Beilage zur Kaibacher Zeitung. ^U 38. Vmtcr Jahrgang. I3. September R8K«>. Herbstweise. A'er Hcrbstwind spielt mit welkem Laube, Hin ist die schöne Sommerzeit, Doch dort am Hügel reift die Traube, Sie trägt den Geist, der nns befreit. Ich mag nicht mit den Lüften hadern, Daß sie den flücht'gcn Glanz verwehn: Das Leben in des WcinstoHs Adern Und das in mir wird nicht vcrgchn. Ihr Andern mögt den Lenz beklagen, Daß er von dannen zog mit Hast, Der Kranz, den ihr nms Haupt getragen, Der ist es werth, daß er verblaßt: Der Herbst ist Frühling meinem Herzen, Er zeigt mir, wie daö Ird'schc fällt, Und wie der Geist trotz Noth nnd Schmerzen Doch stets ein cw'gcö Recht behält. Der lantc Frühling lehrt mich schweifen, Bis daß das Herz sich selbst vergißt; Der stille Herbst lehrt mich begreifen Die reiche Welt, die in mir ist. Und ob der Hcrbstwind von den Väumcn Das letzte Blatt znr Erde warf: Ich sch' den Wein im Becher schäumen, Und frcn' mich, daß ich leben darf! Das schwarze Fraulein von Clees. Eine Kunde ans alter Zeit, erzählt von Drärler-Manfrcd. (Schluß.) ^Vüdlich vermochte El'linde das Vctt zu verlassen; schwach und bleich/ wie sie war, ging sie zu ihrem Vater, dcjsen Znstand sich täglich verschlimmerte. Er nahm sie gut auf, crschrack über ihre Vlä'ffe und Magerkeit undspiach: „Man sieht Dir's an, armes Kind, daß Du viel gelitten, nnd ich verzeihe Dir gern, daß Du meiner nicht Sorge tragen woll« tesi; aber jetzt, da Du hergestellt, mußt Du meiner pflegen, denn Vetter Naoul von Monthenar ist nicht der besle Kran« kcnwärter. Erlinde seufzte und trat ihr Geschäft an. Konnte sie wohl daran denken, ihren Vater in Todesgefahr zu verlassen? Sie verschob ihren Plan der Flucht bis zu seiner Genesung; allein darnm stand es täglich ärger; Naoul nöthigte ihn, immer mehr zu trinken, um sich zu stärken, wie er sagte, und entflammte so das Vlut des /kranken nur noch mehr. Erlmde, die mit dem verhaßten Oheim am Vette des kranken Vaters wachte, nahm sich endlich den Muth, ihn um seinen Kampf mit dem Nitter von Lucens zu fragen; nach einer langen Pause würdigte er sie folgender Antwort: „Nun, ich bestrafte den naseweisen Burschen, wie er'ö verdiente; täglich traf ich ihn bei meinem Vetter, dcm er seine Dienste aufdrang, als hätte er nicht gewußt, daß alles, was den Namen Lueens trägt, den Monthenar's gleich verhaßt ist, was ihn auch Amauri bei jeder Gelegenheit fühlen ließ. Erlinde seufzte laut; — dieser Name war ihr ja so theuer! „Ob er »och lebt?" stotterte sie, vor seiner Ant« wort zitternd. Arme Erlinde, sie konnie den Anblick des Verhaßten nicht ertragen, und täglich mußte sie ihm zur Seite sein! Er schnob sie an, als wäre sie bereits seine Gattin. „So muß man Mit den Weibern verfahren", sprach er „nur znm Gehorsam muß man sie gewöhnen. Indessen fühlte Nitter Amauri seine letzte Stunde herannahen. Wohl gern hatte er seine Tochter mit Naoul verbunden ; allein die Dispens war noch nicht erwirkt, und der Tod traf früher ein. Als er sein Ende nahe fühlte, ließ er die trostlose Erlinde rufen und übergab sie an Raoul von Monlhenar mit den Worten: „Ich gebe sie Euch mit all meinen Gütern und all meiner Macht; laßt den Namen der Monthcnar's in seinem alten Glänze erstehen, und er« zeuget