107 Die Mensch-Hund-Beziehung in der deutschen Literatur des 19. Jahrhunderts: Tierethische Aspekte in den Erzählungen von Marie von Ebner-Eschenbach und Ferdinand von Saar1 Irena Samide Abstract Vor dem Hintergrund der Human-Animal-Studies werden im folgenden Beitrag die Tiergeschichten zweier herausragender österreichischer AutorInnen des 19. Jahrhunderts, Marie von Ebner-Eschenbach und Ferdinand von Saar, näher untersucht. Dabei wird der Frage nachgegangen, inwieweit sich bereits in der Literatur des ausgehenden 19. Jahr- hunderts tierethische Aspekte nachweisen lassen und welche Formen diese annehmen. Der Beitrag fokussiert sich auf diejenigen Erzählungen, in denen Mensch-Hund-Be- ziehung im Mittelpunkt steht. Es stellt sich vor allem die Frage, ob Ebner Eschenbachs und von Saars Texte als tierethische Literatur gesehen werden können, oder bei ihnen noch immer der anthropozentrische und anthropomorphe Ansatz vorherrscht. Die Be- antwortung dieser zentralen Forschungsfrage enthüllt, dass die Erzählungen stark dem traditionellen anthropozentrischen Weltbild verhaftet sind und dass wenigstens in Tambi und Krambambuli auch ein eindeutig anthropomorpher Blick dominiert. Dennoch of- fenbart eine eingehendere Analyse auch eine subtile Kritik am Anthropomorphismus. Gerade die Vermenschlichung der dargestellten Hunde und die damit einhergehende 1 Der Beitrag ist im Rahmen des Forschungsprogramms Interkulturelle literaturwissenschaftliche Studien (Nr. P6-0265) entstanden, das von der Slowenischen Forschungsagentur aus öffentlichen Mitteln finanziert wird. ACTA NEOPHILOLOGICA UDK: 821.112.2(436).09-32:179.3"18" DOI: 10.4312/an.56.1-2.107-124 Acta_Neophilologica_2023_FINAL.indd 107 4. 12. 2023 12:36:04 108 Irena SamIde Vernachlässigung ihrer ursprünglichen tierischen Natur sind nämlich für das tragische Schicksal der beiden tierischen Protagonisten und den damit verbundenen physischen und/oder psychischen Niedergang ihrer Besitzer verantwortlich. Schlüsselwörter: Marie von Ebner-Eschenbach, Ferdinand von Saar, Tiergeschichten, Animal Studies, deutschsprachige Literatur des 19. Jahrhunderts, Tierethik EINLEITUNG Nur wenige gesellschafspolitische Fragen erfreuen sich in den letzten Jahrzehnten einer vergleichbaren Aufmerksamkeit im öffentlichen Diskurs und in der wis- senschaftlichen Forschung wie ökologische Phänomene im weitesten Sinne des Wortes. Im Bereich des Exocriticisms mit seiner ausgeprägt interdisziplinären und kulturwissenschaftlichen Ausrichtung entwickelten sich zahlreiche Konzepte, die die herkömmlichen Begriffe und Dichotomien wie Mensch/Tier, Natur/Kultur und Subjekt/Objekt kritisch hinterfragen und reflektieren (Bühler, Dürbeck und Stobbe, Schmitt und Solte-Gresser, Literatur und Ökologie). Die Ökokritik ist eng mit den Bereichen Animal Studies, Human-Animal Studies und Critical Animal Studies verknüpft. Auch in der Literaturwissenschaft hat das Interesse für Tiere und die Beziehungen zwischen Menschen und Tieren in den letzten Jahren stetig zugenommen (Borgards). Der sogenannte Animal Turn (Ritvo) hat nicht nur die Anzahl der Forschungsbeiträge signifikant erhöht, sondern auch die Qualität der etablierten Forschungskonzepte maßgeblich verbessert. Jeder Versuch, den tierischen Blick auf die Welt mimetisch darzustellen, ist, wie Neva Šlibar betont, unweigerlich mit drei Herausforderungen verbunden: dem Anthropozentrismus, dem Anthropomorphismus und der Unkenntnis der tierischen Wahrnehmungsweise (Šlibar 255). Während die Wissenschaft in Be- zug auf die letztgenannte Problemstellung Fortschritte macht und bedeutende Aufklärungsarbeit leistet, werden die ersten beiden Begriffe im Kontext der Ani- mal Studies vorwiegend in kritischer Absicht verwendet. Anthropozentrismus bedeutet, dass jegliche Diskussion über Tiere oder im Namen von Tieren an die menschliche Wahrnehmung und seine Kommunikationswelt gebunden ist. Die notwendige kritische Reflexion bewirkt eine „Verschiebung des Fokus weg vom Menschen als Ausgangs- und Zielpunkt, als Zentrum unseres Denkens, hin zum Menschen als einem Akteur in einem größeren Werk von Akteuren“ (Schmitt und Solte-Gresser, „Zum Verhältnis von Literatur und Ökokritik“ 15). Die an- dere bedeutende Herausforderung, der Anthropomorphismus, manifestiert sich in der kulturell und historisch weit verbreiteten Vermenschlichung von Tieren (Wild 26) und in der „Projektion menschlicher Eigenschaften auf tierliche Ar- ten“ (Borgards 236). Im Kontext der Tierpsychologie, Verhaltensbiologie und Acta_Neophilologica_2023_FINAL.indd 108 4. 12. 