwoh» ner vertheidigten sich fünfzehn Monate lang mit großer Tapferkeit, 174 bis der griechische Kaiser Vasilins den Belagerten hundert Schiffe zu Hilfe senvetc, worauf die Feinde sich nach Bari an der Küste Italiens zurückzogen. Mit Unterstützung des Papstes und des Königs von Frankreich rüstete der Kaiser ein ansehnliches Geschwader aus, um jenen Schimpf zu rächen, und Nagusa war der Sammelplatz. Die Slaven, von der Stadt Ragusa mit Schiffen versehen, begleiteten die Verbündeten bis an die Küste von Apu-lien. ^) Van wurde nach einer vierjährigen Belagerung um 871 genommen und Dalmatien war nun von der Furcht vor den Sarazenen befreit. Die Narentiner, ein Stamm der Serben, der das Gebiet zwischen der Cettina und der Narenta bewohnte, waren um jene Zeit zu großer Macht gelangt. Dem Ansehen des griechischen Kaisers trotzend, brandschatzten sie die Seestädte Dalmatiens, erschreckten alle benachbarten Slaven-Fürsten, und Venedig mußte mehr als anderthalb Jahrhunderte lang die Sicherheit seines Handels durch einen jährlichen Tribut erkaufen. Die Nagusaner bemerkten bereits Venedigs ehrgeizige Absichten auf Dalmaticn und verbanden sich gern mit den Narentinern, um dicse Anschläge zu vereiteln, und Vito Vobali, ein geschickter und tapferer Mann, verließ mit vielen anderen Ragusanern seine Vaterstadt, um dem Fürsten del Narentiner seine Dienste anzubieten. Die Venetians empfanden die Schmach, diesen Räubern einen Tribut zu bezahlen, und als die Republik den freundschaftlichen Verkehr zwischen ihnen uud denNagusauern bemerkte, wollte sie AlleS aufbieten, diesem Bündnisse zuvorzukommen und dic Macht der Narentiner zu schwächeu. Es wurde von Venedig ein Geschwader unter dem Vorwande einer Reise nach der Levante entsendet, und es kam mit allen Kundgebungen friedlicher Absichln uach Ragusa. Eine Abtheilung des Geschwaders ankerte in dcrBal von Gravosa, die andere au dem felsigen Eilande Lacroma. Der I) S. Abschnitt IX. 175 Admiral besuchte nach seiner Landung die Stadtbchördcn und erklärte seine Absicht, die Reise fortzusetzen, sobald er Wasser und Lebensmittcl eingenommen hätte. Der Argwohn der Nagusancr aber erwachte, als ein Priester ihnen die feindseligen Absichten der Venctiancr entdeckte, und sobald ihr Geschwader sich der Stadt näherte und ihr Kricgsvolk von Gravosa heranrückte, waren die Bürger auf ihrer Hut und vereitelten den feindlichen Anschlag. So erzählen die Ragusaner, und ihre Legende sagt, der heilige Blasius habe dem Priester die Absichten dcrVenetiancr in einem Traume entdeckt. Die Nagusaner erwählten daranf den Heiligen zum Beschützer ihrer Stadt und führten ihn seitdem in ihrem Wappen, das ein Schloß mit drei Thürmen nnd dem Bilde des Heiligen in bischöflicher Kleidnng über dem Thore vorstellt. Durch die glücklich überwundenen Gefahren gewarnt, verstärkten die Ragnsaner ihre Befestigungen, wodurch sie sich in Stand sehten, den Angriffen des Königs der Bulgaren zn widerstehen, der bald nachher einen großen Theil Dalmatiens verheerte. Der Einfluß der Ragusaner wurde verstärkt durch die Freundschaft zwischen demKaifer OttoII. und dem griechischen Kaiser, da diese bei Venedigs steigender Macht und Anmaßung gern bereit waren, sich mit den Feinden der Republik zu verbünden, und es ward ein Bevollmächtigter von Konstantinopel abgesendet, nm mit Ncigusa einen Hcuü>elsvertrag und ein freundschaftliches Vündniß abzuschließen. Von diesem Ereignisse unterrichtet, schickte Venedig Abgesandte nach Ragusa. Sie schlugen einen vortheilhaften Handelsvertrag vor, erboten sich zur Zurückgabe eines reichen, von den venctianischen Galeeren gekaperten Kauffahrteischiffes und entschuldigten die Beleidigung, die der Admiral der Stadt zugefügt hatte, der ohne Befehl gehandelt und dafür den Tadel der Republik empfangen haben sollte. Die Ragusaner erwiderten darauf, baß sie durch die mit dem griechischen Kaiser geschlossene Ucbcrein-kunft gehindert wären, andere Verabredungen einzugehen; sie wä- 176 rm überzeugt, sagten sie, daß sich Venedig nie einer Verrätherei oder einer Ungerechtigkeit schuldig machen könnte, und bedauerten nur, daß die Admirale der Republik nicht eben so ehrenhafte Gesinnungen hegten. Sie sprachen dabei den Wunsch aus, daß in Zukunft ein gutes Verständniß zwischen der Republik Venedig und Ragusa herrschen möchte. Mittlerweile war es zwischen dem griechischen Kaiser und den Venetianern im Jahre 983 zn offenen Feindseligkeiten gekommen, und das griechische Geschwader, das nach den Bedingungen des geschlossenen Vertrages Piloten in Ragusa erhalten hatte, segelte nach der Küste Isttiens. Kaum aber waren die Schiffe in Pola angekommen, als die Venetianer durch die Gesandten Friedensanträge machten, und es ward ein Vertrag abgeschlossen, in wel-chem sie demKaiser alle Besitzungen imArchiftelagus zurückzugeben, 5WM0 Dukaten Kriegskosten zu bezahlen, zwölf Edelleute, und darunter den Sohn des Dogen, als Geißeln zu schicken, die Na-gusaner aber für ihre Verluste mit 25U,0W Dukaten zu entschädigen versprachen. Es wurden von dieser Summe 12NMl) Dukaten wirklich bezahlt, die Zahlung des Nestes aber ward aufgeschoben, und der von den Venetiancrn hingeworfene Wink, daß die Ragusancr die griechische Flotte in das adriatische Meer gebracht hätten, mußte verrathen, daß Venedig nur auf eine Gelegenheit wartete, Ragusa zu beleidigen. Die fortdauernden Seeräubereien der Narentiner erbitterten endlich die Slaven-Fürsten, wie auch die freien Städte Dalma-tiens und den griechischen Kaiser, und gern ergriffen die Venetianer die Gelegenheit, diese furchtbaren Feinde ihres Handels zu erdrücken. Es ward ein starkes Geschwader ausgerüstet, und der Doge Pietro Urseolo II. segelte im Frühlinge 997 von Venedig nach der Küste Dalmaticns. Alle Dalmaticr waren für Venedig gestimmt, und da das Bündniß Ragusa's mit dem griechischen Kaiser die Neutralität jener Stadt bedungen hatte, so war dcr 177 Augenblick günstig, die Narentiner anzugreifen, welche nicht zu einem wirksamen Widerstand gerüstet und durch den Verlust vieler ihrer ansehnlichsten Kauffahrteischiffe eutmuthigt waren. Eic mußten um Frieden bitten, alle Seeräubereien für die Zukunft einzustellen versprechen und Geißeln stellen. Wie die Geschichtschreiber Venedigs behaupten, begaben sich die Nagnsaner unter Venedigs Schutz; die Nagusaucr aber leugnen, daß irgend eine Unterwerfung erfolgt sei, und die Thatsache, daß vier Jahre nachher (IWl) zwischen Venedig und Ragusa ein Handelsvertrag auf der Grundlage gleicher Vortheile für beide Staaten geschlossen ward, uud andere Umstände bestätigen diese Behauptung. Während die Venetianer Alles aufboten, ihren Einfluß im nördlichen Dalmaticu wieder zu erlangen, nahm Vodino, der die Herrschaft in Serbien an sich gerissen hatte, den südlichen Theil jenes Landes in Besitz und belagerte Nagusa, da er gegen diese Republik, die seinen von ihm verfolgten Verwandten Schuh gegeben hatte, erbittert war. Diese Belagerung dauerte sieben Jahre und die Nagusaner zeichneten sich während dieser Icit durch viele tapfere Waffcnthatm aus. Vodino ward endlich dnrch einen Aufstand der Serbicr zur Heimkehr genöthigt, nachdem er in eine von ihm erbaute Vestc in der Nähe der Stadt eine starke Besatzung gelegt hatte. Ragnsa genoß nun Ruhe, und nach Vodino's Tode beschloß die Republik, die Vcste der Serbier zu erobern, was ihnen auch uach elf Iahreu durch List gelang. Einige Schiffer von Antivari, die in ihrem Verkehr mit dem Hafen von Nagnsa durch die Besatzung der Vcste sehr gehindert wurden, hatten eine ansehnliche Weinladuug mitgebracht, die sie zu eiuem so geringen Preise verkauften, daß die Scrbier begierig herbeikamen. Die von den Ragusanern bestochenen Befehlshaber der Veste hatten zu Yleicher Zeit einem großen Theile der Besatzung gestattet, an den Dsterfcicrlichkeiten Theil zu uchmcn, uud nach diesen Vorkehrungen war es nicht schwierig, die Wachen zn überfallen und das Schloß Dalmaticn und Muittciii^o. I. 12 178 zu nehmen. Auch die Gefahr, womit der Machthaber von Bosnien im zwölften Jahrhundert drohte, wurde durch die Tapferkeit der Nagusancr abgcweudet, uud er mußte sich in dem geschlossenen Frieden verpflichten, der Republik die Kriegskosten zu vergüten, dem Senat jährlich zwei Windhuude und zwei weiße Pferde zn schicken. Als gegen das Ende des zwölften Jahrhunderts neue Feindseligleiten zwischeu dem oströmischcn Kaiser Manuel uud den Ve-netianem ausbrachen, trat Nagusa auf die Seite der Griechen uud zog sich dadurch die Nache der Republik zu, aber die Tapferkeit der Ragusauer schlug die kräftigen Angriffe zurück. Venctia-nische Geschichtschreiber behaupten zwar, Ragusa sei von der Republik zu jener Zeit in Besitz genommcu wordeu, Appcudini aber und andere Geschichtschreiber leugnen dieß und behaupten, auf Urkunden sich stützend, Ragusa sei bis 1W4 immer frei von den Vcnctianeru geweseu, uud gleichfalls uuabhäugig von Kon-stautinopel, obgleich es sich unter den Schutz des griechischen Reiches gestellt habe. Als die Ragusaner die Serbier zum Frieden bewogen hatten, suchten andere Slaven-Fürsten die Freundschaft der Republik. Sie sahen, daß die Ragusancr ein unabhängiges Volk waren, das oft, seinen eigenen Vortheil mißachtend, Bedrängten Schutz und Gastfreundschaft gewählte, und ihren Zusagen treu blieben, ohne das Mißfallen der machtigsten Staaten zu fürchten. Als Richard Löwenherz auf seiner Rückreise aus Palästina nach der Abfahrt von Corfu im Jahre 1192 einen gefährlichen Sturm zu bestehen hatte, that er das Gelübde, der heiligen Jungfrau auf der Stelle, wo er zuerst landen würde, eiue Kirche zu bauen. Er erreichte glücklich die Insel Lacroma und gins alsbald au die nöthigen Vorbereitungen zur Erfüllung seines Gelübdes. Die Insel hatte zu jener Zeit ein berühmtes Benediktiner-Kloster nnd Richard gab den Mönchen den Auftrag, den Bau der 170 Kirche zu besorgen, wozu er 100,000 Mark bestimmte. So» bald der Rettore und die audereu Vchördeu in Ragusa Nachricht von seiner Landung erhalten hatten, luden sie ihn ein, ihre Stadt zu besuchen, wo er ehrerbietig und mit allen Beweisen von Gastfreundschaft empfangen wurde, die einem so ausgezeichneten Fürsten gebührten >), und nach ihrer dringenden Bitte, sein Gelübde zu ändern und die Kirche in Nagusa zu bauen, versprachen sie, eine Erlaubniß dazu iu Rom für ihn auszuwirkeu und zugleich ciue andere Kirche auf der Insel Lacroma aus Kosten der Republik zu erbaueu"). Richard gab seiuc Einwilligung unter der Bedingung, daß der Abt von Laeroma unter dem Beistande seiuer Klosterbrüder jährlich am Feste Maria Reinigung dort eine Messe lesen sollte. Der König borgte eine ansehnliche Geldsumme zu diesem Zwecke, welche durch Gaben der Einwohner vermehrt ward, und ließ die Domkirchc zu Ragusa bauen, die nicht ihres Gleichen in Illyrien hatte"). Sie wurde zum Unglück bei dem großen Erdbeben ltttt? zerstört, und mit ihrer Zerstörung waren die Vorrechte des Abtes und der Mönche von Lacroma zu Ende; aber die Thatsache, daß sie bis dahin bestanden hatten, beweiset genügend die Wahrheit der Angabe der Ragusancr, daß Richard in ihrer Stadt an's Land gekommen sei. Als Kaiser Heinrich Vl. in seinem Schreiben an den König Philipp von Frankreich sagte, Richard habe zwischen Aquileja und Venedig Schiffbruch gelitten, Ward er offenbar durch ein unbestimmtes Gerücht geleitet, das die Landnng in jener Gegend nach seiner Abreise von Ragusa mit der früheren Rettung vom Schiffbruche verwechselte. 1) Richard hatte zu jener Irit feme Ursache, sich zu verberge«, und tonnt.' auch s^nen Nanml nicht geheim halten, wie einige Geschichtschreiber angeben, ba jeder Matrose ans dem Schiffe ihn kannte. Gab er sich wirtlich für ein.n Kaufmann aus, so war es nur nach seiuer zweiten Landung bei Aquileja nöthig. 2) Farlati, Band Vl. Selte 89 W. -5) Appendiui Vand I. Seite X?H. 12* 180 Zu Anfange des dreizehnten Jahrhunderts brachen innere Zwistigkeiten in Nagusa aus. Damiano Iuda, dcr das erste obrigkeitliche Amt unter dem Titel eines Grafen oder Präsideuten verwaltete, weigerte sich nach Ablauf des Jahres, seine Würde niederzulegen, und da er sich bei dem Volke eingeschmeichelt und einen großen Theil der bewaffneten Macht bestochen hatte, so verbot er die Versammlung des großen Nathcs und maßte sich unbeschränkte Gewalt an. Bei dem Widersprüche des Adels suchte er sein Benehmen zu rechtfertige«, iudem er auf die unglücklichen Folgen eines Zerwürfnisses im Staate hinwies und die Nothwendigkeit vorstellte, Maßregeln zum Schutze der Stadt gegcu fremde Augriffe zu tresseu, die nach der Eroberung von Konstantinopel durch die Venetianer') drohten. Er behauptete, um seincu Zweck zu erreichen, die Nothwendigkeit einer unbeschränkten Gewalt und gab die Versicherung, daß er sie wieder aufgeben wollte, sobald man die erfoderlichcn Maßregeln zur Sicherung des Staates angenommen hätte. Die patriotische Familie Bobali widersetzte sich, im Vertranen auf die Achtuug aller Volksklasseu, diesen ehrgeizigen Absichten, aber Damiano's Gewalt war so fest gegründet, daß die Anstrengungen seiner Gegner erfolglos blieben. Er befahl, sie zu verhaften, und sie mußten nach Bosnien entfliehen. Er herrschte zwei Jahre. Sein Schwiegersohn, Pirro Venessa, war empört über Damiano's Tyrannei, aber ersah, daß jeder Versuch, den Machthaber zu stürzen, der durch die Stimme des Volkes und durch eine starke Leibwache unterstützt wurde, dem Staate Gefahr bringen würde, und heimlich berief er eine Versammlung des Adels, der er empfahl, sich an eine fremde Macht zu wenden. Die einzige Macht, die zu jener Zeit Hilfe leisten konnte, war Venedig, und der Doge sollte gebeten werden, die Ragusaner von Damiano's Tyrannei zu erlösen, jedoch unter der Bedingung, Ragusa's Freiheit unangetastet zu lassen. Vergebens 181 stellten Michele uud Vitale Bobali ihren Landsleuten vor, daß dic Venctianer nie ihren Beistand leisten würden, ohne an Da-miano's Stelle einen ihrer Edelleute zu setzen, der mit der Unterstützung einer fremden Macht für ihre Freiheit weit gefährlicher sein würde als ein ehrgeiziger Mitbürger. Dieser weise Rath ward überstimmt, und Beuessa ging heimlich als Abgesandter des Adels in Ragusa nach Venedig. Die Venetianer nahmen gern diesen Antrag an, aber uuter der Bedingung, daß die Nagusancr einen von Venedig gesandten Machthaber annehmen sollten. Venessa sah voraus, daß ciue Weigerung gefährlich sein würde, uachdcm die Venetian« mit der Lage der Stadt bekannt geworden waren, und er war genöthigt, jene Bedingung anzuuchmeu. Man wollte jedoch offene Gewaltthätigkeit vermeiden und half sich mit einer List. Der Patriarch Morosini war im Begriff, nach Konstantinopcl zu gcheu, und unter dem Vorwande, dem neucu Kaiser Geschenke zu seuden, ernannte der Senat zu Venedig zwei Gesandten mit zahlreichem Gefolge und von zwei wohl bemannten Galeeren geleitet. Sie hatten den Auftrag, Bcnessa's Weisungen zu folgen. Bei seiner Ankunft in Ragnsa, meldete Venessa dem Präsidenten Damiano die Ankunft des Patriarchen und der Gesandten, die einen Umweg gemacht hatten, um den Machthaber zu begrüßeu. Sie wurden zur Tafel in den Palast geladen, und nach der Mahlzeit bewogen sieden Präsidenten, mit ihnen auf das Schiff zu gehen, um die für den Kaiser bestimmten Geschenke in Augenschein zu nehmen. Kaum waren sie an Bord, als Damiano sich gefangen sah. Er warf den Venctianern ihre Verräthcrci vor, schalt seinen Schwiegersohn einen Vatermörder uud stieß dann scincu Kopf an die Schiffswände, bis er todt auf das Verdeck siel. Der Veuctianer Lorenzo Quirini wurde uun als Präsident der Republik Ragusa anerkannt'); aber die Ragusaner fühlten l) Dicß erinnert m Ath.» an die Spitze der Republik. In Siena, Pisa, Rimim, Ferrara findet man ähnliche Beispiele. l83 mit zwei Galeeren zur Unterdrückung der Secräuberci beizusteheu, und es wurde festgesetzt, daß der Präsident von zwei zu zwei Jahren wechseln sollte. Die Scrbier sahen ungern den Ginstuß der Vcnetiauer uud verlangteil, daß Nagusa von ihnen einen Machthaber annehmen sollte; als sie aber die Ragnsaner zmn Widerstände gegen diese Fodernng gernstet fanden, sahen sie, daß der Augenblick für die Ausführung ihrer Entwürfe ungünstig war, nnd die Zwistigkciten wurden gütlich ausgeglichen. Um dieselbe Zeit, im Jahre 1272, wurden die Statnten von Ragusa entworfen, die später verschiedene Veränderungen erhielten, bis 1358 die Gesetze der Republik wieder durchgesehen und mit bedeutenden Znsätzen ausgestattet wurden. Die Regieruug des großen Ungarkönigs Lndwig, der 1342 den Thron bestieg, hatte bedeutenden Einftnsi auf die Länder am adriatischen Meere. Die Venetian«, obgleich im Sicgesglück, schlosseu einen Waffeustillstand mit ihm, nnd die Ragnsaner, seine künftige Größe ahnend, traten schon 1345 mit ihm in ein geheimes Einvcrständniß und trafen Vorbereituugcu, jede Verbindung mit Venedig abzubrechen, während der Schein eines guten Vernehmens zwischen beiden Staaten fortdauerte. Als nun Ludwig ganz Dalmatien nnterworfcn hatte, knüpften die Vene-tianer Friedeusnnterhandlungen an und erboten sich, dem Könige das ganze Gebiet von Istrien bis Durazzo, mit Einschluß von Ragusa, abzutreten; die Ncigusaner aber stützte» sich auf ihre von Ungarns Neichsständen gewährleistete Unabhängigkeit nnd verwahrten sich gegen Venedigs Ansprüche auf die Oberhcrrlichkeit "ber ihr Land, und die ihrer Freiheit nachtheiligcn Erbietungen hatten keinen Erfolg. Im Jahre 1359 trat endlich eine wesentliche Veränderung ln der Regiernug der Nevnblik ein, indem der vcuetianische Prä-ndent entfernt ward und drei einheimische Edelleute an seine Stelle traten, um unter dem Titel Rettori die Angelegenheiten des 184 Freistaates zu leiten. Diese Einrichtung machte zwar Venedigs Oberherrlichkeit über Ragusa thatsächlich ein Ende, ward aber mit so viel Höflichkeit und Umsicht ausgeführt, daß es nicht zu einem offenenBruche kam, und dieVenctiancr trösteten sich mit der Hoffnung, in einein günstigeren Augenblick die verlorene Stellung wieder einzunehmen. Die äußeren uud iuneren Verhältnisse des Staates blieben ziemlich auf dem alten Fnße, und wenn die Republik zeitweilig durch die Feindseligkeiten ihrer Nachbarn gestört wurde, so kam es doch bald wieder zu einem friedlichen Verkehr, uud die Freundschaft der Ungarn verbürgte den Ragusaneru ihre Sicherheit. DaS ganze Gebiet der Südslaven war um die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts ill Zerrüttung. Die Nagusaner bemerkten die steigende Macht der Türken und schickten eine Gesandtschaft nach Vrussa, um den Sohn Osmans, des Stifters eines anfänglich kleinen Staates in Bithyuien, den Emir Orkhan um seine Freundschaft und seinen Schutz zu bitten. Dieses Gesuch eines entlegenen Staates wurde gern gewährt, nnd gegen jährliche Zahlung von ZWZcchincn bewilligte Orkhan alle verlangten Handelsvorthcile und Schutzvcrhcißungcn. Nach dem Tode deö Königs Ludwig (1382) glaubten dieVe-uctianer sich wieder in Dalmatien festsetzen zn können, aber der Vnnd der Städte dieses Landes und ihrName als Schützlinge des Ungarkönigs hinderten noch diese Anschläge. Das Unglück des als König vou Ungarn gekrönten Königs Karl von Neapel, das Mißgeschick des ungarischen Königshauses und die Zwistigkeiten der Slavenfürsten, die sich unter einander bekämpften, statt gegen die Türken zu fechten, uud diese als Schiedsrichter ihrer Streitigkeiten herbeiliefen, — all dieß befestigte jenen Städtebund und brachte den Nagnsanern Vortheile. Durch ihre freundschaftlichen Verhältnisse mit den Türken gegen den allgemeinen Verfall gesichert, der bald nachher ihre Nachbarn traf, behauptete die Republik Ra- 185 gusa ihre Unabhängigkeit, und sie konnte eine Zuflucht Derjenigen werden, die bei demVorrücken der eroberudenOsmanen ans ihrer Heimat vertrieben wurden. Das Schrecken, das Vajessid's Sieg bei Nicopolis ') erregte, und die Flucht des Königs Sicgniund von Ungarn beförderten den Sturz derSlavenfürsteu, deren viele, um ihre Besitzungen zu behalten, dem Sultan zinsbar wurden, was dann die unmittelbare Einmischung der Türken herbeiführte. Die gastfreundliche Aufnahme, die Siegmund nach seiner Niederlage beiden Nagnsanem gesunden hatte, bewog ihn, ihre Unternehmungen zu begünstigen. Der fünfjährige Waffenstillstand, den er !4!3 mit Venedig schloß, hatte keinen