Söhne, die jene ersetzen, so mir die Fehde entrissen. Du aber, verehre den Nitter Naoul als Deinen Vater, als Deinen Gcmal — und somit hast Du meinen Segen." Sie schwieg; was hätte sie auch erwiedern wollen? Kurz darauf war ihr Vater nicht mehr. Der Grausame kam ihr tagsüber nicht von der Seite und verschloß sie des Nachts; ! jeder Gedanke an Flucht schwand, sie durfte nie mit uns allein sprechen; aber wenn ich bei Tische bediente, verrieth ihr erloschener Blick nnd die Thränen, die ihren Wangen herabrolltcn, »nr zu deutlich, waS sie dulden mußte. „Aber seid Ihr anch dessen gewiß, Oheim", spach sie eines Tages vor mir, daß Noland von Lncens noch lebt? Ich fürchte immer, er werde sich rächen." „Endlich", versetzte Naoul mit einem furchtbaren Gelächter, „das erste gute Wort, das ich von Euch erhalte; 150 aber sorge dar»!'., nicht, Mägdlein; was noch nicht voll« bracht, kann noch geschehen. Sobald Roland geheilt, will ich ihn neuerdings in den Kampf rufen, und Du sollst seii: Haupt zur Hochzeitsgabe erhalten." Dießmal wurde Erlinde nicht ohnmächtig: sie erfuhr, daß Roland noch lebe, und ihre Blicke sprachen so deutlich, daß ich sie verstehen konnte. Ich meinerseits zog mich weit zurück und sagte, daß meine Gebieterin wohl Ursache genug habe, sich um sein Leben zu bekümmern, und daß sie glücklicher wäre, wenn Roland von Lucens, oder irgend ein an» derer edler Ritter, sie von einem solchen Ungeheuer von Oheim und Gatten befreite. Ich sah wohl voraus, daß mich solch eine kühne Einwendung nöthigen werde, das Weite zu suchen, was lch auch wollte; allein dicßmal gerieth mein Leben in große Gefahr. Monthenar erhob sich wie ein Wüthender, und sein großes Schwert, das er im» mer bei sich trug, herausreißend, stürzte er hin, mich zu durchbohren. Erlinde warf sich zwischen unö, und beschwor, auf die Knie sinkend) ihren Oheim, ihr die erste Gunst zu erweisen, um die sie zu ihm siehe, und ihres Nährvaters Leben zu schonen. Sie war so schön, so reizend, ihre Stimme so rührend, daß der Wütherich selbst verstummte. »Wohlan, ich gestehe es Euch zu! Ich seh' es ein, ich bin zu gut — aber nicht ohne Bedingungen; die erste: daß sowohl er als Margarethe noch heute die Burg verlassen; die zweite: daß Ihr mir noch vor dem Eintreffen der Dispens zur Kirche folget." „Ja, ich folge Euch dahin, wenn Ihr befehlt, «sprach Erlinde mit einer Standhaftigkeit, die mich staunen machte) ich ersuche Euch nur, daß uns derselbe Priester, der mich getauft und unterrichtet, verbinde. „Wie Ihr wollt! U»d wo ist dieser." „In der Kapelle an der Brücke." „Das ist nicht weit, und Ihr folgt mir dahin) denn ich will es nicht, daß je ein Priester in diese Mauern eingehe." „Wie es Euch lieb ist, cntgegncte Erlinde" — und zur Belohnung ihrer Bereitwilligkeit erhielt sie noch die Gunst, daß Margarethe sie ankleiden durfte. „Aber daß Peter auf der Stelle sich entferne!" setzte er hinzu, „mir ist sein Anblick unerträglich und es dürste mir leicht nochmals die Lust ankommen, ihn zu durchbohren." Ich ließ mir so etwas nicht zwei Mal sagen, der Auf« enthalt zu (5lecs ward mir verboten; „o, ich ziehe nach dem guten alten Moudon, meiner Geburtöstadt" , sprach ich, einen Blick auf Eilinden werfend. Dieses war nicht wahr, denn ich stamme