2023 12:36:04 109Die Mensch-Hund-Beziehung in der deutschen Literatur des 19. Jahrhunderts Ethologie bezieht sich dieser Begriff auf die Zuschreibung psychischer Eigen- schaften an Tiere (Wild 26). Der nachfolgende Aufsatz setzt sich mit dem Verhältnis zwischen Menschen und sogenannten companion animals (Serpell, Haraway) auseinander. Im Fokus stehen dabei Hunde, die sich in literarischen Texten als die treuesten Begleiter der Menschen erweisen: Sie wurden „bereits seit der frühen Neuzeit mit einer spezifischen literarischen und emblematischen Qualität ausgestattet […], die sie zur Zeugenschaft tauglich macht“ (Schneider 211). Obwohl in mittelalterlichen christlichen Texten der Wunsch, mit Tieren freundschaftlich zu interagieren, im- mer wieder negativ beurteilt wird, da „fromme Menschen […] ihren Sinn auf Gott richten [sollen] und nicht wertvolle Zeit damit verbringen, mit Tieren zu spielen oder sie zu liebkosen“ (Kompatscher 295), finden sich bereits im Mittel- alter zahlreiche literarische Belege für positive Beziehungen zwischen Menschen und Tieren. Diese Beispiele mehren sich in den darauf folgenden Jahrhunderten.2 Hunde treten in zahlreichen Erzählungen und Romanen des 19. Jahrhunderts auf (Hermand), allerdings meistens nur in Nebenrollen. In den drei Hundegeschich- ten des ausgehenden 19. Jahrhunderts, verfasst von Ferdinand von Saar (1833– 1906) und Marie von Ebner-Eschenbach (1830–1916), wird den Hunden jedoch eine zentrale Rolle zugewiesen. Diese Erzählungen, in denen sie, wie übrigens auch die Titel Tambi, Die Spitzin und Krambambuli bereits vorwegnehmen, die Hauptprotagonisten sind, bilden den Schwerpunkt dieses Beitrags. Es wird hier von der Grundthese ausgegangen, dass die Tiere in den ausgewählten Erzählun- gen des 19. Jahrhunderts von einer anthropozentrischen Perspektive betrachtet und gleichzeitig anthropomorphisiert werden, d. h., dass sie nicht in ihrer genui- nen tierischen Natur wahrgenommen, sondern konsequent aus der menschlichen Perspektive gesehen werden. Ironischerweise ist es gerade diese antropomorphe Sichtweise, die trotz der scheinbaren Liebe und Zuneigung seitens der Menschen für ihr tragisches Schicksal verantwortlich ist. FERDINAND VON SAAR UND SEIN TAMBI Ferdinand von Saar, der österreichische Novellist, Dramatiker und Lyriker, wurde bereits bei seinem Tod als „Dichter der Heimat“ (Berger 270) gefeiert. Während Gertrud Fussenegger ihn anlässlich seines 150 Geburtstags im Jahr 1983 immer 2 Eine nicht unwichtige Funktion dabei spielten die Naturwissenschaften und besonders der Dar- winismus (Darwins bahnbrechendes Werk Von der Entstehung der Arten erschien 1859), der den prinzipiellen Unterschied zwischen dem Menschen und dem Tier aufhob. Auch die Tierschutzge- setzgebung setzte sich im 19. Jahrhundert allmählich durch: Nach dem britischen Vorbild wurden in vielen Teilen Europas Tierschutzvereine gegründet und entsprechende Tierschutzgesetze erlas- sen (Zuberbühler 16-17). Acta_Neophilologica_2023_FINAL.indd 109 4. 12. 2023 12:36:04 110 Irena SamIde noch als „Homo austriacus“ (112)3 präsentierte, versuchten einige andere Saar als „Wegbereiter der literarischen Moderne“ (Polheim) neu zu positionieren. Die Frage, ob in seiner Erzählung Tambi nur der konservative „Schlossdichter der mährischen Provinz“ und der „elegische Dichter der Vergänglichkeit“ (Wagner 218) zu Wort kommt oder ob in seinem literarischen Kosmos Züge einer ge- wagteren, auch im tierethischen Sinne moderneren Ära erkennbar sind, ist daher sicherlich gerechtfertigt. Die erste Veröffentlichung der Novelle Tambi aus dem Jahr 1882 diente als Vorlage für alle späteren Versionen, die sich von diesen ersten Drucken ledig- lich durch einige geringfügige Anpassungen unterscheiden. Die Handlung kann schnell zusammengefasst werden: Der Erzähler, selbst Schriftsteller, zieht sich in ein mährisches Schloss, genauer gesagt in ein Nebengebäude, das ihm von Freunden zur Verfügung gestellt wurde, zurück, um dort ungestört seine Arbeiten zu beenden. Auf einem seiner Ausflüge, die er zu Pferd unternimmt, begegnet er im örtlichen Wirtshaus dem ehemaligen Dramatiker Faust Bacher. In einer Rückblende wird daraufhin den Leserinnen und Lesern die Lebensgeschichte des Dichters vor Augen geführt. Bacher wurde ursprünglich als ein großes dramati- sches Talent gefeiert, erwies sich jedoch bald als Dilettant, der den hohen Erwar- tungen der literarisch interessierten Öffentlichkeit nicht gerecht werden konn- te. So nahm er die unrühmliche Stelle eines Advokaturschreibers an, und einzig und allein sein Hund Tambi, den er von einem Wildjäger erwarb, erfüllt ihn mit Lebensfreude und schenkt ihm täglichen Seelentrost. Der Hund besitzt einen ausgeprägten Jagdtrieb, ist jedoch von unklarer Abstammung und darf deshalb nach den damaligen, vom Adel bestimmten Gesetzen, nicht zur Jagd verwendet werden, noch mehr: Es gilt, dass jeder Hund, der als Mischling klassifiziert wird, ohne Vorwarnung erschossen werden kann. Vier Wochen nach dieser ersten Be- gegnung zwischen dem Erzähler und Bacher wird der Erzähler Zeuge, wie Tambi einem Hasen nachjagt, einen Bach überquert und am Waldrand von einem Jäger, der ihn als „Bastard“ (Saar 290) bezeichnet, erschossen wird. Der Erzähler über- nimmt alle organisatorischen Angelegenheiten, kann jedoch dem gescheiterten Dramatiker nicht mehr helfen: Bacher kann den Verlust Tambis nicht verkraften. Er erscheint nicht mehr an seinem Arbeitsplatz, wird alkoholabhängig und stirbt 3 Wie sehr Ferdinand von Saar als (nur) österreichischer Dichter wahrgenommen wurde und wird, beweist auch die Tatsache, dass es keine einzige slowenische Übersetzung seiner Texte gibt. Damit befindet er sich aber in bester Gesellschaft: Die meisten österreichischen Dichter und Dichterin- nen des 19. Jahrhunderts wurden nämlich gar nicht ins Slowenische übersetzt. So erschien die erste gedruckte Grillparzer-Übersetzung erst 2011 (Samide), nach wie vor gibt es keine Übersetzung von Marie von Ebner-Eschenbach, um von weniger bekannten österreichischen Dichtern des 19. Jahrhunderts wie Nikolaus Lenau oder Paula von Preradović (Lughofer) ganz zu schweigen. Le- diglich Stefan Zweig, Franz Werfel und Joseph Roth (Miladinović) können sich einer breiteren Resonanz auch im Slowenischen erfreuen. Acta_Neophilologica_2023_FINAL.indd 110 4. 