04/61-70 hofler - prelom1 15.11.2004 10:02 Page 61 RAZPRAVE Janez Höfler, Ljubljana HAT CONRAD LAIB ANTONIO VIVARINI GEKANNT? MARGINALIE ZU LAIBS VERBINDUNGEN MIT ITALIEN Die Abhängigkeit Conrad Laibs von der älteren italienischen -konkret gesprochen der paduanischen - Malerei gilt als eine längst bewiesene Tatsache. Wie Ludwig Baldass in seiner Monographie zu Laib und den beiden Frueauf - übrigens der ersten komplexen Arbeit zu Leben und Werk des Salzburger Malers - vor mehr als einem halben Jahrhundert treffend gezeigt hat, sind seine großen Kreuzigungen von 1449 in Wien und 1457 in Graz unter dem Eindruck der monumentalen Verbildlichungen dieses Themas von Altichiero und Jacopo Avanzo in Padua gestaltet worden, außerdem verbirgt die Grazer Tafel ein direktes Zitat aus Altichieros Kreuzigung in der Antonius-Basilika.1 Einen speziellen, wohl durch den Wunsch des Auftraggebers bedingten Fall einer direkten Einwirkung der italienischen - diesmal venezianischen - Malerei auf den Maler stellt der sogenannte Markus-Altar in Ptuj (Pettau) dar, Laibs letzte überlieferte Arbeit aus der Zeit um 1460.2 Neben diesen und anderen konkret beweisbaren Umständen, welche die Beziehungen des Salzburgers zu Italien belegen, muss man sich nach der Meinung des Verfassers aber noch klarer vor Augen stellen, wie stark die Malerei eines Altichiero seine allgemeine Bildauffassung prägte. Obwohl Laib die fortschrittlichen Leistungen der frühen Niederländer, etwa eines Meisters von Flémalle oder Jan van Eyck, ohne Zweifel bekannt waren - letzten Endes zeugen deutliche motivische Entlehnungen in seinem Werk davon -, konnte oder wollte er ihnen in der neuzeitlichen Raumauffassung einfach nicht folgen. 1 Ludwig Baldass, Conrad Laib und die beiden Rueland Frueauf, Wien 1946, S. 14. 2 Baldas (wie Anm. 1), S. 17 f., sonst siehe Janez Höfler, in: Gotik in Slowenien, Katalog zur Ausstellung Narodna galerija Ljubljana, Ljubljana 1995, S. 324 ff.; Janez Höfler, Zum Pettauer Altar Conrad Laibs und dessen ikonographischen Bezügen, in: Conrad Laib, 211. Wechselausstellung der Österreichischen Galerie94.8 Belvedere (hrsg. von Arthur Saliger), Wien 1997, S. 72-91. 61 04/61-70 hofler - prelom1 15.11.2004 10:02 Page 62 RAZPRAVE 2. Conrad Laib, Schmerzensmann zwischen Engeln, Ausschnitt, Salzburg, ehemalige Stadtpfarr-, heute Franziskanerkirche 1. Conrad Laib, Schmerzensmann zwischen Engeln, Salzburg, ehemalige Stadtpfarr-, heute Franziskanerkirche 62 04/61-70 hofler - prelom1 15.11.2004 10:02 Page 63 RAZPRAVE 3. Antonio Vivarini, Schmerzensmann zwischen Engeln, Venedig, S. Zaccaria, Capella di S. Tarasio, Hauptaltar Die Grazer Kreuzigung, die mehrere Jahre nach jener in Wien entstanden ist und in der man einen weiteren Schritt in dieser Richtung hätte erwarten können, zeigt gerade das Gegenteil: Die Komposition wird noch stärker parzelliert in Figurengruppen von einem erstaunlichen Realismus, die aber in ihrem Neben- und Aufeinander mit krassen Maßstabsprüngen noch klarer additive Kompositionsprinzipien des italienischen Trecento zutage treten lassen.3 3 Allgemein zum Stil Conrad Laibs siehe neben Baldass (wie Anm. 1) u. a. Otto Pächt, Österreichische Tafelmalerei der Gotik, Augsburg 1929, S. 26 ff. (unter „Pfenning“); Alfred Stange, Deutsche Malerei der Gotik, Bd. X, München - Berlin 1960, S. 20 ff.; Beate Rukschcio, in: Spätgotik in Salzburg: Die Malerei 1400-1530, Katalog zur Ausstellung Salzburg 1972, S. 42 f.; Albin Rohrmoser, ebenda, S. 75 ff., 84 ff.; Artur Rosenauer, Zu 63 04/61-70 hofler - prelom1 15.11.2004 10:02 Page 64 RAZPRAVE Als Conrad Laib zum ersten Mal