Einfluß auf die Verhältnisse der Nepublik Ragusa, die unter Ungarns Schutze blieb, und endlich ward ihre Unabhängigkeit förmlich von den Venelianern anerkannt. Die Ragusaner dehnten ihren Handel nach Asien und Afrika aus, und man betrachtete jene Zeit als eine der blühendsten der Nepnblik. Endlich schlössen die Venetian« (I433) Frieden mit Ungarn, da sie die Annäheruug eines anderen furchtbaren Nebenbuhlers voraussahen. Die Angelegenheiten der Slaven-Staaten wurden von Tage zu Tage mißlicher, und es ließ sich voraussehen, daß nach ihrem Falle die Macht der Osmanen höher steigen werde. Mehre kleine Fürsten waren in den Küusten der Politik und des Krieges weit weniger bewandert als die Türken, welchen sie sich schon zinsbar gemacht hatten, und ihre verschiedenen Interessen hielten sie ab, sich zu ihrer eigenen Sicherheit zu vereinigen. Die Osmanen hatten seit beinahe zwanzig Jahren diese Unvor-!lchtigkcit benutzt nnd durch Einmischung in die Zwistigkeitcn der Slaven immer ihren eigenen Vortheil befördert, während der Kö-uig von Bosnien, der eine oberlehnsherrltche Gewalt besaß, entweder einem Häuptlinge Provinzen abnähn», um sie eiuem andern zn verleihen, oder sie sich selber anmaßte. l) 1390. «86 Als mm die Türken l^? ganz Bosnien unterworfen hattcn, wollten sie anch Ragusa zinspstichtig machen, aber die früh« mit Orkhan geschlossene Uebereinknnft sicherte die Republik vor dieser Schmach und machte es ihr möglich, ihre Unabhängigkeit zu behaupten, und durch strenge Parteilosigkcit bewahrte sie sich die Freundschaft der Ungarn und der Türken. Aber auch Nagusa ge-rieth in Gefahr, als die Slavenfürstcn, von allen Seiten dnrch die Türken gedrängt, ihren unvermeidlichen Untergang voraussahen. Als nnn l45A Konstantinopel gefallen war nnd der siegreiche Snltan Mohammed ll. ganz Thränen, Serbien nnd Bosnien mit einem Theile von Ungarn erobert hatte, beschloß er, anch die Seestädte Dalmatiens zn unterwerfen, nnd zog gegen Ragusa. Ohne Verbündete, ohne Mittel zum Widerstaud, flohen die erschrockenen Einwohner in die Kirchen, wo sie mit den Priestern den Himmel um die Abhilfe der drohenden Drangsale anflehcten. Mitten in dieser Noth kam ein Eilbote von dem Pascha von Ru-melim, der die Ragnsaner ermähnen ließ, eine Gesandtschaft an den Sultan zuschicken. Der Senat befolgte diesen Wink, und der Snltan war bereit, den Frieden zu bewilligen, doch sollte die Republik ihr ganzes Gebiet mit AnSnahme dcr Stadt Ragnsa abtreten. Diese Botschaft erregte die größte Bestürzuug. Der Senat war ganz unentschlossen, bis Nicolo Serafino, den man zu den Berathungen bcrnfen hatte, zu der Antwort ricth, das ganze Land sollte dem Sultan nach seinem Wnnsche abgetreten werden, und ihre Stadt würden die Ragnsaner dem Könige von Ungarn übergeben. Dieser klnge Gedanke rettete die Republik. Mohammed befahl die Belagerung aufzuheben und entsagte allen Absichten, die Nagusaner zu belästigen. Eine alte Volksüberliefernng aber schreibt die Befreiung dcr Stadt dem heiligen Blasius zu« Der Sultan, erzählt mau, wollte das Bild des Schutzheiligen der Republik scheu, nnd versicherte, ein alter Mann von gleiche" Gcsichtszügen wäre ihm auf dem Wege nach Nagusa erschienen, 187 hätte sein Pferd erschreckt und ihm mit dem Tode gedroht, wenn er nicht sein Vorhaben aufgeben wollte. Der Senat aber vergaß nicht, nach dem Abzüge der Türken Vorkehrungen für die Zukunft zn treffen. Es wurden neue Befestigungen angelegt und, um einem Feinde jeden Schutz in der Nähe der Werke zu entziehen, selbst die Kapellen in den Vorstädten zerstört. Man bat mehre christliche Fürsten um Beistand und der Papst Pins ll. ^) unterstützte dieses Gcsnch. Jede Hoffnung, ihr Gebiet zu vergrößern, war aber den Ragusancrn genommen, seit sie auf allen Seiten von den Türken eingeengt waren, die bereits Bosnien besetzt hatten und die Hälfte derHcrzegowina überschwemmten und durch ihre religiösen Bcdeuklichkeiten abgehalten wurden, ein einmal von ihnen eingenommenes Land aufzugeben, wenn es ihnen anders nicht mit Gewalt entrissen würde. Die Republik mußte nun einen anderen Weg einschlagen. Sie suchte den Sultan und die einstusireichstcn Mitglieder des Divans sich geneigt zu machen und einen freundschaftlich eil Verkehr mit den Machthabern der benachbartenProvinzen anzuknüpfen. Der Papst hatte ihnen erlaubt, mit den Ungläubigen Handel zu treiben, und lhre Häfen wurden bald der Stapelplatz des morgenländischen Handels. Die Vortheile, die Nagusa auf diese Weise gewann, vermehrten den Reichthum der Einzelnen und der Gesammtheit, und ihrem blühenden Zustande verdankte die Republik ihre Fortschritte in Literatnr und Kunst. Bald nachher aber trat ein Grcigniß ein, das Ragusa wieber in Berührung mit den Vcnetiancrn brachte. Einige Schiffe ber Republik waren gezwungen worden, an dem Kriege mit dem Herzoge Alfons von Ferrara Antheil zn nehmen, und nach der Niederlage des venetianischen Geschwaders erließ der Doge (l484) ewe Vekanntmachuug, die jedes in einen Hafen der Venetians einlaufende Schiff der Ragusaner verurtheilte, hundert Dukaten l) Aeneas Sylvius Piccvwnim. 188 Ankergeld und zwanzig Prozent von dem Werthe aller Waaren, außer anderen Abgaben, zu bezahlen. Dieß kam einem Verbote des Handels mit Venedigs Häfen gleich und bewog die Ragn-saner, ihre Blicke auf die Levante und das Weltmeer zn richten. Gs wurden große Schisse zu dem Handel mit Aegypten, Frankreich, Spanien und England gebaut, während kleiucre Fahrzeuge dem Handel mit Sicilicn, Apulieu nnd anderen Theilen Italiens bestimmt waren. Gs ward eine Tnchmannfaktnr für die Märkte in Italien und der Türkei angelegt, und so wmdeu die vou den Venetianern erhobenen Schwierigkeiten gerade das Mittel, den Handel der Ragusaner zn befördern, die uuter dem Schutze der Türken mit Venedig wetteifern konnten. Durch die Ligue von Cambray in die Enge getrieben, widerriefen die Venetian« die gegen die Nagusaner im Jahre 1484 verfügten Beschränkungen nnd verliehen ihnen viele Handelsvorrechte, zur Vergütung für den Verlust einiger Fahrzeuge, die man, wie alle anderen christlichen Fahrzeuge, im Hafen von Alerandria in Beschlag genommen hatte. Bald nachher brach in Ragusa die Pest aus, die mit Wollenwaaren von Ancona war eingeschleppt worden. Vergebens wüthete das Volk gegen den unglücklichen Kaufmann, den man auf einem Karren dnrch die Straßen führte und marterte, und der Senat floh mit allen Einwohnern nach Gravosa, während nur zweihuudert Soldateu und sechs Edelleute und zwei Galeeren zur Bewachung des Hafens zurückgelassen wnrden. Nach sechs Monaten hörte endlich die Seuche auf, die 2N,0N0Menschen weggerafft batte, uud dieUeberlebcn-den waren zu rechter Zeit im Stande, sich gegen die Sarazenen zu vertheidigen, die mit einem ansehnlichen Geschwader in das adriatische Meer gedrungen waren, um Ragusa zu überrumpeln, aber der kräftige und unerwartete Widerstand, den sie fanden, nöthigte sie bald zum Rückznge, Die Vortheile, welche die Nagusauer iu ihrem Handel mtt t89 Sftanim gcfnnden hatten, wurden unterbrochen, als Karl V. Plötzlich gcgcn die Ragusaner aufgebracht wurde, die seinem Bruder Ferdinand gewisse Federungen verweigert hatten, und er ließ ihre Schiffe und Güter in Fiume und Segna, in Eieilien und im ganzen Königreich Neapel mit Beschlag belegen. Erst als sic lange über die Bedingungen einer Aussöhnung unterhandelt und ihre Schiffe zu dem Kriegszuge gegen TnniS bewilligt hatten, widerrief Karl seine drohenden Verfügungen und gab den Ragnsanern ihre früheren Vorrechte zurück. Es läßt sich fragen, ob die Feindschaft oderdic Freundschaft des Kaisers den Ragusanern nachtheiliger gewesen sei. Während des Zeitraumes, wo ihre Schiffe im Dienste Karls V. und seiner Nachfolger waren, wurden mehr als 300 Fahrzeuge in Spaniens Kriegen geopfert^); achtzehn Galionen gingen in dem Zuge gcgcn Tunis verloren, und nur sechs von Vierzehn wurden bei dem unglücklichen Unternehmen gcgcn Algier zur Zeit des furchtbaren Hassan Barbarossa ^) gerettet. Die Republik stand in jener Zeit, gegen die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts, in einem sehr guten Vernehmen mit den Dsmancn, und der Sultan Suleyman gab dem Senat freundliche Nachricht von seinen Siegen über die Perser und zeigte seine wohlwollenden Gesinnungen gcgcn die Christen. Die Freundschaft ^r Türken aber zog den Ragusanern das Mißfallen des Königs ^vn Ungarn und anderer christlichen Fürsten zu. Der Papst ^paul III. verbot den Verkauf von Waffen uud Kricgsvorräthen "n die Nagusaner, und auf Anstiften der Venetian« ließ er die Republik auffodem, sich gegen die Türken mit Venedig zu verbinden und fünf Galeeren nebst 10,000 Zechinen zu den Kriegs-^Itcn zu geben. Erstaunt über diese Auffoderung, versprach der ^enat einen Gesandten nach Rom zu schicken, und es gelang sei- 1) Vlau gibt ein Vc,'zeichmß von 178 Schiffcn, die m 7U Jahren einge-"M wurden. 2) Gr war ein Ncucgat aus Sardinicu 190 nem gewandten Unterhändler, die Venetian« und die Ungarn zu besänftigen. Mehr als einmal aber kamen die Ragusaner in den Wirren jener Zeit in Zerwürfnisse mit den betheiligten Parteien, aber sie wußten sich bald durch Geld, bald durch geschickte Unterhandlungen und durch gewandte Benutzung der Gunst des Sultans aus zeitweiligen Bedrängnissen zu befreien, so reizbar die Eifersucht der Parteien war; aber selbst die fteuudliche Aufnahme dcS verbündeten Geschwaders im Hafen von Ragusa nach dem Siege bei 3eft ant o (1572) störte nur auf kurze Zeit das Einverstäud-niß mit den Osmanen. Die Glaubenswirren in Deutschland zeigten selbst in jenen entfernten Gegenden ihren mächtigen Einfluß, besonders unter den Gelehrten, welche, wie Append ini sagt, immer zuerst solche Veränderungen bcgüustigen; aber der Senat wußte schnell den wachsenden Geist der Neuerung zu unterdrücken, und die Geistlichkeit war froh, von der Furcht vor einer Glaubensspaltung befreit zu sein. Die Ragusaner mußten wieder mit schweren Verlusten büßen, als sie sich den Interessen Spaniens zuneigten, und vierzig ihrer größten Fahrzeuge, die sie zur Eroberung Portugals schickten, wur-deu im Hafei: von Lissabon durch einen furchtbaren Sturm zerschellt. Zu gleicher Zeit kamen sie noch in andere Bedrängnisse. Die Us koken, die sich anfänglich zn Angriffen gegen die Osma-nen verbunden hatten und später uuter Oesterreichs Schutze sowohl die Christen als die Türken augriffen, hatteu im ga»M adriatischen Meere eine listige uud drückende Seeräuberei eingeführt. Die Ragufaner mußten schon im Jahre 1535 mehre Galeeren und Kanonierboote im Meerbusen von Narenta ausrüsten und hatten eine kleine Veste angelegt, um den Räubern Einhalt zu thun und das Meer von ihnen zu befreien. Jeder Uökoke, den sie gefangen nahmen, wurde dem Tode geweiht. Als nun auf 19l einem Streifzuge ein Woiwode getödtet wurde, vereinten sich alle Uskoken, seinen Tod zn rächen. Der Senat bewaffnete die Einwohner der Halbinsel Pnnta, aber der Verlust an Menschen und Eigenthum wurde so fühlbar, das; man sich an den Papst Gre-gor Xlll. wendete, der den Sohn des Getödteten nach Nom kommen ließ nnd ihm ein Iahrgeld bewilligte, wodnrch die Uskoken bewogen wnrden, die Flagge der Nagusaner zn achten. Das gnte Vernehmen zwifchen der Republik und den Türken wurde nie auf lange Zeit gestört. Die Ragusaner fühlten oft die Vortheile des Schuhes der Osmanen, der freilich demüthigend für einen christlichen Staat war, da sie bei dem Amtsantritte jedes Pascha's Abgeordnete mit einem Edelmann an der Spitze absenden mnßten, um ihn zn beglückwünschen, aber die Vortheile ihres Handels wogen die Herabwürdigung auf. Die auswärtigen Verhältnisse der Republik mit anderen Mächten waren eben so günstig; der Handel blühte, und die Ragusancr genossen alle Wohlthaten des Friedens und der Betriebsamkeit, als am Morgen des 6. Aprils 16U7 ein Unglück eintrat, das ihre Stadt fast ganz zerstörte. Die Luft war so still und ruhig, daß Niemand die nahe Gefahr ahnete, uud die Schrecknisse eines Erdbebens wurden nur durch die Wirkungen der plötzlichen Erschütterung angekündigt, die alle Gebäude, mit Ausnahme der Befestigungen, so wie des Lazarethes und einiger Häuser von besonders fester Bauart, zerstörte. Die Sonne war kaum zwei Stunden vorher aufgegangen und die meisten Einwohner waren in ihren Häusern oder beim Gebete in den Kirchen, und 5UW Menschen wurden in einem Augenblicke unter den Trümmern begraben. Das Krachen der einstürzenden Mauern, das Schwanken des Bodens, das Stöhnen ber Sterbenden und die Thränen der Ueberlebcndcn boten ein gräßliches und schreckliches Schauspiel dar. ^) Die Schiffe im Ha- l) Giacomo Palmotta hat bicfcs Unglück in cinem sehr geschählen tllyrischm Gedichte geschildert. S< Append,«! ci. a. O. Baud U. S.2m siebzehnten Jahrhundert beschrieb. Man betrachtet ihn als den Homer seiner Sprache, nnd er stand weit höher als Giorgi, Palmotta nnd andere, die ihm vorhergingen oder folgten. Es würde ermüdend sein, alle ausgezeichneten Männer aufznzählen, die unter ihren Laudsleuten berühmt smd, aber ich darf nicht übergehen, daß Nagusa auch einige Frauen hervorgebracht hat, bie sich in der Literatur auszeichneten. Die bekannteste war Floria l) Er wurde UüiH sseboren. Gö erscheint jcht >n Nagusn ein biographisches Wnk mit Bildnissen aller berühmten Eingeborum. 202 Zuzzeri. Sie war um das Jahr 1555 geboren und wurde 1577 an einen adeligen Italiener Vartolomeo Pesnoni ans Florenz verhei rathet. Der berühmte Ghetaldi und Boscovich verdienen eine etwas ausführlichere Erwähnung, da sie unter den Gelehrten Enropa's einen so hohen Platz gewonnen haben. Marino Ghetaldi wurde 1566 zu Nagnsa in einem adeligen Geschlechte geboren, das ans Tarent stammte. Er wurde früh nach Rom und später nach Paris geschickt, wo er seine Studien unter Franz Vieta fortsetzte. Nachher machte er Reisen, um seine gelehrten Zeitgenossen kennen zn lernen, bcsnchte Dentsch-land, Belgien, Frankreich und England und blieb in diesem Lande zwei Jahre. Er besaß alle Tugenden, die einen Privatmann zieren, und alleGeistesgaben, die ein Mann im öffentlichen Leben brancht, und sein Wahlsftrnch: ,M»1i>n »eir« l^iam nosoi, üisoero lzuam liocere" verkündet seine anspruchloseVescheidenheit. Seine Hauptwerke sind: 1) ?roinotu8 ^rclumocl«» über die Schwere der Körper; 2) Einige Sätze über die Parabel, 1603; 3) /VpoNomüs re<1ivivu8 ; 4) Huppiemonwm ^»olloml <^l»ili; 5) Eine SannN-lnng verschiedener Probleme nnd 6) l)o rt!8u!i,tlnil« ei, l „mpnsi-lione m:UliLM!,U<:», ein nachgelassenes Werk, das 1630 zu Rom erschien, sieben Jahre früher als Descartes seine Algebra herausgab, und das ihm einen so hohen Naug unter den Mathematikern gibt. Deseartes, sagt Appendini'), wird immer als derjenige genannt, der znerst die Anwendung der Algebra auf die Geometne lehrte, und allerdings hat er zuerst die Analyse ans Cnrven angewendet, aber es ist nicht weniger gewiß, daß Ghetaldi den ersten Schritt that, indem er die Gleichungen des ersten nnd zweiten Grades anfstcMe. Ghetaldi soll auch nicht lange vor seinem Tode mit zwel anderen Werken über das Vrennglas uud über die Licht- I) A. a. O. Bd. 2, S. !?. 203 strahlen und den Regenbogen beschäftigt gewesen sein. Er starb 1624, in einem Alter von 58 Jahren. Rnggicro Giuseppe Voscovich, einer der ausgezeichnetsten Mathematiker und Physiker Enropa's, wurde 17N zn Nagnsa geboren. Seine Eltern, welche die alte strenge Weise der Erziehung vorzogen, übergaben ihn den Iesniten, und nachdem er seine Studien in Rom vollendet hatte, war seine Gelehrsamkeit so bekannt, daß der König Johann V. von Portugal ihn einlud, einen Theil von Brasilien aufzunehmen nnd einen Grad des Meridians zu messeu, in Uebereinstimmnng mit der von der französischen Akademie beschlossenen Messung in Quito. Der Kardmal Gonzaga aber, der ihn nicht gern aus Rom entlassen wollte, trug woman auch über die besten Mittel, die Kuppel der Peterskirche zu unterstützen, seineu Rath verlangte. Er wurde znglcich ein Mitglied der Kommission, die einen Plan zur Austrocknung der pontiuischen Sümpfe angeben mußte. Später besuchte er Wien und Paris und kam 1759 in einem Auftrage der Republik Nagnsa nach England. Die Engländer hatten die Ragnsancr im Verdacht, die Ansrüstung einiger französischen Schiffe in ihrem Hafen erlaubt zu haben, und machten Vorstellungen gegen diese vermeinte Verletzung der Neutralität. Boscovich hatte vom Senat den Auftrag, der britischen Regierung ihre Besorgnisse zu nehmen und sie voll den redlichen Absichten der Republik zu überzeugen. Nach der Erfüllung dieser Pflicht blieb er noch drei Jahre in England und ward in dieser 3eit mit Johnson bekannt, der die Talente des Fremdlings nicht so gut erkannt oder gewürdigt zn haben scheint, als die königliche Gesellschaft der Wissenschaften. Er wurde unter großen Auszeichnungen zum Mitgliede dieses Vereins erwählt und eingeladen, die im Jahre !7W zur Beobachtung des Durchgangs ber Venus durch die Sonne nach Ealifornien gesandten Gelehrten lu begleiten. Zu seiuem großen Bedauern konnte er diese Ein- 204 ladung nicht annehmen, da allen Jesuiten der Eingang in Spaniens Gebiet verboten war und der Inhalt seiner Sendung ihn nach Ragnsa zurückrief. Sein Versuch, Konstantinoftel zeitig genug zu erreichen, um jene Beobachtung anzustellen, war auch vergeblich. Er wollte lieber zu Lande als zur See reisen und kehrte mit dem britischen Gesandten zurück. Im Jahre 17l',4 kam er noch einmal nach Italien, wo er den Lehrstuhl der Mathematik auf der Universität zu Pavia annahm. Ginige Jahre später war er auf kurze Zeit Professor der Optik und Astronomie in Mailand. Nach der endlichen Aufhebung des Jesuiten-Ordens entschloß sich Bos-covich nach Paris zu gehen, auf die Einladung des Ministers der auswärtigen Angelegenheiten, Grafen von Vergennes, den er in Konstantinopel kennen gelernt hatte. Er ward im Dienste der französischen Marine mit einem Gehalte von 8000 Livres angestellt, bis er sich beleidigt fühlte, als Vouguer das Verdienst der Erfindung seiner Verechnuug der Kometenbahncn sich beilegen durfte. Er verließ Paris 1783 und starb vier Jahre später zu Mailand, scchsundsiebzig Jahre alt. Boscovich's Schriften über Mechanik, Hydrodynamik, Physik, Optik, Astronomie und verschiedene physikalische und mathematische Gegenstände sind von großer Mannigfaltigkeit lind zeugen für umfassende Kenntnisse. Er war einer der ersten, der Newton's System auf dem Kontinent bekannt machte und 1743 in Rom einführte. Auch seine 1736 herausgegebene Schrift ü ber die Sonnenflecke wird sehr geschätzt. Er gibt darin znerst die geometrische Auflösung des astronomischen Problems von dem Aeqnator nnd der Rotation der Sonne. Seine lateinischen Gedichte sind durch besondere Zierlich' keit und Kraft ausgezeichnet, und er hat das seltene Talent, die Ergebnisse positiver Wissenschaften und Bcrcchnuugen in seinen Versen wiederzugeben. Den größten Nnhm aber verschaffte ihm sein ncncs System der Naturphilosophie, das die Ausmerksamkeit 205 der gelehrten Welt sehr in Anspmch genommen hat und allein seinen Namen unsterblich machen wird '). Werfen wir einenVlick auf Ragusa's Vergangenheit, so mnß Jeder, der die Stadt besucht, den tranrigen Znstand beklagen, in welchem sie jetzt ist. Die Zahl der Einwohner hat so sehr abgenommen, daß man in der ganzen Gemeinde nicht mehr als 63 l 8 zählt 2). Die Hanptstraße, Corso genannt, ist gegen 1W0 Schritte lang und läuft in gerader Linie dnrch die Stadt vom westlichen Thore bis zum Seethorc. Sie ist von vcrhältnißmäßiger Breite, hat ein bequemes Seitenpftaster und die anliegenden Häuser sind regelmäßig und gut, doch von anspruchsloser Bauart. Am westlichen Ende liegen die Erlöser-Kirche, das Franziskaner-Kloster und ein öffentlicher Brnnncn, am anderen Ende derGlockcnthurm, das Zollhaus nnd ein kleiner Marktplatz. Eine andere breite Straße durchschneidet jene in einem rechten Winkel von der Domkirche bis zu dem Palaste. Die übrigen Straßen sind eng und mit Schrittsteinm verschen, aber dennoch rein und gnt gepflastert und einige haben sehr malerische Fernsichten. Man bemerkt nicht jene Gleichgültigkeit gegen Reinlichkeit, die im südlichen Enropa so oft den Fremden beleidigt; kein halb bekleideter Bettler bittet ungestüm um Almosen oder drängt dnrch einen widrigen Anblick von Dürftigkeit znm Mitleid, und trotz dem gesnnkenen Wohlstande wird doch Elend "icht znr Schau getragen. Die Hänser sind von trefflichen Stei« "en gebaut, viele haben hübsche Balköne mit Fenstern wie in den Städten der Venetianer. Vor einigen kleinerm Häusern in den Hinterstraßen sind Reben über Gittcrwerk gezogen, was ihnen 1) Gine ausführliche Nachricht über dieses Werk und über BoScvvich'S "ben gibt die l^ue),elli«:.U» lii-ltumn«:,. 