12. 2023 12:36:04 111Die Mensch-Hund-Beziehung in der deutschen Literatur des 19. Jahrhunderts während einer Überschwemmung, alle Zeichen deuten auf einen Selbstmord hin. Nach dem Tod Tambis, für dessen Schicksal er sich verantwortlich fühlt, hat das Leben für Bacher jeglichen Sinn verloren. In der Forschungsliteratur wird Saars Erzählung vor allem als Künstlernovelle interpretiert, wodurch sich sowohl das Bild des Künstlers als auch die Poetolo- gie des Autors rekonstruieren lassen. Von hier zu einer biographischen Deutung der Novelle ist es nur ein kleiner Schritt: Einige setzen Bacher mit Saar gleich und behaupten, der Autor habe damit eine psychologische Studie seiner eigenen Person entworfen, er habe „den nagenden Zweifel an seinem Können, seinem Talent, jene langen Stunden selbstquälerischer Vorwürfe des eigenen Versagens […] Gestalt werden lassen […].“ (Rieder 93). Zu einer solchen Deutung der Geschichte verleitet auch Saar selbst in einem Brief an die Fürstin Marie zu Ho- henlohe: „Im Grunde genommen aber habe ich, wohl deutlich genug, mich selbst geschildert, etwa wie Grillparzer sich selbst in seinem armen Spielmann schildert […]“ (Bettelheim 111-112). Gerade der Vergleich mit Grillparzers humanistisch ausgerichteter Erzählung taucht in der Forschung oft auf, wobei ein entscheiden- der Unterschied hervorgehoben werden muss: Im Gegensatz zu Jakob, der trotz seiner Zurückgezogenheit ein Teil der Gesellschaft und sozial engagiert ist (letzt- endlich kommt er ums Leben durch die Folgen seiner aufopfernden Rettungs- aktion während einer Flutkatastrophe), ist Bacher völlig in sich selbst verstrickt, handelt „solipsistisch und monadisch“ (Voß 100). Claudio Magris´ Behauptung, dass Saars Personen „angesichts der unvermeidlichen Niederlage […] einen ein- zigen Ausweg“ haben, nämlich „das beharrliche, soldatische Schweigen des Men- schen, der mit würdiger Festigkeit aus dem Leben zu gehen weiß“, womit Saar als der Dichter „des erhabensten und männlichsten Tons des habsburgischen My- thos“ (Magris 191) bezeichnet werden kann, lässt sich anhand der Figur Bachers nur bedingt bestätigen. Es liegt in seinem Selbstmord nämlich nichts Erhabenes oder Männliches, vielmehr trifft für ihn die Bezeichnung Hansres Jacobi zu, der Saars Figuren in den späteren Texten wie folgt beschreibt: Dementschprechend handelt es sich […] um alternde Männer, verblühende Frauen, Hypochonder und Sonderlinge, Lebensfremde oder -untaugliche, Un- sichere, die dem Dasein nur mit Mißtrauen und Ängstlichkeit begegnen, um schwache und vom Leben an den Rand gedrängte Menschen. ( Jacobi 396) Genauso präsentiert sich nämlich Bacher dem Erzähler: als ein von Schaffenskri- sen und Verzweiflung geplagter Mensch, womit er den Eindruck bestätigt, den der Erzähler bereits während der Lektüre von Bachers einzigem Drama gewonnen hat, nämlich „eine weichliche Schwäche […], die mir mit der Natur des Dichters selbst im Zusammenhang zu stehen schien“ (Saar 272). Und genau diese Ästhetik Acta_Neophilologica_2023_FINAL.indd 111 4. 12. 2023 12:36:04 112 Irena SamIde der Schwäche und Weichheit „wird vom Kunst- zum Lebensprinzip“ (Voß 115) und entfaltet daher eine zerstörerische Wirkung. Wie Voß, der sich eingehend mit dem Text auseinandersetzt, treffend hervorhebt, hegt der Ich-Erzähler (der durchgehend anonym bleibt) ein eher epistemologisches als empathisches Inte- resse an Bacher; er wird zum teilnehmenden Beobachter und Kommentator des zerbrochenen Dramatikers, der somit für ihn zu einer Art Fallstudie wird. Es stünden nach Voß drei Analysemöglichkeiten dieser Novelle zur Auswahl: sie könne als eine psychologische Betrachtung, eine Sozial- und Milieu-Studie oder als eine kunsttheoretische Reflexion gelesen werden. Der Fokus der Forschung liegt also hauptsächlich auf der Figur des geschei- terten Dramatikers, seiner Unfähigkeit, dem modernen Produktionsdruck stand- zuhalten und auf seiner Gemütsverfassung mit Anzeichen einer psychischen Erkrankung, womit Saar als Wegbereiter der literarischen Moderne betrachtet werden könnte. Fast vollständig vernachlässigt wird dabei sowohl eine tierische als auch eine tierethische Perspektive: Tambi fungiert nicht zufällig als Titelfigur, im Gegenteil, er verbindet alle wesentlichen erzählerischen Elemente miteinan- der. Er stellt zunächst die Kommunikation und später die Verbindung zwischen den beiden Männern her, die im Kern viel ähnlicher sind, als es auf den ersten Blick erscheinen mag. Beide befinden sich in einem Schweberaum und haben eine Schaffenskrise hinter sich, deren Ausgang jedoch unterschiedlich für sie ist. Während sich Bacher bereits vor einiger Zeit von seinen Träumen und der Sehn- sucht nach Ruhm verabschiedet hat, findet der Erzähler in der Abgeschieden- heit genügend Ruhe, um seine literarischen Arbeiten erfolgreich abzuschließen. Außerdem wirkt er zielstrebiger und entschlossener als Bacher und obwohl er nur am Rande der adligen Gesellschaft verkehrt, scheint er sich darin heimisch zu fühlen. Er bewundert zwar den Dachshund an Bachers Seite, erkennt aber auch sofort seinen entscheidenden Mangel: „Schade, daß sich in ihm die Rasse nicht rein erhalten hat. Er ist viel zu hochläufig; auch trägt er, wie ich sehe, die Rute aufgerollt, ein sicheres Zeichen, daß eine Kreuzung stattgefunden.