nach Venedig und Padua gekommen sein dürfte, sagen wir in den frühen vierziger Jahren, war Altichiero schon ein halbes Jahrhundert tot. Die Ausmalung des Oratorio di San Giorgio und der Jakobus-Kapelle im „Santo“ erfolgte bereits in den siebziger und achtziger Jahren des 14. Jahrhunderts. Nun darf man sich fragen, warum Laib sein Augenmerk nicht auf die damals im Aufschwung befindliche venezianische Malerei eines Antonio Vivarini lenkte und sich stattdessen bei den alten Wandmalereien in Padua aufhielt? Die Antwort darauf ist nicht schwer zu finden: Obwohl schon mehr als ein halbes Jahrhundert zuvor entstanden, stellten diese noch bis in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts hinein ein kaum übertroffenes Beispiel eines monumentalen und zugleich realistisch aufgefassten Gemäldes von einer solchen Intensität der Handlung dar. Die ersten Quattrocento-Generationen der auf die Finesse der Einzelfigur ausgerichteten venezianischen Künstler hatten Laib in dieser Hinsicht nichts zu bieten. Dennoch scheint es, dass er nicht ganz mit verschlossenen Augen an dem vorbeiging, was sich in der Malerei der Lagunenstadt damals abspielte. Ein Beweis dafür liegt unseres Erach-tens in dem Schmerzensmannfresko, mit dem Laib im Jahre 1446 die Wandtabernakelnische der ehemaligen Stadtpfarr-, heute Franziskanerkirche in Salzburg schmückte. Als die Freskenreste im Innern der Salzburger Franziskanerkirche im Jahre 1955 entdeckt und anschließend von Otto Demus veröffentlicht wurden, fanden sie gleich Anerkennung als eine wichtige Ergänzung des bis dahin bekannten Laibschen (Evres.4 Das in einer Tafel von Conrad Laibs Kreuzigungsaltar von 1449, in: Von österreichischer Kunst: Franz Fuhrmann gewidmet, Klagenfurt 1982, S. 29-36; und zuletzt die Beiträge von Arthur Saliger, in: Conrad Laib, 211. Wechselausstellung der Österreichischen Galerie Belvedere (hrsg. von Arthur Saliger), Wien 1997, S. 6-17 (mit Katalogtexten S. 178 ff.), sowie Ulrich Söding, ebenda, S. 22-35; weitere Beispiele des niederländischen Einflusses finden sich in einem slowenisch verfassten Aufsatz von Igor Weigl, Conrad Laib in oltar sv. Marka, in: Ptujska župnijska cerkev sv. Jurija (hrsg. von Slavko Kranjec), Ptuj 1998, S. 190-205. 4 Otto Demus, Wandgemälde aus der Werkstatt Conrad Laibs in der Franziskanerkirche in Salzburg, Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege, IX, 1955, S. 89-95. Neben dem Schmerzensmann zwischen zwei Engeln wurden damals noch drei übereinander angebrachte und mit 1447 datierte Gemälde am Triumphbogen freigelegt. Von dem obersten, einer dreifigurigen Kreuzigung, ist nur ein Streifen mit der 64 04/61-70 hofler - prelom1 15.11.2004 10:02 Page 65 RAZPRAVE Frage kommende Wandbild befindet sich über der Sakramentsnische auf der Laibungsfläche des nördlichen Triumphbogenpfeilers (Abb. 1-25). Im Einklang mit der Funktion stellt sie den Schmerzensmann in Ganzfigur, durch je einen seitlich knienden Engel adoriert, dar. Durch den Kelch, welchen er in der Rechten hält, um das Blut aus der Herzenswunde zu sammeln, wird der ikonographische Bezug auf die Eucharistie konkret hergestellt. Ein üppig gestalteter sechseckiger gotischer Kuppelbaldachin hoch über der Gruppe und ebenso ein als gemeißelt gedachter Fuß der Sakramentsnische in Form eines halben Sechsecks ergänzen im Sinne eines „trompe l’ ceil“ illusionistisch das Reale, was auch für die malerische Ergänzung der Gitter und die profilierte Umrahmung der viereckigen Nische sowie für die Postamente der Engel gilt, die diese gleich skulptierten Figuren wirken lassen; das Postament dazwischen, auf