2) Darunter nur 2?U Griechen und 146 Juden. Nach Carrara gibt ^ in dem ganzen Kreise Ragusa nur noch neunzehn Griechen mehr. 206 cin heiteres Ansehen gibt und einen traurigen Abstich gegen die durch das Erdbeben zerstörten Häuser bildet, da man mehre in dem Zustand gelassen hat, worein sie durch jenes Unglück gekommen sind, als ob sie an den Untergang oder die Verarmung der Familien ihrer Eigenthümer erinnern sollten. Keine Stadt bietet ein so düsteres Vild von den Wirkungen eines Erdbebens dar als Ragusa. Die Straßen sind mit traurigen Erinnerungen an 1667 gepflastert, und mit der Zerstörung der Stadt fiel ihr Wohlstand. Diese furchtbaren Heimsuchungen wiederholen sich von zwanzig zu zwanzig Jahren, doch war feine so heftig und verderblich als jene. Das letzte Erdbeben war am 14. September 1843") vou mehren kleinen Stößen begleitet, die aber kein Haus beschädigten. Aber diese häufige Wiederkehr von Erd-bebeu zeigt die Gefahren, welchen Nagusa immer ausgesetzt ist, und nichts beweiset mehr, wie thöricht es war, die Stadt nicht auf eine gesichertere und bessere Stelle zu verlegen, als die Thatsache, daß man bei keiner Gelegenheit weder in Gravosa noch in den Vorstädten Erdstöße gefühlt hat. DieHauptgebäude inRagusa sind der Palast, das Zollhaus, die Domkirche, das Franziskanerklostcr, das Jesuiten-Collegium, später 8l 8colc»m'') übergeben, welchen dieKirche noch gehört, das Collegium aber hat man in ein Kriegsspital verwandelt. Nicht weit davon ist der Gemüsemarkt, pia^a äeile erbe , der an Markttagen mit Landleuten in verschiedenen Trachten angefüllt ist. Nagusa liegt in einer Vertiefung, die auf jeder Seite ansteigt, und ist daher bei ihrer Lage, mit dürren Felsenbergen im Nucken, sehr heiß im Sommer. Unweit der nordöstlichen Ecke der Stadtmauer steht ein Thurm, Mincetto genannt, und an der Ostseite die Vestc Nivellino oder 1?url«/^ ?ii,. Die Veste Sau Lorenzo steht an der Westseite auf einem Felsen im Meere, nnd man sieht sie auf dem Wege von Gravosa nach der Vorstadt Pille. Die Mauern mit vorspringenden Thürmen, nach der Bauart des Mittelalters, sind wenig geeignet, den Fortschritten der neuercnKriegs-kunst zu widerstehen. Auf dem Gipfel des Monte Sergio erhebt sich, N43 Fuß über dem Meere, das b'l.rl« imperiu««, das von den Franzosen erbaut wurde, als sie Dalmatien besetzt hatten. Der Haftn auf der Ostseite der Stadt ist so klein, daß er kaum für ein halbes Duheud Schiffe mit Raasegeln Naum hat. l) Der Name ist seltsam verderbt auö <>ull>'l !« «eliuolr >,,<>, Väter dcr frommen Schulen. Dalmaticn mid Montenegro. I. ^4 210 Alle Fahrzeuge, auch die Dampfschiffe, ziehen die geräumige und sichere Bai von Gravosa vor, besonders im Winter, wo die Nhedc von Ragusa nichts weniger als sicher ist. — Das IoUhaus und andere Theile der Stadt zeigen uoch Spuren von den Angriffen der Nüssen im Jahre I8U6, wie man im Lande überall noch die Wirkungen der gransamen Plünderungen der Montenegriner sieht; und einige der verfallenen Häuser in der Vorstadt Pille erinnern uns, daß dieser Stadttheil bei jener Gelegenheit fast ganz eingeäschert wurde. Ragusa hat zwei Vorstädte, die östliche Vorgo Plocee, die westliche Borgo Pille genannt, die auf die gleichnamigen Thore stoßen. Vor der PortaPlocce oder dem Srethore liegt das Lazareth, und nicht weit davon ein großer mit einer Mauer umgebener Naum, wo dreimal wöchentlich Markt gehalten wird. Die Karawane der Türken trifft nahe an der Gränze der Herzegowina,in Bcrgato ein, ungefähr drei Meilen von Ragusa, und wird von einer Wache auf den Markt geleitet und ausgleiche Weise am Abend zurückgeführt. Ragusa hat weder Wagcu noch Zugpferde, Alles wird durch Lastträger fortgeschafft, und die früher unter dem Adel gewöhnlichen Sänften sind fast gar nicht mehr gebräuchlich. — Die Stadt ist jetzt nur noch ein bischöflicher Sitz unter dem Erzbischofe von Zara, dessen Sprengel ganz Dalma-tien umfaßt. Die Männertrachten in der Stadt und der Umgegend gleichen mehr den türkischen als dem Anzüge der Morlachen. Die Tracht in Breno ist die merkwürdigste, wiewohl der dortige weibliche Anzug weder eigenthümlich uoch zierlich ist und eher für italienisch gelten könnte. Die Weiber in Canali haben eine sonderbare Tracht und bedienen sich oft der Opanken ober Sandalen der Bergbewohner. Man sieht sie sehr häufig in der Stadt an Markttagen. Reiset man von Nagusa zu Lande nach Cattaro, so muß 2N man sich von einem Guardiano oder Gesuudheitsbeainten begleiten lassen, da der Weg durch das türkische Gebiet geht, das bis zum Meere nördlich bei Klek und südlich bei Suttorina sich hinabzieht, wiewohl die Straße selbst zu Oesterreich gehört. Diese seltsame Einrichtung hat ihren Grund in einem religiösen Vorur-theilc der Türken, das ihnen nicht erlaubt, irgend ein Gebiet an Christen zu verlausen oder freiwillig abzutreten, und diese beiden schmalen Landstrcifm, die sie besetzten, um die Ragusancr von dem Gebiete der Veuetiancr zu trennen, sind noch immer im Besitze der Türken und scheiden das Gebiet Nagusa's gänzlich von dem übrigen Dalmatien. Diese selbstische Politik wird von den Oestcrrcichcrn damit vergolten, daß sie die Türken hindern, in jener Gegend die See für militärische Zwecke zu benutzen, und türkische Soldaten au der Küste nicht landen lassen. Südöstlich vom Hasen liegt die Insel La rro m a, die so oft in der Geschichte Nagusa's vorkommt. Sie liegt rechts an der Straße nach Cattaro, wohin man mit dem Dampfschiff in sechs Stunden fährt. Man sieht auf dem Wege Nagusa Ve cch i a, das alte Epidanrus, das in einer kleinen Bai, ungefähr sieben Mei« len von Nagusa, liegt. Der illyrische Name ist Zaptal. Epidaurus wurde 689 Jahre vor Christus von Ansiedlern gegründet, welche, wie man glaubt, von Gpidaurus in Lakonien kamen. Wie in den beiden gleichnamigen Städten im Pelopon-nes, war Aeskulap auch in dem illyrischen Epidaurus die vornehmste Gottheit. Sein Tempel war berühmt, und die Sage spricht von eincrHöhlc, worin die ihm geweihte Schlange wohnt« und die man noch immer in der Nähe der Stadt zeigt. Man findet aber ill Nagusa Vecchia keine Ueberreste von Epidaurus und nichts' erinnert an die Lage der alten Stadt als Inschriften, Trümmer von Mauern, Münzen und andere Gegenstände, die bei Nachgrabungen gefunden werden. Die Stadt hatte einen kleinen Hafen, ber in früheren Zeiten viel besncht wurde. Unter denNömern war 14' 212 sie eine Kolonie geworden, die ^nimn'n Um'l^ui'uz oder s^niamn ^8l!!6j,it»m» l^pl<1lluron8i« hieß. Sie kam schon KV vor Christus in die Gewalt der Römer, wird aber erst znr Zeit der Kriege zwischen Pompejus und Cäsar genannt. Sie wurde von Octavins belagert, als Vatinius noch zur rechten Zeit ankam, sie zu retten. Es ereignete sich seitdem nichts, bis eine Empörung der Epidau-rier gegen die Römer den Proconsul Asinius Pollio herbeirief, der sie wieder zum Gehorsam brachte und, wie sein Freund Ho-raz^) sagt, die Ehre eines dalmatischen Triumphes erhielt. Seitdem blieb Gpidaurus den Römern treu. In dem langen Kriege, den Augustus und Tiberius gegen die Illyrier führten, hielt die Stadt zu den Römern und war eine nützliche Kolonie bis zu ihrer Zerstörung im dritten Jahrhundert. Die neuere Stadt Ragusa Vecchia ist so zusammengeschmolzen, daß die Gemeinde nur 521 Hänser mit 31N2 Einwohnern zählt. Bei der Einfahrt in den Meerbusen von Cattaro, den Bocche di Cattaro, läßt man links die znr Türkei gehörende schmale Landspitze liegen, welche die Bezirke Ragnsa und Cattaro trennt, und vor uns liegt das Castcl Nnovo, das gleichsam den Gingang des prächtigen Hafens bewacht. Castel Nuovo ward im Jahre 1373 von dem Könige von Bosnien, Stephan Twartko, erbaut und die Veste über den Vorstädten von den Spaniern unter Karl V. angelegt und später von den Venetianern erweitert. Die Mauern sind durch die vielen Belagerungen und durch Erdbeben sehr beschädigt worden, da die Vcste, wie Vudva und Cattaro, besonders auch unter den Drangsalen des Jahres 1667 litten. Die Umgegend des Meerbnsens von Cattaro gehörte im vierzehnten Jahrhundert den Ungarn, aber der Besitz des stark befestigten Castel Nuovo, das Twartko erbaut hatte, als er dic Freundschaft des Königs Ludwig von Ungarn genoß, verleitete ihn, .sein Gebiet auszudehnen. Er vergaß die Dankbarkeit gegen ') B. Ill Odc I. 213 seinen Wohlthäter, und sobald Ungarns Angelegenheiten in Zerrüttung geriethm, entriß er Ludwigs Tochter Maria das ganze umliegende Gebiet und verjagte die Ungarn. Zu Anfange des folgenden Jahrhunderts wurde seinem Sohne Twartko II. die Veste Wieder abgenommen und fiel dann 1483 in die Hände der Türken, welche sie bis l538 behielten, als sie ihnen durch die Spanier und Venetian« genommen ward. Im nächsten Jahre wurde sie von dem furchtbaren Barbarossa wieder erobert, der die Besahung niedermetzeln ließ, aber int Jahre 5687 wnrdc sie von den Venetianem und den Maltesern unter Cornaro's Oberbefehl belagert und der Pascha von Bosnien, der sie mit 4000 Mann entsetzen wollte, geschlagen. Seitdem blieb sie in den Handen der Venetians bis zum Falle der Republik. Im Jahre 1800 kam Ca-stel Nuovo mit allen Vocche di Cattaro in die Gewalt der Russen, welche sie in: Frieden von Tilsit den Franzosen abtraten; im October 1813 aber nahmen die Engländer das Gebiet in Besitz uud 1814 ward es von den Oesterrcichcrn besetzt, die es seitdem behalten haben. Castel Nuovo ist die größte Stadt, wiewohl nicht derHanpt-vrt des Kreises Cattaro, uud die Gemeinde hat 7019 Einwohner, von welchen 6414 zur griechischen Kirche gehören. Unweit der Stadt ist der Begräbnißplatz der spanischen Iudeu, und in der Nähe die Quelle Mili, berühmt durch den Tod zweier eifersüchtigen Nebenbuhler, die Veranlassung gab, den Namen Mill, angenehm, inNemili, grausam, umzuwandeln. Die Umgegend des Ortes ist sehr schön, und hier beginnt die prächtige Landschaft, die den Meerbusen von Eattaro so berühmt gemacht hat. Die Verge sind kühn und wild, die Abhänge mit Bäumen bekleidet nnd mit Häusern besetzt, hier und da ragt ein Kirchthurm auf einer Höhe empor, und uutcn scheint ein Dorf aus dem Wasser hervor-zujteigen, in welchem es sich abspiegelt. Gehen wir weiter, so zeigt Nch uns eine Reihe verschiedener Landschaften, und die auf beiden 214 Seiten prächtig vom Wasser sich aufschwingenden Berge, die zuweilen kaum Platz für ein Dorf an der Küste lassen, geben dem sich windenden Meerbusen das Anseben eines Binnensee's. Bald sind wir in einer Bai, die nur eine halbe Meile breit ist und sich dann bis zu drei Meilen ausbreitet; wir fahren durch schmale Kanäle in eine Reihe eingeschlossener Buchten, uud so groß ist die Wasserstäche, daß alle Flotten Europa's nnr einen kleinen Theil dieses herrlichen Hafens einnehmen möchten, dessen Tiefe ihnen gestatten würde, dicht an der Küste vor Anker zu gehen. Auf meiner ersten Neise nach Spalato war der Kreishauptmann von Cattaro an Bord des Dampfschiffes, und bei unserer Einfahrt in den Meerbusen war die ganze Küste mit Menschen besetzt, und bei Flintenschüssen widerhallte das laute Viva! Er ist dieser Huldigung würdig, da er sich in Eattaro, wie in seiner Heimat Spalato, die Achtung aller Volksklassen erworben hat. Vom Eingänge des Meerbusens bis nach Cattaro fährt das Dampfschiff nngcfähr zwei Stnnden. Unweit Combur, drei Meilen jenseit Castel Nnovo, ist eine schmale Wasserstraße, welche man die dritte Ginfahrt, Un««.-»'), des Meerbusens von Cattaro nennen könnte, und sechs Meilen weiter aufwärts ist eine andere noch engere Straße, die aus der inneren Bai von Castel Nuovo in die Buchten von Risano nud Cattaro führt. Sie ist nur 1440 Fuß breit und wird 1^6 t^atene genannt, von den Ketten, die einst die Durchfahrt sperrten; denn da man sie zu jener Zeit als den Eingang des Meerbusens betrachtete, so ließ der Könlg Ludwig von Ungarn im Jahre 1381 Ketten vorziehen, um die Vene-tianer auszuschließen. Ueber diese Durchfahrt hinaus wird die Landschaft wilder als 1) Man rechnet sechs Ln»', oder auf einander folgende schmale Wasserstraßen ; die erste ist die Einfahrt zwischen der Landspitze Ostro und dem Fclstn Zamza, die zweite zwischen der Spitze von Cobilla und^ustiza, die dritte bei Combur, die vierte Santa Dommica, die fünfte Le Catene, die sechste die Ginfahrt von Perzagw. 215 in dem fruchtbaren Gebiete von Castel Nnovo. Rechts erheben sich die bewaldeten Höhen von Stolivo, mit dem aus Bäumen hervorblickenden gleichnamigen Dorfe, links dehnen sich die felsigen Berge in einer Krümnnmg bis znr Bai von Risano aus, und vor uns liegt die Stadt Perasto mit ihrem hohen Kirchthurme auf einer Landspitze, welche die Buchten von Risano und Cattaro trennt, am Fuße eines Felsenberges, der kaum Platz für die Stadt am Rande des Wassers läßt. Auf dem AbHange gleich über den Häusern liegt die Vcste Santa Croce, von den Einwohnern zn der Jeu erbaut, als die Türken die angränzende Küste in Besitz hatten. In dem offenen Raume vor Perasto liegen die kleinen Inseln St. Giorgio und La Madonna. Die Kirche auf La Madonna steht in hohen Ehren und ist mit zahlreichen Wcihovfern und Gemälden geziert, von welchen eines dem Evangelisten Lukas zugeschrieben wird. Gs stellt die heilige Iungfran vor, hier N»-'lamm llello 8<^1pe1lu genannt. An ihr Bild knüpft sich eine Wundersage, die den gläubigen Seelen eben so erfreulich ist als die Geschichte des heiligen Hauses zu Loretto, das vor seiner Flucht nach Italien gleichfalls eiuigeZeit inDalmatien ruhte. Die Ueberlieferung erzählt, das Gemälde sei im Jahre 1452 von unbekannter Hand aus Negroponte auf diesen Felsen gebracht worden, und hier von einigen. Schiffern mitten unter brennenden Kerzen gesehen, habe man es in dte Kirche zu Perasto gebracht. In der nächsten Nacht kehrte es auf die Insel 3a Madonna zurück, nnd als sich dieß drei Mal wiederholt hatte, kam man auf die Vermuthung , daß das Bild lieber dort bleiben wollte. Man richtete ihm eine angemessene Wohnung ein, aber die jetzt stehende Kirche ward erst 1630 erbaut.') Die Ankunft des Bildes auf der Insel wird jährlich am 12. Julius mit großen Freudenbezeigungen gebiert, und an den Sonntagen im Mai und Iunius wird es feicr-lich^lach Perasto gebracht, wo man es den Andächtigen zeigt, znr l) Pcttcr a. a. O. S. l'N. 216 Erinnerung an einen im Jahre 1654 durch die Vermittelung der Madonna dello Scalpello gewonnenen Sieg über die Türken. Als nämlich die Ungläubigen im Jahre 1l>54 in großer Anzahl von Nisano und Castcl Nuovo kamen, um Perasto zu zerstören, wurden sie durch die Erscheinung der heiligen Inngfrau in der Gestalt eines alten Weibes erschreckt. Auch wird am 15. August, am Tage Maria Himmelfahrt, ein großes Fest gefeiert und durch einen Vall verherrlicht, merkwürdig durch die Mannigfaltigkeit der Landestrachten, die dabei erscheinen. Auf einer Anhöhe am Ende einer schönen Bai, die nordwärts von Pcrasto sich zieht, liegt Nisano, auf der Stelle des alten Nhisinium oder Nhizinium, einer römischen Kolonie/) und einst die wichtigste Stadt in diesem Theile des Landes, die dein später von Cattaro genannten Meerbusen den Namen 8inu8 M>i'2«m'eu5 gab. Die ganze Gemeinde Risano hat nur A9I6 Einwohner, welche, mit Ausnahme von achtzehn, znr griechischen Kirche gehören. Man findet in der Stadt einige Uebcrreste des römischen Rhizinium, und ungefähr vierhundert Fuß von der Pfarrkirche sieht man ein Pflaster von Mosaik. Auch hat man hier Münzen gefunden. Sehr merkwürdig ist die Volkstracht in Nisano. Die Männer tragen einen grünen kurzen Obcrrock, der vorn offen und um den Leib mit einer Schärpe gegürtet wird, in welcher schön gearbeitete Pistolen und ein I at ag an, oder langes Messer, stecken. Darüber ein gleichfarbiges Wamms mit goldenen Spangen und Schnüren, nnd auf dem Kopfe eine rothe Mühe mit einer goldenen Troddel. Weite schwarze Beinkleider, bis an das Knie reichend, fallen über rothe, reichgestickte Langstrümpfe (tu8!uk) und der Anzng endigt mit weißen Socken und schwarzen Schuhen. Eine Pfeife und eine mit Perlmutter eingelegte Flinte sind ein nothwendiges Zubehör. Die gewöhnliche allgemeine Tracht der Ein- 1) «Gine Stadt römischer Vmger," wie Pliliius (.lll, 32) sie bezeichnet. 2!7 wohner der Vocche di Cattaro oder der Vocchesen, ist nichts weniger als gefällig oder kleidsam. Ihre schwarze Farbe gibt ihr ein düsteres Ansehen, das dnrch die silbernen Knöpfe nnd die mit silbernen Griffen verzierten Pistolen, Dolche und Degen nicht gehoben wird. Ein schwarzer runder Hm nnd eine schwarze Halsbinde machen sie nicht weniger unziemlich. Die weiten schwarzen Beinkleider, dnrch eine rothe Schärpe um den Leib gcbnnden und am Knie über Stiefel odcr schwarze Strümpfe und Schnhe fallend, sind sehr häßlich, und dieses Gemisch von cnropäischem und morgenländischem Anzug nimmt sich ziemlich drollig aus. Diese Tracht, sagt man, sei ursprünglich spanisch, aber die weiten Beinkleider gleichen im Schnitt, wo nicht in der Farbe, eher den Beinkleidern der griechischen Schiffer. Die Einwohner der Stadt Cattaro haben die gewöhnliche europäische Tracht, wie in allen großen Seehäfen Dalmaticns. Von den 13,848 Einwohnern der Vocche di Cattaro gehören 7050 zur griechischen Kirche, und in Cattaro wohnen neun Inden. Die Einwohner sind betriebsame uud kraftvolle Leute, nnd haben oft in den Kriegen gegell die Türken und als die englische Flotte im Jahre 1814 an ihrer Küste kämpfte, Beweise ihres Muthes gegeben. Ihre Kriegslnst wird noch oft aufgerufen zur Vertheidigung ihres Eigenthmns gegen die Montenegriner, deren ränberische Versuche, besonders in den langen Winwnäch-ten, sie in steter Unruhe halten, und da viele Männer abwesend oder an Bord der Handelsfahrzcuge sind, so bleibt der Echntz ihres Eigenthumes nur einer sehr kleinen Anzahl wehrhafter Lente und zuweilen sogar den Weibern allein überlassen. Die Oestcr-reicher leisten ihnen jedoch dnrch einen Kordon von Scharfschützen ihren Beistand bei der Abwehr dieser lästigen Vesnche. Die B o cch escn haben eigenthümliche Gewohnheiten'), und obgleich auf einen schmalen Landstrich zwischen Bergen und Meer !) Petter a. a. O. Srit.' A'l ff. 218 beschränkt, sind sie doch bei ihrer Betriebsamkeit die reichsten Einwohner Dalmatiens. Jedermann hat das große Ziel im Auge, sich durch Handelsuntcmehmungen ein bequemes Anskommm zu sichern. Sie beschäftigen sich daher hauptsächlich mit auswärtigem Handel, und hat ein Voechese auf mehren Reisen so viel Reichthum erworben, daß er seine Geschäfte aufgeben kann, so kehrt er in seine Heimat zurück, und seine Kinder folgen der Laufbahn des Vaters, bis auch sie auf gleiche Weise ein Vermögen gesammelt haben. Ihre Häuser siud gut gebaut und reinlich, haben ein ganz wohnliches Aussehen, und viele liegen hübsch mitten in Garten. Abcr der B occhese liebt Zurückgezogcnheit und seht dasselbe einsame Leben fort, woran er sich auf seinem Schiffe gewöhnt hat. Ihre Kinder suchen sich gewöhnlich ihre Gattinnen in ihrem Bezirke, so daß die verschiedenen Familien meist mit einander verwandt sind.