“ (Saar 282). Gleichzeitig ist er sich darüber im Klaren, dass sein Jagdinstinkt ihn nicht so leicht loslassen wird. Er warnt Bacher unmissverständlich davor, den Hund auf die freie Jagd zu schicken: „Denn was Sie da gesagt haben, beweist mir, daß trotz allem die wilde Natur der Dächser in ihm steckt, und wenn es ihm einmal gelingt, einen Hasen anzuschneiden, so ist auch in ihm ein nicht mehr zu bezäh- mender Blutdurst wachgerufen.“ (ebd. 283). Seine Worte rufen in Bacher tiefen Unmut hervor: Da er seinen Hund nicht als ein nützliches Tier betrachtet, ist er auch nicht bereit, die Tatsache zu akzeptieren, dass die adelige Forstverwaltung den Wald, einschließlich des Wildbestands und der Jagdrechte, für wirtschaft- liche Zwecke nutzt. Vielmehr strebt er danach, dem Hund alle Freiheiten zu gewähren, die üblicherweise Menschen vorbehalten sind: „Ein Geschöpf, das Acta_Neophilologica_2023_FINAL.indd 112 4. 12. 2023 12:36:04 113Die Mensch-Hund-Beziehung in der deutschen Literatur des 19. Jahrhunderts zu unbehindertem Lauf geschaffen ist, dessen Natur und Instinkt es antreiben, Wald und Flur zu durchstreifen, an die Leine! Bedenken Sie, Verehrter, was das sagen will!“ (ebd. 284). Das Entsetzen, das ihn überkommt, wenn er sich vorstellt, seinen Hund anzuleinen, spricht von seinem Anliegen, sein Tier in sämtlichen Aspekten zu vermenschlichen. Tambi stellt für ihn die ultimative Projektionsfigur dar: Er ist sein treuester (und einziger) Ansprechpartner, an ihn richtet er all seine Liebe, Zärtlichkeit und Zuneigung; er fungiert als Ersatz und gleichzeitig als Garant für all seine sozialen Beziehungen. Dass Bacher seinen Hund eindeutig als menschliches Wesen behandelt, lässt sich auch anhand sei- nes Umgangs mit dem Tier konstatieren: „Er zog dabei das Tier auf den Schoß und liebkoste es, als wär es ein Kind.“ (ebd. 282). Da solches anthropomorphes Verhalten typisch für die heutige (westliche) Gesellschaft ist, wo Hunde nicht mehr in erster Linie als nützliche Tiere, sondern primär als companion animals behandelt werden, könnte die Darstellung von Bacher bereits als ein Zeichen der Moderne betrachtet werden. Da jedoch Bacher den angeborenen Jagdinstinkt des Hundes unterschätzt und seine wahre Natur übergeht, trägt er die Verantwortung für den Tod seines Hundes. Bachers Unfähigkeit, das Tier in seinem tierischen Wesen zu erkennen und zu akzeptieren, führt letztlich zum Niedergang beider. Die Entscheidung, dem Hund uneingeschränkte Freiheit zu gewähren, kann auf Bachers eigene Le- benserfahrung zurückgeführt werden: Er gesteht dem Erzähler, wie sehr er selbst am eigenen Leib erlebt hat, wie es ist, dem innersten Drang seines Wesens nicht folgen zu können. Daher möchte er auf keinen Fall seinen Hund daran hindern, seine wahre Natur auszuleben. In der Verkennung der Natur des Hundes und der Missachtung aller Warnungen kommt jedoch nicht bedingungslose Liebe zum Tier, sondern Bachers ego- und anthropozentrische Einstellung zum Ausdruck. Während sich Bacher sentimental, schwach und selbstzentriert zeigt, fungiert der Erzähler hingegen als die Stimme der Vernunft und des Ausgleichs. Als Au- ßenseiter übernimmt er – ähnlich wie bereits bei ihrer ersten Begegnung im ur- banen Theatermilieu – die Rolle des Vermittlers. Seine Ansichten zur Rolle des Hundes in der Gesellschaft decken sich mit den vorherrschenden Vorstellungen seiner Zeit: Tiere sind für Nahrung, Freude und sportliche Betätigung der Men- schen da und sollten zu diesen Zwecken auch gezüchtet werden, weswegen er die „Vermenschlichung“ von Tambi durch Bacher mit Skepsis betrachtet. Seine Position ist ebenfalls eindeutig anthropozentrisch – der Mensch ist und bleibt das Maß aller Dinge –, er hinterfragt jedoch nicht die geltenden Konventionen und akzeptiert die etablierte gesellschaftliche Ordnung. Sein Ausruf „Armer Bacher! Armer Tambi!“ (ebd. 290) bezieht sich somit weniger auf seine innige Trauer um die beiden Protagonisten, sondern vielmehr auf Bachers Unfähigkeit, sich in die- ser Welt zurechtzufinden. Acta_Neophilologica_2023_FINAL.indd 113 4. 12. 2023 12:36:04 114 Irena SamIde Das eigentliche Tragische in dieser Erzählung liegt in der Gestalt des Hundes Tambi, der seinem Herrn bedingungslose Treue und uneingeschränktes Vertrau- en entgegenbringt. Es ist also keinesfalls seine Schuld, wenn er in einem ent- scheidenden Moment seinem Jagdinstinkt folgt; vielmehr ist es der Mensch, der sich als unfähig erweist, ihn von der Verfolgung abzuhalten. Bacher ist so sehr in seinen eigenen Gedanken und Problemen gefangen, dass er nicht in der Lage ist, die Andersartigkeit und Eigenständigkeit des Hundes zu erkennen und zu akzeptieren. Dennoch darf Bacher nicht als der alleinige Verantwortliche für das tragische Schicksal Tambis angesehen werden: mitverantwortlich ist sicherlich auch die Gesellschaft des späten 19. Jahrhunderts, die dem Tier lediglich einen utilitaristischen Wert zuschreibt und