dem Christus stand, ist verlorengegangen und ist durch eine neutrale weiße Fläche ergänzt worden. Auf der Vorderseite der Konsole ist über eine nicht mehr lesbare Kursivinschrift auf einem gemalten Zettel die Jahreszahl 1446 in arabischen Ziffern wie in den Stein gemeißelt noch gut zu sehen. Inschrift erhalten geblieben, das mittlere zeigt das Gebet Christi am Ölberg, das untere und bisher nicht identifizierte wohl die Vision des Kaisers Augustus mit der Sibylle von Tibur und dem Apokalyptischen Weib in der Mitte. Sind diese Fresken eng mit dem Meister selbst in Zusammenhang zu bringen, so hat die Darstellung einer Bauhütte mit Steinmetzen auf einem Chorpfeiler von 1456, wie immer sie kulturgeschichtlich auch interessant sein mag, mit Laib nichts zu tun. Für eine neuere, aber über Demus nicht hinausgehende Behandlung siehe Andrea Stockhammer, Conrad Maler als Wandmaler, in: Conrad Laib, 211. Wechselausstellung der Österreichischen Galerie Belvedere (hrsg. von Arthur Saliger), Wien 1997, S. 40-70 (43 ff.). Hinzuzufügen sei, dass diese Fresken die einzigen Zeugnisse von Laib als Wandmaler sind, da die übrigen bei Stockhammer (a. a. O.) als solche veröffentlichen Werke sich leicht als Fehlzuschreibungen aufklären lassen. Bleiben die Wandmalereien in St. Leonhard bei Tamsweg noch im Rahmen der zeitgenössischen Salzburger Malerei, so ist das Kreuztragungsfragment im Grazer Dom ein Werk des Thomas Artula (Thomas von Villach) aus der Zeit um 1500; Janez Höfler, Zum Neuerwerb der Millstätter Flügelbilder des Thomas Artula im Museum der Stadt Villach, in: Neues aus Alt-Villach: 37. Jahrbuch des Stadtmuseums, Villach 2000, S. 143-172 (S. 166 ff.); Miriam Porta, in: Elga Lanc, Die mittelalterlichen Wandmalereien in der Steiermark, Wien 2003, S. 119 f. 5 Die Photographien verdanke ich dem liebenswürdigen Einsatz von Hofrat Dr. Ronald Gobiet, Bundesdenkmalamt, Landesamt Salzburg. 65 04/61-70 hofler - prelom1 15.11.2004 10:02 Page 66 RAZPRAVE Das Salzburger Schmerzensmannfresko ist an sich eine exzellente Arbeit und lässt alle Fähigkeiten des Malers zum Vorschein kommen; an der Eigenhändigkeit des Werks braucht man wohl nicht zu zweifeln. Weniger hat man sich bisher mit der Komposition selbst auseinandergesetzt. Die Rolle des eucharistischen Schmerzensmanns als zur Schau gestelltem „Corpus Christi“ in der skulpturalen oder malerischen Ergänzung eines Sakramentshäuschens oder einer Wandtabernakelnische der Spätgotik ist ikonographisch bedingt und findet sich, mit der Kreuzigung alternierend, überall diesseits oder jenseits der Alpen.7 Bei diesem Sachverhalt ist es überflüssig, nach tieferen Gründen des Salzburger Freskos zu forschen. Dennoch gilt es, sich näher mit dieser Komposition zu befassen, da sie eine gute Parallele im Werk des Antonio Vivarini aufweist. Dem Schmerzensmann, den man in dem kleinen dreiteiligen Klappaufsatz hoch auf der Rückseite des Hauptaltarretabels der Ta-rasius-Kapelle bei der Benediktinerinnenkirche San Zaccaria zu Venedig sieht (Abb. 3), wurde bisher wenig Aufmerksamkeit geschenkt; selbst die vorhandene Photodokumentation reicht für ein eingehendes Studium der Tafel kaum aus.8 Die Figur nimmt das zentrale Kompartiment eines 6 Für eine eingehende Analyse und Vergleiche mit den anderen Laib-schen Werken siehe Stockhammer (wie Anm. 4). 