^) Die Vocche di Cattaro haben ein gesundes Klima, nnd die Trockenheit des Bodens schützt vor Fiebcru, die bei der zurückprallenden Hitze in einer feuchten Lage sehr vorherrschend sein würden. Im Sommer ist zwar die Hitze drückend, im Herbste aber das Wetter schr angenehm. Die Kälte ist dort strenger als in vielen nördlicheren Theilen der Küste Dalmatiens, wegen der Nähe des Gebirges, die auch stärkere Regengüsse bewirkt. Zwischen Perasto und Cattaro bieten sich mehre schöne Ansichten dar, und am Ende des Meerbusens erscheint die Spitze des Berges Lovecn über dem schroffen Berge bei Cattaro. Links zeigt sich das malerische Dors Dobrota mit seiner Kirche auf einer vorspringenden Landspitze, über welcher sich die Bergkette erhebt, die dieses Thal von Montenegro scheidet. In der Nähe lag eine römische Stadt, wie ans Bruchstücken von Mosaik, Wasserleitungen und anderen Ueberrestcn hervorgeht. Die Einwohner des Dorfes Dobrota, die alle zur katholischen 1) Petter a. a. O. Seite 20'i. 219 Kirche gehören, sind sehr reich, haben viele Schisse und ein bedeutendes Kapital im Handel. Ihre Häuser sind steinern, gut gebant, mit rothen Ziegeln gedeckt und oft mit hohen Mauern umgeben, um sie gegen die nächtlichen Ranbanfälle der Montenegriner zn sichern. Dieser Theil des Thales scheint zwar dnrch eine Neihe steiler Felsen ans der Seite von Montenegro hinlänglich geschützt zn sein, aber jenen wilden Gebirgsbewohnern wird es nicht schwer, selbst in dcrNacht hcrabzukommen, nnd wo sie dicMänner abwesend finden, bedenken sie sich nicht, in die Hänser cinzn-brechen. Der Schntz einiger dcntschcn Soldaten ist nicht hinlänglich, diese Ränbcreicn abzuwehren, und es erscheint sonderbar, daß die Oesterreich«, d'ie so streng auf die Pässe unschädlicher nnd friedsamer Fremden halten, so gleichgiltig gegen die Heimsuchungen dieser Ränber sind, die einer betriebsamen Bevölkerung wesentlichen Schaden zufügen. Jeder andere Mensch ist dazu vcrnrthcilt, seinen Paß unterzeichnen, gegenzeichnen, uutersucheu, bcargwöhuen, wo nicht verwerfen zu lassen, aus welchem Lande er auch kommen möge, während die Montenegriner, von welchen man weiß, daß sie bei jeder vorkommenden Gelegenheit nächtliche Nanbanfälle machen, ungehindert hin- und hergehen dürfen, und es wird ihnen kein anderes Hinderniß in den Weg gelegt, als daß man einer Partei von mehren Personen einen Paß gibt, so daß kein Einzelner verantwortlich ist. Ich will keineswegs den Gebrauch vertheidigen, bei jeder Wendung des Weges im Inneren eines Landes Pässe abzufordern, weil ich überzeugt bin, daß er lästig und ungerecht und zur Entdeckung schlechter Menschen unnöthig ist, und gibt es k'ne thätige Polizei, so wird sie Verbrecher verhaften, ohne den Schuldlosen zu belästigen. Müssen aber ehrliche Leute auf solche Weise heimgesucht werden, so müßte man es gewiß mit unehr-uchen eben so machm, nnd man sollte es nur für polizeiliche, nicht für politische Zwecke in Anwendung bringen. Vielleicht 220 ist dieses System, bei der Ueberzeugung von seiner Nutzlosigkeit, gegen die Montenegriner gemildert worden, wiewohl die Einwendung dagegen in dieser Beziehung nicht größer ist als in allen anderen Fällen. Gewiß werden Verbrecher eben so leicht in Ländern entdeckt, wo man keine Pässe kennt, als in andern, wo das Paßsystem am strengsten ist, und ein Paß ist ja oft gerade das Mittel, wodnrch das Entkommen gesichert wird. Wer der Polizei zn entgehen wünscht, sorgt immer dafür, seinen Paß ill Ordnung zu haben; es ist eine Pflicht gegen sich selbst, und viele Menschen sind daher durch ein ganzes Land gezogen, während alle Polizeibeamten ihnen auflauerten, weil sie falsche, aber ganz regelgerechte Pässe hatten, nnd so wurde das vermeinte Mittel der Entdeckung gerade das Mittel zu ihrem Entkommen. DieVclästignng dieses Systems fällt besonders anf den Unschuldigen, der in seinem ehrlichen Berufe mit Hindernissen gequält wird. Vielleicht wird er plötzlich zn einem sterbenden Freunde, zu einem nahen Verwandten gernfen, aber er mnß stundenlang, ja bis znm folgenden Tage warten, um seinen Paß unterzeichnen zu lassen, und wenn er es nnterläßt, ihn vorznzcigen oder in einer Stadt bei seiner Dnrchreise vor der Polizei zn erscheinen, so kann er als ein Verbrecher verhaftet und genöthigt werden, meilenweit wieder umzukehren, als ob er ein großes Verbrechen gegen die Gesellschaft begangen hätte. Aber das Paßsystem ist nicht nnr unzulänglich für den Zweck einer Entdeckung, es ist selbst dem Interesse der Gesammtheit nachtheilig. Oft wird ein Schnrke ill Stand gesetzt, unter dem Schntzc eines falschen Passes seine Betrügereien zu machen. Gin merkwürdiges Beispiel erlebte man vor einigen Jahren, als eine Gaunerbande einige der angesehensten Wechsel-hänser in Europa betrog, wobei sie unabsichtlich von der Polizei unterstützt wurde, welche alls eine Anfrage der Handelshäuser erwiderte, daß die Pässe richtig wären, nnd auf diese Weise weitere Nachforschungen unterbrach, indem sie für die Ehrlichkeit der 221 Schurken haftete. Wozu also nützt das System? Warum wird der Gesammtheit die Last aufgelegt, eine Anzahl unnützer Be-amtcu zu bezahlen? Wahrlich, übernimmt es die Polizei, eine Versicherungsanstalt für die Gesammtheit zu sein, so sollte sie in Fällen, wie der erwähnte, für das durch ihre Mitwirkung erlangte Geld verantwortlich sein. Es besteht in Oesterreich eine Einrichtung, welche man, wie ein angesehener Staatsbeamter mir versicherte, für unumgänglich hält, und die beweisen kann, wie nothwendig es ist, einen Past für jeden Theil Europa's zu haben, ehe man das kaiserliche Gebiet besucht. Ist zum Beispiel ein Paß in Zara nach Cattaro visirt, und der Reisende wünscht, bei seiner Ankunft in dieser Stadt uach Montenegro zn gehen, so kann er dieß nickt thun, ohne wieder nach Zara umzukehren und den Paß für jenes Land visiren zu lassen, weil die Polizei zn Zara ihre Gründe haben kann, ihm nur Erlaubniß zur Reise nachCattaro zu geben. So erscheint der arglose Fremde überall mit dem Brandmal, daß er, wo nicht ein Verbrecher, doch wenigstens verdächtig sei. Es versteht sich von selbst, daß jeder Staat berechtigt ist, an seiner Gränze jeden Reisenden zuzulassen oder zurückzuweisen, der nicht aber ihn hinterher einer beständigen Qnälerci nnd Beargwohunng ansznschcu, was oft einer wirklichen Vcrnrtheilnng'gleich kommt, ist beleidigend und herabwürdigend, nnd man muß sich wundern, daß Europa im neuuzehnten Jahrhundert den dadurch eingeschärften Grundsatz duldet: ,,Jedermann ist schuldig, bis er seine Unschuld bewiesen hat." Dieß ist der Grundgedanke des albernen und drückenden Paßsystems. Ungefähr anderthalb Meilen von Dobrota liegt Cattaro — lyrisch Cottor — die Hauptstadt dcS gleichnamigen Kreises. Sie 'st von einer Mauer mit Thürmeu umgeben und wird auf der Nordscite durch eiuen starken Wall und einen Graben geschützt. Unmittelbar über der Stadt auf einem schroffen, oben von dem 222 übrigen Verge abgesonderten Felsen liegt ein Schloß, das mit der Stadt durch einen Zickzackwcg verbunden ist, der sehr viele Schießscharten und hier und da anch Dessnnngcn für Geschütze hat. Die Oesterreicher halten in nnd um Cattaro ein Bataillon Jäger, das bei meinem Vesnche ans Lombarden bestand. Es gibt wenig pflugbares Land in den Umgebungen der Stadt nnd die Einwohner sind, wie andere Boechesm. meist mit Handel beschäftigt. Die ganze Gemeinde Cattaro hat 3550 Einwohner, unter welchen 2384 Katholiken, 1157 Mitglieder der griechischen Kirche und 9 Juden sind, nnd unter 34,32« der Bevölkerung deS ganzen Kreises zählt man nur 9819 Katholiken und 24,498 Griechen. Die Stadt hat zwei griechische Kirchen, von welcher eine in Styl und Bauart den Kuchen in Athen gleicht, wiewohl sie weit weniger interessant ist. Die Stadt hat keine Merkwürdigkeiten. Die Straßen sind enge und die Hänser ziemlich wie in anderen Städten der Venetianer, an deren ehemalige Herrschaft, wie gewöhnlich, der geflügelte Löwe erinnert. Die Stadt hat drei Thore, von welchen zwei bei Sonnenuntergange geschlossen werden, das Thor auf der Secseite aber bleibt bis um elf Nhr und an den Tagen, wo das Dampfschiff anwesend ist, bis um Mitternacht offen. Vor dem östlichen Thore liegt der Vazar, der an die Agora der alten griechischen Städ'te erinnert, die auch, wie ursprünglich jener Marktplatz, außerhalb der Mauern lag. Den Markt, der jeden Dienstag, Donnerstag und Sonnabend gehalten wird, besuchen die Montenegriner, die Cattaro mit Bedürfnissen verschiedener Art versorgen und daher in dieser Beziehung für sehr nützliche Nachbarn gelten können, welche der Stadt weit mehr Vortheil bringen, als sie von ihr ziehen können. Wenn eine über die Berge bis an die Gränze von Montenegro geführte bequeme Straße die Verbindung erleichterte, so würde der Vortheil anf der Seite der Oesterreicher sein und jede von dem Vladika, dem Bischof .von Montenegro, in dem ihm gehörenden Theile gemachte 223 Verbesserung würde sein Gebiet unsicher machen'). Niemand kann glauben, daß eine Militär-Straße für jene Gebirgsbewohner uothwendig sei, nm ihnen den Vesnch des Marktes zn erleichtern. Sie machen lieber bergan und bergab kurze Wege, als daß sie den langen Zickzack-Pfaden folgen mögen. Eine solche Straße Würde offenbar eher geeignet sein, Geschütze und Kriegsvolk nach Cetinje°) zu bringen, als Eier und Kartoffeln nach Cattaro zu schaffen. Die Weiber der Montenegriner, die den Markt besuchen, dürfen frei in die Stadt gehen, von den Männern aber wird nur eine gewisse Anzahl zugelassen und sie müssen ihre Waffen in dem Wachhause zurücklasscu. Vou alleu zum Verkaufe auf den Markt gebrachten Waaren muß bei der Ankuuft in Cattaro eine Abgabe erlegt werden, oder wenn sie durch das Land gehen, nnr ein mäßiger Durchgaugszoll. Herrscht die Pest iu der Türkei, so müssen sich die Montenegriner denselben Beschränkungen unterwerfen wie dic Türkeu, sie dürfen dann nicht frei uach Cattaro kommcu und Menschen und Waaren sind zu dm gewöhnlichen Einsperrungen und Räucherungen vcrurtheilt. Die Trachteu der Moutenegriner, Männer und Weiber, sind ungemem malerisch und ein Künstler findet gute Studien in den Gruppen, die unter deu Bäumen sitzen oder uuter den Schirmdächern, die sie gegen den uicht selten in Cattaro herabströmcn-ten Regen schützen. Hier sieht er einige Perjanikl y, die Einkäufe iu Cattaro machen wollen, und ihreu reichen Anzug, ihre "n't Silber verzierten Waffen schautragen; dort geht ein verdicnst- 1) Schon als die Franzosen Cattaro ill Vcsih hatte:,, s^,'ll der Marschall larmuiit den Montenegrinern de» Antrag gemacht lMm, auf Frankreichs "sten cine Straße u«n Eattnro bis Nikschischi, in der Herzegowina bauen zu Mu, aber die Montenegriner haben aus guten Gründen dieses Erbieten abgelehnt. , ^ 2) Der Wohnsitz des Vladika. Siehe Abschnitt VI. 3) Trabanten des Vlabika, zu deutsch: Fcderbusch- Tlüg e r. L. 224 voller Krieger, auf der Schulter die gewöhnliche Strnka '), die er vielleicht auf der Erde nachschleppen läßt, und die Medaille auf seiner Brust verkündet, daß er schon viele Türkenköpse als Siegeszeichen nach Cetinje gebracht hat. Weiber besehen und mustern die Tücher oder Putzsachcn, die sie eben in der Stadt ge< kauft haben, und junge Männer mit den gewöhnlichen Stutzergc-bcrden, der Mütze auf einem Ohre und einem Knoteustocke unter dem Arme, schwatzen über uubcdeutende Tagesneuigkeiten aus Montenegro. Einige österreichische Soldaten lassen sich sehen, um Ungchörigkciten zu verhüten. Einige Spekulanten aus Cattaro, deren düsterer Anzug gegen die buntfarbigen Trachten der Montenegriner absticht, handeln mit den Weibern, die bei ihren Körben sitzen, oder kaufen Schafe, Brennholz oder Gemüse von armm Gebirgem, mit dem behaglichen Lächeln, das den Gewinn andeutet, den sie von ihrem Einkaufe zu machen denken. Die Einfuhr nach Cattaro ist weit bedeutender als die Ans-fuhr nach Montenegro, sowohl nach dem Betrage als nach der Beschaffenheit. Brennholz, «Kartoffeln und viele andere Dinge kommen ausschließend aus jenem Lande nnd die Stadt ist von den Nachbarn fast für alle Lebensmittel abhängig, die sie aus keiner andern Gegend so bequem oder so wohlseil beziehen könnte. Die in Cattaro erhobenen Abgaben von Waaren ans Montenegro sollen jährlich 27,000 bis 29,800 Gulden betragen. Kommt man znr See nach Cattaro, so werden im Zotthause dieselben Nachforschungen augestellt, wie in anderen Hafen Dal-maticns, mögen die Waaren aus dem Auslande oder ans andern Theilen Dalmatiens kommen. Die Verordnungen gegen Tabak sind so streng, daß die Eiuführung irgcud eines Betrages den Uebertreter dem Verluste der Waare und einer Geldbuße von 16 Gulden fin jedes Funto aussetzt. Dieß soll als Schutz für die Appallatori oder Pachter der Tabaksteuer dienen. Trotz dieser l) Üin lüeist grau« Ueberwurf, w^ cin Shawl. L. 225 Strenge aber raucht Jedermann an der Gränze eingeschmuggelten türkischen Tabak, da die Leichtigkeit verbotene Waare zu erhalten, wie gewöhnlich, znm Schleichhandel ermuntert. Es könnte ill der That eine sehr gute Ernte dieses einträglichen Erzeugnisses inDal-maticn gewonnen werden, aber dieß wird nicht gestattet, und die Negicftmg vernachlässigt die Gelegenheit, ihre Einkünfte durch Zulassung der besten Waare gegen höhere Abgabensätze zu verbessern. Es ist gewiß kein Grund dafür zu finden, daß die Menschen vermtheilt sein sollen, schlechte Dinge zu verbrauchen, wo gute zu erlangen sind, uud das Verbot ist geradezu eine Einladung zum Schmuggeln, und die Dalmaticr kaufen ein wenig erlaubten Tabak, um ihn in ihrem Beutel zum Vorzeigeu zu haben, während sie den ciugcschwärzten türkischen rauchen. Cattaro liegt auf der Stelle der Nömerstadt Ascrivium^). Porphyrogenitus nennt sie Dee at era, und meint, sie habe diesen Namen von ihrer Lage an ciuem schmalen Meerbusen erhalten, und Andere leiten den Namen von dem häufig dort fallenden Regen her ^); aber die Etymologie ist herkömmlich elastisch, und dasselbe Wort, in welchem Einige Negen und Katarrhe sehen, hat Andere auf den Gedanken an reine Luft gebracht. Die Sarazenen in Sicilien eroberten im Jahre 807 die Unterstadt Dccatcra, später kehrten aber die Einwohner zurück und befestigten den Felsen, auf welchem die jetzige Citadelle liegt, wiewohl Einige die Entstehung des neueren Cattaro den entflohenen Einwohnern einer im ncuuten Jahrhundert zerstörten gleichnamigen Stadt in Bosnien zuschreiben. Cattaro hatte später eine republikauischc Verfassung unter dem Schutze der Könige von Serbien, bis zum Jahre 1172, uud währeud dieser Zeit wurde dort eine Münze ge-prcigt, Trifoni genannt, von dem Bilde des heiligen Trifoue, 1) Plinius III. 2«. 2) Von ««?«^ttl. Dalmaticn und Montenegro, l. 15 220 deS Schutzheiligen der Stadt ^). Sie kam in wr Folge „nter die Herrschaft der griechischen Kaiser und 11!17 wieder unter Serbiens Schutz 2). Die Tempelherren hatten ans kurze Zeit Cattaro m Besitz, wie Clissa, Knin und andere Städte, und einige von diesen blieben ihre letzten Vesten bis zur Unterdrückung ihres Ordens im Jahre 1312. Als die Einwohner von Cattaro nach dem Tode des Beherrschers voll Serbien, Stephan Urosch, im Jahre 1367 sahen, daß die Serbier sie nicht mehr schützen konnten, begaben sie sich unter den Schuh des großen Ungarköuigs Ludwig, den sie genossen, bis ihre Stadt 1378 von den Vcnetianem genommen wurde, welche sie 1381 wieder an Ungarn zurückgaben. Nach Ludwigs Tode nahm der König Twartko von Bosnien sie in Besitz, bis sie später ihre Freiheit wieder erlangte. Wahrend dieser Zeit waren sie stets mit den Ragusanern im Kriege; als sie aber im Jahre 1419 ihre Gegner zu stark fanden und die wachsende Macht der Türken fürchteten, ergaben sie sich den Venetia-nern, unter der Bedingung, ihre Gesetze, ihre eigenen Obrigkeiten und ihre Vorrechte zu behalten. Cattaro hat nicht so alte Statuten, als einige andere Städte Dalmatiens. Es war wie Nona, Sebcnico, Lösina und Brazza eine slavische Stadt und nahm erst spät die Statuten der Nachbar-Gemeinden an, blieb lange ohne geschriebene Gesetze, und wie man glaubt, hat sie die Statuten der römischen Städte angenommen, die nach dem Einbrüche der Avaren ihre alten Einrichtungen behielten. Die Stadt hatte selbst nach dem Ende des fünfzehnten Jahrhunderts aus verschiedenen Ursachen viel zu leiden. Sie ward in den Jahren 1538 und 1657 von den Türken belagert, und die Erdbeben von 1563 und 1667 und die Pest im Jahre 1572 tha- <) Pcttci a. a. O. Seite 187. 2) S.Farlati's lü^u», «u«>'um, V, 435. 227 ten der Stadt und ihren Einwohnern großen Schaden. Nach dem Umstürze der Republik Venedig 1797 sicl sie in die Gewalt der Oesterreicher, und als Dalmatien 180« an Frankreich kam, wurde Cattaro von den Russen weggenommen, die es bis zum Tilsiter Frieden behielten. Zu Ende des Jahres 1813 ward es von den Engländern uuter Hoste genommen, der durch die ungemcine Geschicklichkeit, womit er schwere Geschütze auf die felsigen Höhen führte, die Cattaro bestricken, das höchste Lob des französischen Befehlshabers gewann, der es für unmöglich erklärt hatte, dort eine Batterie zu errichten. Die Stadt ward in zehn Tagen mit dem Verluste eines einzigen Mannes genommen und der General Gauthier gericth mit der ganzen Besatzung in Kriegsgefangenschaft. Bei dem Angriffe auf die Franzosen in Cattaro und der Umgegend machten die Voechesen lebhafte Vctheuerun-gcn ihrer Freundschaft uud ihrer Bereitwilligkeit zum Beistände; kaunt aber hatten sie gesehen, daß die Engländer die Geschütze der Vcste einschifften, als die Gemeinde Perasto ihr Mißfallen verrieth, was auf die Vermuthung führte, daß ihre Freuudschaft mehr aus der Furcht vor den Montenegrinern als aus dem Wunsche hervorging, ihr Land zu befreien. Die Mitwirkung des Vladika vonMontcnegro war aufrichtiger, und als geschworeue Feinde der Franzosen leisteten die Montenegriner Beistand bei der Einschließung von Cattaro. Zum Unglück aber ward ihr Unwille dnrch die Oestcrreicher gereizt, die Anspruch auf die Oberherrschaft über das freie Montenegro machten, und diese Verstimmnng wurde vicheicht durch den geheimen Wnnsch erhöht, selber zn dem Besitze von Cattaro zu gelangen. Die Folge war, daß sie den österreichischen Kriegsvölkern den Durchzug durch ihr Land von Castel Nuovo verweigerten, was alle Parteien in große Verlegenheit brachte und das Mißfallen der britischen Regierung erregte. Cattaro blieb in der Gewalt der bürgerlichen Obrigkeit und wurde bann von den Montenegrinern besetzt, die es bis znm Innius 15* 228 1814 behielten, als es an Oesterreich abgetreten ward und der Vladika mit seinem Kriegsvolke sich nach Eetinjc zurückzog. Cattaro liegt ungünstig unter einem öden Felsen und ist in der heißen Sommerzeit ein wahrer Backofen bis in den September, wo das Wetter sich abzukühlen beginnt und die Abende sehr angenehm werden. Das Thermometer steigt zwar im Sommer nicht über 22" oder 2N" Mamnnr im Schatten, aber die Hitze ist bei der eingeschränkten Lage der Stadt sehr drückend, und wiewohl im Winter das Thermometer selten nnter den Gefrierpunkt fällt und das Eis nur einige Tage dauert, so ist doch die Kälte sehr empfindlich; heftige Stürme sind dann häufig und die Stadt ist den schneidenden Windstößen ausgesetzt, die von dem hohen Lo-veen oder Sella herabwchen, der unmittelbar hinter der Veste emporsteigt und dann mit Schnee bedeckt ist. In den Wintermonaten fällt der Regen in großer Menge und dauert oft mehre Tage, wenn er einmal angefangen hat. Die Veränderung tritt gewöhnlich gegen Ende des Septembers ein, und wer Montenegro besuchen will, sollte Cattaro nicht später als bis zn Anfange oder zur Mitte des Septembers verlassen. Die Lage der Stadt hat auch den Nachtheil, daß sie in jener Jahreszeit dicken Nebeln ausgesetzt ist, uud da sie unter der Westseite eines der höchsten Berge Dalmatiens liegt, so wird sie am Morgen länger als eineStuude nicht von der Sonne beschienen, wogegen die Berge anf der entgegengesetzten Seite ihr sehr früh am Abend das Licht entziehen. Das Klima ist jedoch gesund. Von einem der schönsten Häfen in der Welt ist es wenig gesagt, wenn man ihn als gut und sicher rühmt. Der ganze Meerbusen bietet eine Folge trefflicher Häfen dar. Auf dem ebenen Lande am Ende der Bai ist der öffentliche Spaziergang, der ringsum am Wasserrandc bis zn dem Dorse Mulla geht, aber der Gebrauch, die Thore zu früher Stunde zu schließen, raubt den Einwohnern das Vergnügen einer solchen Wanderuug gerade in derZeit, wo es den größten Genuß gewährt. 