aus Clees; doch der Herr auf Chillon wußte darum nichts, und ich wollte dem Fräulein nur andeuten, daß ich nach Luccns gehe, welches sehr nahe an Moudon liegt. „Gch zum Teufel, daß ich Dich nie wieder erblicke," schrie Naoul. „Lcb wohl, Peter!" ricf mir Erlindc zu, denn sie wagte es nicht mehr, mich Freund Peter zu nennen, da ihr's der Ohcim veiboten. „Margarethe, kleide mich an, da es mein Gebieter erlaubt." Ich machte Umstände, mein Weib zurückzulassen, so daß der Wütherich ergrimmte nnd es mir befahl. Ich ging; Erlinde drückte mir bie Hand, und noch an demselben Abend traf ich zu Luccns ein, befürchtend, daß die Hilfe zu spät komme. Am folgenden Morgen schickte man um den Priester, und am nächsten führte Naoul Margarethen in Crlindens Zimmer, befahl, sie mit allem Schmucke ihrer Mutter zu zieren, und Margarethen sodann, sich zu entfernen. Dieß war es, was Erlinde wünschte; sie eröffnete meinem Weibe ihr Vorhaben, hieß sie die kleine Alir (denn sie trug dcn Namen ihrer theuren Mutter) in die Kirche bringen und — ahnte nicht, daß sie ihr größtes Unglück befahl! Als sie so herrlich angethan war, die schönen blonden Locken geordnet, auf beiden Seiten von ihrem Haupte flie« ßend, von Perlenschnüren durchschimmert, einen großen Demantreiher über die Stirne schaukelnd, ihren Leib von Elfenbein in ein langes, schwarzsammetncs Kleid gehüllt — denn sie trug nie ein anderes — das rings mit reichen Silberrändern besetzt und vorn zusammengeschnürt war >— die steife Spitzenkrause um den Lilienhals gefaltet, die Aermcl mit demantcnen Spangen aufgerollt — war sie wirklich wun« derschön, daß selbst Raoul erstaunte. Auch er war reich geziert, sein rein gekämmter Bart ruhte auf dein Panzer, ein breites, goldenes Wehrgehänge ging über die Schullern bis zu seinen Hüften und hielt das lange Schwert; die unge» Heuren Handschuhe von Büffelleder reichten an die Ellbogen, und eine Reihe übergroßer rother Federn schwankte auf dem Helme und vergrößerte noch seinen Umfang. Er verabschiedete ! Margarethen mit einem gebietenden Blicke, reichte sodann ! der zitternden Ellinde die H.u,d und stieg mit ihr in die Kapelle hinab. Margarethe war dort früher eingetroffen, im Arme die kleine Alir, und ließ sich an der Thür nieder. Der Priester trat vor; er sah Erlinoen erstaunt an. „Erkennt Ihr mich, würdiger Vater," sprach diese muthvoll. „Ja, edle Frau, ich erkenne Euch." „Wo hibt Ihr mich gesehen? Gesteht es auflichtig?or Gott, dessen Diener Ihr seid." „Ich bezeuge," sprach der Priester, „daß Ihr es scid, ! Erlinde von Monthenar, Tochter des verstorbenen Schloß-Herrn auf Clees, die ich in eben dieser heiligen Kapelle, vor eben diesem heiligen Altar, vor achtzehn Monden mit Ro« land von Lucens verband. Ich kann Euch daher nicht zum neuen Male verbinden, ohne versichert zu sein, daß Ihr Witwe geworden." „Ich bin es noch nicht, wie ich hoffe, obwohl mcin Gemal eine tiefe Wunde vom Schwerte des Ritter Nacmls von Monthenar, den Ihr hier sehet, erhalten. Ob mein Gatte noch lebe, oder aber durch Naoul's Schwert gefallen — in beiden Fällen kann ich nie die Gemalin meines Oheims werden, und ich führe sie an, meine Freiheit zn erhalten." Monthenar stand wie vom Blitze gerührt, in dumpfem Schweigen; allein scin