7 Einführend dazu: Hans Belting, Das Bild und sein Publikum: Form und Funktion früher Bildtafeln der Passion, Berlin 1982, S. 122 ff. Für aufwendig ausgestaltete Kärntner Wandgemälde z. B. siehe Janez Höfler, Die gotische Malerei Villachs: Villacher Maler und Malerwerkstätten des 15. Jahrhunderts, 2 Bde, Villach 1981-1982, I, S. 64 ff. (Deutschgriffen) und 71 ff. (Tarvis), für die Steiermark Elga Lanc, Die mittelalterlichen Wandmalereien in der Steiermark, Wien 2003, S. 604 ff. (Strallegg). Der Schmerzensmann in der Inselkirche von Bled in Slowenien (Nachfolger des Meisters Bolfgangus, um 1470), in einer gotischen Halle dargestellt, war durch je einen Engel mit den Arma Christi zur Seite begleitet; Janez Höfler, Srednjeveške freske v Sloveniji, I. Gorenjsko, Ljubljana 1996, S. 68 ff. 8 Zur Geschichte der Kapelle siehe zuletzt Bernard Aikema, La Cappella d’oro di San Zaccaria: arte, religione e politica nella Venezia del doge Foscari, Arte Veneta, 57, 2000, S. 23-41 (2003 erschienen, mit ausführlichen bibliographischen Referenzen); zu den Altarretabeln u. a. Rodolfo Pallucchini, I Vivarini (Antonio, Bartolomeo, Alvise), Venedig o. J. (1962), S. 16-17 und 99-100, Nr. 27-35; Ettore Merkel, in: La pittura nel Ve-neto: Il Quattrocento (hrsg. von Mauro Lucco), 2 Bde, Mailand 1989, S. 72, Mauro Lucco, in: Pisanello: I luoghi del gotico internazionale nel Veneto (hrsg. von Filippa M. Aliberti Gaudioso), Mailand 1999, S. 295-299; 66 04/61-70 hofler - prelom1 15.11.2004 10:02 Page 67 RAZPRAVE als dreiteiliger Apsidenabschluss konzipierten Raums ein und ist zusammen mit einem Engel, der im Kelch das aus seiner Herzenswunde rinnende Blut auffängt, hinter einer Brüstung angeordnet. Je ein Engel steht ihm zur Seite und betet ihn an. Christus folgt nicht der in Italien geläufigen byzantinischen Bildvorstellung der „imago pietatis“ mit den an der Brust gekreuzten Armen oder jenem Figurentypus mit den seitlich herabhängenden Armen, der sich aus der Kreuzabnahme herleiten lässt.9 Mit der erhobenen Linken und der Rechten, mit der er auf seine Seitenwunde zeigt, gliedert er sich vielmehr in die Reihe der vor allem in der venezianischen Malerei des 15. Jahrhunderts populär werdenden Typen des Blut spendenden Christus ein; auf diese Rolle der Darstellung weist auch die Inschrift an der Brüstung hin.10 Die formalen und inhaltlichen Affinitäten des Salzburger Freskos Conrad Laibs zu dieser Komposition sind nicht zu verkennen. Die Christusfigur folgt in ihrer Körperbehandlung weitgehend den zu den Repräsentations- und liturgischen Aspekten Gary M. Radke, Nuns and Their Art: The Case of San Zaccaria in Renaissance Venice, Renaissance Quarterly, LIV, 2001, S. 430-459 (441 ff.). Die an dieser Stelle veröffentlichte Photographie, Ausschnitt aus einer in Pallucchini (wie oben), Taf. 32, veröffentlichten Gesamtaufnahme, wurde mir freundlicherweise von dott. Simone Guerriero vermittelt. 9 Belting (wie Anm. 7), S. 110 ff. Am Beispiel von Antonio Vivarini siehe Enrico Maria Dal Pozzolo, Un Cristo passo di Antonio Vivarini, Arte Documento, 14 [Omaggio secondo all’arte veneta nel ricordo di Rodolfo Pallucchini], 2000, S. 54-57. 10 „Pateat universis qualiter in hac cappella supra altare beate Sabine m(arty)ris abemus de sanguine d(omi)ni nost(r)i ih(es)u xp(ist)i in vasculo habem(us) corp(ora) uni(versi)s s(an)c(t)orum innocentium … [Punkte original] archa que est post altare sancti stefani confessoris contra sepulcrum“. Der hier erwähnte Altar der hl. Sabina ist einer der zwei Seitenaltäre der Kapelle; der andere ist der des hl. Erlösers („il Redentore“), in dem auch das Sakramentstabernakel eingebaut ist mit einem Relief der „imago pietatis“ am Türchen. Von einem noch anderen, der dem hl. Stephan „Beken-ner“ (wohl Papst) gewidmet wäre, wissen wir nichts, es könnte sich jedoch um den Hauptaltar handeln, der heute das Patrozinium der Rosenkranzmadonna (Madonna del Rosario) trägt. Zur Funktion der Rückseite des Hauptaltars als Hinweis auf die dort verwahrten Reliquien siehe Radke (wie Anm. 8), der jedoch auf die Frage eines Stephanusaltars in der Kapelle nicht einging. Es sei allerdings hinzuzufügen, dass der Konvent auch Reliquien des hl. Stephanus Papst besaß (Radke, a. a. O., S. 444, Anm. 37). 