229 Während menu's Aufenthaltes in Cattaro ging ich nach dem Dorfe Dobrota, um eine Hochzeit zn sehen. Die Feierlichkeit war der bei denMorlachen üblichen') ziemlich gleich. Zwölf bis dreizehn Weiber, Freundinnen der Familie, in festlichem Putze, tanzten in einem Kreise 2) bei einem langsamen, fast klagenden Gesänge vor dem Hause des Bräutigams, während die Vrant erwartet wurde. Nach einiger Zeit kam sie in einem Boote, und als sie gelandet war, gingen alle Weiber zur Kirche unter einem grchcu Regenschirme, der mit goldenen Troddeln und Tüchern verziert war, offenbar eine Nachahmung des Baldachins bei einem hochzeitlichen Aufzuge im Morgenlande. Mittlerweile hatten sich die Männer versammelt uud zogen, in einem Kreise tanzend, in den Hof vor der Kirchthüre, was in ihrer schwarzen Bocchesen-Tracht mit den silberverzierten Waffen eine sehr sonderbare Wirkung machte. Die Weiber zogen paarweise in dicKirche, uud alsdie ganze Gesellschaft angekommen war, knieten Braut und Bräutigam vor dem Altare uicder, auf beiden Seiten von den Eompari ^) unterstützt. Der Priester las dann die Liturgie, worauf Alle zu bem Hause des Vaters der Braut zogcn, um die üblichen Festlichkeiten zu genießen. Der Anzug der Frauen glich ziemlich der in den Dörfern an diesem Ende des Meerbusens gewöhnlichen Tracht, die sich durch die kurze gestickte Jacke und den Kopfputz auszeichnet, der aus einer Menge von Nadeln mit goldcncnKnö-ftfen, die den ganzen Hiuterkopf bedecken, und fliegenden buutcn Bändern besteht. Die Frauen in Dobrota sind hübsch und bilden sich viel auf ihre zarte Hautfarbe ein, aber ihre eifersüchtigenNach-barinncn wollen wissen, daß sic sich an dcn Füßcu avcrlasseu, um die Blässe zu behalten, womit sie sich zieren. 1) Siehe Abschnitt Vlll. 2) D« Kollo »der Kreis ist dic Figur bei all ihr»» TäüM, doch sind °" Tanzschritte verschiede. Dieser Kreis U'ar an cinem Gnde offen. 3) Vtantfichnr. 230 Am Ende der Bai öffnet sich ein Thal zwischen den Bergen, durch welches der Weg nach Vudva geht, das elf bis zwöl Meilen entfernt ist, der letzte bedeutende Ort in Dalmatien oder, wie dieser Theil früher hieß, dem venetianischen Albanien. Vndva war eine der römischen Städte in Dalmatien. Im neunten Jahrhundert wurde sie von den Sarazenen zerstört und 1571 von den Türken genommen und verbrannt, welche sie im Jahre 1687 mit einemHeere von 1l),NW Mann belagerten, wo sie von dem Feldherrn der Venetianer Cornaro tapfer vertheidigt wurde. Sie ist nach alter Art mit einfachen Mauern und Thürmen befestigt und anf der Südseite erhebt sich ein Schloß auf einem Fclsm. Das umliegende Gebiet ist sehr beschränkt, besteht nur aus einem schmalen Landstreifen zwischen den Bergen und dem Meere, und die ganze Gemeinde hat nicht mehr als 937 Einwohner. Sechster Abschnitt. Montenegro. Montenegro's Name, Lage, ylächenraum und Gintheilung. Allgemeine Ansicht des Landes. Berge und Flüsse. Gewächse. Fische. Bevölkerung. Ortschaften. Muth der Montenegriner. Ihre physische Beschaffenheit. Lungenkraft. Langlebigkeit. Sklaverei der Weiber. Heiraths gebrauch e. Einrichtung der Häuser. Ackerbau. Hindernisse der Gesittung. Ausfuhr und Ginfuhr. Manufakturen. Waffen. Kriegs-gewohnheiten und Kamftfart. Gastfreiheit gegen Fremde. Lebensweise. Spiele. Trachten. Erziehung und Schule». .Heilkunst. Aberglaube. Religion. Regierung. Der Vla-dila und seine Gewalt. Veränderungen in der Verwaltung. Schwierige Stellung des Vladika, Peter Petrovich Negosch. Geschichte Montenegro'S. Nach einem kurzen Aufenthalte in Cattaro traf ich Vorbereitungen zu einem Aussinge nach Montenegro, und mit einem Briefe von dem Kreiskommissar Ivacich') in Cattaro an den Pladika versehen, erwartete ich alle Befriedigung von dem Bc-'suchc jenes Landes, die ich nachher genoß. Die Höflichkeit und Gastfreiheit des Beherrschers vou Montenegro kann ich in der That nicht genug rühmen, und seine freundlichen Gesinnungen gegen Fremde, die Antheil an seinem Lande nehmen, erhöhen nicht wenig das Vergnügen eines Besuches in Montenegro. Dieses kleine Bergland, das die Venetian« Montenegro !) So und nicht Ivatich ueunt ihn Aiasoletto a. a. O. Seite 5!. L. 232 nannte», wird von den eingeborenen Slaven in gleicher Bedeutung Ecrnigoral) oder Ccrnogora (Schwarzgebirge) genannt und soll diesen Namen von dem düsteren Ansehen seiner bewaldeten Berge führen, die vor Zeiten dichter mit Bäumen und Gesträuch bedeckt waren, als in nnsercn Tagen. Bei den Türken heißt das Land Karadagh, was gleichfalls dieselbe Bedeutung hat, und die Einwohner nennen sich ill ihrer Sprache Tzernogorki. Montenegro bildete die südwestliche Ecke des alten Königreiches Serbien, 2) dcss^ Gränzen nnter seinem berühmten Kaiser Stephan Duschan um die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts vom adriatischen und schwarzen Meere, vom Archipelagus und der Donau bespült wnrden. Das Land liegt zwischen 42" 10' und 42« 5s/ nördlicher Breite uud 18° 41' und 20° 22' östlicher Länge, mit Ginschluß des Bezirks Kuosi oder Kutska, welcher der östlichste ist, aber sich ueuerlich von Montenegro getrennt hat. Westlich ist es bcgränzt von dem Kreise Cattaro, nördlich von der türkischen Provinz Herzegowina und einem Theile Bosniens, östlich und südlich von Albanien. Der Flächenraum wird zu 80 bis 90 geographischen Gcviertmeilen, und der Umsang zu ungefähr 70 Meilen") geschätzt. Das Land wird in acht, nach 1) Das Czernu der Nuffen und das Tserno der Süd-Slaven bedeutet schwarz. Auch die Venctianer sprechen c« wie t«« aus, und daher schreiben sie (^rnnAnra. 2) Die eigentliche Heimat der Serben, wo sie noch jetzt wohnen, erstreckt sich über das heutige Serbien bis jenseit des Valkans und umfaßt ganz Bosnien, die Herzegowina, Montenegro, die Gegend vonNntivari, das österreichische Albanien, Nagusa, Dalmatien, das türkische und österreichische Kroatien, Slavonien, Syrmien, den größten Theil des Vaeser siomitats u»d erstreckt sich längs der Donau bis oberhalb Ofen und über einen großen Theil des Nanats, In diesen Gegenden wohnen über fünf Millionen Slaven von einem Stamme nud einer Sprache, bloß durch den Glauben unterschieden. Ungefähr drei Millionen gehören zur griechischen nicht unirteu Kirche, von den übrigen zwei Millionen bekennen sich zwei Drittheile zum Islam uud ein Drittheil gehört zur katholische» Kirche. L. 3) Petter a. a. O. Seite 209. 233 anderen Angaben in stebenVezirke oder Nahien^) getheilt, deren jeder aus mehren Gemeinden oder sogmannten Stämmen (pie-men») besteht, die eigene Namen haben. Das eigentliche Montenegro enthält die vier Nahien: Hatunska, die größte und be-völkertste von allen, mit neun Gemeinden, Riecska mit fünf, Licschanska mit drei und Cermnitza oder richtiger, aber seltener Cernitza mit sieben Gemeinden. Dazu kommen vier Ge-birgsbezirkc, slavisch Berda genannt, nämlich: Bieloftav-lichi mit drei2), Piperi mit drei, Moracsa mit drei,^) Kutska mit fünf^) Gemeinden oder Stämmen. Die letzten vier Bezirke werden als erste, zweite, dritte und vierte Verda bezcich-net und geben dem Fürstbischof einen Zusatztitel: Vladika von Montenegro und V erda. IedeGemeinde wird von einem Kniaz oder Grafen uud einem Verakdar^) überwacht, jede Nahie von einem Sirdar und einem Voiw oda verwaltet, Aemter, die gewissen Familien vorbehalten sind und von Vater auf Sohu erben. Die Nahie Ku tska warmsprünglich uuabhäugig vouMontc-negro, bis sich ilm das Jahr 1836 die Einwohner unter die Gewalt des Vladika stellten, einen Senator nach dem Haufttorte Ce-tinje schickten und die Vorrechte der übrigen Bezirke erhielten; als aber die Auflegnug von Steuern sie argwöhuisch machte, kündigten sie 1843 den Gehorsam auf und sind nun Montenegro's bitterste Feinde. Eiue andere große Ursache dieser Feindseligkeit war der Umstand, daß sie die eiuzigen Katholiken im Lande waren, was ihrer herzlichen Vereinigung mit den übrigen Unterthanen des Vladika im Wege stand; denn keine Partei steht der an- 1) DaS Wort ist von den Türken entlehnt, ursprünglich aber arabisch und bedeutet Theil. 2) Nach Viasoletto vier. L. 3) Viasoletto vier. L. 4) Bin sol et to vier. L. 5) Gin türkisches Wort, das Fahnenträger bedeutet, wie das italie-'"sche »Ill^v. 234 deren in Sektirer-Vorurtheilen nach, und der Haß einer Nebenbuhler-Sekte erscheint den zur griechischen Kirche gehörenden Montenegrinern eben so natürlich als ihren Gegnern, welchen sie liebreich den brandmarkenden Namen Piessiaviri'), „Hundegläubige", beilegen, ein Schmähwort, das sie freigebig den Fran-zosen und den Ragnsanem zuwarfen, als sie 180t» Ragusa's Gebiet plünderten. Kutska liegt im äußersten Osten von Montenegro, an der Gränze Albaniens, und diesem Bezirke zunächst Pi-peri, dessen Bewohner die großen Vorkämpfer der Freiheit Montenegro's aus dieser Seite sind, die kriegslustigsten und rüstigsten Feinde der Türken, und im Stande, gegen 4000 Bewaffnete ins Feld zu stellen. Man kann keineswegs, wenn man von Cattaro nach Cetinje reiset, über Montenegro und die Montenegriner urtheilen, oder, bemerken, wie dieses Land von dem türkischen Gebiete seitwärts berührt und eingeschnitten wird, und man muß bis an die beiden Gränzpunkte gegen Nikschich und Spuß gehen, wenn man ein richtiges Urtheil über den Charakter des Volkes und die Schwierigkeiten seiner Lage sich bilden will. Man würde dann viele irrige Ansichten widerlegt sehen, die in Cattaro gewöhnlich sind, wo einige Vocchesen und selbst Oesterrcicher den Montenegrinern den Ruf der Tapferkeit streitig machen. Petter erklärt^) nicht nur, daß sie an persönlichem Muthe unter den Voechcsen stehen, sondern auch nur das Verdienst haben, ihre Heimat zu vertheidigen oder hinter Mauern zu fechten. Wie er sagt, sollen sie in ihrem Zusammentreffen mit den Franzosen in den Jahren IM', und 1807 keine Beweise von Muth'gegebcn und große Fnrcht vor dem Geschütze gezeigt haben. Aber ohne eine so unbillige Behauptung zu erörtern, begnüge ich mich mit der Bemerkung, daß ihre Unabhängigkeit, ihre Kriege mit den Türken und ikre ganze Geschichte 1) Von Piess, Hund. 2) A. a. O. Enteil. 235 genügend für ihren Muth sprechen, und der Oberst Vialla de Sau-micrcö, der während der Franzosen-Herrschaft Befehlshaber in Cattaro war, und Andere, die Gelegenheit hatten, nach eigener Erfahrung zn mtheilen, legen Zeugniß dafür ab. Ein Gesammtüberblick des Landes zeigt uns eine Folge von hohen Bergrücken, die hier und da von einem cmfgcthürmten Gipfel unterbrochen werden und tn einigen Theilen wie ein Meer von ungeheuren, plötzlich versteinerten Wogen aussehen. Bänme und Gesträuche wachsen zwischen den Klippen, und in dem rauhen Bezirke von Cevo gleichen die Felscnspaltm einem Eismeer, über welches kein Pferd gehen könnte, ohne die Beine zu brechen. Alle Berge sind Kalksteinfelsen, wie in Dalmatien, aber nirgend m diesem Lande sind sie so umhcrgeworfen wie in Montenegro, wo ein ill Krümmungen laufender, durch einige große lose Steine kaum angedeuteter Strich, den man eine Straße nennt, einem Fußgänger es kaum möglich macht, von dem Gipfel einer Anhöhe auf einen anderen zu kommen. Einen Begriff von dem ranhen Charakter des Landes kann uns der Eindruck geben, den er auf die Bewohner selber macht, die zu sageu pflegen, als Gott über die Erde gegangen sei, um die Steine zu vertheilen, sei der Sack, worin er sie getragen habe, zerrissen und der ganze Vorrath auf Montenegro gefallen. <) Die bedeutendsten Berge sind: der Lovchen oder Sella, der die Katunska von dem Küstenlande scheidet und bis zum Julius in seinen Vertiefungen Schnee hat, der Schtirovuik, der Stavor, der Garach oder Garacs, der Pusti-Lisah, in der Nahie Katunska, der Doberschtik in der Riecska, der Sn-torman in Cermnitza, der hohe Kom^) zwischen der Nahie 5) Ich verweise auf einen trefflichen Aufsatz über Montenegro von dcm Grafen Valerian KrasinSki in dem 8,-iti^i am! ^'ni«issn qnni-tol-l? lie-"«", Januar 184N. 2) Der türkische Name für V erg uon dem arabischen Worte, das ai, das 236 Kutska und Albanien, der aber jetzt nicht mehr zu Montenegro's Bergen gerechnet werden kann. — Die einzigen Flüsse, welche diese felsigen Bezirke bewässern, sind die Zetta oder Ceta inBielo-pcwlichi, die Moracsa, die Ricka d. i. der Fluß Cernojevichi und die Ccrmnitza, die in der gleichnamigen Nahic entspringt. Alle diese Flüsse ergießen sich in den See von Scutari. Die Ietta vereinigt sich mit der Moracsa nördlich von Podgoritza und fällt unweit Zsabliak') nahe bei der Rieka Cernojevichi in den See, und die Cernmitza mündet ungefähr vier Meilen weiter südlich. Es gibt noch einige kleinere Flüsse, wie die Orochovka, Sagavatz und Sitnitza und andere Zuflüsse der Zetta, aber keiner ist über acht Meilen lang und der größte Fluß, die Zetta, hat bis zu seiuer Vereinigung mit der Moracsa ^) nur ciue Länge von siebzehn Meilen. Die am hänfigsten vorkommenden Bäume sind Eichen und Stechpalmen, Eschen, Buchen, Kiefern, Nußbäume, Haselstau-deu, Holzbirnen, Pappeln, Weiden und Erlen; Neben, Pfir-schen, Grauaten, Oelbäume, Maulbecrbänme und andere Fruchtbäume werden gleichfalls angebaut. Das schätzbarste Holz ist das Gclbholz oder derPcrrückenbaum"), das Sco ttano, daS hauptsächlich im Bezirke Cevo wächst und selbst nach Frankreich ausgeführt wird. Das Holz dient zum Gclbfärbcn und die Blätter, die Zweige und das Holz werden zu Lohe gemahlen und unter dem Namen Sumach zum Gerbeu, besonders zmVereitung des Saffians gebraucht. — Das Unterholz auf den Bergen besteht meist aus Erdbeerbänmen, Wachholder, Rosmarin, Myrthen, Brombeeren und anderen dieser Gattung und den in Dalmatien gewöhnlichen lateinische <-i»iulu5 erinnert. Mau gibt diesen Namen mehren Vcrgeu m der europäischen Türkei, meist vereinzelten Gipfeln. N Oder Xabliat, ailch Zabliak geschrieben, DaS slavische r oder zS lautet wie das französisches 3) Sie scheidet Piperi Von KutSka. 3) KI»U8 l^atinu». 237 Sträuchern; auch soll in einigen Gegenden der Lärchcnbaum, die Zypresse, die Fichte, der Eibenbamn, die Kastanie, die Platane und Linde vorkommen. Die vorzüglich angebauten Pflanzen sind Mais und Kartoffeln; Kohlarten, Blumenkohl und Tabak wachsen auch in großer Menge und Gemüse gehören unter die bedeutendste Ansfnhr. Die Kartoffeln sind in der That ein sehr vortheilhaftes Erwerbnisi für die armen Gebirgsbewohner geworden, sowohl zur Nahrung als zur Ausfuhr, und sie verdanken es dem verstorbenen Vladika, Peter Petrovich, der die Kartoffeln 1786 nach seiner Rückkehr aus Rußland einführte. In dem Bezirke Cermnitza zwischen dem See von Scutari und Dalmatien gibt es mannigfaltigere Erzeugnisse als in irgend einem Theile des Landes, und den dort gewonnenen Wein hält man für gesünder als die Gewächse aus Dalmatien. Das Thal Vielopavlichi hat anch treffliches Getreideland; der Mais gedeiht bort üppig und ich ritt dnrch einige Felder, wo die Halme den Reiter überragten. Der Boden in Eernmitza aber ist weit fruchtbarer und erzeugt in Uebcrstuß Wein, Oliven, Carnbcn, Mandeln, Feigen, Acpfcl, treffliche Quitten, Wallnüsse, Granatäpfel und andere Früchte. Die Einwohner sind daher die reichsten Montenegriner, und dieß ist auch der einzige Theil des Landes, wo man Fortschritte im Ackerbau gemacht hat. Aus Allem, was ich gesagt habe, geht hervor, dasi Montenegro kein Land für Pferde ist, die sehr selten sind und nur erst vor einigen Jahren von dem jetzt regierenden Vladika eingeführt wurden. Niemand ist beritten, außer den Häuptlingen und der Leibwache des Vladika, die ein Italiener im Reiten unterrichtet hat. Griechenland, das immer wegen des geringen Verhältnisses ber ebenen Thäler zu den Bergen bekannt war, hatte seine Ebenen ^on Argolis und Attika nnd anderen Bezirken, aber Montenegro hat kaum eine, die anf diesen Namen Ansprnch machen kann, und 238 verdient mit Necht das Schwarzgebirge genannt zu werden. Wo man ja eine Ebene von einiger Ansdehnuug sieht, gehört sie den Türken, und das felsige Montenegro scheint auf den ebenen Namn geworfen zn fein, der sich von Albanien bis zu der Herzegowina fortsetzen sollte. Es fehlt jcdock) dem Lande nicht an Vieh, und Schafe, Ziegen und Schweine sind sehr zahlreich. Eines der wichtigsten Landcserzcugnisse sind Fische, die man in Ueberftuß und von vortrefflicher Beschaffenheit findet. Die Seorenze, oder bei den Italienern Scoranzc^), gehören zur Familie der Karpfen, werden in der Rieka und im See von Scutari gefangen uud sind ein wichtiger Handelsartikel. Sie werden, getrocknet und gesalzen, häusig nach Trieft, Venedig und anderen Plätzen ausgeführt und bringen einen jährlichen Ertrag von 14,000 bis 16,900 Gulden ein. In Größe und Geschmack gleichen sie den Sardellen und schinecken vortrefflich, gesalzen oder frisch. Auch die Forellen in Montenegro sind berühmt, und man findet sie vonnn-gehenrer Größe. Ich sah bei meinem Besuche im Kloster Ostrok zwei Arten, eine von blasser Lachsfarbe, die gauz vortrefflich war. Auch die Aale werden sehr geschätzt, und Karpfen, Mceräscheu^) und andere Fische von geringerem Werthe findet mau häufig in den Flüssen und im See von Scutari. — Wild gibt es nicht in Ueberfluß, doch ist das rothbeinige Nebhuhn, Nothhuhn (pei-äix rulu8) häusig auf den Gebirgen. Es gibt viele Hasen, Vögel aber nicht in großer Menge, uud ich sah selten etwas Anderes als Krähen und Elstern, außer in der Umgegend des See's von Scutari. Die Angaben über die Bevölkerung schwanken von 80,000 bis 107,000 Seeleu; Einige rechnen 21,000 Familien oder 105,000 Einwohner, aber die besten Nachwcisungen, die ich im Lande erhalten konnte, gaben gegen 100,000 an. Die Zahl waffenfähiger Männer beträgt 20,000 uud im Nothfalle können auch 1) Professor Carrara hat sie ^lkui'uu« 8«,»'l>,>/.!> gcuannt. 2) klußil Ceslillln». 239 viele alte Leute, die nicht mehr fähig sind, Waffen zn führen, zur Vertheidigung des Landes aufgerufen werden. Das Verhältniß der Waffenfähigen ist bemerkenswert!), aber obgleich es das von Montesquie u angenommene weit übersteigt, so muß man sich doch erinnern, daß er die Bevölkerung eines gesitteten Landes dabei im Auge hatte, und daö von anderen Ländern angegebene Verhältniß ist dem in Montenegro vorkommenden ziemlich gleich. Von den acht Nahien oder Bezirken hat Katunska 24,000, Cermnitza 12,000, Niccska l1,300, Licschanska 4800, Bielo-pavlichi 14,000, Piperi 8500, MoracsaM00 nnd Kntska 10,300 Einwohner, unter der Voraussetzung, daß die Gesammtbevölke-rung der Nahien und der Gebirgsb'czirkc 109,000 betrage, was jedoch nnr eine annähernde Angabe ist, da eine genaue Zählnng nicht stattgefunden hat. Von Städten kann man in Montenegro kanm reden. Keine Ortschaft verdient diesen Namen und eine Stadt oder ein Flecken Würde in jedem anderen Lande nnr ein Dorf sein, da die größte nicht 1200 Einwohner zählt. Keine ist ummauert, und nur wenige haben eigentliche Straßen; die Hänser stehen hänfig abgesondert nnd in einigen Ortschaften sind sie so zerstreut und so weit von einander entfemt, daß sie eher einzelnen Höfen oder Hütten gleichen als den Bestandtheilen eines Dorfes. Diejenigen Hän-scr aber, die dicht neben einander stehen, haben nnr eine gemeinschaftliche Maner, wie in Ortschaften anderer Länder, und sind gewöhnlich besser gebaut, als die abgesoudcrtcn Wohnungen in den zerstreuten Dörfern, wo sie in einigen der gebirgigsten Theile des Landes von der rohcstcn Bauart sind. Nur fünfundzwanzig bis dreißig Dörfer in Montenegro liegen an Flüssen, denn eigentliche Thäler gibt es nicht im Lande'). — Die Gesammtzahl dcr Ortschaften beträgt gegen dreihundert. Sie liegen gewöhnlich in Ver- 1) Gsist irrig, daß die Dörfer, wie man angegeben hat, gewöhnlich in Thälern oder an den Ufern von Flüssen liegen. 240 tiefungen oder an Vergabhängen, keine aber auf schwer zugänglichen Berggipfeln, wie in den benachbarten Landschaften der Türkei, was auf die furchtlose Unabhängigkeit der Montenegriner hindeutet, die auf die natürliche Festigkeit ihres Landes vcrtranen uud keine andere Vertheidigung brauchen als ihren Muth. Dieß ist besonders auffallend in dem Bezirke Viclopavlichi, wo die Entfernung zwischen Albanien und der Herzegowina nicht mehr als zwölf Meilen beträgt und das Thal derZetta') den ganzen Ranm einnimmt. Wer diesenTheil dcsLandcs besucht, muß höchlich den Muth dieses Volkes bewundern, das wenigstens Achtung verdient, weil es seine Unabhängigkeit, trotz allen Anstrengungen der Türken, - zu bewahren gewußt hat. "Man erzählt sich viele Züge von dem Muthe der Männer wie ^)cr Weiber. Während des Krieges mit den Türken im Jahre 1796 lag Giuro Lottoach mit einem gebrochenen Beine im Bette, als er aber von der Schlacht hörte, in welcher Kara Mahmnd geschlagen und getödtct wurde, ließ er sich auf einen Felsen bringen, wo er auf den Feind feuern konnte; an eine Klippe sich lehnend, fuhr er, trotz allen Vorstellungen, drei Stunden lang damit fort, und als man ihm den Sieg meldete, rief er aus: „Es ist wahrlich Zeit, deun ich habe keine Patronen mehr, und ich wäre vor Wuth gestorben, wenn ich mich hätte ergeben müssen." Vialla erzählt uns einen anderen Vorfall, der sich vor einigen Jahren in dem Bezirke Cevo ereignete. Vier Montenegrinern, die mit ihrer Schwester von einundzwanzig Jahren eine Wallfahrt zu der Kapelle des heiligen Vlasius angetreten hatten, wurde von sieben Türken in einer Felscnschlucht aufgelauert, die so enge war, daß sie nur hintereinander gehen konnten. Kaum waren sie zwischen den schroffen Felsen, die den Weg auf beiden Seiten begränzten, als plötzlich Flintenschüsse einen Bruder todte- 1) Zeta war der alte Name von Montenegro, als das Land im vierzehnten Jahrhundert zu Serbien gehörte. 