seine Bedeutung auf seinen Nutzen für den Menschen reduziert. In Saars Erzählung könnte daher auch ein tierethischer An- satz konstatiert werden, der jedoch aufgrund der eindeutigen Niederlage Bachers zum Scheitern verurteilt wird. HUNDEGESCHICHTEN VON MARIE VON EBNER-ESCHENBACH „In der heutigen Literatur Österreichs stehen augenblicklich die Frauen in erster Linie: der Ebner-Eschenbach hat man bei uns heute keinen ganz ebenbürtigen männlichen Schriftsteller an die Seite zu setzen,“ (Minor 1) schreibt der Litera- turwissenschaftler Jakob Minor (1855–1912) im Jahr 1898. Wenn man bedenkt, dass Jakob Minor zu dieser Zeit die Position des Ordinarius für deutsche Sprache und Literatur am Institut für Germanistik der Universität Wien innehatte und dass dieser Satz den Auftakt seiner Studie zu Ferdinand von Saar bildete, gewinnt diese Feststellung noch zusätzlich an Bedeutung und unterstreicht nicht nur ihre einflussreiche Stellung um die Jahrhundertwende, sondern gleichzeitig auch die Behauptung, dass sie als „eine der bedeutendsten deutschsprachigen Erzählerin- nen des 19. Jahrhunderts“ (Žigon 148, vgl. auch Kramberger 187) gilt.4 Sowohl ihre Zeitgenossen als auch spätere Literaturhistoriker betonen vor allem ihre heraus- ragende Beobachtungsgabe, erzählerische Kraft, ihren Sinn für das Dramatische sowie ihren ethischen Ansatz. Ihre hohen moralischen Standards brachten ihr um die Jahrhundertwende 1900 den Ruf einer unumstrittenen moralischen Autorität (Strigl 15). 1899 wurde ihr der höchste österreichische Kunst- und Literaturor- den, das Ehrenkreuz für Kunst und Literatur, von Kaiser Franz Joseph I. verliehen und im Jahr 1900 erhielt sie als erste Frau die Ehrendoktorwürde der Universi- tät Wien, nur drei Jahre nachdem diese auch für Studentinnen geöffnet wurde 4 In ihrer Aufbearbeitung der Bibliothek von Hedwig von Radics-Kaltenbrunner findet Žigon acht Titel von Ebner-Eschenbach (Žigon 148). Acta_Neophilologica_2023_FINAL.indd 114 4. 12. 2023 12:36:04 115Die Mensch-Hund-Beziehung in der deutschen Literatur des 19. Jahrhunderts (Kramberger et al. 6). Während in den Vordergrund der intensiven wissenschaft- lichen Forschungsbemühungen der letzten Jahre (Strigl, Piok et al.) vor allem ihre dramatischen Werke sowie ihre Biografie und ihre Verbindungen zu Freunden und Kollegen rückten, wird im Folgenden einem von Ulrike Tanzer festgestell- ten Forschungsdesiderat in Bezug auf das weitreichende Feld der sogenannten Tierstudien nachgegangen (Tanzer 226-227). Daher stellt sich die zentrale For- schungsfrage, inwieweit Marie von Ebner-Eschenbach in ihren Tiergeschichten das traditionelle, stark hierarchisch geprägte Verhältnis zwischen Mensch und Tier (kritisch) beleuchtet. Mit ihrer für jene Zeit keineswegs selbstverständlichen Sensibilität für das Leid und die Ängste aller Lebewesen hat Ebner-Eschenbach kontinuierlich auf soziale Ungerechtigkeiten hingewiesen. In zwei Erzählungen hat sie Hunde zu Hauptprotagonisten gemacht, nämlich in Krambambuli und in Die Spitzin, beide wurden nach ihrer Erstveröffentlichung5 oft nachgedruckt und sind nach wie vor fester Bestandteil schulischer Anthologien. Die Spitzin erzählt die Geschichte eines Waisenkindes namens Provi, das nir- gendwo so recht dazugehört. Als Findling wächst es in ärmlichsten Verhältnis- sen auf und entwickelt in seinem Kampf um das blanke Überleben eine extreme Gefühllosigkeit. In dieser rohen Umgebung zählen alleine die Stärke und die Macht über Schwächere – sei es ein Kind, eine Frau oder eine wehrlose Hün- din, die der unbegreiflichen Grausamkeit und Rücksichtslosigkeit der Menschen schutzlos ausgeliefert ist. Die Mitglieder jener verkommenen Familie, die Provi aus eigennützigen Gründen aufgenommen hat, ertränken die Welpen der Hün- din in einem Fluss, quälen und verstümmeln sie. Erst als die Hündin im Sterben liegt und ihm ihr gerade geborenes Junge anvertraut, zeigt Provi erste Anzeichen von Mitgefühl. Ihre bedingungslose Liebe, ihre Hingabe und ihr Glaube an das Gute, Eigenschaften, die Provi in seinem bisherigen Leben noch nie erlebt hat und ihm daher völlig fremd sind, lösen in ihm Selbstreflexion aus und rufen seine erste soziale Regung hervor: „Das war die Wendung in einem Menschenherzen und in einem Menschenschicksal“ (Ebner-Eschenbach 150). Trotz dieses optimistischen Endes zeigt Ebner-Eschenbach in ihrer Erzählung sonst nur wenig Sentimentalität. Sie ist sich bewusst, dass sie bei den Lesern mit bloßer Moralpredigt nicht den gewünschten Effekt erzielen würde, daher verzichtet sie größtenteils auf Kommentare aus einer auktorialen Perspektive und beschränkt sich auf prägnante, fast faktografische Beschreibungen der grausamen Behand- lung von Tieren. Bei der Darstellung der Perspektive der Hündin beabsichtigt Eb- ner-Eschenbach jedoch nicht in erster Linie, einen tiefen Einblick in deren inneres 5 Die Spitzin erschien zum ersten Mal 1901 in der Sammlung Aus Spätherbsttagen, Krambambuli 1883 in der Sammlung Dorf- und Schloßgeschichten. Hier werden sie nach der Ausgabe aus dem Jahr 1983 zitiert. Acta_Neophilologica_2023_FINAL.indd 115 4. 12. 