wüthender Blick, die Bewegung sei» 151 1 ner Rechten nach dem Schwcrtgefä'ße, sprach laut genug, daß ^ seine Rache furchtbar sein werde. „Ihr habt gelogen!" rief er dem Priester zu, „il„d wenn es wahr ist, daß Ihr diese tüllkühne Magd mit drin Todfeinde ihres Vaters verehelicht, so werde ich darauf dringen, daß man Euch vom Amte stoße, da Ihr ein unmündiges Kind in Abwesenheit des Vaters verbunden habt, welche Ehe ungültig ist." „Sie ist gültig," entgegnete der Priester, „ich selbst las die Bewilligung vom Schloßherrn auf Clces, init eigener Hand unterzeichnet, der sich durch einen seiner Freunde vorstellen ließ." „Wo sind Eure Zeugen?" wüthete Raoul. „Meine beiden Kirchendiener, und übrigens noch jenes Frauenzimmer, das ich dabei sah. Nähert E:>ch, gute Frau, und zeuget für die Wahrheit." „Und hier noch cii, Zeuge, der seinen Vater sucht," / sprach Ei linde, „dieses ist mein und Roland's Kind." j „Dein Kind!" tobte Monthcnar, und heftig auf Mar- ! garetheu zustürmend, entriß er mit kräftiger Hand die kleine ! Älir ihren Armen, stürzte fort aus der Kapelle und den ! gewundenen Fclsweg hinab. Ellinde, ihrer selbst unbewußt, ,! eilte ihm »ach, die Lüfte mit Geschrei erfüllend; sie kam nur, ihr Töchterlein in die brausenden Wogen der Orbe l schleudern zn sehen. Die unglückliche Mutter säumte nicht, ! sie stürzte sich nach in die tobenden Wellen und trachtete, dem theuren Kinde nahe zu kommen. Allein gehemmt und hinabgermigen von dem Gewichte ihrer Gewänder, fortge- ! bissen von dem wüthenden Strome, sank sie selbst, vermochte ! sich nicht aufzurichten und fand in den wildbewegten Wellen ! den Tod. — Sie ruht sammt iher Alir in der Tiefe jener Grotte, wo Margarethe sie begraben zu sehen verlangte. Am vottcn Mittage hatte sich dieser gräßliche Vorfall crcig- ! »et, und man verstchcrt, daß sie alle Tage zur Mittags« ! lind MittetnachtSzeit dort zn sehen sei, schwarz angethan, .wo sie ihrem kleinen Kinde zum User folgt u»d dabei tief wehklagt. Während sich diese furchtbare Szene zn Clecs zntrug, n-ar ich zu Lnccns am Krankenbette des armen Roland, der sich von seiner Wunde nicht erholen konnte, sich ewig mit dem Gedanken an seine Gattin quälte, uud in dem, was ich ihm erzählte, keinen Trost fand. »O, dieser verfluchte Naoul war es, der mich in diesen Zustand versetzte!« sprach er, will er mir noch meine Ellinde entreißen?" — Er rief seinen Vater und Oheim zum Krankenlager heran, die ihm versprechen mußten, alle Vasallen aufzubieten und Erlinden zn befreien. Man sandte i mich, sie vorzubereiten, daß sie aus dem Schlosse gehe uud j mir zu ihrem Gatten folge. O, die Arme, sie war nicht ! mehr, noch die unglückliche Frucht ihrer zarten Liebe! Als Roland die Schreckensbotschaft erfuhr, vergiftete die Vor« zweiflung seine Wunde und stürzte ihn ins Grab. Sein Vater und der Oheim schwuren dem Herrn auf Chillon die ! tödtlichste Fehde, und alle Ritter der Nachbarschaft, erbittert durch jene Unthat, verbanden sich mit ihnen. Naoul, zu- rückgezogen im Schlosse von Clecs, hielt manchen furchtbaren Angriff aus; endlich unterlag er, und mit dem Schlosse verfuhr man so übel, daß es seit jener Zeit nichts mehr als ein Steinhaufen ist. — „Die Seele RaoulV' abcr" , fügte die Alte jetzt