241 ten und einen anderen gefährlich verwundeten. Es war unmöglich umzukehren, ohne sich einem gewissen und schmählichen Tode auszusehen, da der Feind, wenn sie den Nucken gewendet hätten, sie nach Gefallen hätte vernichten können. Die beiden unverwun-deten Brüder rückten uuerschrocken vor, das Feuer erwidernd, und tödteten zwei Türken, während der verwundete an einen Felsen sich lehnte und zwei andere erschoß, aber dabei selber durch einen Schuß niedergestreckt wurde. Seine Schwester nahm ihm das Gewehr ab, lud und feuerte gleichzeitig unt ihren beiden anderen Brüdern, aber in demselben Augenblicke stürzte einer von ihnen todt nieder. Die beiden überlebenden Türken drangen wüthend auf den einzigen noch übrigen Montenegriner ein, der aber mit seinem Iatagan einem von ihnen den Schädel spaltete, ehe er selber den tödtlichen Schuß empfing. Die unglückliche Schwester, die indeß unablässig gefeuert hatte, stand eine Weile unschlüssig, aber plötzlich nahm sie eine erschrockene und stehende Miene an und bat um Erbarmen. Der Türke, wüthend über die Niederlage seiner Gefährten, war gransam genug, ihre anscheinende Angst zn benutzen, und versprach ihr nur um den Preis ihrer jungfräulichen Ehre Schonung ihres Lebens. Eie zögerte anfänglich und schien den Antrag des Elenden zu bedenken, kaum aber bemerkte sie, daß er uicht mehr auf seiner Hut war, als sie ihn mit dem Messer durchbohrte, das sie in ihrem Gürtel trug. Tödtlich verwundet, strengte der Türke seine schwindenden Kräfte an, riß den Dolch aus seiner Seite und schwankte zu dem muthigen Mädchen; aber zur Verzweiflung getrieben, stürzte sie sich mit übermenschlicher Kraft auf ihren unbarmherzigen Feind und stieß ihn in den vvr ihr gähnenden Abgrund, als eben einige Hirten, die das unablässige Feuern herbeigelockt hatte, zu spät kamen, ihn zu Mten. Nur das Bewußtsein eigener Kraft, seine Angehörigen und sein Haus zu beschützen, gibt dem Montenegriner so viel Zuver- Dalmaticn und Montenegro. I. ^« 242 sicht, baß er furchtlos in der Nähe seiner vielen Feinde wohnt. Die schroffen Vollwerke der Felsenberge, die sein Dorf umgeben, sind die Schildwachen, die ihn gegen einen Neberfall schützen, und nie haben die Türken, in großer oder geringer Zahl, einen Einfall in Montenegro gemacht, ohne theuer zn büßen für die Unbilden, die sie zufügten. Männer und Weiber sind sehr rüstig, und man weiß, daß sie mehr als 170 Pfund anf ihren Schulten: über die steilsten und rcnihesten Pfade getragen haben. Alle sind muskelkräftig, stark und kühn in Montenegro, und die knotigen Bäume, die zwischen ihren Klippen wachsen, scheine», Sinnbilder ihres Landes und in Einklang mit den zähen nervigen Armen der Bewohner zn sein. Aber wenn auch tüchtig, sind die Männer doch selten geneigt, irgend etwas zu tragen, oder eine Mühe zu übernehmen, welche sie den Weibern auflegen können, die als Lastthiere in Montenegro dienen. Ich habe Weiber anf den steilsten Bergen unter Lasten keuchen gesehen, die in anderen Ländern Männer selten tragen. Sie sind jedoch muskelkrästig und stark, aber die Schönheit, die sie oft auszeichnet, geht bald verloren, wann ihre Haut hart uud rauh wird. Ihre Jugend wird gewöhnlich erschöpft durch mühevolle und unweibliche Beschäftigungen. DieMaisspreu, die Holzbündel, kurz Alles, was das Haus braucht, wird von Weibern getragen, und man meint, daß die edleren Mühen des Krieges oder der Plünderung den Männern nicht Ieit lassen, an geringere Arbeiten zu denken. In einigen Gegenden, besonders im östlichen Theile des Landes, werden Maulthiere und Esel gebraucht, um die Arbeit der Weiber zu erleichtern; Karren aber kennt man nicht und fast alle nach Cattaro kommenden Marktwaaren werden von Männern oder Weibern fortgeschafft. Der Vorderkopf der Männer ist meist gut gebildet, aber das Gesicht etwas breit, was besonders auch bei deu Weibern auffällt; die Backenknochen sind ziemlich hoch und die untere Kinn- 243 lade steht cin wenig auf der Seite vor. Viele sind jedoch sehr hübsch. Ihre Augen stehen sich eher zu nahe als weit von einander und sind meist hellbraun, bei Einigen hellblau. Das Haar ist braun, zuweilen dunkel, doch selten schwarz. Das Profil hat meist einen ausgeprägten Umriß, mit einer wenig gebogenen oder ganz geraden Nase, aber weder das übertriebene Maß des Gesichts der Türken, noch auch die ausgestülpte Form, die man zuweilen im nördlichen Europa sieht. Ihre Augen sind sehr lebhaft, doch ohne den grimmigen Ausdruck der Türken, wenn sie anders nicht zum Zorne gereizt sind. Ihr Wuchs ist weit über Mittelgröße, ja zuweilen sehr hoch, aber in gntem Ebenmaß. Ihre Stimmen sind kräftig, und ich habe oft gehört, daß sie in ziemlicher Entfernung mit einander sprachen, nicht schreiend, sondern mit klarer und vernehmlicher Aussprache, was nnr das Ergebniß der Erfahrung und ihrer Gewohnheit sein kann, von Verg zu Verg mit ciuauder zu reden. Ich habe dieselbe Beobachtung bei den Morlachcu im Inneren Dalmatiens gemacht. Vialla versichert, daß sie oft lange Unterredungen in sehr weiter Entfernung führen, und der Verfasser der „Streiferei in Montenegro')" gibt gleichfalls Zeugniß für die Kraft ihrer Lunge. „Wir fuhren," sagt er, „in geringer Entfernung an einem Dorfe vorbei und hielten unsere Nudcr an, um Neuigkeiten zu hören. Die meisten Einwohner waren abwesend, aber einer, ein großer Mann, saß mit einigen müßigen Leuten oben auf der Hütte. Es war der erste Präsident des Senats, kurz der Sprecher des Hauses, und gewiß wenn eine Stentor-Lunge von Nuheu für dieses A"tt im Parlament der Montenegriner ist, so war er vollstän-big dazn befähigt. Zwanzig Minnten unterhielt sich dieser vor-uehme Mann mit uns in einer Entfernung, die anfänglich eine Viertclmeilc betragen mochte, aber wahrscheinlich auf drei Meilen s^eg, ehe seine Stimme uns endlich unveinehmlich wurde." Dieß J) »Blackwood's Hdiuburgh Mugaziue'- 3anuat l-S^.'n 1G* 244 erinnert uns au Stentors funfzigstimmigc Kraft und an die Leistung des Aegypters, dcn Darms nach Hcrodots Erzählung ') bei seinem Heere benutzte, um in die Ferne über die Donau hiu Befehle ausschreien zu lassen. In dem gesunden Klima deS Landes erreichen diese kräftigen Menschen oft ein sehr hohes Alter. Vialla sah in einem Dorfe unweit Negosch eine Familie, die sechs Geschlechtsfolgen zählte. Der Urgroßvater war 117, sein Sohn 1W, sein Enkel 82, scin Urenkel W Jahre alt nnd der Sohn dieses letzten, der 43 Jahre zählte, hatte einen Sohn von 21 Jahren, der ein zweijähriges Kind hatte. Dieß paßt gut zu dem Rufe, worin diese Länder vor alten Zeiten standen, als man dem Illyrier Dando ein Alter von 5l)U Jahren zuschrieb ^). Unter der prisca xens mm-l»lium hatte das Leben nichts zu thun mit der gemeinen Wirklichkeit von Geburtsscheinen, und die Montenegriner sind wahrscheinlich selbst jetzt nicht bedenklich bei einigen Jahrzehnten; aber wie viel auch dem Greise von seinen 117 Jahren abzuziehen sein möchte, es ist gewiß, daß die Menschen in Montenegro oft ein hohes und gesundes Alter erreichen. bald die Feldbestellung vollendet ist, glaubt der Mann alle ihm obliegenden Pflichten erfüllt zu hab,en. Die geringere Plackerei überläßt er dm Weibern, und der Montenegriner müht sich nur ab, wo seine eigene Neigung ihn zu einer Anstrengung treibt. So oft es an werkthätigen und aufregenden Bestrebungen fehlt, was in einem solchen gesellschaftlichen Zustande oft der Fall ist, kehrt der Mann nicht heim, um die Beschwerden, welche die Nothwendigkeit den Weibern aufgelegt hat, zu theilen oder zu erleichtern, und er raucht müßig seine Pfeife, oder schwatzt hin und her, in der Meinung, die Würde seines Geschlechts zu behaupten, wenn er die Weiber zu Sklavinnen macht. Die Montenegrinerin l) IV. lii. 2) Plinius Vll, i«. 245 küßt nicht nur ihrem Manne die Hand, nach morgenländifcher Sitte, sondern auch Fremde», und ein Reisender sieht sich auf diese sonderbare Weise bewillkommnet, sowohl in seiner Herberge als selbst auf der Landstraße. Man muß sich jedoch erinnern, daß er dadnrch als der Gast geehrt wird, dessen Besuch dcrVladika genehmigt hat, und soll er gastfrei aufgenommen werden, so muß er mit ciuem Reisegefährten auö der Hauptstadt kommen. In der Türkei und in Montenegro ist der Mann ein Despot und die Frau eine Sklavin, nur mit dem Unterschiede, daß sie in dem einen Lande nach Launen behandelt und als ein Theil des Haushaltes betrachtet wird, wie ein Pferd zumMarstalle seines Herrn gehört, in dem anderen aber ist sie das arbeitende Lastthier und des Mannes Stellvertretern: in allen beschwerlichen Anstrengungen. Die Montenegrinerin hat jedoch den Vortheil, in einer christlichen Gemeinde zu leben, und wie mühselig auch ihre Pflichten sind, sie ist doch die Gehilfin ihres Gatten und nicht herabgewürdigt zn einem bloßen Bestandtheile des Harems. Sie ist immer seine Gefährtin, seine einzige Genossin, die einzige Mutter seiner Km^er, und sie findet nicht einen Vorwurf über ihre Stellung in einem glänzenden Anzüge oder in dem Scheine eines Wohlwollens, womit ihr Hon und Gebieter um seiner Selbstbefriedigung willen sie überhäuft. Wie herabgewürdigt aber auch der Zustand der Frauen im Morgenlande sein mag, sie haben doch einen großen Trost in der Zuneigung ihrer Kinder, die weit mehr an ihren Müttern hangen als in vielen gesitteteren Ländern, nnd kein junger Mensch im Morgenlande läßt sich durch eine falsche Ansicht von Männlichkeit zu einer Unehrcrbietigkeit gegen seine Aeltern verleiten. Bei den Montenegrinern ist es Sitte, wie im Morgcnlande und unter den Morlachcn, vor Fremden jeder Erwähnung der Gattin ansznweichen, und wo es nicht vermieden werden kann, "on ihr zu sprecheil, fügen sie eine Art von Entschuldigung hinzu, wie "»l.» pl-oiMe m^'.i xolln," „verzeihen Sie, meine Frau," 246 als ob die Würde des Mannes durch die Nennung einer Frau beleidigt werden könnte. Sie sieht jedoch keine Herabwürdigung in einer solchen Behandlung, womit das Herkommen sie ausgesöhnt hat, und sie zeigt dieselbe Demuth gegen den Fremden, die sie den Männern ihrer Familie zu beweiftu gewohnt ist. Aber wie sich erwarten läßt, es fehlt oft jene innige Anhänglichkeit, die dnrch eine bessere Behandlung erweckt werden müßte, und sie leistet ihre Dienste als eine Pflicht und nicht aus Zuueigung. Die Hcirathsgebräuchc sind ziemlich wie bei den Morlachen, und die Hochzeit wird mit großen Freudcnbczcigungen gefeiert. Essen und Trinken sind ein Haupttheil der Festlichkeit uud dabei ein lärmendes Abfeuern von Flinten und Pistolen. Die Dauer des Festes ist von der Lage der Parteien abhäugig. „Hat ein juuger Mann sich zum Heirathen entschlossen, so eröffnet er seinen Wuusch dem ältesten und nächsten seiner Verwandten, der dann die Acltern dcS Mädchens um ihre Einwilligung bittet. Selten wird diese verweigert, sollte aber das Mädchen Einwendungen gegen den Bewerber machen, so bewegt er einige Freunde, ihm bei der Entführung der Geliebten Beistand zu leisten. Ist dieß geschehen, so erhält er den Segen des Priesters nnd die Sache wird zwischen den Acltcm weiter abgemacht. Die Braut erhält um Kleider uud einige Stück Vieh zu ihrer Aussteuer""). Die Häuser der Montenegriner sind steinern und haben meist Strohdächer, viele aber sind zum Theil oder ganz mit Schindeln gedeckt, die man in den von Slaven bewohnten Ländern sehr häufig findet. Einige der besseren Häuser haben jedoch Ziegel, die mit großen, in Vierecke gelegten Steinen befestigt sind, um sie gegen Windstürme zu sichern. Jedes Hans hat gewöhnlich ein oder zwei Gemächer im Erdgeschosse und einen Boden darüber, der ciuen Raum zwischen den Giebeln enthält, wo man 1) Siehe Petter a. a. O. Seite 233. 247 den Mais und andere Vorräthe aufbewahrt. Man steigt auf einer Leiter hinan, die au ein viereckiges Loch im Fußboden gelehnt wird, das eine Tlmre heißt, und diese Thüre, die zur Decke des unteren Gemaches dient, ist oft nur von Flcchtwerk, das von Mauer zu Mauer auf dem Svamverke liegt. Wenige Häuser haben ein oberes Stockwerk, ausgcuommen in Cetinje, Rieka uud einigen anderen Orteu, wo sie besser als in den meisten Dörfern von starken Steinen gebant uud mit Ziegeln gedeckt sind. Warme Häuser sind dort ein Bedürfniß im Winter, der sehr kalt ist, da das Laud bedeutend hoch über dem Meere zwischen hohcu Gipfeln liegt, die viele Monate hindurch mit Schnee bedeckt und stürmischen Wiuden ausgesetzt sind, welche über die uackten Berge wehen. Das Gemach im Erdgeschosse ist zugleich Wohnstube, Schlafgemach uud Küche. In den kleineren Dörfern haben die Häuser keinen Boden zwischen den Giebeln, und die Vanart ist sehr roh und schlicht. Die Mauern bestehen bloß aus rohen Steinen ohne Mörtel, die das schlechteste Strohdach deckt. In den besseren Häuseru sieht man eiue Bettstelle, die in einer Ecke des unteren Gemaches steht und eine unverrückbare Stellung hat, wie in den Wohnungen reicher Morlacheu. Mau köunte sie eine große Bank nennen und sie besteht gewöhnlich ans Planken, die auf einem schlichten Gerüste ruhen, mit dem Kopfeude uud einer Seite an der Mauer, währeud das Fußende mit einer nach der Decke des Gemaches hinanreichenden Pfoste das ganze Holzwerk bildet. Wer es erschwingen kann, hat eine Matratze und eine durchnähte oder wolleue Decke, aber kein Monteuegriner-Vctt ist mit Vorhängen oder Bettwäsche belastet, und die einzigen Zugaben, die man darauf sieht, sind zur Erwärmung bestimmt, worunter die Struka') ein wesentlicher Theil ist. Die eiuge- >) Ohne diese» meist grauen Uebcrwulf gcht dcr Moutcnegnnel im Son,- 248 borenen Besucher wickeln sich in ihre Struka und legen sich auf den Fußboden, nämlich die nackte Grde, und ärmere Leute, die es nicht zu einer Bettstelle briugen können, machen es eben so in ihren eigenen Häusern. Dieß ist keine zu große Beschwerde für den Montenegriner, der gewohnt ist, so lauge das Wetter es gestattet, außer dem Hause auf der Erde oder auf einer von Steiuen oder Lehm gemachteu Bank zu schlafen. Aber mag er in oder außer dem Haufe, in einem Bette oder auf der Erde schlafen, der Montenegriner bleibt immer in semen Kleidern, mit seinen Armen dicht an der Seite, und wann ein Lärm oder der anbrechende Tag ihn weckt, ist er augenblicklich auf den Beinen, und bei gewöhnlichen Gelegenheiten tritt keine Toilette zwischen sein Aufstehen und seine Tabakspfeife. Die Glutasche auf dem Herde, die man am vorigen Abend mit kalter Asche bedeckt hat, wird dann zusammengescharrt und das gewöhnliche Tagwerk beginnt, wenn anders nicht, wie es oft der Fall ist, die Männer einen nächtlichen Streifzug ^) in die Türkei gemacht haben, wo dann die Weiber, allein gelassen, der Heimkehr schwer beladcucr Plüuderer cutgcgeuscheu. Die Feuerstätte in einer andern Ecke des Gemaches ist ein erhöhter Herd auf dem Fußboden mit einem Kessel, der oben an einem Ringe hängt. Diese Feuerstätte dient als Backofen, da das Brot der Montenegriner bloß aus einem in der Asche gebackenen uugesäuer-ten Teige besteht, wie jetzt noch bei den Arabern nnd einst bei mer wie im Winter leinen Schritt, trägt ihn bei schönem Wetter über die Schulter sseschlagen, bei schlechtem schützt er sich nnd seine Waffen damit. L. l) Ein solcher Streifzua, wird Cseta genannt. Gewöhnlich gehen zehn bis zwanzig Männer zusammen und trachten, einen Feind zu erlegen oder Plünderungen zu machen; zuweilen aber ziehen Hunderte aus und überfallen Dörfer oder a'ich Hirten und Heerden auf dem Felde. Die Ueberfallenen setzen sich zu^ Wehr. Auf den erstcn Flintenschuß oder Hilferuf kommen die Nachbarn hcrbel und es entstehen oft förmliche Treffen. Gefangene werden selten gemacht, «ub geschieht es, so löset man sie nachher mit Gelb aus. S. „Montenegro und b ie Montenegriner" S. .'»3. 2. 249 den alten Patriarchen. Schornsteine sind ein unbekannter Ueber-ftuß und der Rauch sucht seinen Ausgaug wie er kaun. Das Hausgeräthe ist nicht reichlich und besteht aus ciuer Bank, einigen hölzernen Stühlen und einem schlichten Tische und nichts ist glänzend im Hanse als die Waffen nnd die Anzüge der Insassen. Schlaguhren und Taschenuhren gehören auch zu dem unbekannten Aufwandc in Montenegro, ausgenommen in Cetinie und in den Klöstern, und man kennt keine anderen Mittel der Zeitmessung als die Beobachtung der Sonne, gewöhnliche Stundengläser und etwa hier und da eine Sonnenuhr. In einigen der wildesten Theile der Gebirgsbezirke sind die Hänscr oder Hütten selbst schlechter als die Hütten in Irland und bestehen ans rohen auf einander gehäuften Steinen oder aus bloßem Flechtwerke, mit dem rohesten Strohdache, der ganze Bau nnr einige Fuß hoch. Die Armuth dieses Volkes, sciue Schweiue und seine Kartoffeln sind auch Dinge, worin es den Irländern gleicht, und ich habe mit Bedauern gehört, daß die Montenegriner seit meinem Besuche ihres Landes in gleicher Weise durch die Mißernte derKartoffeln gelitten haben, die zu ihrer unentbehrlichen Nahrung gehören. Außer dem Feldbau, der hauptsächlich den Mannern überlassen ist, haben sie zuweilen auch die Schafe zu warten, aber ans alter Gewohnheit und bei dcr beständigen Erwartung eines Angriffes der Türken legen sie nie ihre Waffen bei Seite und der Montenegriner hat ein eben so kriegerisches Auseheu bei diesen friedlichen Beschäftigungen als au des Feindes Gränzen. Der Schäferdienst wird gewöhnlich Kindern überlassen, die sich oft die Zeit damit vertreiben, eine einfache und klagende Melodie anf einer alterthümlichen Pfeife zu spielen, während sie auf einem Felsen sitzen oder im klassischen Schatten einer brcitwipfeligeu Buche ruhen'). L. 1) SSivgifč rcrulians sah teft'ininc l'a^i. 250 Der Ackerbau ist noch in einem sehr wenig vorgeschrittenen Znstande, und das Thal von Bielopavlichi und einige andere Theile bes Landes ausgenommen, wird das Feld nnr mit dem Spaten bearbeitet. Der Pflng ist sehr einfach und besteht aus einer hölzernen Schar, mit langen geneigten Backen, die bis an die Handhabe reichen nnd einen schr stumpfen Winkel nut dem horizontalen Füße bilden. Er hat nnr eine Handhabe, wie der in Griechenland in der Gegend von Nauplia nndArgos gebräuchliche Pflug, der eben so einfach ist, obgleich die Stellung der wenigen Bestandtheile etwas von einander abweicht, uud b'öide werden von zwei an die Stange gcjochten Ochsen gezogen. Kein urbarer Vodcutheil wird vernachlässigt, auf jedem noch so kleinen Stück Feld, das gepflügt werden kann, banet man Mais, Kartoffeln oder eine andere Nutzpflanze, und der Montenegriner läßt kein Mittel unversucht, um dnrch Arbeit Nahrung zn gewinnen und die Ansfnhr des Landes zu vermehren. Trotz ihren Bemühungen aber, ihre Landeserzengnissc zu vervielfältigen, halten doch die Mittel zur Erlangung hinlänglicher Nahrung nicht gleichen Schritt mit der Zuuahme der Volksmenge, und obgleich sic Lcbcnsmittel auf fremde Märkte schaffen, so fehlt es doch vielen Armen an dem nöthigen Lebensunterhalte. Es kommt daher zu häusigen Auswanderungen, besonders nach Miß' ernten, und da nun der Vladika ihrem früheren Raubsystem ein Ziel gesetzt hat, so sehen sich diejenigen, die in diesem armen Lande zu den Armen gehören, genöthigt, einen Lebensunterhalt nnd eine Heimat in ertragreicheren Gegenden zn suchen. Sie gehen häusig nach Serbien, das man Montenegro's Mnttcrland nennen könnte; diejenigen aber, die sich im Kriege ausgezeichnet haben, werden von ihren Laudsleuten zurückgehalten, die milde Beiträge sammeln, nm ihnen die Mittel zu ihrem Unterhalte zu verschaffen. Ihre Anhänglichkeit an Serbien scheint nie nachgelassen zu haben uud als im Jahre 1809 Czcrni Georg sich mit 251 glücklichem Erfolge der Macht der Türken widersetzte, sammelten sich viele Montenegriner unter seinen Fahnen und der verstorbene Vladika zeigte in einem M jener Zeit geschriebenen Gedichte, wie bereit sie waren, die Absichten des serbischen Helden