2023 12:36:04 116 Irena SamIde Erleben zu gewähren, da dieses stets statisch und oberflächlich bleibt. Umso über- zeugender (und kritischer) ist ihre Darstellung der menschlichen Natur, die Veran- schaulichung der Reaktionen der Menschen und letztendlich ihrer (sporadischen) Veränderung. Ihr Blick auf die Hündin ist somit stark anthropozentrisch, sie hütet sich jedoch von einer übermäßigen Anthropomorphisierung. Ihr Hauptanliegen besteht darin, die ungerechte Behandlung von Tieren zu thematisieren; gleichzeitig unterstreicht sie aber auch die angeborene Güte der Tiere und ihre Fähigkeit, die Menschen zu besseren Wesen zu inspirieren. Deutlich komplexer wird die Natur der Hunde in ihrer wohl bekanntesten Tiergeschichte Krambambuli dargestellt. Im 20. Jahrhundert stand diese Ge- schichte oft auf den Lektürelisten österreichischer Gymnasien, so wurde sie auch von einigen slowenischen Gymnasiasten gelesen.6 Hinter dem ungewöhnlichen Titel verbirgt sich ein noch heute im deutschsprachigen Raum bekanntes alkoho- lisches Getränk von intensiv roter Farbe, hergestellt aus Wacholderbeerextrakt. In der Geschichte reichen jedoch 12 Flaschen dieses Getränks aus, um den wilden Jäger, den die Einheimischen unter dem Spitznamen „Der Gelbe“ kennen, zu Beginn der Erzählung dazu zu bewegen, seinen Hund Krambambuli, der die voll- kommene Verkörperung eines edlen Jagdhunds zu sein scheint, dem Revierjäger Hopp zu überlassen. Nach zwei Monaten brutaler Dressur gelingt es dem Jäger schließlich, Krambambulis ursprüngliche Bindung zu brechen, und der Hund ak- zeptiert Hopp als seinen neuen Herrn, wird zum Mittelpunkt und Stolz seines Lebens. Der gut erzogene Hund wird auch von der örtlichen Gemeinschaft ge- schätzt, so sehr, dass die Gräfin ihn als Geburtstagsgeschenk für ihren Ehemann erbittet. Hopp, überzeugt von der Loyalität des Hundes, gibt ihn scheinbar wohl- wollend ab, doch der Hund ist keineswegs bereit, erneut den Besitzer zu wech- seln: Nach wochenlangem, erfolglosem Versuch, seinen Widerstand zu brechen, lässt der verzweifelte Graf schließlich den Hund zu Hopp zurückkehren. Dieses Nebengeschehen ist nicht nur ein Beweis für die Treue des Hundes, sondern ver- deutlicht auch, wie Hunde zu dieser Zeit als Ware angesehen wurden, das man nach Belieben verleihen oder verschenken konnte. Bald darauf nimmt die Geschichte eine neue, diesmal schwerwiegendere Wendung. Da in den Wäldern zu viel gewildert wird, beschließt Hopps Vorge- setzter, der Oberförster, drastische Maßnahmen zu ergreifen. Dabei setzt er sich rücksichtslos und brutal gegenüber allen durch, die in der sozialen Hierarchie 6 In den Jahresberichten der klassischen Gymnasien in Laibach/Ljubljana, Marburg/Maribor und Klagenfurt/Celovec wird Marie von Ebner-Eschenbach namentlich sechs Mal erwähnt (Samide 211), die Erzählung Krambambuli taucht 1916 im Jahresbericht des k.k. Staatsgymnasiums zu Laibach auf. Die Gymnasiasten des 8. Jahrgangs schrieben im Deutschunterricht beim Professor Johann Krajec einen Aufsatz mit dem Titel Die Psychologie der Tierseele in Ebner-Eschenbachs Krambambuli (Jahresbericht 21). Acta_Neophilologica_2023_FINAL.indd 116 4. 12. 2023 12:36:04 117Die Mensch-Hund-Beziehung in der deutschen Literatur des 19. Jahrhunderts unter ihm stehen: Kindern, die versuchen, ihren Hunger zu lindern, genauso wie Frauen, die Brennholz für den Winter sammeln. Als er sich schließlich auch an der Geliebten des Gelben vergreift, rächt sich der Gelbe brutal und bringt ihn um. In diesem Moment spitzt sich die Geschichte dramatisch zu: Hopp und der Gelbe treten in einem Kampf auf Leben und Tod gegeneinander an. In einem erschütternden, dramaturgisch und erzählerisch brillant umgesetzten Konflikt, in dem sich der Hund befindet, entscheidet sich Krambambuli schließlich für seinen ehemaligen Besitzer und verursacht – indem er ihn liebevoll angreift – indirekt dessen Tod. Hopp interpretiert dies als Verrat. Er kann ihm zwar keinen Gna- denschuss geben, dennoch verzichtet er ohne zu zögern auf ihn und schickt ihn fort. Der Hund akzeptiert sein Schicksal, verbringt zwar einige Zeit in der Nähe des Hauses, aber der Jäger verschließt ihm gnadenlos alle Fenster und Türen. Als Hopp sein Handeln bereut, ist es bereits zu spät: Der Hund zieht sich hungrig und unterkühlt bis zur Haustür zurück und stirbt. Die Perspektive, in der Ebner-Eschenbach den Charakter des Hundes dar- stellt, hebt sich deutlich von den idyllisch-didaktischen Schilderungen ab, wie sie im 19. Jahrhundert in Familienzeitschriften wie Die Gartenlaube üblich waren. Hier handelt es sich nämlich nicht um eine rührselige sentimentale Erzählung, sondern vielmehr um eine tragische Geschichte, in deren Zentrum der Jagdhund Krambambuli steht. Wie in der Spitzin hat Ebner-Eschenbach auch hier die treue Anhänglichkeit eines Hundes verkörpert, diesmal geht es um den Konflikt, wem er die Treue zu halten habe, dem alten Herrn oder dem, in dessen Gunst er steht. Beide, ein Förster und ein Wilddieb, stehen sich gegenüber in einem Kampf auf Leben und Tod. Der Hund, schuldlos schuldig, findet sich in einem Konflikt wieder, aus dem es keine Lösung gibt. Wenn er sich auf die Seite seines gegenwärtigen Besitzers stellte, würde er seinem grundlegenden Instinkt, der von ihm absolute Treue verlangt, untreu werden. Deswegen siegt die Treue zum alten Herrn. Damit trifft er aber – aus der Perspektive des aktuellen Besitzers und der sogenannten zivilisierten Gesellschaft – die falsche Entscheidung und besiegelt damit sein tragisches Schicksal. Es ist nicht nur ein Hunde-Tableaux, das Ebner-Eschenbach in ihrer Er- zählung schildert, sondern gleichzeitig auch ein Porträt der Gesellschaft des 19. Jahrhunderts. Bei genauer Betrachtung wird deutlich, dass die Geschichte kei- nesfalls in Schwarz-Weiß-Malerei verfällt, sondern subtil auch die Oberschicht kritisiert. Moralisch fragwürdig ist demnach nicht nur der Ausgestoßene, sondern zunächst auch Hopps Vorgesetzter, der Oberförster, der aufgrund seines sozialen Status eigentlich Verantwortung, Klugheit und Gerechtigkeit verkörpern sollte. Allerdings geht er weit über seine Befugnisse hinaus, indem er die Dorfbewohner brutal bestraft, wenn sie es wagen, die Grenzen des Erlaubten minimal zu über- schreiten. Bei seiner Ermordung empfinden nicht nur die Leserinnen und Leser, Acta_Neophilologica_2023_FINAL.indd 117 4. 12. 2023 12:36:04 118 Irena SamIde sondern auch der Erzähler eindeutig Sympathie für den Ausgestoßenen. Auch die Entscheidung des Hundes, zu seinem ursprünglichen Besitzer zurückzukeh- ren, lässt sich nicht verurteilen. Der Hund moralisiert nicht und achtet nicht auf die Position des Gelben in der sozialen Hierarchie, auf seine soziale Ausgrenzung. Stattdessen zeigt er instinktiv seine (angeborene) Treue und Loyalität, was auch bei den Leserinnen und Lesern moralische Fragen aufwirft. Die Gesellschaft behandelt den Gelben als Kriminellen, als Außenseiter, als jemanden, der etablierte soziale Normen verletzt. Hopps moralische Integrität erscheint auf den ersten Blick unbestreitbar: Er hat einen klaren sozialen Status, ein klares Wertesystem, respektiert seinen Vorgesetzten und pflegt eine liebevol- le Beziehung zu seinem Hund. Doch diese liebevolle Bindung entsteht erst nach zweimonatiger brutaler Züchtigung und harter Erziehung, bei der Peitsche, Sta- chelhalsband und Kette zum Einsatz kamen. Auch seine Vermenschlichung des Hundes in einem Ausmaß, wobei seine menschliche Gefährtin, nämlich seine Frau zugunsten des Hundes völlig vernachlässigt wird, kann ihm nicht unbedingt zugu- tegehalten werden. Zeugt also sein Verhalten gegenüber dem Hund nicht davon, dass er sich moralisch nicht wesentlich von dem Gelben unterscheidet? Dies wird besonders augenscheinlich, wenn man berücksichtigt, dass der Erzähler zu Be- ginn der Geschichte zugibt, der Vagabund habe sich von seinem Hund keineswegs „leichtfertig“, sondern „mit zitternden Händen“ (Ebner-Eschenbach 118) getrennt. Im Gegensatz dazu erkennt und gesteht Hopp nie seine Fehler im Umgang mit dem Hund ein, er stellt auch zu keiner Zeit, weder vor noch nach dem vermeintli- chen Verrat, die inhumanen Methoden in Frage, mit denen er dem Hund deutlich gemacht hat, wer der Herr ist. Stattdessen wirft er dem Hund irrational vor, einen Pakt mit dem Mörder eingegangen zu sein. Seine Sicht ist in einer anthropozent- rischen Weltsicht gefangen, was bedeutet, dass er das Verhalten des Hundes – auch wenn er glaubt, ihn zu lieben – nicht begreifen kann. Diese sogenannte Liebe ist somit aufgrund seines egoistischen Verständnisses der Natur der Liebe letztendlich zum Scheitern verurteilt. Hopp hegt eine naive Sehnsucht nach Macht und Kon- trolle über Krambambuli, ohne dabei zu reflektieren, was im Inneren des Hundes vorgeht. Das eigentliche Hauptthema der Geschichte sind somit die Machtver- hältnisse in einer immer noch feudalen Gesellschaft (Bauer 139-141). Der einzige wirklich loyale, aufrichtige und menschliche Charakter in dieser Geschichte ist pa- radoxerweise der Hund – und ausgerechnet er wird zum Opfer. Hervorhebenswert dabei ist die Art und Weise, wie Ebner-Eschenbach die- se Hunde-Perspektive ins Zentrum rückt. Sehr oft bedient sie sich der erlebten Rede, für eine bessere Veranschaulichung gestaltet sie aber auch fiktive Dialoge. Krambambuli, der im Grunde genommen in ihrem realistischen Erzähluniversum als ein realistisches Tier präsentiert wird, er verhält sich nämlich innerhalb der die- getischen Welt auf eine Weise, wie wir es auch in unserer eigenen Welt erwarten Acta_Neophilologica_2023_FINAL.indd 118 4. 12. 2023 12:36:04 119Die Mensch-Hund-Beziehung in der deutschen Literatur des 19. Jahrhunderts würden (Borgards 226-227), scheint aber hin und wieder auch mit phantastischen Zügen ausgestattet zu sein, indem etwa im Dialog mit Hopp seine Stimme plötz- lich hörbar wird. Im Dialog tritt er als jemand, der dem Menschen ebenbürtig ist, hervor, als jemand, der seine Handlungen rechtfertigt und logisch argumentiert: „Weißt du, für wen das Blei gehört?“ „Ich kann es mir denken.“ „Deserteur, Kalfakter, pflich- und treuvergessene Kanaille!“ „Ja, Herr, jawohl.“ „Du warst meine Freude. Jetzt ist´s vorbei. Ich habe keine Freude mehr an dir.“ „Begreiflich, Herr,“ und Krambambuli legte sich hin, drückte den Kopf auf die ausgestreckten Vorderpfoten und sah den Jäger an. (Ebner-Eschenbach 131-132) Der sprechende Hund in Krambambuli lässt sich allerdings nicht etwa mit Äsops sprechenden Tieren gleichsetzen: Das Gespräch zwischen ihm und dem Jäger findet nämlich, und dies hebt der Erzähler ausdrücklich hervor, nur im Kopf des Jägers statt: „Und als der Jäger fertig ist und die Flinte wieder zur Hand nimmt, halten sie ein Gespräch, von dem kein Zeuge ein Wort vernommen hätte, wenn es auch statt eines toten ein lebendiger gewesen wäre.