11 Bei dem berühmtesten venezianischen Gemälde des blutspendenden Christus, demjenigen von Giovanni Bellini in der National Gallery von London aus der Zeit kurz vor oder nach 1464, das an einen älteren 67 04/61-70 hofler - prelom1 15.11.2004 10:02 Page 68 RAZPRAVE nördlichen Bildvorstellungen eines Schmerzensmanns, doch knüpft er durch die Hinzufügung des Kelchs an die venezianische Bildvorstellung an, wobei die Hostie, durch die der Bezug auf die doppelte Eucharistie erst hergestellt würde, fehlt. Noch stärker reflektiert sich das venezianische Vorbild in den Engeln: In Venedig stehen sie, aber die Haltung ihrer Körper, Arme und Köpfe sowie ihre langen und schmalen Flügel sind sich sehr ähnlich. Bis zu einem gewissem Grade gilt dies ebenso für die Draperiewiedergabe, obwohl Laib bei dem einfachen Gewand seiner Figuren auf den antikisierenden Gürtelbausch der Engel Vivarinis verzichtete. In diesem Kontext ist schließlich auch die merkwürdige Uminterpretierung der Christusfigur zu deuten, indem er den Kelch selbst hält und so die Aufgabe des mittleren Vivarinischen Engels übernimmt.11 Die Ausstattung der Tarasius-Kapelle fing um 1440 an. Die Gewölbemalereien aus der Hand Andrea del Castagnos und Francesco da Faenzas sind mit 1442 datiert. Die drei Altarretabel in Form reich geschnitzter Tabernakelwände stammen von Antonio Vivarini, Giovanni dAlemagna und Ludovico da Forli als Bildschnitzer, wobei der Anteil Giovanni d’Alemagnas nicht einwandfrei auszumachen ist. Die beiden Seitenaltäre sind mit 1443 datiert, und dieses Datum gilt wohl auch für den Hauptaltar. Wenn es zutrifft, dass die Rückseite des Hauptaltars nur für die Nonnen, den Sakristan und eventuell wenige prominente Besucher zugänglich war, dann ist es kaum zu glauben, dass Laib die Komposition des hinteren Klappaufsatzes aus eigener Anschauung kannte. Vielmehr dürfte ihm die Vorlage für sein Fresko durch ein anderes verlorengegangenes Werk der Vivarini-Werkstätte oder eine Werkstattzeichnung vermittelt worden sein. Wie immer dem toskanischen Bildtypus des das Kreuz haltenden Schmerzensmanns anknüpft (ausführlich dazu: Marita Horster, „Mantuae sanguis precio sus“, Wallraf-Richartz-Jahrbuch, XXV, 1963, S. 151-180 (156 ff.)), wird vergessen, dass der Engel zu seinen Füßen aus der venezianischen Bildüberlieferung stammt. Ansonsten blieb die hier herangezogene Vivarini-sche Darstellung bei den unzähligen ikonographischen Untersuchungen zum Schmerzensmann, angefangen mit der berühmten, wenn auch heute schon in manchem Punkt überholten Studie von Erwin Panofsky, „Imago pietatis“: Ein Beitrag zur Typengeschichte des „Schmerzensmann“ und der „Maria Mediatrix“, in: Festschrift für Max J. Freidländer zum 60. Geburtstage, Leipzig 1927, S. 259-308, völlig unbekannt. 12 Radke (wie Anm. 8), S. 453. 