zu unterstützen, der die Türken aus Bosnien nnd der Herzegowina treiben wollte. Die Christen in diesen Landschaften waren schon aufgestanden und die Montenegriner sprechen noch immer mit den lebhaftesten Hoffnungen von der Vertreibung der Türken, welche sie mit Unterstützung der europäischen Mächte, wie sie sagen, bald ausführen würden. Der Hauptmarkt für die Ausfuhr der Erzeuguisse Montenegro's ist Eattaro, aber einige werden auch in Budva und Forte Nuovo nnweit Castel Lastnn abgesetzt, wann Waffenstillstände mit den Türken geschlossen sind; aber gedörrte Fische nud einige andere Artikel gehen in entferntere Gegenden. Das Land liegt zwar dem Meere so nahe, daß man von den Cattaro überragenden Bergen säst einen Stein hineinwerfen könnte, aber die Montenegriner haben dennoch keinen Hafen, nnd ihr Gebiet geht nirgend bis zu dem Seestrande hinab. Sie sind abhängig von der Erlaubniß der Ocsterreicher, alle znr Ansfnhr bestimmten oder ans der Fremde empfangenen Waaren anf deut adriatischenMeere fortzuschaffen. Dieß ist ein großer Nachtheil für die Montenegriner, und ihre Wohlfahrt, ihre Fortschritte in der Gesittung würden höchlich gefördert werden, wenn ihr Gebiet bis an das Meer reichte und sie die Vortheile einer nnmittelbarcn Verbindung mit anderen Völkern genießen könnten. Es würde jedoch weder für sie selber noch für Andere zn wünschen sein, daß sie eine Vcste wie Cattaro, die sie einst sehr begehrten, in Besitz hätten, sondern nichts wäre nöthig als ein Haftn für Handclszwcckc. Es würde dann eine Strastc für dic Gesittung in das Innere geöffnet sein, die zu cinem friedlichen Verkehre und einer Handelsverbindung mit den Türken in Bosnien und der Herzegowina führen könnte 252 und die Aussicht öffnen würde, den Zustand derjenigen zu verbessern, die sie benutzten. Wir müssen zwar gestehen, daß es nicht ausführbar ist, den Montenegrinern einen Hafen zu geben, aber wir hoffen, die Oesterreicher werden die sich ihnen darbietende Gelegenheit benutzen, die Vortheile zu verleihen nnd zn erlangen, die aus einer innigeren Verbindnng mit all jenen Ländern entstehen möchten. Die Vefördcrnng der Gesittung möchte eines Tages von Wichtigkeit sein und zu deu erwüuschtcsten Ergebnissen führen, weit mehr als sich von einem Verkehre mit dem angränzenden Albanien hoffen ließe, das nicht die Anssicht hat, in Berührung mit anderen Völkern zu kommen als mit den Elavenstämmen. Es würde in der That schwierig sein, die Albaneser zu sittigeu, deren wilde Gewohnheitcu so wenig für die Aufmunterung der Betriebsamkeit passen und die oft das menschliche Gefühl empören. Es läßt sich noch wenig für ciu Laud hoffen, wo solche Gräuel verübt werdeu, als man vor vier Jahren sah. Einige Türken hatten ein christliches Dorf angegriffen und begnügten sich nicht, die Männer zu ermorden, sondern zwangen auch die Mütter, ihre Kinder an dem Feuer zu braten, welches ihre angezündeten Häuser verzehrte. Die vielen Schaft nnd Ziegen, welche mau in Montenegro zieht, liefern einen sehr einträglichen Vorrath von Wolle, Fleisch und Käse für die Ausfuhr. Das geräucherte Hammelfleisch (eu^i-u-»liml genannt) muß in Cattaro jährlich eine Abgabe von 2UW bis 3l)W Guldeu bezahlen. Die Hammelschinken aus Montenegro werden sehr geschätzt und zur Aussuhr nach Istricn, Venedig und Ancona verkauft. Außer diesem Artikel besteht die Ausfuhr aus gesalzenen Fischen (Sl0ranze), Schafen, Ochsen, Schweinen, Kartoffeln, Butter, Kohl uud auderen Gemüsen, Wachs, Honig, Talg, Häuten nnd Fellen, Wolle, Schildkröten, Schalen, Geflügel, Mais, Reis, türkischen, uud gewöhnlichen Früchten, 253 einigen Pferden und Tabak aus der Türkei, Holzkohlen, den Blättern und dem Holz des Scottano ') und Seide, die nach der Türkei geht. Die Gegenstände der Einfuhr sind Rindvieh und einige Pferde, wie anch Tabak znr Wiederausfuhr, Salz, Kupfer, Eisen, Oel, gesalzene Fische, Wachskerzen, Wein, Branntwein, Kaffee nnd Inckcr, Waffen, Schießpulvcr, Blei, Flintensteine, Glas, Schuhe, Sandalen (Opanken), Tuch, Leinwand, Vaumwollenzcuchc, Taschentücher, rothe Mützen (Fez-Kappen), Getreide (nach Mißernten), Neis u. s. w. Die Montenegriner prägen kein Geld, und alle umlaufenden Münzsortcn sind Thaler, Zwanziger und andere österreichische Münzen, wie auch türkische Par as, die aber gewöhnlich als Frauenschmuck dienen. Die Manufakturen in Montenegro, wenn davon die Rede sein kann, beschränken sich ans einige Haushalt-Geräthschaf-ten und Kleiderstoffe und mögen mit den Manufakturen der Beduinen auf gleicher Linie stehen. Das hauptfächlichste Stück ist die Struka, die mit dem Plaid der Schottländer und der spanischen Mauta sich vergleichen läßt und Männern und Weibern als Mantel und Decke dient. Die groben buntwollenen Frauenschürzen, einige Sandalen, Socken und andere Theile des An-zuges werden von dcn Familiengliedern selber gemacht. Die Weiber sticken auch, und ihre Hemdärmel und die Säume ihrer Tuchkleider sind sauber mit Seide durchwirkt. Nur wenige Montenegriner treiben regelmäßig ein Handwerk, wiewohl einige die Arbeiten des Hufschmiedes oder audere unmittelbare Bedürfnisse des Dorfes liefern. Ihre Hauptbeschäftigung ist nächst dem Feldbau die sehr einträgliche Fischerei, besonders in dem See von Scutari. Gewehre und andere Waffen kommen aus fremden Manufakturen, und die Geschicklichkeit des Montenegriners beschränkt sich nur darauf, leichte Beschädigungen Y Siehe S. 3^. 254 auszubessern. Er versteht es auch Schießpulver zu machen, wann er nicht in: Stande ist, es auf einein fremden Markte zu kaufen, und benutzt dazu die Kohle der hausig im Lande wachsenden Ha-sclstaudc. Sehr viele seiner Waffen hat er von den Türken erbeutet, und mauchen Montenegriner sieht man ill der ganzen Waffen-rüstung eiues erlegten Türken einhergchen, aber in keinem Hause sah ich jene Siegeszeichen, die Schädel der von dem Hausherrn getödteten Feinde, was darin seinen Grnnd haben mag, daß der Besieger eines Türken bei der Vorzeigung des Kopfes eine Belohnung voll dem Vladika empfängt. Nach der wilden Krieger-sitte des Volkes werden die Köpfe der getödteten Feinde als Siegeszeichen ausgestellt, und diejenigen, die eine bestimmte Anzahl geliefert haben, erhalten Denkmünzen. Die Waffen des Montenegriners bestehen ans der Flinte, Pistolen nnd dem Iatagan^), einem langen Messer zu Hieb und Stoß, das im Gürtel getragen wird. Der Vladika hat in der nenestcn Zeit einige Büchsen uud auch einige Geschütze eingeführt. Die Flinten sind sehr lang nnd tragen ungemein weit. Die schwachen Schäfte sind oft mit Perlmutter eingelegt und haben Stahlverzierungen, und das Schloß bestcht aus Feuerstein und Stahl. Lnntenschlösser kennt man nicht. Die Montenegriner sind sehr gute Schützen, und dem nie fehlenden Schusse folgt alsbald der Gebranch des Iatagans, wenn sie mit dem Feinde handgemein werden können. Gewöhnlich kämpfen sie hinter dem Schnhe eines Felsens, wann die Feinde überlegen sind, nnd bei der Beschaffenheit ihres Landes können sie diese Kampfart mit großem Vortheile anwenden. Die Türken haben Montenegro mehr als einmal mit, zahlreichen Heerhanfen überschwemmt, die Thäler verheert, Dörfer und Ernten verbrannt, abe<- die unzngänglichen Gebirge blie- 1) Auch wohl H aud sch ar vdcr Kand schar grucumt, cui aus dem Tür-lischcn („tlchlitcs Wort, U'ic auch I a tag an. 255 ben immcr unangetastet, und der eingebrochene Feind mußte für sein Vorrücken durch Verluste auf seinem Rückzüge schwer büßen. Ich entlehne die Schildcnmg des Augenzeugen Bronicws-ki'), um ein deutlicheres Vild vou ihren Kriegsgewohnheiten und ihrer Kampfart zu geben. „Die Montenegriner," sagt er, „sind stets bewaffuct uud haben bei ihren friedlichsten Veschäftiguugcu ihre Waffen bei sich, eine Büchse/) Pistolen, einen Iatagau uud eine Patrontasche. In ihren freien Stuudeu schießen sie nach einem Schilde und sind seit ihren Knabenjahren an diese Uebungen ge-wöhut. Sie wissen Beschwerden und Entbehrungen zu ertragen, uud ohne zn ermüden und mit frischem Muthe macheu sie sehr lange uud angestrengte Märsche. Sie erklctteru mit großer Leichtigkeit die steilsten Felsen und ertragen geduldig Huuger, Durst und jegliche Entbehrung. Ist der Feiud geschlagen uud auf dem Rückzüge, so verfolgen sie ihn mit einer Schnelligkeit, welche ihnen den Mangel an Reiterei ersetzt, die sie in ihrem gebirgigen Lande nn« möglich anwenden können. Nnier Bergen wohnend, die bei jedem Schritte Pässe öffnen, wo wenige tapfere Männer ein ganzes Heer anfhalten können, fürchten sie keinen Ucberfall, zumal da sie an ihrer Gränze eine beständige Wache halten, und ihre sämmtlichen Streitkräfte können in vicrnndzwanzig Stunden auf dem bedrohten Puukte versammelt werdeu. Ist der Feind übermächtig, so verbrennen sie ihre Dörfer, verwüsten ihre Felder, und haben sie ihn in ihre Berge gelockt, so umriugeu sie ihu uud greifeil ihn heftig an. Die Montenegriner vergessen alle PcrsönlichcuNcguugeu, alle Feindschaft, sobald das Vaterland in Gefahr ist, gehorchen den Befehlen ihres Anführers uud wie tapfere Nepublikauer halten sie es für eiu Glück und eine Gnade Gottes, in der Schlacht 1' Vr war Offizier auf der russischen Flotte unter dem Admiral Sinia-vln n»d bcrcisete Montenegro. Scm Vencht steht im I>i>l!!l>li »ull l.x'tiißl! U«vie,v, Seite 136. 3) Keine Büchsen, sonder» lange Gewehre mit glatten Läufen. 25« umzukommen In solchen Fällen erscheinen sie als wahre Krieger, aber außerhalb der Gränzen ihres Landes zeigen sie sich als wilde Barbaren, die Alles mit Feuer und Schwert verwüsten." „Sie haben ganz andere Ansichten von dem Kriege als gesit-tigte Völker. Den Feinden, die mit den Waffen in der Hand gefangen werden, schneiden sie die Köpfe ab und nnr diejenigen werden verschont, die sich vor der Schlacht ergeben. Das Eigenthum, das sie dem Feinde abnehmen, betrachten sie als rechtmäßige Beute, als einen Lohn ihres Muthes. Sie wehren sich buchstäblich bis auf's Aeußerste; nie bittet ein Montenegriner um Erbarmen, und wird einer von ihnen schwer verwundet und ist es unmöglich, ihn aus deu Handen des Feindes zu retten, so hauen seine eigenen Wassengefährten ihm den Kopf ab. Als bei dem Angriffe auf Cho-buk eine kleine Abtheilung unserer Truppen sich zurückziehen mußte, stürzte ein Offizier, von kräftigem Körperbau und nicht mehr jung, vor Erschöpfung zu Boden. Ein Montenegriner, der dieß sah, lief auf ihn zu, und seinen Iatagan fassend, sprach er: „Ihr seid sehr tapfer und müßt wünschen, daß ich Ench den Kopf abhaue; sprecht ein Gebet und macht das Zeichen des Kreuzes." Entseht über diesen Vorschlag erhob sich der Offizier mitAnstrcngnng und kümuu-ter dem Beistände des freundlichen Montenegriners zu seinen Gefährten. Man betrachtet Alle, die dem Feinde in die Hände fallen, als Getödtete. Der Verwundete wird auf den Schultern seiner Gefährten aus der Schlacht getragen, uud zu ihrer Ehre sei es gesagt, sie behandelten uusere Offiziere und Soldaten aufgleiche Weise." „Wie die Tscherkessen machen sie beständig Streifzüge in kleinen Haufen, um Vieh zu rauben, und betrachten solche Unternehmungen als ritterliche Thaten. Sicher in ihren Wohnsitzen, wo Niemand sie zu belästigen wagt, sehen sie ihre Räubereien ungestraft fort und mißachten alle Drohungen des Divans und den Haß ihrer Nachbarn. Ihre Waffen, ein kleines Laib Brot, ein 257 Käse, etwas Knoblauch, cm wenig Branntwein, ein altes Kleid und zwei Paar Sandalen von nngegcrbter Haut — dieß ist das ganze Gepäck der Montenegriner. Auf dem Marsche suchen sie nicht Schntz gegen Regen oder Kälte. Vei Ncgcnwetter wickelt der Montenegriner den Kopf in die Struka, legt sich auf die Erde nieder und schläft ganz behaglich. Drei bis vier Stunden Ruhe genügen ihm, und seiue übrige Zeit wird uuter beständigen Anstreu-gungen hingebracht. Es ist umnöglich, die Montenegriner in der Reserve zu halten, und wie es scheint, können sie nicht ruhig den Anblick des Feindes ertragen. Haben sie alle Patroucu verschossen, so bitten sie flehentlich jeden ihnen begegnenden Offizier, sie mit einigen zu beschenken, und hat man ihre Bitte erhört, so stürzen sie sich blindliugs in den Kampf. Habcn sie deu Feiud nicht im Gesichte, so singen und wnzcn sie und gehen au's Plündern, worin sie Meister sind. Sie kennen freilich nicht die hochklingen-den Namen Kontribntion, Requisition, gezwungene Anleihen u. s. w., nein, sie nennen plündern ganz einfach Plündern, uud gestchen es ohne Bedenken." „Ein Wort über ihre gewöhnliche Art zu fechten! Sind sie zahlreich, so verbergen sie sich in Hohlwegen und entsenden nur einige Schützen, die sich zurückziehend den Feind in den Hinterhalt locken, und haben sie ihn umringt, so greifen sie ihn an und ziehen bei solchen Gelegenheiten gewöhnlich die Klinge dem Fcuer-gewchre vor, da sie auf ihre persönliche Stärke und Tapferkeit sich verlassen, worin sie ihren Feinden gewöhnlich überlegen sind. Ist ihre Zahl geringer, so suchen sie eine güustige Stelluug auf hoheu Felsen, wo sie durch Schmähungen aller Art ihre Feinde zum Kampfe hcransfodern. Sie machen ihre Angriffe gewöhnlich in ber Nacht, weil es bei ihnen nur arlf Ucbcrrnmpelung abgesehen ^st. Wie gering aber auch ihre Strcitkräfte sein mögen, immer suchen sie den Feind durch beständige Quälereien zu ermüden. Die besten französischeu Voltigeurs auf den vorgeschobenen Posten wur^ Dalmaticn und Montenegro. I. 17 258 dm von ihnen stets aufgerieben, und die feindlichen Anführer fanden es immer vortheilhafter, von ihren Geschützen gedeckt zu sein, die den Montenegrinern keineswegs angenehm waren. Bald aber gewohnten sie sich daran, und von unseren Schützen unterstützt, erstiegen sie muthig die Batterien." „Die Taktik der Montenegriner beschränkt sich darauf, daß sie gute Schützen sind. Sie feuern gewöhnlich anf der Erde liegend und werden nicht leicht getroffen, während ihre geschwinden und nicht fehlenden Schüsse in den geschlossenen Reihen des Feindes Zerstörung anrichten. Sie wissen dabei mit einem sehr geübten Auge über Entfernungen zu urtheilen, verstehen es trefflich, den Vortheil des Bodens zu gewinnen, und da sie gewöhnlich sich zurückziehend fechten, so fielen die Franzosen, welche dieß für ein Zeichen von Furcht hielten, beständig in Hinterhalte, während sie selber so behutsam sind, daß die geschicktesten Bewegungen sie nicht täuschen können. Ihre außerordentliche Kühnheit siegte oft über die Geschicklichkeit der geübten Schaaren der Franzosen. Während sie die Heersäulen der Franzosen von vorn und in der Flanke angriffen und gesondert kämpften ohne irgend ein anderes System als die Eingebungen eines persönlichen Muthes, scheuten sie sich nicht vor dem furchtbaren Bataillon-Feuer des französischen Fußvolkes." „Die Montenegriner können regelmäßigen Truppen außerhalb ihrer Gebirgsvesten nicht widerstehen, weil sie Alles mit Feuer und Schwert verwüsten und daher nicht lange das Feld behaupten können. Bei ihrem Mangel an Ordnung gingen die Vortheile des Muthes, womit sie uns Beistand leisteten, und die Früchte des Sieges verloren. Während der Belagerung von Ragnsa war es nie möglich, auszumitteln, wie viele von ihnen wirklich unter den Waffen waren, weil sie stets mit Beute in ihre Heimat gingen, wogegen statt ihrer andere zn dem Heere stießen und nach einigen 259 Tagen unermüdeter Anstrengung in ihre Gebirge zurückkehrten, um eine unbedeutende Kleinigkeit mitzunehmen." „Gs ist unmöglich, zu einer entfernten Unternehmung mit ihnen auszuziehen, um irgend etwas Wichtiges auszuführen. Ihre große Geschicklichkeit im Gebirgskriege gibt ihnen in einer Beziehung einen großen Vorzug vor regelmäßigen Truppen, wiewohl es ihnen gänzlich an Kriegskunst fehlt. Sie sind sehr leicht gekleidet, sie sind ungcmcin gute Schützen und wissen ihre Gewehre weit rascher wieder zu laden als regelmäßige Soldaten. Die zerstreuten Montenegriner feuern in einer liegenden Stellung bedächtig ans die geschlossenen Reihen des Feindes und fürchten sich nicht, Hausen von tausend Mann mit hundert bis hundertundfunfzig anzugreifen. In einer regelmäßigen Schlacht kann man ihre Bewegungen nur aus der Richtung ihrer Fahnen errathen. Sie haben gewissc Signalrufe, die sie ausstoßen, wann sie sich in eine dicht geschlossene Schaar sammeln sollen, um einen schwächeren Punkt des Feindes anzufallen. Sobald ein solches Signal gegeben wird, stürzen sie wüthend vorwärts, brechen in die Vierecke und verursachen aus alle Fälle große Verwirrung in den Reihen der Feinde. Es war ein furchtbarer Anblick, die Montenegriner mit wildem Geschrei vorwärts stürzen zu sehen, mit den Köpfen erschlagener Feinde am Halse nnd an den Schultern. Ein regelmäßiges Heer kann sie mit großem Vortheile benutzen, um sie auf vorgeschobenen Posten fechten zu lassen, des Feindes Zufuhren wegzunehmen und seine Magazine zu zerstören." „Der russische Befehlshaber konnte sie nicht ohne großeMühc bewegen, ihren Gefangenen die Köpfe nicht abzuschneiden. Es gelang ihm endlich, indem er einen Dukaten für jeden Gefangenen bezahlte; weit schwieriger aber war es, sie mit Hilfe des Vladika W bereden, sich zu einer Unternehmung einschiffen zu lassen. So etwas war ihnen noch nie vorgekommen. Sie wurden zwar mit ben, größten Wohlwollen behandelt, waren aber sehr unruhig^ 17' 260 Gaste. Als der Kapitän ihre Offiziere zum Frühstücke eingeladen hatte, traten alle in die Kajüte, und bei der Bemerkung, daß für die Offiziere mehr Schüsseln angerichtet waren, als für die Matrosen, verlangten sie eine gleiche Bewirthung. Nach der Ein« nähme der Vestnng Cinzola und bei der Annäherung der Oster-feiertage bestürmten sie den Kapitän mit Bitten, seine Rückkehr nach Cattaro zu beschleunigen, und als er ihnen erklärte, daß das Schiff nicht gegen den Wind steuern könnte, wurden sie sehr niedergeschlagen. Endlich näherte sich das Schiff dem Eingänge der Lo««ti6 6i s!»u»ro, und bei dem Anblicke ihres schwarzen Gebirges stießen sie ein Freudengefchreians nnd fingen an zu singen und zu tanzen. Herzlich umarmten sie beim Abschiede den Kapitän und die Offiziere, und diejenigen, die sich besonders in Gunst gesetzt hatten, wurden von ihnen eingeladen, sie zu besuchen. Als aber die Matrosen ihnen antworteten, daß sie das Schiff nicht ohne Erlaubuiß ihrer Vorgesetzten verlassen könnten, erstaunten sie sehr und sagten: „Wenn ihr dieß thun wollt, wer hat ein Recht, es euch zu verbieten?" Die vorstehende Darstellung stimmt ganz übercin mit Allem, was ich im Lande selbst erfahren habe, sei es durch meine eigene Beobachtung oder durch fremde Berichte. Alle, die Montenegro besucht haben, bestätigen, daß an der Gräuze der Herzegowina zu Ostrok eine Wache als Außcnposten zm Beobachtung der Bewegungen des Feindes steht, daß die Einwohner mäßig leben und gute Schützen sind, und ihre Kriegführung wird von allen Augenzeugen geschildert, wie Vroniewski sie beschreibt. Nach der Sitte der Heldenzeit höhnen sie ihre Feinde und fodern sie zur Schlacht her-aus; sie plündern die getödtetcn Gegner und manche schmähende Rede, die bei der Belagerung von Troja gehört wurde, konnte von einem neueren Dichter bei der Schilderung der Kämpfe zwischen den Montenegrinern und den Türken benutzt werden. Ihre listige Kampfart, ihre Gleichgiltigkeit gegen Hunger, 261 Durst und andere Entbehrungen und verschiedene ihrer Gewohnheiten erinnern an die Schilderung, die uns Procopius von den alten Slaven gibt'), nnd der Gebrauch der Zither lebt noch immer in ihrem Lieblingsinstrument, der Gusla ^), fort, deren einzige Saite über einen mit Pergament bedeckten Bauch gespannt ist. Sie klingt klagend nnd eintönig und wird hauptsächlich zur Gesangbegleitung gebraucht. Der Sänger seicrt die ruhmvollen Kriegsthaten der Montenegriner und Serbier, und preiset Czcrni Georg und Milosch Obrenowich, Czernoievich nnd Milosch Obi-lich oder den weitberühmten Scanderbca/), unter welchem ihre Vorväter gegen die Türken kämpften. Gs ist anziehend, eine Eitte alter Zeiten noch immer fortleben zu sehen, während die gefeierten Thaten tägliche Begebnisse sind. In anderen Ländern gehören die Barden und die Gegenstände ihrer Gesänge der Geschichte nnd der Sage an, aber in Montenegro sind sie Wirklichkeiten unserer Tage. Gs gibt jedoch keine Volksklasse, die man Barden nennen könnte; der trotzigste Krieger pflegt wohl zu der Gusla zu singen, und der bekannte Ruf des Sängers erhöht den Eindruck, den seine Leistung macht. Die Montenegriner sind, wie die meisten Gebirger, gastfrei und höflich gegen Fremde und freuudlich gegen diejenigen gesinnt, die ihre stolzen Ansichten von Unabhängigkeit und ihre Heimatliebe theilen. Sie sind munter, und wennauch noch nicht gesittigt, doch keineswegs roh. Ihr Haß gegen die Türken ist heftig, sie verabscheuen und verwünschen diese Nachbarn, und die glänzenden Siege, die sie gewonnen haben, befestigen die Montenegriner in der 1) Siehe Abschnitt l. 2) Das alte Monochordium war eine Erfindung der Araber. Auch das neuere in Kahira gebräuchliche Naha b hat nur eine Saite. 