hinzu, „treibt, foltgezerrt vom Satan, alle Nächte dort einen furchtbaren Lärm, — so spricht man allgemein; geht nie wieder hin, noch unter die Brücke." Sie nahm ihr Heft zurück, sagte uns Lebewohl, und wir bestiegen unsere Rosse. Wir hatten zwar unsere Laune nicht verloren, waren aber doch um ein Gutes ernster geworden, bis uns die Zinneu von Nomainmotiers aus un» seren Träumen weckten. Menschliche Lebensdauer. Von Dr. M. Gauster. I (Fortsetzung.) ^ Die Ursache der Verkürzung mittlerer Lebensdauer liegt vor Allem in der Sterblichkeit der frühesten Lebensjahre' Wir hallen hier den Begriff mittlerer Lcbcnödancr fest, der sie alö de» Durchschnitt der Lcbenödauer einer bestimmten Summe von Menschen , z. V. eines Volkes und dgl., be« zeichnet. Durch zu kurze Lebensdauer eines größeren Theiles dieser Summe muß der Gcsammtdurchschnirt natürlich sinken. Drei bis vier von 1l)9 Kindern werden todtgcborcn, ja, in großen Städten !i—6. Vei den lebend Gcborncn wird besonders das erste Lebensjahr gefährlich; es führt 20—30 Kinder von 100 in das frühe Grab. Ais zum vollendeten fünften Lebensjahre ist zumeist nnr noch der dritte Theil aller ! gleichzeitig Neugebornc» am Leben. Die Kinder unter ü ! Jahren geben in ihren Todtfällen nicht viel weniger, als die ' Hälfte aller Sterbfällc. I„ England betrug l83ö die Sterblichkeit der Kinder unter 6 Jahren 39 Perzentc aller Todt-fälle, ja, in London 4l, und in mehreren amerikanischen Städten, New-Aolk, Boston, St. Louis u. s. w. soll sie ! 5>0 Pcrzente betragen! Im ersten Monate scnies junge» ! Lebens ist der Säugling schon so vielen Gefahren aufgesetzt, daß durchschnittlich am Ende des Monats von 100 Neuge-bornen zehn todt sind. Diese gräßlichen Verhältnisse wiederholen sich nicht bloß streng gesetzmäßig in großen Städten, oder in ungesunden Gegenden, sondern auch in sehr gesunden Gebieten; in gesunden nämlich, mit Rücksicht auf die atmosphärischen und telllirischen Einwirkllna.cn, finden sich sehr traurige Vclege hiefür. Wer wird die frische Gcbirgöluft in der Gegend Steins, in den von den Stcineralpen östlich und südöstlich, sowie westlich sich hinziehenden Gebirgen und Abhängen, in, der von ihr noch durchströmten Ebene abläugn^n wollen! Wie kräftig labend, geistig und körperlich stärkend wirkt sie, und doch habe ich in einer fünfjährigen Zusammenstellung der Geburten und Todtfälle aus dem Gebiete der Steiner Alpen bis zur Saue und der steierischen Grenze in neuester ! Zeit gefunden, daß in diesen fünf Jahren der vierte Theil > aller Todtfälle Kinder bis ein Jahr traf, und daß die Zahl ! der verstolbcuen Kinder bis 6 Jahre 38,3 Verzcnte aller Todtfälle gibt. So wiederholen sich die nummerischen Gesetze wunderbar, hindeutend auf die ziemlich gleiche Menge und die große i Analogie der Schädlichkeiten, welche auf den menschlichen Organismus einstürmen, an den verschiedensten Orten, hoch und eben, mit frischem Vcrgeswehen und lautloser Windstille, oder im Staubsturme der Sandcbcnc. «?52 Nicht bloß in den natürlichen atmosphärischen Verhält« nisscn liegen die Schädlichkeiten, vor Allem liegen sie in der krankhaften Organisation der Eltern, welche dem Kinde oft den Todeskcim eingepflanzt hat; in den Schädlichkeiten der Gebnrt, entstanden aus Mangel