68 04/61-70 hofler - prelom1 15.11.2004 10:02 Page 69 RAZPRAVE auch gewesen sein mag, diese Retabel gehen mit der Entstehung um 1440-1443 dem 1446 datierten Salzburger Fresko einige Jahre voran und ermöglichen es uns, eine Reise des Malers nach Italien bereits in den frühen vierziger Jahren vorauszusetzen. Damit werden sich auch die von Baldass postulierten Altichieroschen Einschläge in der Wiener Kreuzigung von 1449 leichter erklären lassen, obwohl diese im Grazer Dombild von 1459 noch stärker präsent sind.13 Das Salzburger Schmerzensmannfresko liefert nach der Meinung des Verfassers einen Beweis dafür, dass Conrad Laib mit der zeitgenössischen venezianischen Malerei der Jahrhundertmitte in Berührung kam. Von einem stilistischen Einfluss Antonio Vivarinis auf den Maler wird wohl kaum die Rede sein können, doch wird es sich lohnen, eventuelle Gemeinsamkeiten in der Technik, wie Behandlung des Inkarnats oder Schattierung von Gewandpartien, zu überprüfen, was an diesem Ort nicht gemacht werden kann.14 Das Mindeste, was sich behaupten lässt, ist, dass Laibs (Euvre nach einer neuen Gesamtuntersuchung verlangt, die - neben neuen Zuschreibungen - noch stärker als bisher seine „italienische“ Seite berücksichtigen würde. Viri ilustracij / Bildnachweis: Bundesdenkmalamt, Landesamt Salzburg (Abb. 1, 2), Fondazione Giorgio Cini, Venezia (Abb. 3). 13 Das ist noch kein Grund, eine frühere Italienreise Conrad Laibs abzustreiten, wie dies Söding (wie Anm. 3), S. 32 f., tat. Dass Laib mehrere Male in Italien war, braucht man wohl nicht anzuzweifeln; ein letztes Zeugnis davon bietet sein Pettauer Altar, in dem, wie vom Verfasser gezeigt (siehe Anm. 2), nun noch formale und inhaltliche Eigenschaften eines venezianischen gotischen Retabels zutage treten. 14 Auf einige Aspekte der italienischen Trecento-Maltechnik bei Laib wies schon Baldass (wie Anm. 1, a. a. O.) hin. 15 Ich denke hier an das Epitaph für Katharina Löffelholz in Nürnberg, St. Sebald, das ihm kürzlich von Robert Suckale, Ein Nürnberger Bild aus der Frühzeit des Konrad Laib, in: Begegnungen mit Alten Meistern: Altdeutsche Tafelmalerei auf dem Prüfstand (hrsg. von Frank Matthias Kammel und Carola Bettina Gries), Nürnberg 2000, S. 51-60, zugewiesen worden ist. Entgegen Michael und Thomas Rainer, in: Geschichte der bildenden Kunst in Österreich: Spätmittelalter und Renaissance (hrsg. von Artur Rosenauer), München usw. 2003, S. 432, halte ich die Zuschreibung für korrekt, doch braucht man die Tafel nicht direkt an das Todesjahr der Katharina 1435 oder 1437 zu knüpfen, da sie auch später - etwa um 1450 - entstanden sein kann. Zumindest lässt sie sich kaum in das Frühwerk des Malers eingliedern, wie dieses bis Dato erschlossen worden ist; dadurch würden auch Suckales Erwägungen über die Anfänge des Malers hinfällig. 69 04/61-70 hofler - prelom1 15.11.2004 10:02 Page 70 RAZPRAVE UDK 75”14”:929 Laib K. JE KONRAD LAIB POZNAL ANTONIA VIVARINIJA? OB ROB LAIBOVIM POVEZAVAM Z ITALIJO V èlanku avtor odkriva, da je freska Trpeèega Kristusa med angeloma, delo Konrada Laiba iz leta 1446, ki dopolnjuje tabernakeljsko omarico v nekdanji mestni župnijski, zdaj franèiškanski cerkvi v Salzburgu, nastala pod vplivom neke sorodne kompozicije Antonia Vi-varinija, ki jo predstavlja zakljuèek glavnega oltarja v kapeli sv. Tarazija v nunski cerkvi S. Zaccaria v Benetkah, konèanega leta 1443. To velja tako za slogovne karakteristike kot deloma za Kristusovo ikonografsko predstavo. S tem imamo v rokah dokaz, da na Laiba niso vplivale le monu-mentalne treèentistiène freske Altichiera in Jacopa Avanza v Padovi, kot je bilo doslej znano, ampak tudi sodobno beneško slikarstvo, èetudi le v omejenem obsegu. Slikovno gradivo: 1. Konrad Laib, Trpeèi Kristus med angeloma, Salzburg, nekdanja mestna župnijska, zdaj franèiškanska cerkev 2. Konrad Laib, Trpeèi Kristus med angeloma, izrez, Salzburg, nekdanja mestna župnijska, zdaj franèiškanska cerkev 3. Antonio Vivarini, Trpeèi Kristus med angeloma, Benetke, S. Zaccaria, kapela sv. Tarazija, glavni oltar 70