3) Georg Castriota, genannt Smnderbeg (Mskander Beg, Fürst Alexander) war der Sohn des Fürsten von Albanien, dessen Heldenthaten in die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts fielen. S. Viemmi's I^inri-, lli kim-ssi» ^»lilriull», duUu ^lläol'ln'zz. U^ela N43. 8. i5. 262 Meinung, daß es ihnen, wenn sie nur Brot, Pulver und Blei hätten und den Beistand europäischer Mächte erhielten, gelingen würde, den größten Theil der Herzegowina und Albaniens zu überschwemmen. In ihrer Begeisterung vergessen sie freilich, daß sie ihre Siege hauptsächlich der uatürlichen Beschaffenheit des vertheidigten Landes zu verdanken haben, und daß weder ihr Muth noch ihre Kampfart ihnen denselben Vortheil gegen die Masse oder die Reiterei ihrer Feinde in offenem Felde auf türkischem Gruud und Boden verschaffen würde, und noch weniger würde ihnen ohne Hilfe von Geschütz der Angriff gegen befestigte Städte gelingen. Es ist jedoch ein edler Geist, der jene Meinung ihnen eingibt; es ist das Gefühl eines tapferen Volkes und geht nicht aus blindem Vorurtheilc oder aus Eitelkeit hervor; denn der Montenegriner versagt dem Türken nie das Lob eines ausgezeichneten Muthes, und wie ein tapferer Mann, erkennt er in seinem Feinde großmüthig eine Tugend an, die zu übertreffen er für seine Pflicht hält und auch gewohnt zu sein glaubt. Nicht der Muth, sondern die Grausamkeit der Türken ftößt ihm diesen Haß ein, und die Leiden, die ihre Einfälle seinem Vaterlande bereiten, erwecken in ihm eine grimmige Nachgier. Diese wilden Regungen werden durch die von beiden Theilen angenommene Gewohnheit genährt, den Verwundeten und Todten die Köpfe abzuschneiden, eine barbarische Sitte, deren Folgen alle Bedingungen redlicher Kriegführung aufheben und einen Frieden unmöglich machen. Die bittere Erinnerung an die Vergangenheit wird beständig durch die Schrecknisse der Gegenwart erweckt, und die Nachgier, die ein hervortretender Charakterzug des Montenegriners ist, macht ihn gleichgiltig gegen vernünftige Vorstellungen und gegen Gerechtigkeit und stellt die Türken nach seiner Meinung außerhalb der Neihe menschlicher Wesen. Er denkt nur an Rache und achtet wenig auf die augeweudeten Mittel. Wer der Verfolgung der Feinde seines Vaterlandes und seines Glau- 263 bens durch Entschuldigungen ausweichen wollte, würdc sich Schmach und Verachtung zuziehen. Selbst die Heiligkeit eines Waffenstillstandes kann ihn nicht immer zurückhalten, und der Haß gegen die Türken überwiegt alle gewöhnlichen Rücksichten auf Ehre oder Menschlichkeit. Die beständig von den Türken empfangenen Beleidigungen, die Gewohnheiten, die sie durch Plünderungen erlangt haben, und der Ruhm, den ein glücklicher Streifzug verschasst, all dieß hat die Nanbsttte bei den Montenegrinern geheiligt, und bei ihrer Armuth halten sie fest daran. Der dürftige Montenegriner findet keinen Grund, warum er sich nicht das Eigenthum stilles Nach' bars zueignen sollte. Zum Unglück aber beschränkt sich seine Raublust nicht auf das Eigenthum seines Feindes, und auch die Dab matier haben durch seine Plünderungen gelitten, die ihn in einen nicht zu beneidenden Ruf gebracht ha^en. Fremde aber, die sein Land besuchen, läßt er nicht darunter leiden, und in dem Augenblicke, wo sie den Boden seiner Heimat betreten, erlangen sie'seinen Schutz, und ihnen wie ihrem Eigenthum wird dieselbe Sicherheit gewährt, die das Brot und das Salz des Arabers geben. Der Empfang der Fremden in Montenegro bringt einen Engländer in Verlegenheit, der nicht gewohnt ist, sich von jedem Gliede einer Familie, die er besucht, küssen zu lassen. Auch in anderen Ländern küssen sich Männer, aber ich habe nie Leute gefunden, die ihre Vewillkommnungen so verschwenderisch austheilten, nnd was noch schlimmer ist, auf den Mund. Sie sind darin unermüdlich, wie groß auch die Zahl der Personen sein möge, welchen sie auf diese Weise ein Zeichen ihrer Freundschaft geben wollen. Mußte ich dieser harten Prüfung mich unterwerfen, und fand ich kein Mittel, ihr zu entgehen, so machte ich immer einen Plötzlichen Ausfall in gerader Richtung über meines Freundes Schulter nut meinem Kopfe, den ich nicht eher zurückzog, als bis die wohlwollenden Absichten des Mannes nachgelassen hatten; 264 damt aber öffnete ich sogleich die Tabaksdose der Höflichkeit, oder fand einen Gegenstand schmeichelnder Unterhaltung, nm Betrachtungen über mein seltsames Benehmen zu verhüten. Die Frauen küssen dem Fremden nur die Hand, und bei keiner Gelegenheit fühlt man mehr, wie vortheilhaft es sein würde, wenn beide Geschlechter die Plätze tauschten, als bei der Vewillkommmmg in dein Hause eines Montenegriners. Eine andere Sitte bei dem Empfange eines Fremdelt, die ihn ehren soll, kann ihn leicht in Gefahr bringen. Während er sich dem Orte nähert, wo man ihn erwartet, begrüßt man ihn mit Schüssen ans Flinten, die abwärts gerichtet und mit Kugeln geladen zwischen die Felsen abgefeuert werden, durch welche er langsam auf einem sich hinauwmdenden Pfade zieht. Die Montenegriner glauben, wie die Türken, daß ein lautes Geräusch die dem Gaste erwiesene Ehre erhöhe, wiw dem Abfeuernden mehr Vergnügen mache, und da man das bei dem Gusse der Kugel hervortretende Ende nicht abkneipt, so fährt sie mit einem eigenthümlichen Zischen durch die Luft. Man erspart sich auch Mühe, wenn man das Ende stehen läßt, denn die Patrone läßt sich leichter befestigen nnd hat das grausame Verdienst, eine schmerzlicher verletzende Wunde zu reißen. Auch sind sie, wie die Türken, überzeugt, daß Alles vorher bestimmt ist, daß Niemand gctödtet oder verwundet werden kann, außer wenn das Schicksal es will, und daß ein einmal bestimmtes Ereigniß geschehen muß, trotz aller Vorsicht, es abzuwehren. Sie wenden daher in solchen Fällen auch keine Vorsicht an, wiewohl sie sich bei Angriffen hinter Felsen schirmen oder einem Feinde ausweichen, was eine der vielen ähnlichen Sonderbarkeiten menschlicher Leichtgläubigkeit und ein Beispiel von dem Unterschiede zwischen Theorie und Praris ist. Ihre Lebensweise ist sehr rauh und altcrthümlich einfach, wie ihre Nahrung, die aus grobem ungesäuerten Maisbrot, aus Polenta, Käse, Milch und Gemüsen besteht. Fleisch und Fische 265 werden selten gegessen, außer bei festlichen Gelegenheiten oder bei dem Empfange eines Fremden. Sie trinken sehr gern Wein, können ihn aber nicht erschwingen, außer an gewissen Festen, wo sie ihn reichlich genießen, besonders amTage des heiligen Elias, der mit großem Pomp gefeiert wird. Branntwein und alle geistigen Getränke haben großen Reiz für den Montenegriner, aber nur einen sehr beschrankten Verbranch, da nur wellige Leute Gelegenheit oder Mittel haben, sich diese Genüsse zn verschaffen, ausgenommen diejenigen, dieCattaro besuchen. DieLebeusgewohnheiten des Volkes im Inneren des Landes sind äußerst einfach und ihre Armuth hält sie gewöhnlich von Ausschweifungen ab; können sie es aber einmal erschwingen, so macht der gastliche Becher fleißig die Runde, und sie glauben, daß ein Gast nicht gebührend geehrt oder seines Empfanges froh werde, ohne daß der Wein reichlich stieße. Sie haben nur wenige Spiele. Am häufigsten sah ich Kegeln und eine Art von Wurfspiel, uud sie zeichnen sich in verschiedenen Leistungen aus, die Behendigkeit und Stärke fodern. Sie sind berühmt als geschickte Springer. Ich hatte vor meinem Besuche ihres Laudcs viel davon gehört, und als ich in Cetmje war, wollte der Vladika mir freuudlich eine Gelegenheit geben, Zeuge zn sein. Zuerst wurden einige Knaben herbeigerufen, die gute Proben ihrer Gewandtheit ablegten, aber die Männer sprangen zwanzig Fuß weit aus einem ebenen Rasen, ohne einen weiten Anlauf. Die Tracht der Männer hat einige Aehnlichkeit mit dem Anzüge der Albaucser, aber sie haben kein Fostan, und ihr weißes Hemd fällt über weite blaue Beinkleider, die bis unter das Knie hinabgehen. Sie tragen einen weißen oder gelben Tuchkit-lel, der fast bis an das Knie reicht, mit einer Schärpe um den Leib. Darunter ist eine rothe Tuchweste und darüber eine rothe oder grüne Jacke ohne Aermel, beide reich gestickt uud das Ganze 266 bedeckt ein mit Pelz verbrämtes Wams. Den Kopf bedeckt eine rothe Fez^Mntze und ein gewöhnlich weißer ober rother Turban, unter welchem hinten am Halse eine lange Haarlocke hervorsteht. Auch darin gleichen sie den Albancsern, wie auch in dem geschorenen Kinn. Der Vorderkopf ist gleichfalls geschoren bis an das Ohr, hinter welchem man das Haar sehr lang wachsen läßt, nie aber sieht man den langen Haarzopf der Morlachen. Alle tragen zwar Schnurrbärte, aber Niemand hat einen Kinnbart, ausgenommen die Mönche und diejenigen Priester, die zu Bischöfen und Archimandrite:: bestimmt sind, nnd die eigentlich denOrdcnsgeist-lichcn angehören. Außer der Schärpe haben sie lrdcrne Gürtel für Pistolen und Iatagan, wie die Albaneser, Türken und Morlachen, und Taschen nebst verschiedenen nützlichen nnd zu Zierden dienenden Beuteln sind an einem Riemen unter der Schärpe befestigt. Männer und Weiber tragen die Struka auf der Schulter. Die Frauen-Struka ist buntfarbig, die andere gewöhnlich brann. Der weibliche Anzug besteht aus einem Nocke oder Pelz von weißem Tuche ohne Aermel und ist vorn offen, wie der Männerkittel, aber weit länger, beinahe bis an die Knöchel und mit verschiedenen Verzierungen in Schnüren oder buntem Tuche und Troddeln, und vorn sieht man goldene Zicnathen. Um den Hals tragen die Frauen viele Ketten, Goldmünzen und Halsbänder; sie haben Ohrringe und an die Haarflechten sind Anhängsel befestigt. Die rothe Mühe der Mädchen ist vom mit sehr vielen kleinen türkischen Münzen, meist Par as, bedeckt, die wie Schuppen geordnet sind, und darüber ein gestickter Schleier, der auf die Schultern herabfällt. Die rothe Mütze verheiratheter Frauen hat statt derParas einen Rand von schwarzer Seide und an festlichen Tagen eine Binde mit goldenen Verzierungen, gewöhnlich halb be« deckt mit einem bunten Schleier, den eine Nadel mit goldenem Knöpft auf dem Wirbel befestigt. Das Hemd ist vorn und auf den langen weiten und offenen Aermeln mit buntfarbiger Seide 267 in verschiedenen Mustern, oder mit Goldfäden durchwirkt; es reicht oft bis an die Fußknöchel, zuweilen aber nur bis an den Leib, und die Schürze ersetzt dann den unteren Theil. Diese Schürze ist bunt gewirkt oder von Tuch, unten mit einem breiten Rande, und der Gürtel ist mit drei bis vier Reihen echter oder falscher rothen Karneole besetzt. Knrze bunte gewebte Socken werden über die groben weißen Strümpfe gezogen, und Männer und Weiber tragen Opanken oder Sandalen, wie die Morlachen. Mit diesen Opanken läuft man sehr behende über die schroffsten, rauhestcn und schlüpfrigsten Felsen, und sie sollen, wenn man sich an sic gewöhnt hat, für den Fuß bequemer sein als alle anderen Sandalen. Die Sohle ist von ungegcrbter Ochscuhaut mit der enthaarten Seite nach außen. Es fehlt den Montenegrinern keineswegs an Verstand, der nur einer gehörigen Ausbildung bedarf, und selbst die Eiuwohuer von Eattaro gestehen, daß sie einer hohen geistigen Bildung fähig sind. Die Volks erzieh ung ist noch in der ersten Kindheit und selbst vielcPricstcr können weder lesen noch schreiben. DcrVladika hat im Jahre 1841 zwei Schulen angelegt, eine in Ectinjc für dreißig, die andere in Dobroskoselo für vicrundzwanzig Knaben. Jede hat verschiedene Klassen und man lehrt darin schreiben, lesen, slavische Grammatik, Arithmetik, die Geschichte Serbiens, Erdbeschreibung und den Katechismus. Cetmje hat auch eine Druck erpresse, und es ist bcmerkenswcrth, daß schon im sechzehnten Jahrhundert Bücher mit cyrillischen Buchstaben in Montenegro gedruckt wurden. Die Sprache der Montenegriner ist ein Dialekt des Slavischen, der für sehr rein gehalten wird, unvermischt mit Fremdwörtern. Die Montenegriner selber nennen sie einen serbischen Dialekt, was vielleicht eine richtige Bezeichnung ist, da sie aus Serbien entsprossen sind und ein Thcil jenes Königreiches waren. Krasinski sagt: „Sie soll unter allen slavischen Dialekten der 268 ursprünglichen slavischen Sprache am nächsten kommen, das heißt derjenigen, in welche die heilige Schrift im nennten Jahrhundert dmch Cyrillns und Methudius übersetzt ward, und die noch immer bei allen Slaven, die sich zur morgenländischen Kirche bekennen, als die heilige Sprache gilt" >). Nicht ohne Grund unterscheiden daher die Montenegriner ihre Sprache von dem Illyrischen, dem sie so sehr gleicht, das aber durch die Aufnahme vieler italienischen Wörter verderbt ist, wie das Bosnische und andere slavische Dialekte in der Türkei dnrch türkische Ausdrücke. Sie haben keine Kenntniß von der Heilkunst, aber kein Vorurtheil hält sie ab, sich an Fremde zn wenden, die darin bewandert sind, und nicht nur der Vladika, sondern auch andere angesehene Montenegriner suchen gern ärztlichen Rath in Cattaro. In ihrem gesunden Klima aber nnd bei ihrer mäsiigen Lebensart und ihrer Gewöhnung an Bewegung sind Krankheiten sehr selten-), und man sieht nicht viele Krüppel im Lande. Bei ihrem gesunden Zustande genesen sie auch schnell von Wnndm nud anderen schweren Znfällen, die in einem gesitteteren Zustande oft tödtlich sein würdcu, und sie besitzen die bei allen wilden Völkern gewöhnliche Gcschicklichkeit, äußere Verletzuugen zu heilen, wie die Araber und andere, die ein unverfeinertes Leben führen. Freilich überläßt man Vieles der Natur und die einfachsten Mittel sind hinlänglich. Die Montenegriner sind abergläubig, und so oft sie an einer Kirche vorübergehen, bekreuzeu sie sich unablässig. Die Einwohner von Cattaro spotten darüber, und bei diesen übertriebenen Kundgebungen von Frömmigkeit geben sie zu .verstehen, die Ehr- 1) <3* British and foreign «uarl.crlv Ileview iVi\ XXI., ^>istn <),i>al- Marlo Fedorowitsch. Zwei Theile. Dresden und Leipzig 184?'^ Gs wird hier auch auf die in diesem Augenblicke wichtige Stellung ^.^ reich« zu der Slavenbewegung Rücksicht genommen. — Nicht minder ' bar ist in Beziehung auf diese weltgeschichtliche Bewegung die „ O" "> deS IllyriömuS oder deS süd - slavischen Antagonisms gegen die Magyaren. Nebst einem Vorworte von l>>. W. Wach muth." Leipzig 1849. 297 matim verbreiten, und die Dalmatier sind wohl zu voreilig in der Vermuthung, daß Rußland bereits seine Werkzeuge in Bewegung gesetzt habe, um auszumittcln, ob sie für die Knute empfänglich sein möchten. Bei dem Abschlüsse des allgemeinen Friedens im Jahre 1815 wurde den Montenegrinern gestattet, im Genusse ihrer früheren Unabhängigkeit zubleiben, da man weder den Türken noch den Oesterreichern diejenigen Ansprüche ans das Land zuerkennen wollte, die man vergebens für dieselben geltend zu machen gesucht hat. Man Mc>g es zwar für den Kaiser Leopold II. und die Türken zuträglich erachtet haben, indem 17U1 zwischen ihnen zu Sistovo abgeschlossenen Frieden Montenegro für ein Zubehör der Türkei zu erklären, aber das Land war unerobert nnd cs gehörte keiner der hohen vertragschließenden Parteien. Die Venetia-ner hatten allerdings schon früher 1718 sich gestattet, der Türkei ein Gebiet abzutreten, das ihuen nie gehört hatte, und mögen Ginige Montenegro einen Theil des Paschaliks Scutari nennen, das Land ist in der That so unabhängig als irgend ein anderer Staat, und Nußlands Schutz ist eine Bürgschaft mehr gegen alle Ansprüche der Türken ails Oberherrschaft. Ende vco ersten Bandes. Dalmatic» und Muiltcncgro !. 20 Druck von Vreittops imd ^aitcl in Leipzig. In F. Varrentrapp's Verlag (Ph. Krebs) erscheint: F. C. Schlosser's Weltgeschichte fur das deutsche holk. Unter Mitwirkung des Verfassers bearbeitet von Or. G. L. Kriegk. Preis d. Ausgabe in Heften von circa « —.7 Bog. 5 fl, - 18 kr. od. 5 Sgr. - - - - Liefergn. - -15 — 1»- i. si.—45rr.°d.12'/:-- - - -Bänden - -3u d'adoucir les miseres .sociales, " signalee les principaii.v eerits puhlies a cetle intention, ä faire c»u-»aitre les institutions de bienfaisaace ou de repression, ainsi i|ue les «ttorts de l'esprit chrelien pour l'ainelioration physique, morale el k'--•igieuse des populations. An-nee 1848, 6 Cahiers. gr. 8. 4 Thlr. "chrbüchcr der englischen Sprache: o?/^".m '^'- ^ V. ^beoretisch - praktisch englische Sch n lg r a m m atik, °oer vollständiger Unterricht in d« englischen Sprache, mit Beispielen uud l-udungen z,n Anwendung der Ncgcln. U. Aufl. roh l Thlr. 2 Sgr., ^. ,, s licl'nnden l ',>, Thlr. "counM'uch ziiül Ucbersetzc» auö dem Deutschen m'ö Vnül'sche, n^ch bcu -"egclll lenlcr GlamuuUie. In Leiucu gclmldcu > Thlr. Williams, T. S., First steps in the practice of English reading consisting of prose and poetry, with the pronunciation annexed and a German vocabulary at the loot of each page. 9?W b«it beittfdjen %V tel: Die ersten Schritte beim Unterrichte im Englischen, enthaltend Prosa und Gedichte, nebst der beigefügten Aussprache und einem deutschen W°r-terverzeichnlß am Ende jeder Seite. 2te sehr vermehrte Auslage. PreiS letzt roh 12 Sgr. In Leinwand gebunden '/2 Thlr. D« jetzt eingetretene billigere Preis wird es überall leichter einführen. — „lhe progressive English Reader and Universal Class Book; systematically arranged and consisting of Choice selections in prose and improving subjects, part I. with a dictionary. 4te tierfcefferte Stuflage, roh 27 Sgr., gebunden I Thlr. — „ — part »eeöllll. 2te um die Hälfte vermehrte Aufl. ». roh H?Sgr., gebunden 1 Thlr. - Modern English and German Dialogues and elementary phrases, adapted to the use of learners in both languages. The genuan revised and corrected by C. Criiger, Director of the Commercial -Academy i" N«m!,«!>^^!. ^I,o ninll» 6»l!»^ssl,uie es in London gespro» chen wird.) Deutsch bearbeitet von Carl Crüger, Director der Hand-lungs-Aeademie. 9te Auflage. Cart. "/,"Thlr. — An English Dictionary, exhihiling a complete view of the Verbs, Nouns and Adjectives governing the various prepositions ; comprehending 12,000 examples, illustrated by quotations from classical authors, intended to furnish the student with a guide to this most difficult branch of the language, contained in no grammar yet given to the public : principally extracted from the larger Dictionaries of Webster and Johnson. Cart. I1/- Thlr- Pollok. Rabert, The Course of Time, a poem in ten books, the ninth edition. With arguments und biblical references. Cart. h$htx'l%Wt>, jetzt herabgesetzt auf 1 Thlr. Hcpple, Will., Leitfaden der englischen Correspondenz, oder deutscheHand-lungöbriefe mit zweckmäßigen phraseologischen und terminologischen Anmerkungen zum Uebersehen in das Englische, wobei zugleich gründliche Anweisung zu Adressen, Frachtbriefen, Rechnungen :e. gegeben, und Erklärung der üblichsten kaufmännischen Ausdrücke und Abbreviaturen. >'te verbesserte Auflage. «. Gel). V' Thlr. — Vricf-Entwürfe zum Uebersetzen aus dem Deutschen in's Englische, oder Sammlung von Materialien zum Entwerfen kaufmännischer Briefe, nebst tin?? Auswahl englischer Originalbrlefe, in's Deutsche übertragen zum Zu-rückübcrtraqcn in's Englische. Ferner eine Anlvelsung über den üblichen Anfang und Schlus! der englischen HandlimgSbriefe n>it Vcrzeichniß über die in diesem Vuchc vorkommenden technischen Ausdrücke, k. Geh. '/,2 Thlr. Meeden, C. F., Die Correspondenz des Kaufnianncö in der französisch"^ deutscheil und englischen Sprache. N. 4. Preis gebunden 2 TM' — Die Kaufmanns- und Schiffcrsprachc. Deutsch, französisch, englisch, kl.^ Äte Auflage der Phraseologie. geb. 1 Thlr. 2 l Sgr- — Handlungsbricfe zum Ucbersetzen in's Englische und Französische- ^A dessen Correspcndcnz des Kaufnianns in der französischen, drutsM'^ ,. englischen Sprache ftci bearbeitet. 8. ^ii8 Seiten. Geb. ! Thtt- <» ^^ ' X l