“ (ebd. 131). Es geht also lediglich um die Perspektive des Försters, um seine Inanspruchnahme der Stim- me des Hundes. Dies ist nur eine von dramatisch sehr wirkungsvoll aufgebauten Szenen, in denen teils mittels solcher fiktiven Dialoge und noch viel öfters mittels der erlebten Rede die Sichtweise und Gedanken Hopps zum Ausdruck kommen. Bereits die einleitende Beschreibung Krambambulis zeigt deutlich, wie sehr seine Wahrnehmungsweise mit den gängigen Vorstellungen von Hunden als adeligen Sportgeräten übereinstimmt: Und makellos war alles an dem ganzen Hunde von der Klaue bis zur der fei- nen Witternase; […] Vier lebende Säulen, die auch den Körper eines Hirsches getragen hätten und nicht viel dicker waren als die Läufe eines Hasen. Beim heiligen Hubertus! Dieses Geschöpf mußte einen Stammbaum haben, so alt und rein wie der eines deutschen Ordensritters. (ebd. 119) Auch daran wird deutlich, wie stark die Sicht auf Tiere im 19. Jahrhundert von anthropozentrischen Ansichten geprägt ist. Indem Marie von Ebner-Eschenbach diese Perspektive deutlich ins Zentrum ihrer Erzählung rückt, zeigt sie jedoch nicht zwangsläufig, dass sie persönlich mit solchen Ansichten übereinstimmt, im Gegenteil: Sie verdeutlicht vielmehr, welche Konsequenzen die überlegene Stel- lung, die der Mensch für sich beansprucht, mit sich bringt. Durch das Manko Acta_Neophilologica_2023_FINAL.indd 119 4. 12. 2023 12:36:04 120 Irena SamIde einer kommentierenden allwissenden Erzählinstanz überlässt sie schließlich die Meinung den Leserinnen und Lesern. FAZIT Sowohl Ferdinand von Saar als auch Marie von Ebner-Eschenbach, beides Re- präsentanten des spätfeudalen aristokratischen Milieus des 19. Jahrhunderts, ha- ben in ihren Hundegeschichten die Tiere vordergründig in ihren Wirkungen auf das Verhalten, die Charakterentwicklung und Moralvorstellungen von Menschen dargestellt. Die Mensch-Tier-Beziehung war im 19. Jahrhundert, wie in allen drei Geschichten deutlich wird, stark vom Anthropozentrismus geprägt: Der Mensch beanspruchte das alleinige Recht, Tiere zu züchten und zu züchtigen, sie für sportliche oder wirtschaftliche Zwecke zu nutzen, sie mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu erziehen und als moralische Instanz über ihr Schicksal zu entscheiden. Dass dies nicht selbstverständlich sein sollte, zeigt Ebner-Eschen- bach vor allem in ihrer Erzählung Die Spitzin, worin sie scharfe Kritik an der bestehenden Ordnung äußert und wichtige Schritte in Richtung Tierschutz vor- schlägt. Sowohl in Tambi wie auch in Krambambuli wird jedoch gezeigt, welche schwerwiegenden Folgen die Anthropomorphisierung haben kann: Weder Hopp noch Bacher können oder wollen die Natur ihrer Hunde anerkennen, was letzt- endlich dazu führt, dass sie diese indirekt in den Tod treiben. Auch wenn sich Saar und Ebner-Eschenbach eines direkten moralischen Urteils enthalten, spricht dies für eine kritische Betrachtung der undifferenzierten Sicht auf Tiere. Vor allem bei Ebner-Eschenbach, deren Texte auch künstlerisch überzeugender sind als die ihres Freundes Saar, wird ihre Tendenz deutlich, die Fremdheit des Tieres als Eigenwert zuzulassen sowie das Zusammenleben von Mensch und Tier kritisch zu reflektieren. Schließlich zielen ihre Texte darauf ab, eine (grundlegend) andere Perspektive auf die Wechselbeziehung von Menschen und Tieren zu gewinnen. Da die analysierten Texte die Leserinnen und Leser – sowohl die damaligen als die heutigen – für wichtige moralische und ethische Fragen in diesem Bereich sensibilisieren, können und sollten sie als tierethische Literatur gelesen und wahr- genommen werden. LITERATURVERZEICHNIS Primärliteratur Ebner-Eschenbach, Marie von. Novellen und Tiergeschichten. Steyr, Wilhelm Enns thaler, 1983. Acta_Neophilologica_2023_FINAL.indd 120 4. 12. 2023 12:36:05 121Die Mensch-Hund-Beziehung in der deutschen Literatur des 19. Jahrhunderts Saar, Ferdinand von. „Tambi“. Gesamtausgabe des erzählerischen Werkes, 1. Bd., Wien, Amandus Verlag, 1959, S. 269-305. Sekundärliteratur Bauer, Werner M. „Falsche Analogie. 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Prispevek se osredotoča na tiste pripo- vedi, v katerih je v središču odnos med človekom in psom. Osrednje raziskovalno vpraša- nje je, ali lahko oba avtorja že štejemo kot predhodnika živalsko-etičnega pristopa, ali pa v njunih zgodbah še vedno prevladuje antropocentrična in antropomorfna perspektiva. Iz- kaže se, da sta oba avtorja še vedno tesno zavezana tradicionalnemu antropocentričnemu Acta_Neophilologica_2023_FINAL.indd 123 4. 12. 2023 12:36:05 124 Irena SamIde svetovnemu nazoru, v dveh novelah, Tambiju in Krambambuliju, pa prevladuje tudi antro- pomorfičen pogled na živali. Ob pozornejši analizi pa lahko obenem zaznamo tudi kritiko antropomorfizma. Prav počlovečenje živali in s tem povezano neupoštevanje primarne živalske narave sta namreč kriva za tragično usodo obeh živalskih protagonistov in s tem povezan telesni in/ali duhovni propad njunih lastnikov. Ključne besede: Marie von Ebner-Eschenbach, Ferdinand von Saar, živalske zgodbe, štu- dije živali, nemška književnost 19. stoletja, živalska etika Acta_Neophilologica_2023_FINAL.indd 124 4. 12. 2023 12:36:05