an zweckmäßiger Hilfe, in der unzweckmäßigen Pflege des zarten Erdenbürgers, welche ihn bald in Polster und Decken eingeschnüret, daß er kaum Athem schöpfen kann, bald wieder ohne Vorsicht nackt einer kalten Luftströmung aussetzt; in der unzweckmäßigen Ernährung, welche durch das Verkommen weiblicher Organisationen bezüglich der Milchabsonderung i.nmer verkehrter zusam» mengesetzter Substanzen dem schwachen Kindesmagen aufdrängt; in der schlechten Zimmcrluft, der geringen Reinigung lc. Je tiefer die Kultur eines Volkes, desto schlechter die Kinderpflege, desto größer die Kindersterblichkeit. Man meine ja nicht, daß bloß die höhern oder mindestens die reicheren Stände ihre Sprossen verzärteln; der Bauer, oder eigentlich die Bäuerin thnt es eben so, oder noch mehr, und desto größer ist dann der Unterschied gegenüber der plötzlichen Sorglosigkeit, mit der das Kind sich selbst überlassen wird. Es sterben auch in den untern Schichten die größere Zahl von Hindern, und zwar zumeist wegen unzweckmäßiger Pflege. Hicr zu Lande kann man mit Bestimmtheit sagen, daß beim Landmann die Kinder dezimirt werden, was seine Hauptschuld in dem unzweckmäßigen Einwickeln der Kinder, wodurch die freie Athmung gehindert wird, in der schlechte« Luft der Zimmer, in dem anfänglichen Zuwarmhalten, und der späteren Sorglosigkeit gegenüber dem Temperaturrrcchscl, in der nicht seltenen Verkühlung in den ersten Lebenslagen, in dem Mangel gehöriger Reinlichkeit, in der zeitweilig sehr unzweckmäßigen Ernährung (Wein u. dgl.), in der geringen Achtsamkeit auf Krankheitserscheinungen, so wie i>, der Herrschaft mannigfacher Aftermedizin findet. Und so wie hier ist es auch an sehr vielen andern Orten. Nach Queteletö interessanten Zusammenstellungen belgischer Mortalitätötabcllen erreicht die wahrscheinliche Lebensdauer um das Alter von 6 Jahren ihren größten Werth, um diese Zeit haben die Mädchen in den Städten und die Knaben auf dem flachen Lande die Wahrscheinlichkeit 6l Jahre zn leben, während die Knaben in den Städlen und die Mädchen auf dem flachen Lande eine solche von 48 Jahren haben. Mit solcher Wahrscheinlichkeit erlangt freilich das ein« zclnc Individuum nicht die Sicherheit, die besagte Lebens-höhe zu erreichen. Der Mensch hat dabei den Schleier vom dunklen Bilde seiner Zukunft, seiner Lebenslange nicht herab« gerissen, er hat sich dadnrch noch immer nicht der glücklichen Hoffnung der Ungewißheit beraubt. Er lernt dadurch nur die Gesetze im Allgemeinen kennen, und gewinnt durch ihre Kenntniß die Möglichkeit, sein Leben zu verlängern. Im obigen Satze Quetelets hat sich sogleich ein neuer Einfluß auf die menschliche Lebensdauer herausgestellt; dieser, wie der Einfluß des übrigen Alters, sei nächstens be« trachtet. Dcr Dampf in Amerika. Die einem Europäer fast komisch vorkommende Auöbil« düng deö Maschiueuwesenö in den Vereinigten Staaten uud die Popularisirung dcr Dampfkraft siud vielleicht die wichtigsten Elemente der amerikanischen Kulturcntwicklung. Viele der amerikanischen Maschinen siud in den letzten Jahren auch in Europa bekannt geworden, aber nährend sie da nur ei» Luxusartikel Begüterter bleiben, finden sie in Amerika in den weitesten Kreisen Verbreitung. Mähmaschinen, Näh« Maschinen, Dreschmaschinen :c. siud nicht zu Tausenden, son- > dern zu Hunderttausenden in den Ver. Staaten im Gebrauch. Hunderterlei Dinge, bei denen es in Europa Niemandem einfallen würde, die Menschenarbeit durch die Maschine zu ersetzen, werden hier durch sie betrieben. Man schält Aepfcl ! mit Maschinen, die an jeder Straßenecke zu haben iiud, melkt Kühe mit Maschinen (die aus kleinen, durch eine Kurbel be« weglcn Luftpumpen bestehen), fängt Fliegen mit einer sehr sinnreichen Maschine, die durch ein Uhrwerk getrieben wird, spaltet Brennholz mit Dampfmaschinen, uud Aehnliches mehr. Unglaublich ist die Popularisirung der Dampfkraft. Vor eini« ger Zeit theilte eine deutsche Zeitung eine ihr aus Hamburg ^ von einem dortigen Kapitalisten zugekommene Anfrage mit, aus dcr hervorging, daß der Fragesteller „gehört haite, es solle in New'Oork der Fall vorkommen, daß man Dampfmaschinen baue, deren Kraft in kleinen Quantitäten ver« miethet werde." Er fragte au, ob dem wirklich so sei, ob sich solche Spekulation rentire lc. Mit Recht antwortete jene Zeitung: Diese Frage kommt einem Ncw-Sorker fast so ! unglaublich vor, als wenn Jemand früge, ob es hier Gas« i beleuchtung gebe. Die Zahl der in New-Oork (mit Brootlyn) vorhandenen stehenden Dampfmaschinen beträgt an 6090, und davon sind mindestens zwei Drittel zum Zweck dcr Vermic« thung im Detail gebaut. Die Dampfkraft ist so wohlfeil (3 Dollars die Pferdekraft per Woche), daß selbst kleine Handwerker es vortheilhaft finden, sie zu Verrichtungen zu verwenden, die nur weuige Stunden des Tags in Anspruch nehmen. Doch noch eine weit größere Popularisirung dcr ^ Maschiueuktast geht seit einem Jahre vor sich. Die Erics« son'schc Luftdruckmaschine wird jetzt in solcher Form hergestellt, daß sie, wie ein kleiner Kanonenofen, und ohne mehr Sorgfalt, als ein solcher zu erheischen, zum Heizen und zur ! Triebkraft zugleich verwendet werden kann. Sie licscrt eine ! Pferdekraft für 1 Gulden wöchentlich! i ! ____________ Literatur. lÜ0l,«l0 pratücn, os^ilmn lcmn ^linIuiUi per imparnr« in ! im mnllo s«eil(> <; oclcro n Ic^^r« e tes und berühmtes Sprichwort, welches oft den Lippen Kaiser > Karls V. entschwebte. Wir erwähnen es hier, um damit die Aufmerksamkeit der sprachbcflissencn Jugend auf ein Werk zu lenken, das so eben in zweiter Auflage erschienen ist, und l schon dadurch beweist, daß es ein brauchbares, nützliches ist. Der Verfasser, Herr Johann Filli, seit vielen Jahren nicht nur als praktischer Erzieher, sondern auch als Verfasser prosaischer und poetischer Schriften in verschiedenen Sprachen vorlhcilhaft bekannt, hat es sich angelegen sein lassen, diese zweite Auflage seines, nach Ahn's Methode geschriebenen Werkes von Fehlern zu befreien, die Aufgaben zu vervollständigen, graduelle Lehrübungen, die Ahn ganz ansläßt, einzuschalten und mit aus dem Leben gegriffenen und dcr Fassuugikraft der Anfänger vollkommen angepaßten ! Dialogen zn bereichern. So vermehrt und verbessert wird > das Buch Lehrern und Lernenden willkommen sein, Fleiß und Mübc des Verfassers sowohl, als die vom Verleger vcrlie« heue schone Ausstattung werden gewiß Anerkennung finden. Druck u»d Vcrlag vl'u Ig,». v. zileinmayv L5 F. Vamberg in Laibach. — Vcvantwurtlichcr N^actcur F. Vamberg.